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Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 03. Dezember 2013 - 8 Ca 2944/13 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen. | Die Parteien streiten um Differenzvergütungsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten für Dezember 2012.
Der Beklagte führt Maßnahmen im Bereich des SGB VIII und des SGB XII durch. Er verfolgt den Zweck, die Gleichstellung, die Selbstbestimmung und den Selbstvertretungsanspruch behinderter Menschen in allen Lebensbereichen zu bewirken. Er ist gemeinnützig, verfügt nicht über wesentliche Eigenmittel und wird aus Zuwendungen der Kostenträger finanziert.
Die Klägerin ist seit dem 01. Oktober 1993 bei dem Beklagten als Pflegehelferin in Vollzeit mit zuletzt 39 Stunden pro Woche tätig. Wegen der Einzelheiten der schriftlichen Vereinbarungen wird auf Bl. 4 bis 13 d. A. Bezug genommen.
Die Klägerin ist seit 01. Dezember 2012 Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di).
Nach einem Arbeitskampf hat der Beklagte am 09. Mai 2012 mit ver.di folgende Vereinbarung geschlossen:
1. Es herrscht Einvernehmen, dass bei Bestätigung dieser Vereinbarung der Anwendungstarifvertrag zum TVöD bis 31.05.12 unterschrieben werden und zum 01.07.12 in Kraft treten soll.
2. verdi erklärt sich bereit, bei Nachweis von nicht kostendeckenden Refinanzierungsvereinbarungen, deren mangelnde Kostendeckung sowohl aus der Anwendung des Tarifvertrages, als auch aus Restrukturierungserfordernissen des Betriebs resultiert, in Verhandlungen mit dem Ziel einzutreten, dem A die wirtschaftliche Existenz im notwendigen Restrukturierungsprozeß zu sichern. Für diesen Fall vereinbaren die Parteien den Abschluss eines Notlagentarifvertrages.
3. Sollte im wirtschaftlichen Ergebnis nach Ablauf des Notlagentarifvertrages eine Überdeckung entstehen, ist dieser Betrag den Mitarbeiterinnen in noch zu vereinbarender Form gutzubringen." Wegen der Einzelheiten der Vereinbarung wird auf B. 47 d. A. Bezug genommen.
Darüber hinaus hat der Beklagte mit ver.di eine "Verfahrensvereinbarung für den Fall einer existenzgefährdenden Notlage" am 29. Mai 2012 geschlossen. Danach sind zwischen den Tarifvertragsparteien Sondierungsgespräche über den Abschluss eines Notlagentarifvertrags aufzunehmen, wenn die sich aus dem abzuschließenden Anwendungstarifvertrag ergebenden Personalkostensteigerungen eine wirtschaftliche Notlage der Beklagten herbeiführen. Im Einzelnen heißt es in der Verfahrensvereinbarung (Bl. 48 und 49 d. A.):
"
Präambel
Die Parteien schließen gleichzeitig mit dieser Vereinbarung einen Anwendungstarifvertrag zum TVöD. Dieser führt für den A zu erheblichen Personalkostensteigerungen. Die Gespräche des A mit den Kostenträgern, die zur Refinanzierung führen sollen, sind erfolgversprechend; sie sind aber noch nicht abgeschlossen.
Sollte eine vollständige Kostendeckung nicht erzielbar sein, ist es nicht auszuschließen, dass sich diese Personalkostensteigerungen existenzgefährdend auswirken.
Den Parteien ist daran gelegen, den Mitarbeitern alsbald eine tarifliche Vergütung zu sichern. Dabei soll aber auch die Fortexistenz des A und der Fortbestand der Arbeitsplätze gewährleistet werden. Für den Fall, dass es danach entgegen den Erwartungen beider Seiten doch zu einer Notlage kommen sollte, vereinbaren die Parteien deshalb zur Sicherstellung der Existenz des A die nachfolgende Verfahrensregelung zum Abschluss eines Notlagentarifvertrages.
I)
Ergibt sich eine existenzgefährdende Notlage des A, die dazu führt, dass die Erfüllung der durch den Anwendungstarifvertrag begründeten tariflichen Ansprüche absehbar zur Insolvenzgefahr führt, zeigt der A dies der Ver.di schriftlich an und legt die Unterlagen vor, aus denen sich aus seiner Sicht diese Notlage ergibt.
Innerhalb von zwei Wochen nach dieser Anzeige nehmen die Tarifparteien Sondierungsgespräche über den Abschluss eines Notlagentarifvertrages auf.
II)
Ver.di prüft unverzüglich die vorgelegten Unterlagen. Verdi ist berechtigt, weitere Unterlagen anzufordern und erhält Einblick in die Geschäfts- und Vermögensverhältnisse des A. Ver.di darf die Firma B als externen Gutachter hinsichtlich des Bestehens und des finanziellen Volumens der Notlage sowie zugehöriger wirtschaftlicher Fragen (z.B.: Sanierungskonzept) heranziehen. Die Kosten trägt der A.
Soweit zwischen den Parteien keine abschließende Einigkeit über den Bestand einer Notlage im Sinne dieser Vereinbarung herbeigeführt werden kann, akzeptieren beide Seiten das Ergebnis eines unverzüglich einzuholenden B-Gutachtens als Verhandlungsgrundlage.
Die Parteien stimmen darin überein, dass nach Feststellung der Notlage zügig mit dem Ziel eines baldigen Abschlusses zu verhandeln ist. Jede Seite kann die Hinzuziehung eines von B zu benennenden Moderators verlangen.
Der A entwickelt ein vorläufiges Sanierungskonzept und legt dieses frühzeitig, spätestens zur ersten Sitzung der Sondierungsverhandlungen vor.
Die Tarifpartner beraten ein abschließendes Konzept und machen dies - soweit sinnvoll - auch zum Gegenstand des abzuschließenden Tarifvertrages. Das betrifft beispielhaft den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und den Abbau etwaiger übertariflicher Leistungen.
IV)
Der zu verhandelnde Notlagentarifvertrag dient ausschließlich der Bewältigung der Notlage. Er ist ohne Nachwirkung zu befristen."
Der Beklagte hat -zusammen mit der Schwesterorganisation C GmbH- mit Wirkung zum 01. Juli 2012 mit ver.di einen "Tarifvertrag zur Anwendung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD-VKA, BT-B) auf den A e.V." (im Folgenden: Anwendungs-TV) geschlossen, nach dessen § 2 auf die mit dem Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnisse mit tarifgebundenen Arbeitnehmern der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, Besonderer Teil Pflege- und Betreuungseinrichtungen vom 13. September 2005 (TVöD-B) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung findet. Unter § 5 des Anwendungs-TV ist die Begrenzung der Entgelttabellenwerte nach den Anlagen zum TVöD für die Zeit ab 01. Juli 2012 bis 30. Juni 2014 auf 90 % und die Reduzierung der Jahressonderzahlung nach § 20 TVöD für das Jahr 2012 vorgesehen. Nach § 4 Anwendungs-TV sind in der Anlage 1 für die Beschäftigten des Beklagten eigene Entgeltgruppenzuordnungen vereinbart. Wegen der weiteren Einzelheiten des Anwendungs-TV wird auf B. 16 bis 21 d. A. und wegen der Einzelheiten der Entgeltgruppenzuordnung wird auf dessen Anlage 1 Bl. 22 - 26 d. A. Bezug genommen.
Infolge der Anwendung des TVöD-B, der Tätigkeit der Klägerin und ihrer Beschäftigungsdauer ist sie seit Dezember 2012 unstreitig in die Entgeltgruppe 5 Stufe 6 eingruppiert. Dem entspricht bei einer Vollzeitbeschäftigung mit 39 Stunden wöchentlich nach den Entgelttabellenwerten des TVÖD (Anlage A, Bl. 27 d. A.) im Zeitraum vom 01. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2012 ein Bruttomonatsverdienst in Höhe von 2.508,51 EUR. Im Hinblick auf die Begrenzung der Entgelttabellenwerte durch § 5 des Anwendungs-TV auf 90 % errechnet sich eine unstreitige Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.257,66 EUR im Dezember 2012.
Auf Basis der bestehenden Vergütungsvereinbarungen mit den Kostenträgern der im Bereich des SGB VIII und SBG XII vom Beklagten durchgeführten Maßnahmen hat dieser lediglich einen Kostendeckungsgrad von 81 % der durch die Einführung der mit dem Anwendungs-TV verbundenen gesteigerten Löhne erzielt. Entsprechend hat der Beklagte 2012 das Arbeitsentgelt an seine Arbeitnehmer nicht in Höhe von 90 %, sondern in Höhe von 81 % der Entgelttabellenwerte ausgezahlt und der Klägerin für Dezember 2012 ein Bruttoentgelt von insgesamt 2.031,89 EUR ausgezahlt.
Im Jahr 2012 von den Tarifvertragsparteien aufgenommene Sondierungsgespräche zum Abschluss eines Notlagentarifvertrags sind erfolglos verlaufen. Am 2. Oktober 2012 hat die Firma B ein Gutachten vorgelegt, in dem die Notlage des Beklagten und die Notwendigkeit eines unverzüglich abzuschließenden Notlagentarifvertrages für die Dauer von mindestens drei Jahren bestätigt wurden (Bl. 50 ff d. A.). Mit Schreiben vom 16. Mai 2013 hat ver.di (Bl. 53 d. A.) "offiziell die Beendigung der Verhandlungen über einen Notlagentarifvertrag" erklärt.
Mit Schreiben vom 21. März 2013 hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten Entgeltansprüche aus dem Anwendungs-TV geltend gemacht. Sie hat sich auf ihre Mitgliedschaft bei ver.di berufen und seit dem 1. Dezember 2012 Ansprüche auf Entgelt gemäß dem Anwendungs-TV gefordert. Insofern hat sie ihren Differenzlohnanspruch für Dezember 2012 auf 225,77 EUR brutto beziffert. Wegen des weiteren Inhalts des Geltendmachungsschreibens wird auf Bl. 15 d. A. Bezug genommen.
Mit am 23. April 2013 bei Gericht eingegangener Klage, die dem Beklagten am 24. Mai 2013 zugestellt worden ist, hat die Klägerin für Dezember 2012 eine Vergütungsdifferenz von 225,77 EUR brutto geltend gemacht.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihr ein Anspruch auf Vergütung nach § 5 Anwendungs-TV in Höhe von 90 % des sich aus der einschlägigen Anlage zum TVöD (VKA) ergebenden Entgelttabellenwertes zustehe. Demgegenüber stehe dem Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB, das sich aus den Vereinbarungen vom 09. Mai und 29. Mai 2012 herleite, nicht zu.
Im Zeitpunkt der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch den Beklagten sei ein solches weder dem Grunde noch der Höhe nach erkennbar.
Der Klägerin hat zuletzt beantragt,
den Beklagte zu verurteilen, an die klägerische Partei € 225,77 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass ihm infolge tarifvertragswidrigen Verhaltens der Gewerkschaft ver.di ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem klägerischen Anspruch zustehe. Angesichts der bestehenden Notlage habe er bei vereinbarungsentsprechender Umsetzung der Vereinbarungen vom 09. und 29. Mai 2012 einen Anspruch gegen ver.di auf Abschluss eines Notlagentarifvertrages, der rückwirkend den tarifvertraglichen Zahlungsanspruch auf die tatsächlich leistbaren 81 % des Tabellenentgeltes reduziere. Bis zum Abschluss einer solchen Vereinbarung mache der Beklagte hinsichtlich der Differenz ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Nach Abschluss des Notlagentarifvertrages habe der Beklagte einen fälligen Anspruch auf Rückzahlung des hier geltend gemachten Differenzbetrages. Der Anspruch auf Abschluss des Notlagentarifvertrages sei entstanden und fällig.
Außerdem habe sich die Geschäftsgrundlage für den Anwendungs-TV geändert. Ausweislich der Vereinbarungen vom 09. und 29. Mai 2012, sei die Gewissheit, dass bei nicht ausreichender Kostendeckung eine ausgleichende tarifliche Regelung erfolgen würde, Geschäftsgrundlage für den Abschluss des Anwendungs-TV gewesen. Diese habe sich durch die Weigerung von ver.di die zugesagte Anpassung vorzunehmen, geändert, so dass dem Beklagten ein Anpassungsanspruch gegen ver.di zustehe, den er auch gegenüber der klägerischen Forderung erheben könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage mit Urteil vom 3. Dezember 2013 - 8 Ca 2944/13 -stattgegeben und dies im Wesentlichen damit begründet, dass dem Beklagten gegen den tariflichen Anspruch der Klägerin kein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 BGB zustehe. Selbst wenn sich ver.di tarifvertragswidrig verhalte, habe dies keine Auswirkungen auf das individualrechtliche Arbeitsverhältnis der Parteien. Ein etwaiger Gegenanspruch der Beklagten wegen überzahlten Gehaltes sei noch nicht einmal entstanden, geschweige denn fällig.
Auch wenn zugunsten der beklagten Partei davon ausgegangen werde, dass eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliege, weil ver.di sich einer Anpassung bzw. dem Abschluss eines Notlagentarifvertrages entziehe, führe dies nicht dazu, dass der Beklagte die Entgeltzahlung gegenüber einzelnen Arbeitnehmern verweigern könne.
Seit der Einführung von § 313 Abs. 1 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz komme lediglich ein Anpassungsanspruch in Betracht, der zwar einredeweise erhoben werden könne, allerdings lediglich vom Verpflichteten und nicht von Personen, die nicht Vertragspartei seien.
Wegen des Inhalts des angefochtenen Urteils im Übrigen und wird auf Bl. 68 - 73 d. A. Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte ausweislich der im Sitzungsprotokoll der Berufungsverhandlung am 12. Juni 2015 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt und diese innerhalb rechtzeitig beantragter und verlängerter Fristen begründet.
Der Beklagte ist unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin der Auffassung, dass ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines über den gedeckten Kostenanteil hinausgehenden Tariflohns nicht bestehe. Bei ordnungsgemäßer Umsetzung der Vereinbarungen vom 9. und 29. Mai 2012 hätten sich die Tarifvertragsparteien auf eine rückwirkende Regelung verständigen müssen, wonach er nur 81 % des Tabellenentgelts des TVöD auszahlen müsse. Insoweit habe das Arbeitsgericht verkannt, dass der fällige Anspruch des Beklagten auf Abschluss eines Notlagentarifvertrages auf die Fälligkeit der dem Zurückbehaltungsrecht zugrundeliegenden Gegenforderungen durchschlage. Das wahrscheinliche Entstehen und Fälligwerden einer Gegenforderung aufgrund eines bereits fälligen Anspruchs gegen einen Dritten müsse zur Begründung eins Zurückbehaltungsrechts ausreichen.
Jedenfalls ergebe sich die Begründetheit der Einrede des Beklagten unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB; dolo agit, qui petit, quod statim redditurus sit).
Auch stehe einer Zahlungspflicht des Beklagten der rechtliche Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage entgegen. Geschäftsgrundlage für den Abschluss des Anerkennungstarifvertrages sei nämlich der Abschluss eines Notlagentarifvertrages bei nicht ausreichender Kostendeckung gewesen. Diese Geschäftsgrundlage habe sich geändert, weil die Gewerkschaft sich ohne hinreichende Gründe weigere, die zugesagte Anpassung vorzunehmen. Ein solcher Anpassungsanspruch könne auch bei Tarifverträgen und auch im Passivprozess einredeweise erhoben werden. Insoweit sei für die gleichgelagerte Interessenlage des Vertrages zugunsten Dritter anerkannt, dass die Rechte aus der Anpassung dem Dritten direkt zustehen könnten.
Die Beklagte beantragt,
in Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. Dezember 2013-8 Ca 2944/13- die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und vertritt weiterhin die Ansicht, dass sich der klägerische Zahlungsanspruch zweifelsfrei aus dem Anwendungs-TV ergebe. Weder bestehe ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten noch könne er sich gegenüber den tarifgebundenen Arbeitnehmern auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage mit der Folge einer (Tarif-) Vertragsanpassung von 81 % des Tarifentgeltes des TVöD berufen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. | |
Der Rechtsstreit ist durch das vom Kläger mit Schreiben vom 02. April 2019 angenommene Anerkenntnis der Beklagten vom 21. März 2019 erledigt.
Die im Berufungsverfahren erhobene Widerklage der Beigeladenen ist wirkungslos.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Die Beigeladene begehrt die Fortsetzung des Verfahrens.
Randnummer
2
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der sich ursprünglich die Entwicklung und Umsetzung von Beratungs-, Qualifizierungs- und Forschungsprojekten sowie von öffentlichkeitswirksamen Initiativen mit dem Ziel zum Zweck gesetzt hatte, die selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen insbesondere mit Behinderung und/ oder sozialer Benachteiligung am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft zu erreichen (vgl. Gründungssatzung vom 26. Mai 2009). Später nahm der Kläger als Vereinszweck in die Satzung auf, Menschen mit Behinderung und sozialer Benachteiligung durch betriebsintegrierte Qualifizierungsformen zu befähigen, ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis oder eine betriebliche Ausbildung aufzunehmen, Lehrkräfte allgemein- und berufsbildender Schulen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des nachschulischen Bildungssystems zu qualifizieren, Unternehmen durch Öffentlichkeitsarbeit über die Möglichkeiten der Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung und sozialer Benachteiligung zu informieren und durch betriebliche Integrationsberatung bei der Ausbildung und Beschäftigung solcher Menschen zu unterstützen und mit Forschungsprojekten arbeitsmarkt- und sozialpolitische Fragestellungen zu beantworten (vgl. Beschluss der Mitgliederversammlung vom 08. Juli 2009 und Satzung vom 24. Oktober 2014). Der Kläger wurde ursprünglich in der Zuständigkeit der Beklagten zur gesetzlichen Unfallversicherung veranlagt.
Randnummer
3
Mit Bescheid vom 29. Oktober 2014 überwies die Beklagte den Kläger mit Wirkung ab dem 01. Januar 2015 in die Zuständigkeit der Beigeladenen, nachdem diese ihre Zustimmung erteilt hatte. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08. Juli 2015 als unbegründet zurück. Sie führte zur Begründung aus, dass die Entscheidung über die Zuständigkeit eines Unternehmens zu einem Unfallversicherungsträger sich nach der Art und dem Gegenstand des Unternehmens bzw. Ziel und Zweck des Vereins richte. Nach diesen Grundlagen habe die Beklagte für den Kläger ursprünglich ihre sachliche Zuständigkeit festgestellt. Ursprünglich habe weder eine soziale Betreuung noch Qualifizierung von Menschen mit Behinderung oder sozialen Benachteiligungen stattgefunden, sondern sei angegeben worden, dass der Vereinszweck ausschließlich in der Beratung von Lehrkräften, Arbeitgebern und Unternehmen haben bestehen sollen. Zum 14. März 2013 habe der Kläger eine Zertifizierung als zugelassener Träger nach dem Recht der Arbeitsförderung erhalten. Diese Zertifizierung habe eine Verschiebung des Vereinsschwerpunkts von der Beratung in den Bereich Durchführung von berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen ausschließlich für behinderte Menschen und die soziale Beratung dieses Personenkreises zur Folge gehabt. Sachlich zuständiger Unfallversicherungsträger sei hierfür die Beigeladene. Diese habe dem Überweisungsersuchen der Beklagten zugestimmt und sei mit einer Überweisung des Klägers zum 01. Januar 2015 einverstanden.
Randnummer
4
Der Kläger hat sein Begehren mit der am 27. Juli 2015 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt und geltend gemacht, mit seiner Tätigkeit nicht bloß auf die Qualifizierung von jungen Menschen mit Behinderungen ausgerichtet zu sein. Zur Untermauerung seines Vorbringens hat der Kläger Listen mit seinen Arbeitsbereichen vorgelegt, aus denen sich für 2015 und 2016 sowohl Beratungs-, berufliche Orientierungs-, Informations- und Ausbildungsveranstaltungen ergeben.
Randnummer
5
Das SG hat mit Urteil vom 07. September 2018 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass in den Verhältnissen des Klägers seit der erstmaligen Feststellung der Zuständigkeit durch die Beklagte wesentliche Änderungen eingetreten seien. Ursprünglich sei der Kläger im Schwerpunkt mit der Beratung von anderen Unternehmen sowie Forschung und Interessenvertretung befasst gewesen. Seitdem sei jedoch der Unternehmensgegenstand schwerpunktmäßig in Bildungsmaßnahmen zu sehen. Dies werde an der Zertifizierung als Träger nach dem Recht der Arbeitsförderung für Maßnahmen der Berufswahl und -bildung und Maßnahmen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben deutlich, zum Anderen an der Neufassung des Vereinszwecks mit der Satzung vom 19. Oktober 2014. Damit rücke er in den Bereich der von der Beigeladenen versicherten Wohlfahrtspflege, weshalb die Überweisung rechtens erscheine.
Randnummer
6
Der Kläger hat gegen das ihm am 05. Oktober 2018 zugestellte Urteil am 31. Oktober 2018 Berufung eingelegt. Mit Schreiben vom 21. März 2019 hat die Beklagte den Anspruch des Klägers, weiterhin im Zuständigkeitsbereich der Beklagten zu verbleiben, anerkannt. Mit Schreiben vom 02. April 2019, am selben Tag per Telefax und am 04. April 2019 per Post bei Gericht eingegangen, hat der Kläger das Anerkenntnis der Beklagten angenommen und um eine gerichtliche Kostenentscheidung gebeten. Das Berufungsverfahren ist aufgrund der Verfügung des Berichterstatters vom 03. April 2019 als erledigt ausgetragen worden. Die Beigeladene hat mit Schreiben vom 04. April 2019, bei Gericht am 05. April 2019 eingegangen, beantragt, im Wege der Widerklage die Beklagte zu verurteilen, den Kläger an die Beigeladene zu überweisen. Mit Verfügung des Berichterstatters vom 10./ 11. April 2019 ist die Beigeladene darauf hingewiesen worden, dass sich der vorliegende Rechtsstreit mit der am 02. April 2019 bei Gericht eingegangenen Annahme des Anerkenntnisses der Beklagten vom 21. März 2019 erledigt haben dürfte, so dass die erst am 05. April 2019 bei Gericht eingegangene Widerklage vom 04. April 2019 demnach gegenstandslos geworden sein dürfte.
Randnummer
7
Mit Schreiben vom 09. Mai 2019 erklärte die Beklagte die Aufhebung des Überweisungsbescheids vom 29. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. Juli 2019 und die Übernahme der Kosten des Verfahrens. Der Kläger hat das Kostengrundanerkenntnis mit Schreiben vom 17. Mai 2019 angenommen.
Randnummer
8
Die Beigeladene begehrt die Fortsetzung des Verfahrens. Sie ist der Auffassung, dass der Rechtsstreit nicht wirksam durch ein angenommenes Anerkenntnis beendet worden sei, als sie ihre Widerklage erhoben habe. Es hätte eines verfahrensbeendenden Beschlusses bedurft, weil das Anerkenntnis außerhalb der mündlichen Verhandlung angenommen worden sei. Soweit ein solcher Beschluss jetzt nachgeholt würde, würde sich unter Umständen der Rechtsstreit zwischen dem Kläger und der Beklagten erledigen. Es bliebe aber die insoweit rechtzeitig erhobene Widerklage der Beigeladenen mit denselben Beteiligten anhängig. Ferner könne ein dreiseitiger Rechtsstreit nicht durch zweiseitige Prozesserklärungen beendet werden, denn dies vereitele die Rechte der dritten Seite. Hierfür spreche auch der systematische Zusammenhang mit dem Prozessvergleich.
Randnummer
9
Die Beigeladene beantragt,
Randnummer
10
den Rechtsstreit fortzusetzen und im Wege der Widerklage die Beklagte zu verurteilen, den Kläger an die Beigeladene zu überweisen.
Randnummer
11
Der Kläger und die Beklagte stellen keinen Antrag.
Randnummer
12
Sie gehen übereinstimmend davon aus, dass der Rechtsstreit erledigt ist.
Randnummer
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten und Beigeladenen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen und inhaltlich Bezug genommen. | |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf € 2.844.430,00 (USD 3.872.635,38 bei Klageinreichung) festgesetzt. | Randnummer
1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratungen im Zusammenhang mit dem Abschluss von drei Cross-Currency-Swaps.
Randnummer
2
Die Klägerin ist ein Schiffsfonds, an dem sich private Investoren beteiligten konnten (vgl. die Informationen über das Private Placement MT „K. J.“ vom 15.01.2003, Anlage K9). Die Beklagte ist eine Bank. Die Parteien sind seit dem Jahr 2001 über einen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte vertraglich miteinander verbunden (Anlagen K1 bis K4). Bereits in den Jahren 2001/2002 schlossen die Parteien zwei Zahler-Swap (Anlage B5 und B6) und zwei Switchable-Swaps (Anlage B7). Die Klägerin nahm im Jahr 2002 von einem Bankenkonsortium, bestehend aus der Beklagten und der D. S. AG, ein variabel verzinsliches Darlehen in Höhe von USD 27.625.000,00 auf (Anlage K5).
Randnummer
3
Am 27.10.2005 schlossen die Parteien zur Zinsoptimierung des zuvor genannten Darlehens einen Cross-Currency-Swap (Referenznummer ...) mit einer Laufzeit vom 28.10.2005 bis 29.10.2007 zum Bezugsbetrag USD 9.000.000,00 / CHF 11.475.000,00 (nachfolgend „CCS I“, Anlage K10). Aus dem CCS I erlitt die Klägerin einen Verlust in Höhe von jedenfalls USD 780.000,00. Am 30.10.2007 schlossen die Parteien zur Fortführung des CCS I einen zweiten Cross-Currency-Swap (Referenznummer ...) mit einer Laufzeit vom 01.11.2007 bis 28.10.2009 mit identischen Bezugsbeträgen (nachfolgend „CCS II“, Anlage K11). Mit dem CCS II erhöhten sich die Verluste der Klägerin auf USD 2.188.000,00, deren Zahlung von der Beklagten der Klägerin zunächst gestundet wurde.
Randnummer
4
Im Jahr 2009 gewährte das Bankenkonsortium der Klägerin ein Ratentilgungsdarlehen in Höhe von USD 14.260.000,00 als Anschlussfinanzierung zum o.g. Darlehen (Anlage K6). Dieser Darlehensvertrag enthielt in Ziffer 9.2.g. die Verpflichtung der Klägerin, das Währungsswapgeschäft aufzulösen, sobald es an einem Tilgungstermin einen positiven Marktwert aufweist.
Randnummer
5
Es kam zu einem Beratungsgespräch am 18. oder 20.01.2010, an dem der damalige Geschäftsführer der Klägerin, der Zeuge R. J., und die Mitarbeiter der Beklagten, die Zeugen B. M. und R. S., teilnahmen (Beratungsprotokoll Anlage K14). Der Inhalt des Beratungsgesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Am 26.01.2010 schlossen die Parteien zur Fortführung des CCS II einen dritten Cross-Currency-Swap (Referenznummer ...) mit einer Laufzeit 28.01.2010 bis 28.01.2012 erneut mit identischen Bezugsbeträgen (nachfolgend CCS III, Anlage K12). Der CCS III führte zu einem endgültigen Verlust von USD 3.541.413,92. Die Mitarbeiter der Beklagten klärten die Klägerin vor Abschluss der drei CCS nicht über das Bestehen und die Höhe von anfänglichen negativen Marktwerten auf.
Randnummer
6
Die Klägerin zahlte an die Beklagte die Beträge von USD 372.780,00, USD 186.390,00 und USD 470.000,00 (Anlagen K16 bis K18). Zur Tilgung der restlichen Verluste nahm die Klägerin ein Darlehen in Höhe von USD 2.512.243,92 auf (Anlage K19). Für dieses Darlehen zahlte die Klägerin an die Beklagte eine einmalige Bearbeitungsgebühr in Höhe von USD 60.000,00 (vgl. Anlage K19). Das Darlehen wurde am 15.04.2014 von der Klägerin zurückgeführt. Die Klägerin zahlte Zinsen auf dieses Darlehen in Höhe von USD 271.221,46.
Randnummer
7
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe ihre Pflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung verletzt. Sie behauptet, in pekuniären Angelegenheiten zum Wohle ihrer Kommanditisten bedingt risikobewusst ausgerichtet zu sein. In den Beratungsgesprächen vor dem Abschluss hätte die Beklagte den CCS I sinngemäß entsprechend dem Flyer in der Anlage K7 beschrieben. Die Beklagte hätte verschwiegen, dass die Zinsoptimierung lediglich aus einer insolvenzgefährdeten Spekulation auf Zinsen und Währungen bestanden habe, dies sei dem von der Klägerin in Auftrag gegebenen Privatgutachten der S. A. M. GmbH vom 04.07.2014 zu entnehmen (Anlage K8). Mit den Darlehen der Anlagen K5 und K6 seien die CCS nicht konnex. Bereits durch den Verlust des CCS I sei der Klägerin die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit genommen worden. Die Beklagte habe der Klägerin empfohlen, die Verluste aus dem CCS I durch den CCS II zu egalisieren. Sie habe der Klägerin jedoch nicht offenbart, dass den Banken bereits Ende 2007/Anfang 2008 eine Zinsniedrigphase erwartet hätten. In dem Beratungsgespräch am 20.01.2010 hätten die Mitarbeiter S. und M. dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin R. J. empfohlen, den CCS III abzuschließen. Durch den CCS III sollten weitere Währungsverluste begrenzt bzw. die vorhandenen Verluste abgetragen werden.
Randnummer
8
Die Klägerin behauptet weiter, die Beklagte habe sie nicht über das Maximalrisiko, eine Insolvenz der Klägerin, aufgeklärt. Sie habe zudem die Risiken verharmlost und das spekulative Element nicht herausgestellt. Die Beklagte habe die Klägerin nicht über die fehlende Harmonie zwischen den CCS und den bestehenden Darlehen aufgeklärt und nicht dargestellt, dass die CCS als Wette und Glücksspiel angesehen werden, bei dem die Beklagte die Spielregeln selbst festlegt und die Gewinnchancen der Klägerin negativ verschoben hat. Die Beklagte habe sich durch das Generieren von anfänglichen negativen Marktwerten bei den Beratungen in einem schwerwiegenden Interessenkonflikt befunden. Die Klägerin behauptet, ohne die fehlerhafte Beratung hätte sie die Zinsswapgeschäfte nicht getätigt.
Randnummer
9
Die Klägerin beantragt:
Randnummer
10
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin USD 3.541.413,92 zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Randnummer
11
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin USD 271.221,46 zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Randnummer
12
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin USD 60.000,00 zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Randnummer
13
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten für die Inanspruchnahme der b. Rechtsanwälte in Höhe einer 1,8-Geschäftsgebühr zu einem Streitwert von € 2.603.215,71 (USD 3.541.413,92) freizustellen.
Randnummer
14
Die Beklagte beantragt,
Randnummer
15
die Klage abzuweisen.
Randnummer
16
Die Beklagte ist der Ansicht, ein Beratungsverschulden und damit Schadensersatzansprüche der Klägerin bestünden nicht. Sie behauptet, an der Klägerin seien professionelle Investoren beteiligt (vgl. Handelsregisterauszug Anlage B8), die die Klägerin zur Aufbesserung ihrer Rendite zur Klage gedrängt hätten. Die handelnden Geschäftsführer der Klägerin hätten über Jahrzehnte Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Betrieb und der Finanzierung von Schiffen und Schiffsfonds gesammelt und in diesem Zusammenhang wenigstens fünfzehn Swapgeschäfte für weitere Schifffahrtsgesellschaften abgeschlossen.
Randnummer
17
Für die angestrebte Zinsoptimierung habe der damalige Geschäftsführer der Klägerin Schlegel im Jahr 2005 das niedrige Zinsniveau in der Schweiz nutzen wollen, ihm sei bewusst gewesen, dass mit der Chance, ein niedrigeres Zinsniveau nutzen zu können, zwingend das Risiko einhergehe, dass ein höherer Wechselkurs die Zinsvorteile aufzehren könne. Durch den Abschluss des CCS I habe die Klägerin wirtschaftlich betrachtet ein sog. synthetisches CHF-Fremdwährungsdarlehen geschaffen. Es handele sich um eine konnexe Steuerungsmaßnahme der Schuldenverwaltung. Sämtliche CCS seien hinsichtlich ihrer Bezugsbeträge, ihrer Laufzeit und ihrer Verzinsung auf die USD-Darlehen der Klägerin abgestimmt.
Randnummer
18
Bei Abschluss des CCS II habe die Klägerin die Verluste nicht aufbringen, sondern prolongieren wollen. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten kein besseres Wissen über die künftige Entwicklung des Zinsniveaus gehabt.
Randnummer
19
Die Mitarbeiter der Beklagten hätten der Klägerin nach Auslaufen des CCS II mehrfach vom Abschluss eines weiteren CCS abgeraten. Gegenstand der Besprechung am 18.01.2010 sei ausschließlich der Abschluss einer Short Bear Spread Option gewesen (vgl. neben dem Beratungsprotokoll in der Anlage K14 die Präsentation in der Anlage B12). Der Abschluss des CCS III sei im Nachgang der Beratung gegen die Empfehlung und gegen den Rat der Mitarbeiter M. und S. der Beklagten erfolgt. Der Umstand, dass sich die Geschäftsführer der Klägerin des Währungsrisikos bewusst und dies mit dem Beirat abgesprochen gewesen sei, sei entsprechend in das Beratungsprotokoll eingeflossen. Das Risikobewusstsein der Klägerin lasse sich auch ihrer Bilanz entnehmen, in der sie die Drohverluste verbucht habe (Anlage B9).
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20
Die CCS hätten den Anlagenzielen der Klägerin, ihrem Erfahrungs- und Kenntnisstand sowie ihrer hohen Risikobereitschaft (vgl. Anlage K14) entsprochen. Der Klägerin sei zudem bekannt gewesen, dass die Konditionen der CCS – nicht anders als jedes Kreditgeschäft – eine Marge zugunsten der Beklagten enthielten und die Beklagte so an dem Abschluss der CCS verdiene. Eine Aufklärungspflicht über den anfänglichen negativen Marktwert habe im Übrigen nicht bestanden, selbst wenn man eine solche Aufklärungspflicht annehmen wolle, habe die Beklagte sich auf der Grundlage der seinerzeitigen Rechtsprechung und der einschlägigen Stellungnahmen in der rechtswissenschaftlichen Literatur in einem unvermeidlichen Rechtsirrtum befunden.
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21
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
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22
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R. J., H. S., B. M. und R. S.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 19.06.2019 Bezug genommen.
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23
Zur Ergänzung des Tatbestands im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. | |
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.5.2011 - 5 Ca 1718/10 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 31.987,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2010 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten 2.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.2.2012 zu zahlen.
Der Kläger hat 33 % und der Beklagte 67 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 21 % dem Kläger und zu 79 % dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über Vergütungsansprüche des Klägers sowie über einen Rückzahlungsanspruch des Beklagten.
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2
Der Kläger war seit Mitte des Jahres 2005 bis Ende April 2010 bei dem Beklagten in der von diesem bis Ende Juni 2007 alleine und danach zusammen mit einem weiteren Arzt betriebenen Arztpraxis auf der Grundlage eines freien Mitarbeiterverhältnisses als Arzt tätig.
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3
Bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses vereinbarten die Parteien eine monatliche Vergütung in Höhe von 3.500,00 € für die ärztliche Tätigkeit des Klägers, dem die Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen oblag. Streitig ist zwischen den Parteien, ob im Laufe des Beschäftigungsverhältnisses die Vergütung des Klägers einvernehmlich reduziert oder insoweit lediglich eine Stundungsabrede getroffen wurde.
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4
Der Beklagte zahlte an den Kläger für dessen Tätigkeit ab dem Jahr 2007 bis einschließlich März 2010 unstreitig zumindest insgesamt 98.264,71 € (2007: 35.700,00 €; 2008: 28.468,46 €; 2009: 22.664,42 €; 2010: 11.431,83 €).
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5
Ab April 2010 erbrachte der Kläger krankheitsbedingt keine Tätigkeit mehr für den Beklagten. Die Parteien beendeten das Beschäftigungsverhältnis einvernehmlich zum 30.04.2010. Nachdem der Kläger den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 20.05.2010 aufgefordert hatte, "die noch offen stehende Vergütung für den Monat April 2010 in Höhe von 2.500,00 €" zu begleichen, brachte dieser einen weiteren Betrag von 2.500,00 € an den Kläger zur Auszahlung.
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6
Der Kläger hat erstinstanzlich den Beklagten auf Zahlung rückständiger Arbeitsvergütung für den Zeitraum Januar 2007 bis April 2010 in Höhe von 40.000,00 € sowie auf Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von 7.474,80 € in Anspruch genommen.
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7
Zur Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.05.2011 (Bl. 75-80 d. A.) Bezug genommen.
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8
Der Kläger hat beantragt,
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9
den Beklagten zu verurteilen, an ihn rückständige Arbeitsvergütung für den Zeitraum Januar 2007 bis April 2010 i. H. v. 40.000,00 € brutto = netto sowie Fahrtkostenerstattung für den Zeitraum Januar 2007 bis März 2010 i. H. v. 7.474,80 € jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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10
Der Beklagte hat beantragt,
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11
die Klage abzuweisen.
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12
Das Arbeitsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 10.05.2011 verurteilt, an den Kläger Vergütung für die Zeit von Januar 2007 bis März 2010 i. H. v. insgesamt 38.235,29 € zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht u. a. ausgeführt, der (vom Beklagten nicht gerügte) Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei eröffnet, da der Kläger wegen seiner wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen sei. Zur Darstellung aller Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 bis 18 (= Bl. 80-91 d. A.) des Urteils vom 10.05.2011 verwiesen.
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13
Gegen das ihm am 06.06.2011 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 04.07.2011 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 21.07.2011 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 17.08.2011 begründet. In seiner Berufungsbegründungsschrift hat der Beklagte zugleich dem Mitinhaber der Arztpraxis, Herrn sowie seinem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten den Streit verkündet. Der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Beklagten ist dem Rechtsstreit auf dessen Seite beigetreten; Herr Dr. M. hingegen nicht.
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14
Der Beklagte macht im Wesentlichen geltend, im April 2008 habe er mit dem Kläger ein Gespräch geführt, in dessen Verlauf er ihm mitgeteilt habe, dass er aufgrund des zurückgegangenen Patientenaufkommens die Vergütung des Klägers i. H. v. 3.500,00 € nicht mehr bezahlen könne. Er habe dem Kläger deshalb eine Reduzierung seiner monatlichen Vergütung auf 2.500,00 € ab Mai 2008 vorgeschlagen und ihm außerdem gesagt, dass andernfalls der Dienstvertrag gekündigt werden müsse. Der Kläger habe schließlich in die Herabsetzung seiner Bezüge auf 2.500,00 € auf Mai 2008 eingewilligt. Ende August 2009 habe ein weiteres Gespräch in der Praxis stattgefunden, in dessen Verlauf der Kläger gesagt habe, dass er ab Oktober 2009 im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt werden wolle, aber seine Tätigkeit reduzieren müsse aufgrund seines Alters und der Tatsache, dass er wegen einer Augenerkrankung und einer bevorstehenden Augenoperation nicht mehr zu Patienten fahren könne. Daraufhin sei die Vereinbarung getroffen worden, dass der Kläger ab Oktober 2009 ein Arbeitsentgelt i. H. v. 600,00 € brutto monatlich erhalte. Trotz dieser Vereinbarung sei der Kläger auch in der Folgezeit ab Oktober 2009 an die in der Praxis angestellte Zeugin B. herangetreten und habe diese aufgefordert, die ihm nach seinen Behauptungen zustehenden Dienstbezüge von 2.500,00 € monatlich weiter zu zahlen. Die Zeugin B. habe gutgläubig weiterhin die Dienstbezüge mit dem Kläger auf der Grundlage von 2.500,00 € monatlich abgerechnet und entsprechende Zahlungen veranlasst. Darüber hinaus habe der Kläger ab Oktober 2009 bis einschließlich März 2010 das sich aus 600,00 € brutto ergebende Nettoarbeitsentgelt i. H. v. 454,54 € per Scheck oder in bar erhalten. Die entsprechenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge seien abgeführt worden. Hinsichtlich der dem Kläger zustehenden Vergütung sei außerdem zu berücksichtigen, dass der Kläger für dessen anderweitige Arzttätigkeit (unstreitig) Material (Spritzen, Ampullen etc.) aus der Praxis erhalten habe und der Wert dieser Materialien jeweils mit seiner Vergütung verrechnet worden sei. Diesbezüglich habe die Zeugin B., zusammen mit dem Kläger, jeweils die diesem für den vorausgegangenen Monat zustehenden Bezüge unter Verrechnung der entnommenen Materialien ermittelt. Im Jahr 2008 seien für die Materialien insgesamt 3.435,54 € und im Jahr 2009 insgesamt 2.811,38 € von der Vergütung des Klägers in Abzug gebracht worden. Zu berücksichtigen seien auch einzelne Zeiträume, in denen der Kläger Urlaub gehabt habe und deshalb keine Vergütung beanspruchen könne. Letztlich habe der Kläger über die unstreitigen Zahlungen hinaus im Dezember 2007 eine weitere Gehaltzahlung i. H. v. 500,00 € in bar sowie am 17.06.2008 eine weitere Gehaltszahlung i. H. v. 1.296,00 € per Scheck erhalten. Insgesamt sei der Kläger unter Berücksichtigung der Abzüge für Praxismaterialen und der Berücksichtigung von Urlaubszeiten im Jahr 2009 um 8.225,04 € und im Jahr 2010 um 12.319,31 € überbezahlt worden. Den nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses für April 2010 ausgezahlte Betrag i. H. v. 2.500,00 € habe der Kläger zurückzuzahlen, da er in dem betreffenden Monat (unstreitig) wegen einer Erkrankung nicht gearbeitet habe.
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15
Der Beklagte beantragt,
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das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen;
den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 2.500,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.10.2010 zu zahlen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung nebst Widerklage abzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht im Wesentlichen geltend, es treffe keineswegs zu, dass eine Vereinbarung über die Reduzierung seiner Vergütung auf 2.500,00 € getroffen worden sei. Zutreffend sei lediglich, dass der Beklagte ihn - zu einem ihm nicht mehr erinnerlichen Zeitpunkt - auf seine schwierigen finanziellen Verhältnisse hingewiesen und deshalb um Stundung eines Teils der vereinbarten Vergütung bis zur Verbesserung seiner finanziellen Verhältnisse gebeten habe. Es sei sodann vereinbart worden, dass ein Teilbetrag i. H. v. 1.000,00 € bis zur Verbesserung der finanziellen Verhältnisse gestundet werden solle. Die vom Beklagten behauptete Abrede, das Beschäftigungsverhältnis ab Oktober 2009 in ein Arbeitsverhältnis mit einer Vergütung von 600,00 € brutto monatlich umzuwandeln, sei zu keinem Zeitpunkt zustande gekommen. Der Beklagte schulde ihm die vereinbarte Vergütung auch für Zeiten seiner kurzfristigen urlaubsbedingten Abwesenheit. Im Übrigen habe er maximal 14 Tage pro Jahr Urlaub genommen. Soweit sich der Beklagte auf eine Verrechnung mit Materialentnahmen berufe, so fehle jeglicher Vortrag, welches Material mit welchem Wert er - der Kläger - aus der Praxis entnommen haben solle. Solange ein solcher Vortrag nicht erfolge, sei es ihm unmöglich, hierauf etwas zu erwidern. Es treffe jedoch zu, dass die ihm für seine anderweitige ärztliche Tätigkeit überlassenen Gegenstände bzw. das Material jeweils im Einzelnen abgerechnet und von seiner Vergütung in Abzug gebracht worden sei, wobei er die betreffenden Abzüge auch in rechnerischer Hinsicht akzeptiert habe. Die vom Beklagten am 27.05.2010 für April 2010 vorgenommene Zahlung i. H. v. 2.500,00 € habe der Beklagte selbst als freiwillige Zahlung ("Goodwill") bezeichnet, sodass gemäß § 814 BGB ein Rückforderungsanspruch nicht bestehe. Im Übrigen habe er - der Kläger - diesen Betrag längst für seinen laufenden Lebensunterhalt verbraucht.
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20
Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
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21
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Parteivernehmung des Klägers sowie durch Vernehmung der Zeugin B.. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht den Beklagten gemäß § 141 ZPO angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Parteianhörung wird auf die Sitzungsniederschriften vom 14.03.2012 (Bl. 374-380 d. A.) und vom 30.05.2012 (Bl. 414-418 d. A.) verwiesen. | |
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Integrationsamtes vom 09.08.2012 und des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses beim Integrationsamt vom 14.01.2013 verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 12.01.2012 zur Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beigeladenen erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beklagten werden gegeneinander aufgehoben. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die jeweiligen Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten. | Randnummer
1
Die Klägerin begehrt die Zustimmung des Beklagten zur ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung des zwischen ihr und dem Beigeladenen bestehenden Arbeitsverhältnisses.
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2
Bei dem Beigeladenen, der bei der Klägerin als Pförtner im Schichtdienst beschäftigt ist, ist durch Bescheid der Beklagten vom 30.06.2008 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt.
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3
Der Beigeladene ist im Jahr 2009 57 Arbeitstage, im Jahr 2010 161 Arbeitstage und im Jahr 2011 70 Arbeitstage krank gewesen.
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4
Mit Schreiben des jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 12.01.2012, bei dem Beklagten am 20.01.2012 eingegangen, beantragte die Klägerin mit Verweis auf die hohen Fehlzeiten, die zu erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen geführt hätten und der zu erwartenden negativen Gesundheitsprognose die Zustimmung zur ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung des Beigeladenen.
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5
Im Anschluss wurden von dem Beklagten der Beigeladene, die Schwerbehindertenvertretung und der Betriebsrat angehört.
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6
Der Betriebsrat der Klägerin teilte mit Schreiben vom 01.02.2012 mit, er sehe keine Einspruchsmöglichkeit. Eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung für den Arbeitgeber und die Störung der betrieblichen Abläufe seien anhand der vorliegenden Daten nachvollziehbar. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement, mit dem Ziel dem Beigeladenen einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu stellen, sei durchgeführt worden.
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7
Die Schwerbehindertenvertretung der Klägerin erklärte mit Schreiben vom 01.02.2012 sie sehe keine Notwendigkeit einer Kündigung. Es sei keine negative Prognose erkennbar, da der Beigeladene seit April 2011 wieder durchgängig arbeite.
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8
Der jetzige Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen teilte mit Schreiben vom 01.02.2012 mit, krankheitsbedingte Kündigungsgründe lägen nicht vor. Man könne den Beigeladenen unproblematisch in der Frühschicht einsetzen. Dort arbeite er seit 18 Jahren. Die übrigen Mitarbeiter vor Ort könnten grundsätzlich Nachtschichten und Mittagsschichten übernehmen. Seit dem 10.04.2011 arbeite er wieder durchgehend. Die Fehlzeiten im Jahre 2010 seien durch einen Krankenhausaufenthalt mit anschließender Kur bedingt gewesen, die mit seiner Behinderung nicht im Zusammenhang stünden. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement sei nicht durchgeführt worden.
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9
Die Klägerin trug mit Schriftsatz vom 29.03.2012 zum aus ihrer Sicht durchgeführten betrieblichen Eingliederungsmanagement vor.
Randnummer
10
Unter dem 24.05.2012 holte der Beklagte ein arbeitsmedizinisches Gutachten bei Herrn Dr. … ein. Das beim Beklagten am 22.06.2012 eingegangene Gutachten vom 19.06.2012 trifft u.a. folgende Feststellungen:
Randnummer
11
"
Anamneseerhebung und Untersuchung von Herrn ... am 19.06.2012
Stellungnahme
Randnummer
12
Aus den vorgelegten Befunden und nach der Anamneseerhebung und Untersuchung des Herrn ... kann eine negative Gesundheitsprognose
nicht
abgeleitet werden.
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13
Beantwortung der Fragen
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14
Nr. 1 Wie wirken sich die Behinderungen auf die Durchführung der Arbeit aus?
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15
Die Behinderungen würden ihn bei der Durchführung seiner bislang ausgeübten Tätigkeit
nicht
behindern. Seine Tätigkeit als Pförtner sowie leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kann Herr ... vollschichtig durchführen.
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16
Nr. 2 Welche Tätigkeiten kann Herr ... behinderungsbedingt nicht mehr ausüben?
Randnummer
17
Häufiges Heben und Tragen von Lasten über 20 kg, Tätigkeit mit häufigem Bücken, Tätigkeit in Zwangshaltung der Wirbelsäule, Arbeiten in ausschließlich stehender Position, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Arbeiten unter Zeitdruck, Überkopfarbeiten, Arbeiten unter Kälte.
Randnummer
18
Nr. 3 Ist Herr ... in der Lage, die Tätigkeit eines Wachmannes auszuüben?
Ja.
Randnummer
19
Seine Tätigkeit als Pförtner sowie Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kann Herr ... weiterhin vollschichtig durchführen (mit den Einschränkungen unter Nr. 2).
Randnummer
20
Nr. 4 Ist in Zukunft mit weiteren häufigen oder längerfristigen krankheitsbedingten Ausfallzeiten zu rechnen
.
Randnummer
21
Nein.
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22
Nr. 5 Welche Arbeiten kann Herr ... ihrer Einschätzung nach noch ausführen?
Randnummer
23
Pförtner
Randnummer
24
Nr. 6 Gibt es beim Arbeitgeber ein leidensgerechten Arbeitsplatz, auf dem Herr ... eingesetzt werden könnte?
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25
Ja, seinen Arbeitsplatz als Pförtner.
Randnummer
26
Nr. 7 Besteht ihrer Ansicht nach die Möglichkeit im Unternehmen einen leidensgerechten Arbeitsplatz für Herrn ... zu schaffen?
Randnummer
27
Der jetzige Arbeitsplatz als Pförtner ist leidensgerecht."
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28
Dieses Gutachten wurde dem Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen durch den Beklagten unter dem 11.07.2012 übersandt; der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erhielt „Auszüge“.
Randnummer
29
Am 12.07.2012 erfolgte eine Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Integrationsamt für den 06.08.2012, zu der der Beigeladene um persönliche Anwesenheit gebeten wurde.
Randnummer
30
Unter dem 31.07.2012 teilte der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen dem Beklagten mit, der Beigeladene könne an dem Termin zur mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen, da er einen Autounfall in der Türkei gehabt habe und sich ab dem 13.08. in einer 5 wöchigen Kur befinde.
Randnummer
31
Dieses Schreiben wurde der Klägerin nicht zur Kenntnis gebracht.
Randnummer
32
Mit Bescheid vom 09.08.2012, ergangen ohne mündliche Verhandlung, lehnte der Beklagte den Antrag auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung ab. Zur Begründung führt er aus, im vorliegenden Fall werde der Antrag auf Zustimmung zur Kündigung darauf gestützt, dass der Betroffene aus gesundheitlichen Gründen seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nachkomme. Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung seien folgende Gesichtspunkte berücksichtigt worden: Der Gutachter habe zweifelsfrei eine negative Gesundheitsprognose ausgeschlossen. Der Beigeladene arbeite seit 10.4.2011 wieder ununterbrochen ohne Fehlzeiten. Der schwerbehinderte Mensch habe gegenüber seinem Arbeitgeber unter anderem Anspruch auf behindertengerechte Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, § 81 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX. Im Rahmen der Abwägung stelle das Integrationsamt daher fest, dass die Interessen des Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsplatzes höher zu bewerten seien als die des Arbeitgebers. Der Zustimmung zur Kündigung werde daher nicht stattgegeben.
Randnummer
33
Der Bescheid wurde an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 09.08.2012 als Einschreiben zur Post gegeben.
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34
Hiergegen legte die Klägerin am 07.09.2012 Widerspruch ein, den sie damit begründete, dem Bescheid habe keine mündliche Verhandlung zu Grunde gelegen. Das arbeitsmedizinische Gutachten sei ohne Kenntnis einer Arbeitsplatzbeschreibung bzw. eines Dienstablaufes der Klägerin erstellt worden. Die in dieser Arbeitsplatzbeschreibung bzw. dem Dienstablauf anfallenden Tätigkeiten könne der Beigeladene aufgrund der arbeitsmedizinischen Stellungnahme nicht ausüben. Der Bescheid lasse auch nicht erkennen, ob das Integrationsamt zu der Entscheidung gelangt sei, dass der Beigeladene nur in der von ihm gewünschten Frühschicht einzusetzen sei, insoweit also eine Einschränkung bei der Beschäftigung des Beigeladenen erforderlich sei, obwohl sich eine solche Beschränkung des Einsatzes aus dem arbeitsmedizinischen Gutachten nicht ergebe.
Randnummer
35
Der Widerspruch wurde mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26.11.2012 ergangenen Widerspruchsbescheid vom 14.01.2013 zurückgewiesen. Zu Begründung wird ausgeführt, die Entscheidung des Integrationsamtes sei nicht zu beanstanden. Der Arbeitsmediziner komme in seinem Gutachten klar zu dem Ergebnis, dass keine negative Gesundheitsprognose vorliege. Der Widerspruchsausschuss habe dabei auch die im Rahmen der Widerspruchsbegründung vorgelegte Arbeitsplatzbeschreibung in seine Entscheidung mit einfließen lassen. Unzweifelhaft habe es in der Vergangenheit Fehlzeiten des Mitarbeiters gegeben. Es müsse jedoch dem Arbeitgeber angelastet werden, dass nicht zu erkennen sei, dass er zu irgend einem Zeitpunkt in irgend einer Weise tätig geworden sei. Dies zeige schon die Tatsache, dass kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt worden sei. Dem Arbeitgeber sei auch zuzumuten, den Beigeladenen nach Möglichkeit überwiegend in der Frühschicht einzusetzen, zumal diese Wahlmöglichkeit auch anderen Mitarbeitern eingeräumt worden sei. Unter Würdigung der gesamten Sach- und Rechtslage würden daher die Interessen des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes überwiegen.
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36
Der Widerspruchsbescheid wurde an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 16.01.2013 als Einschreiben zur Post gegeben.
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37
Am 18.02.2013, einem Montag, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
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38
Sie trägt vor, der Beklagte habe seiner Ermittlungspflicht nach § 20 SGB X nicht Genüge getan. Das arbeitsmedizinische Gutachten sei gestellt worden, obwohl dem Gutachter weder eine Arbeitsplatzbeschreibung noch ein Dienstablauf der Stelle des Beigeladenen vorgelegen habe. Im Übrigen erschließe sich nicht, wie aus den genannten Fehlzeiten des Beigeladenen der Schluss einer negativen Gesundheitsprognose widerlegt worden sei. Vor Erlass des Ausgangsbescheides sei sie zu den Feststellungen des Gutachtens nicht gehört worden; auch im Widerspruchsverfahren habe eine Anhörung nicht stattgefunden. Unzutreffend sei der Widerspruchsausschuss davon ausgegangen, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement nicht durchgeführt worden sei. Es sei -was unstreitig ist- in der Akte ein Schreiben des Betriebsrats vorhanden, in dem ausgeführt werde, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt worden sei. Dies werde durch ein Schreiben des unmittelbaren Vorgesetzten des Beigeladenen bestätigt.
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39
Die Klägerin beantragt,
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40
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.08.2012 und des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2013 zu verpflichten, ihr die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beigeladenen zu erteilen;
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hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.08.2012 und des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2013 zu verpflichten, über ihren Antrag vom 12.01.2012 zur Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beigeladenen erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden;
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die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Der Beklagte beruft sich auf die Ausführungen in seinen Bescheiden und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
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46
die Klage abzuweisen.
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Er meint, vorliegend falle seine gesundheitliche Zukunftsprognose positiv aus. Die Aufgaben im Rahmen der Frühschicht könne er problemlos und ohne irgendwelche Beeinträchtigungen erledigen. Er arbeite - was unstreitig ist - seit Mitte Januar 2013 bis heute ohne Unterbrechung; unmittelbar davor liegende Ausfallzeiten hätten mit seiner Behinderung in keinem Zusammenhang gestanden. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement mit dem Ziel, ihm einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu schaffen, sei im Übrigen nicht durchgeführt worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. | |
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten € 34.438,44 (in Worten: vierunddreißigtausendvierhundertachtunddreißig 44/100 Euro) zu zahlen.
III. Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 82 % und der Beklagte 18 % zu tragen.
V. Von den durch die Nebenintervention der Nebenintervenientin K. F. GmbH entstandenen Kosten hat der Beklagte 23 % zu tragen.
Im Übrigen trägt die Nebenintervenientin K. F. GmbH die ihr durch ihre Nebenintervention entstandenen Kosten selbst.
VI. Von den durch die Nebenintervention der Nebenintervenientin A. I. GmbH entstandenen Kosten hat die Klägerin 39 % zu tragen.
Im Übrigen trägt die Nebenintervenientin A. I. GmbH die ihr durch ihre Nebenintervention entstandenen Kosten selbst.
VII. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar;
und beschließt:
1. Der Streitwert wird auf insgesamt € 108.170,80 festgesetzt.
2. Der Streitwert der Nebenintervention der Nebenintervenientin K. F. GmbH beträgt € 84.594,40. | Randnummer
1
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung restlichen Werklohns in Anspruch.
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2
Der Beklagte verlangt von der Klägerin im Wege der Widerklage Mängelbeseitigungskostenvorschuss.
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3
Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgendes zugrunde:
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4
Die Klägerin ist ein mit Mieterausbauten befasstes Unternehmen. Gegenstand ihres Geschäftsbetriebes ist der schlüsselfertige Innenausbau von Gewerbeimmobilien, insbesondere von Büro-, Praxis- und Einzelhandelsflächen sowie die Erbringungen von Dienstleistungen für Bauherren, Eigentümer und Mieter solcher Gewerbeimmobilien.
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Die Beklagte ist Oralchirurg.
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Der Beklagte beabsichtigte, die von ihm angemieteten Räume im 5. OG des Gebäudes J. ..., H., zur Praxis ausbauen zu lassen.
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Dazu erteilte er der Klägerin den Auftrag, den diese mit dem aus Anl. K1 ersichtlichen Schreiben vom 04.11.2011, in welchem zur Spezifizierung der Leistungen auf das Auftragsleistungsverzeichnis der Klägerin vom 03.11.2011 (Anl. K2) Bezug genommen wurde, bestätigte.
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Die Kläger erbrachten die von ihr geschuldeten Leistungen in der Zeit vom 11.11.2011 bis zum 01.02.2012. Die Leistungen der Subunternehmer der Klägerin wurden am 15.02.2012 förmlich abgenommen.
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Zu diesem Zeitpunkt war die Praxis nicht eingerichtet. Die Praxis war weder möbliert noch waren die Behandlungseinheiten montiert. Bereits im Rahmen der Abnahme wurden diverse Mängel des im Auftrag der Klägerin durch die Firma „F. u. F.“ verlegten Design-PVC-Bodenbelags festgestellt.
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Die Klägerin forderte ihre Subunternehmerin unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung auf.
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Unmittelbar nach der besagten Abnahmebegehung wurde die Einrichtung der Zahnarztpraxis geliefert und aufgebaut. Es zeigten sich dann an dem Fußbodenbelag an den Standflächen des Mobiliars und an den wechselnden Standorten mobiler Einheiten wie etwa Bürocontainer und Bürostühlen Dellen im Fußbodenbelag. Dies wurde (jedenfalls) seitens des Beklagten mit der aus Anl. B1 ersichtlichen Mängelbeseitigungsaufforderung vom 20.03.2012 gerügt, und zwar verbunden mit der Setzung einer Frist zur Mängelbeseitigung bis zum 17.04.2012.
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In der Folgezeit beauftragte die Klägerin den Sachverständigen H. als Privatgutachter. Dieser stellte Resteindrücke auf kurzen Maßbereichen durch Mobiliar, ferner partielle Fremdeinschlüsse/Verunreinigungen unterhalb der Design-Bodenbelag-Ebene und Kellenschläge/Spachtelmassen, die sich auf der Oberfläche der Design-Bodenbelag-Fläche abzeichneten, fest (“Gutachterliche Niederschrift“ des Sachverständigen H. vom 12.04.2012, Anl. B 2).
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In der Folgezeit lies die Klägerin durch die Nebenintervenientin K. F. GmbH den Fußbodenbelag in den Räumen erneuern. Zu diesem Zweck wurde im Vorwege die Praxiseinrichtung ausgeräumt.
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Nach Fertigstellung der Fußbodenbelag-Erneuerung fand am 13.06.2012 eine Abnahme statt (Abnahmeprotokoll vom 28.06.2012, Anl. K4). Die Praxiseinrichtung wurde wieder eingeräumt und montiert.
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15
Da der Beklagte der Auffassung war (und ist), dass es auch nach der Erneuerung des Fußbodenbelags zu Dellen/Eindrücken im Belag komme und sich ferner Kellenschläge in der Belagsoberfläche abzeichnen würden, rügte er diese Punkte mit anwaltlichem Schreiben vom 02.07.2012 (Anl. B3) gegenüber der Klägerin und forderte diese unter Fristsetzung bis zum 16.07.2012 zur Mängelbeseitigung auf.
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Darauf erwiderte die Klägerin mit dem aus Anl. B4 ersichtlichen Schreiben vom 16.07.2012.
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17
Die Klägerin macht geltend, ihr stehe für die von ihr erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung der geleisteten Abschlagszahlungen noch eine restliche Vergütung von € 54.080,50 zu. Die von dem Beklagten geltend gemachten Mängelrügen und Gegenansprüche seien unbegründet. Die von der Nebenintervenientin K. F. GmbH ausgeführte Erneuerung des Fußbodenbelages sei fachgerecht und mangelfrei erfolgt. Selbst wenn in dem erneuerten Fußbodenbelag Dellenbildungen aufgetreten sein sollten, so würde es sich dabei jedenfalls nicht um einen von ihr (der Klägerin) zu vertretenden Mangel handeln. Vielmehr sei dabei der Beklagte selbst durch sein Nutzungsverhalten verantwortlich und, sofern die Ursache für die Dellenbildung in dem verlegten PVC-Material liegen sollte, liege die Verantwortlichkeit bei der von dem Beklagten mit der Planung des Praxisausbaus beauftragten P. GmbH, die sich der Beklagte zurechnen lassen müsse.
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Des Weiteren tritt die Klägerin dem von dem Beklagten geltend gemachten Mängelbeseitigungskostenvorschussanspruch auch der Höhe nach entgegen. Ferner tritt die Klägerin den von dem Beklagten geltend gemachten Schadenspositionen teilweise entgegen. Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vorbringens der Klägerin wird auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 09.09.2013 Bezug genommen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von € 54.080,50 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.08.2012 zu zahlen.
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21
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und im Wege der Widerklage,
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die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten € 54.090,30 als Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung zu zahlen.
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25
Die Klägerin beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Die Nebenintervenientin K. F. GmbH beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Die Beklagte macht Schadenspositionen von insgesamt € 23.576,30 geltend. Mit diesem Schadensersatzanspruch rechnet der Beklagte gegenüber der Restwerklohnforderung auf. Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vorbringens des Beklagten wird auf die Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom 19.07.2013 und 16.10.2013 Bezug genommen.
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Des Weiteren macht der Beklagte geltend, ihm sei von der Klägerin auf die Vergütung für den Praxisausbau ein Rabatt von 5% eingeräumt worden.
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31
Ferner macht der Beklagte geltend, dass es auch nach der Erneuerung des Fußbodenbelags zu Dellen/Eindrücken im Belag gekommen sei und sich ferner Kellenschläge in der Belagsoberfläche abzeichnen würden. Zur Behebung sei es erforderlich, einen neuen Fußbodenbelag zu verlegen. Diesbezüglich beabsichtige er die Mängel im Wege der Selbstvornahme zu beheben bzw. beheben zu lassen. Die dafür anfallenden Kosten würden sich auf jedenfalls € 65.290,00 belaufen, wie sich aus der von der Klägerin bezüglich der im Mai/Juni 2012 erfolgten Fußbodenbelagerneuerung gefertigten Kostenaufstellung (Anl. B 16 ergebe). Hinzu kämen Kosten Personal- und Mietkosten für den Zeitraum der Ausführung der Mängelbeseitigungsarbeiten in Höhe von € 19.304,50. Insgesamt ergebe sich somit bezüglich der Mängelbeseitigung eine Forderung von insgesamt € 84.594,50. In Höhe eines Teilbetrages von € 30.504,20 rechne er (der Beklagte) gegenüber der nach Abzug der Schadensersatzansprüche verbleibenden Restlohnforderung auf und hilfsweise gegenüber der Werklohnforderung insgesamt auf.
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32
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien und den Nebenintervenientinnen zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen S. und einer mündlichen gutachtlichen Stellungnahme und ferner durch Vernehmung der Zeugin K. und der Zeugin F. und des Zeugen S.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen S. vom 01.12.2015 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2017 verwiesen.
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34
Die Klägerin hat der K. F. GmbH in dem vorliegenden Rechtsstreit den Streit verkündet. Die K. F. GmbH ist dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin beigetreten.
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Die A. I. GmbH ist zunächst mit anwaltlichem Schriftsatz vom 02.05.2016 als Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin beigetreten. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17.01.2017 hat die Nebenintervenientin A. I. GmbH ihre Streithilfe für die Klägerin aufgegeben und ist dem Beklagten als Nebenintervenientin beigetreten. | |
1. Die Beklagte wird auf ihr Anerkenntnis verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgelds bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, die von der Klägerin selbst produzierten Fußball-Sendungen der deutschen Fußball Bundesliga, ohne vorherige Zustimmung der Klägerin in gewerblichen Schank- und Speisewirtschaften (Gaststätten) öffentlich wahrnehmbar zu machen, wie geschehen am 16. März 2012 um 22:34 Uhr in der Betriebsstätte „...“ in X, ...straße .
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.268,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 6. Dezember 2012 zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, welche konkrete Größe in Quadratmeter der Gastraum in der Betriebsstätte „...“ in X, ...straße, hat und an welchen konkreten Tagen die Beklagte die von der Klägerin ausgestrahlten Sportsendungen ohne Zustimmung der Klägerin öffentlich wahrnehmbar gemacht hat.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte über den in Ziffer 2 zuerkannten Anspruch hinaus verpflichtet ist, der Klägerin den anhand der Auskunft über Dauer und Umfang der Nutzung gemäß Ziffer 3 entstandenen zusätzlichen Schaden zu ersetzen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 911,80 EUR zu erstatten.
6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
7. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
8. Das Urteil ist hinsichtlich Ziff. 1 (Unterlassung) ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar; im Übrigen ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, wobei die Sicherheitsleistung hinsichtlich Ziff. 3 (Auskunft) auf 250,00 EUR und hinsichtlich Ziff. 2, 5 und 7 (Zahlung und Kosten) auf 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags festgesetzt wird. | 1
Die Klägerin betreibt einen Pay-TV-Sender. Auf dem Programm „Sky Sport“ überträgt sie Sport- und Fußballsendungen, darunter Live-Spiele der deutschen Fußball-Bundesliga. Die Live-Übertragungen basieren auf dem Basissignal der Deutschen Fußball Liga (DFL). Die Klägerin fügt dem im Rahmen ihrer Sendungen Live-Kommentare und weitere multimedial und redaktionell gestaltete Zusatzelemente hinzu und veranstaltet eine Vor-, Halbzeit- und Nachberichterstattung. Sie hat nach ihrer Behauptung von der DFL das ausschließliche Recht erhalten, das Basissignal in Gaststätten öffentlich wiederzugeben. Die Klägerin vergibt Abonnementverträge an Gaststätten, wobei sich das Nutzungsentgelt nach der vereinbarten Nutzungsdauer und der Größe der Gasträume richtet. Die Mindestlaufzeit der von der Klägerin angebotenen Abonnementverträge beträgt zwölf Monate.
2
Die Beklagte betreibt in der ...straße in X die Gaststätte „...“. Der Gastraum weist eine Größe von etwa 35 Quadratmetern auf. Nach streitiger Behauptung der Klägerin wurde bei einem am 16. März 2012 durchgeführten Kontrollbesuch festgestellt, dass dort in Anwesenheit mehrerer Gäste mittels eines Fernsehers die Nachberichterstattung über einen Spieltag der Fußball-Bundesliga ausgestrahlt wurde. Nach Angaben der Kontrolleurin (eidesstattliche Versicherung, Anlage K 16a; Besuchsprotokoll, Anlage K 16b; Lichtbilder, Anlagen K 16c-d) handelte es sich, erkennbar am „Sky“-Senderlogo, um eine von der Klägerin produzierte Sendung, die über „Sky Sport“ ausgestrahlt wurde. Am 29. September 2012 wurde die Betriebsstätte nach streitiger Behauptung der Klägerin erneut kontrolliert. An diesem Tag hat die Beklagte das Bundesliga-Spiel Bayer Leverkusen gegen SpVgg Greuther Fürth öffentlich wahrnehmbar gemacht. Die Ausstrahlung dieses Spiels erfolgte über IPTV auf der Grundlage des Telekom-Internetangebots „LIGA total!“. Die Beklagte hat keinen Abonnementvertrag für Gaststätten bei der Klägerin abgeschlossen.
3
Die Klägerin sieht in der Ausstrahlung beider Sendungen – sowohl des selbst produzierten Programms als auch des IP-Signals von „LIGA total!“ – eine Verletzung ihrer Urheberrechte und nimmt die Beklagte auf Schadensersatz, Auskunft, Feststellung und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch. „LIGA total!“ basiere, ebenso wie die Fußballendungen der Klägerin, auf dem von der DFL zur Verfügung gestellten Basissignal, an dem die Klägerin ausschließliche Rechte habe. Insbesondere sei sie alleinige Inhaberin des „Gaststättenrechts“. Sie hat zuletzt beantragt:
4
wie erkannt;
5
darüber hinaus zu Ziff. 1: Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgelds bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, die über den Sender LIGA total! ausgestrahlten, von der DFL lizenzierten Live-Fußball-Sendungen, welche auf dem Basissignal beruhen, ohne vorherige Zustimmung der Klägerin in gewerblichen Schank- und Speisewirtschaften (Gaststätten) öffentlich wahrnehmbar zu machen, wie geschehen am 29. September 2012 um 15:48 Uhr in der Betriebsstätte „...“ in X, ...straße ;
6
und darüber hinaus zu Ziff. 3: Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, an welchen konkreten Tagen die Beklagte Live-Fußballsendungen der deutschen Fußball Bundesliga über den Sender LIGA total! ohne Zustimmung der Klägerin öffentlich wahrnehmbar gemacht hat.
7
Die Beklagte hat den Unterlassungsantrag betreffend die öffentliche Wahrnehmbarmachung der von der Klägerin selbst produzierten Fußballsendungen (Tenor Ziff. 1) anerkannt und im Übrigen beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9
Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klägerin Rechte an dem Basissignal der DFL erworben hat. Sie trägt vor, sie habe am 23. November 2010 und am 12. Dezember 2012 mit der Deutschen Telekom jeweils einen Vertrag über den Bezug von Internet-Fernsehleistungen einschließlich des Programmpakets „LIGA total!“ abgeschlossen. Bei Vertragsabschluss sei ihr „vermittelt worden“, dass sie berechtigt sei, die hiermit empfangenen Programme auch in ihrer Gaststätte auszustrahlen. Sie habe zu keiner Zeit Sendungen der Klägerin öffentlich wahrnehmbar gemacht. Dass die behaupteten Kontrollen durchgeführt wurden, bestreitet sie mit Nichtwissen.
10
Wegen der weitergehenden Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. | |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 10. März 2016 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einer erhöhten Hundesteuer für gefährliche Hunde.
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2
Der Kläger hält einen Hund der Rasse Staffordshire Bullterrier, eine Rasse, die nach der einschlägigen Satzungsregelung der Beklagten in Höhe von 1.000,00 € jährlich besteuert wird. Für "normale" Hunde erhebt die Beklagte eine jährliche Steuer in Höhe von 60,00 €.
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3
Bis zum 31. Dezember 2013 erhob die Beklagte für gefährliche Hunde eine Jahressteuer in Höhe von 1.500,00 €. Für "normale" Hunde galt ein Steuersatz in Höhe von 60,00 €. Das Verwaltungsgericht hielt den Steuersatz für gefährliche Hunde im Rahmen einer Anfechtungsklage des Klägers gegen die Heranziehung zur erhöhten Hundesteuer für das vierte Quartal 2012 sowie für das Jahr 2013 mit Urteil vom 13. Februar 2014 –
2 K 637/13.TR
– für rechtswidrig, weil er erdrosselnde Wirkung habe und damit das Halten eines gefährlichen Hundes faktisch unmöglich mache. Es hob den betreffenden Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2012 insoweit auf, als darin eine Hundesteuer festgesetzt worden war, die den Betrag von monatlich 5,00 € überstieg.
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4
Daraufhin reduzierte die Beklagte die Steuersätze für gefährliche Hunde im Rahmen der 1. Nachtragshaushaltssatzung vom 26. Mai 2014 für das Jahr 2014 auf 1.000,00 € jährlich. Zum 1. Januar 2015 trat eine neue Hundesteuersatzung vom 28. November 2014 in Kraft, in der für das Halten von gefährlichen Hunden ebenfalls eine Jahressteuer von 1.000,00 € geregelt ist.
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5
Der Kläger wurde zu der erhöhten Hundesteuer in Höhe von 1.000,00 € für das Jahr 2014 sowie (erneut) zur niedrigeren Hundesteuer für "normale" Hunde für das vierte Quartal des Jahres 2012 (15,00 €) und das gesamte Jahr 2013 (60,00 €) mit Bescheid vom 7. Mai 2014 herangezogen. Darüber hinaus weist der als solcher bezeichnete "Dauerbescheid" als Fälligkeitstermin für die Hundesteuer von 1.000,00 € in künftigen Jahren den "01.07." aus. Der Kläger legte Widerspruch ein, dem in Bezug auf die Festsetzung der "normalen" Hundesteuer mit der Begründung stattgegeben wurde, diese stehe bereits aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts vom 13. Februar 2014 –
2 K 637/13.TR
– fest.
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6
In Bezug auf die erhöhte Hundesteuer ab dem Jahr 2014 blieb der Widerspruch hingegen ohne Erfolg. Mit der dagegen erhobenen Klage hat sich der Kläger zur Begründung auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2014 – 9 C 8.13 – berufen und vorgetragen, der ersichtliche Belastungsunterschied im Vergleich zu "normalen" Hunden (17-facher Steuersatz) und die Steuerhöhe von 1.000,00 € jährlich führten dazu, dass nach wie vor von einer erdrosselnden Wirkung der Steuer ausgegangen werden müsse. Selbst wenn man – wie das Bundesverwaltungsgericht es in der zitierten Entscheidung verlange – einmalige Kosten der Hundehaltung mit berücksichtige, ergäben sich immer noch Haltungskosten, die durchschnittlich allenfalls im Bereich von 750,00 € lägen. Entgegen der Annahme der Studie von Ohr/Zeddies (2006) "Ökonomische Gesamt-betrachtung der Hundehaltung in Deutschland" koste ein gefährlicher Hund nicht 900,00 bis 1.000,00 € jährlich, sondern nur 750,00 €. Damit liege die erhöhte Steuer deutlich über dem Aufwand, den der Hund verursache. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Steuer aufgrund ihrer Höhe einem Verbot gleichkomme, sei auf den durchschnittlichen Steuerpflichtigen im Gemeindegebiet abzustellen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte geprüft habe, was ein solcher an jährlichem Einkommen zur Verfügung habe und ob dies ausreiche, um eine (zusätzliche) Steuer von 1.000,00 € aufzubringen. Letzteres werde in Abrede gestellt, zumal das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 14. Juni 2005 – 6 C 10308/05.OVG – einen Betrag in dieser Höhe für erdrosselnd gehalten habe.
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7
Die Beklagte hat ausgeführt, von der Rechtsprechung seien erhöhte Steuersätze für gefährliche Hunde in 18,8-facher Höhe als zulässig erachtet worden. Der Hundesteuersatz von 1.000,00 € übersteige die bundesdurchschnittlichen Haltungskosten von 900,00 bis 1.000,00 € nicht, zumal diese Kosten in der Studie von Ohr/Zeddies im Jahr 2006 ermittelt worden seien und sich seitdem wie alle Kosten erhöht hätten. Sie habe eine eigene Recherche angestellt, bei der sich ergeben habe, dass schon die monatlichen Futter- und Tierarztkosten für gefährliche Hunde diejenigen für nicht gefährliche Hunde deutlich überstiegen.
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8
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. März 2016 abgewiesen und die Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass der Steuersatz für gefährliche Hunde in Höhe von 1.000,00 € jährlich rechtmäßig sei und keine erdrosselnde Wirkung habe. Der Umstand, dass sich der Steuersatz für einen "gefährlichen Hund" auf das 17-fache des Hundesteuersatzes für einen "normalen Hund" belaufe, könne zwar grundsätzlich ein wichtiges Indiz für die erdrosselnde Wirkung darstellen. Jedoch könne hieraus allein noch nicht auf eine solche Wirkung geschlossen werden. Das Bundesverwaltungsgericht stelle in seiner Entscheidung vom 15. Oktober 2014 weiter – und entscheidend – darauf ab, ob die festgesetzte Jahressteuer für einen Kampfhund den durchschnittlichen sonstigen Aufwand für das Halten eines solchen Hundes deutlich übersteige. Dies sei nicht der Fall.
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Zur Begründung seiner mit Beschluss des Senats vom 8. Juli 2016 zugelassenen Berufung trägt der Kläger vor, die erhöhte Hundesteuer der Beklagten habe erdrosselnde Wirkung. Zwar betrage der Belastungsunterschied "nur" das 17-fache. Entscheidend sei insoweit das Zusammenspiel zwischen Steuerhöhe und Belastungsunterschied. Die Studie von Ohr/Zeddies (2006) befasse sich zum einen überhaupt nicht mit den Kosten der Haltung mutmaßlich gefährlicher Hunde, so dass sie insoweit nicht aussagekräftig sei. Zum anderen sei sie nicht mehr aktuell. Hinsichtlich verschiedener Positionen unterliege sie Zweifeln. In einigen Bereichen habe inzwischen ein Umdenken stattgefunden. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein gebe es in den Hundegesetzen keine Rasselisten mehr und damit auch keine (weiteren) Kosten für Wesenstests, Haltererlaubnisse, Maulkörbe etc. Ferner hätten viele Haftpflichtversicherungen zu Anfang des Jahrtausends zwar die Tarife für bestimmte Rassen erhöht; davon hätten etliche aber wieder Abstand genommen. Es sei auch keine Grundlage dafür ersichtlich, vermeintlich durchschnittliche Hundehaltungskosten als Orientierungspunkt für eine Steuerhöchstgrenze heranzuziehen. Zudem träfen die in der Studie ermittelten Werte nicht auf kleinere Hunde wie den von ihm gehaltenen zu. Die von ihm im Verfahren erster Instanz errechneten 750,00 € Haltungskosten seien realistischer.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 10. März 2016 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Vulkaneifel vom 23. April 2015 insoweit aufzuheben, als Hundesteuer ab dem 1. Januar 2014 in Höhe von mehr als 60,00 € jährlich festgesetzt wird.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie führt aus, bei einem Staffordshire Bullterrier handele es sich nicht um einen kleinen Hund. Dieser Hunderasse werde wegen bestimmter Merkmale wie der Beißkraft eine abstrakte Gefährlichkeit zugesprochen. Es gebe keine Gründe, die Studie von Ohr/Zeddies aus dem Jahr 2006 anzuzweifeln, zumal sich die allgemeinen Kosten wie Tierarzt- oder Futtermittelkosten eher erhöht haben dürften. Dass Halter eines solchen Hundes eine erhöhte Hundesteuer zu zahlen hätten, sei bundesweit bekannt. Wer sich entscheide, einen solchen Hund zu halten, sollte auch über entsprechende finanzielle Mittel verfügen. In ihrem Gemeindegebiet lebten die Einwohner nicht in wirtschaftlich schlechten Verhältnissen. Es sei eher das Gegenteil der Fall, da die Arbeitslosenquote in ihrem Kreis mit 4,4 % sogar noch niedriger sei als in Rheinland-Pfalz insgesamt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift vom 17. Januar 2017, die vorgelegten Behördenakten sowie die "Ökonomische Gesamtbetrachtung der Hundehaltung in Deutschland" (Prof. Dr. Renate Ohr und Dr. Götz Zeddies, Januar 2006) und die Heimtierstudie "Wirtschaftsfaktor Heimtierhaltung" (Prof. Dr. Renate Ohr, November 2014) verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. | |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. | Randnummer
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Der Kläger wendet sich gegen die ihm auferlegte Erstattung von Anfahrtskosten eines Abschleppunternehmers und der Kosten der auf das Abschleppen des Kraftfahrzeugs des Klägers gerichteten polizeilichen Maßnahme.
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Am 29.11.2011 wurde die Polizei gegen 18.45 Uhr darüber informiert, dass es in der …. Straße in B-Stadt auf Höhe des Anwesens Nr. ... zu einem Verkehrsunfall gekommen sei. Vor Ort wurde festgestellt, dass ein Linienbus den Pkw des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen ... beim Vorbeifahren gestreift hatte. Das Fahrzeug des Klägers war im verkehrsberuhigten Bereich, gekennzeichnet durch das Zeichen 325.1 (Anlage 3 zur StVO, Abschnitt 4 Nr. 12), außerhalb der markierten Parkflächen abgestellt und ragte mit dem Heck etwa einen Meter in die Fahrbahn hinein. Die Durchfahrt der Linienbusse war in der …. Straße, einer Einbahnstraße, an der Position des Fahrzeugs des Klägers zudem dadurch erschwert, dass diese sich im Bereich einer Rechts-Links-Verschwenkung befand. Zudem ist die Fahrbahn an besagter Stelle dadurch verengt, dass die gegenüberliegende Häuserzeile in einer Höhe unterhalb der Höhe eines Linienbusses überdacht ist. Die Überdachung ragt etwa 2,65 m in die insgesamt 6,90 m breite Fahrbahn. Nachdem die Polizeibeamten den als Fahrzeughalter festgestellten Kläger nicht hatten erreichen können, beauftragten sie ein Abschleppunternehmen mit der Umsetzung des Fahrzeugs. Kurz vor Eintreffen des herbeigerufenen Abschleppwagens traf der Kläger an der Örtlichkeit ein und entfernte selbständig sein Fahrzeug. Das Abschleppunternehmen stellte für die Anfahrt zu der Örtlichkeit einen Betrag von 95,20 Euro in Rechnung.
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Mit angefochtenem Gebührenbescheid vom 11.01.2012 wurde der Kläger zur Zahlung der Kosten der Anfahrtskosten sowie zu einer Gebühr für die Anordnung der Ersatzvornahme in Höhe von 60,00 Euro, insgesamt also eines Betrages von 155,20 Euro, herangezogen.
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Zur Begründung seines gegen den Bescheid erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, er habe nicht verkehrsbehindernd geparkt und das Fahrzeugheck habe auch nicht in die Fahrbahn geragt. Einer Vielzahl anderer Linienbusse sei es in der über eine Stunde andauernden Parkzeit möglich gewesen, die Stelle ohne Anstoß zu passieren. Für den Unfall seien demnach entweder mangelnde Fahrkünste des Busfahrers oder Fußgänger verantwortlich, derentwegen nicht die ganze Fahrbahnbreite zur Verfügung gestanden habe. Im letztgenannten Fall hätte der Busfahrer warten müssen, bis die Fußgänger die Engstelle passiert hätten. Es habe jedenfalls keine Veranlassung bestanden, sein – des Klägers – Auto abzuschleppen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2012 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Einwand des Klägers, er habe sein Fahrzeug nicht verkehrsbehindernd geparkt, sei durch die Feststellungen der Beamten vor Ort sowie insbesondere durch die gefertigten Lichtbilder eindeutig widerlegt. Diese zeigten, dass das außerhalb der markierten Parkflächen abgestellte Fahrzeug des Klägers etwa 1 m mit dem Heck in die Fahrbahn geragt und dadurch eine Engstelle für größere Fahrzeuge verursacht habe, da es sich bei der …. Straße um eine schmale Einbahnstraße handele. Auf der linken Fahrbahnseite befänden sich einige markierte Parkflächen, auf der gegenüberliegenden Seite befänden sich Geschäfte mit Überdachung. Für höhere Fahrzeuge verbleibe eine effektive Fahrbahnbreite von ca. 4,25 m. Durch das etwa 1 m in die Fahrspur reichende Heck des Fahrzeugs des Klägers sei die Fahrbahnbreite auf etwa 3,25 m verengt worden. Berücksichtige man die Busbreite von 2,55 m, so hätten auf beiden Seiten des Busses lediglich 35 cm zur Verfügung gestanden, um einen Anstoß entweder mit dem Fahrzeug des Klägers oder mit der rechtsseitigen Überdachung zu vermeiden. Erschwerend komme hinzu, dass die Fahrbahn an der Unfallstelle bzw. der Abstellörtlichkeit des Pkw verschwenkt sei, sodass ein Bus nicht geradeaus geführt werden könne, sondern zunächst einen Schwenk nach rechts und dann nach links ausführen müsse. Bei einer Buslänge von 12 m sei nachvollziehbar, dass durch das notwendige Lenkmanöver mehr Platz gebraucht werde als dies bei gerader Straßenführung der Fall wäre. Das Vorbringen des Klägers, der erfolgte Anstoß des Linienbusses mit seinem Fahrzeug sei ausschließlich auf mangelnde Fahrkünste oder fehlende Aufmerksamkeit des Busfahrers zurückzuführen, sei spekulativ und nicht geeignet, sein verbotswidriges Parkverhalten zu relativieren oder die Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme in Zweifel zu ziehen. Der Kläger habe gegen die § 1 Abs. 2 i.V.m. § 42 und Anlage 3, Ziffer 12, Zeichen 325.1, der Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen. Da in jedem Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Normen gleichzeitig eine Störung der öffentlichen Sicherheit i. S. des § 8 Abs. 1 Saarländisches Polizeigesetz (SPolG) liege, seien die Beamten zum Einschreiten berechtigt gewesen. Das Entfernen des Fahrzeugs des Klägers sei die einzig geeignete, aber auch erforderliche und angemessene Maßnahme gewesen, um der konkret vorliegenden Gefahr - gefährliche Engstelle für Busse oder ähnlich große Fahrzeuge - wirksam zu begegnen. Es sei daher rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beamten im Wege der Ersatzvornahme ein Abschleppunternehmen mit der Umsetzung des Fahrzeugs des Klägers beauftragt hätten. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig gewesen, da ein den Kläger weniger belastendes Mittel nicht zur Verfügung gestanden habe. Der Versuch, den Kläger telefonisch zu erreichen, um ihn möglicherweise selbst mit dem Entfernen des Fahrzeugs beauftragen zu können, sei erfolglos geblieben. Eine weitergehende Nachforschungspflicht nach dem Aufenthaltsort des Klägers habe für die Polizeibeamten vor Ort nicht bestanden. Nach der Rechtsprechung u. a. des Verwaltungsgerichts des Saarlandes bestehe nämlich eine solche Pflicht nur dann, wenn besondere Umstände deutliche Hinweise darauf gäben, dass sich der Fahrer in der Nähe befinde und kurzfristig aufgefunden werden könne. Solche Umstände hätten nicht vorgelegen. Zwar rechtfertige ein bloßer Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften das Abschleppen eines Fahrzeugs nicht ohne weiteres, andererseits sei ein Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge im Falle einer konkreten Gefahr zweifellos geboten. Genau dies treffe im gegebenen Fall zu. Durch das abgestellte Fahrzeug des Klägers sei es zu einer gefährlichen Engstelle für Busse oder ähnlich große Fahrzeuge gekommen, die bereits zu einem Verkehrsunfall geführt habe, so dass an der Verhältnismäßigkeit der Abschleppmaßnahme keinerlei Zweifel bestünden. Eine Androhung der Ersatzvornahme, wie sie § 50 Abs. 1 SPolG grundsätzlich vorschreibe, sei nicht erforderlich gewesen, da die Voraussetzungen des Sofortvollzugs nach § 44 Abs. 2 SPolG vorgelegen und die Umstände eine vorherige Androhung nicht zugelassen hätten. Die besondere Dringlichkeit habe sich daraus ergeben, dass noch weiterer Busverkehr durch die … Straße zu erwarten gewesen sei, es insoweit zu weiteren kritischen Situationen hätte kommen können und der Kläger als Fahrzeugverantwortlicher nicht kurzfristig erreichbar gewesen sei. Kurz bevor der bestellte Abschleppdienst die Örtlichkeit erreicht habe, sei der Kläger zwar erschienen und so in der Lage gewesen, seinen Pkw selbst zu entfernen und die Ihm zuzurechnende Störung zu beseitigen. Der Abschleppauftrag als solcher habe aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr rückgängig gemacht werden können, so dass der Kläger die Kosten der Anfahrt des Abschleppdienstes zu tragen habe. Die Vergütung der Abschleppunternehmer beruhe nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes nämlich auf einer mit der Polizei abgeschlossenen Vereinbarung, die für das Abschleppen einen bestimmten Pauschalpreis pro Einsatz vorsehe, der unabhängig von der Fahrstrecke mit Beginn der Anfahrt zum Bergungsort anfalle. Hierin sei insgesamt gesehen ein an Gerechtigkeitsgesichtspunkten, insbesondere dem Gleichbehandlungsgrundsatz sowie Praktikabilitätserwägungen orientiertes System zu erblicken, das rechtlich nicht beanstandet werden könne. Es sei daher nicht unbillig, wenn der Kläger zur Zahlung der Anfahrtskosten des Abschleppunternehmens herangezogen werde. Die Kostenhöhe von 95,20 Euro bewege sich im üblichen Rahmen. Die Kostenpflicht ergebe aus § 90 i.V.m. § 46 Abs. 1 SPolG. Demnach habe der Pflichtige die Kosten für die unmittelbare Ausführung einer polizeilichen Handlung zu tragen, die diese an Stelle des Pflichtigen im Wege der Ersatzvornahme vorgenommen habe. Der Kläger sei als Verhaltens- und Zustandsverantwortlicher i.S. der §§ 4 Abs. 1, 5 SPolG Pflichtiger und insoweit als Gebührenschuldner anzusehen. Die Rechnung des Abschleppdienstes sei sachlich und rechnerisch richtig, bewege sich bezüglich der Kostenhöhe im Rahmen des Üblichen und entspreche der mit der Polizei vereinbarten Anfahrtspauschale. Rechtsgrundlage für die in dem angefochtenen Bescheid zugleich geforderte Gebühr in Höhe von 60,00 Euro für die Ausführung der Ersatzvornahme seien die §§ 90 Abs. 1 und 2 SPolG in Verbindung mit § 1 Nr. 4 der Polizeikostenverordnung. Der Gebührenrahmen liege zwischen 15,00 Euro und 1.023,00 Euro. Lege man den Stundensatz von 57,53 Euro für den Einsatz eines Beamten des gehobenen Dienstes zugrunde, liege die geforderte Regelgebühr in Höhe von 60,00 Euro am unteren Rand des haushaltsrechtlich Vertretbaren und sei unter dem Aspekt der Belastung des Gebührenschuldners ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Widerspruchsbescheid ging ausweislich Empfangsbekenntnis am 22.10.2012 bei den Verfahrensbevollmächtigten des Klägers ein.
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Mit am 21.11.2012 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Klage erhoben.
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7
Sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren ergänzend und vertiefend trägt er vor, es könne dahinstehen, ob er verbotswidrig geparkt hätte. Jedenfalls habe er nicht verkehrsbehindernd geparkt. Im Bereich der Unfallstelle befänden sich zwei Parkplätze. In Fahrtrichtung des Busses hinter diesen beiden Parkplätzen befinde sich eine Straßenlaterne, dann folgten ein Baum und ein Abfallbehälter. Zwischen Straßenlaterne und Baum sei bei geschicktem Einparken Platz zum Parken. Er, der Kläger, habe neben den beiden als Parkplätze ausgewiesenen Stellflächen zwischen Laterne und Baum geparkt. Sein Fahrzeug habe nicht weiter in die Straße hineingeragt als die auf den Parkplätzen ordnungsgemäß geparkten Fahrzeuge. Eine Behinderung sei von seinem Fahrzeug ebenso wenig wie von den daneben geparkten Fahrzeugen ausgegangen. Die Straßenbreite beträgt dort fast 7 m. Berücksichtige man, dass auf der gegenüberliegenden Seite die Fahrbahn überdacht ist, betrage die Fahrbahnbreite immer noch 4,5 m. Wenn bei dieser Situation der Busfahrer, obwohl ausreichend Platz zur Verfügung gestanden habe, gegen die Anhängerkupplung seines – des Klägers – Kraftfahrzeugs gestoßen sei, könne dies nicht auf ein behinderndes Parken im verkehrsberuhigten Bereich zurückgeführt werden. Es habe auch keine Gefährdung bestanden, die ein Abschleppen gerechtfertigt hätte, da alle anderen Linienbusse und Fahrzeuge, die die Poststraße zwischen dem Parken und dem Unfallzeitpunkt passiert hätten, ohne Beanstandungen hätten fahren können. Die polizeiliche Maßnahme sei unverhältnismäßig und rechtswidrig gewesen.
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8
Der Kläger beantragt,
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9
den Bescheid vom 11.01.2012 und den Widerspruchsbescheid vom 17.10.2012 aufzuheben.
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10
Der Beklagte beantragt,
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11
die Klage abzuweisen.
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12
Er hält an den angefochtenen Bescheiden fest und nimmt darauf Bezug.
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13
Mit Beschluss vom 25.11.2013 hat die Kammer den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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14
Die Beteiligten sind zur Möglichkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.
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15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten (1 Ordner) Bezug genommen. Dieser Inhalt war Gegenstand der Entscheidungsfindung. | |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. | Randnummer
1
Der im Jahre 1983 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er stammt aus K... und ist eigenen Angaben zufolge Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Ahl-e Haqq (Yarsan). Seine iranische Ehefrau S... ist Klägerin des Verfahrens VG 3 K 451.17 A. Der Kläger verließ sein Herkunftsland einige Monate nach seiner Ehefrau im August 2015 auf dem Luftweg mit eigenem Reisepass und einem durch die Griechische Botschaft in Teheran ausgestellten Schengen-Visum. Am 16. Oktober 2015 suchte er um internationalen Schutz in der Bundesrepublik Deutschland nach.
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2
In seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 10. November 2016 machte der Kläger im Wesentlichen folgende Angaben: U
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3
Seine Familie sei vor etwa 18 Jahren wegen der besseren wirtschaftlichen Perspektiven von K... nach S... gezogen. Einige Monate nach ihrer Ankunft hätten Angehörige des Geheimdienstes jedoch in kurzer Abfolge zunächst seinen Bruder K... (der heute in den USA lebe), sodann seinen Bruder F... und schließlich auch ihn für kurze Zeit (ihn selbst eine Stunde) in Gewahrsam genommen und verhört. Seinen Brüdern sei (zu Unrecht) unterstellt worden sei, ein religiöses Zentrum errichten zu wollen. Dabei sei er auch geschlagen worden. Während seiner Schulzeit und später auch bei der Arbeitssuche habe er seine Religionszugehörigkeit stets verleugnen müssen. Vor etwa sieben Jahren habe er dann bei dem Unternehmen T... eine Anstellung erhalten, wo man mit seiner Arbeit sehr zufrieden gewesen sei. Sein Arbeitsvertrag sei jedoch wegen seiner Religion nicht verlängert worden. Zuletzt habe er sich selbstständig gemacht und eine (auf zehn Jahre befristete) Genehmigung zur Eröffnung eines Kosmetik-Geschäfts erhalten, die mit der Auflage verbunden gewesen sei, mit den Kunden nicht über seine Religion zu sprechen. Das Geschäft habe er zusammen mit seiner Ehefrau fünf Jahre betrieben und daraus ein gutes Einkommen erzielt. Er habe auch Tätowierungen angefertigt, beispielsweise Motive von Kreuzen oder Jesus. Dies sei im Iran verboten (der Kläger korrigierte im Verlauf seiner Anhörung, dass er niemals Tätowierungen angefertigt habe). Seine Frau, die Designerin und Kunstmalerin sei, habe ab 18:00 Uhr nach ihrer Arbeit als Hotelmanagerin die Kunden zu Hause tätowiert. Sie sei dann zur Ausbildung zwischen dem 22. und 28. Dezember 2014 mit einem Schengen-Visum nach Griechenland geflogen Zuvor habe sie für eine Kundin noch ein Design auf einem Zettel hinterlassen, das eine Mitarbeiterin dann am Tage ihres Abfluges habe umsetzen sollen. Er habe aus dem Lager Nadeln und Alkohol holen wollen, sei dann jedoch von seinem dann Nachbarn telefonisch informiert worden, dass der Geheimdienst bei ihm zu Hause sei. Er habe Schreie gehört und sich im Lager versteckt, von wo aus er habe beobachten könnten, dass drei Autos vor seinem Geschäft gehalten hätten. Ein Freund habe ihn dann zu einem Park gebracht, wo er sich zwei Wochen aufgehalten habe. Anschließend sei er über K... zur Grabstätte des Propheten Sultan Ishaq an der irakisch-iranischen Grenze gefahren. Der dortige Seyed habe ihm ein Zimmer zur Verfügung gestellt. Sein ursprünglicher Plan sei gewesen, durch den Fluss zu schwimmen und zu Fuß auf irakisches Gebiet zu fliehen, was jedoch nicht möglich gewesen sei. Der Bekannte habe dann gegen Bezahlung das Flugticket und ein Visum besorgt. Er habe ohne Kontrollen ausreisen können. Seinen Reisepass habe er von einer ihm unbekannten Person unmittelbar unter der Flugzeugtreppe ausgehändigt bekommen.
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4
Der Kläger legte eine in Heidelberg durch Dr. G... ausgestellte Bestätigung der Cultural Association of the Ahl-e Haqq (Yarsan) vom 6. Oktober 2016 (nachfolgend: Bestätigung der Cultural Association) vor, wonach er nach seinen eigenen Angaben sowie auch der Bestätigung von näher bezeichneten Familienangehörigen ein Angehöriger dieser Religion sei.
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5
Mit Bescheid vom 9. März 2017 lehnte das Bundesamt u.a. den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie auf Gewährung subsidiären Schutzes ab, stellte fest, dass nationale Abschiebungsverbote nicht vorliegen und drohte dem Kläger die Abschiebung in den Iran für den Fall an, dass er nicht innerhalb von dreißig Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens aus der Bundesrepublik Deutschland ausreise. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass bereits der Umstand der legalen und ungehinderten Ausreise gegen eine individuelle Verfolgung des Klägers spreche. Zweifelhaft sei bereits, ob der Kläger tatsächlich zur Religionsgemeinschaft der Yarsan gehöre, da er in seiner Anhörung nur ein rudimentäres Wissen über seine Religion gezeigt und in einigen Angaben zu Glaubenspraktiken sogar eindeutig falsch gelegen habe. Jedenfalls könne nach seinen Schilderungen nicht davon ausgegangen werden, dass er aufgrund seiner Religion im Iran keine Existenzgrundlage gehabt habe. Die Angaben zur Durchsuchung, seiner anschließenden Flucht sein zum Teil widersprüchlich und insgesamt nicht nachvollziehbar.
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6
Hiergegen hat der Kläger am 14. März 2017 Klage erhoben.
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7
Auf gerichtliche Betreibensaufforderung vom 29. Januar 2018 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Februar 2018 vorgetragen, dass er regelmäßig an den Veranstaltungen seiner Gemeinde teilnehme und aktives Mitglied der Religionsgemeinschaft sei. Auch bei einer Abschiebung in den Iran sei er nicht bereit, seinen Glauben verleugnen bzw. zu widerrufen. Auch werde er darauf bestehen, seinen Glauben öffentlich zu praktizieren und mit Person über seine Religion zu sprechen. Durch Beschluss der Kammer vom 22. Mai 2017 ist das Verfahren dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
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8
Der Kläger beantragt,
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9
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 9. März 2017 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft sowie subsidiären Schutz zu zuerkennen,
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10
hilfsweise,
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11
festzustellen, dass in seiner Person hinsichtlich des Iran die Voraussetzungen des §§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
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12
Die Beklagte ist im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2018 nicht vertreten gewesen.
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13
Das Gericht hat den Bundesamtsvorgang 6197012 - 439 sowie die Streitakte der Ehefrau VG 3 K 451.17 A nebst Bundesamtsvorgang 5895657 - 439 zum Verfahren beigezogen. Diese Vorgänge sind, soweit erheblich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Der Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung persönlich gehört worden. Wegen seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15. Mai 2018 (Bl. 61-68 der Streitakte) verwiesen. | |
1. Der Bescheid vom 24.11.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2015 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Kosten in Höhe von 240 € monatlich für die Monate September 2014 und Oktober 2014 für die Teilnahme seiner Tochter B. am Nachhilfeunterricht bei der Lernhilfe K. für insgesamt 4 Unterrichtsstunden pro Woche zu erstatten.
2. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. | I.
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1
Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten für die Lernförderung seiner Tochter B. für die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch für insgesamt 4 Unterrichtsstunden pro Woche in Höhe von 240 € für die Monate September 2014 und Oktober 2014.
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2
Der Kläger bezieht Wohngeld und erhielt bereits für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.02.2012 und vom 01.03.2013 bis 30.06.2014 Leistungen für eine ergänzende angemessene Lernförderung seiner Tochter von dem Beklagten. Am 30.06.2014 beantragte der Kläger erneut Leistungen der Bildung und Teilhabe nach § 6b BKGG iVm. § 28 Abs. 5 SGB II für eine ergänzende angemessene Lernförderung in Form von Nachhilfeunterricht für die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch seiner Tochter B. B. ist 14 Jahre alt und besuchte die 7. Klasse der Schule in B. (Gesamtschule). Bei B. wurde mit Bescheid vom 20.12.2010 vom Staatlichen Schulamt Rostock Legasthenie und Dyskalkulie festgestellt. Die Schule bestätigte mit Schreiben vom 26.08.2014, 02.09.2014 und 18.03.2015 die Notwendigkeit der zusätzlichen außerschulischen Lernförderung.
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3
Mit Bescheid vom 24.11.2014 lehnte der Beklagte die beantragte Lernförderung ab. Die Bewilligung von Leistungen nach § 28 Abs. 5 SGB II sei bei Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben oder Rechnen nicht von vornherein ausgeschlossen. Voraussetzung dieser Leistung sei aber eine positive kurz- bis mittelfristige Prognose. B. habe bereits über 2 Jahre Leistungen für eine ergänzende angemessene Lernförderung erhalten und die schulischen Probleme hätten sich weder kurzfristig noch mittelfristig ausreichend gebessert. Es werde auf die vorrangige Verpflichtung der Schule und die Möglichkeit der Beantragung der Leistungen der außerschulischen Legasthenietherapie nach § 35 SGB VIII verwiesen.
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4
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass durch die erhaltene Lernförderung sich die schulischen Probleme seiner Tochter kurz- bzw. mittelfristig in spürbarem Maße gebessert hätten. Deshalb sei einer Weiterführung der Lernförderung notwendig.
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5
Mit Schreiben vom 21.01.2015 wies der Beklagte erneut darauf hin, dass wenn die schulischen Fördermöglichkeiten ausgeschöpft seien, die Möglichkeit bestehe, in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt die Bezahlung der außerschulischen Legasthenietherapie gem. § 35 SGB VIII zu beantragen.
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6
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Er führte zur Begründung aus, dass es die Möglichkeit einer Bezahlung der außerschulischen Legasthenietherapie gem. § 35a SGB VIII durch das örtliche Jugendamt gebe. Der Kläger habe fast zwei Jahre Leistungen für eine ergänzende angemessene Lernförderung erhalten. Es hätten sich bisher die schulischen Probleme weder kurzfristig noch mittelfristig ausreichend gebessert.
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7
Der Kläger hat am 01.04.2015 durch seine Prozessbevollmächtigte Klage erhoben. Er trägt weiter vor, dass mit Hilfe der Lernförderung B. ihre Leistungen stabilisieren und jeweils in die nächste Klassenstufe versetzt werden konnte. Eine positive Prognose bestehe daher. Er legte eine Lerneinschätzung der Lernhilfe K. vor, wonach B. ohne die kontinuierliche Unterstützung das jetzige Lernniveau nicht erreicht hätte. Der Gesetzeswortlaut des § 6b BKGG iVm. § 28 SGB V SGB II enthalte keine zeitliche Begrenzung der zu bewilligenden Leistungen. Die Voraussetzungen der Leistungsbewilligung nach § 35a SGB VIII würden nicht vorliegen. Bei B. seien weder durch die Eltern, noch durch die Lehrer oder die Schulpsychologin Verhaltensauffälligkeiten festgestellt worden. Die Rechtsprechung nehme das Vorliegen einer seelischen Behinderung erst bei gravierenden Verhaltensauffälligkeiten des Betroffenen an (OVG Koblenz, Beschluss vom 26.03.2007 – 7 E 10212/07.OVG). Derartige gravierende Auffälligkeiten würden die Zeugnisbeurteilungen nicht widerspiegeln. Der Kläger sei beim Jugendamt gewesen und habe mit Herrn H. gesprochen, der ihm gegenüber gemeint habe, dass die Untersuchungen hinsichtlich einer seelischen Behinderung für B. eine enorme Belastung wären. Herr H. habe ihm eher von einer Antragstellung abgeraten. Daher habe er sich gegen einen Antrag auf Lernförderung beim Jugendamt entschieden.
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8
Herr H. bestätigte im Schreiben vom 29.04.2015 (Bl. 36 GA), dass der Kläger zu einem kurzen Beratungsgespräch im Jugendamt war und ein Antrag nicht gestellt wurde. Im Falle eines Antrages wäre ein umfassendes Prüfverfahren durchzuführen und abschließende Ergebnisse in einem Bericht darzulegen. § 35a SGB VIII setze zwingend die Stellungnahme eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie, eines Kinder- und Jugendpsychotherapeuten oder eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfüge, voraus.
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9
Der Kläger beantragt,
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10
den Bescheid vom 24.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2015 aufzuheben und dem Kläger die Kosten in Höhe von 240,00 € monatlich für die Monate September und Oktober 2014 für die Teilnahme seiner Tochter B. am Nachhilfeunterricht bei der Lernhilfe K. für insgesamt 4 Unterrichtsstunden pro Woche zu erstatten
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11
Der Beklagte beantragt,
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12
die Klage abzuweisen.
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13
Er verweist auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid und auf den Inhalt der Leistungsakte und trägt vor, dass zwar nicht bestritten werde, dass weitere außerschulische Lernförderung für B. notwendig sei, nach der Handlungsanweisung vom Ministerium seien aber die Leistungen nach § 35a SGB VIII vorrangig.
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14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen. | |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. | 1
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus Kaufvertrag und unerlaubter Handlung geltend.
2
Am 15.10.2011 bestellte der Kläger bei der Beklagten einen Wachbecken, einen Ober-, einen Unter- und einen Hochschrank. Diese Einrichtungsgegenstände wurden von der seitens der Beklagten beauftragten Firma ... am 08.12.2011 geliefert. Hierbei trug einer der Mitarbeiter der Firma ..., Herr ..., die bestellten Einrichtungsgegenstände in das Haus des Klägers; die genaueren Umstände, die zu diesem "Hineintragen" geführt haben, sind unklar bzw. streitig. Dabei rutschte das Waschbecken aus der Verpackung und fiel zu Boden. Dadurch wurden die einflüglige Fenstertür und Fliesen beschädigt. Für die Kosten der Lieferung und des Austauschs der Fenstertür legt der Kläger einen (streitigen) Kostenvoranschlag über EUR 3.705,90 brutto vor. Die Schadensersatzforderung in Höhe von EUR 3.705,90 ist der Gegenstand der Klage.
3
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei zum Ersatz des entstandenen Schadens in voller Höhe verpflichtet. Die Lieferung der Badeinrichtung sei vertraglich geschuldet gewesen. Hierzu gehöre der Transport in die Wohnung und nicht nur "bis zur Bordsteinkante". Dabei hafte die Beklagte für ihren Erfüllungsgehilfen bzw. dessen Mitarbeiter.
4
Der Kläger beantragt,
5
die Beklagte wird verurteilt, den Betrag von EUR 3.705,90 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2012 an den Kläger zu zahlen.
6
Die Beklagte beantragt,
7
die Klage abzuweisen.
8
Die Beklagte behauptet, es sei bei Abschluss des Vertrages vereinbart worden, dass die Lieferung "frei Bordsteinkante" erfolgen sollte. Eine Haftung der Beklagten bestehe nicht, weil der Fahrer beim Entladen der Ware dem Kläger geholfen habe und keine eigene Verpflichtung erfüllt habe. Spätestens nach der Bordsteinkante seien die Speditionsmitarbeiter nur noch im Interesse des Klägers tätig geworden und damit als dessen Erfüllungsgehilfen anzusehen. Darüber hinaus habe der Kläger nur einen Anspruch auf Erstattung des Nettorechnungsbetrages, da die Reparatur noch nicht durchgeführt worden sei.
9
Die Beklagte hat der Firma .... den Streit verkündet. Die Firma .... ist mit Schriftsatz vom 23.10.2012 dem Streit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Das Gericht hat mündlich verhandelt im Termin vom 29.11.2012. Auf das Sitzungsprotokoll wird hingewiesen.
10
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. | |
1. Die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale I bis IV/10 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 01.08.2010 werden insoweit aufgehoben, als die Beklagte keine Honorarfestsetzung nach Nr. 32001 EBM vorgenommen hat. Die Beklage wird insoweit verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über seinen Honoraranspruch neu zu bescheiden.
2. Die Klagen werden im Übrigen abgewiesen.
3. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
4. Der Streitwert wird für jedes Verfahren auf 5.100,-- € festgesetzt. | Randnummer
1
Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars für die Quartale I bis IV/10.
Randnummer
2
Der Kläger war als Facharzt für Chirurgie seit 1987 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Er war zugleich Belegarzt in der A-Klinik in B-Stadt, seit 2004 mit noch fünf Belegbetten. Er verzichtete zum 31.12.2013 auf seine Zulassung als Vertragsarzt.
Randnummer
3
Die Beklagte setzte mit Bescheiden das Regelleistungsvolumen für die streitbefangenen Quartale wie folgt fest:
Quartal
Datum
RLV-re-
levante
Fallzahl
Fall-
wert
in €
Fallwert-
abstaffe-
lung
Alters-
struktur-
quote
Aufschlag
fach-
gleiche
BAG
RLV
in €
I/10
17.12.2009
268
27,68
1
1,0187
1
7.556,96
II/10
18.03.2010
280
26,32
1
1,0096
1
7.440,35
III/10
28.07.2010
18.06.2010
250
23,11
1
0,9987
1,0026
1
5.769.99
5.792,52
RLV
28.07.2010
18.06.2010
250
23,11
1
0,9987
1,0026
1
5.769.99
5.792,52
QZV 4 Beh. v. Hämorrhoiden
250
1,43
357,50
QZV 15 Proktologie
250
0,73
182,50
QZV 25 Unvorhergesehene Inanspruchnahme
250
0,26
65,00
QZV 27 Gastroenterologie I
250
1,42
355,00
gesamt
6.729,99
6.752,52
IV/10
31.08.2010
RLV
239
23,11
1
1,0050
1
5.550,91
QZV 4 Beh. v. Hämorrhoiden
239
1,71
408,69
QZV 13 Phlebologie
239
2,07
494,73
QZV 15 Proktologie
239
0,91
217,49
gesamt
6.671,82
Randnummer
4
In den streitbefangenen Quartalen setzte die Beklagte das Honorar des Klägers durch Honorarbescheide, gegen die der Kläger jeweils Widerspruch erhob, wie folgt fest:
Quartal
I/10
II/10
III/10
IV/10
Honorarbescheid vom
29.06.2010
27.08.2010
28.12.2010
01.04.2011
Widerspruch vom
21.10.2010
20.12.2010
18.03.2011
13.07.2011
Anzahl der Praxen/Ärzte
170/296,6
163/290,61
163/290,51
163/293,74
Nettohonorar gesamt in €
57.108,39
52.091,71
46.609,76
46.668,29
Ausgleichshonorar netto in €
862,38
Bruttohonorar PK + EK in €
56.176,60
52.248,64
46.919,02
46.995,39
Fallzahl PK + EK
359
343
361
345
Honoraranforderung PK + EK in €
60.564,13
55.729,33
50.536,42
50.492,23
Honoraranteile PK + EK
Regelleistungsvolumen in €
7.251,50
7.137,72
5.779,14
8.338,07
Qualifikationsgebundenes Zusatzvolumen in €
679,98
210,49
Quotiertes RLV/QZV in €
612,11
153,32
163,32
144,02
Freie Leistungen in €
Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingen Gesamtvergütung (MGV)
130,10
25,89
8,75
15,08
Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingen Gesamtvergütung (AMG)
48.182,89
44.931,71
40.287,83
40.287,73
Regelleistungsvolumen
Obergrenze in €
7.556,96
7.440,35
5.769,99
5.550,91
Angefordert in €
10.194,27
8.864,57
7.292,53
8.270,18
Überschreitung in €
2.637,31
1.424,22
1.432,54
2.719,27
Überschreitung RLV/QZV in €
1.820,08
1.664,77
Randnummer
5
Den Widerspruch gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/10 behandelte die Beklagte zunächst als verfristet. Nach Klageerhebung zum Az.: S 12 KA 195/11 schlossen die Beteiligten vor der Kammer einen Vergleich, wonach sich die Beklagte verpflichtete, den Kläger über seinen Widerspruch neu zu bescheiden. Die Beklagte verpflichtete sich ferner, vor einer Neubescheidung die Honorarabrechnung dem Kläger zu erläutern. Ausweislich einer von der Beklagten angefertigten Notiz war Inhalt des Beratungsgesprächs am 11.01.2012 insbesondere die Vergütung von Laborleistungen, daneben die Überschreitung des Regelleistungsvolumens. Der Kläger teilte daraufhin mit, dass er an seinem Widerspruch festhalte. Im Widerspruchsschreiben vom 21.10.2010 hatte er ausgeführt, unerklärlich sei das Quotieren des Regelleistungsvolumens bei einer unterdurchschnittlich abrechnenden Praxis. Es gebe eine Differenz zwischen den abgerechneten und honorierten Leistungen. Er verstehe auch nicht die Berechnung der von ihm abgerechneten bzw. veranlassten Laborparameter.
Randnummer
6
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2012 für das Quartal I/10 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Berechnung des praxisbezogenen Regelleistungsvolumens habe sie entsprechend den Vorgaben nach dem Honorarverteilungsvertrag durchgeführt. Gegen den Zuweisungsbescheid habe der Kläger keinen Widerspruch eingelegt, so dass dieser bestandskräftig geworden sei. Demzufolge erfolge keine Prüfung der Werte im Regelleistungsvolumen. Der auf dem Zuweisungsbescheid zum Regelleistungsvolumen basierende Honorarbescheid sei rechtmäßig. Im Einzelnen erläuterte sie die Überschreitung des Regelleistungsvolumens, den Sicherstellungsindex 90 und den „Wirtschaftlichkeitsbonus“. Bzgl. des Vortrags des Klägers, dass das Quotieren des Regelleistungsvolumens bei unterdurchschnittlicher Abrechnung in Praxen unerklärlich und befremdend sei, verweise sie auf den Grundsatz der angemessenen Vergütung. Ein subjektives Recht des einzelnen Vertragsarztes auf höheres Honorar für ärztliche Tätigkeit könne erst dann in Betracht kommen, wenn durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes oder zumindest in Teilbereichen, etwa in einer Arztgruppe, und als Folge davon auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem teilnehmenden Vertragsärzte gefährdet werde. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger nicht vor.
Randnummer
7
Hiergegen hat der Kläger am 30.08.2012 zum Az.:
S 12 KA 436/12
die Klage erhoben.
Randnummer
8
Die weiteren Widersprüche gegen die Honorarbescheide für die Quartale II bis IV/10 begründete der Kläger nicht.
Randnummer
9
Die Beklagte wies mit drei weiteren Widerspruchsbescheiden vom 01.08.2012 diese Widersprüche ebenfalls als unbegründet zurück und erläuterte in den Bescheidgründen im Einzelnen die Mechanismen der Berechnung des Honoraranspruchs.
Randnummer
10
Hiergegen hat der Kläger ebenfalls am 30.08.2012 Klage zu den Az.: S 12 KA 437 bis 439/12 erhoben.
Randnummer
11
Der Kläger trägt bzgl. des Quartals I/10 vor, die Quotierung innerhalb des Regelleistungsvolumens sei rechtswidrig. Sie führe zu einer unzulässigen Kürzung des Honorars in Höhe von 2.025,20 Euro. Umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen müssten die Möglichkeit haben, zumindest den durchschnittlichen Umsatz einer Arztgruppe zu erreichen. Es fehle an einer speziellen Regelung im Honorarverteilungsvertrag, der dieser Rechtsprechung hinreichend umsetze. Es werde das Gebot der leistungsproportionalen Vergütung verletzt. Es bedürfe einer ergänzenden Regelung bzw. Rechtsumsetzung. Hilfsweise wäre ihm ein höheres Regelleistungsvolumen zuzuweisen, zumindest in Höhe des Fachgruppendurchschnitts. Sofern die Beklagte behaupte, die Festsetzung des Regelleistungsvolumens sei bestandskräftig geworden, so treffe dies nicht zu. Er bestreite, dass es sich hierbei um einen Verwaltungsakt gehandelt habe. Es habe sich um eine Information gehandelt. Sein Widerspruch vom 21.10.2010 sei umfassend gewesen und beinhalte auch einen Widerspruch gegen die Höhe und Berechnung des Regelleistungsvolumens. Das Widerspruchsschreiben vom 21.10.2010 sei vor einer Bestandskraft eines etwaigen Zuweisungsbescheides vom 11.12.2009 erfolgt. Mangels ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung betrage die Widerspruchsfrist ein Jahr. Im Übrigen stünden Vertrauensgrundsätze entgegen. Eine Anfechtung von gesondert ergangenen Bescheiden sei auch dann zulässig, wenn die jeweiligen Grundlagenbescheide nicht angefochten worden seien (BSG, Urt. v. 15.08.2012 - B 6 KA 38/11 -). Ferner habe er zum Zeitpunkt der Mitteilung des Regelleistungsvolumens noch nicht wissen können, dass er die Voraussetzungen einer unterdurchschnittlichen Praxis erfülle. Ihm seien auch in rechtlicher Weise vermeintlich veranlasste Laborleistungen zugeordnet worden und – darauf gestützt – der Labor- und Wirtschaftlichkeitsbonus (Nr. 32001) mit 2.840 Punkten versagt worden. Es bestehe insofern der Verdacht, dass durch das Krankenhaus für stationäre Leistungen, die außerhalb des Budgets zu vergüten wären, in dem stationären Bereich zugeordnete Laborleistungen zu Lasten des ambulanten Budgets als ambulant veranlasst bzw. abgerechnet worden seien. Laborleisten würden praktisch immer erst dann veranlasst werden, nachdem der Patient stationär aufgenommen worden sei. Nach Auskunft der Beklagten habe er weder ambulante noch belegärztliche Laborleistungen zur Abrechnung gebracht. Die Beklagte führe auch die per Überweisung mittels Muster 10A veranlassten Laborleistungen auf ihn zurück. Es sei auch nicht bekannt, ob das Krankenhaus diese Laborleistungen direkt mit der Beklagten abrechne. Die Laborleistungen seien dem DRG zuzuordnen. Rechtswidrig sei auch die Quotierung der angeforderten Leistungen im Sinne der sog. Vorwegleistungen. Durch den sog. Sicherstellungsindex 90 seien die Vorwegleistungen mit einer Bruttoquote von nur 82,781 % und einer Nettoquote von nur 78,642 % quotiert vergütet worden. Dies führe zu einem Honorarverlust in Höhe von 25,99 Euro. Es werde auch die fehlerhafte und mangelnde Nachvollziehbarkeit des Honorarbescheids insgesamt, insbesondere in Form des Kontoauszuges gerügt. Dieser weise die Ein- und Ausgaben nicht ordnungsgemäß aus; z.B. werde der EHV-Abzug nicht gesondert ausgewiesen, sondern lasse sich nur aus einer Differenzberechnung herleiten. Für die übrigen Quartale hat er die Klage entsprechend begründet.
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12
Der Kläger beantragt,
die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale I bis IV/10 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 01.08.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
hilfsweise
ihn unter Abänderung der Mitteilung der Regelleistungsvolumina für die Quartale I bis IV/10 auf Grund seiner in diesen Quartalen unterdurchschnittlich abrechnenden Praxis jeweils ein Regelleistungsvolumen in Höhe seiner tatsächlich errichten Fallzahlen, jedenfalls bis zum Fachgruppendurchschnitt, zuzuweisen,
weiter hilfsweise
als Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen.
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13
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
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14
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, bei den Zuweisungsbescheiden zum Regelleistungsvolumen handele es sich um Verwaltungsakte. Es sei zwar richtig, dass die Zuweisungsbescheide über keine Rechtsbehelfsbelehrung verfügten, weshalb die Widerspruchsfrist grundsätzlich ein Jahr betrage. Würde man nun die Widersprüche gegen die Honorarbescheide als Widersprüche gegen die Zuweisungsbescheide werten, wären die Zuweisungsbescheide auch nicht bestandskräftig. Dafür gebe es aber keinen Anlass, da die Widersprüche eindeutig gegen die jeweiligen Honorarbescheide gerichtet seien. Insbesondere in den Widersprüchen gegen die Honorarbescheide für die Quartale II bis IV/10 sei überhaupt keine Bezugnahme auf die Zuweisungsbescheide zu erkennen. Eine Sonderregelung in Form einer Erhöhung der Fallzahl sei nicht möglich, da die RLV-Zuweisungsbescheide nicht streitgegenständlich seien. Die RLV-Zuweisungsbescheide seien bestandskräftig geworden und somit sei das Regelleistungsvolumen für die streitgegenständlichen Quartale rechtskräftig festgesetzt worden, so dass gegen dieses und somit auch gegen die Höhe der festgesetzten RLV-relevanten Fallzahlen im Rahmen des Klageverfahrens gegen den Honorarbescheid nicht mehr vorgegangen werden könne. Es treffe auch nicht zu, dass der Kläger erstmals mit dem Honorarbescheiden erfahren habe, dass er unterdurchschnittlich abrechne. Mit den Zuweisungsbescheiden würden auch immer Übersichten mit den durchschnittlichen Fallzahlen und Fallwerten je Fachgruppe übersandt werden. Im Übrigen sei sie der Auffassung, dass die bestehenden Regelungen ausreichend seien. Praxisbesonderheiten bzgl. des QZV 27 im Quartal III/10 habe der Kläger nicht mehr geltend machen können. Einen solchen Antrag hätte er im Rahmen seines Widerspruchs gegen den Zuweisungsbescheid stellen müssen. Ein Anspruch auf Zahlung des sog. Wirtschaftlichkeitsbonus bestehe nicht. Der Kläger habe Laborleistungen mittels Überweisung veranlasst, die richtigerweise auf ihn zurückgeführt würden. In den Quartalen III und IV/10 sei der Kläger nicht durch den AI100 beschwert. Die Beträge von 8,75 Euro und 15,08 Euro seien die Vergütungen der Kosten-/ und Wegepauschalen – jeweils unter Abzug des EHV-Anteils –, die in den Arztrechnungen aufgeführt seien. Da der Kläger keine „freien Leistungen“ erbracht habe, seien ihm diese nicht vergütet und dementsprechend auch nicht quotiert worden. Im Übrigen habe der Kläger nicht substantiiert vorgetragen, dass der Kontoauszug fehlerhaft bzw. nicht nachvollziehbar sei. Eine gesonderte Ausweisung des EHV-Abzugs sei nicht notwendig, da dies aus der Arztrechnung zu entnehmen sei. Hinsichtlich der veranlassten Laborleistungen sei sie nicht darlegungspflichtig. Der seinerzeit ausführende Laborarzt habe aus datenschutzrechtlichen Gründen Bedenken, ihr die Überweisungsscheine vorzulegen. Es komme auch nicht auf die Unterschrift des Arztes auf den Überweisungsscheinen an. Die Laborleistungen müssten vielmehr lediglich veranlasst werden. Eine Veranlassung könne auch mündlich oder durch konkludentes Handeln geschehen. Wenn der Laborarzt auf die Laborwerte angewiesen sei, um seine Leistungen erbringen zu können, müsse er sich auch zurechnen lassen, dass Laborwerte durch das Krankenhaus angefordert würden. Der Kläger dürfte allein durch die Einweisung des Patienten die Laborleistungen veranlasst haben.
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15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen. Die Kammer hat mit den Beteiligten am 26.02.2014 einen Erörterungstermin abgehalten, hierzu wird auf die Niederschrift verwiesen. | |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. | Randnummer
1
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren für den Rückbau einer bestehenden Remise und die Errichtung eines Wohngebäudes an gleicher Stelle.
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2
Der Kläger ist Eigentümer des 1036 m² großen Grundstücks I... 24 in 1... Berlin-Rahnsdorf, für das keine verbindliche Bauleitplanung besteht. Das Grundstück ist derzeit mit einem in der vorderen Grundstückshälfte freistehenden Einfamilienhaus mit einer Grundfläche von ca. 88 m² sowie einer eingeschossigen grenzständigen Remise im hinteren Grundstücksteil und einer Slipbahn bebaut. Die Remise wird derzeit als Schuppen genutzt und verfügt über eine Grundfläche von 15 x 3 m bei einer Traufhöhe von 2,5 m und einer Gesamthöhe bis zum First des halben Walmdachs von 4,4 m. Im rückwärtigen Bereich grenzt das Grundstück, welches eine Breite von 17,3 m und eine Tiefe von ca. 60 m besitzt, an die Müggelspree. Die Grundstücke in dem durch die W... straße, die Straße I..., die T... straße und die Müggelspree umgrenzten Baublock sind durchgängig mit Einfamilienhäusern bebaut. Mit Ausnahme des Grundstücks I... 34 befinden sich sämtliche der ein- bis dreigeschossigen Wohnhäuser im vorderen Grundstücksbereich. Überwiegend in den hinteren Grundstücksbereichen, teilweise aber auch neben dem jeweiligen Wohnhaus, befinden sich eingeschossige Garagen und Remisen, welche zum überwiegenden Teil an den Grundstücksgrenzen errichtet sind. Auf dem Nachbargrundstück im Haselwinkel 22 sind auf der Höhe der klägerischen Remise ein Gartenhaus und eine Laube an der Grenze zum Klägergrundstück errichtet worden. Mit Ausnahme des auf den Grundstücken Im Haselwinkel 18 und 20 stehenden Doppelhauses und der beiden Wohngebäude auf dem nachträglich geteilten Grundstück Im Haselwinkel 40 und 40 a sind die Wohnhäuser in der Straße Im Haselwinkel nicht an die Grundstücksgrenzen gebaut. Die vorhandene Bebauung des hier streitgegenständlichen Vorhabengrundstücks (mit einem Kreis gekennzeichnet) und die Umgebungsbebauung im Baublock werden im amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem von Berlin (ALKIS) wie folgt dargestellt:
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3
Das klägerische Grundstück liegt wie die anderen Grundstücke des vorbeschriebenen Baublocks in einem Teilbereich der ehemaligen Kolonie Hessenwinkel, für welchen am 13. März 2001 eine Verordnung zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt erlassen wurde (GVBl. 2001, 57. Jahrgang Nr. 14; im Folgenden: Erhaltungsverordnung). Zum Plananlass und der Zielsetzung der Erhaltungsverordnung wird in deren Begründung ausgeführt:
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4
„Die 1891 begonnene Parzellierung (s. Parzellierungsplan 1891) wurde in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts insbesondere in den Bereichen südlich der Waldstraße (s. Parzellierungsplan 1914) weitgehend abgeschlossen und ist bis heute fast vollständig erhalten geblieben. […] Für das Gesamterscheinungsbild der Kolonie sind die prägenden landschaftlichen Gegebenheiten, wie die Lage an den Uferbereichen der Gewässer und am Waldrand, die großen Straßenbaumalleen, die grünen Plätze im öffentlichen Raum und die Vegetation auf den Grundstücken (im Vorgartenbereich und in den rückwärtigen, teilweise parkähnlichen Gärten) maßgebend. […]
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5
3.3. Parzellenstruktur: […] Die ursprünglichen Parzellenstrukturen sind nur in wenigen Fällen verändert worden, sodass auch die historische Bebauungsstruktur nur geringfügigen Veränderungen unterlag. Der überwiegende Teil der Parzellen ist bebaut. Einheitliche Baufluchten sind hier eher untypisch. Die Vorgartenzone ist 5 m bis ca. 20 m tief; in der vorderen Grundstückshälfte befinden sich die Wohngebäude, die Nebengebäude (Remisen oder Garagen) wurden hinter den Wohngebäuden an den längsorientierten Grundstücksgrenzen errichtet und in der hinteren Grundstückshälfte befinden sich teilweise noch Garten- oder Teehäuschen – in den Uferbereichen einige Bootsschuppen. Eine Bebauung mit Wohngebäuden in zweiter Baureihe existiert im Prinzip nicht – drei Einzelfälle einer solchen Bebauung nach 1945 sind vorzufinden.
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3.4. Bebauung: Die durchgehend offene und kleinteilige Bauweise in der Villenkolonie Hessenwinkel i.V.m. den landschaftlich dominanten Uferbereichen, in denen sich oftmals parkähnliche Gärten befinden, stellt die besondere Prägung des Gebietes dar. Die Gebäude sind ein- bis dreigeschossig als Einzelhäuser errichtet, wenige Ausnahmen sind in Form einer Doppelhausbebauung an unterschiedlichen Standorten vorzufinden.
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4. Notwendigkeit der Erhaltungsverordnung: Damit soll die vorhandene Siedlungsstruktur und die baulichen Anlagen vor Überformung, grundsätzlicher Veränderung und ungeordneter Verdichtung geschützt werden. […] Grenzbebauungen und Garagenbauten in den Vorgärtenbereichen und seitlichem Bauwich tragen ebenso zur Veränderung der Villenkolonie bei, wie die in den Bauanträgen angestrebte Baudichte und Geschossigkeit, die mit dem Stadtbild der Villenkolonie nicht vereinbar sind. Ziel der Erhaltungsverordnung ist es, gemäß Abs. 1 Satz 1 des § 172 Bau GB die städtebauliche Eigenart des Gebietes aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt (Abs. 3) zu erhalten. […] Da zu erwarten ist, dass das Maximum des nach § 34 BauGB möglichen Bauvolumens ausgeschöpft werden soll und bestehende Gebäude eine kleinere Dimensionierung aufweisen, sind unerwünschte Veränderungen zu erwarten, die bis hin zur Auflösung des alten Ortsbildes gehen können.“
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Mit Bauantrag vom 15. Dezember 2016 beantragte der Kläger eine Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren für „Sanierung und Umbau einer bestehenden Remise“. Der Kläger beabsichtigt, die Remise bis auf die grenzständige Mauer abzureißen und an gleicher Stelle ein Wohnhaus für seine Eltern an der Grundstücksgrenze zu errichten, welches ein Erdgeschoss mit ca. 73 m² Grundfläche, ein Staffelgeschoss mit 44 m² Grundfläche und eine Gebäudehöhe von 6,39 m aufweisen soll. Das Gebäude soll in einer Bebauungstiefe zur Straße von 29 m bis 42 m errichtet werden.
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9
Mit Versagung Nr. 2016/2634 vom 10. März 2017 lehnte das Bezirksamt Treptow Köpenick von Berlin (im Folgenden: Bezirksamt) die beantragte Baugenehmigung ab und setzte mit Bescheid vom gleichen Tage Baugebühren in Höhe von 116,95 € fest. Der hiergegen am 10. April 2017 erhobene und am 3. Juli 2017 begründete Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid des Bezirksamtes vom 20. Juni 2018 in der Sache zurückgewiesen. Der ursprüngliche Gebührenbescheid wurde hingegen um 25 % reduziert und der überzahlte Betrag an den Kläger erstattet. Zur Begründung führte das Bezirksamt im Wesentlichen aus, dass sich das Bauvorhaben des Klägers im Hinblick auf die überbaubare Grundstücksfläche und die Anzahl der Wohngebäude auf dem Grundstück nicht in die nähere Umgebung einfüge. Die nähere Umgebung stelle sich als Baublock dar, der von der Müggelspree im Süden und den Straßen I... im Norden, W... straße im Westen und T... straße im Osten begrenzt werde. Durch die Rahmenüberschreitung würden bodenrechtlich beachtliche und bewältigungsbedürftige Spannungen erzeugt bzw. vertieft, weil das Bauvorhaben die anderen Nebengebäude überragen und mit seinem Bauvolumen aus der übrigen Hinterlandbebauung im Blaublock hervorstechen würde. Die verbliebenen Freiflächen würden erheblich kleiner erscheinen und sich auch die Emissionen verstärken. Außerdem hätte das Bauvorhaben negative Vorbildwirkung, da Wohnraum wirtschaftlich wertvoll sei. Im Übrigen würde die beabsichtigte bauliche Anlage auch die städtebauliche Gestalt des Gebietes beeinträchtigen, weil eine zweite Baureihe mit Wohngebäuden errichtet und die vorhandene Grenzbebauung nachverdichtet würde. Dadurch würde die Sicht auf die Gärten im Hinterland weiter verbaut werden. Eine zweite Baureihe auf allen Grundstücken im Baublock würde die städtebauliche Gestalt noch nachhaltiger verändern als das streitgegenständliche Vorhaben allein.
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10
Mit der bereits am 11. April 2018 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er meint, das Bauvorhaben füge sich nach der überbauten Grundstücksfläche ein, da die „nähere Umgebung“ im Sinne des § 34 BauGB das ganze Erhaltungsgebiet umfasse, innerhalb dessen es keine faktischen Baulinien oder Baugrenzen gäbe. Insbesondere das Wohnhaus auf dem Grundstück I... 34 sei weder Ausnahme noch Fremdkörper, sondern nur das Ende eines breiten Spektrums an Bebauungstiefe. Das Wohnhaus auf dem Grundstück I... 50 sei an der hinteren Grundstücksgrenze errichtet. Auf den Grundstücken I... Nr. 22 und Nr. 36 gäbe es Bebauung im mittleren Grundstücksbereich. Das Bauvorhaben füge sich auch hinsichtlich der Bauweise ein, da es auf den Grundstücken I... Nr. 18, 20, 22, 40 und 50 grenzständige Bebauungen gäbe. Das Wohngebäude auf dem Grundstück I... 22 werde seit 50 Jahren geduldet. Das Bauvorhaben würde auch die städtebauliche Gestalt des Gebietes nicht beeinträchtigen. Insoweit dürfe sich das Bezirksamt nur auf die Versagungsgründe des §§ 172 Abs. 3 BauGB stützen, und nicht auf die Ziele der Erhaltungsverordnung. Die Kompetenz für die Festlegung der Erhaltungsziele läge beim Bund. Länder und Gemeinden dürften nur die betreffenden Gebiete bezeichnen. Die Begründung zur Erhaltungsverordnung sei kein Rechtssatz, unter den ein Sachverhalt subsumiert werden dürfe. Auf die Begründung dürfe aus kompetenzrechtlichen Gründen auch nicht als Auslegungshilfe für unbestimmte Begriffe zurückgegriffen werden. Eine konkrete Prüfung der erhaltungsrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens habe nicht stattgefunden. Das geplante Gebäude sei eine bauliche Anlage von untergeordneter Erscheinung für das Gebiet und damit nicht geeignet, das Ortsbild zu beeinträchtigen. Die bisher bestehende städtebauliche Gestalt bleibe im Wesentlichen unverändert.
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11
Der Kläger beantragt,
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12
den Beklagten unter Aufhebung der Versagung Nr. 2... des Bezirksamts Treptow-Köpenick von Berlin vom 10. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 20. Juni 2018 zu verpflichten, ihm die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.
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13
Der Beklagte beantragt,
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14
die Klage abzuweisen
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15
Zur Begründung bezieht er sich auf die ergangenen Bescheide und führt ergänzend aus, dass das Vorhaben aufgrund des erheblichen Rückbaus als Neubau zu betrachten sei. Ein Wohngebäude mit einer Grundfläche von 72,6 m² im Erdgeschoss und einem Obergeschoss von weiteren 44,2 m² sei keine Remise. Die nähere Umgebung im Sinne von § 34 BauGB dürfe nicht mit dem Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung vermischt werden. Insbesondere habe der Baublock nördlich der W... straße eine andere Struktur, ebenso wie der Baublock nördlich der Straße I... . Hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche sei die Bebauung auf dem Grundstück I... Nr. 34 als Fremdkörper einzuordnen. Die Grundstücke I... Nr. 36 und Nr. 50 hätten eine Bebauungstiefe von 27 bzw. 28 m.
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16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und des Verwaltungsvorgangs (1 Ordner) Bezug genommen. Letztere haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung. Die Einzelrichterin hat in der mündlichen Verhandlung die Örtlichkeiten in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. | |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt. | Randnummer
1
Die Beteiligten streiten über die Qualifikation von Aufwendungen für die Begehung des fünften Firmenjubiläums der Klägerin als verdeckte Gewinnausschüttung.
Randnummer
2
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der C GmbH. Die C wurde mit Vertrag vom X.X. 1994 gegründet und am X.X. 1994 in das Handelsregister eingetragen. Gesellschafter der C waren zunächst Herr A, die F GmbH sowie Frau G, später dann zu je 50 % A und die F GmbH. A war alleiniger Geschäftsführer der C. Er vollendete am X.X. 1999 das X. Lebensjahr.
Randnummer
3
Im Streit steht die Qualifikation von Aufwendungen für eine Veranstaltung am X.X.1999. Die entsprechende Einladung ist überschrieben mit „5C Jahre A“ (Schriftgrad 36), darunter heißt es
Randnummer
4
„Einladung
5 Jahre Firma C
X Jahre A,
Zeit ein wenig zu feiern und Dankeschön zu sagen.“
Randnummer
5
Unterschrieben ist die Einladung von A neben dem Firmenlogo der C.
Randnummer
6
Die C behandelte die Aufwendungen für die Feier in Höhe von DM X als Betriebsausgaben. Anlässlich einer bei der C für die Jahre 1999 bis 2002 durchgeführten Außenprüfung gelangte der Beklagte zu der Auffassung, dass es sich insoweit um Kosten der privaten Lebensführung des A gehandelt habe, weil dessen X. Geburtstag gefeiert worden sei. Der Beklagte behandelte die Aufwendungen daher als verdeckte Gewinnausschüttung.
Randnummer
7
Die Klägerin trägt vor, dass A lediglich zu 50 % an der C beteiligt und somit nicht deren beherrschender Gesellschafter gewesen sei. Auch habe A für die Einladung nicht einen persönlichen Briefbogen verwendet, vielmehr sei die Einladung neutral gestaltet gewesen. Teilnehmer der Feier seien auch nur Geschäftspartner und Angestellte der C, nicht aber Freunde und Bekannte des A gewesen. Die Klägerin macht geltend, dass der Betriebsprüfer den Sachverhalt insoweit nicht zutreffend wiedergegeben habe, als er die Gründung der C im Jahre 1994 und damit deren fünfjähriges Firmenjubiläum als Grund der Feier nicht gewürdigt habe. Der zusätzliche Hinweis auf „X Jahre A“ habe lediglich marketingtechnische Gründe gehabt, damit möglichst viele Geschäftspartner sich verpflichtet gefühlt hätten, an der Feier teilzunehmen.
Randnummer
8
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Klage gegen die zunächst ebenfalls angefochtenen Bescheide über Feststellungen nach § 47 Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) 1999 und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG 1999 zurückgenommen; der Senat hat das Verfahren sodann insoweit abgetrennt und eingestellt.
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9
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide für 1999 über Körperschaftsteuer, Gewerbesteuermessbetrag, und Gewerbesteuer, alle vom X.X 2005, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom X.X. 2007, aufzuheben
sowie
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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10
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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11
Er ist der Ansicht, dass die Aufwendungen für die Feier am X.X. 1999 durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen seien. Er weist darauf hin, dass es für diese Einschätzung unerheblich sei, ob A beherrschender Gesellschafter der C gewesen sei oder nicht. Zudem habe A im Hinblick auf Art und Umfang der Feier allein entscheiden können. Seine Mitgesellschafterin habe insoweit auch keine Einwände gehabt. Dies und der Umstand, dass die Mitgesellschafterin die Feier nicht wirksam hätte verhindern oder beeinflussen können, bewirke, dass A bezogen auf den hier streitigen Sachverhalt einem beherrschenden Gesellschafter vergleichbar gewesen sei.
Randnummer
12
Der Beklagte sieht es als unerheblich an, dass A für die Einladung nicht einen persönlichen Briefbogen verwendet habe. Der Kopf der Einladung sei vielmehr geschickt in der Weise gestaltet gewesen, dass der Empfänger sofort zwei deutliche Hinweise habe erkennen können, nämlich zum einen „5 C Jahre“ als Anspielung auf das Firmenjubiläum und zum anderen „X Jahre A“ als Anspielung auf den X. Geburtstag. Auch aus dem weiteren Text der Einladung ergebe sich, dass der Geburtstag des A zumindest gleichrangiger Anlass der Feier gewesen sei. Ein enger zeitlicher Zusammenhang des Geburtstages mit der Veranstaltung sei nicht erforderlich; die private Mitveranlassung der Feier durch das persönliche Ereignis reiche aus, um die Ausgaben als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen, und zwar selbst dann, wenn ausschließlich Geschäftsfreunde und Mitarbeiter des Unternehmens eingeladen gewesen seien. | |
1. Die klägerische Berufung wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Klageantrages zu 1.15 richtet, als unzulässig verworfen.
2. Auf die Berufung des Klägers und unter teilweiser Abänderung des klagabweisenden Urteils des Arbeitsgericht Schwerin vom 13. Juli 2011 (55 Ca 153/10) bezüglich des Klageantrages zu 1.7 wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 75,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. August 2009 zu zahlen.
3. Im Übrigen werden die weitergehende klägerische Berufung und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt – unter Abänderung der arbeitsgerichtlichen Kostenentscheidung – der Kläger zu drei von vier Anteilen und im Übrigen der Beklagte.
Der Kläger trägt außerdem drei von vier Anteilen der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens der Streithelferin, den weiteren Anteil an diesen Kosten hat sie selbst zu tragen.
5. Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Die Parteien streiten mit wechselseitigen Anträgen um die vertragsgemäße bzw. tarifgerechte Vergütung des Klägers sowie um die Entstehung und Auszahlung von Überstunden.
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2
Der Beklagte – verfasst in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins – betreibt in seinem regionalen Zuständigkeitsgebiet A-Stadt und Nordwest-Mecklenburg unter anderem Kindereinrichtungen und beteiligt sich im Auftrag des Landkreises am Rettungsdienst. Der Beklagte ist die örtliche Gliederung des Verbandes, zu dem es entsprechende eigenständige Landesverbände und einen eigenständigen Bundesverband gibt. Dieser ist Mitglied im Dachverband „Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V.“ mit Sitz in B.. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht waren beim Beklagten insgesamt etwa 160 Arbeitnehmer beschäftigt, wovon etwas weniger als 15 Arbeitnehmer wie der Kläger im Rettungsdienst eingesetzt sind. Von den im Rettungsdienst eingesetzten Arbeitnehmern führen neben dem Kläger vier weitere vergleichbare Rechtsstreitigkeiten gegen den Beklagten.
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3
Der Kläger ist bei dem Beklagten seit Anfang Juli 1995 auf der Grundlage des zunächst befristeten Arbeitsvertrages vom 7. Juli 1995 als Rettungsassistent mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden tätig (Kopie als Anlage B 8 überreicht, hier Blatt 123 ff). Seit Oktober 1995 ist der Kläger unbefristet beschäftigt, was die Parteien durch den Neuabschluss eines Arbeitsvertrages besiegelt haben (Vertrag vom 2. Oktober 1995, Kopie als Anlage K 4 und als Anlage B 9 überreicht, hier Blatt 116 ff und 125 ff).
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4
Zur Vergütung heißt es in dem Formular-Vertrag vom 2. Oktober 1995 (vgl. Blatt 125 der Akten):
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5
In dem Ausgangsvertrag vom 7. Juli 1995 (Blatt 123) findet sich eine identisch aufgebaute Regelung zum Gehalt, allerdings ist dort in der Spalte für das Entgelt in der ersten Zeile („Das monatlich zu zahlende Gehalt beträgt brutto“) der Betrag „DM 2.893,05“ eingetragen.
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6
In beiden Fassungen des obengenannten Formular-Arbeitsvertrages findet sich eine Klausel mit nachfolgendem Wortlaut (hier Blatt 123 f und 125 f):
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7
"§ 13 Verschiedenes
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8
Richtlinien für Angestellte und Arbeiter im ASB mit Ausnahme § 13 Nr. 3 sind Bestandteil des Vertrages."
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9
Richtlinien für Arbeitnehmer bei dem Verband, dem der Beklagte angehört, hat lange Zeit in erster Linie der Bundesverband erlassen. In den Richtlinien in der im Dezember 1991 geltenden Fassung (
ASB-Richtlinien Bund 1991
– Kopie als Anlage B 11 überreicht, hier Blatt 143 ff) heißt es zur Vergütung in § 12 auszugsweise wörtlich:
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10
„(1) Der Mitarbeiter wird nach den Tätigkeitsmerkmalen in die Vergütungs- oder Lohngruppe eingereiht, die der überwiegenden Tätigkeit entspricht. Bestandteile, Berechnungshinweise und Höhe der Vergütungen und Löhne ergeben sich aus den Bestimmungen des öffentlichen Dienstes.
(2) . . .
(3) . . .
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11
(4) Ändern sich die Vergütungen und Löhne der Angestellten im Öffentlichen Dienst, so ändern sich die Bezüge entsprechend.
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12
(5) . . .“
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13
Im November 1995 also kurz nach Begründung des Arbeitsverhältnisses der Parteien hat allerdings auch der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, dem der Beklagte angehört, eigene „Rahmenrichtlinien für Arbeitsbedingungen“ für Arbeitnehmer erlassen (hier als
ASB-Richtlinie MV 199
5 bezeichnet, Kopie hier Blatt 429 ff). In der Richtlinie heißt es auszugsweise wörtlich:
Randnummer
14
„§ 12 Vergütung, Sonderzuwendung
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15
(1) Der Mitarbeiter wird nach Tätigkeitsmerkmalen in eine Vergütungsgruppe oder Lohngruppe eingereiht, die der überwiegend ausgeübten Tätigkeit entspricht.
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16
(2) Haben Gliederungen Tarifverträge/Haustarifverträge mit den Gewerkschaften abgeschlossen, richten sich die Bestandteile, Berechnungsweise und Höhe der Vergütungen und Löhne nach dieser Maßgabe. In allen anderen Fällen lehnen sich die Gliederungen an den Bundesangestelltentarifvertrag-Ost (BAT-O) unter Berücksichtigung der Absatz (3) u. ff an.
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17
(3) Dynamisierungen der Vergütungen und Löhne, sowie Sonderzuwendungen (Urlaubsgeld, 13, Gehalt/Lohn, Weihnachtsgratifikation u.a.m.) sind abhängig von der Haushaltslage der Gliederungen und bei pflegesatzrelevanten Einrichtungen von der Maßgabe der Kostenträge bzw. Pflegesatzkommissionen.“
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18
(4) …“
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19
Während der Anhängigkeit des Rechtsstreits im Berufungsrechtszug haben der Kläger und der Beklagte unter dem 30. Juni 2014 einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen, der auszugsweise wörtlich wie folgt lautet (Kopie hier Blatt 600):
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20
„1. …
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21
3. Es gelten für das Arbeitsverhältnis die vereinbarten AVB (Arbeitsvertragsbedingungen) - Rettungsdienst des C.es KV A-Stadt/NWM e.V. vom 27.05.2014 mit Wirksamkeit vom 01.01.2014.
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4. Dieser Vertrag ersetzt alle bisher gültigen arbeitsvertraglichen Regelungen und tritt mit dem 01.01.2014 an deren Stelle.
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5. …“
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24
Die in dem neuen Arbeitsvertrag erwähnten örtlichen Arbeitsvertragsbedingungen wurden vom Beklagten erstmals Ende Mai 2014 erlassen (Kopie hier Blatt 601 ff). Sie sehen derzeit in § 13 AVB eine Vergütung nach den Vergütungstabellen des TVöD (VkA) vor und sie entsprechen damit – ihren Fortbestand unterstellt – für die Zeit ab Januar 2014 dem Klageziel des Klägers mit seinem Feststellungsantrag 1.14.
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25
Für die Vergütung im Arbeitsverhältnis der Parteien spielen auch Tarifverträge eine Rolle. Der Kläger war zumindest seit Begründung des Arbeitsverhältnisses der Parteien Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) und er hat sich nach der Gründung der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di dieser angeschlossen und ist noch heute Mitglied dieser Gewerkschaft.
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26
Am 5. August 1993, also schon vor Begründung des Arbeitsverhältnisses der Parteien, wurde zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft ÖTV, Kreisverwaltung A-Stadt/G., ein Haustarifvertrag abgeschlossen (Kopie als Anlage B 1 überreicht, hier Blatt 75 – hier im Weiteren als
Haustarifvertrag 1993
bezeichnet), der folgendes regelt:
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27
„§ 2
Randnummer
28
Die Tarifparteien vereinbaren den Bundesangestelltentarifvertrag-Ost (BAT-O) sowie die manteltariflichen Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe — Ost (BMT-G-O) und die diese Tarifverträge ergänzenden und verändernden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung für die im § 1 genannten Beschäftigten.“
Randnummer
29
Einen weiteren Haustarifvertrag schlossen dieselben Tarifvertragsparteien am 5. September 1996 mit Wirkung ab 1. Januar 1996 ab (Kopie als Anlage B 2 überreicht, hier Blatt 76 f – hier im Weiteren als
Haustarifvertrag 1996
bezeichnet). Im Kopf des Tarifvertrages steht unter der Bezeichnung der Gewerkschaft der Zusatz „zugleich handelnd für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Mecklenburg-Vorpommern“. § 2 des Haustarifvertrages 1996 hat folgenden Wortlaut:
Randnummer
30
„§ 2 Anwendung von Tarifverträgen
Randnummer
31
Die Tarifvertragsparteien vereinbaren
Randnummer
32
1) den Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts Manteltarifliche Vorschriften (BAT-O) in der jeweils gültigen Fassung für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände für die Angestellten mit Ausnahme des § 39 (Jubiläumszuwendungen)
Randnummer
33
und
Randnummer
34
2) den Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts — Manteltarifliche Vorschriften für Arbeiter Gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe — (BMT-G-O) in der jeweils gültigen Fassung für die Arbeiter mit Ausnahme des § 37 (Jubiläumszuwendungen) und die diese Tarifverträge ergänzenden und verändernden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung mit Ausnahme der Tarifverträge über Vermögenswirksame Leistungen.“
Randnummer
35
Am 19. Juni 2002 hat die Gewerkschaft ver.di, vertreten durch die Landesbezirksleitung Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern, „zugleich handelnd für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Mecklenburg-Vorpommern“ mit dem Beklagten einen weiteren Tarifvertrag abgeschlossen unter der Überschrift „Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum Haustarifvertrag“ (in Kopie als Anlage B 3 überreicht, hier Blatt 78 f – hier im Weiteren als
Änderungstarifvertrag 2002
bezeichnet). In dem Tarifvertrag werden „abweichend von den Tätigkeitsmerkmalen für Rettungsassistenten und Rettungssanitäter der Anlage 1a zum BAT“ eigenständige Eingruppierungsregelungen für diese Berufsgruppe getroffen. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen.
Randnummer
36
Mit Schreiben an die Gewerkschaft ver.di, Bezirk B-Stadt, vom 22. September 2003 hat der Beklagte „den Haustarifvertrag zwischen dem ASB KV A-Stadt/NWM e.V. und der Gewerkschaft ver.di, zugleich handelnd für die GEW, vom 05.09.1996 fristgemäß zum 31.12.2003“ gekündigt (Kopie als Anlage B 5 überreicht, hier Blatt 82).
Randnummer
37
Im Anschluss vereinbarten der Beklagte und die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, vertreten durch die Landesbezirksleitung Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern, „zugleich handelnd für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Mecklenburg-Vorpommern“, am 29. Dezember 2003 den „Änderungstarifvertrag Nr. 2 zum Haustarifvertrag“ (Kopie als Anlage B4 überreicht, hier Blatt 80 f – hier im Weiteren als
Änderungstarifvertrag 2003
bezeichnet). Dieser Tarifvertrag hat eine Laufzeit vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2004. Der Tarifvertrag lautet auszugsweise wörtlich:
"§ 2
Randnummer
38
Gegenstand des Vertrages
Randnummer
39
1. Die Parteien stimmen darin überein, dass die Tariferhöhungen zum 1. Januar und zum 1. April 2004 sowie die für November 2004 vereinbarte Einmalzahlung von 46,25 Euro ebenso wie die Erhöhung des Bemessungssatzes für die Einkommen Ost zum 1. Januar 2004 auf 92,5% nicht gezahlt werden.
Randnummer
40
2. Das Aussetzen der Tariferhöhungen wird für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2004 vereinbart.
Randnummer
41
3. Während der Laufzeit des Tarifvertrages verpflichtet sich der C., Kreisverband A-Stadt/Nordwestmecklenburg e. V. auf die Ausgliederung von Leistungen und auf betriebsbedingte Beendigungskündigungen zu verzichten.
Randnummer
42
4. Sollte sich während der Laufzeit des Tarifvertrages für den ASB eine wirtschaftlich bedrohliche Situation herausstellen, so nehmen die Parteien unverzüglich Verhandlungen auf. Dabei geht es um die Absenkung von Einkommensbestandteilen im notwendigen Maß. Die wirtschaftlich bedrohliche Situation muss gegenüber der Gewerkschaft nachgewiesen werden.
Randnummer
43
5. Die Parteien vereinbaren den Ausschluss der Nachwirkung nach Tarifvertragsgesetz § 4."
Randnummer
44
Weitere Tarifverträge, die aus Verhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di hervorgegangen sind, gibt es nicht. Zum Ende der Laufzeit des zuletzt erwähnten Änderungstarifvertrages 2003 kam es allerdings zum Abschluss eines Tarifvertrages zwischen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), „zugleich handelnd für die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft e.V.“, und dem Beklagten mit der Überschrift „Haustarifvertrag“ (Kopie als Anlage B 6 überreicht, hier Blatt 83 ff – hier im Weiteren als
Haustarifvertrag 2004
bezeichnet). Nach § 3 dieses Tarifvertrages tritt er am 1. Januar 2005 in Kraft. Der Tarifvertrag lautet auszugsweise wörtlich:
Randnummer
45
„§ 2
Randnummer
46
Gegenstand des Vertrages
Randnummer
47
1. Die Tarifvertragsparteien vereinbaren, dass die manteltariflichen Vorschriften (BAT-O) auf dem Stand vom 31. Dezember 2003 für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände für die Angestellten verbleiben. Der § 39 (Jubiläumszuwendungen) findet keine Anwendung
Randnummer
48
und
Randnummer
49
2. die manteltariflichen Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G-O) auf dem Stand vom 31. Dezember 2003 für die Arbeiter verbleiben. Der § 37 (Jubiläumszuwendungen) findet keine Anwendung.
Randnummer
50
3. Die Tarifvertragsparteien stimmen überein, dass Tariferhöhungen, die nach dem 31. Dezember 2003 wirksam geworden sind, während der Laufzeit des Tarifvertrages nicht gezahlt werden. Dies gilt auch für den Bemessungssatz für die Einkommen Ost.
Randnummer
51
4. Während der Laufzeit des Tarifvertrages verpflichtet sich der C., Kreisverband A-Stadt/Nordwestmecklenburg e. V. den Rechtsstatus eingetragener Verein beizubehalten.
Randnummer
52
5. Sollte sich während der Laufzeit des Tarifvertrages für den ASB eine wirtschaftlich bedrohliche Situation herausstellen, so nehmen die Tarifparteien unverzüglich Verhandlungen auf. Dabei geht es um die Absenkung von Einkommensbestandteilen im notwendigen Maß. Die wirtschaftlich bedrohliche Situation muss gegenüber der Gewerkschaft nachgewiesen werden.
Randnummer
53
6. Die Tarifparteien vereinbaren, dass über die Höhe der Zuwendungen für Urlaub und Weihnachten für das laufende Jahr jeweils im April beziehungsweise im September ein gesonderter Vertrag geschlossen wird.
Randnummer
54
7. Die Tarifvertragsparteien vereinbaren den Ausschluss der Nachwirkung nach Tarifvertragsgesetz § 4.“
Randnummer
55
Schließlich hat der Beklagte mit der Gewerkschaft GEW, „zugleich handelnd für die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft e.V. – ver.di“ am 2. November 2006 eine „Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern“ abgeschlossen, nach der die Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer, die nach dem 31. Dezember 2006 beim Beklagten eingestellt werden, durch ein eigenes Tarifwerk neu gestaltet werden sollen (Kopie als Anlage B 7 überreicht, hier Blatt 85 f – hier im Weiteren als
Tarifliche Vereinbarung 2006
bezeichnet). In der Vereinbarung hießt es auszugsweise wörtlich:
Randnummer
56
„1. Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, dass die Beschäftigten, die … am 31.12.2006 bereits beim ASB tätig sind, ihren Bruttostundenlohn bzw. Bruttogehalt entsprechend dem BAT-O bzw. BMT-G-O Stand 31. Dezember 2003 behalten.
Randnummer
57
Dabei werden die Grundvergütung der Ortszuschlag und die allgemeine Zulage zukünftig als Grundgehalt als eine Summe ausgewiesen. Kindergeldbestandteile des Gehaltes werden als Besitzstand ausgewiesen, solange Kindergeld bezogen wird. Urlaubsansprüche und Kündigungsfristen bleiben unberührt.
Randnummer
58
2. …“
Randnummer
59
Entsprechend dem Plan aus der Tariflichen Vereinbarung 2006 haben der Beklagte und die GEW „zugleich handelnd für die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft“ am 4. Oktober 2007 einen weiteren „Haustarifvertrag“ abgeschlossen, in dem erstmals ganz im Sinne eines Manteltarifvertrages ein breit gefächertes Spektrum an Regelungsthemen tarifiert wurde. Erstmals gibt es hier auch eigenständige Entgelttabellen mit Vergütungen unterhalb der Entgelte im TVöD, eigenständige Eingruppierungsvorschriften und ergänzende Regelungen zum Vorgang der Eingruppierung (Kopie als Anlage B 10 überreicht, hier Blatt 127 ff – hier im Weiteren als
Haustarifvertrag 2007
bezeichnet). Bezogen auf den Kläger und die anderen schon länger eingestellten Arbeitnehmer heißt es in § 28 Haustarifvertrag 2007 sinngemäß, dass in Einzelarbeitsverträgen vereinbarte günstigere Vergütungsbedingungen dem Tarifvertrag vorgehen. § 30 dieses Haustarifvertrages lautet wörtlich:
Randnummer
60
„§ 30
Randnummer
61
Ausschlussfrist
Randnummer
62
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind von dem Mitarbeiter spätestens drei Monate nach Fälligkeit dem andern Vertragspartner gegenüber schriftlich geltend zu machen. Die Geltendmachung von Ansprüchen nach Ablauf der vorgenannten Frist ist ausgeschlossen. Das Gleiche gilt bei Nichterfüllung der vorgenannten Voraussetzungen.“
Randnummer
63
Der Kläger hat vom Beklagten in den ersten Jahren der Zusammenarbeit bis einschließlich 2003 Entgelt nach der Tarifentwicklung im Bereich des öffentlichen Dienstes erhalten. Seit Januar 2004 erhält der Kläger – wie auch die weiteren Mitarbeiter im Rettungsdienst – keine tariflichen Steigerungen des Entgelts mehr. Insbesondere hat der Beklagte die für den Bereich des öffentlichen Dienstes vereinbarte Tariferhöhungen ab dem 1. Januar 2004 nicht mehr an die bei ihm beschäftigten Mitarbeiter weitergegeben.
Randnummer
64
Im Streitzeitraum (2007 bis 2009) hat der Kläger zunächst bis einschließlich Oktober 2007 noch Entgelt in Anlehnung an das Vergütungsschema des BAT/BAT-O erhalten. Die ständigen Anteile des Entgelts setzten sich aus einer
Grundvergütung
, einem
Ortszuschlag
und einer
allgemeinen Zulage
zusammen. In der Summe beliefen sich die ständigen Entgeltbestandteile in dieser Zeit auf 2.172,88 Euro brutto monatlich. Zusätzlich wurden Zuschläge für Arbeit an Samstagen, an Sonn- und Feiertagen und für Bereitschaftszeiten in unterschiedlicher Höhe gezahlt (vgl. die vom Kläger überreichten Lohnabrechnungen, hier Blatt 51 bis 59). Seit November 2007 wird in den Lohnabrechnungen als ständiger Entgeltbestandteil nur noch ein „Gehalt“ ausgewiesen, das ab diesem Zeitpunkt 2.268,73 Euro brutto monatlich betragen hat. Dieses Gehalt wurde in dieser Höhe bis zum Ende des Streitraums (Dezember 2009) und wohl auch noch weit darüber hinaus unverändert ausgezahlt.
Randnummer
65
Im Mai 2009 hatte der Kläger einen Unfall erlitten, der zu einer Ausfallzeit im Arbeitsverhältnis bis Ende Dezember 2009 geführt hatte. In dieser Zeit hat der Kläger ab dem 12. Juli 2009 bis zur Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit Krankengeld bezogen.
Randnummer
66
Der Kläger ist der Auffassung, er habe auch heute noch Anspruch auf eine dynamische Vergütung entsprechend den tariflichen Bestimmungen für im öffentlichen Dienst im kommunalen Bereich beschäftigte Arbeitnehmer und er hat deshalb beim Arbeitsgericht Schwerin Zahlungs- und Feststellungsklage gegen den Beklagten erhoben, die dort am 26. Januar 2010 eingegangen ist.
Randnummer
67
Der Kläger hat erstinstanzlich für die 36 Monate von Januar 2007 bis einschließlich Dezember 2009 Differenzvergütung auf sein Gehalt verlangt (Anträge 1.1 bis 1.7, Antrag 1.7 betrifft das gesamte Jahr 2009), Vergütung für Überstunden aus dem Jahre 2008 (Antrag 1.8), sowie (Differenz-)Vergütung für die Zuschläge bei Sonn- und Feiertagsarbeit für 2007 und 2008 (Klageanträge 1.9 und 1.10). Schließlich verlangt der Kläger weitere Jahressonderzahlungen für 2007 und 2008 (Klageanträge zu 1.11 und 1.12) sowie die Auszahlung der tariflich verabredeten Einmalzahlungen aus den Tarifrunden des öffentlichen Dienstes in den Jahren 2008 und 2009 (Klageantrag 1.13). Außerdem hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht die allgemeine Feststellung begehrt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Vergütungsregelungen des TVöD (VkA) zur Anwendung kommen (Klageantrag zu 1.14) und der Beklagte verpflichtet sei, zum Kalenderjahresende jeweils über die Jahresarbeitszeit von 2080 Stunden hinausgehende Mehrarbeit zu vergüten (Klageantrag zu 1.15). – Der Beklagte hat die Klage für unschlüssig gehalten, da sich die Arbeitsbedingungen auch im Bereich des Rettungsdienstes inzwischen nach den Haustarifverträgen richten würden. Im Rahmen einer Widerklage verlangt er die gerichtliche Feststellung, dass der Haustarifvertrag 2007 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, ist dem Rechtsstreit nach Aufforderung durch den Beklagten mit Schriftsatz vom 29. April 2010 auf Seiten des Beklagten als Streithelferin beigetreten (hier Blatt 104 f).
Randnummer
68
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,
Randnummer
69
1. die Beklagte zu verurteilen,
Randnummer
70
1.1. an den Kläger 409,30 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB auf 204,65 Euro seit dem 16.02.2007 sowie weitere 204,65 Euro seit dem 16.03.2007 zu zahlen;
Randnummer
71
1.2. an den Kläger 446,36 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB auf jeweils 111,85 Euro seit dem 16.04.2007, 16.05.2007, 16.06.2007 und 16.07.2007 zu zahlen;
Randnummer
72
1.3. an den Kläger 446,55 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB auf jeweils 148,85 Euro seit dem 16.08.2007, 16.09.2007 und 16.10.2007 zu zahlen;
Randnummer
73
1.4. an den Kläger 505,98 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB auf 168,66 Euro jeweils seit dem 16.11.2007, 16.12.2007 und 16.01.2008 zu zahlen;
Randnummer
74
1.5. an den Kläger 1.065,93 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB auf jeweils 355,31 Euro seit dem 16.02.2008, 16.03.2008 und 16.04.2008 zu zahlen;
Randnummer
75
1.6. an den Kläger 4.029,75 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB auf jeweils 447,75 Euro seit dem 16.05.2008, 16.06.2008, 16.07.2008, 16.08.2008, 16.09.2008, 16.10.2008, 16.11.2008, 16.12.2008 und 16.01.2009 zu zahlen;
Randnummer
76
1.7. an den Kläger 6.727,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB auf jeweils 560,63 Euro seit dem 16.02.2009, 16.03.2009, 16.04.2009, 16.05.2009, 16.06.2009, 16.07.2009, 16.08.2009, 16.09.2009, 16.10.2009, 16.11.2009, 16.12.2009 und 16.01.2010 zu zahlen;
Randnummer
77
1.8. an den Kläger 2.243,59 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 16.01.2009 zu zahlen;
Randnummer
78
1.9. an den Kläger 147,19 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.01.2008 zu zahlen;
Randnummer
79
1.10. an den Kläger 223,92 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.01.2009 zu zahlen;
Randnummer
80
1.11. an den Kläger 181,01 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.12.2007 zu zahlen;
Randnummer
81
1.12. an den Kläger 406,69 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.12.2008 zu zahlen;
Randnummer
82
1.13. an den Kläger 275,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB auf 50,00 Euro seit dem 01.04.2008 sowie 225,00 Euro seit dem 01.01.2009 zu zahlen;
Randnummer
83
1.14. festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger monatlich die Vergütung schuldet, welche ein vergleichbarer Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst nach den Vergütungstabellen des TVöD für den öffentlichen Dienst einschließlich Jahressonderzahlung und Zeitzuschlägen zu beanspruchen hat;
Randnummer
84
1.15. festzustellen, dass die Beklagte jeweils zum Ende des Kalenderjahres die Mehrarbeit zu vergüten hat, welche der Kläger über die Jahresarbeitszeit in Höhe von 2.080 Stunden geleistet hat;
Randnummer
85
2. Die Widerklage des Beklagten abzuweisen.
Randnummer
86
Der Beklagte hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,
Randnummer
87
1. die Klage abzuweisen;
Randnummer
88
2. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Haustarifvertrag zwischen dem C. KV A-Stadt / Westmecklenburg und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft e. V. sowie der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft — ver.di — vom 04.10.2007 Anwendung findet.
Randnummer
89
Die Streithelferin hat vor dem Arbeitsgericht keine eigenen Anträge gestellt und hat sich dem Rechtsstandpunkt des Beklagten angeschlossen.
Randnummer
90
Das Arbeitsgericht hat die Klage und die Widerklage mit Urteil vom 13. Juli 2011 als unbegründet abgewiesen (55 Ca 153/2010). Die Kosten des Rechtsstreits hat es zu 2/3 dem Kläger auferlegt und im Übrigen dem Beklagten. Den Streitwert hat es mit 22.754,74 Euro festgesetzt. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.
Randnummer
91
Der Kläger sowie der Beklagte haben das arbeitsgerichtliche Urteil mit dem Rechtsmittel der Berufung angegriffen. Die Streithelferin hat kein eigenes Rechtsmittel eingelegt. Die Berufungen, die jeweils fristgemäß eingelegt und begründet wurden, sind vom Landesarbeitsgericht zum hiesigen Aktenzeichen verbunden worden. Die Parteien haben ihr erstinstanzliches Begehren zunächst in vollem Umfang weiterverfolgt.
Randnummer
92
Das Landesarbeitsgericht hat sodann mit Teilurteil vom 25. April 2013 (seinerzeit noch unter dem Aktenzeichen 1 Sa 230/11) über die Klageanträge zu 1.1 bis 1.13 entschieden und die klägerische Berufung insoweit – mit Ausnahme eines Teilbetrages aus dem Klageantrag zu 1.7, über den nicht entschieden wurde – als unbegründet zurückgewiesen. – Dieses Teilurteil ist rechtskräftig geworden, nachdem der Kläger seine beim Bundesarbeitsgericht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (4 AZN 927/13) zurückgenommen hat (hier Blatt 584 ff). Auf das Teilurteil des erkennenden Gerichts wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Berufungsgericht bis zum 25. April 2013 Bezug genommen. Die Zurückweisung der klägerischen Berufung wird im Teilurteil auf das Eingreifen von Ausschlussfristen gestützt.
Randnummer
93
In Hinblick auf den neuen Arbeitsvertrag des Klägers und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger vor dem Arbeitsgericht Schwerin weitere Rechtsstreitigkeiten gegen den Beklagten mit Zahlungsanträgen führt, die die möglichen Entgeltdifferenzen von 2010 bis einschließlich 2013 umfassen, haben die Parteien den klägerischen Feststellungsantrag zur Vergütung nach Regeln des TVöD (Antrag 1.14) in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht übereinstimmend für erledigt erklärt. Auf Anregung des Gerichts hat der Beklagte sodann noch seinem Feststellungsbegehren im Rahmen der Widerklage eine andere Formulierung gegeben. – Schließlich hat der Kläger den noch rechtshängigen Teil seiner Zahlungsklage (Teile des Antrages zu 1.7) in Hinblick auf den Krankengeldbezug des Klägers ab dem 12. Juli 2009, der erst vor dem Berufungsgericht aktenkundig wurde, und in Hinblick auf eine Korrektur seiner Lohndifferenzforderung für die noch rechtshängigen Monate Mai, Juni und anteilig Juli 2009 im Umfang von 3.997,34 Euro brutto zurückgenommen. Im Umfang der teilweisen Klagerücknahme hat der Beklagte Kostenantrag gestellt.
Randnummer
94
Der Kläger hält zu dem noch rechtshängigen letzten Zahlungsanspruch (verbliebener Teil des Klageantrages zu 1.7) an seiner Rechtsauffassung fest, dass er Anspruch auf Vergütung nach den jeweils aktuellen Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes aufgrund der arbeitsvertraglichen Verweisung auf die ASB-Richtlinien Bund 1991 (§ 13 des Arbeitsvertrages) habe. § 12 ASB-Richtlinien Bund 1991 verweise hinsichtlich der Vergütung dynamisch auf die Bestimmungen im Tarifwerk des öffentlichen Dienstes. Die vom Landesverband Mecklenburg-Vorpommern im November 1995 also nach Abschluss des Arbeitsvertrages erlassenen Richtlinien (ASB-Richtlinien MV 1995) seien nicht Gegenstand des Arbeitsvertrages geworden.
Randnummer
95
Gleiches ergebe sich auch aus § 4 des Arbeitsvertrages, weil dort statt eines Entgeltbetrages nur die für zutreffend erachtete Vergütungsgruppe („6b“) und das Tarifwerk („BAT-O“) erwähnt worden sei. Das sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Zweifel als eine dynamische Verweisung auf die jeweils geltenden Vergütungssätze für die vereinbarte Vergütungsgruppe zu deuten.
Randnummer
96
Die Frage, ob es inzwischen Tarifverträge im Bereich des Beklagten gibt, an die der Kläger wegen seiner Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ver.di gebunden ist und die schlechtere Arbeitsbedingungen vorsehen, könne offen bleiben, da die arbeitsvertraglichen und die tariflichen Ansprüche voneinander unabhängig seien und Regelungskonflikte wegen themengleicher unterschiedlicher Regelungen auf beiden Ebenen nach dem Günstigkeitsprinzip aufzulösen seien.
Randnummer
97
Der Kläger hält auch an seiner Rechtsauffassung fest, dass die Ansprüche für die Zeit von Mai, Juni und anteilig Juli 2009 nicht verfallen seien.
Randnummer
98
§ 30 Haustarifvertrag 2007 binde den Kläger nicht. Die klägerische Gewerkschaft ver.di sei an den Haustarifverträgen 2004 und 2007 nicht als Tarifvertragspartei beteiligt. Das erkenne man schon daran, dass diese Tarifverträge nicht von der Gewerkschaft ver.di unterzeichnet worden seien. Die öffentlich zugängliche Satzung der Gewerkschaft sehe im Übrigen vor, dass Tarifverträge immer von zwei Gewerkschaftsvertretern zu unterzeichnen seien (erkennbar auch am Änderungstarifvertrag 2003) und dass sie vor Unterschrift intern gebilligt werden müssten, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Die örtlich und fachlich zuständige Gewerkschaftssekretärin könne bezeugen, dass die hier streitigen Tarifverträge der Gewerkschaft nicht bekannt seien. Ver.di habe daher die Gewerkschaft GEW nicht bevollmächtigt, in ihrem Namen mit dem Beklagten Haustarifverträge abzuschließen. Eine substantiierte Darstellung des Vorgangs der Vollmachtserteilung sei der Beklagte und die Streithelferin auch schuldig geblieben, so das weitergehender Sachvortrag dazu nicht geleistet werden könne.
Randnummer
99
Der Beklagte könne sich auch nicht auf eine Duldungsvollmacht durch die Gewerkschaft ver.di berufen. Denn es gebe keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die maßgeblichen Vertreter von ver.di überhaupt Kenntnis davon hatten, dass die GEW beim Beklagten auch in ihrem Namen Tarifverträge abschließe.
Randnummer
100
Ergänzend müsse beachtet werden, dass der Wille des Unterzeichners des Haustarifvertrages 2007 auf Gewerkschaftsseite, nicht nur für seine Gewerkschaft sondern auch für die Gewerkschaft ver.di eine Erklärung abzugeben, nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck komme.
Randnummer
101
Aber selbst dann, wenn die klägerische Gewerkschaft auch Partei des Haustarifvertrages 2007 geworden sein sollte, könne sich der Beklagte nicht auf die Ausschlussfristen aus § 30 Haustarifvertrag 2007 berufen, da er den Tarifvertrag entgegen seiner Pflicht aus § 8 TVG nicht offen im Betrieb ausgelegt habe. Außerdem sei der Kläger nicht über die mit der Einführung des Haustarifvertrages 2007 verbundenen wesentlichen Änderungen seiner Vertragsbedingungen im Sinne von § 3 Nachweisgesetz (NachwG) schriftlich unterrichtet worden.
Randnummer
102
Sollte das Gericht vom Verfall der Ansprüche nach § 30 Haustarifvertrag 2007 ausgehen, so blieben diese daher gleichwohl als Schadensersatzansprüche begründet, da der Kläger die tarifliche Ausschlussfrist nicht gekannt habe. Er hätte auch keinen Anlass gehabt, nach eventuell einschlägigen Ausschlussfristen zu forschen, denn der Beklagte habe sich immer auf die Geltung der ASB-Richtlinien und die dortige Ausschlussfrist bezogen (§ 28 ASB-Richtlinien Bund 1991), diese sei allerdings wegen einseitiger Belastung des Arbeitnehmers unwirksam. Das habe bereits das hiesige Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 30. September 2010 (1 Sa 164/09, Kopie hier Blatt 527 ff) festgestellt. Der Kläger habe daher darauf vertrauen dürfen, dass im Arbeitsverhältnis der Parteien keine (weitere) Ausschlussfrist eingreife. Wäre er von dem Beklagten wie es das Nachweisgesetz vorsehe, über den neu erlassenen Haustarifvertrag 2007 unterrichtet worden, hätte er seine Ansprüche entsprechend früher und damit rechtzeitig geltend gemacht.
Randnummer
103
Entsprechendes gelte von der Ausschlussfrist in § 70 BAT-O. Der Beklagte habe den Kläger nicht im Sinne des Nachweisgesetzes über die Geltung dieses Tarifvertrages unterrichtet. Auch sei der BAT-O entgegen der Pflichten aus § 8 TVG nicht ausgelegt gewesen, es sei schon fraglich, ob der Beklagte selbst überhaupt über eine Textfassung dieses Tarifvertrages verfüge.
Randnummer
104
Die klägerische Berufung sei auch hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 1.15 begründet. Der Beklagte ziehe den Kläger im Durchschnitt zu 48 Stunden Arbeit pro Woche heran, obwohl die Arbeitspflicht nur für 40 Stunden in der Woche vereinbart sei und auch nur insoweit vergütet werde. Da der Beklagte nicht erläutert habe, auf welcher normativen Grundlage er berechtigt sei, Zeiten der Arbeitsbereitschaft bei der Vergütung nur anteilig als Arbeitszeit zu bewerten, müsse es dabei bleiben, dass sich die Arbeitszeit des Klägers aus dem Zeitraum zwischen Beginn und Ende der Arbeitszeit errechne. Aus diesem Grunde habe er einen Anspruch auf die begehrte gerichtliche Feststellung.
Randnummer
105
Zur Berufung des Beklagten und zur Widerklage führt der Kläger aus, für den Antrag des Beklagten fehle es schon an dem erforderlichen Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO, denn selbst wenn der streitbefangene Haustarifvertrag 2007 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien zur Anwendung käme, würde dies den arbeitsvertraglichen begründeten Anspruch des Klägers auf eine Vergütung, wie sie einem Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst zustehe, wegen des Günstigkeitsprinzips aus § 4 Absatz 3 TVG nicht hindern.
Randnummer
106
Der Kläger beantragt nunmehr noch sinngemäß,
Randnummer
107
1. die Beklagte und Berufungsbeklagte unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Schwerin vom 13.07.2011 — 55 Ca 153/10 — zu verurteilen,
Randnummer
108
1.7. an den Kläger 487,70 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB auf jeweils 206,07 Euro seit dem 16.06.2009 und dem 16.07.2009 sowie auf weitere 75,56 Euro seit dem 16.08.2009 zu zahlen;
Randnummer
109
1.15. festzustellen, dass die Beklagte jeweils zum Ende des Kalenderjahres die Mehrarbeit zu vergüten hat, welche der Kläger über die Jahresarbeitszeit in Höhe von 2.080 Stunden geleistet hat;
Randnummer
110
2. Die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Randnummer
111
Der Beklagte beantragt,
Randnummer
112
1. die klägerische Berufung zurückzuweisen;
Randnummer
113
2. das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 13.07.2011 — 55 Ca 153/10 — teilweise abzuändern und auf die Widerklage festzustellen, dass der Kläger aufgrund seiner Gewerkschaftsmitgliedschaft an den Haustarifvertrag zwischen dem Arbeiter-Samariter-Bund KV A-Stadt / Westmecklenburg und der Gewerkschaft ver.di vom 04.10.2007 gebunden ist.
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114
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es die Klage abgewiesen hat.
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115
§ 4 des Arbeitsvertrages könne man nicht als eine dynamische Verweisung auf die jeweils gültige Vergütung im Bereich des öffentlichen Dienstes verstehen. Eigentlich habe man sogar ein festes Entgelt vereinbaren wollen, was im befristeten Probearbeitsvertrag aus Juli 1995 noch deutlich zu erkennen sei. Den Willen, ein fixes Gehalt zu vereinbaren, erkenne man auch daran, dass zusätzliche Leistungen lediglich als
freiwillige, widerrufbare Leistungen
in den Vertrag aufgenommen worden seien. Im Übrigen müsse § 13 des Arbeitsvertrages mit dem Verweis auf die Richtlinien beachtet werden. § 13 verweise auf die jeweils gültigen Richtlinien und zwar unabhängig davon, ob sie vom Bundesverband oder von einem Landesverband erlassen seien. Der Arbeitsvertrag weise zwar nicht klar aus, auf welche Richtlinien Bezug genommen werde. So wie man Konkurrenzprobleme zwischen themengleichen Regelungen in unterschiedlichen Tarifverträgen löse, müsse man jedoch auch hier verfahren. Es gelte der Grundsatz der Spezialität, daher würden die örtlich besser passenden Landesrichtlinien den Richtlinien des Bundesverbandes vorgehen. Wende man die ASB-Landesrichtlinien 1995 auf das Arbeitsverhältnis an, käme man zur arbeitsvertraglichen Geltung des Haustarifvertrages 2007, der – für neu eingestellte Arbeitnehmer – eine eigene Entgelttabelle enthalte und für schon früher eingestellt Mitarbeiter, also auch für den Kläger, lediglich festhalte, dass günstigere arbeitsvertragliche Regelungen auch nach dem Inkrafttreten des Haustarifvertrages vorgehen würden. Ein arbeitsvertragliches Versprechen, den Kläger dynamisch nach den Regeln im Tarifwerk des öffentlichen Dienstes zu vergüten, sei daher nicht erkennbar.
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116
Letztlich seien jedenfalls etwaige weitergehende Vergütungsansprüche des Klägers wegen des Eingreifens tariflicher Ausschlussfristen verfallen. Dabei sei entweder die dreimonatige Ausschlussfrist aus § 30 Haustarifvertrag 2007 anzuwenden oder aber – wenn man den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgreife – über den im Wege der Nachwirkung geltenden Haustarifvertrag 1996 die dort in Bezug genommene 6-monatige Ausschlussfrist des § 70 BAT-O.
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117
Der Haustarifvertrag 2007 sei auch zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft ver.di wirksam abgeschlossen worden, denn die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) habe die Gewerkschaft ver.di in den Vertragsverhandlungen wirksam vertreten und sei zum Abschluss dieses Haustarifvertrages bevollmächtigt gewesen. Die Gewerkschaft GEW sei von ver.di bevollmächtigt gewesen, auch für die Gewerkschaft ver.di den streitbefangenen Tarifvertrag vom 04.10.2007 abzuschließen; zumindest sei von einer konkludenten Vollmachtserteilung auszugehen, die sich aus den Gesamtumständen im Betrieb des Beklagten in Zusammenhang mit dem Wechsel der Verhandlungsführerschaft der beiden Gewerkschaften ergebe (wegen der Einzelheiten wird auf den Beklagtenschriftsatz vom 24. Februar 2010, hier Blatt 66 ff Bezug genommen).
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118
Für den Fall, dass die Gewerkschaft ver.di der Gewerkschaft GEW tatsächlich rechtsgeschäftlich keine Vollmacht erteilt haben sollte, sei die Gewerkschaft ver.di dennoch nach den Grundsätzen der Anscheins- oder Duldungsvollmacht Partei der Haustarifverträge 2004 und 2007 geworden. Dass Herr G., der den Haustarifvertrag 2007 für die Gewerkschaft GEW unterzeichnet habe, damit auch gleichzeitig eine Erklärung für die Gewerkschaft ver.di abgegeben habe, ergebe sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Kopf des Tarifvertrages („zugleich handelnd für die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft“).
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Der Beklagte rügt, die klägerische Berufung sei bezogen auf den Feststellungsantrag 1.15 bereits unzulässig, denn der Kläger gehe in seiner Berufungsbegründung mit keinem Wort auf die Abweisung dieses Antrages durch das Arbeitsgericht ein. Im Übrigen fehle das Rechtsschutzinteresse für den Antrag.
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120
Zu seiner eigenen Berufung trägt der Beklagte vor, er habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Geltung des Haustarifvertrages 2007 im Arbeitsverhältnis der Parteien. Das betreffe nicht nur die hier relevanten Punkte Vergütung und Ausschlussfristen, sondern im betrieblichen Alltag auch all die anderen im Haustarifvertrag geregelten Materien.
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Die Streithelferin hat keinen eigenen Antrag gestellt und unterstützt in ihren Stellungnahmen den Standpunkt des Beklagten.
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122
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. | |
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Juli 2012 in Gänze und der Bescheid des Beklagten vom 24. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2010 insoweit aufgehoben, als bei der Klägerin ein geringerer GdB als 50 festgestellt worden ist.
Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten gerichtlichen Verfahrens im vollen Umfang zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Die Beteiligten streiten über die Herabsetzung des bei der Klägerin festgestellten Grades der Behinderung (GdB).
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2
Auf den Antrag der 1963 geborenen Klägerin, bei der im Februar 2004 ein Karzinom im Zungengrund diagnostiziert worden war, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 8. September 2004 bei ihr einen GdB von 80 für die Behinderung
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3
Erkrankung der Mundhöhle in Heilungsbewährung
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4
fest. Als Ergebnis des Anfang 2009 eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens stellte der Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2009, der am 27. August 2009 zur Post gegeben wurde, unter Aufhebung des Bescheides vom 8. September 2004 mit Wirkung ab dem 24. August 2009 fest, dass bei der Klägerin ein GdB von mindestens 20 nicht mehr vorläge. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Der Beklagte stellte mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2010 mit Wirkung ab dem 24. August 2009 bei der Klägerin einen GdB von 30 fest, wies aber im Übrigen den Widerspruch zurück.
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5
Mit der am 6. Mai 2010 bei dem Sozialgericht Potsdam eingegangenen Klage hat die Klägerin einen GdB von mindestens 50 begehrt.
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6
Nach Einholung von Befundberichten und Beiziehung des im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung Bund eingeholten Gutachtens des HNO-Arztes Dr. E vom 19. August 2010 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 26. Juli 2012 die Klage abgewiesen: Bis zum Ablauf der Heilungsbewährung sei keine erneute Tumorerkrankung aufgetreten, so dass die Folgen der Krebserkrankung nach ihren tatsächlichen funktionellen Auswirkungen zu bewerten seien, die lediglich einen GdB von 20 rechtfertigten.
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7
Mit der Berufung hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung der Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S vom 15. Mai 2014 und der Ärztin für Psychiatrie G vom 21. Mai 2015.
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8
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Juli 2012 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 24. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2010 insoweit aufzuheben, als bei ihr ein geringerer GdB als 50 festgestellt worden ist.
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10
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten, den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. | |
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 26. April 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Die Beteiligten streiten über die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II), insbesondere über die Gewährung eines Mehrbedarfs für stillende Mütter für die Klägerin zu 1).
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2
Die Beklagte bewilligte der 1979 geborenen Klägerin zu 1) und ihrem 2008 geborenen Sohn, dem Kläger zu 2), mit Bescheid vom 20. Oktober 2008 für den Zeitraum Juli 2008 bis Dezember 2008 Leistungen nach dem SGB II. Für den Monat Juli 2008 wurde auch noch Herr D. C. als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geführt.
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3
Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger am 24. November 2008 Widerspruch ein, der sich gegen die Berücksichtigung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit Herrn C., die Berechnung von berufsbedingten Fahrtkosten, die Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelleistung sowie die Nichtberücksichtigung eines Mehrbedarfs der Klägerin zu 1) als stillende Mutter richtet. Stillende Mütter hätten auf der Grundlage der Daten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in den ersten vier Monaten nach der Geburt des Kindes einen um 635 kcal erhöhten Energiebedarf, ab dem fünften Monat etwa 525 kcal. Dagegen ergebe sich in der Schwangerschaft lediglich ein Mehrbedarf von 255 kcal. Es stelle eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung dar, dass schwangere Frauen einen Mehrbedarf erhielten, stillende Mütter dagegen nicht.
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4
Die Beklagte half mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 dem Widerspruch wegen des Nichtvorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft ab und verwies hinsichtlich der sich hieraus ergebenden Nachzahlung auf einen gesonderten Bescheid, der am 22. Juli 2011 erging. Im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung stellte die Beklagte den Widerspruch auf Antrag des Bevollmächtigten der Kläger ruhend. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Einen Mehrbedarf für stillende Mütter sehe das Gesetz nicht vor. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens wurden zu 1/3 von der Beklagten übernommen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig erachtet.
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5
Mit ihrer am 10. August 2011 bei dem Sozialgericht Wiesbaden erhobenen Klage haben die Kläger weiterhin die Gewährung eines Mehrbedarfs für die Klägerin zu 1) als stillende Mutter sowie eine weitergehende Übernahme der Kosten des Widerspruchsverfahrens durch die Beklagte begehrt. Nach einer Einigung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens haben die Beteiligten die Klage mit Schriftsatz vom 23. Januar 2012 (Beklagte) und vom 3. Februar 2012 (Kläger) insoweit für erledigt erklärt.
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6
Die Kläger haben geltend gemacht, die Nichtgewährung eines Mehrbedarfs für stillende Mütter verstoße wegen einer Ungleichbehandlung gegenüber schwangeren Frauen gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und gegen Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Familie). Der Klägerin zu 1) sei im Wege verfassungskonformer Auslegung entweder über § 21 Abs. 5 oder über § 21 Abs. 6 SGB II ein entsprechender Mehrbedarf zuzugestehen. Sollte sich das Gericht nicht in der Lage sehen, im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 21 Abs. 5 SGB II oder des § 21 Abs. 6 SGB II einen Mehrbedarf für stillende Mütter zuzugestehen, haben die Kläger beantragt, das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Grundgesetz (GG) vorzulegen.
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7
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 26. April 2012 hat die Klägerin zu 1) erklärt, dass ihr während der Stillzeit auf jeden Fall zusätzliche Kosten entstanden seien für Stillhütchen, Stillbüstenhalter etc. und auch für das Einfrieren der Milch im Gefrierfach, die speziellen Aufbewahrungsbecher für die Milch und die Handmilchpumpe, die angeschafft werden musste. Sie hätte auch gerne eine elektrische Milchpumpe gehabt.
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Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. April 2012 als unbegründet abgewiesen. Der Klägerin zu 1) stehe kein Mehrbedarf wegen erhöhter Kosten durch das Stillen ihres Sohnes zu. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger erfüllten im streitgegenständlichen Zeitraum (dieser wird versehentlich mit 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2011 bezeichnet, gemeint ist aber der Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2008) unstreitig die Voraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 und 2, § 9 SGB II. Die Klägerin zu 1) sei älter als 15 Jahre ohne die Altersgrenze des § 7a SGB II zu erreichen und sie sei erwerbsfähig. Der Kläger zu 2) erhalte Leistungen nach § 7 Abs. 2 SGB II, weil er mit der erwerbsfähigen Klägerin zu 1) in einer Bedarfsgemeinschaft lebe. Im maßgeblichen Zeitraum habe die Bedarfsgemeinschaft ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern können und sei damit hilfebedürftig gewesen.
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Der Kläger zu 2) sei hinsichtlich der zunächst geltend gemachten Kosten des Widerspruchsverfahrens in eigenen Rechten betroffen gewesen. Zudem wirke sich eine Erhöhung des Bedarfs der Klägerin zu 1) wegen der Verteilung ihres Einkommens auch auf den Kläger zu 2) aus. Allerdings stünden den Klägern keine über die von der Beklagten gewährten Kosten hinausgehende Leistungen zu. Insbesondere sehe das Gesetz keinen Mehrbedarf für Mütter während der Stillzeit vor.
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Der nach § 21 Abs. 2 SGB II für werdende Mütter vorgesehene Mehrbedarf werde nur bis zur Entbindung gewährt. Es handele sich um einen schwangerschaftsbedingten Mehrbedarf, mit dem die besonderen Kosten der Schwangerschaft, wie Ernährung, Reinigung der Wäsche, vermehrte Kosten für Körperpflege, Fahrtkosten und Informationsbedarf abgedeckt werden sollen (Lang/Knickrehm in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 21 Rn. 16 m.w.N). Eine analoge Anwendung für die Dauer der Stillzeit scheide aus, denn es liege weder eine Regelungslücke vor, noch ein vergleichbarer Sachverhalt.
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Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II betreffe nur Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürften. Es würden nur krankheitsbedingte Gründe erfasst (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, B 14 AS 100/10 R; Behrend in: juris-PK, 3. Aufl. 2011, § 21 SGB II Rn. 43). Vorausgesetzt werde der ursächliche Zusammenhang zwischen einer Krankheit und der Notwendigkeit einer kostenaufwendigeren Ernährung bzw. einem höheren Kalorienbedarf. Andere, in der Person des Hilfebedürftigen liegende Gründe für einen erhöhten Kalorienbedarf, seien nicht zu berücksichtigen.
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Schließlich werde auch ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II nicht gesehen. Denn nach § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II sei ein Mehrbedarf unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Das Stillen eines Kindes stelle gegenüber der Ernährung mit Anfangsmilch und Brei die kostengünstigere Ernährung des Babys dar. Die entstehenden Kosten durch einen erhöhten Kalorienbedarf und Wäschebedarf der Mutter würden durch eine Einsparung bei der Ernährung des Kindes gedeckt.
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Eine Ungleichbehandlung der Klägerin zu übrigen Hilfebedürftigen oder eine sonstige Verletzung von Grundrechten liege nicht vor. Es sei zu berücksichtigen, dass der Regelbedarf als Pauschale ausgestaltet sei, die der Höhe nach für alle SGB Il-Empfänger gleich sei. Individuelle Besonderheiten würden, abgesehen von den in § 21 SGB II genannten Fällen, nicht berücksichtigt. So hätten beispielsweise körperlich schwer arbeitende Menschen einen höheren Kalorienbedarf als Menschen, die nur einer leichten körperlichen Tätigkeit nachgingen, und Männer einen deutlich höheren Kalorienbedarf als Frauen. Auch Größe und Gewicht der Personen spielten für den täglichen Bedarf an Kalorien eine erhebliche Rolle, die keine Berücksichtigung im pauschalierten Regelbedarf fände.
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Das Sozialgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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Die Kläger haben gegen das ihnen am 25. Mai 2012 zugestellte Urteil am 5. Juni 2012 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
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Sie haben vorgetragen, der Vortrag der Beklagten, dass ein erhöhter Kalorienverbrauch durch die Einnahme von hochkalorischen (gesunden) Lebensmitteln kompensiert werden könne, sei unzutreffend. Eine stillende Mutter, die ihr Kind auch in der Öffentlichkeit stillen wolle, benötige neben Still-Büstenhaltern auch spezielle Still-Shirts. Allein für die zwingend erforderlichen Stilleinlagen fielen monatliche Kosten in Höhe von ca. 12,00 € an. In der Regel werde auch eine Milchpumpe benötigt, die nicht unter 100,00 € koste. Von Einsparungen könne allenfalls die Rede sein, soweit es um die Kosten für den Kauf von Fertig-Babynahrung gehe. Insoweit handele es sich allerdings um den Bedarf des Kindes. Es entstünden auch Kosten durch die Aufbewahrung abgepumpter Milch. Auch durch die Brustpflege entstünden Mehrkosten. Auch bei Stillkomplikationen entstünden Mehrkosten (Stillberatung, Medikamente und Pflegeprodukte).
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17
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 26. April 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2011 und des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2011 zu verurteilen, den Klägern für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2008 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für stillende Mütter für die Klägerin zu 1) zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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19
Die Beklagte verweist auf die aus ihrer Sicht überzeugenden Ausführungen des angefochtenen Urteils.
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20
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 20. Juni 2013 (Beklagte) und 28. Juni 2013 (Kläger) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen die Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. | |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. | Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Kosten einer Haushaltshilfe nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Zeit vom 01.03.2012 bis 01.08.2012 in Höhe von 6.467,50 €.
Die bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin (geb. 1982) lebte im fraglichen Zeitraum mit ihren sieben Kindern (geb. 2001, 2003, 2004, 2005, 2008, 2009 und 2011) und ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt. Zu dieser Zeit erwartete die Klägerin ein weiteres Kind (geb. 2012), dessen Geburtstermin der 16.08.2014 sein sollte. Der Ehemann der Klägerin arbeitete in Vollzeit an sechs Tagen pro Woche.
Wegen einer stationär behandelten Nierenbeckenentzündung erhielt die Klägerin von der Beklagten zunächst Haushaltshilfe für die Zeit vom 19.01.2012 bis 18.02.2012 bewilligt.
Am 01.03.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut Gewährung einer Haushaltshilfe von täglich acht Stunden für die Dauer von 23 Tagen (dreieinhalb Wochen). Nach der dem Antrag beifügten ärztlichen Bescheinigung ihres Hausarztes Dr. C. vom gleichen Tage war die Klägerin in dieser Zeit nicht mehr in der Lage, ihren Haushalt weiterzuführen. Attestiert wurden eine „akute schwere Erkrankung“ in Form von „(schwangerschaftsbedingte(n)) starke(n) Wirbelsäulenschmerzen mit ständiger täglicher Behandlung“ in Form von Krankengymnastik, Massagen und Schonung.
Die dem weiteren Antrag vom 24.03.2012 auf Gewährung von Haushaltshilfe von täglich acht Stunden für die Zeit bis zum 21.04.2012 (vier Wochen) beigefügte ärztliche Bescheinigung von Dr. C. enthielt erneut die Diagnose „schwangerschaftsbedingte Wirbelsäulenschmerzen“ bei „ständiger Behandlung“. Die Patientin könne ihre sieben (Klein-)Kinder bei ihrer jetzigen achten Schwangerschaft derzeit wegen Schmerzen nicht versorgen. Es handele sich um eine akute schwere Erkrankung.
Haushaltshilfe wurde ab dem 01.03.2012 bis zum Ende der Schwangerschaft von den Nachbarinnen Frau D. und Frau E. durchgeführt, die hierfür 6,50 € pro Stunde erhielten und an ihren Einsatztagen jeweils zwei Schichten à 5 Stunden absolvierten. Eine Zeitaufstellung sowie Quittungen über insgesamt 6.467,50 € liegen bei.
Mit Bescheid vom 05.04.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme der Kosten der Haushaltshilfe ab mit der Begründung, dass es an der Voraussetzung einer akuten und schweren Krankheit fehle. Der ärztliche Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) gehe vielmehr von einer intakten Schwangerschaft aus.
Dem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 13.04.2012 fügte die Klägerin eine Stellungnahme ihrer Hebamme bei, eine Verordnung von Krankengymnastik zweimal wöchentlich vom 12.03.2012 wegen Wirbelsäulenerkrankung mit prognostisch länger andauerndem Behandlungsbedarf bei Schmerzen im Gelenk bzw. Gelenkblockierung, eine Mitteilung der Physiotherapeutin vom 17.04.2012 sowie eine Bescheinigung ihres Orthopäden Dr. F. vom 17.04.2012, der ein Zervikalsyndrom sowie morgendliches Einschlafen der Hände seit etwa vier Monaten ohne neurologischen Befund, Wirbelblockierungen und starke muskuläre Verspannungen attestierte. Des Weiteren verwies die Klägerin auf das Bestehen einer Risikoschwangerschaft wegen mehr als zwei Fehlgeburten, rascher Schwangerschaftsfolge unter zwölf Monaten und mehr als vier Kindern und bestehende Erschöpfung, Schmerzen und Fehlfunktionen der Hände bei Notwendigkeit der Versorgung von sieben Kindern.
In einer weiteren Stellungnahme vom 02.05.2012 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass keine neuen Aspekte festzustellen seien. Die Schwangerschaft verlaufe unauffällig. Die vorgetragenen Gelenkbeschwerden und Fehlfunktionen seien chronische Erkrankungen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Haushaltshilfe lägen nicht vor. Es könne lediglich eine Unterstützung durch Familienhilfe empfohlen werden.
Den Widerspruch wies die Beklagte sodann mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2012 zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach ihrer Satzung sei Haushaltshilfe allein zur Weiterführung des Haushalts im Fall akuter (schwerer) Krankheit vorgesehen. An einem akuten Krankheitsbild mangele es jedoch vorliegend.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.06.2012 Klage zu dem Sozialgericht Gießen erhoben. Zur Begründung führt sie aus, sie leide gemäß Arztbericht des Orthopäden Dr. F. an einem akuten Zervikalsyndrom bei segmentierter Funktionsstörung sowie an Trapezius-, Semispinalis- und Speniusmyalgie bei bestehender Schwangerschaft. Daneben habe der betreuende Frauenarzt Dr. G. am 06.06.2012 starke, schmerzhafte Schwangerschaftsbeschwerden, Kreislaufprobleme und Erschöpfungszustände diagnostiziert.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 05.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.06.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Kosten für Haushaltshilfe für die Zeit vom 01.03.2012 bis 01.08.2012 in Höhe von insgesamt 6.467,50 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den Inhalt der angegriffenen Bescheide. Es bestehe keine akute, sondern eine chronische Dauererkrankung. Auch seien Anträge erst nachträglich gestellt worden, so dass insoweit eine Kostenerstattung allein deshalb ausscheide.
Gemäß dem Befundbericht von Dr. G. vom 16.11.2012 litt die Klägerin in der Zeit vom 01.03.2012 bis 11.07.2012 – nach diesem Datum sei sie nicht mehr vorstellig geworden – an über das gewöhnliche Maß hinausgehenden schwangerschaftsbedingten Unterbauchschmerzen und Erschöpfungszustand (Fatigue) in der Schwangerschaft. Eine gezielte Behandlung sei nicht möglich gewesen. Verordnet worden seien daher längere Ruhepausen, die sie wegen der Betreuung ihrer Kinder nicht habe einhalten können. Auch habe sie die Kinder nicht heben können, ohne dass sich die Unterbauchschmerzen verschlimmerten. Eine Haushaltsführung sei daher in der Zeit nicht möglich gewesen.
Nach dem Befundbericht von Dr. F. vom 23.11.2012 lagen ein akutes Zervikalsyndrom bei segmentierter Funktionsstörung sowie eine Trapezius-, Semispinalis- und Speniusmyalgie bei bestehender Schwangerschaft (29.03.2012), ein BWS-LWS-Syndrom mit segmentalen Funktionsstörungen, ein Iliosakralgelenksyndrom, sonstige biomechanische Funktionsstörungen im Beckenbereich und eine mehrsegmentale thorakolumbale Myalgie (09.08.2012) vor. Eine „hochakute“ Erkrankung habe bei der Untersuchung am 29.03.2012 nicht vorgelegen. Inwieweit die Beschwerden schwangerschaftsbedingt gewesen seien, könne er nicht abschätzen. Eine weitere Untersuchung habe am 09.08.2012 stattgefunden. Die jeweils vorliegenden Funktionsstörungen seien sicherlich geeignet gewesen, auch bei einfachen Tätigkeiten im Haushalt Beschwerden auszulösen. Alltagsverrichtungen sowie auch eine Haushaltsführung seien aber an den Untersuchungstagen augenscheinlich nicht grundsätzlich unmöglich gewesen.
Nach dem Befundbericht der ebenfalls seit der achten Schwangerschaftswoche behandelnden Gynäkologin Dr. H. vom 08.01.2013 beklagte die Klägerin häufige Kontraktionen seit der 30. Schwangerschaftswoche. Es hätten jedoch weder eine akute Erkrankung noch schwangerschaftsbedingte gesundheitliche Probleme bestanden. Allerdings sei aufgrund der raschen Geburtenfolge und der vorausgegangen Schwangerschaften körperliche und häusliche Schonung sowie zügige Vorstellung im Falle vorzeitiger Wehentätigkeit empfohlen worden. Eine stationäre Aufnahme sei vom 23. bis 24.07.2012 zwecks eines Wendeversuchs erfolgt, der misslungen sei. Die Klägerin sei aufgrund der schwierigen häuslichen Situation mit der Betreuung von sieben Kindern aber nicht in der Lage gewesen, ihren Haushalt regelrecht zu führen. Auch der wegen der vorzeitigen regelmäßigen Kontraktionen ausgesprochenen Empfehlung zur Schonung habe sie nicht nachkommen können.
In seiner erneuten Stellungnahme vom 07.02.2013 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass weiterhin keine medizinische Indikation für eine Haushaltshilfe während der Schwangerschaft bestehe. Die orthopädisch bescheinigten Beschwerden seien ein relativ typisches Beschwerdebild während der Schwangerschaft, die mit Physiotherapie ausreichend behandelt seien. Bewegungseinschränkungen, spezifische Funktionsstörungen und neurologische Ausfälle seien nicht angegeben. Dem Bericht von Dr. H. seien keine Hinweise auf ein akutes Risiko von Frühgeburtlichkeit zu entnehmen; es seien weder eine Cervixverkürzung noch vaginale Blutungen beschrieben. Auch die Geburt am xx.xx.2012 sei zeitgerecht gewesen und komplikationslos verlaufen. Aus der familiären Situation ergebe sich kein medizinischer Grund. Auch das Vorliegen einer Risikoschwangerschaft bei Zustand nach vier Spontangeburten, zwei Aborten und rascher Schwangerschaftsfolge sei weder eine akute noch eine sich akut verschlechternde Erkrankung. Die mit Multiparität bekanntermaßen verbundenen Risiken von Erschöpfung, vorzeitiger Wehentätigkeit mit Gefahr einer Frühgeburt und verstärkte Anfälligkeit für weitere Schwangerschaftsbeschwerden bedingten lediglich eine engmaschigere fachärztliche Betreuung und umsichtige Anleitung zu den erforderlichen Verhaltensweisen. Die Organisation dessen liege bei der Familie, solange wie hier keine weiteren akuten Erkrankungen und keine Gefährdung von Mutter und/oder Kind vorlägen.
Die Klägerin überreichte daraufhin eine weitere ärztliche Bescheinigung von Dr. C. vom 19.04.2012, „erneut nachgetragen und gezeichnet“ am 18.09.2013. Demgemäß sei eine Haushaltshilfe von täglich acht Stunden vom 21.04.2012 bis 01.08.2012 notwendig gewesen. Als (akute und schwere) Erkrankung angegeben sind schwangerschaftsbedingte Wirbelsäulenschmerzen und ständige Behandlungen. Die Patientin könne in ihrer jetzigen achten Schwangerschaft ihre sieben Kleinkinder derzeit wegen Schmerzen nicht versorgen. Die Patientin könne sich kaum noch bewegen und müsse überwiegend liegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. | |
Der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2012 vom 22. Mai 2014 sowie die zu diesem ergangene Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2014 werden dahingehend geändert, dass der Gewerbesteuermessbetrag auf € herabgesetzt wird.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen. | Randnummer
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Die Beteiligten streiten über die Höhe des festgesetzten Gewerbesteuermessbetrages für das Jahr 2012. Konkret ist streitig, ab welchem Zeitpunkt die Klägerin gewerbesteuerpflichtig ist.
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Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die vormals als DR. A Steuerberatungsgesellschaft oHG (oHG) firmierte. Diese wiederum ist durch Formwechsel von der DR. A Steuerberatungsgesellschaft (Partnerschaftsgesellschaft) zur oHG entstanden. Ihr Unternehmensgegenstand ist die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen. Mit Umwandlungsbeschluss vom 30. Dezember 2011 beschlossen die Gesellschafter der Partnerschaftsgesellschaft Dr. A und B deren Auflösung mit Wirkung vom 1. Januar 2012 und deren Fortführung in Gestalt der oHG. Diese Umwandlung wurde am xx. März 2012 ins Handelsregister eingetragen.
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Im Vorgriff auf die mit der Umwandlung eintretende Verpflichtung zur Ermittlung der Einkünfte durch Bestandsvergleich ging die oHG bereits am 1. Januar 2012 freiwillig zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich über und stellte eine Eröffnungsbilanz auf den 1. Januar 2012 auf.
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4
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 18. Juli 2012 brachte Dr. A seine Beteiligung an der oHG nach § 20 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) in die im Zuge desselben Vertrages aus der A Verwaltungs-GmbH durch Umfirmierung (Punkt B Nr. 2 der o.g. Urkunde) hervorgegangene DR. A Steuerberatungsgesellschaft mbH (GmbH) ein (Punkt D Nr. 1 der o.g. Urkunde). Die Einbringung wurde gemäß § 20 Abs. 6 UmwStG auf den 2. Januar 2012 zurückbezogen (Punkt D Nr. 1 der o.g. Urkunde).
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In dem Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2012 hat die Klägerin (unter Berücksichtigung steuerlicher Ergänzungsbilanzen sowie Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben und ohne Einbeziehung des Gewinns aus dem Übergang von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG) unstrittige laufende Einkünfte i.H.v. € erzielt und zum Zwecke der einheitlichen und gesonderten Feststellung als Einkünfte aus selbständiger Arbeit erklärt. Da die Gesellschaft am 1. Januar 2012 nicht tätig war und deshalb die Einkünfte in dem Zeitraum vom 2. Januar bis 31. Dezember 2012 erzielt wurden, wurden diese Einkünfte Herrn B und der GmbH nach den bestehenden Gewinnverteilungsabreden zugerechnet.
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Mit Schreiben vom 9. April 2014 forderte der Beklagte die oHG dazu auf, eine Gewerbesteuererklärung abzugeben.
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Diese übermittelte die oHG am 13. April 2014. Dabei erklärte sie einen Gewinn aus Gewerbebetrieb i.H.v. €.
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Abweichend hiervon setzte der Beklagte ausgehend von einem Gewinn i.H.v. € einen Gewerbesteuermessbetrag i.H.v. € fest. Der Bescheid datiert auf den 22. Mai 2014.
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Hiergegen legte die oHG Einspruch ein und beantragte zunächst den Gewerbesteuermessbetrag – wie erklärt – auf € und zuletzt auf € herabzusetzen.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2014 setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag auf € herab, wies den Einspruch im Übrigen jedoch als unbegründet zurück. Es sei der sachliche Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG eröffnet, so dass § 20 UmwStG anzuwenden sei. Es sei ein Mitunternehmeranteil in eine Kapitalgesellschaft dergestalt eingebracht worden, dass der Einbringende dafür neue Anteile an der Gesellschaft erhält. Eine der Rechtsfolgen sei die Anwendung der Bewertungsvorschrift des § 20 Abs. 2 UmwStG. Für die Ermittlung des steuerlichen Übergangsstichtags sei daher § 20 Abs. 6 UmwStG einschlägig. Demnach erfolge die Einbringung grundsätzlich zu dem Zeitpunkt, zu dem das wirtschaftliche Eigentum an dem eingebrachten Vermögen übergeht, was regelmäßig mit dem Übergang von Nutzen und Lasten erfolge. Mit dem Einbringungsvertrag vom 18. Juli 2014 (gemeint dürfte sein „2012“ – Anmerkung des Senats) sei der wirtschaftliche Übergang zum 2. Januar 2012 vereinbart worden. Daran anknüpfend seien die Gewinnanteilsabreden für das laufende Geschäftsjahr geregelt und eine Einbringungsbilanz zum 2. Januar 2012 mit den zu diesem Zeitpunkt ermittelten Wertansätzen zu erstellen. Die den Buchwerten der Einbringungsbilanz übersteigenden Beträge seien mit Wertstellung zum 2. Januar 2012 dem Verrechnungskonto des Dr. A gutzuschreiben. Eine in diesem Zusammenhang auftretende Rückwirkung sei durch § 20 Abs. 6 i.V.m. § 2 UmwStG ausdrücklich eingeräumt. Die Aufteilung des Gewinns aus Gewerbebetrieb (auf den Zeitraum 2. Januar 2012 bis 17. Juli 2012 und 18. Juli 2012 bis 31. Dezember 2012 – Anmerkung des Senats) komme deshalb nicht in Betracht.
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Hiergegen erhob die oHG rechtzeitig Klage, die sie damit begründet, dass ihre Gewerbesteuerpflicht erst am 18. Juli 2012 und nicht bereits am 2. Januar 2012 begonnen habe. Damit sei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages ein steuerlicher Gewinn i.H.v. € und nicht i.H.v. € zugrunde zu legen.
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Zwar führe die mitunternehmerische Beteiligung einer Freiberufler-Kapitalgesellschaft an einer freiberuflichen Personengesellschaft zu einer Umqualifizierung der Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb. Jedoch seien im Streitfall bis zum 18. Juli 2012 diejenigen Voraussetzungen erfüllt gewesen, nach denen die Tätigkeit der Klägerin die Ausübung eines freien Berufes darstelle. Mit den Gesellschaftern Dr. A und B seien ausschließlich natürliche Personen an ihr beteiligt gewesen, die über die persönliche Berufsqualifikation verfügen. Die Veränderung im Gesellschafterbestand sei erst mit der dinglichen Abtretung der Beteiligung an der oHG durch Dr. A an die GmbH eingetreten. Diese sei erst am Tage der Beurkundung des Einbringungsbeschlusses am 18. Juli 2012 erfolgt. Erst an diesem Tag sei mit der GmbH eine Kapitalgesellschaft an der oHG mitunternehmerisch beteiligt gewesen, deren Einkünfte solche aus Gewerbebetrieb darstellen. Die bis zu diesem Tag erzielten Einkünfte der oHG seien auch nicht deshalb (nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) rückwirkend in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren, weil die Gesellschaft im Jahr 2012 auch gewerbliche Einkünfte bezogen habe. Die Gewerbesteuerpflicht beginne erst, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs erfüllt seien und der Gewerbebetrieb tatsächlich in Gang gesetzt worden sei. Trete die Gewerbesteuerpflicht im Laufe eines Kalenderjahres ein, so sei der Gewerbesteuermessbetrag für den (abgekürzten) Erhebungszeitraum festzusetzen, in dem die Steuerpflicht besteht (§ 14 GewStG). Die Gewerbesteuerpflicht sei auch nicht deshalb bereits am 2. Januar 2012 eingetreten, weil die Einbringung der Beteiligung gemäß § 20 Abs. 6 i.V.m. § 2 UmwStG rückwirkend zum "02.10.2012" (so wörtlich; gemeint sein dürfte 02.01.2012 – Anmerkung des Senats) erfolgte. Nach § 20 Abs. 6 Satz 3 UmwStG dürfe die Einbringung auf einen Tag zurückbezogen werden, der höchstens acht Monate vor dem Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrages liegt. In diesem Fall seien nach § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG "das Einkommen und Vermögen des Einbringenden und der übernehmenden Gesellschaft auf Antrag so zu ermitteln, als ob das eingebrachte Betriebsvermögen mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags … auf die Übernehmerin übergegangen wäre". Beteiligte der Einbringung und Normadressaten seien somit ausschließlich "der Einbringende" (hier Dr. A) und "die übernehmende Gesellschaft" (hier die GmbH). Auf die steuerliche Behandlung Dritter, insbesondere auch auf die steuerliche Behandlung der oHG, habe die Rückbeziehung der Einbringung keine Auswirkung. Dies könne auch nur so sein, weil sie an der Einbringung nicht (aktiv) beteiligt ist und ein Vertrag zu Lasten Dritter unwirksam wäre.
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Es liege auch keine Spaltung nach § 123 Abs. 2 Nr. 1 UmwG vor, wie vom Beklagten ausgeführt, sondern eine Einbringung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG. Die Auffassung des Beklagten, dass die von ihm rätselhafter Weise angenommene Mitunternehmerinitiative auch noch rückwirkend zum 2. Januar 2012 ausgeübt werden konnte, verstoße gegen elementare Denkgesetze. Tatsächlich sei die GmbH erst mit Abtretung der oHG-Beteiligung Gesellschafterin der oHG geworden. Die rein zivil- bzw. gesellschaftsrechtliche Vereinbarung, wonach die Beteiligung in dem Sinne rückwirkend erfolgen sollte, als die Abtretungsempfängerin so gestellt werden sollte, als wenn sie bereits zum 2. Januar 2012 die Beteiligung übernommen hätte, sei steuerlich unbeachtlich. Eine Rückbeziehung von gesellschaftsrechtlichen Vorgängen erkenne das Steuerrecht nicht an. Über die nach § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG antragsgebundenen Rechtsfolgen des § 20 Abs. 6 UmwStG hinaus sei eine steuerlich rückwirkende Berücksichtigung des Einbringungsvorganges rechtswidrig. Dies gelte insbesondere für die vom Beklagten gezogenen Rechtsfolgen für die oHG, da diese weder Einbringender noch übernehmende Gesellschaft sei. § 20 Abs. 1 und 6 UmwStG gäben keine Rechtsgrundlage her, wonach die Gewerbesteuerpflicht der oHG zum 2. Januar 2012 eintreten würde.
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Die Ansicht, dass die Übertragung des Mitunternehmeranteils durch den Mitunternehmer (Dr. A) und nicht durch die Mitunternehmerschaft (oHG) erfolge, stelle der Beklagte zwar in Zweifel, seine Begründung sei aber unverständlich bzw. beruhe auf missverstandenen Kommentarstellen. Der Umstand, dass „das Einkommen und das Vermögen des Einbringenden und der übernehmenden Gesellschaft“ so ermittelt wurden, als ob der Mitunternehmeranteil mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtages auf die Übernehmerin übergegangen wäre, habe nichts mit der Frage zu tun, wann die oHG in die Gewerbesteuerpflicht eingetreten ist. Der Beklagte verkenne den Charakter der Einbringungsbilanz zum 2. Januar 2013 (gemeint dürfte sein 2012 – Anmerkung des Senats), mit der lediglich der Buchwert und der gemeine Wert des eingebrachten Mitunternehmeranteils dokumentiert werden sollten, weil diese für den Beteiligungsansatz bei der GmbH und den Veräußerungsgewinn beim Einbringenden bedeutsam sind. Auch die Behauptung des Beklagten, die „erklärte Rückbeziehung des steuerlichen Übertragungsstichtages“ gelte einheitlich für alle betroffenen Steuerarten, sei nicht richtig. Der Beklagte solle zur Kenntnis nehmen, dass § 20 UmwStG die Folgen der Rückwirkung auf zwei Steuersubjekte (auf den Einbringenden und die übernehmende Gesellschaft) und auf die Ermittlung des Einkommens und des Vermögens begrenze. Der Verweis auf den Gewerbeertrag weite diesen Anwendungsbereich nicht aus, sondern betreffe nur die Ermittlung des Gewerbeertrags für den Einbringenden und die übernehmende GmbH. Ob und auf welchen Gewerbeertrag die oHG Gewerbesteuer zu entrichten habe, richte sich allein nach dem außerhalb des UmwStG bestehenden Normensystems.
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Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2012 vom 22. Mai 2014 sowie die zu diesem ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. Oktober 2014 dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag auf € herabgesetzt wird.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, die Regelungen des § 20 UmwStG seien anwendbar, da § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG erfüllt sei. Die steuerliche Rückbeziehung sei in § 20 Abs. 5 und 6 UmwStG geregelt. Bei Übertragung eines Mitunternehmeranteils sei der Einbringende i.S.v. § 20 Abs. 1 UmwStG differenzierter zu betrachten, denn Gegenstand der Einkünfteerzielung sei die Mitunternehmerschaft als solche. Diese sei als Einbringende anzusehen, wenn ein Mitunternehmeranteil unter den Bedingungen des § 20 Abs. 1 UmwStG übertragen werde. Selbst unter Zugrundelegung der Auffassung der Klägerin, nach der Einbringender nicht die Mitunternehmerschaft, sondern der Ausgangsrechtsträger Dr. A sei, ändere sich nichts. Mit Austritt des Dr. A erfolge der Eintritt der übernehmenden Kapitalgesellschaft in die Mitunternehmerstellung. Die Beteiligten hätten durch die Vorlage von Bilanzen und Erklärungen zum Ausdruck gebracht, dass es sich u.a. um eine auf den Stichtag 2. Januar 2012 rückwirkende Änderung der Beteiligungsverhältnisse handele. Mit Abgabe der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung der Klägerin sei erklärt worden, dass der Feststellungsbeteiligte Dr. A mit Datum vom 2. Januar 2012 seinen Austritt und in Folge dessen die Feststellungsbeteiligte GmbH zum 2. Januar 2012 ihren Eintritt erkläre. Dem sei durch den Beklagten mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung vom 22. Mai 2014 entsprochen worden. Es sei ab dem 2. Januar 2012 ein Gewinn aus Gewerbebetrieb für die Klägerin festgestellt und den Feststellungsbeteiligten quotal zugeordnet worden. Die erklärte Rückbeziehung des steuerlichen Übertragungsstichtages gelte einheitlich für alle von der Rückwirkung betroffenen Steuerarten.
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18
Dem Gericht lagen die, den Rechtsstreit betreffenden Akten des Beklagten vor. | |
Der Bescheid der Beklagten vom 11.07.2014 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 01.06.2015 werden aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. | 1
Die Klägerin ist eine am ...1999 geborene moldawische Staatsangehörige. Sie ist das nichtehelich geborene Kind der im Jahr 1984 geborenen türkischen und moldawischen Staatsangehörigen S.E. (geb. P.); der leibliche Vater der Klägerin verzichtete mit notarieller Urkunde am …2008 auf alle Erziehungsrechte. Die Klägerin lebte zuletzt in familiärer Lebensgemeinschaft mit ihrer Mutter in der Türkei, wo ihre Mutter in erster Ehe mit einem türkischen Staatsangehörigen verheiratet war.
2
Nachdem die Mutter der Klägerin in zweiter Ehe am …2013 den deutschen Staatsangehörigen Se.E. geheiratet hatte, beantragte die Klägerin mit dem Leitantrag der Mutter im Sommer 2013 bei der Deutschen Botschaft in Istanbul die Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung. Dem Leitantrag wurde am 04.09.2013 zugestimmt. Die Mutter der Klägerin reiste daraufhin am 25.09.2013 ins Bundesgebiet ein und ist seit dem 21.10.2013 im Besitz einer zunächst auf den 21.10.2014 befristeten, zuletzt bis zum 06.10.2016 verlängerten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Am 23.12.2013 kam im Bundesgebiet ihre Tochter Sa. zur Welt, die die deutsche und die türkische Staatsangehörigkeit hat; das Sorgerecht für sie wird von S.E. und Se.E. gemeinsam ausgeübt. S.E. lebt zusammen mit Sa., Se.E. und dessen im Jahr 2000 geborener Tochter A., die deutsche Staatsangehörige ist und für welche das Sorgerecht von Se.E. und der Kindsmutter gemeinsam ausgeübt wird, in familiärer bzw. ehelicher Lebensgemeinschaft.
3
Mit Schreiben vom 04.09.2013 teilte die im Visumsverfahren beteiligte Ausländerbehörde der Beklagten mit, dass es für die Klägerin im Hinblick auf die Frage, wer für deren Lebensunterhalt aufkomme, bei einer Ablehnung der Visumserteilung bleibe.
4
Mit Schreiben vom 20.11.2013 legte die Beklagte dem Regierungspräsidium Freiburg den Visumsantrag vor mit der Bitte um Prüfung eines Härtefallgrundes gemäß § 32 Abs. 4 AufenthG. Mit Schreiben vom 16.12.2013 wies das Regierungspräsidium Freiburg die Beklagte darauf hin, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AufenthG und im Hinblick auf die Nichterfüllung der Regel-erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG unter dem Aspekt des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG eine Ausnahme in Betracht komme.
5
Auf die Aufforderung an den seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Härtefallgründe vorzutragen, teilte dieser mit, dass die Klägerin seinerzeit in der Erwartung, ein Visum werde rasch erteilt werden, in der Türkei bei Verwandten zurückgelassen worden sei. Diese seien nur zu einer vorübergehenden Aufnahme der Klägerin bereit gewesen. Die räumliche Trennung von Mutter und Tochter bedeute eine ungeheure Härte für die junge Patchworkfamilie und eine erhebliche Störung der durch Art. 6 GG geschützten Ehe; die Verweigerung der Visumserteilung habe möglicherweise zur Folge, dass der Se.E. seine Ehe nicht weiter im Bundesgebiet führen könne. Ferner trugen die Mutter der Klägerin und deren Ehemann in einem Schreiben an die Beklagte vor, dass die Klägerin erst 14 Jahre alt sei und keine weiteren erziehungsberechtigten Personen in der Türkei habe. Zum Vater bestehe seit 14 Jahren kein Kontakt. Die Unterbringung bei der Tante sei eine nicht länger tragbare Notlösung. Die Mutter der Klägerin sei aufgrund der bevorstehenden Geburt ihres zweiten Kindes vorab ins Bundesgebiet gereist, um formale Komplikationen zu vermeiden. Die momentane Situation sei für keinen der Beteiligten tragbar, da die Tante nicht mehr in der Lage sei, die finanzielle Belastung zu tragen, und, wie sich aus einem Schreiben ergebe, jegliche Verantwortung für das Kind von sich weise. Die Situation sei für alle Beteiligten eine schwere psychische Belastung; die Klägerin habe binnen kurzer Zeit dramatisch abgenommen und ihre Leistungen in der Schule seien eingebrochen.
6
Am 19.05.2014 reiste die Klägerin mit einem biometrischen Pass der Republik Moldau visumsfrei ins Bundesgebiet ein. Ihr Aufenthalt wird seitdem „faktisch geduldet“.
7
Unter dem 03.06.2014 stellte die Klägerin Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des § 32 AufenthG. Zwischenzeitlich sei klar, dass die Mutter der Klägerin die allein Sorgeberechtigte sei. Zwar sei richtig, dass der Lebensunterhalt des Kindes weder aus eigenen Mitteln noch aus denen der Familie gesichert sei. Aber die Lebensunterhaltssicherung sei nur im Regelfall erforderlich; ein Ausnahmefall komme dann in Betracht, wenn die familiäre Lebensgemeinschaft nur im Bundesgebiet geführt werden könne, weil die Stammfamilie hier lebe und zur Stammfamilie deutsche Staatsangehörige gehörten. Dies sei hier der Fall. Daher sei eine Abweichung von der Regelvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG geboten. Was die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG angehe, so sei die Klägerin zwar nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist. Allerdings seien die Voraussetzungen eines Anspruchs erfüllt. Jedenfalls sei es unzumutbar, das Visumsverfahren nachzuholen. Der Visumsantrag sei schon Anfang August 2013 ordnungsgemäß gestellt worden. Die Bearbeitung habe sich über Monate hingezogen, obwohl klar gewesen sei, dass mit Blick auf Art. 6 GG die Erteilung eines Visums nicht an der fehlenden Lebensunterhaltssicherung scheitere und bereits seit Monaten die Sorgerechtsfrage geklärt gewesen sei. Infolge dieser zögerlichen Entscheidungspraxis habe die Klägerin immer mehr unter Druck ihrer Tante gestanden, die sie letztlich vor die Tür gesetzt habe.
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Mit Bescheid vom 11.07.2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1 AufenthG. ab. Zwar sei die Kindsmutter allein sorgeberechtigt und besitze eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Die allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen lägen nicht vor. Die Klägerin hätte auf Grundlage von Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 539/2001 nur für einen drei Monate nicht überschreitenden Aufenthalt visumsfrei einreisen dürfen. Die Klägerin habe gewusst, dass für den geplanten Kindernachzug ein Visum erforderlich sei, und habe ein solches auch beantragt. Als der Verfahrensverlauf der Klägerin missfallen habe, habe sie versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen. § 39 Abs. 3 AufenthV sei nicht einschlägig, da der Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise entstanden sein müsse. Die zentralen Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 AufenthG - allein sorgeberechtigte Kindsmutter, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war - seien aber bereits vor der Einreise ins Bundesgebiet erfüllt gewesen. Somit sei allenfalls zu prüfen, ob das Nachholen des Visums unzumutbar sei. Die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sei eng auszulegen. Auch der verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie stehe einer Nachholung des Visumsverfahrens nicht per se entgegen. Die mit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis eintretenden Schwierigkeiten für den Erhalt der Familiengemeinschaft müssten nach ihrer Art und Schwere vielmehr so ungewöhnlich und groß sein, dass im Hinblick auf den Zweck der Nachzugsvorschriften, die Herstellung und Wahrung der Familieneinheit zu schützen, die Ablehnung der Erlaubnis schlechthin unvertretbar sei. Hier lägen gesicherte Nachweise, dass eine Betreuung im Ausland schlichtweg nicht gesichert sei, nicht vor. Daher könne von der Durchführung eines ordnungsgemäßen Visumsverfahrens nicht abgesehen werden. Von der Klägerin werde nicht in Abrede gestellt, dass der Lebensunterhalt ungesichert sei; sowohl der schwerbehinderte Stiefvater der Klägerin als auch dessen Tochter bezögen Leistungen nach SGB XII, die Mutter der Klägerin und deren zweites Kind hätten bereits Leistungen nach SGB II beantragt. Atypische Umstände, die ein Absehen vom Regelfall geböten, lägen nicht vor. Denn weder die Klägerin noch ihre Mutter seien deutsche Staatsangehörige. Eine Atypik sei nicht zu sehen. Beim Familiennachzug zu Deutschen habe der Gesetzgeber das Spannungsverhältnis zwischen den mit dem Regelerfordernis verfolgten fiskalischen Interessen und den Belangen der Familie aufgelöst, nicht jedoch beim Familiennachzug von Ausländern zu Ausländern. Hier erfolge gerade kein Nachzug zu einem Deutschen. Den bestehenden Regelungen könne der allgemeine Rechtsgedanke entnommen werden, dass beim Nachzug in eine Familie, der ein deutscher Staatsangehöriger angehört, dem fiskalischen Interesse ein geringeres Gewicht zukomme als beim Nachzug in eine rein ausländische Familie. Dies sei auch bei der Frage des Vorliegens atypischer Umstände zu berücksichtigen. Allein die Tatsache, dass einer Kernfamilie ein oder mehrere minderjährige deutsche Kinder angehörten, rechtfertige noch kein Absehen vom Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung. Hierzu bedürfe es vielmehr des Hinzutretens weiterer Umstände. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts liege eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts vor beim Nachzug eines minderjährigen Kindes in eine Kernfamilie, der mindestens ein minderjähriges deutsches Kind angehörige, wenn die Kernfamilie ihren Schwerpunkt in Deutschland habe und mit dem Nachzug vervollständigt werde, wenn das nachziehende Kind das 13. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und wenn gegen die Eltern keine Sanktionen wegen Verletzung ihrer sozialrechtlichen Verpflichtungen verhängt worden seien. Vorliegend seien die familienrechtlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Kernfamilie noch nicht erfüllt, denn es gebe derzeit weder eine gemeinsame Sorgerechtserklärung der Mutter der Klägerin und deren Ehemann noch gar Adoptionsbemühungen. Insoweit verbleibe es beim familiären Nachzug nur zur Kindesmutter. Auch habe die Klägerin zwischenzeitlich sogar das 15. Lebensjahr vollendet. Das Bundesverwaltungsgericht sehe bis zum 12. Lebensjahr einen gesteigerten Schutz- und Betreuungsbedarf. Diese Regelannahme werde hier bei weitem nicht erfüllt. Dies schon deshalb, weil die Mutter der Klägerin den Ehegattennachzug angetreten und ihre Tochter zurückgelassen habe; dafür, dass die Mutter der Klägerin davon ausgegangen sein will, ihre Tochter zeitnah nachholen zu können, habe die Verwaltung keinen Anlass geboten. Die Klägerin habe wie gewohnt weiter im Ausland gelebt, nur bei einer Tante. Dass diese die Klägerin auf die Straße gesetzt habe, werde mit Nichtwissen bestritten. Auch erfülle die Klägerin nicht die allgemeinen Nachzugsvoraussetzungen der §§ 27, 29 AufenthG. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels hänge insbesondere nach § 27 Abs. 3 Satz 1 AufenthG von einer Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde ab. Liege wie hier hinsichtlich der Regelerteilungsvoraussetzung kein Ausnahmefall vor, reduziere sich das der Ausländerbehörde eingeräumte Versagungsermessen nicht zugunsten des Ausländers auf Null. Bei der Interessenabwägung sei maßgeblich zu berücksichtigen, in welchem Umfang der Nachzug in Bezug auf andere Personen zu einer stärkeren Belastung der Sozialsysteme führe. Dies sei hier der Fall, da die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Falle eines Nachzugs zumindest für die Mutter der Klägerin erhöht würden. Auf die vorherige Anhörung sei verzichtet worden, weil die Rechtsauffassung der Ausländerbehörde mit den Ablehnungsgründen seit Monaten diskutiert worden sei. Die tatsächliche Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen werde vorerst mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG zurückgestellt.
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Die Klägerin legte gegen den ihr am 16.07.2014 zugegangenen Bescheid am 18.08.2014, einem Montag, Widerspruch ein. Im Rahmen des § 32 AufenthG komme es auf das Vorliegen einer besonderen Härte nicht an, vielmehr sei eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 3 AufenthG zu erteilen. Soweit es um das Erfordernis des Visumsverfahrens gehe, werde den verfassungsrechtlichen Pflichten nicht ausreichend Rechnung getragen. Es liege auf der Hand, dass die Garantien der Art. 6 GG, Art. 8 EMRK bei einem 15-jährigen Mädchen überwögen. Auch bei der Argumentation betreffend die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG versäume es die Beklagte, aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK die gebotene Konsequenz zu ziehen, und zwar trotz Nr. 5.1.1.2 der Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz. Es liege nach der Geburt des zweiten Kindes der Mutter der Klägerin doch auf der Hand, dass es nicht öffentlichen Interessen entsprechen könne, die Mutter der Klägerin vor die Wahl zu stellen, ob sie das kleine Kind betreue, das aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit ein Recht darauf habe, in Deutschland zu leben, oder ob sie mit dem 15-jährigen Kind das Land verlasse. Eine derartige Praxis wäre auch mit der EU-Familiennachzugsrichtlinie nicht vereinbar. Höchstfürsorglich werde beantragt, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.
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Mit Bescheid vom 23.12.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ab. § 25 Abs. 5 AufenthG befreie nicht von der Beachtung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG. Über deren Absehen könne gemäß § 5 Abs. 3 AufenthG nur nach Ermessen entschieden werden. Nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens komme das Absehen von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen hinsichtlich des gesicherten Lebensunterhalts nicht in Betracht. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG könne darüber hinaus nur erteilt werden, wenn die Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich sei. Die Ausreise der Klägerin sei weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen unmöglich. Art. 6 GG begründe nicht unmittelbar einen Anspruch auf Aufenthalt. Ein Rückgriff auf § 25 Abs. 5 AufenthG komme nicht in Betracht, um eine aufenthaltsrechtlich gescheiterte Familienzusammenführung letztlich zu ermöglichen. Ein humanitäres Aufenthaltsrecht substituiere kein familiäres Aufenthaltsbegehren.
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Die Klägerin legte gegen den Bescheid der Beklagten vom 23.12.2014, eingegangen am 05.01.2015, mit Schreiben vom 04.02.2015 Widerspruch ein.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2015 wies das Regierungspräsidium Freiburg den Widerspruch der Klägerin gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 11.07.2014 zurück. Zur Begründung wurde auf das Nichtvorliegen der Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sowie auf § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG verwiesen.
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Ebenfalls mit Bescheid vom 01.06.2015 wies das Regierungspräsidium Freiburg den Widerspruch der Klägerin gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 23.12.2014 zurück und verwies vor allem darauf, dass § 25 Abs. 5 AufenthG keine Auffangnorm für die Fälle sei, in denen die in den §§ 27 ff. AufenthG genannten Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
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Die Klägerin hat gegen die am 05.06.2015 zugestellten Widerspruchsbescheide am 03.07.2015 Klage erhoben. Zur Begründung werden die im Vorverfahren vorgebrachten Argumente wiederholt und vertieft und ergänzend vorgetragen, dass die zusätzlichen Anforderungen des § 32 Abs. 2 AufenthG hier nicht vorliegen müssten. Die Annahme, der Klägerin sei eine Nachholung des Visumsverfahrens zumutbar, werde den familiären Beziehungen, also der engen Mutter-Kind-Beziehung sowie der familiären Beziehung zu ihrer kleinen Schwester Sa. und zum Stiefvater nicht im Ansatz gerecht. Soweit die Beklagte darauf verweise, es sei nicht glaubhaft gemacht, dass die anderweitige Betreuung der Klägerin in der Türkei nicht gesichert sei, verkenne sie, dass Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern des Kindes sei. Im Übrigen gebe es eine anderweitige Betreuungsmöglichkeit in der Türkei gerade nicht, wie sich auch aus dem Schreiben des Diakonischen Werks vom 03.03.2014 ergebe. Der Verweis auf das Visumsverfahren bedeute, dass die Klägerin als Minderjährige in die Republik Moldau zurückkehren müsse. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, weshalb das Visumsverfahren dieses Mal weniger lange dauern sollte als beim ersten Mal, wo nach acht Monaten noch nicht absehbar gewesen sei, wann das Verfahren seinen Abschluss gefunden hätte. Auch sei noch gar nicht berücksichtigt, welche psychischen Folgen es für die Klägerin hätte, wenn sie aus der neuen Familie herausgerissen würde und allein in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werde. Das Bundesverwaltungsgericht habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sowohl die Richtlinie 2003/86/EG als auch Art. 6 GG, Art. 8 EMRK, Art. 7, 24 Abs. 2 und 3 GR-Charta die Behörden beim Kindernachzug verpflichteten, bei Ausfüllung ihres Handlungsspielraums den Schutz der Familie und das Recht auf Familienleben zu achten und dabei insbesondere das Kindeswohl angemessen zu berücksichtigen. Wie das Ausgangsgericht in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall habe auch die Beklagte keinerlei Feststellungen dazu getroffen, welche Folgen die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis für das Wohl der zur Kernfamilie gehörenden Kinder habe und ob die Familie ihres Stiefvaters, ihrer Schwester und ihrer Mutter darauf verwiesen werden könne, die angestrebte familiäre Lebensgemeinschaft in der Republik Moldau zu führen. Das aber sei auszuschließen, denn es sei völlig unklar wie es angesichts fehlender moldawischer Sprachkenntnisse dem Stiefvater der Klägerin möglich sein sollte, als behinderter Mensch in der Republik Moldau sein Dasein zu fristen, ganz zu schweigen davon, dass es ihm und dem Kind Sa. nicht zumutbar wäre, als deutsche Staatsbürger ihren Wohnsitz dorthin zu verlagern. Was die Argumentation im Zusammenhang mit § 25 Abs. 5 AufenthG betreffe, führe die Beklagte keinerlei Erwägungen an, weshalb sie ihr Ermessen zu Lasten der Klägerin ausgeübt habe.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 11.07.2014 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 01.06.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden;
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hilfsweise, den Bescheid der Beklagten vom 23.12.2014 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 01.06.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Vorliegend werde die Erteilung einer Duldung in Aussicht gestellt; aufenthaltsbeendende Maßnahmen seien folglich nicht vorgesehen. Im Kern handele es sich um die Beantwortung der Frage, wie das Spannungsverhältnis zwischen dem Normzweck des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG im Sinne des grundlegenden staatlichen Interesses, Neubelastung für die öffentlichen Haushalte durch die Erteilung von Aufenthaltstiteln zu vermeiden, und den Belangen der Familie, wie sie insbesondere in Art. 6 GG, Art. 8 EMRK zum Ausdruck kämen, aufgelöst würden. Es sei bemerkenswert, wie hier geradezu als Selbstverständlichkeit unter Verstoß gegen geltendes Recht mit der Einreise Fakten geschaffen würden. Auf das Vorliegen einer besonderen Härte komme es vorliegend tatsächlich nicht an. Allerdings sei auch im Rahmen des § 32 Abs. 1 AufenthG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 AufenthG zu prüfen; vorliegend seien weder § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG noch § 5 Abs. 2 AufenthG gegeben. Der Umstand, dass es um den Zuzug zu einer Kernfamilie in die Bundesrepublik gehe, könne nicht ohne Weiteres einen atypischen Sonderfall begründen, vielmehr seien die gesetzlichen Regelungen zum Familiennachzug der §§ 27 ff. AufenthG zu berücksichtigen. Die Klägerin habe zwischenzeitlich ihr 16. Lebensjahr vollendet. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Mutter der Klägerin diese bewusst bei ihrer Übersiedlung zurückgelassen habe; sie sei offenbar der Auffassung gewesen, dass die Klägerin in der Türkei zurechtkommen werde, eine Annahme, für deren Richtigkeit auch der zwischenzeitliche Zeitablauf spreche. Auch sei die Klägerin in der Türkei keinesfalls auf sich allein gestellt. Der Erklärung der Tante komme ein nur eingeschränkter Beweiswert zu. Auch sei davon auszugehen, dass in der Türkei entsprechende Sozialstrukturen zum Betreuen Minderjähriger bestünden.
21
Dem Gericht haben die einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bde.) und die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Freiburg (1 Bd.) vorgelegen. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend verwiesen. | |
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. März 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen. | 1
Streitig ist die Höhe der Beiträge des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung vom 1. Februar 2004 bis 4. Januar 2006.
2
Der Kläger ist seit 5. Januar 2004 als Fahrlehrer selbstständig tätig und erhielt für die Zeit vom 5. Januar 2004 bis 4. Januar 2006 einen Existenzgründungszuschuss der Bundesanstalt bzw. Bundesagentur für Arbeit (Bescheide vom 26. Januar 2004 und 15. Dezember 2004). Er ist bei der Beklagten zu 1 freiwillig kranken- und bei der bei der Beklagten zu 1 errichteten Pflegekasse, der Beklagten zu 2, pflegeversichert.
3
Gegenüber der Beklagten zu 1 gab der Kläger bei Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit voraussichtliche monatliche Einkünfte in Höhe von 1.200 EUR an. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2003 setzte die Beklagte zu 1 daraufhin den Beitrag zur Kranken- bzw. zur Pflegeversicherung ab 5. Januar 2004 auf 170,26 EUR bzw. auf 20,53 EUR fest, ausgehend von Einkünften in Höhe von 50 % der monatlichen Bezugsgröße. Im Bescheid ist vermerkt, dass die Beitragseinstufung lediglich unter Vorbehalt gelte und überprüft werde, sobald zu der selbstständigen Tätigkeit der erste Einkommensteuerbescheid vorliege. Sollte sich aus diesem ein höheres als das geschätzte Einkommen ergeben, würden Beiträge nacherhoben. Nachdem der Kläger im folgenden Jahr mitgeteilt hatte, an seinen Einkünften habe sich nichts geändert, setzte die Beklagte zu 1 den Beitrag ab 5. Januar 2005 mit Bescheid vom 22. Dezember 2004 in gleicher Höhe fest. Auch dieser Bescheid erging unter dem genannten Vorbehalt.
4
Am 31. Mai 2006 legte der Kläger die Einkommensteuerbescheide für 2004 (vom 18. Oktober 2005; Aktenseite 21 der Verwaltungsakten der Beklagten) und für 2005 (vom 26. Mai 2006; Aktenseite 16 der Verwaltungsakten der Beklagten) vor, wonach er im Jahr 2004 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 52.232 EUR und im Jahr 2005 in Höhe von 31.895 EUR erzielt hatte.
5
Mit Bescheid vom 6. Juni 2006 setzte die Beklagte zu 1 daraufhin den Beitrag ab 1. Juni 2006 auf der Grundlage monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen in Höhe von 2.674,50 EUR in Höhe von 371,76 EUR zur Kranken- und in Höhe von 52,15 EUR zur Pflegeversicherung neu fest. Mit Bescheid vom 15. September 2006 setzte die Beklagte zu 1 die Beiträge für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis 31. Mai 2006 neu fest. Auf der Grundlage monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen von 3.487,50 EUR ergaben sich für den Zeitraum 1. Februar bis 31. März 2004 Beiträge in Höhe von 491,74 EUR zur Kranken- und in Höhe von 59,29 EUR zur Pflegeversicherung sowie für den Zeitraum 1. April bis 31. Dezember 2004 in Höhe von 484,76 EUR zur die Kranken- und in Höhe von 59,29 EUR zur Pflegeversicherung. Auf der Grundlage monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen von 3.525,00 EUR ergaben sich für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2005 Beiträge in Höhe von 489,98 EUR zur Kranken- und in Höhe von 68,74 EUR zur Pflegeversicherung. Auf der Grundlage monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen von 3.562,50 EUR ergaben sich für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Mai 2006 Beiträge in Höhe von 495,19 EUR zur Kranken- und in Höhe von 69,47 EUR zur Pflegeversicherung. Die Nachforderung in Höhe betrug insgesamt 10.182,01 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Aktenseiten 23 f der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
6
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Er vertrat dabei die Ansicht, dass der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs. 4 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V) nicht als Mindesteinnahmen anzusehen sei, sondern die für die Beitragsbemessung maßgebende Einnahmen festschreibe. Die Beklagte, die dieser Ansicht nicht folgte, wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2007 zurück.
7
Der Kläger hat seine Rechtsansicht mit der am 2. Mai 2007 bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt.
8
Mit Urteil vom 11. März 2008 hat das SG den Bescheid vom 15. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2007 dahingehend abgeändert, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis 4. Januar 2006 Beiträge nachzuentrichten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Regelung in § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V sehe vor, für die Bezugsdauer des Existenzgründungszuschusses Beiträge auch dann auf der Grundlage von Einkünften nach dem 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße zu erheben, wenn die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds eine höhere Beitragsbemessungsgrundlage ergeben würde. Denn hätte der Gesetzgeber nicht eine Höchstgrenze, sondern wie bei anderen freiwillig Versicherten eine Mindesteinkommensgrenze festlegen wollen, hätte er im maßgeblichen Teil des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V das Wort „mindestens“ wiederholen müssen. Da er dies nicht getan habe, beziehe sich das Wort nur auf den ersten Satzteil. Im Übrigen trage die Einführung einer Fixgrenze dem Sinn und Zweck Rechnung, Existenzgründer in ihrer Gründungsphase besonders zu entlasten. Diese Entlastung erfolge nicht nur durch den Bezug des Existenzgründungszuschusses, sondern auch durch eine besondere Privilegierung bei der Beitragserhebung im Rahmen des SGB V. Hierdurch solle auch gewährleistet werden, dass der Existenzgründer während der Gründungsphase für ihn vorhersehbare und kalkulierbare Beiträge entrichte und im Falle eines höheren Einkommens nicht zur Nachentrichtung verpflichtet sei.
9
Mit Schreiben der „Barmer Ersatzkasse“ ist gegen das den Beklagten am 8. April 2008 zugestellte Urteil am 23. April 2008 Berufung eingelegt worden. Zur Begründung ist ausgeführt worden, die Interpretation des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V durch das SG vermöge nicht zu überzeugen. Bezug genommen worden ist auf das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14. Februar 2007, L 11 KR 69/06. Mit Schreiben vom 20. Juni 2008 ist „klargestellt“ worden, dass die Berufung von beiden Beklagten (Kranken- und Pflegekasse) erhoben worden sei.
10
Die Beklagten beantragen,
11
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. März 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
12
Der Kläger beantragt,
13
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
14
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die von den Beklagten bzw. dem LSG Nordrhein-Westfalen angestellten Erwägungen seien mit dem Wortlaut der fraglichen Regelung nicht vereinbar.
15
Der Senat hat die Satzungen der Beklagten im maßgeblichen Zeitraum beigezogen.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen. | |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
und beschlossen:
Der Streitwert wird auf 25.000,00 € festgesetzt. | Randnummer
1
Die Klägerin nimmt die Beklagten aufgrund einer Pflichtverletzung des vormals bei ihnen beschäftigten, zwischenzeitlich verstorbenen Rechtsanwalt ... auf Schadensersatz in Anspruch.
Randnummer
2
Im Jahr 2008 war die Klägerin aufgrund eines Teilzeit-Arbeitsvertrages als Flugsicherheitsassistentin bei der Firma ... GmbH (...) beschäftigt. Im fraglichen Zeitraum war sie von Seiten ihrer Arbeitgeberin als Sicherheitsmitarbeiterin am Flughafen ... beschäftigt. Die genauen vertraglichen Grundlagen zwischen der ... und dem Flughafen ..., aufgrund derer die Klägerin am Flughafen eingesetzt war, sind nicht bekannt.
Randnummer
3
Am 04.02.2008 gegen 08:15 Uhr erlitt die Klägerin auf dem Betriebsgelände der Flughafengesellschaft des Flughafens ... einen Unfall, bei dem sie aufgrund von Glätte stürzte und sich verletzte. Der genaue Unfallhergang sowie die aus dem Unfall resultierenden Verletzungen sind zwischen den Parteien streitig.
Randnummer
4
Die Klägerin beauftragte sodann Rechtsanwalt ... mit der Wahrnehmung ihrer Interessen. Mit Schreiben vom 23.11.2009 wurde die Flughafen ... GmbH angeschrieben und aufgefordert, ihre Schadensersatzpflicht dem Grunde nach anzuerkennen. Als Grund wurde die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten genannt. Einer solchen Verpflichtung kam die Flughafen ... GmbH nicht nach.
Randnummer
5
In der Folgezeit blieb Rechtsanwalt ... untätig. Maßnahmen zur Durchsetzung der vermeintlichen Ansprüche der Klägerin traf er nicht. Auf Nachfragen wurde die Klägerin stets vertröstet. Im April 2014 wandte sich die Klägerin an ihre heutigen Prozessbevollmächtigten und kündigte das mit dem Beklagten bestehende Mandat. Auf Anfrage bei der Haftpflichtversicherung der Flughafen ... GmbH teilten diese mit E-Mail vom 28.04.2014 mit, dass sämtliche Ansprüche bereits zuvor abschließend zurückgewiesen worden waren. Im Übrigen werde die Einrede der Verjährung erhoben.
Randnummer
6
Die Klägerin behauptet,
sie sei auf dem Gelände des Flughafens auf provisorisch ausgelegten Europaletten ausgerutscht. Diese seien nass und rutschig gewesen. Obwohl die Verantwortlichen des Flughafens von der bestehenden Rutschgefahr informiert gewesen seien, hätten sie keine Maßnahmen zur Beseitigung getroffen.
Randnummer
7
Durch den Unfall sei die Klägerin schwer verletzt worden. Sie habe eine Patellaluxation links erlitten und auch sogleich Schmerzen im Rückenbereich verspürt. Bei dem Sturz sei es zu einer Stauchung des Rückenmarks gekommen im Sinne eines inkompletten Querschnitts. Hieraus habe sich zwischenzeitlich ein therapieresistenter Tremor in den Beinen entwickelt, weshalb sie heute im Rollstuhl sitze.
Randnummer
8
Aufgrund der Untätigkeit ihres Anwalts seien die ihr gegen die Flughafen ... GmbH als verkehrssicherungspflichtiger Schädigerin zustehenden Ansprüche infolge der eingetretenen Verjährung nicht mehr durchsetzbar. Diese wäre unabhängig von den Einwänden der Beklagten, insbesondere dem vorgetragenen Haftungsausschluss gem. § 104 SGB VII, zum Schadensersatz verpflichtet gewesen.
Randnummer
9
Darüber hinaus sei Rechtsanwalt ... auch mit einem Tätigwerden gegenüber der Berufsgenossenschaft oder einer Krankenkasse beauftragt gewesen.
Randnummer
10
Sie
beantragt
daher (
nach Klarstellung, Blatt 158 der Akte
),
Randnummer
11
1. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin jedweden Schaden zu ersetzen, der ihr wegen der Nichtverfolgung etwaig bestehende Ansprüche aus dem Unfallereignis vom 04.02.2008 zugestanden habe, soweit diese Ansprüche nicht auf Dritte oder sonstige Sozialversicherungsträger übergegangen sind.
Randnummer
12
2. Die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Kläger die aus dem Grundsatz des Verzuges entstandenen Geschäftsgebühr gem. 2300 VV RVG in Höhe von 1242,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem überlegen Basiszinssatz seit dem 05.01.2018 < zu erstatten>.
Randnummer
13
Die Beklagten
beantragen
,
Randnummer
14
die Klage abzuweisen.
Randnummer
15
Sie halten die Klage in Form eines Feststellungsantrags bereits für unzulässig, da es der Klägerin 10 Jahre nach dem vorgetragenen Unfall möglich sein müsse, die ihr vermeintlich entgangenen Ansprüche gegen die Flughafen ... GmbH zu präzisieren und zu beziffern. Dem Feststellungsantrag fehle auch die notwendige Bestimmtheit.
Randnummer
16
Die vorgerichtliche Behauptung, ein entsprechendes Mandat habe es gar nicht gegeben, hat die Beklagte im Prozess nicht aufrechterhalten. Das Mandat sei aber auf ein Vorgehen gegenüber der Fa. Flughafen ... GmbH beschränkt gewesen.
Randnummer
17
Trotz des <unstreitigen> Anwaltsfehlers sei die Klage - unabhängig des bestrittenen Unfallhergangs und der bestrittenen Kausalität von Unfall und heutigem Zustand der Klägerin - von vorne herein unbegründet. Nach ihrer Ansicht sei der Fa. Flughafen ... GmbH nämlich das Haftungsprivileg des § 104 SGB VII zugutegekommen, da es sich um einen versicherten Arbeitsunfall gehandelt habe. Die Klägerin behaupte selbst nicht, dass der Unfall vorsätzlich herbeigeführt worden wäre. Es habe sich auch um einen Betriebsweg und damit nicht um einen Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 SGB VII gehandelt.
Randnummer
18
Dabei spiele es keine Rolle, dass die Klägerin einen Arbeitsvertrag nur mit der Firma ... hatte und keine Arbeitnehmerin der Flughafen ... GmbH war. Entscheidend sei, dass die Klägerin für das Unternehmen Flughafen ... tätig und in deren gesamte Betriebsorganisation eingegliedert gewesen sei.
Randnummer
19
Zum Sach- und Streitstand wird im Übrigen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. | |
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Die Beteiligten streiten über den zeitlichen Umfang des Anspruchs der Klägerin auf Elterngeld nach dem Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG).
Randnummer
2
Die am 1978 geborene Klägerin ist deutsche Staatsbürgerin und lebte im Jahr 2007 in H ... (S ). Aus ihrer Beschäftigung erzielte die Klägerin zwischen Oktober 2006 und September 2007 monatlich brutto 1.447,50 Euro bei Abzügen von Lohnsteuer in Höhe von 116,29 Euro und Sozialversicherungsbeiträgen von 307,60 Euro. Am 2007 wurde ihre Tochter F ... M ... in H. (S. ) geboren. Die Klägerin bezog vom 7. Oktober 2007 bis zum 15. Januar 2008 Mutterschaftsgeld von der zuständigen Krankenkasse in Höhe von 13,00 Euro täglich und von ihrem Arbeitgeber in Höhe von 21,12 Euro täglich.
Randnummer
3
Am 13. Dezember 2007 stellte die Klägerin beim Landesverwaltungsamt H ... einen Antrag auf Elterngeld für die Dauer von 14 Monaten auf der Grundlage des Einkommens aus der Erwerbstätigkeit der letzten 12 Monate. Dabei gab sie an: Sie beanspruche das Elterngeld für den gesamten Zeitraum für sich alleine. Sie nehme Elternzeit vom 16. Januar 2008 bis zum 15. März 2009. Für ihre Tochter besitze sie mit dem anderen Elternteil die gemeinsame Personensorge. Zu dieser Zeit war der Vater des Kindes bereits in die Schweiz verzogen.
Randnummer
4
Mit Bescheid vom 2. Januar 2008 bewilligte das Landesverwaltungsamt H. (LVA) der Klägerin Elterngeld für die Zeit vom 20. November 2007 bis zum 19. November 2008 (also für zwölf Monate) in Höhe von 658,88 Euro monatlich und führte aus, in der Zeit vom 20. November 2008 bis zum 19. Januar 2009 stehe der Klägerin kein Elterngeld zu. Leistungen während der Mutterschutzfrist ab der Geburt des Kindes seien auf das Elterngeld anzurechnen. In der Begründung ging das LVA von einem Gesamteinkommen im maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt von 11.327,36 Euro bzw. monatlich 943,95 Euro aus. Hiervon berücksichtigte es 69,80 Prozent wegen des niedrigen Einkommens. Bis zum 19. Januar 2008 berücksichtigte das LVA das Mutterschaftsgeld und den Arbeitgeberzuschuss, so dass sich nur ein Zahlbetrag von 85,00 Euro ergab.
Randnummer
5
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 29. Januar 2008 Widerspruch wegen der Begrenzung des Bewilligungszeitraums auf zwölf Monate: Der Vater des Kindes arbeite und lebe in der Schweiz. Auch wenn sie sich mit diesem die Personensorge für die Tochter teile, übe sie diese faktisch allein aus und sei daher als alleinerziehend anzusehen. Der Vater habe in der Schweiz keine Ansprüche auf Elterngeld. Sie sehe sich bzw. ihre Tochter als benachteiligt an, weil der Vater für eine zweimonatige Elternzeit nicht in Betracht komme. Daher seien die zwei Monate auf sie zu übertragen.
Randnummer
6
Das LVA wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2008 als unbegründet zurück und führte aus: Ein Elternteil könne grundsätzlich für höchstens 12 Monate Elterngeld beziehen. Die besonderen Voraussetzungen für die Gewährung des Elterngeldes auch für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes lägen nicht vor, weil die Klägerin mit dem Vater des Kindes die Personensorge für das Kind gemeinsam ausübe. Eine Unmöglichkeit der Betreuung des Kindes durch den anderen Elternteil liege vor, wenn dieser aus tatsächlichen Gründen die Betreuung nicht übernehmen könne. Dies sei nicht gegeben, wenn der Kindesvater derzeit in der Schweiz arbeite. Wirtschaftliche Gründe und Gründe einer Verhinderung wegen anderweitiger Tätigkeiten blieben außer Betracht.
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7
Am 28. Juli 2008 hat die Klägerin beim Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben: Sie sei faktisch allein erziehend. Die Partnerschaft mit dem Vater der Tochter sei kurz nach der Einrichtung des gemeinsamen Sorgerechts beendet worden. Der Vater lebe circa 850 km entfernt von H außerhalb Deutschlands. Die Klägerin ist der Meinung, dass eine zweifache Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vorliege, weil sei einerseits alleinerziehend sei, dies aber nicht anerkannt werde. Ihre Tochter werde gegenüber anderen Kindern benachteiligt, deren Erziehung mit 14 Monaten Elterngeld gefördert werde.
Randnummer
8
Mit Urteil vom 7. April 2009 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen und ausgeführt: Der Klägerin stehe für den 13. und den 14. Lebensmonats des Kindes kein Elterngeld zu, weil sie weder das alleinige Sorgerecht für ihre Tochter habe noch ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht durch das Familiengericht ggf. in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren übertragen worden sei. Eine Härtefallklausel sehe das Gesetz nicht vor und eine solche sei auch nicht geboten, wenn der familiengerichtliche Eilrechtsschutz möglich sei.
Randnummer
9
Gegen das ihr am 21. April 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Mai 2009 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Das BEEG schaffe zwei Klassen von Eltern und Kindern, weil sie sich mit dem anderen Elternteil nicht für die 14 Monate entscheiden könne, wenn dieser keinen Anspruch auf die Elternzeit habe. Sie ist der Ansicht, dass hierdurch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Grundgesetzes vorliegt. Ihr Kind könne nur von 12 Monaten Förderung profitieren, während diese anderen Kindern 14 Monate gewährt werde. Sie meint, dass eine Übertragung der zwei Monate der Elternzeit des anderen Elternteils möglich sein müsse, wenn der andere Elternteil keinen Anspruch auf die Elternzeit habe bzw. es sei in diesen Fällen von einer Unmöglichkeit im Sinne des Gesetzes auszugehen.
Randnummer
10
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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11
das Urteil des SG vom 7. April 2009 und den Bescheid des LVA vom 2. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des LVA vom 3. Juli 2008 abzuändern und ihr Elterngeld für die Zeitraum vom 20. November 2008 bis zum 19. Januar 2009 in Höhe in Höhe von 658,88 Euro monatlich zu gewähren.
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12
Die Beklagte beantragt,
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13
die Berufung zurückzuweisen.
Randnummer
14
Sie verweist auf die Gründe des SG.
Randnummer
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen. | |
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 4. Juni 2014 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger vom 1. Juni 2010 bis zum 31. Mai 2019 Rente wegen voller Erwerbsminderung nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu drei Viertel.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) streitig.
Randnummer
2
Der 1959 geborene Kläger absolvierte nach dem Abschluss der zehnten Klasse erfolgreich eine Ausbildung zum Zerspanungsfacharbeiter (Facharbeiterzeugnis vom 28. April 1978). Mit dem Arbeitsvertrag vom 30. April 1978 wurde er von der PGH des Kfz-Handwerks W. als Zerspanungsfacharbeiter im Instandsetzungsbereich eingesetzt. Seine Arbeitsaufgabe umfasse die Bearbeitung sämtlicher Teile, die im Rahmen der Instandsetzungsaufgaben anfielen. Ihm würden als Vergütung 1,87 M Stundengrundlohn und Leistungszuschlag gezahlt. Ausweislich des Ausweises für Arbeit und Sozialversicherung war der Kläger nach Ableistung seines Wehrdienstes vom 1. Mai 1978 bis zum 30. April 1981 dann vom 1. Mai 1981 bis zum 31. Dezember 1987 als Dreher versicherungspflichtig beschäftigt. Nach den Angaben des Klägers ist er während der Anstellung als Zerspanungsfacharbeiter von 1981 bis 1987 in der Bremsbackenaufbereitung tätig gewesen. Der Wechsel dorthin sei vom Betrieb entschieden worden. Die Tätigkeit des Bremsbackenreinigers sei nur ein Teil seiner Tätigkeit gewesen. Auf dem Betriebsgelände hätten sich sowohl eine Werkstatt für verschiedene Autos als auch für die Bremsbackenaufbereitung befunden.
Randnummer
3
Am 24. Februar 1987 erlitt der Kläger eine komplexe Handverletzung rechts, bei der er auf Grund einer Stanzverletzung die Finger 2 bis 5 im Grundglied und den rechten Daumen im Endglied verlor. Ausweislich des Unfall-Rentenbescheides der Staatlichen Versicherung der DDR vom 16. November 1987 erhielt er auf Grund des festgestellten Grades des Körperschadens von 50 Prozent ab August 1987 eine Teilrente in Höhe von 200,00 M. Die Verwaltungsberufsgenossenschaft gab an, der Kläger sei im Unfallzeitpunkt als Zerspaner tätig gewesen und habe sodann bis 1992 als Telefonist gearbeitet. Der Kläger hat angegeben, nach dem Unfall an der rechten Hand ein halbes Jahr krankgeschrieben gewesen zu sein. Dann habe ihm der Betrieb den Vorschlag gemacht, in den Telefondienst zu wechseln, weil eine andere Stelle nicht vorhanden und im Lager eine Stelle frei gewesen sei, die er habe ausüben können. Die Tätigkeit als Zerspanungsfacharbeiter habe er nicht mehr verrichten können, weil bei dieser Tätigkeit schwere Werkstücke zu handhaben gewesen seien und in eine Maschine hätten eingespannt werden müssen.
Randnummer
4
Ausweislich des Ausweises für Arbeit und Sozialversicherung war der Kläger vom 1. Januar 1988 bis zum 31. Dezember 1991 als Technischer Mitarbeiter - jeweils in der PGH des Kraftfahrzeughandwerks W. - beschäftigt. Für das Jahr 1986 ist ein beitragspflichtiger Gesamtverdienst in Höhe von 6.847,20 M, für 1987 3.381,50 M, für 1988 7.146,00 M, für 1989 6.817,70 M und für 1990 insgesamt 11.758,07 M angegeben.
Randnummer
5
Der Kläger bezieht nach wie vor Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 Prozent und seit dem 30. April 1993 ist bei ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt.
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6
Von 1994 bis 1995 absolvierte der Kläger nach seinen Angaben einen Computerlehrgang im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Von 1995 bis 1999 sei er als Hilfsarbeiter bzw. in der Grünflächenpflege tätig gewesen. Von 2002 bis 2004 habe er als Wachmann gearbeitet. Danach war er zunächst erneut in der Grünflächenpflege tätig, bevor er von 2005 bis zum 23. Dezember 2009 als Grobmüllsortierer beschäftigt war. Bereits seit dem 18. Juni 2008 war er wegen einer Knochenhautentzündung im linken Ellenbogen arbeitsunfähig erkrankt.
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7
Vom 25. November bis zum 16. Dezember 2008 nahm der Kläger an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Rehabilitationsklinik B. C. teil. Dort sind als Diagnosen neben der Verletzung der rechten Hand eine Epicondylalgie radialis humeri links, ein Zervikobrachialsyndrom sowie eine arterielle Hypertonie als Diagnosen genannt. Der Kläger könne die letzte Tätigkeit als Grobmüllsortierer nur noch unter drei Stunden täglich verrichten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihm noch leichte körperliche Arbeiten auch überwiegend im Gehen, Stehen und Sitzen in Tages-, Früh- und Spätschicht sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Das Tragen und Bewegen von Lasten ohne technische Hilfsmittel sowie Arbeiten mit Belastungen der Hände sollten vermieden werden.
Randnummer
8
Auf den Rentenantrag vom 24. November 2009, den der Kläger mit dem Fingerverlust der rechten Hand und der Knochenhautentzündung im Ellenbogen des linken Arms begründete, holte die Beklagte u.a. das Gutachten des Facharztes für Orthopädie/Chirotherapie Dipl.-Med. B. vom 24. März 2010 ein. Dieser berücksichtigte als Diagnosen den Zustand nach Finger-(Teil-)Amputationen der rechten Hand, die Epicondylitis humeri radialis mit Zustand nach Tenotomie links und Re-Tenotomie im März und September 2009, eine Fingergelenkpolyarthrose ohne funktionelle Beschwerden, eine Angina pectoris, eine Hyperlipidämie, eine essentielle Hypertonie, den Verdacht auf einen Nikotin- und Alkoholabusus, einen Diabetes mellitus sowie eine Retinopathia diabetica mit Zustand nach Laserkoagulation beidseits. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger für leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Ausschluss von Tätigkeiten auf Leitern und/oder Gerüsten, an rotierenden Maschinen sowie mit Hebe- und Tragetätigkeiten vollschichtig einsetzbar. In den zuletzt ausgeübten Berufen als Zerspaner, Bremsbackenregenerierer, Lagerarbeiter, Schädlingsbekämpfer und Grobmüllsortierer sei er auf Dauer nicht mehr einsetzbar. Der Kläger könne als Telefonist und im Wachdienst vollschichtig arbeiten.
Randnummer
9
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag des Klägers ab. Dieser sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Nachtschicht, Zeitdruck, Akkord, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Heben und Tragen von Lasten, Gefährdung durch Kälte und Nässe, Tätigkeiten an rotierenden Maschinen sowie ohne dauernde Belastung der Hände und ohne häufige Überkopfarbeiten sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Er sei auch nicht berufsunfähig. Beim Kläger sei vom Hauptberuf als Grobmüllsortierer auszugehen. Damit sei er in die Gruppe der Angelernten im unteren Bereich einzuordnen und auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar (Bescheid vom 6. April 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2010).
Randnummer
10
Mit der am 29. Oktober 2010 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat der Kläger die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgt. Zur Begründung hat er vorgetragen, seinen linken Arm nicht über einen längeren Zeitraum, schon gar nicht über sechs Stunden täglich, belasten zu können. Anderenfalls stellten sich bei ihm starke Schmerzen im linken Arm ein. Seine rechte Hand könne er so gut wie nicht mehr gebrauchen. Insoweit sei ihm die Tätigkeit als Grobmüllsortierer von Anfang an eigentlich nicht möglich gewesen. Er habe ständig unter Beschwerden gelitten und sei des Öfteren arbeitsunfähig gewesen. Auch sei bislang sein schwaches Sehvermögen mit einem Visus von 0,4 rechts und 0,5 links nicht berücksichtigt worden. Auf Grund dessen habe er seine Arbeit als Wachmann verloren. Welche Tätigkeit er noch verrichten können solle, sofern nur Tätigkeiten ohne Belastungen beider Hände möglich seien, sei nicht ersichtlich. Soweit solche Tätigkeiten überhaupt existierten, setzten sie eine entsprechende Ausbildung voraus, über die er nicht verfüge. Bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit sei von seinem erlernten Beruf als Zerspaner und nicht von der Hilfstätigkeit des Grobmüllsortierers auszugehen.
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11
Das Sozialgericht hat Behandlungs- und Befundberichte von den Fachärzten für Chirurgie Dr. B. und Dr. P. vom 27. Juni und 1. Juli 2011, von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. G. vom 11. Juli 2011 und dem Augenarzt Dipl.-Med. M. vom 15. August 2011 eingeholt. Dipl.-Med. M. hat als gestellte Diagnosen einen Katarakt (Grauer Star) beidseits, eine diabetische Retinopathie beidseits bei Zustand nach Laserkoagulation der Netzhaut beidseits (8/04 und 5/05) sowie einen Visus mit Korrektur rechts 0,5 und links 0,6 mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass leichte Linsentrübungen beidseits im Laufe der von Mai 2004 bis Juli 2011 durchgeführten Behandlungen hinzugekommen seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 37, 38, 43 bis 59, 62 bis 86 und 94 der Gerichtsakte Bd. I Bezug genommen.
Randnummer
12
Sodann hat das Sozialgericht das Gutachten der Oberärztin im Universitätsklinikum H. und Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. B. vom 25. Februar 2013 eingeholt. Diese hat den Kläger am 29. Januar 2013 ambulant untersucht und folgende Diagnosen festgestellt:
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13
Chronische Entzündung der Sehnenansätze von Muskeln des Unterarmes am linken Ellenbogen (Epicondylitis humeri radialis).
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14
Unfallbedingte Amputation durch Stanzverletzung mit Amputation des Daumens rechts im Endglied und der Finger II-V im Grundgelenk.
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Diabetes mellitus.
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Diabetesbedingte Schädigung der Netzhaut mit mittelgradiger Sehkrafteinschränkung.
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Bluthochdruck, medikamentös eingestellt.
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Fettleber.
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Gallensteine, ohne Beschwerden.
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Im Vordergrund stünden Beschwerden durch eine Epicondylitis am linken Ellenbogen. Hierbei handele es sich um eine Entzündung der Sehnenansätze der Unterarmmuskeln, die am Ellenbogen befestigt seien. Bei allen Streckbewegungen des Unterarmes, der Hand oder Finger komme es zu Zug auf die Sehnenansätze, was den Schmerz auslöse. Bei häufigem Ausführen der Bewegungen werde der Reizzustand verstärkt und es komme zur Aktivierung der Entzündung. Beim Kläger sei die Epicondylitis in ein chronisches Stadium übergegangen. Alle therapeutischen Möglichkeiten, einschließlich zweimaliger Operationen, seien ausgeschöpft. Die klinische Untersuchung habe gezeigt, dass weiter Entzündungszeichen vorlägen. In der Magnetresonanztomographie (MRT) vom 15. November 2011 seien typische Veränderungen zu sehen, auch wenn sie derzeit auf Grund der Schonung nur in geringem Ausmaß vorhanden seien. Rechtsseitig habe der Kläger große Teile aller fünf Finger verloren. Vom Daumen und vom Zeigefinger stünden nur noch Stümpfe, so dass er damit im Pinzettengriff - allerdings nur leichte Teile - greifen könne. Die Handfläche sei sehr gut beweglich, so dass er auch mit der Handfläche und dem Daumen Teile greifen könne. Grobmotorische Greiftätigkeiten könne er ausführen, wenn die Last nicht zu schwer sei. Er habe im Laufe der Zeit für die funktionellen Möglichkeiten der amputierten Finger durch Übung ein Maximum erreicht. Leider habe er dadurch nie erlernt, Funktionen mit der linken Hand zu übernehmen. Es sei auch keine Ergotherapie erfolgt, bei der die Linkshändigkeit, z.B. beim Schreiben, hätte geübt werden können. Nunmehr seien die Möglichkeiten für die linke Hand durch die Epicondylitis eingeschränkt. Darüber hinaus bestünde als Folge des Diabetes mellitus eine Schädigung der Netzhaut. Trotz mehrfacher Laseroperationen sei die Sehkraft auf beiden Augen irreparabel eingeschränkt und führe zu einer mittelgradigen Sehbehinderung beidseits. Der Kläger könne nur noch leichte körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten ohne Arbeiten in Zwangshaltungen, insbesondere Armvorhalte bzw. Überkopfarbeiten, keine Leiter- oder Gerüstarbeiten oder andere Arbeiten mit Absturzgefahr verrichten. Schweres Heben und Tragen müsse vermieden werden. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei eingeschränkt. Der Kläger könne nur leichte Lasten greifen, allerdings sei der Griff nicht ganz sicher, so dass auch mal Gegenstände fallen könnten. Feinmotorische Arbeiten könne er weder mit links noch mit rechts ausführen. Der linke Arm und die linke Hand seien auf Dauer minderbelastbar für festes Zugreifen und alle repetitiven Tätigkeiten. Auch Schreiben sei nur eingeschränkt möglich (nur Druckschrift, sehr langsam). Das Sehvermögen sei beeinträchtigt und könne auch mit einer Brille nicht korrigiert werden. Er könne keine Arbeiten ausführen, die gutes Sehvermögen erforderten. Der Kläger sei geistig nur leichten und anamnestisch geringen bis durchschnittlichen Anforderungen gewachsen. Ausgeschlossen seien zudem Arbeiten in Zugluft, Nässe und Kälte, Akkord- oder Fließbandarbeit sowie Arbeiten mit erhöhtem Zeitdruck. Ihm zumutbare Arbeiten könne der Kläger regelmäßig sechs Stunden täglich verrichten. Die Gehfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Der Kläger könne aus medizinischen Gründen auf Grund einer noch ausreichenden Sehkraft einen Pkw führen. Die Einschränkungen bestünden auf Dauer. Die therapeutischen Möglichkeiten seien ausgeschöpft.
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21
In einer zu Einwänden des Klägers abgegebenen ergänzenden Stellungnahme vom 4. Juni 2013 hat Dr. B. klargestellt, dass der Kläger am Tag der Untersuchung nicht unter Ödemen an den Beiden gelitten habe. Soweit dieser darauf hingewiesen habe, dass sich die Frage stelle, welche Arbeiten er überhaupt noch ausführen könne, sei dies berechtigt. Sie habe in ihrem Gutachten beschrieben, dass ihm wegen der Einschränkungen der Gebrauchsfähigkeit beider Hände ein relevanter Teil des Arbeitsmarktes verschlossen sei. Ob sich eine Tätigkeit ergebe, die er überhaupt noch ausführen könne, müsse im Rahmen des Gerichtsverfahrens entschieden werden.
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22
Mit Urteil vom 4. Juni 2014 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Dezember 2009 bis zum Beginn der Regelaltersrente eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger verfüge noch über ein Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden für leichte körperliche Tätigkeiten, u.a. ohne feinmotorische Arbeiten, festes Zugreifen und repetitive Belastungen. Damit sei ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht nachgewiesen. Der Kläger sei jedoch zur Überzeugung der Kammer berufsunfähig und habe einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Hauptberuf des Klägers sei die ausgeübte Tätigkeit in der Bremsbackenaufbereitung. Die Tätigkeit als Grobmüllsortierer könne nicht zugrunde gelegt werden, weil sie nicht dem Leistungsbild des Klägers entsprochen und der Kläger diese Tätigkeit auf Kosten seiner Gesundheit ausgeübt habe. Hauptberuf sei auch nicht die erlernte und höherwertige Tätigkeit des Klägers als Zerspanungsfacharbeiter. Hiervon habe sich der Kläger 1981 aus nicht gesundheitlichen Gründen gelöst. Der Wechsel sei unter dem Druck der Verhältnisse erfolgt. Der Kläger habe insoweit angegeben, sich dem Wechsel in diesen Betriebsteil nicht habe entziehen können. Das gesetzlich geschützte Risiko habe sich jedoch insofern nicht verwirklicht. Die Tätigkeit in der Bremsbackenaufbereitung habe nur entfernt mit dem erlernten Beruf als Zerspanungsfacharbeiter zu tun gehabt. Der Kläger habe nicht mehr Metall in großer Stückzahl zu bearbeiten gehabt, sondern sei dafür verantwortlich gewesen, Bremsbacken mit den dafür vorgesehenen Maschinen zu reinigen und neu zu beziehen. Ob es eine Ausbildung für diese Tätigkeit gegeben habe, könne nicht eingeschätzt werden. Letztendlich habe der Kläger seine vorher ausgeübte Tätigkeit als Zerspanungsfacharbeiter jedoch jederzeit wieder aufnehmen müssen, wenn er dazu aufgefordert worden wäre. Denn er habe auf einem einheitlichen Betriebsgelände mit verschiedenen Werkstätten gearbeitet. Wegen der Handverletzung habe der Kläger die Tätigkeit nicht mehr ausüben und sie nach dem Unfall aufgeben müssen. Die von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte könne der Kläger nicht mehr verrichten. Die Sehkraft sei auf beiden Augen irreparabel geschädigt. Er könne nur noch Arbeiten verrichten, die kein gutes Sehvermögen erforderten, und nur leichte Anforderungen an das geistige Leistungsvermögen bewältigen. Das Anforderungsprofil des Pförtners an der Nebenpforte setze jedoch durchschnittliche Anforderungen an mnestische Fähigkeiten und ein normales Hör- und Sehvermögen voraus.
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23
Die Beklagte hat gegen das ihr am 14. Juli 2014 zugestellte Urteil am 18. Juli 2014 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie hält daran fest, dass der Kläger nicht berufsunfähig sei. Selbst wenn die Tätigkeit als Grobmüllsortierer nicht zu berücksichtigen sei, da sie auf Kosten der Gesundheit ausgeübt worden wäre, habe der Kläger von 2002 bis 2004 als Wachmann versicherungspflichtig gearbeitet. Auch könne eine gesundheitliche Lösung von der Tätigkeit als Bremsbackenaufbereiter nicht gesehen werden, da der Kläger mit der Aufnahme der Tätigkeit als Grobmüllsortierer erneut körperliche Arbeiten verrichtet habe, was ihm immerhin bis 2008 möglich gewesen sei. Schließlich sei fraglich, ob die Tätigkeit des Klägers als Bremsbackenaufbereiter in den Bereich des Angelernten im oberen Bereich einzustufen sei. Nach ihrer Auffassung sei ein Berufsschutz nicht gegeben. Hilfsweise sei der Kläger auf die Tätigkeit des Pförtners an der Nebenpforte, des einfachen Pförtners in Verwaltungsgebäuden oder des Museumsaufsehers zu verweisen. Insoweit hat sie berufskundliche Unterlagen überreicht, wegen derer auf Bl. 236 bis 273 der Gerichtsakte Bezug genommen wird.
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24
Die Beklagte beantragt,
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25
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 4. Juni 2014 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
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26
Der Kläger, der gegen das ihm ebenfalls am 14. Juli 2014 zugestellte Urteil am 13. August 2014 Berufung beim Senat eingelegt hat, ist weiterhin der Auffassung, es seien keine Tätigkeiten ersichtlich, die er auf Grund der Schädigung beider Hände noch verrichten könne. Zumindest sei er berufsunfähig. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, er habe sich zu keinem Zeitpunkt vom Beruf des Zerspaners gelöst. Er sei vom Arbeitgeber zu dem Wechsel in die Tätigkeit als Bremsbackenaufbereiter gezwungen worden. Er habe dort allerdings noch mehr verdient als in seiner erlernten Tätigkeit als Zerspaner. Auf Anforderung des Betriebes hätte er auch jederzeit wieder als Zerspaner arbeiten müssen. Lediglich in Unkenntnis seiner Rechte habe er nicht gleich nach der politischen Wende einen Rentenantrag gestellt. Er habe, ohne hierzu verpflichtet gewesen zu sein, Tätigkeiten angenommen, mit denen er sich seine Gesundheit ruiniert habe. Nunmehr existierten keine Tätigkeiten mehr, die er mit seinen Einschränkungen noch zumutbar verrichten könne.
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27
Der Kläger beantragt,
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28
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 4. Juni 2014 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 6. April 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Dezember 2009 zu bewilligen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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29
Die Beklagte beantragt,
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30
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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31
Der Senat hat das in dem Verfahren
L 3 R 428/15
eingeholte berufskundliche Gutachten des … N... vom 31. März 2016 beigezogen. Insoweit wird auf Bl. 278 bis 293 der Gerichtsakte Bezug genommen.
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32
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen. | |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. | 1
Die Beteiligten streiten über die Höhe des vertragsärztlichen Honorars für das Quartal 2/2010.
2
Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Sitz in K. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Honorarbescheid vom 15.10.2010 setzte die Beklagte das vertragsärztliche Honorar des Klägers in Höhe von insgesamt 63.097,77 Euro fest. Dabei wurden folgende freie Leistungen zu einem Bruchteil des im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) angegebenen Wertes vergütet:
3
Freie Leistungen
GOP
GOP-Wert
Anzahl
Gesamt
Quote
Kürzung
Unvorhergesehene Inanspruchnahme
01100
19,45 EUR
54
1.050,39 EUR
90,15 %
103,45 EUR
Dringender Besuch I
01411
46,44 EUR
12
557,26 EUR
92,94 %
39,34 EUR
Dringender Besuch II
01412
62,03 EUR
2
124,07 EUR
92,94 %
8,76 EUR
Eingangsdiagnostik und
Abschlussuntersuchung zur Körperakupunktur
30790
46,61 EUR
30
2.796,83 EUR
89,42 %
295,88 EUR
Durchführung der Körperakupunktur
30791
21,03 EUR
492
10.346,76 EUR
89,42 %
1.094,69 EUR
Insgesamt
1.542,12 EUR
4
Zur Begründung des hiergegen am 11.11.2010 erhobenen Widerspruchs führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, dass die Quotierung von Leistungen außerhalb des Regelleistungsvolumens (RLV) mangels Rechtsgrundlage unzulässig sei. Nach § 87b Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien die vertragsärztlichen Leistungen auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung zu vergüten. Eine prozentuale Minderung der darin bestimmten Euro-Beträge sei in der Gebührenordnung nicht vorgesehen. Gemäß § 87b Abs. 2 Satz 3 SGB V könne nur die das RLV übersteigende Leistungsmenge abgestaffelt vergütet werden. Davon seien die freien Leistungen nicht umfasst. Etwaige Beschlüsse der Beklagten oder des (Erweiterten) Bewertungsausschusses zur abgestaffelten Vergütung freier Leistungen verstießen gegen das vertragsärztliche Vergütungsrecht und seien deshalb unwirksam. Denn wo der Gesetzgeber die Vergütung der Vertragsärzte klar und unmissverständlich geregelt habe, seien abweichende Regelungen der Kassenärztlichen Vereinigung nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht zulässig. Auf die Frage, ob der Kassenärztlichen Vereinigung ausreichende finanzielle Mittel zur Vergütung der Vertragsärzte zur Verfügung stehen, komme es nicht an, da sich die Kassenärztlichen Vereinigung die zur Erfüllung der gesetzlichen Honoraransprüche der Vertragsärzte erforderlichen finanziellen Mittel bei den Kostenträgern beschaffen müssten. Weil die Quotierung der freien Leistungen unzulässig sei, seien insgesamt 1.542,26 Euro nachzuzahlen.
5
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 10.8.2011 als unbegründet zurück. Die Mengensteuerung der freien Leistungen seit dem Quartal 3/2009 beruhe auf dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 20.4.2009. Ausgenommen von dieser Regelung sei der organisierte Notfalldienst. Maßstab für die Mengensteuerung sei die Menge der abgerufenen Leistungen im entsprechenden Vorjahresquartal. Was über diesen Topf hinausgehe, werde quotiert, damit Honoraranforderung und beschränkte Geldmenge in Einklang gebracht werden können. Der Grund für die quotierte Vergütung freier Leistungen liege darin, dass ein Anstieg der freien Leistungen zwangsläufig zu einer Verminderung der RLV führe, da die Geldmenge für die Leistungen der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (MGV) insgesamt begrenzt sei und die Krankenkassen keine Nachfinanzierungspflicht treffe. Durch die Mengensteuerung der freien Leistungen stünden mehr Gelder für die RLV zur Verfügung.
6
Hiergegen hat der Kläger am 23.8.2011 vor dem Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass die Unzulässigkeit einer Kürzung der Vergütung für freie Leistungen aus § 87b Abs. 2 Satz 7 SGB V folge. Demnach könnten weitere vertragsärztliche Leistungen außerhalb der RLV vergütet werden, wenn sie besonders gefördert werden sollen. Die Vergütung solcher freier Leistungen zu einem Bruchteil des üblichen Preises widerspreche der besonderen Förderung dieser Leistungen, da sie von der ersten freien Leistung an schlechter bezahlt würden als vergleichbare unter das RLV fallende Leistungen. Die unter das RLV fallenden Leistungen würden nämlich innerhalb des RLV zu den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet.
7
Das weite Ermessen des (Erweiterten) Bewertungsausschusses bei der Ausgestaltung der vertragsärztlichen Vergütung sei durch § 87b Abs. 1 und 2 SGB V begrenzt. Hiernach sei eine Kürzung der Vergütung ärztlicher Leistungen zu den Preisen der Euro-Gebührenordnung nur bei einer Überschreitung des RLV möglich. Eine Kürzung bei Leistungen, die besonders gefördert werden sollen, sehe das vertragsärztliche Vergütungsrecht nicht vor. Das Zusammenspiel von § 87b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 3 SGB V zeige, dass das Gesetz außer für die das RLV übersteigende Leistungsmenge einen festen Vergütungsanspruch der Vertragsärzte nach den Preisen der Euro-Gebührenordnung geschaffen habe. Das Ermessen des (Erweiterten) Bewertungsausschusses erschöpfe sich darin, einzelne vertragsärztliche Leistungen als besonders förderungswürdig einzustufen. Er sei jedoch nicht berechtigt, in den Vergütungsanspruch des Vertragsarztes über die gesetzlichen Regelungen hinaus mindernd einzugreifen. Deshalb dürfe der (Erweiterte) Bewertungsausschuss die Beklagte auch nicht ermächtigen, die freien Leistungen sowie die Quote ihrer Vergütung quartalsweise neu zu bestimmen.
8
Der Kläger beantragt,
9
den Honorarbescheid vom 15.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.8.2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vertragsärztliches Honorar für das Quartal 2/2010 in Höhe von weiteren 1.542,12 Euro zu zahlen.
10
Die Beklagte beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Sie verteidigt die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidungen. Die vom Kläger abgerechneten freien Leistungen seien zu Recht nur quotiert vergütet worden. Rechtsgrundlage hierfür sei Teil B des Beschlusses des Bewertungsausschusses in seiner 180. Sitzung am 20.4.2009, wonach Leistungen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und Kostenerstattungen des Kapitels 32 EBM-Ä, die außerhalb der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen vergütet werden, einer Steuerung unterzogen werden können, um einer nachteiligen Auswirkung auf die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung zu Lasten anderer Ärzte oder Arztgruppen (z. B. durch Mengenentwicklung) entgegenzuwirken. Dies gelte auch für Leistungen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und Kostenerstattungen des Kapitels 32 EBM-Ä, welche von Arztgruppen erbracht werden, die keinem RLV unterlägen. Damit habe der Bewertungsausschuss den Gesamtvertragspartnern auf Landesebene die Möglichkeit eröffnet, im Rahmen der Konvergenzphase vom 1.4.2009 bis 31.12.2010 (vgl. Teil A Nr. 1 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 10. Sitzung am 27.2.2009) auch die freien Leistungen einer Mengensteuerung zu unterziehen. Auf dieser Grundlage sei in Ziffer 2.1 und 2.2 der Anlage 4 zu Teil B der Honorarverteilungs- und Vergütungsvereinbarung für das Jahr 2010 (HVV) vereinbart worden, dass für diejenigen Leistungsbereiche im hausärztlichen bzw. fachärztlichen Versorgungsbereich, für die ein Vorwegabzug vom vorläufigen RLV-Vergütungsvolumen erfolge, jeweils ein separates Honorarvolumen auf der Basis der jeweiligen Abrechnungsergebnisse der jeweiligen Quartale des Jahres 2008 gebildet werde, das durch die abgerechneten und anerkannten Honorarforderungen im jeweiligen Abrechnungsquartal zu teilen sei. Hieraus ergebe sich die jeweilige Quotierung für diese Leistungen. Im Rahmen des unter Gesichtspunkten der Erprobungsregelung besonders weiten Gestaltungsspielraums und der damit einhergehenden Beobachtungs- und ggf. Nachbesserungspflicht sei der Bewertungsausschuss zur Wahrung der grundrechtlichen Honorarverteilungsgerechtigkeit verpflichtet gewesen, eine unbegrenzte Mengenentwicklung im Bereich des Vorwegabzuges zu Lasten anderer Ärzte, insbesondere an der Mengenentwicklung unbeteiligter Arztgruppen auszuschließen. Die Quotierung der freien Leistungen diene somit der Stabilisierung der RLV und dem Erhalt der Funktionsfähigkeit des Vergütungssystems. Da das RLV alle typischen und speziellen Leistungen einer Arztgruppe zusammenfasse, würden diese bei einem Vorwegabzug freier Leistungen in unbegrenzter Menge gerade bei solchen Arztgruppen nicht mehr ausreichen, die nur wenig oder gar nicht von der Erbringung freier Leistungen profitierten. Schließlich bestehe kein ausdrückliches gesetzliches Verbot der Quotierung freier Leistungen.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25.4.2012 Bezug genommen. | |
Die Nebenbestimmungen zu Ziffer 7 und 8 in dem Bescheid des Bezirksamtes Neukölln von Berlin vom 17. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2019 werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 75% sowie der Beklagte zu 25%.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Berufung wird zugelassen. | Randnummer
1
Der Kläger wendet sich gegen Nebenbestimmungen zu einer zweckentfremdungsrechtlichen Abrissgenehmigung. Er ist seit 2018 Eigentümer des Grundstücks in A ... , das ursprünglich mit einem 1957 erbauten Doppelhaus, bestehend aus einem Vorder- und einem Hinterhaus, mit einer Wohnfläche von insgesamt 187,02 m
2
bebaut war.
Randnummer
2
Am 19. April 2019 beantragte der Kläger bei dem Bezirksamt Neukölln von Berlin (Bezirksamt) den Abriss des Hinterhauses. Dabei gab er an, die beiden darin belegenen Wohnungen stünden seit mehr als fünf Jahren leer. Zuvor habe der Eigentümer die Wohnungen selbst genutzt. Zugleich erklärte er, Ersatzwohnraum in Gestalt eines Wohnhauses mit zwei Wohneinheiten mit einer Wohnfläche von jeweils 177,61 m
2
schaffen zu wollen. Mit Bescheid vom 21. Juni 2019 genehmigte das Bezirksamt das Neubauvorhaben.
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3
Mit Bescheid vom 17. Juli 2019 genehmigte das Bezirksamt den Abriss des Hinterhauses. Zugleich fügte es der Genehmigung unter „II. Nebenbestimmungen“ folgende Regelungen bei:
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4
„1. Die Genehmigung wird auf 1 Jahr ab Bestandskraft des Bescheides befristet. Sie ist an das im Antrag bezeichnete Gebäude und an Sie als Eigentümer des Grundstücks A ... gebunden, nicht auf andere Objekte und auch nicht auf andere Personen übertragbar, auch nicht im Zusammenhang mit einer Übertragung des Eigentums an dem Grundstück. Sie erlischt mit dem Verlust des Eigentums an dem Grundstück.
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5
2. Es wird eine einmalige Ausgleichszahlung in Höhe von 300.000 Euro festgesetzt.
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6
3. Die Zahlung gem. Ziffer 2 wird am 17.01.2021 fällig.
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7
4. Als berücksichtigungsfähiges Ersatzwohnraumangebot wird das als Neubau zu errichtende Wohnhaus A ... gem. der eingereichten Bauunterlagen und der Baugenehmigung 2 ... des Bezirksamtes Neukölln BWA vom 21.06.2019 gem. vorgelegter Planung der Entscheidung zugrunde gelegt. Eine Anerkennung als Ersatzwohnraum kann erst nach der Herstellung der Bezugsfertigkeit geprüft und beschieden werden.
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8
5. Die Fälligkeit der Zahlung gem. Ziffer 2 tritt abweichend von dem in Ziffer 3 bestimmten Zeitpunkt erst 2 Jahre nach dem in Ziffer 3 bestimmten Zeitpunkt ein, wenn durch Bescheid des Wohnungsamtes Neukölln festgestellt wird, dass Sie bis zum 17.01.21 mit den Bauarbeiten zur Errichtung des Ersatzwohnraums gem. Ziffer 4 begonnen haben, wobei der Abriss des Hauses, auf den sich die Genehmigung bezieht, nicht zu den Bauarbeiten zur Errichtung des Ersatzwohnraums zählt.
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9
6. Die Verpflichtung zur Zahlung des Ausgleichsbetrages nach Ziffer 2 entfällt, wenn schriftlich durch Bescheid des Wohnungsamts Neukölln festgestellt wird, dass Sie den angebotenen Ersatzwohnraum gem. Ziffer 4 bezugsfertig hergestellt haben und dass Sie zu diesem Zeitpunkt noch Eigentümer des Ersatzwohnraums sind.
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7. Sie werden verpflichtet, den Ersatzwohnraum gem. Ziffer 4 unverzüglich nach Bezugsfertigkeit Wohnzwecken zuzuführen und ihn, sofern und soweit Sie ihn nicht selbst nutzen, dem Wohnungsmarkt zu angemessenen Bedingungen zur Verfügung zu stellen, indem Sie für ihn keine höhere Miete Nettokalt je m
2
verlangen als derzeit 7,92 Euro und künftig ggf. abweichend davon in der Höhe, wie sie in der jeweils gültigen Fassung der Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum zu § 3 (1) Satz 2 und 3 ZwVbG festgelegt ist.
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11
8. Zur Sicherung der Verpflichtung gem. Ziffer 7 haben Sie auf eigene Kosten zugunsten dem Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Neukölln, Abt. Stadtentwicklung, Soziales und Bürgerdienste, Amt für Bürgerdienste, Fachbereich Wohnen, eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit in das Grundbuch zu dem befangenen Grundstück A ... , Amtsgericht Neukölln, Grundbuch von R ... , Blatt 8 ... eintragen zu lassen und dem Bezirksamt Neukölln die Eintragung nachzuweisen. Die beschränkt persönliche Dienstbarkeit muss den folgenden Inhalt haben: ‚Im Falle einer Vermietung darf der Wohnraum nur an Personen zum Gebrauch überlassen und nur von Personen genutzt werden, die vom Land Berlin benannt sind, wobei die Benennung als erteilt gilt, wenn der Eigentümer die Wohnung zu Wohnzwecken selbst nutzt, oder die betreffende Wohnung an Personen ausschließlich zu Wohnzwecken überlassen und von jenen genutzt wird und diese für die Überlassung kein höheres Entgelt zu zahlen verpflichtet sind, als in der jeweils gültigen Fassung der Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum zu § 3 (1) Satz 2 und 3 ZwVbG bestimmt ist.‘“
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Zur Begründung führte das Bezirksamt im Wesentlichen aus, der Gesetzgeber verfolge mit dem Zweckentfremdungsverbot-Gesetz (ZwVbG) vorrangig das Ziel, Wohnraum zu erhalten. Die Genehmigung des Abrisses mit Nebenbestimmungen sei ausreichend, aber auch erforderlich zur Erreichung des Gesetzeszwecks. Mit der unter Ziffer 7 gesetzten Nebenbestimmung werde gemäß
§ 3 Abs. 1 Satz 2 ZwVbG
sichergestellt, dass der Ersatzwohnraum, sofern der Kläger diesen als Eigentümer nicht selbst nutze, dem Wohnungsmarkt zu angemessenen Bedingungen zur Verfügung stehe. Angemessene Bedingungen setzten gemäß
§ 3 Abs. 1 Satz 3 ZwVbG
Mieten voraus, die für Wohnungen der entsprechenden Art von einem durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmerhaushalt allgemein aufgebracht werden könnten. Nach
§ 3 Abs. 4 der Zweckentfremdungsverbot-Verordnung
(ZwVbVO) dürfe für Ersatzwohnraum keine höhere Nettokaltmiete verlangt werden als 7,92 Euro pro Quadratmeter monatlich. Zur Begründung von Ziffer 8 der Nebenbestimmungen führte das Bezirksamt aus, eine ausreichend sichere Durchsetzung der Miethöchstgrenze auch im Falle eines Eigentumswechsels an dem Ersatzwohnraum nach Genehmigungserteilung könne effektiv nur durch Eintragung eines entsprechenden Rechts im Grundbuch erfolgen, da der Grundbuchinhalt öffentlich sei und im Falle des Eigentumswechsels vom Erwerber eingesehen werden könne. Zwar wirkten Verwaltungsakte auf der Grundlage des ZwVbG gemäß
§ 4 Abs. 4 Satz 2 ZwVbG
auch für und gegen den Rechtsnachfolger, jedoch sei die Kenntnisnahme der neuen Eigentümer in erheblich geringerem Maße als bei einem grundbuchlich gesicherten Recht sichergestellt, da sie im Wesentlichen von dem Willen der Voreigentümer abhänge. Die Pflicht zur Eintragung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit in das Grundbuch sei erforderlich und angemessen, denn ein gleich sicheres, milderes Mittel zur Sicherstellung der Beachtung der Höchstgrenze auch im Falle des Eigentumsübergangs sei nicht vorhanden. Die vom Gesetzgeber der Miethöchstgrenze beigemessene Bedeutung und der klare gesetzliche Auftrag sie durchzusetzen, der kein Ermessen einräume, rechtfertigten die Belastung der Eigentümer mit den Kosten und der Mühe der Eintragung sowie der entsprechenden Einschränkung ihres Eigentumsrechts an dem Grundstück.
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13
Gegen die Nebenbestimmungen 1 bis 8 in dem Bescheid vom 17. Juli 2019 legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, der Anwendungsbereich des ZwVbG sei nicht eröffnet. Bei den Wohnungen im Hinterhaus handele es sich nicht um Wohnraum i.S.v.
§ 1 Abs. 3 Satz 1 ZwVbG
. Die Räumlichkeiten seien wegen gesundheitsgefährdender Asbestplatten, fehlender Stromleitungen, Heizkörper und Kesselanlage sowie brüchiger Fassade nicht bewohnbar. Überdies sei eine Zweckentfremdung auch nach
§ 2 Abs. 2 Ziffer 3 ZwVbG
ausgeschlossen, da hinsichtlich des Hinterhauses seit mehreren Jahren ein nicht von ihm verursachter Leerstand vorliege. Der zu schaffende Ersatzwohnraum solle ausschließlich der Eigennutzung durch ihn und seine Kinder sowie deren Familien dienen. Die Nebenbestimmungen in Ziffer 7 und 8 des angegriffenen Bescheides seien daher nicht zweckdienlich und deshalb – die Anwendung des ZwVbG unterstellt – aufzuheben. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin sei die Mietpreisobergrenze gemäß
§ 3 Abs. 4 ZwVbVO
überdies nichtig.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2019 wies das Bezirksamt den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Bei den Wohnungen handele es sich um Wohnraum im Sinne des ZwVbG. Sofern der Kläger die tatsächliche Eignung der Räumlichkeiten zum Wohnen wegen gesundheitsgefährdender Asbestplatten, fehlender Stromleitungen, fehlender Heizkörper, fehlender Kesselanlagen und brüchiger Fassaden bestreite, ändere dies an der Entscheidung nichts. Der von ihm vorgetragene mängelbehaftete Zustand der Wohnungen sei durch zumutbaren Aufwand behebbar. Er habe auch nicht nachgewiesen, dass die Wohnungen nicht vermietbar seien. Ernsthafte Vermietungsbemühungen habe er nicht dargelegt, sondern nur vorgetragen, der Leerstand sei von ihm nicht zu vertreten. Auch bei einer zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung beabsichtigten Eigennutzung sei nach Ziffer 19.8 der Ausführungsvorschriften über das Verbot der Zweckentfremdung (AV – ZwVb) i.d.F. der 2. Änderung vom 25. Februar 2019 sicherzustellen, dass bei einer späteren Vermietung die Mietobergrenze eingehalten werde.
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Der Kläger hat am 4. Januar 2020 Klage gegen die Nebenbestimmungen zu Ziffer 1 bis 8 in dem Bescheid vom 17. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2019 erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus der Widerspruchsbegründung. Eine Wiederherstellung der derzeit unbewohnbaren Räume zu Wohnzwecken sei ihm unzumutbar. Eine Unzumutbarkeit der Wiederherstellung zu Wohnzwecken sei auch dann anzunehmen, wenn die Kosten des Modernisierungs- bzw. Renovierungsaufwandes die Kosten des Abbruches zuzüglich der Neuerrichtung eines vergleichbaren Gebäudes erreichten. Die beiden Wohnungen im Hinterhaus stünden u.a. aufgrund des gesundheitsgefährdenden Zustandes seit fünf Jahren leer. Er bestreitet mit Nichtwissen, dass der Voreigentümer die Wohnungen noch vor fünf Jahren bewohnt habe. Die Dächer des Hinterhauses seien mit gesundheitsgefährdendem Asbest belastet, da der Voreigentümer dort Eternitplatten verbaut und durchbohrt habe. Die Holzfenster und Eingangstüren seien undicht. Zudem verursachten die vielen Anbauten am Hinterhaus Risse. Ferner seien Vorder- und Hinterhaus nicht unabhängig voneinander, da sämtliche Leitungen im Vorderhaus angeschlossen seien. Zur Gewährleistung einer Trennung sei eine umfangreiche Sanierung notwendig. Auch die eingereichten Stellungnahmen zweier Baufirmen sowie das Angebot einer weiteren Baufirma für die Wiederherstellung des Vorder- und Hinterhauses bestätigten die Unzumutbarkeit der Wiederherstellung zu Wohnzwecken. Bei Zugrundelegung der kleineren Wohnfläche des Altbestandes könnten die eingesetzten finanziellen Mittel nicht innerhalb von zehn Jahren durch die erzielbare Rendite ausgeglichen werden. Es hätte dem Beklagten im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht oblegen, eine Begehung über den Zustand des Hinterhauses vorzunehmen. Bei fehlender oder mangelhafter Aufklärung des Sachverhaltes leide der Verwaltungsakt an einem Verfahrensfehler, der zu seiner Rechtswidrigkeit führe. Das ZwVbG sei schon deshalb nicht anwendbar, da er mit seinem Neubau mehr Wohnraum als im Altbestand geschaffen habe.
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Überdies seien insbesondere die zu Ziffer 7 und 8 des Bescheides erlassenen Nebenbestimmungen rechtswidrig. Hinsichtlich der Miethöhenobergrenze von 7,92 Euro missachte der Beklagte Sinn und Zweck des ZwVbG sowie des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln). Ziel des ZwVbG sei die Sicherstellung der Wohnraumversorgung für die Bevölkerung des Landes Berlin. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Genehmigung der Zweckentfremdung seien verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass Ersatzwohnraum dann als angemessener Ausgleich für den Verlust von Wohnraum anzusehen sei, wenn er die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung dazu aufgestellten Eignungskriterien aufweise. Darüber hinaus dürften keine weiteren Anforderungen wie eine maximale Miethöhe gestellt werden.
§ 3 Abs. 4 ZwVbVO
sei zudem unverhältnismäßig, da eine einheitliche und starre staatliche Mietobergrenze, die von jedem Marktbezug entkoppelt sei, keine sachgerechte Einschränkung der Privatautonomie der Mietvertragsparteien darstelle. Die Einführung einer Mietpreisregulierung habe allein durch das MietenWoG Bln – unabhängig von dessen Verfassungskonformität – stattfinden sollen. Der von ihm zu schaffende Neuwohnraum unterfalle jedoch gerade nicht dem Anwendungsbereich des MietenWoG Bln. Der Landesgesetzgeber widerspreche sich, wenn bei der Frage der Mietenregulierung neu geschaffener Wohnraum einerseits nach dem MietenWoG privilegiert sei, diese Privilegierung jedoch durch das ZwVbG wieder aufgehoben werde. Dies widerspreche dem Grundsatz der Normenklarheit. Die Nebenbestimmungen zu Ziffer 1 bis 6 stünden in untrennbarem rechtlichem Zusammenhang zu den Nebenbestimmungen 7 und 8.
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Der Kläger beantragt wörtlich,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2019 zu verpflichten, die beantragte Genehmigung zum Abriss des Hinterhauses auf dem Grundstück A ... , ohne die Nebenbestimmungen zu Ziffer 1 bis 8 zu erteilen,
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hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2019 zu verpflichten, die beantragte Genehmigung zum Abriss des Hinterhauses auf dem Grundstück A ... , ohne die Nebenbestimmungen zu Ziffer 7 und 8 zu erteilen,
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festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, das Hinterhaus auf dem Grundstück A ... , ohne Beachtung der Nebenbestimmungen zu Ziffer 1 bis 8 in dem Bescheid vom 17. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2019 abzureißen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen die Begründung des Widerspruchsbescheides. Auch die vom Kläger vorgelegten Schreiben der Baufirmen führten nicht zu der Annahme, der erforderliche Modernisierungs- und Renovierungsaufwand sei ihm nicht mehr zumutbar. Es handele sich dabei lediglich um subjektive Einschätzungen der Baufirmen, hingegen nicht um eine unabhängige Begutachtung des Modernisierungs- bzw. Renovierungsaufwandes. Die Räumlichkeiten seien keine Wohnraumruine. Die Wohnungen seien noch fünf Jahre vor Antragstellung vom Eigentümer selbst bewohnt worden.
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Der Kläger hat das Hinterhaus zwischenzeitlich abreißen lassen und dem Bezirksamt am 30. Oktober 2021 die Bezugsfertigkeit des Ersatzwohnraums zum 1. Dezember 2021 angezeigt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten (ein Hefter) Bezug genommen, der vorgelegen hat und – soweit erheblich – Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist. | |
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 02.12.2019 wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen. | 1
Streitig ist der Fortbestand der Familienversicherung der Klägerin im Zeitraum vom 01.11.2014 bis 28.02.2016.
2
Die 1970 geborene Klägerin war und ist mittlerweile wieder über ihren Ehemann, den Beigeladenen, bei der Beklagten familienversichert. Nachdem sie auf Nachfrage der Beklagten sowohl 2014 als auch 2015 erklärt hatte, für die Zeit ab 01.01.2012 bzw 01.01.2014 über keine Einkünfte zu verfügen, gab sie im Schreiben vom 12.08.2016 erstmals an, aus Vermietung Einkünfte erzielt zu haben. Nach erfolgloser Aufforderung an die Klägerin zur Vorlage der Einkommensteuerbescheide holte die Beklagte im Wege der Amtshilfe bei dem Finanzamt entsprechende Auskünfte ein. Aus den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2007 bis 2012 ergaben sich keine positiven Einkünfte der Klägerin. Nach dem am 24.10.2014 ausgestellten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 verfügte die Klägerin jedoch neben negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von minus 398 EUR über Einkünfte aus Kapitalvermögen iHv 6.256 EUR. Nach dem am 10.02.2016 ausgestellten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 betrugen die Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen 2.532 EUR, die aus Vermietung und Verpachtung minus 369 EUR.
3
Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 25.09.2017 wegen Überschreitens der in 2013 gültigen Einkommensgrenze zur Unterbrechung der Familienversicherung ab dem 01.11.2014 bis 28.02.2016 an. Hierzu äußerte sich die Klägerin nicht. Mit einem an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 13.10.2017 entschied die Beklagte dann, dass die kostenfreie Familienversicherung der Klägerin für die Zeit vom 01.11.2014 bis zum 28.02.2016 nicht bestand, da für diesen Zeitraum das monatliche Gesamteinkommen der Klägerin über der für die Familienversicherung geltenden Einkommensgrenze gelegen habe. Zugleich bot sie der Klägerin eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten für diesen Zeitraum an. Anderenfalls müsse der Austritt aus der Mitgliedschaft erklärt werden, was aber nur möglich sei, sofern ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen werde. Die Klägerin legte hiergegen gemeinsam mit dem Beigeladenen Widerspruch ein, da sie kein Beschäftigungsverhältnis und keine regelmäßigen Einnahmen gehabt habe, die ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße überschritten hätten. Aus den von der Beklagten angeforderten Unterlagen des Finanzamts ergebe sich, dass im Jahr 2014 das monatliche Gesamteinkommen 180,25 EUR betragen und somit unter der maßgeblichen Einkommensgrenze gelegen habe.
4
Mit Schreiben vom 19.04.2018 erläuterte die Beklagte der Klägerin und dem Beigeladenen die Voraussetzungen der Familienversicherung. Das monatliche regelmäßige Einkommen laut Einkommensteuerbescheid 2013 habe bei 488,17 EUR gelegen. Somit liege das Einkommen für 2014, 2015 und 2016 über der Gesamteinkommensgrenze für die Familienversicherung, die damit zu beenden sei.
5
Nachdem die Klägerin in der Folgezeit keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfalle nachgewiesen hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 08.05.2018 die obligatorische Anschlussversicherung für den streitigen Zeitraum fest und bezifferte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.11.2014 auf monatlich 686,48 EUR, ab dem 01.01.2015 auf 711,57 EUR und ab dem 01.01.2016 auf 739,44 EUR. Für die Zeit vom 01.11.2014 bis zum 28.02.2016 bestehe noch ein offener Betrag in Höhe von 11.341,38 EUR.
6
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2018 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.10.2017 zurück. Zur Begründung stellte sie die rechtlichen Grundlagen der Familienversicherung und der Berechnung des Gesamteinkommens sowie die verfahrensrechtlichen Bestimmungen für das Meldeverfahren bei Durchführung der Familienversicherung sowie für die Aufhebung bzw Rücknahme von Verwaltungsakten dar. Die Krankenkasse könne das Ende der Familienversicherung auch rückwirkend feststellen. Einkommensveränderungen seien, unabhängig vom Zeitpunkt der Nachweisführung, grundsätzlich vom 1. des Folgemonats der Ausstellung des jeweiligen Einkommenssteuerbescheides zu berücksichtigen, vorliegend somit die Einkünfte aus dem Einkommensteuerbescheid für 2013 ab dem 01.11.2014 bis zum 28.02.2016. Das ab dem 01.11.2014 bis 28.02.2016 zu berücksichtigende Gesamteinkommen sei höher als die in den Jahren 2014 (395 EUR), 2015 (405 EUR) und 2016 (415 EUR) gültigen monatlichen Gesamteinkommensgrenzen. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Familienversicherung mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) seien gegeben, da die Klägerin insbesondere spätestens durch den vom Finanzamt im Oktober 2014 erstellten Einkommensteuerbescheid davon Kenntnis gehabt habe, dass ihr Gesamteinkommen höher als die zulässige Gesamteinkommensgrenze sei. Der Bescheid gelte auch für die Pflegeversicherung.
7
Hiergegen hat die Klägerin hat am 03.09.2018 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben mit der Begründung, sie habe im Jahr 2013 nicht regelmäßig Einkünfte erzielt, die oberhalb der gültigen Einkommensgrenze gelegen hätten. Sie sei Miteigentümerin eines Depots, aus welchem Jahr 2013 Verkäufe getätigt worden seien und aus dem sie aus Verkauf und Dividenden anteilig Einkünfte erzielt habe. Die maßgebliche Einkommensgrenze sei damit nur in vier von zwölf Monaten des Jahres 2013 überschritten worden. Die Prüfung der Voraussetzungen der Familienversicherung erfordere eine Prognose unter Einbeziehung der mit hinreichender Sicherheit zu erwartenden Veränderungen. Abgesehen davon stelle die Beklagte darauf ab, wann der Einkommensteuerbescheid 2014 erstellt worden sei, und damit auf einen beitragsrechtlich, nicht aber statusrechtlich relevanten Aspekt. Die Klägerin hat noch die Erträgnisaufstellungen für das Depot der Klägerin und des Beigeladenen bei der Bank ... für die Jahre 2013 bis 2015 vorgelegt, ferner den Einkommensteuerbescheid für 2013, den der Beigeladene aber für falsch halte; er sei bemüht, einen korrigierten Steuerbescheid beizubringen.
8
Mit Beschluss vom 13.03.2019 hat das SG den Ehemann der Klägerin als Stammversicherten zu dem Rechtstreit beigeladen und mit Urteil vom 02.12.2019 der Klage unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Feststellung des Weiterbestehens der Familienversicherung im streitgegenständlichen Zeitraum vollumfänglich stattgegeben. Die Voraussetzungen für die Familienversicherung seien auch in der Zeit ab dem 01.11.2014 bis 28.02.2016 erfüllt. Die Klägerin habe im Jahr 2013 über Kapitalerträge in Höhe von 6.256 EUR verfügt. Nach Abzug der negativen Einkünfte habe sich noch ein monatliches Einkommen in Höhe von gerundet 488,17 EUR ergeben und damit mehr als der in § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bestimmten Grenze. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Verteilung der Einkünfte im Kalenderjahr unbeachtlich, da schwankendes Einkommen für Kapitaleinkünfte typisch sei, so dass von dem gezwöftelten Jahreseinkommen auszugehen sei. Dieses Einkommen führe jedoch nicht dazu, dass ab dem 01.11.2014 bis 28.02.2016 ein regelmäßiges Überschreiten der maßgeblichen Einkommensgrenze vorgelegen habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei insoweit eine „rückblickend vorausschauende Betrachtung" und damit eine Prognose vorzunehmen. Auch dann habe rückblickend nur für solche Zeiträume keine Familienversicherung bestanden, zu deren Beginn - gegebenenfalls anhand der durchschnittlichen Verhältnisse der vergangenen Zeit - bereits absehbar gewesen sei, dass die insoweit geltenden Voraussetzungen nicht erfüllt würden. Es sei damit prognostizierend zu befinden, welche Einkünfte mit hinreichender Sicherheit zu erwarten seien. Ausgehend hiervon sei ein regelmäßiges Überschreiten der Einkommensgrenze nach den für den 01.11.2014 bekannten Verhältnissen für den Zeitraum ab dem 01.11.2014 nicht zu erwarten gewesen. Nach der Rspr des BSG werde ausgehend von der Summe der Einkünfte aus dem Einkommensteuerbescheid des jeweiligen Jahres entschieden, ob die Voraussetzungen für die Familienversicherung in diesem Jahr gegeben seien. Da die Beklagte das Ende der Familienversicherung erst ab dem 01.11.2014 festgestellt habe, könne dahingestellt bleiben, ob die Familienversicherung nur für das Jahr 2013 (wegen der Aktienverkäufe ggfls erst ab der Jahresmitte) rückwirkend hätte beendet werden dürfen. Bei einer Prognose ausgehend von den Verhältnissen des Jahres 2013 habe ab dem 01.11.2014 keine Überschreitung der Einkommensgrenze vorgelegen. Denn einmalige, zeitbezogene Einkünfte seien bei der Schätzung nur dann zu berücksichtigen, wenn sie mit hinreichender Sicherheit zu erwarten gewesen seien. Da sich die höheren Einkünfte 2013 hauptsächlich aus Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien ergeben hätten, die in diesem Umfang 2014 und 2015 nicht mehr erzielt worden seien, habe eine positive Prognose jedenfalls zum 01.11.2014 nicht mehr vorgelegen. Hinzu komme, dass die Klägerin nach den jeweiligen Einkommensteuerbescheiden in den Jahren bis 2012 keine Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt habe. Nach den Einkommensteuerbescheiden für 2014 und 2015 sei die jeweilige Einkommensgrenze als Voraussetzung der Familienversicherung in diesen Jahren zudem eingehalten worden. Nach alledem ergebe eine Schätzung ausgehend von den Verhältnissen am 01.11.2014, dass zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht mit einem regelmäßigen Gesamteinkommen zu rechnen gewesen sei, das die Einkommensgrenze überstieg.
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Gegen das ihr am 16.01.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.02.2020 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt mit der Begründung, entgegen der Meinung des Gerichts habe es sich bei den Einkünften in 2013 nicht um einen einmaligen Aktienverkauf gehandelt, sondern um regelmäßige Kursgewinne. Die Klägerin habe in den Bestandspflegebögen immer wieder Falschangaben gemacht. Im Jahr 2013 und 2014 habe sie angegeben, dass keine sonstigen Einkünfte bezogen würden. Auf Vertrauen könne sie sich nicht berufen, da sie wissentlich Falschangaben gemacht habe. Zudem seien die angeforderten Unterlagen (Steuerbescheide) nie eingereicht worden. Eine vorausschauende Prüfung habe die Berufungsklägerin nicht durchführen können, da die Klägerin ihre Einkünfte der Beklagten gegenüber unterschlagen habe.
10
Die Beklagte beantragt,
11
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 02.12.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
12
Die Klägerin beantragt,
13
die Berufung zurückzuweisen.
14
Sie hat auf ihren Vortrag erster Instanz sowie auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen und hinzugefügt, neben regelmäßigen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Jahr 2013 einmalig über Kapitalerträge verfügt zu haben, weil der Ehemann aus dem gemeinsamen Depot Aktien veräußert habe. Regelmäßige Einkünfte aus Kapitalerträgen, welche die Einkommensgrenze überschritten hätten, habe sie zu keinem Zeitpunkt erzielt.
15
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen. | |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2014 - 11 Ca 9036/13 2 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Die Beklagte betreibt ein Versicherungsunternehmen und beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Der am xxxxxxxx geborene, ledige Kläger ist seit 1. April 2001 als Leiter Field Account zu einer Bruttomonatsvergütung von 5045 € bei der Beklagten beschäftigt.
Der Kläger befand sich seit 29. April 2011 in Untersuchungshaft. Im September 2012 verurteilte ihn das Landgericht Frankfurt am Main zu einer Freiheitsstrafe von 10,5 Jahren wegen Totschlags. Im November 2013 hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück (Bl. 127-130 d.A.). Mit Schreiben vom 27. November 2013 (Bl. 71 der Akten) hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu einer ordentlichen Kündigung des Klägers zum 31. April 2014 an. Der Betriebsrat stimmte dieser Maßnahme am 3. Dezember 2013 zu (Bl. 72 d.A.). Daraufhin kündigte die Beklagte am 5. Dezember 2013 dem Kläger ordentlich zum 31. Mai 2014 (Bl. 3 d.A.). Im Juli 2014 wurde der Kläger vom Landgericht Frankfurt am Main zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 9 Monaten wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. Am 10. November 2014 wurde der Kläger aus der Untersuchungshaft entlassen. Seit 16. Januar 2015 befindet sich der Kläger in Haft in der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt.
Mit seiner am 12. Dezember 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger sich gegen die Wirksamkeit dieser Kündigung gewandt.
Hinsichtlich der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichts (Bl. 137-138R der Akten) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Kündigung sei aus personenbedingten Gründen gerechtfertigt, weil zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt gewesen sei, dass der Kläger für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein werde, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Die Kündigung sei auch nicht nach § 102 BetrVG unwirksam. Das pauschale Bestreiten der vom Arbeitgeber vorgelegten schriftlichen Betriebsratsanhörung mit Nichtwissen sei unbeachtlich.
Dieses Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 20. Juli 2014 zugestellt. Er hat dagegen am 21. August 2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 25. Oktober 2014 am 15. Oktober 2014 begründet.
Der Kläger ist der Auffassung, die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Tatsachen, die das Arbeitsgericht zur Begründung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung des Klägers verwertet habe, seien nicht Gegenstand der Information des Betriebsrats gewesen. Im Prozess habe die Beklagte nicht dargelegt, welche Kündigungstatsachen sie dem Betriebsrat geschildert habe. Es fehle jeder Bezug auf eingetretene betriebliche Störungen. Das zunächst erfolgte Bestreiten der Übergabe des Anhörungsschreibens an den Betriebsrat wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 26. Januar 2015 nicht aufrechterhalten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2014 -11 Ca 9036/13- abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 5. Dezember 2013 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die schriftliche Betriebsratsanhörung (Bl. 71 der Akten) sei ausreichend. Aus subjektiver Sicht der Beklagten sei Grund für die Kündigung die haftbedingte Abwesenheit des Klägers. Dies sei dem Betriebsrat im Anhörungsschreiben mitgeteilt worden. Die Beklagte habe die zu erwartende Fortdauer der Situation geschildert und dargelegt, dass sie deshalb das Arbeitsverhältnis nicht aufrechterhalten könne. Mündlich habe die Mitarbeiterin der Personalabteilung, Frau T, dem Betriebsratsvorsitzenden mitgeteilt, dass nach der Presseberichterstattung ein Freispruch des Klägers nicht zu erwarten sei, sondern mit einer erneuten Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe gerechnet werden müsse. Das Anhörungsschreibens sei dem Betriebsratsvorsitzenden von Frau T persönlich am 27. November 2013 übergeben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen. | |
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin wegen überlanger Dauer des vor dem
Sozialgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen S 8 U 161/12
geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 2.500 Euro zuzüglich Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 26. August 2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu 1/3, die Klägerin zu 2/3 zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Die Klägerin begehrt eine Entschädigung für die Dauer des erstinstanzlichen Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (S 8 U 187/06, fortgeführt unter
S 8 U 161/12
). Die Klageerhebung in diesem Verfahren erfolgte am 13. Juli 2006, das erstinstanzliche Verfahren endete mit Urteil vom 20. Januar 2015. Die Berufung ist am Hessischen Landessozialgericht anhängig (Az. L 3 U 29/15).
In dem Ausgangsverfahren stritt die Klägerin mit der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (BG) um die Entschädigung eines als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannten Wegeunfallereignisses vom 25. November 2002. An diesem Tag war die 1968 geborene Klägerin auf dem Heimweg von ihrer Arbeitsstelle auf einem Zebrastreifen von einem Pkw erfasst worden. Mit dem im Ausgangsverfahren streitgegenständlichen Bescheid von 15. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2006 erkannte die BG als Unfallfolgen an: "Nach operativer Versorgung und Rekonstruktion ohne Funktionseinschränkungen verheilte Jochbeinfraktur links, Jochbogenfraktur links, Orbitalbogenfraktur links, Kieferhöhlenwandfraktur links, Abriss des Nervus infraorbitalis sowie das Zurücksinken des linken Augapfels in die Orbita um 2 mm." Eine Rente wegen des Versicherungsfalls lehnte die BG ab, da die Erwerbsfähigkeit nicht in rentenberechtigendem Grad über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus gemindert sei. Mit ihrer am 13. Juli 2006 zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Feststellung weiterer Unfallfolgen, Verletztengeld und eine Unfallrente. Der Verlauf des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (
S 8 U 161/12
) gestaltete sich im Wesentlichen wie folgt:
Juli 2006
Klageeingang ohne Antrag und Begründung (Az. S 8 U 187/06)
August 2006
Akteneinsicht durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin (VdK) mit Ankündigung einer Klagebegründung
November 2006
Erinnerung an die Klagebegründung
März 2007
Eingang der Klagebegründung / Beweisanordnung für ein Sachverständigengutachten bei Dr. C.
August 2007
Eingang des Sachverständigengutachten von Dr. C.
November 2007
Beklagte übersendet eine beratungsärztliche Stellungnahme / eine ergänzende Stellungnahme beim Sachverständigen wird angefordert
Januar 2008
Eingang der ergänzenden Stellungnahme von Dr. C.
März 2008
Beklagte übersendet weitere beratungsärztliche Stellungnahme / weitere ergänzende Stellungnahme wird beim Sachverständigen angefordert
Mai 2008
Eingang der weiteren ergänzenden Stellungnahme von Dr. C. / Beweisanordnung für ein Sachverständigengutachten bei Dr. D.
November 2008
Eingang des Sachverständigengutachtens von Dr. D.
Januar 2009
Beweisanordnung für ein Sachverständigengutachten bei Dr. E.
März 2009
Änderung der Beweisanordnung, neuer Sachverständiger Dr. F.
April 2009
Genehmigung der Taxikosten für die Klägerin für die Untersuchung durch den Sachverständigen
Mai 2009
Sachverständiger sendet Akten zurück, da die Klägerin nicht zur Untersuchung erschienen ist / VdK legt Mandat nieder
Juni 2009
Klägerin beantragt und nimmt Akteneinsicht bei Gericht
Juli 2009
Anhörung zum Gerichtsbescheid / Klägerin übersendet 40 Fragen an Sachverständigen Dr. C. und 42 Fragen an Sachverständigen Dr. D.
August 2009
Beklagte übersendet Stellungnahme zu den Sachverständigengutachten
September 2009
Klägerin beantragt bei dem Beklagten die Löschung des Gutachtens von Dr. G. aus dem Verwaltungsverfahren
November 2009
Beklagte übersendet Bescheid über den Löschungsantrag / Sozialgericht (SG) beschließt die Aussetzung des Verfahrens mit Beschluss vom 25. November 2009
November 2011
Landessozialgericht hebt auf die Beschwerde der Klägerin den Aussetzungsbeschluss auf mit Beschluss vom 1. November 2011 (L 3 U 274/09 B)
Januar 2012
Verzögerungsrüge / Sozialgericht setzt das Verfahren fort (neues Aktenzeichen:
S 8 U 161/12
) / Klägerin übersendet 42 Fragen an Dr. C. / Beklagte regt die Beiziehung Akten der DRV Bund an
Februar 2012
Klägerin widerspricht der Aktenbeiziehung / Beklagte legt die ärztliche Stellungnahme von Dr. H. vor
März 2012
Klägerin beantragt ein unfallanalytisches Gutachten
April 2012
Klägerin erinnert wiederholt an die Übersendung ihrer Fragen an die Sachverständigen
Juni 2012
Beklagte übersendet unfallanalytische Gutachten aus dem Zivilprozess
Juli 2012
Klägerin widerspricht der Verwertung der Gutachten aus dem Zivilprozess
September 2012
Beweisanordnung für ein Sachverständigengutachten bei Dr. J. und Hinweisschreiben an die Klägerin
Oktober 2012
SG fordert Aufnahmen der Kernspintomographie bei der Klägerin an
Dezember 2012
SG ergänzt Beweisfragen und übersendet die Aufnahmen an den Sachverständigen
Januar 2013
Verzögerungsrüge
Februar 2013
Eingang des Sachverständigengutachtens von Dr. J.
März 2013
Beklagte nimmt Stellung zum Sachverständigengutachten / Klägerin beantragt ein Verwertungsverbot für das Sachverständigengutachten von Dr. J., SG lehnt dies mit Beschluss ab
Juni 2013
SG holt ergänzende Stellungnahme bei Dr. J. ein / Klägerin stellt Befangenheitsantrag gegen Kammervorsitzenden / Eingang der ergänzenden Stellungnahme von Dr. J.
August 2013
SG holt ergänzende Stellungnahme bei Dr. C. ein mit den Fragen der Klägerin
Oktober 2013
Eingang der ergänzende Stellungnahme von Dr. C.
November 2013
Beklagte übersendet Stellungnahme zum Sachverständigengutachten von Dr. C.
Dezember 2013
Staatsanwaltschaft fordert Akten an wegen des auf eine Anzeige der Klägerin hin eingeleiteten Ermittlungsverfahrens gegen den Kammervorsitzenden / SG teilt mit, dass die für das 1. Quartal 2014 geplante mündliche Verhandlung nicht anberaumt wird wegen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens
März 2014
Klägerin stellt neuen Klageantrag (Verletztengeld) / Ladung zur mündlichen Verhandlung für den 17. Juni 2014
April 2014
Klägerin beantragt die Ladung der Sachverständigen zum Termin / Beklagte übersendet den Bescheid vom 24. März 2014 zum Verletztengeldanspruch der Klägerin
Juni 2014
Eingang der beim LSG angeforderten Akten beim Sozialgericht am 16. Juni 2014 / Mündlichen Verhandlung am 17. Juni 2014 vertagt, weil (angeblich) Akten nicht vorlagen / Verzögerungsrüge
August 2014
Ladung für den 4. November 2014 / Beklagte übersendet eine ärztliche Stellungnahme
November 2014
Mündliche Verhandlung am 4. November 2014: vertagt, weil die Ladung an die Beklagte nicht versandt wurde / Verzögerungsrüge / Ladung für den 20. Januar 2015 / Befangenheitsantrag gegen den Kammervorsitzenden
Januar 2015
Mündliche Verhandlung am 20. Januar 2015 mit Urteil
Die Klägerin hat am 10. Januar 2012 zum ersten Mal Verzögerungsrüge erhoben und sich am 20. Februar 2014 mit ihrem Entschädigungsbegehren - zunächst im Wege eines Prozesskostenhilfeantrags - an das Landessozialgericht gewandt. Mit Beschluss des Senats vom 20. Mai 2016 ist der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25. August 2016, eingegangen bei Gericht am Folgetag, hat die Klägerin Entschädigungsklage zum Landessozialgericht erhoben.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24. Februar 2017 hat sie den geltend gemachten Entschädigungsanspruch auf das erstinstanzliche Verfahren beschränkt und Schadensersatz in Höhe von mindestens 1.200 Euro jährlich für die Zeit von Juli 2009 bis Februar 2014 beantragt. Die Klägerin meint, dass für die Zeit der Aussetzung des erstinstanzlichen Klageverfahrens von November 2009 bis Januar 2012 eine Entschädigung zu zahlen sei. Sie vertritt die Auffassung, dass ihr kein Mitverschulden bei der Prozessführung angelastet werden könne, da sie lediglich ihre prozessualen Rechte wahrgenommen habe. Sie habe viele Jahre warten müssen, bis sie ihr Fragerecht bezüglich der Sachverständigen zumindest teilweise habe wahrnehmen können. Zudem sei für die Entschädigung die existentielle Bedeutung der streitbefangenen Unfallrente für sie zu berücksichtigen. Ihre jahrelangen Entbehrungen und die ihrer Kinder sowie deren körperlicher Verfall seien in die Bemessung der Entschädigung mit einzubeziehen. Daher sei eine Entschädigung von mindestens 6.000,00 Euro angemessen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihr eine Entschädigung in Höhe von mindestens 1.200,00 Euro jährlich für die Zeit von Juli 2009 bis Februar 2014 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält die Entschädigungsklage für unbegründet. Er meint, nicht das Sozialgericht, sondern die Klägerin sei für die lange Verfahrensdauer verantwortlich, da sich das Verfahren durch ein in weiten Teilen unsachgemäßes und querulatorisches Prozessverhalten der Klägerin verzögert habe. Bei der Klägerin handele es sich um eine Dauer- bzw. Intensivklägerin, die allein im Zeitraum vom 13. Juli 2006 bis zum 14. Dezember 2014 102 Verfahren am Sozialgericht Frankfurt anhängig gemacht habe.
Im Hinblick auf den Verfahrensstillstand während der Zeitdauer der Aussetzung des Verfahrens meint der Beklagte, dass dies nicht dem Sozialgericht angelastet werden könne, sondern - wenn überhaupt - auf eine Verzögerung des Beschwerdeverfahrens L 3 U 274/09 B zurückzuführen sei. Es handele sich bei dem Beschwerdeverfahren um ein eigenständiges Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 6 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Eine Entschädigung für die Verzögerung in diesem Verfahren hätte die Klägerin gesondert geltend machen müssen.
Ein gerichtlicher Vergleichsvorschlag mit Beschluss des Senats vom 10. März 2017 wurde von der Klägerin nicht angenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (
S 8 U 161/12
), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen. | |
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts
Neuruppin vom 12. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren
nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) von 50 ab dem 17. März 2004.
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2
Die 1946 geborene Klägerin ist von Beruf Lehrerin und an einer allgemeinen Förderschule für Lernbehinderte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 26 Stunden tätig.
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3
Am 17. März 2004 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten unter Hinweis darauf, dass sie an einem Diabetes mellitus, einer Hyperlipoproteinämie, an Bluthochdruck sowie einem Lendenwirbelsäulensyndrom leide, für sie einen GdB festzustellen. Der Beklagte zog den Entlassungsbericht der Reha-Klinik B in Bad D der (ehemaligen) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 12. März 2004 über eine im Zeitraum vom 29. Januar bis zum 4. März 2004 durchgeführte Rehabilitationsbehandlung bei und holte ärztliche Auskünfte der Fachärztin für Innere Medizin Prof. Dr. S vom 9. Juni 2004 sowie der praktischen Ärztin R vom 11. Oktober 2004 ein. Der daraufhin veranlassten gutachtlichen Stellungnahme des Facharztes für Allgemeinmedizin M vom 27. November 2004 folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 30. Dezember 2004 einen Gesamt-GdB von 40ab dem 17. März 2004 (Antragstellung) aufgrund folgender Behinderungen fest:
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4
Diabetes mellitus (Einzel-GdB 40)
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 10)
Bluthochdruck (Einzel-GdB 10).
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5
Der bestehenden Fettstoffwechselstörung, der Schilddrüsenvergrößerung sowie der festgestellten Allergie komme keine Relevanz bei der Bildung des Gesamt-GdB zu. Gleichzeitig stellte der Beklagte fest, dass eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit („d. E.“) nicht gegeben sei. Den gegen den Bescheid erhobenen Widerspruch wies der Beklagte nach Einholung erneuter ärztlicher Auskünfte der Internistin Prof. Dr. S vom 27. April 2005 und der praktischen Ärztin R vom 24. September 2005 sowie von versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S vom 20. Oktober 2005 und der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. F vom 13. Dezember 2005 mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2006 zurück.
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6
Die Klägerin hat am 21. Februar 2006 Klage vor dem Sozialgericht Neuruppin erhoben, mit der sie die Feststellung eines Gesamt-GdB von wenigstens 50 begehrt hat.
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7
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht der Internistin Prof. Dr. S vom 26. September 2006 und des Arztes für Augenheilkunde Dr. Dr. B vom 17. Oktober 2006 eingeholt. Der Beklagte hat versorgungsärztliche Stellungnahmen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. G vom 2. August 2006 und des Versorgungsarztes Dr. J vom 13. November 2006 zu den Gerichtsakten gereicht.
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Sodann hat das Sozialgericht den Chirurgen und Sozialmediziner Dr. B mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser gelangt nach ambulanter Untersuchung der Klägerin in seinem Gutachten vom 13. April 2007 zu der Einschätzung, dass folgende Funktionsbeeinträchtigungen gegeben seien:
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Diabetes mellitus (Einzel-GdB 40)
Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule (Einzel-GdB 10)
Bluthochdruck (Einzel-GdB 10).
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Der Diabetes mellitus sei unter Ausschöpfung des maximalen Ermessenspielraumes bewertet worden. Nach Untersuchung der Klägerin und Auswertung des MRT-Untersuchungsbefundes der Ärztin für Radiologie Sch vom 27. Februar 2007 sowie der Röntgenbefunde der Fachärzte für Orthopädie/Chirotherapie Dipl.-med. R/Dipl.-med. K vom 7. Februar 2007 seien im Hals- und Brustwirbelsäulenabschnitt keine funktionellen Auswirkungen und im Bereich der Lendenwirbelsäule infolge Bandscheibenvorfalls (L 5/S 1) nur geringe funktionelle Auswirkungen aufgrund einer geringfügigen Fehlhaltung und aufgrund von geringfügigen Verschleißerscheinungen festzustellen. Der Gesamt-GdB betrage seit März 2004 durchgängig 40.
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Nachdem die Klägerin eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geltend gemacht hatte, hat das Sozialgericht einen Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dipl.-med. K vom 27. November 2007 eingeholt. Hierzu hat der Beklagte eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Versorgungsärztin Dr. W vom 28. Januar 2008 zu den Gerichtsakten gereicht.
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Sodann hat das Sozialgericht den Facharzt für Orthopädie Dr. M mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser gelangt nach ambulanter Untersuchung der Klägerin in seinem Gutachten vom 4. März 2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 12. Juni 2008 zu der Einschätzung, dass bei der Klägerin folgende Funktionsbehinderungen vorlägen:
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Diabetes mellitus (Einzel-GdB 40)
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 30)
Bluthochdruck (Einzel-GdB 10).
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Die Fettstoffwechselstörung, die Schilddrüsenvergrößerung sowie die überdies bestehende Allergie bedingten keinen GdB. Aufgrund des chronischen Zervikal-Syndroms mit Ausstrahlung in die Arme, des chronischen Lumbal-Syndroms mit Ausstrahlung in die Beine, der Bandscheibenabnutzung sowie des Bandscheibenvorfalls L5/S1 seien degenerative Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten gegeben. Die genannten Funktionsbeeinträchtigungen bestünden nach Aussage der Klägerin seit Jahren. Eine Veränderung seit dem Antragsmonat (März 2004) sei nicht gegeben. Der GdB sei insgesamt mit 50 zu bemessen.
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Der Beklagte hat versorgungsärztliche Stellungnahmen der Versorgungsärztin Dr. W vom 22. April 2008 und vom 20. Januar 2009 sowie der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. F vom 20. August 2008 zu den Gerichtsakten gereicht.
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Mit Urteil vom 12. Februar 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von wenigstens 50. Die Kammer folge dem Gutachter Dr. B, der zutreffend von einem GdB von 40 ausgegangen sei. Dem Gutachter Dr. M könne demgegenüber nicht gefolgt werden. Angesichts dessen, dass er weitgehend dieselben Untersuchungsbefunde erhoben habe wie der Gutachter Dr. B, diese Untersuchungsbefunde jedoch Funktionsbeeinträchtigungen nur in einem Wirbelsäulenabschnitt erkennen ließen, sei das Wirbelsäulenleiden nicht mit 30, sondern (weiterhin) nur mit 10 zu bemessen.
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Gegen das ihr am 19. März 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. April 2009 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt, die sie zuletzt auf die Feststellung eines GdB von 50 beschränkt hat.
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass mit Dr. M das Wirbelsäulenleiden mit 30 zu bemessen sei, da schwere Funktionsbeeinträchtigungen in allen Wirbelsäulenabschnitten gegeben seien. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen des Orthopäden Dipl.-med. K in seiner Stellungnahme vom 27. April 2009. Die Feststellung eines Gesamt-GdB von 50 sei jedenfalls jetzt gerechtfertigt, weil sie am 29. Januar 2010 einen Hirnstamminfarkt erlitten habe, der Folge ihres Diabetes mellitus und ihres Bluthochdruckleidens sei. Hierzu überreicht sie eine Epikrise der O Kliniken GmbH vom 10. Februar 2010 über ihren dortigen stationären Aufenthalt vom 29. Januar bis zum 4. Februar 2010 sowie den Reha-Entlassungsbericht der B Klink B vom 24. März 2010, in der sie vom 10. Februar bis zum 24. März 2010 stationär behandelt worden war.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 12. Februar 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 30. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2006 zu verpflichten, für die Klägerin ab dem 17. März 2004 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er überreicht eine Stellungnahme der Versorgungsärztin Dr. H vom 7. Juni 2010, nach der der erlittene Hirnstamminfarkt als vorübergehende Gesundheitsstörung einzustufen sei und deshalb nicht zu einem höheren GdB führen könne.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. | |
1. Die Beklagte wird verurteilt,
a) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, jeweils zu vollziehen an einem ihrer Geschäftsführer, zu unterlassen,
aa) die nachfolgend eingeblendeten Bilder im Internet öffentlich zugänglich zu machen oder machen zu lassen:
Bilder Seite 2 bis 8 entfernt
bb) Werbespots für Taschen und Rucksäcke der Marke „ O." zum Vertrieb von Produkten dieser Marke über das Internet anzuzeigen, wie geschehen auf der Website f.- e..de mit Werbespots, die die im Folgenden eingeblendeten Bilder enthalten:
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
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b) der Klägerin Auskunft zu erteilen,
- über welchen Zeitraum die Beklagte die unter Ziff. 1. a) aa) und bb) eingeblendeten Produktbilder und -Videos genutzt hat;
- in welchem Umfang die Beklagte Produkte über Angebote vertrieben hat, in denen die Produktbilder gem. Ziff. 1. a) aa) und die Produktvideos gem. Ziff. 1. a) bb) verwendet wurden, unter Angabe der vollständigen Umsätze nach Art einer geordneten Rechnungslegung sowie des von der Beklagten erzielten Gewinns;
c) an die Klägerin 3.743,24 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.07.2016 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den über Ziff. 1. c) hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der Nutzung der Produktbilder und -videos gem. Ziffer 1. a) aa) und bb) durch die Beklagte entstanden ist.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,00 € vorläufig vollstreckbar. | Randnummer
1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht im Hinblick auf die Nutzung von Produktfotografien sowie Produktvideos. Zudem macht sie Ansprüche auf Erstattung von Abmahnkosten geltend.
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2
Die Klägerin ist Herstellerin von wasserdichten, funktionalen und hochwertigen Produkten im Fahrrad- und Outdoor-Bereich. Sie ist Inhaberin ausschließlicher urheberrechtlicher Nutzungsrechte an den noch streitgegenständlichen, vom einem Mitarbeiter der Klägerin erstellten Produktfotografien. Die Klägerin verfügt zudem über eine ausschließliche Lizenz in Bezug auf die Gemeinschaftsmarke Nummer ... „ O." sowie hinsichtlich der deutschen Marke Nummer ... „ O.". Im Rahmen der vom Markenrechtsinhaber erteilten Lizenz ist die Klägerin berechtigt, die Markenrechte im eigenen Namen geltend zu machen und Schadensersatz einzuziehen.
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3
Die Beklagte betreibt eine Vielzahl von Online-Shops, bspw. unter der Domain www. f1- e..nl. Sie wurde bis September 2014 von dem niederländischen Vertriebshändler J. B.V. (im Folgenden „ J.") mit Produkten der Klägerin beliefert. J. unterhielt wiederum Lieferbeziehungen zur Klägerin. Während der Lieferbeziehungen zwischen J. und der Beklagten stellte die J. der Beklagten zunächst Produktbilder zur Verfügung, welche diese im Rahmen ihrer Onlineshops nutzte. Dagegen hatte die Klägerin keine Einwände erhoben. Die Beklagte erhielt zu diesem Zweck auch Zugang zu einer Online-Bilddatenbank der J.. Im Jahr 2014 richtete die Klägerin ein selektives Vertriebssystem ein. In diesem Zusammenhang schloss die Klägerin mit der J. einen Selektiv-Vertriebsvertrag. Nach diesem Vertrag durfte diese nur noch an Einzelhändler liefern, die die Kriterien der Klägerin für den Selektivvertrieb erfüllen. Da die Beklagte nicht über ein stationäres Handelsgeschäft verfügt, erfüllt sie diese Kriterien nicht. Daher teilte die J. der Beklagten am 16.9.2014 mit, dass sie die Beklagte nicht weiter mit Produkten der Klägerin beliefern werde.
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Nach Beendigung der Lieferbeziehungen im Hinblick auf die O.-Produkte, und zwar am 26.9.2015, richtete die Beklagte ihren Webshop unter der Domain www. f.- e..de ein. Dort nutzte die Beklagte auch noch im Februar 2016 die im Tenor genannten Produktbilder. Zudem bettete die Beklagte zwei Produktvideos (sogen. „Erklärvideo“, Anlage K 8) in ihr Angebot ein, in denen die Wortbildmarke der Klägerin dargestellt wurde. Diese Videos hatte die Klägerin auf der Plattform YouTube unter der dort geltenden Lizenz eingestellt. Von dieser Quelle bettete die Beklagte das Video im Wege eines sogenannten „Inline Links“ ein. In den Nutzungsbedingungen bei YouTube heißt es:
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„Indem sie Nutzerübermittlungen bei YouTube hochladen oder posten, räumen sie... jedem Nutzer der Webseite eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz ein bezüglich des Zugangs zu ihren Nutzerübermittlungen über die Webseite sowie bezüglich der Nutzung, der Reproduktion, dem Vertrieb, der Herstellung derivativer Werke, der Ausstellung und der Aufführung solcher Nutzerübermittlung in dem durch die Funktionalität der Webseite und nach diesen Bestimmungen erlaubten Umfang.
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Die Beklagte bewarb ihre Angebote zudem mit sogenannten Streichpreisen (Anlage K 11), wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob und über welchen Zeitraum die Beklagte die durchgestrichenen Preise tatsächlich forderte.
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Mit Schreiben vom 23.2.2016 mahnte die Klägerin die Beklagte ab und nahm sie auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz wegen Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrechtsverletzung in Anspruch. Hierfür entstanden der Klägerin Abmahnkosten in Höhe von 2.948,90 €, die sie ursprünglich nach einem Gegenstandswert von 250.000 € berechnete. Mit Schreiben vom 20.5.2016 mahnte die Klägerin die Beklagte erneut im Hinblick auf eine geltend gemachte irreführende Werbung durch Streichpreise ab. Insoweit macht die Klägerin Abmahnkosten in Höhe von 1.973,90 € geltend, die sie nach einem Gegenstandswert von 100.000 € berechnet. Eine Unterlassungsverpflichtungserklärung gab die Beklagte lediglich im Hinblick auf den im zweiten Abmahnschreiben geltend gemachten Wettbewerbsverstoß ab.
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8
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin Urheberrechtsverletzungen im Hinblick auf das öffentliche Zugänglichmachen der 82 noch streitgegenständlichen Produktfotos für den Zeitraum nach Beendigung der Belieferung der Beklagten mit O.-Produkten geltend. Die Nutzung der beiden Produktvideos beanstandet die Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer nicht gestatteten markenmäßigen Benutzung der zu ihren Gunsten eingetragenen Zeichen. Der geltend gemachte Ersatz von Abmahnkosten umfasst neben den geltend gemachten Schutzrechtsverletzungen auch den Vorwurf der irreführenden Werbung.
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9
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte sei nach Beendigung der Belieferung mit O.- Produkten auch nicht mehr berechtigt gewesen, die Produktfotos und die Produktvideos für die Bewerbung der Produkte der Klägerin zu nutzen. Mit der Beendigung der Belieferung sei auch die zugunsten der Beklagten wirkende Gestattung der Nutzung der Produktbilder entfallen. Dies folge aus den Grundsätzen der Zweckübertragungslehre. Die Zwischenhändlerin habe mit Abschluss des selektiven Vertriebsvertrages keinerlei Rechtsmacht mehr innegehabt, der Beklagten eine Nutzung der Produkte zu gestatten. Die Klägerin behauptet, J. habe den Zugang der Beklagten zu der Online-Bilddatenbank mit Beendigung der Belieferung gesperrt.
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10
Die Klägerin meint auch, die Nutzung der beiden Marken sei nach Einstellung der Belieferung durch die J. unrechtmäßig gewesen. Insbesondere seien die Rechte an der Marke im Hinblick auf die beworbenen Produkte nicht erschöpft nach § 24 Abs. 1 MarkenG und Art. 13 Abs. 1 UMV. Zwar erschöpfte sich das Ankündigungsrecht. Die werbliche Ankündigung des Wiederverkäufers müsse aber einen konkreten Bezug zum Verkauf der Artikel haben. Vorliegend handele es sich jedoch nur um ein allgemeines „Erklärvideo“ in Bezug auf die Artikel der Klägerin. Die Nutzung eines solchen Videos sei für die Bewerbung der Artikel nicht erforderlich. Jedenfalls aber verstoße die beanstandete Markennutzung gegen berechtigte Interessen der Klägerin. Die Beklagte erwecke den Eindruck, dass eine Handelsbeziehung zwischen ihr und der Klägerin bestehe und sie zum Vertriebsnetz der Klägerin gehöre. Bereits ein solches Vortäuschen einer Sonderbeziehung beeinträchtige den Wert der klägerischen Marken.
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Die Bewerbung mit Streichpreisen sei irreführend im Sinne des § 5 Abs. 4 Satz 1 UWG, weil die Preisherabsetzung nicht näher erläutert worden sei. Einen Nachweis dafür, dass die Beklagte die Streichpreise zuvor überhaupt und für einen angemessenen Zeitraum gefordert hätte, habe diese trotz Aufforderung nicht erbracht. Insoweit trage sie die Darlegung und Beweislast. Es handele sich jedenfalls nicht um die unverbindliche Preisempfehlung für das Inland.
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Nachdem die Klägerin die Klage im Hinblick auf die 15 sogenannten „Lifestyle-Motive" zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr,
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13
1. a) wie erkannt
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14
b) wie erkannt
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15
c) an die Klägerin 4.279,30 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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16
2. wie erkannt
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17
Die Beklagte beantragt,
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18
die Klage abzuweisen.
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19
Die Beklagte macht geltend, bis zum Abverkauf der von ihrem niederländischen Zwischenhändler J. erworbenen Waren zur Nutzung der streitgegenständlichen Produktfotografien sowie der Marke im Rahmen der Produktvideos berechtigt gewesen zu sein. Sie, die Beklagte habe nach dem Lieferstopp noch über große Warenbestände von Produkten der Klägerin verfügt. Die Nutzungsrechte an den Bildern seien mit dem Erwerb der Waren eingeräumt worden. Die Berechtigung habe bis zum Abverkauf und nicht nur bis zur Beendigung der Belieferung mit Produkten der Klägerin bestanden. Auch nach dem Lieferstopp habe die Beklagte Zugriff auf die Bilddatenbank mit den streitgegenständlichen Fotos gehabt. J. habe der Beklagten mehrfach (u.a. Anlage B5) bestätigt, dass sie, die Beklagte, die gesamte Datenbank und alle dort abrufbaren Bilder nutzen könne. Der Zugriff habe nur als schlichte Einwilligung der J. zur Nutzung verstanden werden können. Zudem habe es trotz regelmäßiger Kontrollen keine Beanstandung durch J. gegeben. J. habe insofern Kenntnis von der Nutzung durch die Beklagte gehabt. J. sei auch zu Erteilung von Unterlizenzen berechtigt gewesen. Insofern dauere die Nutzungsberechtigung der Beklagten fort, auch wenn die Zwischenhändlerin mittlerweile nicht mehr befugt sei, solche Sublizenzen zu erteilen. Insofern seien die Grundsätze über den Fortbestand von Enkelrechten anwendbar. Im Übrigen habe die Klägerin auch eine schlichte Einwilligung erteilt. Derjenige, der Fotografien im Internet ohne technische Schutzmaßnahmen zur Verfügung stelle, müsse mit den typischen Nutzungen rechnen. Zu solchen typischen Nutzungen zähle auch die beanstandete Verwendung durch die Beklagte. Das gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass ihr die weitere Nutzung nicht untersagt worden sei. Jedenfalls bestehe vor diesem Hintergrund kein Schadensersatzanspruch, weil es an einem Verschulden der Beklagten fehle. Die Beklagte habe angesichts des Vertragszwecks sowie insbesondere im Hinblick auf das Verhalten der Zwischenhändlerin darauf vertrauen können, dass sie weiterhin zur Anwendung der Produktbilder für Werbezwecke berechtigt gewesen sei. Die Nutzungsrechte seien auch nicht territorial auf das Gebiet der Niederlande beschränkt gewesen. Alles andere stellte eine kartellrechtswidrige Vertriebsbeschränkung dar.
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Im Hinblick auf die markenrechtlichen Ansprüche macht die Beklagte geltend, die Videos hätten der „normalen" YouTube-Lizenz unterlegen. Insoweit sei der Beklagten eine Nutzungsberechtigung erteilt worden. Es sei dort nicht erkennbar, dass die Klägerin allein ihren autorisierten Händlern die Nutzung der Videos erlaubt habe, dies sei auch nicht der Fall. Die Einbindung der Videos lasse keine Aussage dahingehend erkennen, dass die Beklagte offizieller Vertriebspartner der Klägerin sei. Im Übrigen liege schon keine markenmäßige Benutzung vor.
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Hinsichtlich der lauterkeitsrechtlichen Ansprüche macht die Beklagte geltend, die Abmahnung vom 20.05.2016 sei unberechtigt gewesen. Die beanstandeten Angebote „Satteltasche M." und „ S. B." (K 12) hätten keine Streichpreise enthalten. Im Übrigen seien die Streichpreise über einen längeren Zeitraum, zwischen sechs bis zehn Tagen (Anlage B 8), ernsthaft und tatsächlich gefordert worden. Sie hätten dem UVP der Klägerin entsprochen.
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Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen. Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung von 20.12.2017 Bezug genommen. | |
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 17. September 2020 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2020 verpflichtet, dem Kläger erneut die Ablegung der ersten Prüfung im Modul Bachelor-Thesis zu ermöglichen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. | Randnummer
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Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens der Bachelor-Prüfung in der Ausbildung zum Erwerb der Befähigung der Laufbahn der Laufbahngruppe 2, erstes Einstiegsamt des Polizeivollzugsdienstes des Landes Sachsen-Anhalt und begehrte die Verpflichtung ihm erneut die Ablegung der ersten Prüfung im Modul Bachelor-Thesis zu ermöglichen.
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Im Juli 2020 nahm der Kläger, welcher seit dem 01. September 2019 im Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Land Sachsen-Anhalt stand, erstmals an der Prüfung im Modul Bachelor-Thesis teil.
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In den auf der Plattform ILIAS veröffentlichten Hinweisen zur Erarbeitung und Verteidigung der Bachelor-Thesis für den Studienjahrgang B 55/II/18 vom 07. Juli 2020 setzte das Prüfungsamt der Beklagten den Prüflingen eine Frist bis zum 21. August 2020 für die Einreichung des Themas der Bachelor-Thesis sowie für die Benennung des Erst- und Zweitgutachters über die Plattform ILIAS. Der Kläger reichte weder das Thema der Bachelor-Thesis ein noch benannte er die Erst- und Zweitgutachter.
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Mit Bescheid vom 31. August 2020, dem Kläger per E-Mail am 02. September 2020 zugegangen, stellte die Beklagte fest, dass der Kläger die Prüfung im Modul Bachelor-Thesis nicht bestanden hatte. Zur Begründung führte sie aus, die Themeneinreichung für die Bachelor-Thesis sei ohne ausreichende Entschuldigung nicht fristgemäß erfolgt. Gemäß § 16 Abs. 3 Prüfungsordnung der A. für den Studiengang „Polizeivollzugsdienst" (B. A.) (PrüfO - B. A. - PVD LSA) werde die Prüfungsleistung mit 0 Rangpunkten (ungenügend) bewertet. Nach § 13 Abs. 2 PrüfO - B. A. - PVD LSA könne die Bachelor-Thesis einmal wiederholt werden. In diesem Fall sei innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung ein Thema einzureichen.
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Mit E-Mail vom 02. September 2020 setzte das Prüfungsamt der Beklagten dem Kläger eine Frist bis zum 16. September 2020 für die Einreichung des Themas der Bachelor-Thesis sowie für die Benennung des Erst- und Zweitgutachters über die Plattform ILIAS im Rahmen der Wiederholungsprüfung im Modul Bachelor-Thesis. Der Kläger reichte per E-Mail am 17. September um 22:09 Uhr beim Prüfungsamt der Beklagten ein Exposé ein.
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Mit Bescheid vom 17. September 2020, dem Kläger am 18. September 2020 zugestellt, stellte die Beklagte fest, dass der Kläger erneut die Prüfung im Modul Bachelor-Thesis nicht bestanden hatte. Zur Begründung führte sie aus, die Themeneinreichung für die Bachelor-Thesis sei ohne ausreichende Entschuldigung nicht fristgemäß erfolgt. Gemäß § 16 Abs. 3 PrüfO - B. A. - PVD LSA werde die Prüfungsleistung mit 0 Rangpunkten (ungenügend) bewertet. Damit sei die Bachelor-Prüfung gemäß § 13 Abs. 4 PrüfO - B. A. - PVD LSA endgültig nicht bestanden. Zugleich teilte sie mit, das Beamtenverhältnis auf Widerruf ende gemäß § 22 Abs. 4 BeamtStG in Verbindung mit
§ 33 Abs. 4 Satz Nr. 2 LBG LSA
mit Ablauf des Tages, an dem das endgültige Nichtbestehen der Bachelor-Prüfung bekanntgegeben worden sei.
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7
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit anwaltlichen Schriftsatz vom 06. Oktober 2020, der Beklagten am 07. Oktober 2020 zugegangen, Widerspruch, den der Kläger mit anwaltlichen Schriftsatz vom 30. Oktober 2020 begründete. Zur Begründung führte er aus, es könne offenbleiben, ob trotz fehlender Regelung für eine Weitergabe der Ermächtigung der Verordnungsgeber der Ausbildung und Prüfungsordnung Bachelor Polizei, ohne selbst das Wesentliche zu regeln, die näheren Einzelheiten der Beklagten zur Regelung in einer Prüfungsordnung überlassen dürfe. Unabhängig davon finde sich in der gesamten Prüfungsordnung, insbesondere nicht in § 11 Abs. 4 PrüfO - B. A. - PVD LSA, keine Ermächtigung für das Prüfungsamt, dass dieses eine Ausschlussfrist aus eigener Befugnis hätte festlegen dürfen, so wie dies beispielsweise in Bezug auf den Beginn und das Ende des Bearbeitungszeitraum dagegen der Fall sei (§ 11 Abs. 5 Satz 2 PrüfO - B. A. - PVD LSA).
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Ungeachtet dessen sei nicht erkennbar, dass die lediglich um einen Tag verspätete Einreichung des Themas der Bachelor-Thesis zu einer Bewertung mit 0 Rangpunkten (ungenügend) gemäß § 11 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit § 16 Abs. 3 Satz 1 PrüfO - B. A. - PVD LSA führen dürfe, auch nicht trotz der Regelung in § 16 Abs. 3 Satz 3 PrüfO - B. A. - PVD LSA, wonach das gleiche gelte, wenn der zu Prüfende eine Prüfungsleistung ohne ausreichende Entschuldigung nicht oder nicht rechtzeitig abgegeben habe. Denn der Verweis in § 11 Abs. 4 Satz 3 PrüfO - B. A. - PVD LSA lautete nicht etwa, dass § 16 Abs. 3 entsprechend gelte. Vielmehr sei die entsprechende Geltung des § 16 Abs. 3 ausdrücklich auf die Konstellation der Nichteinreichung bezogen. Von einer Nichteinreichung könne vorliegend aber keine Rede sein. Unstreitig habe er die Bachelor-Thesis eingereicht, wenn auch ein Tag nach der Frist, die in den Hinweisen des Prüfungsamtes angegeben worden sei. Im Falle einer selbst verspäteten Einreichung finde vielmehr aufgrund des eindeutigen Wortlautes der § 11 Abs. 4 Satz 3 PrüfO - B. A. - PVD LSA und insofern auch der § 16 Abs. 3 Satz 3 PrüfO - B. A. - PVD LSA keine Anwendung.
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Es finde sich in der Prüfungsordnung keine Ermächtigungsgrundlage, dass eine Frist für die Abgabe des Themas gesetzt werden dürfe, lediglich § 11 Abs. 5 Satz 2 PrüfO - B. A. - PVD LSA ermächtige das Prüfungsamt, Beginn und Ende des Bearbeitungszeitraum festzulegen. Zwar erfülle das Prüfungsamt gemäß § 7 Abs. 6 PrüfO - B. A. - PVD LSA verschiedene Aufgaben bzw. dürfe Befugnisse ausüben. Hierunter sei aber gerade die Festlegung einer Frist für die bloße Benennung des Themas nicht enthalten. Insgesamt dürfe daher nicht festgestellt werden, dass die Prüfung im Modul Bachelor-Thesis nicht bestanden worden sei.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2020, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. Dezember 2020 zugestellt, wies die Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, die vom Kläger hauptsächlich beanstandete fehlende Ermächtigungsgrundlage des Prüfungsamtes für die Vergabe bzw. Festsetzung von Termin und Fristen könne nicht nachvollzogen werden. Gemäß § 7 Abs. 6 PrüfO - B. A. - PVD LSA gehöre zu den Aufgaben des Prüfungsamtes insbesondere die Organisation der Prüfungsdurchführung. In diesem Rahmen besitze das Prüfungsamt eine Organisationshoheit. Im konkreten Fall müsse das Prüfungsamt für die planmäßige Ausgabe der Bachelorthemen am 31.August 2020 die Bestätigung durch den Prüfungsausschuss gemäß § 7 Abs. 5 Nr. 7, 8 PrüfO - B. A. - PVD LSA organisieren. Hierfür müsse im Vorfeld der abschließenden Entscheidung des Prüfungsausschusses von der Vielzahl der Studierenden die Themen und die entsprechenden Gutachter durch das Prüfungsamt zusammengestellt, geprüft und Unklarheiten beseitigt werden. Da für diese vorbereitenden Maßnahmen eine ausreichende Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen müsse, seien den Studierenden durch das Prüfungsamt mit den Hinweisen vom 07. Juli 2020 mitgeteilt worden, dass die Themen und die Gutachter bis zum 21. August 2020 einzureichen seien.
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Die zweite Fristsetzung für den Kläger ergebe sich aus der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses am 02. September 2020 in Verbindung mit § 13 Abs. 2 Satz 7 PrüfO - B. A. - PVD LSA, wonach innerhalb von 2 Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung über das Nichtbestehen ein neues Thema einzureichen sei. Die Einhaltung dieser Fristen sei bereits prüfungsrechtlich relevant, da eine Nichteinreichung gemäß § 11 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit § 16 Abs. 3 Satz 3 PrüfO - B. A. - PVD LSA zu einer Bewertung mit 0 Rangpunkten führe. Auch die verspätete Abgabe sei hier aufgenommen, sodass die Bewertung mit 0 Rangpunkten rechtmäßig sei.
Randnummer
12
Zum Vorbringen der fehlenden Legitimation der Regelung der Prüfungsordnung werde auf
§ 11 Abs. 1 Verordnung über die Laufbahnen des Polizeivollzugsdienstes des Landes Sachsen-Anhalt (Polizeilaufbahnverordnung - PolLVO LSA)
verwiesen. Danach werde die Laufbahnbefähigung durch das erfolgreiche Ableisten des Vorbereitungsdienstes und das Bestehen der Laufbahnprüfung nach Maßgabe dieser Verordnung erworben. Eine ausreichende Satzungsermächtigung liege mit
§ 14 Abs. 3 PolLVO LSA
und
§ 7 Satz 2 Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes, Laufbahngruppe 2, erstes Einstiegsamt, in einem Bachelorstudiengang (Ausbildungs- und Prüfungsverordnung Bachelor Polizei - APVO Bachelor Pol)
vor, um Näheres durch sie zu den Prüfungen in der Prüfungsordnung regeln zu können.
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13
Am 21. Januar 2021 hat der Kläger vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben und wiederholt sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 17. September 2020 in Gestalt ihres Widerspruchbescheides vom 17. Dezember 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Erarbeitung und Verteidigung der Bachelor-Thesis im Studiengang „Polizeivollzugsdienst“ (BA) sowie die Fortsetzung des Studiums zu ermöglichen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages wiederholt die Beklagte ihr Vorbringen aus der Begründung des Widerspruchbescheides.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beratung gewesen. | |
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 8. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin als Selbständige in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungs- und beitragspflichtig ist.
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2
Die am ... 1961 geborene Klägerin stellte am 12. November 2003 bei der Beklagten einen Antrag auf Kontenklärung. Daraus ergab sich, dass sie seit dem 1. April 1991 als Zahnärztin selbständig tätig ist. Am 14. Mai 2004 beantragte sie die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung mit Wirkung ab 1. April 1991. Daraufhin erließ die Beklagte zwei Bescheide vom 21. Juni 2004, mit denen sie die Versicherungspflicht der Klägerin aufgrund ihrer selbständigen Tätigkeit als Zahnärztin gemäß § 229a Abs. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) ab 1. Januar 1992 feststellte. Mit dem einen Bescheid erklärte sie, dass die Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 30. November 1999 verjährt seien. Mit dem anderen Bescheid forderte sie Pflichtbeiträge für die Zeit vom 1. Dezember 1999 bis zum 30. Juni 2004 in Höhe von insgesamt 20.645,63 Euro.
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Dagegen legte die Klägerin am 12. Juli 2004 Widerspruch ein und wies darauf hin, dass sie seit Beginn ihrer selbständigen Tätigkeit als Zahnärztin Beiträge an das Altersversorgungswerk der Zahnärztekammer S.-A. zahle. Daraufhin befreite die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 20. September 2004 mit Wirkung ab 14. Mai 2004, dem Eingangsdatum des Befreiungsantrages, von der Rentenversicherungspflicht. Dagegen legte die Klägerin am 30. September 2004 Widerspruch ein und begehrte die Befreiung ab Beginn der Pflichtmitgliedschaft im Altersversorgungswerk.
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Mit weiterem Bescheid vom 30. September 2004 stellte die Beklagte erneut die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung fest. Für die Zeit bis zum Befreiungsbeginn (14. Mai 2004) forderte sie Beiträge in Höhe von insgesamt 20.025,47 Euro. Am 12. Oktober 2004 legte die Klägerin auch hiergegen Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 6. April 2005 befreite die Beklagte die Klägerin mit Wirkung ab 12. November 2003, dem Datum des Kontenklärungsantrages, von der Rentenversicherungspflicht und errechnete mit Bescheid vom 12. Mai 2005 eine Beitragsnachzahlung für den Zeitraum vom 1. Dezember 1999 bis zum 11. November 2003 in Höhe von 17.635,11 Euro. Mit einem von der Beklagten als Bescheid bezeichneten Schreiben vom 19. Mai 2005 stellte sie erneut das Ende der Rentenversicherungspflicht am 12. November 2003 fest und wies auf die offene Beitragsforderung in Höhe von 17.635,11 Euro hin. Dagegen legte die Klägerin am 17. Juni 2005 Widerspruch ein.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2006 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 21. Juni 2004 und vom 20. September 2004, soweit nicht durch den Bescheid vom 12. Mai 2005 abgeholfen, zurück. Zur Begründung führte sie aus, eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die Zeit vor dem 12. November 2003 sei nicht zulässig. Eine Vorverlegung des Befreiungsbeginns im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs komme nicht in Betracht. Denn nach Aktenlage sei kein Beratungsmangel erkennbar.
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Dagegen hat die Klägerin am 9. Februar 2006 Klage beim Sozialgericht Dessau (jetzt Dessau-Roßlau; SG) erhoben. Die Beklagte habe ihrer Hinweis- und Mitteilungspflicht gemäß §§ 13 bis 15 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil (SGB I) hinsichtlich rentenrechtlich relevanter Änderungen im Zeitraum von 1990 bis 2003 nicht genügt. Außerdem gehe sie, die Klägerin, davon aus, dass sie den Hinweisen des Versorgungswerks entsprechend einen Befreiungsantrag gestellt habe. Beweise hierfür könne sie jedoch nicht vorlegen. Zudem sei bereits im Zulassungsantrag bezüglich der Aufnahme der zahnärztlichen Tätigkeit sowie in der Anmeldung beim Altersversorgungswerk konkludent ein Befreiungsantrag bezüglich der gesetzlichen Rentenversicherung zu erblicken. Diese Betrachtungsweise sei lebensnah und entspreche wirtschaftlichen Gegebenheiten. Im Übrigen sei ihr Betrieb regelmäßig überprüft worden. Gegenstand der Prüfungen sei gemäß § 28p des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) die Frage gewesen, ob sie ihren Meldepflichten sowie ihren sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch nachgekommen sei. Sie habe somit im Anschluss an die Betriebsprüfung davon ausgehen können und dürfen, dass sämtliche sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften hinreichend beachtet worden seien. Hätte die Beklagte damals Zweifel an ihrem sozialversicherungsrechtlichen Status gehabt, so wäre sie verpflichtet gewesen, entsprechende Hinweise zu erteilen bzw. Maßnahmen einzuleiten. Spätestens die Verteidigung der abgegebenen Erklärungen im Rahmen der jeweiligen Schlussbesprechungen seien konkludente Befreiungsanträge gewesen. Schließlich habe die Beklagte noch während des laufenden Verfahrens durch den Vormerkungsbescheid vom 26. März 2004 und die Renteninformation vom 11. Juli 2004 den Eindruck erweckt, dass sie keine weiteren Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu leisten habe.
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Mit Urteil vom 8. Februar 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass sie vor dem 12. November 2003 einen Befreiungsantrag gestellt habe. Ein früherer Befreiungsantrag könne auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden. Denn ein Beratungsmangel im Sinne einer unterbliebenen Aufklärung sei nicht feststellbar. Bei den Betriebsprüfungen nach § 28p SGB IV werde im Übrigen nicht der sozialversicherungsrechtliche Status des Arbeitgebers selbst geprüft. Die Beiträge ab dem 1. Dezember 1999 seien auch nicht verjährt.
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8
Gegen das am 26. Februar 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20. März 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Ergänzend und vertiefend trägt sie vor, erst im 4. Quartal 1991 habe sie ihre Selbständigkeit begonnen. Vorher sei sie Angestellte des Landkreises K. gewesen. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Angestelltenverhältnis habe der Beklagten auffallen müssen, dass keine Beiträge mehr eingingen, spätestens jedoch im Rahmen der Betriebsprüfungen ab dem Jahr 2000. Für sie sei der jetzige Zustand eine unhaltbare Doppelbelastung, da sie bereits seit 1991 Beiträge an das Altersversorgungswerk der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt zahle. Vor dem Hintergrund, dass der Landkreis K. sie möglicherweise nicht ordnungsgemäß bei der Beklagten abgemeldet habe, werde die Beiladung des Rechtsnachfolgers des Landkreises K. beantragt.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 8. Februar 2008 und die Bescheide der Beklagten vom 21. Juni 2004, 20. September 2004, 30. September 2004, 6. April 2005 und 12. Mai 2005, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2006, aufzuheben und festzustellen, dass sie bereits seit dem 1. Januar 1992 von der Versicherungspflicht nach § 229 a SGB VI befreit ist.
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Die Beklagte beantragt,
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12
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 8. Februar 2008 zurückzuweisen.
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13
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und meint, ein konkreter Anlass für eine Beratung habe vor dem Antrag auf Kontenklärung im November 2003 nicht bestanden.
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14
Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Akten verwiesen. | |
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 28. Mai 2008 – 7 Ca 3619/04 – teilweise abgeändert und zum besseren Verständnis neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.960,54 EUR zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3 zu tragen.
Die Revision wird zugelassen. | Randnummer
1
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Mindestbeiträgen zum A im Baugewerbe für die Monate Januar und Februar 2000.
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2
Die Klägerin ist die B der Bauwirtschaft und als solche eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Sie hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten Vorschriften des Bundesrahmentarifvertrags des Baugewerbes (BRTV-Bau) und des Tarifvertrags über das A im Baugewerbe (VTV-Bau) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tariflichen Urlaubsvergütung zu sichern. Zur Finanzierung ihrer Leistungen erhebt sie Beiträge, die sie von den Arbeitgebern mit Sitz im Ausland selber einzieht. Die Beklagte betreibt in der Form einer Aktiengesellschaft mit beschränkter Haftung nach C Recht ein Bauunternehmen mit Sitz in C. In den Monaten Januar und Februar 2000 errichtete sie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums der Republik C den litauischen Pavillon auf der EXPO in Hannover. Dabei setzte sie ausschließlich aus C entsandte Arbeitnehmer ein. Im Betrieb wurden im Kalenderjahr 2000 – sowohl in D als auch unter Einschluss der nicht in D beschäftigten Arbeitnehmer – überwiegend Trocken – und Montagebauarbeiten durchgeführt.
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3
Mit Schreiben vom 4.02.2000 übersandte die Beklagte dem Hauptzollamt E die nach § 3 EntG zu erteilenden Meldungen. In der beigefügten Anlage waren insgesamt 76 Personen als auf der Baustelle tätig aufgeführt (Bl. 163, 164 d. A.). In erster Instanz war zwischen den Parteien streitig, ob es sich bei allen oder nur bei 42 Personen auf der Liste um Arbeitnehmer der Beklagten handelte.
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Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von Beiträgen in Form von Mindestbeiträgen für die Monate Januar und Februar 2000 in Höhe von € 21.485,59 in Anspruch genommen. Der Berechnung der Mindestbeiträge legte sie die Beschäftigung von 71 gewerblichen Arbeitnehmern im Januar und von 76 im Februar, des Weiteren eine tägliche Arbeitszeit von 7,8 Stunden, eine Vergütung nach dem damals geltenden Tariflohn sowie einen Beitragssatz von 13,8 % der Bruttolohnsumme zugrunde. Für die Berechnung im Einzelnen wird auf Bl. 1-5, 141 d. A. Bezug genommen. Die Klägerin forderte die Beklagte mehrmals vergeblich, zuletzt am 8.12.2004, zur Zahlung der Beiträge auf. Am 16.12.2004 hat sie die vorliegende Klage beim Arbeitsgericht Wiesbaden eingereicht, die der Beklagten am 15.11.2005 an ihrem Sitz in C zugestellt wurde.
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Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei zur Beitragszahlung für den Klagezeitraum verpflichtet, weil sie als baugewerbliche Arbeitgeberin baugewerbliche Arbeitnehmer in D beschäftigt habe. Das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) sei auch auf sämtliche im Zusammenhang mit der EXPO 2000 errichtete Bauten uneingeschränkt anzuwenden. Diese Rechtsansicht habe ihr das Bundeswirtschaftsministerium auf eine Anfrage mit Schreiben vom 2.10.1998 mitgeteilt.
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Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie € 21.45,59 zu zahlen.
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7
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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8
Die Beklagte hat zunächst die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Wiesbaden gerügt. Sie hat die Ansicht vertreten, nach europarechtlichen Regeln sei sie an ihrem Sitz in C zu verklagen. Des Weiteren hat sie die Einrede der Verjährung der Beitragsansprüche erhoben. Außerdem hat sie in der Geltendmachung der Beitragsansprüche einen Verstoß gegen die europarechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit bzw. das Diskriminierungsverbot sowie einen Verstoß gegen das Völkerrecht gesehen, letzteres deshalb, weil der Pavillon auf der EXPO als Teil der diplomatischen Mission der Republik C anzusehen sei. Letztendlich stehe der Forderung entgegen, dass die Beklagte die Urlaubsansprüche der Mitarbeiter für den fraglichen Zeitraum sämtlich selbst beglichen – insgesamt € 3.022,00 – und nach C Recht auch zur Absicherung der Urlaubsansprüche verpflichtet sei. Zur Höhe der Klageforderung hat die Beklagte behauptet, dass nicht alle in die vom Geschäftsführer übersandte Liste aufgenommenen Arbeitnehmer solche der Beklagten gewesen seien. Dabei handele es sich um diejenigen, hinter deren Name der Zusatz "F" stehe.
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9
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 28.05.2008 (7 Ca 3619/04) die Beitragspflicht der Beklagten für die unstreitig erbrachten baulichen Leistungen im Rahmen der EXPO 2000 bejaht, alle in der Liste des Geschäftsführers aufgeführten Arbeitnehmer als solche der Beklagten angesehen und die Beklagte zur Zahlung der eingeklagten Mindestbeiträge verurteilt. Für die Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 226 – 236 d. A.).
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Die Beklagte hat gegen das ihr am 28.08.2008 zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil am 22.09.2008 Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese am 25.09.2008 begründet. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 20.07.2009 die Klage teilweise, nämlich in Höhe von € 7.525,05, zurückgenommen und damit ihre Beitragsforderungen auf diejenigen Mitarbeiter begrenzt, die auch nach der Einlassung der Beklagten während des Einsatzes auf der EXPO 2000 in einem Arbeitsverhältnis zu derselben standen. Dies waren im Januar 42 und im Februar 46 Arbeitnehmer (Bl. 328 – 330 d. A.) Die Beklagte hat der teilweisen Klagerücknahme zugestimmt.
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Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie hält die Ansprüche für verjährt; denn unabhängig von den Gründen der Verzögerung könne die Zustellung einer Klage fast 11 Monate nach Ablauf der Verjährungsfrist am 31.12.2004 nicht mehr als "demnächst" im Rechtssinne angesehen werden. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte sei zum einen nicht gegeben, weil es sich bei der Beitragsforderung um einen Anspruch der "sozialen Sicherheit" gemäß Art 1 b EuGVVO handele und zum anderen, weil die nationalen Bestimmungen des AEntG hinter die europarechtlichen Bestimmungen der EuGVVO zurücktreten müssten. Aus der EUGVVO selbst in Verbindung mit der Richtlinie 96/71/EG könne keine Zuständigkeit deutscher Gerichte abgeleitet werden, weil letztere nur für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedsstaat gelte, C aber im Zeitpunkt der Entsendung der Arbeitnehmer im Jahre 2000 noch kein Mitglied der EU gewesen sei. Die Heranziehung zu Beitragszahlungen verstoße auch ohne Mitgliedschaft C zur EU im Jahre 2000 gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs und das Diskriminierungsverbot, und zwar aufgrund des Europaabkommens zwischen der Republik C und der EU, das auch im Jahre 2000 schon im Verhältnis zwischen D und der EU anzuwenden gewesen sei. Dem Beitragsanspruch stehe weiter entgegen, dass zum Zeitpunkt seines Entstehens eine vergleichbare Einrichtung in C bestanden habe. Zudem vertritt die Beklagte die Auffassung, aufgrund der Besonderheit des Auftrags, der Errichtung des C EXPO-Pavillons im Auftrage der Regierung C s, nicht zur Zahlung der deutschen Tariflöhne verpflichtet zu sein. Die Besonderheit des Auftrags habe letztlich auch zur Folge, dass die Inanspruchnahme der Beklagten gegen völkerrechtliche Grundsätze verstoße. Die Teilnahme an der EXPO einschließlich der Errichtung des Pavillons sei Teil einer diplomatischen Mission im Sinne des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18.04.1961. Der Pavillon sei für die Zwecke einer diplomatischen Mission verwendet worden. Erstmals in der Sitzung am 31.08.2010 behauptete die Beklagte, der Pavillon sei ausschließlich für die EXPO gebaut, nach deren Ende abmontiert und in Einzelteilen nach C zurückgebracht worden.
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Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 28.05.2008, Az. 7 Ca 3619/04, die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Sie ist mit dem Arbeitsgericht der Ansicht, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte sowie die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Wiesbaden gegeben und die Klage noch als vor Ablauf der Verjährung der Ansprüche zugestellt anzusehen sei. Der materiellen Beitragsverpflichtung der Beklagten stünden europarechtliche Normen schon deshalb nicht entgegen, weil die Republik C zum Zeitpunkt der Entsendung der Arbeitnehmer kein Mitgliedsstatt der EU gewesen sei. Das G Übereinkommen über diplomatische Beziehungen enthalte keine Vorschrift darüber, dass die für die Bauarbeiter, die Bauarbeiten an einer "Räumlichkeit der Mission" verrichten, nicht die Gesetze des Staates gelten, in dem die Mission liegt (Empfangsstaat). Die Beklagte habe dazu keine Bestimmung angeführt.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen. | |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. | Randnummer
1
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, die Angabe „Perlwein“ bei dem von ihr vermarkteten Erzeugnis „...“ zu beanstanden.
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2
Sie ist ein Unternehmen der Weinbranche, das seit Jahrzehnten unter der Marke „...“ das Erzeugnis „...“ herstellt und vermarktet. Dieses wird aus einem Wein hergestellt, der aus in Italien geernteten Trauben gewonnen worden ist. Dem Wein wird mithilfe einer Karbonisierungsanlage Kohlendioxid zugesetzt, das aus der Vergärung eigener eingelagerter Traubenmoste stammt. Die zu verperlenden Weine werden über die Karbonisierungsanlage geleitet und von dort unmittelbar in Drucktanks auf Lastkraftwagen gepumpt, um sie zur Abfüllung zu transportieren.
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3
Der Beklagte war in der Vergangenheit der Ansicht, dass ein Erzeugnis, das mit aus Mosten gewonnenem Kohlendioxid bearbeitet worden ist, als „Perlwein“ bezeichnet werden dürfe. Im Rahmen der Stellungnahme Nr. 2017/25 des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (ALS) wurde auf Basis einer vorher dementsprechenden Bewertung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in der Sitzung vom 10. bis 12. Oktober 2017 beschlossen, dass ein Erzeugnis nicht als „Perlwein“ bezeichnet werden dürfe, wenn der Überdruck auf “ganz oder teilweise zugesetztes Kohlendioxid“ zurückzuführen sei. Insoweit wurde ausgeführt:
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4
„Bei Perlwein ist der Überdruck des Erzeugnisses ausschließlich auf gelöstes Kohlendioxid aus der Gärung des verwendeten Weines, Jungweines, Traubenmoste oder teilweise geborenen Traubenmostes (= endogenes Kohlendioxid) zurückzuführen. Wird zur Druckerhöhung anderes (= exogenes) Kohlendioxid verwendet (auch aus anderen Weinerzeugnissen), dann kann das resultierende Erzeugnis ausschließlich als „Perlwein mit zugesetzter Kohlensäure“ bezeichnet werden.“
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5
Im Oktober 2018 forderte die Klägerin den Beklagten auf, ihr gegenüber zu bestätigen, dass keine Bedenken dagegen bestünden, wenn sie das von ihr hergestellte Erzeugnis „...“, bei dem das Kohlendioxid aus der Vergärung von Mosten dem Wein zugesetzt werde, weiterhin mit der Bezeichnung „Perlwein“ in den Verkehr bringe.
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6
In seinem Antwortschreiben führte der Beklagte aus, dass das Erzeugnis „...“ nicht als „Perlwein“ bezeichnet werden dürfe. Der ALS habe auf seiner 61. Sitzung beschlossen, dass ein Erzeugnis nicht als „Perlwein“ bezeichnet werden dürfe, wenn der Überdruck ganz oder teilweise auf zugesetztes Kohlendioxid – auch soweit es aus der Gärung von Mosten stamme – zurückzuführen sei. Die Weinüberwachung schließe sich dieser Ansicht an. Die Klägerin dürfe ihr Erzeugnis „...“ daher nicht mehr als „Perlwein“ bezeichnen, sondern lediglich als „Perlwein mit zugesetzter Kohlensäure“.
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Die Klägerin hat am 12. Februar 2019 Klage erhoben. Sie trägt vor, dass das Verfahren, nach dem sie das Produkt „...“ herstellt, als „Methode Carstens“ oder „...-Verfahren“ seit Jahrzehnten anerkannt sei und ein Produkt hervorbringe, das als „Perlwein“ bezeichnet werden dürfe. Unter Vorlage eines Infoblattes des Regierungspräsidiums Darmstadt sowie eines Merkblattes des Landesuntersuchungsamtes Rheinland-Pfalz macht sie geltend, dass auch staatliche Stellen die von ihr vorgeschlagene Differenzierung in der Vergangenheit vertreten hätten. So habe beispielsweise das Regierungspräsidium Darmstadt zwischen „Perlwein“ differenziert, der sich durch „endogene Kohlensäure (Gärungskohlensäure)“ auszeichne und „Perlwein mit zugesetzter Kohlensäure“, der industriell hergestelltes Kohlendioxid enthalte. Im Jahr 2016 habe sich ein Mitarbeiter des Landesuntersuchungsamtes Rheinland-Pfalz in der Zeitschrift „Deutscher Weinbau“ in einem Artikel ähnlich geäußert. Diese Ansicht sei auch in der Kommentarliteratur herrschend. In Anhang II Nr. 15 der Verordnung (EWG) Nr. 337/1979 habe es noch geheißen, dass Perlwein „natürliches Kohlendioxid“ enthalten müsse. Dieser Begriff umfasse jedenfalls auch solches Kohlendioxid, das aus der Vergärung von Most oder Wein stamme. „Endogen“ bedeute nichts anderes, als dass es sich um gärungseigenes Kohlendioxid handeln müsse, das bei der Vergärung von Most oder Wein entstehe. „Exogen“ sei Kohlendioxid hingegen dann, wenn es nicht aus der Vergärung von Most oder Wein, sondern aus anderen Quellen gewonnen worden sei. Das Wort „endogen“ könne auch ohne weiteres so verstanden werden, dass es sich um „im Wein entstehendes „Kohlendioxid“ handle und zwar in Abgrenzung vom sogenannten „exogenen, technischen Kohlendioxid“, das nicht aus der Vergärung von Wein gewonnen worden sei. Entscheidend sei jedoch nicht die Wortbedeutung, sondern der systematische Zusammenhang. Der Arbeitskreis übertrage offenbar die Bewertung aus der Abgrenzung von „Schaumwein“ zu „Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure“ und übersehe dabei, dass für Schaumwein und Perlwein unterschiedliche Anforderungen gelten würden. In Anhang VII Teil II Nr. 4 und Nr. 7 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 finde sich die Abgrenzung zwischen „Schaumwein“ und „Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure“. In Nr. 4 der Vorschrift heiße es dazu, dass bei „Schaumwein“ das Kohlendioxid „ausschließlich aus der Gärung“ stamme, während „Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure“ dann vorliege, wenn das Kohlendioxid „ganz oder teilweise“ zugesetzt worden sei. Während es beim „Schaumwein“ tatsächlich darauf ankomme, dass das Kohlendioxid, das aus dem Behältnis entweiche „ausschließlich aus der Gärung“ stamme, habe der Verordnungsgeber diese Definition beim Perlwein nicht wiederholt, sondern spreche nur von „endogenem“ Kohlendioxid.
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Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, die Angabe „Perlwein“ bei dem von der Klägerin vermarkteten Erzeugnis „...“, Art. Nr. ..., Los Nr. ..., 35.976 Flaschen, zu beanstanden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Aufgrund des Beschlusses des ALS habe er seine Rechtsansicht geändert. Bereits aus der Bedeutung des Wortes „endogen“ folge, dass das Kohlendioxid „im Innern“ des verwendeten Weines, somit aus der Gärung des Perlweins stammen müsse. Im Bedeutungslexikon Duden fänden sich hierzu insbesondere Beschreibungen aus der Medizin „im Körper selbst, im Körperinnern entstehend, von innen kommend“ und der Botanik – „innen entstehend“. Auch das englische Wort „endogenous“, welches in der englischen Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 verwendet werde, bedeute „wächst oder stammt aus dem Organismus“. Anhang VII Teil II Nr. 8 und Nr. 9 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 unterscheide nicht nach der Art des Kohlendioxids, sondern danach, ob das Kohlendioxid welches in Lösung gehe, zugesetzt worden sei oder nicht. Darauf wiesen die Begrifflichkeiten “endogenes gelöstes Kohlendioxid“ und “gelöstes Kohlendioxid, das ... zugesetzt wurde“ hin. Der Prozess der Kohlendioxidlösung sei entscheidend. Die Begrifflichkeit „endogen“ sei im Zusammenhang mit dem Lösungsprozess zu sehen. Durch Gärung entstehendes Kohlendioxid liege zunächst in gelöster Form vor. Erst dann, wenn die Sättigung im gärenden Medium erreicht sei, trete es in die Gasphase über und zeige sich bei offenen Gastanks durch einen Gasaustritt. Durch Anlegen eines Gegendrucks könne die Sättigungsgrenze überschritten werden. Werde der Gegendruck entfernt, könne das Kohlendioxid gasförmig entweichen. Das freigewordene Kohlendioxid könne unter Gegendruck wieder in Lösung gebracht werden (= Imprägnierung). Soweit die Klägerin ausgeführt habe, dass die Begrifflichkeit „natürliches Kohlendioxid“ in der nunmehr geltenden Verordnung durch den Begriff „endogenes Kohlendioxid“ ersetzt worden sei, stelle sie erneut auf die Herkunft des Kohlendioxids, nicht jedoch auf den Lösungsprozess ab. Soweit die Klägerin auf die Regelungen zum Schaumwein verweise, sei zu berücksichtigen, dass Perlwein im Zuge der ersten Gärung entstehe, wohingegen für Schaumwein im allgemeinen erst ein fertiger Wein entstehe, der dann durch die Fülldosage in eine zweite Gärung gebracht werde. Dieser Vorgang sei bei Perlwein nicht möglich, da Wein nicht mehr angereichert werden dürfe. Das nach dem Öffnen des Behältnisses weiterhin freiwerdende Kohlendioxid werde fachlich als „Mousseux“ beschrieben. Das Mousseux aus der Gärung stelle sich in der Regel optisch und organoleptisch anders dar als jenes aus dem Zusatz. Es entspreche bei eigener Gärung und in Abhängigkeit der Qualität des Grundweines und der Dauer des Hefeextraktes einer feineren Perlung als bei zugesetztem Kohlendioxid. Dieser Qualitätsaspekt werde in der Systematik vom Sekt auf den von Perlwein übertragen. Die Verbrauchererwartung gehe dahin, dass Produkte, welche unter Zugabe diverser Zusatzstoffe entstünden, als qualitativ minderwertiger angesehen würden als solche, die ohne einen entsprechenden Zusatz auskommen. Durch eine Umsetzung des Beschlusses könne auch die Gefahr einer möglichen Wettbewerbsverzerrung vermindert werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsakte des Beklagten, die der Kammer vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. | |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. | Randnummer
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Die Kläger zu 1 bis 4 sind afghanische Staatsangehörige und stammen aus Herat. Die Kläger zu 1 und 2 sind die Eltern der Kläger zu 3 und 4. Sie reisten am 12.08.2009 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 20.08.2009 Asylanträge.
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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte am 09.10.2009 den Antrag der Kläger zu 1 bis 4 als unzulässig ab und ordnete deren Abschiebung nach Italien an. Zur Begründung gab die Beklagte an, dass die Asylanträge nach § 27 a AsylVfG unzulässig seien, da Italien auf Grund der dort bereits gestellten Asylanträge nach Art. 16 Abs. 1 e Dublin II-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Die Anordnung der Abschiebung wurde auf § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützt.
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Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage stellte das Verwaltungsgericht Schwerin mit Beschluss vom 31.03.2011 (5 A 1549/09 As) unanfechtbar ein.
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Am 09.04.2013 stellten die Kläger zu 1 bis 4 einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag), der damit begründet wurde, dass es ihnen nicht möglich gewesen sei, in Italien Fuß zu fassen. Man habe ihnen dort keine Unterkunft zur Verfügung gestellt, sie seien auf sich allein angewiesen gewesen. Die Kläger zu 1 und 2 hätten trotz ihrer Arbeit ihre Familie nicht ernähren können.
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Am 08.07.2014, zugestellt am 11.07.2014, erließ das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gegenüber den Klägern zu 1 bis 4 folgende Entscheidung:
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1. Die erneuten Anträge auf Durchführung von Asylverfahren werden abgelehnt.
2. Die Ausländer werden aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Sollten die Antragsteller diese Frist nicht einhalten, werden sie nach Italien abgeschoben.
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Die Beklagte begründete dies damit, dass ein weiteres Asylverfahren nach § 71 Abs. 1 Asylgesetz nur durchzuführen sei, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz vorlägen. Eine Änderung des Sachverhalts läge für die Antragsteller nicht vor, da sie – wie schon im Ausgangsverfahren – keinen Anspruch auf die Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland hätten. Für den Antragsteller zu 1 sei in Italien der Flüchtlingsstatus festgestellt worden. Für die Familienangehörigen ergäbe sich daraus ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach europäischem Recht. Auch lägen die Voraussetzungen für die nunmehrige Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nicht vor.
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8
Die Kläger zu 1 bis 4 haben am 21.07.2014 Klage erhoben. Zur Begründung geben sie an, dass ihnen in Italien jegliche Unterkunft und Versorgung verweigert worden sein soll. Die Familie habe auf der Straße leben müssen. Sie verweisen vollumfänglich auf die schriftliche Stellungnahme gegenüber der Beklagten.
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Die Klägerin zu 5, Kind der Kläger zu 1 und 2, wurde am 14.04.2014 in der Bundesrepublik Deutschland geboren.
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Am 20.04.2015, zugestellt am 22.04.2015, erließ das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gegenüber der Klägerin zu 5 folgende Entscheidung:
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1. Der Antrag wird als unzulässig abgelehnt.
2. Die Abschiebung nach Italien wird angeordnet.
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Die Beklagte begründete diese Entscheidung damit, dass für die Klägerin zu 5 der Antrag gemäß § 14 a Abs. 2, 2. Alt. AsylVfG als am 07.05.2014 gestellt gelte, da sie im Bundesgebiet geboren sei und ihre Geburt dem Bundesamt unverzüglich angezeigt worden sei. Die Klägerin zu 5 könne aufgrund des ihren Eltern in Italien gewährten internationalen Schutzes keine Schutzgewährung verlangen, da für die Schutzgewährung Italien zuständig sei.
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Die Klägerin zu 5 hat am 04.05.2015 Klage erhoben. Sie bestreitet, dass ihre gesetzlichen Vertreter in Italien der Flüchtlingsstatus anerkannt worden sei. Außerdem bestünden wegen des Vorliegens außergewöhnlicher humanitärer Gründe Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung. Es bestünden systemische Mängel in Italien.
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14
In der mündlichen Verhandlung am 04.05 2017 ergänzten die Kläger ihren Vortrag. Sie trugen vor, dass sie in Italien weder bei der Polizei oder der Caritas, noch beim Jugendamt hätte Hilfe bekommen. Es seien ihnen italienische Reisepässe ausgehändigt worden. Man hätte ihnen mitgeteilt, dass sie sich in Italien frei bewegen könnten. Zwei Wochen hätten sie in einem Park übernachten müssen. Nur mit der Hilfe eines Freundes hätten sie eine Wohnung bekommen, weil dieser für sie gebürgt hätte. Mit dem verdienten Geld hätten sie ihren Lebensunterhalt nicht aufbringen können. Da sie das Essensgeld für die Kinder in der Schule nicht hätten zahlen können, hätten die Lehrer die Kinder zur Mittagszeit nach Hause geschickt, obwohl es sich um Ganztagsschulen handelte. Auch das Geld für die Bücher der Kinder hätten sie nicht aufbringen können. Sie hätten immer nur befristete Arbeitsverträge über einige Monate bekommen und anfangs dafür ohne Geld arbeiten müssen. Der eigentliche Grund für die Ausreise aus Italien sei der Rauswurf der Kinder aus der Schule gewesen.
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Die Kläger zu 1 bis 4 beantragen,
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den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 08.07.2014 – – 423 – aufzuheben.
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Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.
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Die Klägerin zu 5 beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 20.04.2015 – -423 – aufzuheben.
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Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung. Sie verweist auf den Flüchtlingsstatus der Eltern der Klägerin in Italien, Bl. 87 bis 91 der diesbezüglichen Verwaltungsvorgänge.
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25
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 02.09.2015 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
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26
Mit Beschluss vom 17.01.2017 hat das Gericht das Verfahren der Kläger zu 1 bis 4 – 3 A 247/16 As – und das Verfahren der Klägerin zu 5 – 3 A 248/16 As – zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
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27
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten dieses Verfahrens sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, auf die mit der Ladung übersandte Erkenntnisquellenliste des Gerichts zum Herkunftsland Afghanistan sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2017 Bezug genommen. | |
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 31. Januar 2017, Az. 11 Ca 2025/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Die Parteien streiten über die Erhöhung einer Abfindung um einen Aufstockungsbetrag.
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2
Der Kläger ist Mitglied der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall). Er war bei der Beklagten, einem Unternehmen der Automobilzulieferindustrie, am Standort Sch. beschäftigt. Die Beklagte und die IG Metall schlossen am 1. Juli 2013 einen Sozialtarifvertrag (TV 2013). Dieser hat ua. folgenden Wortlaut:
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3
"§ 1Geltungsbereich
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4
...
3. Alle Beschäftigten, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen, erhalten eine Abfindung als sozialen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes aus dringenden betrieblichen Erfordernissen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.
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5
§ 2 Berechnung der Abfindung
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6
1. ...
2. Der Bruttoabfindungsbetrag errechnet sich nach folgender Formel:
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7
Bruttomonatsentgelt x Betriebszugehörigkeit x Faktor
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8
...
5. Der Faktor wird für die Jahre in der Laufzeit des Tarifvertrages wie folgt gestaffelt, für die Höhe des Faktors ist Stichtag der Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses:
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9
a. 2013
Faktor = 1,50
b. 2014
Faktor = 1,45
c. 2015
Faktor = 1,40
d. 2016
Faktor = 1,30
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10
6. Falls das Zusatzgeschäft O. I. (Instrumententafel und Handschuhkasten) nicht nach Sch. kommt, werden die so zu berechnenden Abfindungen wie folgt durch einen Aufstockungsbetrag erhöht. Für die Höhe des Aufstockungsbetrages ist Stichtag der Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses:
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11
a. 2013
keine Aufstockung
b. 2014
Aufstockungsbetrag = 15.000 €
c. 2015
Aufstockungsbetrag = 15.000 €
d. 2016
Aufstockungsbetrag = 15.000 €
...
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12
§ 3 Transfergesellschaft
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1. Für den Wechsel in eine Transfergesellschaft (TG) entsprechend dem zeitgleich vereinbarten Zukunftstarifvertrag zur Beschäftigungs- und Standortsicherung, der Betriebsvereinbarung zum Interessenausgleich und dem Transfersozialplan verpflichtet sich F. sicherzustellen:
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14
...
d) Dass für jeden Beschäftigten, der in die TG wechselt, der Abfindungsanspruch zu 100 % bestehen bleibt und im Monat vor dem Wechsel in die TG zur Auszahlung kommt.“
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15
Am 19. Januar 2016 schlossen die Beklagte und die IG Metall einen neuen Zukunfts- und Sozialtarifvertrag (TV 2016). Dieser lautet - auszugsweise wie folgt:
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16
"Präambel
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17
...
Mit diesem Zukunfts- und Sozialtarifvertrag werden der Zukunftstarifvertrag zur Beschäftigungs- und Standortsicherung sowie der Sozialtarifvertrag vom 01.07.2013 abgelöst. ..."
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18
§ 8 des TV 2016 enthält in Ziff. 1.2 eine Abfindungsregelung nach folgender Formel:
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19
"Bruttomonatsentgelt x Betriebszugehörigkeit x 1,3"
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20
Eine Verpflichtung der Beklagten, einen Aufstockungsbetrag zu zahlen, enthält der TV 2016 nicht. Er trat nach seiner Unterzeichnung am 19. Januar 2016 zum 9. November 2015 in Kraft.
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21
Zum 1. April 2016 wechselte der Kläger befristet bis zum 31. März 2017 in eine Transfergesellschaft. Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten wurde mit Ablauf des 31. März 2016 beendet. Am 10./11. März 2016 schlossen der Kläger, die Transfergesellschaft und die Beklagte einen dreiseitigen Vertrag. Der für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragstext hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:
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22
"§ 2 Aufhebungsvereinbarung
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1. Mit Abschluss dieses Vertrages endet das zwischen F. und dem Arbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 31.03.2016.
2. ...
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3. F. verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zum 31.03.2016 abzurechnen, die Arbeitspapiere herauszugeben und ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen.
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4. Der Arbeitnehmer verzichtet ausdrücklich darauf, gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtlich vorzugehen. ...
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26
5. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zwischen F. und dem Arbeitnehmer sowie seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt.
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6. Der Arbeitnehmer erhält aufgrund des Sozialtarifvertrages vom 01.07.2013 die vereinbarten Leistungen.
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28
§ 3 Abfindung
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29
Aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält der Mitarbeiter für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß den Bedingungen des Sozialtarifvertrages § 2 Abs. 2 in Höhe von
77.771,00 Euro
brutto sowie eine Abfindung zum Ausgleich der Differenz des 80-prozentigen IST-Nettos und dem Nettolohn der Transfergesellschaft (gem. § 5 Abs. 4 dieses Vertrages) in Höhe von
2.392,00 Euro
netto.
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30
Die Zahlung der Abfindung erfolgt im Monat seines Ausscheidens durch F..
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31
Der Abfindungsanspruch ist vererbbar und bereits mit Unterzeichnung dieses Vertrages entstanden.
..."
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32
Der Kläger begehrt nach vergeblicher außergerichtlicher Geltendmachung mit seiner am 30. Juni 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Zahlung eines Aufstockungsbetrags iHv. 15.000 EUR.
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33
Er hat erstinstanzlich gemeint, die Geltung des TV 2013 sei aufgrund der in § 2 Ziff. 6 des dreiseitigen Vertrags erfolgten Bezugnahme umfassend vereinbart worden, so dass auch der Aufstockungsbetrag gem. § 2 Ziff. 6 TV 2013 zu zahlen sei. Der TV 2013 sei eindeutig als zur Anwendung kommende Vertragsgrundlage bestimmt worden, weil er datumsmäßig genau bezeichnet worden sei. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Bezugnahme infolge der Ablösung des TV 2013 durch den TV 2016 hinfällig sei. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen, unter denen nach § 2 Ziff. 6 TV 2013 der Aufstockungsbetrag zu zahlen sei, vor. Das Zusatzgeschäft O. I. sei jedenfalls nicht in Gänze nach Sch. gekommen.
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34
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
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35
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.000 EUR nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2016 zu zahlen.
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36
Die Beklagte hat beantragt,
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37
die Klage abzuweisen.
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38
Sie hat vorgetragen, der dreiseitige Vertrag sei von der Transfergesellschaft getextet worden. Aufgrund eines Redaktionsversehens sei offensichtlich in § 2 Ziff. 6 des dreiseitigen Vertrags der Verweis auf den TV 2013 noch enthalten. Der TV 2013 sei jedoch nicht anwendbar, weil er durch den TV 2016 abgelöst worden sei. Im Übrigen widerspreche auch die Auslegung des dreiseitigen Vertrags der Anwendbarkeit des TV 2013. Im dreiseitigen Vertrag komme unmissverständlich zum Ausdruck, dass - abgesehen von der bezifferten Abfindungssumme - weitere Zahlungen nicht erfolgen sollen. Dies folge auch aus der Abgeltungsklausel in § 2 Ziff. 5 des dreiseitigen Vertrags. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die Zahlung des Aufstockungsbetrags gem. § 2 Ziff. 6 TV 2013 nicht vor. Insofern sei erforderlich, dass für das Zusatzgeschäft O. weder die Instrumententafel noch der Handschuhkasten in Sch. produziert würden. Die Produktion des Handschuhkastens erfolge indes in Sch., nur die Instrumententafel werde nicht dort produziert. Dementsprechend bestehe kein Anspruch, eine Teilzahlung sei ausdrücklich nicht vereinbart worden.
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Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 31. Januar 2017 Bezug genommen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 31. Januar 2017 abgewiesen. Der Kläger hat gegen das am 15. Februar 2017 zugestellte Urteil mit am 14. März 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 18. Mai 2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 17. Mai 2017 eingegangenem Schriftsatz begründet.
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41
Er macht geltend, die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei in sich nicht schlüssig. Einerseits habe das Arbeitsgericht anerkannt, dass der dreiseitige Vertrag Regelungen des TV 2013 aufgreife, andererseits solle dies jedoch nur punktuell gelten. Dies überzeuge nicht. Die Argumentation, aus der Abgeltungsklausel in § 2 Ziff. 5 des dreiseitigen Vertrags sei zu folgern, dass § 2 Ziff. 6 TV 2013 nicht in Bezug genommen worden sei, laufe auf einen Zirkelschluss hinaus. Die Abgeltungsklausel besage, dass mit Erfüllung des Vertrags alle Ansprüche erledigt sein sollen, sie gebe aber keine nähere Auskunft darüber, was alles "zur Erfüllung" zähle. Dafür könne es letztlich allein auf die Auslegung von § 2 Ziff. 6 und § 3 des dreiseitigen Vertrags ankommen. Es gebe zwei klare Anknüpfungspunkte dafür, dass Regelungen des TV 2013 in Bezug genommen worden seien. Zum einen sei das Datum des TV 2013 in § 2 Ziff. 6 genannt worden, zum anderen verweise § 3 des dreiseitigen Vertrags zur Höhe der Abfindung auf "§ 2 Abs. 2" des TV 2013. Im TV 2016 sei die Abfindung an anderer Stelle geregelt worden. Wortlaut und Grammatik des dreiseitigen Vertrags ließen nicht die Auslegung zu, dass nur § 2 Ziff. 2 TV 2013 in Bezug genommen werde, § 2 Ziff. 6 TV 2013 hingegen nicht. Das Arbeitsgericht führe dazu aus, das Wort "aufgrund" in § 2 Ziff. 6 des dreiseitigen Vertrags verdeutliche, dass der TV 2013 nur deklaratorisch genannt werde. Dagegen spreche klar, dass der TV 2013 nicht normativ gelte, weshalb ein deklaratorischer Hinweis auf seine Geltung - gerade vor dem Hintergrund eines 2016 abgeschlossenen neuen Sozialtarifvertrags - unsinnig sei. Sinn ergebe die Inbezugnahme des TV 2013 im dreiseitigen Vertrag nur dann, wenn seine Geltung konstitutiv vereinbart werden sollte. Dass § 3 des dreiseitigen Vertrags nur "§ 2 Abs. 2" des TV 2013 benenne, spreche nicht zwingend dagegen, dass auch weitere Regelungen des TV 2013 gelten sollen. Die vertragliche Regelung zeige lediglich auf, dass die Beklagte der Ansicht sei, nur die Abfindung nach § 2 Ziff. 2 TV 2013 zu schulden. Es lasse sich jedoch nicht begründen, dass damit zugleich ein Ausschluss sonstiger Ansprüche verbunden sein solle.
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Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,
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43
das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 31.01.2017, Az. 11 Ca 2025/16, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.000 EUR brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2016 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. | |
Der Bebauungsplan Nr. 76 „Rad- / Fußwegeverbindung Geestrand“, Teilbereich 1 zwischen Lüttdahl und Schulauer Straße der Antragsgegnerin wird für unwirksam erklärt, soweit auf dem Flurstück … der Antragstellerin nördlich der festgesetzten Verkehrsfläche mit der Zweckbestimmung „Rad- und Fußweg“ eine öffentliche Grünfläche festgesetzt ist. Im Übrigen wird der Normenkontrollantrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt zu 3/4 die Antragstellerin, zu 1/4 die Antragsgegnerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
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Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 76 „Rad- / Fußwegeverbindung Geestrand“, Teilbereich 1 zwischen Lüttdahl und Schulauer Straße der Antragsgegnerin.
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2
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks … im Stadtgebiet der Antragsgegnerin (Flurstück … der Flur …, Gemarkung …). Das mit einem Einfamilienhaus nebst Einliegerwohnung bebaute Grundstück liegt im Geltungsbereich des am 20. Februar 1998 in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. 105 ‚Hörnstraße‘ (Teilbereich Süd) der Antragsgegnerin (im Folgenden: Bebauungsplan Nr. 105), der dort eine Fläche für den Gemeinbedarf mit der Zusatzbezeichnung „Alteneinrichtung“ festsetzt. Das Wohnhaus der Antragstellerin liegt am östlichen Rand dieser Fläche und ist als Bestandsgebäude ausgewiesen. Östlich daran schließt sich bis zu der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Austraße (resp. in südlicher Richtung sodann Schulauer Straße) als Plangebietsgrenze ein allgemeines Wohngebiet an. Südlich an das Grundstück … grenzt das ebenfalls im Eigentum der Antragstellerin stehende Flurstück … (Flur …, Gemarkung …) mit einer Größe von 26.275 m² an, das landwirtschaftlich genutzt wird. Soweit dieses Flurstück mit seiner nördlichen Grenze an bebautes Terrain anschließt, erstreckt sich die entsprechende Gebietsfestsetzung des Bebauungsplans Nr. 105 (Gemeinbedarfsfläche bzw. im Osten das allgemeine Wohngebiet) in einer Tiefe von maximal 5,60 m auch auf diesen nördlichen Grundstücksstreifen. Südlich schließen hieran in einer Tiefe von maximal 4,90 m zunächst eine als Lärmschutzwall festgesetzte Fläche – verknüpft mit der Festsetzung „Private Grünfläche“ – und sodann bis zur südlichen Grenze des Plangebiets mit einer Tiefe von max. 6,75 m eine festgesetzte Straßenverkehrsfläche, die (ursprünglich) geplante Trasse der Bundesstraße B 431, an. Im Osten des Plangebiets befindet sich im Bereich der Schulauer Straße ein Mitteldeich. Südlich an den Plangeltungsbereich angrenzend beginnt der Geltungsbereich der Kreisverordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Pinneberger Elbmarschen“ (LSG 04), der auch das Flurstück … der Antragstellerin mit umfasst. Ebenso südlich benachbart liegt das FFH-Gebiet DE2323-392 „Schleswig-Holsteinisches Elbästuar und angrenzende Flächen“.
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3
Nachdem sich die städtischen Gremien der Antragsgegnerin stadtentwicklungs- bzw. verkehrspolitisch entschieden hatten, die zur Entlastung der Altstadt vom Durchgangsverkehr u.a. auch im Bebauungsplan Nr. 105 angelegte südliche Trassenführung der Altstadtumfahrung aufzugeben und eine nördliche Trassenführung zu verfolgen, sahen diese Möglichkeiten für eine Überplanung der festgesetzten Trasse in der Übergangszone zwischen dem Siedlungsgefüge der Altstadt und der W....er Marsch; der Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin aus dem Jahr 2010 stellte diesen Bereich insoweit bereits als überörtliche Wegeverbindung und Grünfläche dar. Vor diesem Hintergrund fasste der Rat der Antragsgegnerin am 1. September 2011 den Beschluss zur Aufstellung des hier streitbefangenen Bebauungsplans Nr. 76 „Rad- / Fußwegeverbindung Geestrand“, Teilbereich 1 zwischen Lüttdahl und Schulauer Straße der Antragsgegnerin (im Folgenden: Bebauungsplan Nr. 76 „Rad- /Fußwegeverbindung Geestrand“, Teilbereich 1) sowie auch den Aufstellungsbeschluss für den weiter Richtung Osten führenden Teilbereich 2 zwischen Austraße / Schulauer Straße und Gorch-Fock-Platz, dessen weitere Umsetzung indessen wegen eines erforderlich werdenden aufwendigen Brückenbauwerks aus Kostengründen einstweilen zurückgestellt wurde. Der danach vorgesehene Geltungsbereich des streitgegenständlichen Bebauungsplans umfasst eine Fläche von 10.015 m². Er beginnt am Weg Lüttdahl im Westen und überplant eine dort bereits existierende Wegeverbindung, die bis zur Rudolf-Höckner-Straße reicht und sich insoweit südlich der im Durchführungsplan Nr. 5 „Umgehungsstraße in W..../Holst. Abschnitt I“ festgesetzten Straßenverkehrsfläche entlangzieht. Umfasst ist ferner die nördlich des Weges im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Grünfläche des Flurstücks 55/9, die als Streuobstwiese genutzt wird. Östlich der Rudolf-Höckner-Straße umschließt das Plangebiet im Wesentlichen den Bereich der Trassenführung im Geltungsbereich des anschließenden Bebauungsplans Nr. 105. Dabei bildet ein Teil der Südgrenze des Wohngrundstücks der Antragstellerin die nördliche Grenze des Plangebiets; sein südlicher Grenzverlauf entspricht in diesem Bereich der südlichen Grenzbereichsgrenze des Bebauungsplans Nr. 105 und umfasst in etwa in gleichem Umfang wie jener Bebauungsplan Flächen des Flurstücks … der Antragstellerin.
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Unter dem 13. Juli 2012 setzte die Antragsgegnerin die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange unter Hinweis auf § 4 Abs. 1 BauGB von ihrer Planung einer Rad- und Fußwegeverbindung zwischen Lüttdahl und Schulauer Straße südlich des Siedlungsgefüges der Altstadt unter Beifügung eines Planentwurfs nebst Kurzdarstellung des Sachverhalts und einer Übersicht der zu betrachtenden Schutzgüter sowie diesbezüglich bereits vorhandener Unterlagen in Kenntnis. Insofern verwies sie auf ihre verkehrliche Neuausrichtung, bei der die Trasse eine Alternative zur Führung über den gegenwärtig konfliktträchtigen Verlauf der B 431 durch den Altstadtbereich darstelle. Im westlichen Abschnitt könne ein bereits vorhandener Wegeverlauf übernommen werden; im mittleren Abschnitt grenze das Plangebiet an den Bereich der 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 105 an, der das Areal des Kirchstiegs überplane und am südlichen Ende der Rudolf-Höckner-Straße einen Wendekreis vorsehe, über den der geplante Rad- und Fußweg verlaufen solle. Im östlichen Abschnitt erfolge die Wegeführung eng entlang der Siedlungskörper, wobei die Rad- und Fußwegetrasse den vorhandenen Mitteldeich im Osten überquere und dort auf die Austraße stoße, was zugleich auch eine Änderung des Einmündungsbereichs des Brooksdamms in die Austraße erfordere. Im mittleren und östlichen Verlauf der vorgesehenen 4 m breiten Wegetrasse sei auf deren Nordseite eine öffentliche Grünfläche in unterschiedlicher Breite vorgesehen. Südlich davon schließe sich landwirtschaftliche Fläche an. Zudem machte sie darauf aufmerksam, dass hinsichtlich der Realisierung des Weges Flächenerwerb getätigt werden müsse. Sie forderte die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange zur Äußerung auch im Hinblick auf den erforderlichen Umfang und Detaillierungsgrad der Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB bis zum 3. September 2012 auf und lud zugleich zu einem Scoping-Termin am 20. August 2012 ein.
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5
Die frühzeitige Unterrichtung der Öffentlichkeit mit der Erörterung der allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung wurde in der Zeit vom 4. bis zum 15. Februar 2013 durch Auslegung des Planentwurfs nebst Begründung im Rathaus der Antragsgegnerin montags bis mittwochs sowie freitags von 8.30 bis 13.00 Uhr und donnerstags von 15.00 bis 19.00 Uhr sowie ferner nach Absprache durchgeführt. Darüber hinaus standen die Informationen auch unter der Internetadresse der Antragsgegnerin (www.w.....de, Rathaus & Politik, Bekanntmachung) zur Verfügung. Hierauf sowie auf die Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung des Entwurfs innerhalb der vorbezeichneten Zeitspanne wurde durch Bekanntmachung im W....-Schulauer-Tageblatt vom 28. Januar 2013 sowie in der Pinneberger Zeitung vom 29. Januar 2013 hingewiesen, jeweils verbunden mit der Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses, der eine Planskizze sowie eine genaue Beschreibung der Örtlichkeit beigefügt waren. Eine entsprechende Bekanntmachung erfolgte zudem durch Aushang am W....er Rathaus vom 28. Januar 2013 (Aushang) bis zum 18. Februar 2013 (Abnahme).
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6
Der vom Planungsausschuss der Antragsgegnerin am 26. August 2014 beschlossene und zur Auslegung bestimmte Entwurf des Bebauungsplans Nr. 76 „Rad- / Fußwegeverbindung Geestrand“, Teilbereich 1, nebst Begründung mit Umweltbericht lag in der Zeit vom 17. September 2014 bis einschließlich 17. Oktober 2014 im Rathaus der Antragsgegnerin montags bis mittwochs sowie freitags von 8.30 bis 13.00 Uhr und donnerstags von 15.00 bis 19.00 Uhr sowie nach Absprache zu jedermanns Einsicht öffentlich aus. In den diesbezüglichen Bekanntmachungen im W....-Schulauer-Tageblatt und in der Pinneberger Zeitung jeweils vom 9. September 2014 sowie in ihrem entsprechenden Aushang am Rathaus in der Zeit vom 9. September 2014 (Aushang) bis zum 20. Oktober 2014 (Abnahme) wies die Antragsgegnerin zudem darauf hin, dass umweltbezogene Informationen verfügbar seien, namentlich der Umweltbericht, der Landschaftsplan 2009 nebst Umweltbericht, ein Artenschutz-Fachbeitrag und die Stellungnahmen aus der frühzeitigen Behördenbeteiligung, die ebenfalls mit auslägen und die Auskunft zu einzelnen Schutzgütern (Mensch, Boden, Grund- und Oberflächenwasser, Klima und Luft, Pflanzen und Biotope, Tiere, Landschaftsbild und Kultur-/Sachgüter), auf die sich die Planung auswirken könne, gäben. Insoweit führten die Bekanntmachungen im Einzelnen an, welchen Unterlagen sich Aussagen zu welchen Schutzgütern entnehmen ließen. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass sämtliche Unterlagen auch unter der Internetadresse der Antragsgegnerin (www.w.....de, Rathaus & Politik, Bekanntmachung) zur Verfügung stünden und dass während der Auslegungsfrist Gelegenheit bestehe, Stellung zu nehmen. Dieser Hinweis war ferner verknüpft worden mit dem weiteren Hinweis auf die prozessualen Folgen verfristeten oder unterbliebenen Vortrags.
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Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange wurden unter dem 15. September 2014 zur Abgabe einer Stellungnahme binnen Monatsfrist aufgefordert.
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Am 23. April 2015 beschloss der Rat der Antragsgegnerin nach Prüfung der eingegangenen Stellungnahmen von Öffentlichkeit und Behörden bzw. Trägern öffentlicher Belange den Bebauungsplan Nr. 76 „Rad- / Fußwegeverbindung Geestrand“, Teilbereich 1, als Satzung und billigte die Begründung. Der Bürgermeister der Antragsgegnerin fertigte den Bebauungsplan – bestehend aus der Planzeichnung nebst Zeichenerklärung – am 3. Dezember 2015 aus. Die Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses erfolgte am 11. Dezember 2015 unter Beifügung einer Planskizze sowie einer konkreten Beschreibung seines Geltungsbereichs im W....-Schulauer-Tageblatt, in der Pinneberger Zeitung und auf der Internetseite der Antragsgegnerin (www.w.....de/rathaus-politik/dienstleistungen) unter der Rubrik „Bekanntmachungen & Ausschreibungen“ sowie durch Aushang am Rathaus in der Zeit vom 11. Dezember 2015 (Aushang) bis zum 11. Januar 2016 (Abnahme). Darin wurde darauf hingewiesen, dass der Bebauungsplan am heutigen Tage (11. Dezember 2015) in Kraft trete und dass alle Interessierten den Bebauungsplan, die Begründung sowie die zusammenfassende Erklärung dazu von diesem Tage an in der Stadtverwaltung der Antragsgegnerin während der Öffnungszeiten für den Publikumsverkehr einsehen und über den Inhalt Auskunft erhalten können. Zudem wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften und von Mängeln der Abwägung fristgebunden geltend zu machen, ebenso auf die Rechtsfolgen nicht fristgerechten Vorbringens. Das Gleiche gilt in Bezug auf die fristgebundene Geltendmachung der Verletzung landesrechtlicher Formvorschriften über die Ausfertigung und Bekanntmachung des Bebauungsplans sowie hinsichtlich der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften der Gemeindeordnung. Die Möglichkeit, Entschädigungsansprüche geltend zu machen, wurde ebenso aufgezeigt wie ein etwaiges Erlöschen dieser Ansprüche. Einen Hinweis auf die Bereitstellung der Bekanntmachung im Internet enthielt keine der gewählten Publikationsformen.
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Der Bebauungsplan Nr. 76 „Rad- / Fußwegeverbindung Geestrand“, Teilbereich 1, setzt – wie bereits im Rahmen der frühzeitigen Behördenbeteiligung aufgezeigt – eine 4 m breite Verkehrsflächentrasse als kombinierten Rad- und Fußweg fest, beginnend im Westen am Weg Lüttdahl bis zur Schulauer Straße im Osten, die im Bereich der Rudolf-Höckner-Straße über den dortigen Wendekreis geführt wird. Im westlichen und mittleren Bereich des Plangebiets, das Teilbereiche des Durchführungsplans Nr. 5 und des Bebauungsplans Nr. 105 der Antragsgegnerin überplant, ist eine öffentliche Grünfläche beidseits der Rad- und Fußwegetrasse festgesetzt. Beginnend mit dem Flurstück … der Antragstellerin bezieht sich die Grünflächenfestsetzung Richtung Osten ausschließlich noch auf den Bereich nördlich der Trasse; südlich sind Flächen für die Landwirtschaft festgesetzt. Nur im östlichen Randbereich des Plangebietes im Einmündungsbereich des Brooksdamms in die Austraße verläuft die dort angepasste Festsetzung der Straßenverkehrsfläche innerhalb eines ebenfalls als öffentliche Grünfläche festgesetzten Areals.
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Die Antragstellerin, die sich bereits im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung mit Schreiben vom 6. Oktober 2014 gegen die Bauleitplanung der Antragsgegnerin gewandt und insoweit geltend gemacht hatte, dass sich der geplante Rad- und Fußweg überwiegend auf ihren Eigentumsflächen befinden werde, sie aber zu etwaig notwendig werdenden Verkaufsgesprächen nicht bereit sei, hat am 2. Dezember 2016 gegenüber der Antragsgegnerin formelle und materielle Rügen hinsichtlich des streitgegenständlichen Bebauungsplans Nr. 76 „Rad- / Fußwegeverbindung Geestrand“, Teilbereich 1, erhoben und am selben Tag den vorliegenden Normenkontrollantrag mit denselben Einwänden gestellt. Sie macht geltend, sie sei als Eigentümerin eines im Plangebiet liegenden Grundstücks (Flurstück … der Flur …, Gemarkung …), dessen planungsrechtliche Situation sich durch die Festsetzungen des angegriffenen Bebauungsplans, namentlich durch die Festsetzung eines Rad- und Fußwegs gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB, einer öffentlichen Grünfläche gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB und einer in geringem Umfang verbleibenden Fläche für die Landwirtschaft, zu ihrem Nachteil geändert habe, antragsbefugt. Insbesondere sei sie, da sie sich im Planaufstellungsverfahren mit einer Stellungnahme beteiligt habe, auch nicht nach § 47 Abs. 2a VwGO mit der Geltendmachung von Einwendungen nunmehr präkludiert. Zudem stehe ihr das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zur Seite, da sich ihre Rechtsposition mit Aufhebung des Bebauungsplans, der die Nutzbarkeit ihrer Fläche für private Zwecke ganz erheblich beeinträchtige, verbesserte.
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Ihr Normenkontrollantrag sei auch begründet. Der Bebauungsplan leide an erheblichen formellen und materiellen Fehlern. In formeller Hinsicht folge ein solcher Fehler aus der unzureichenden Nennung der der Antragsgegnerin vorliegenden umweltbezogenen Informationen in der amtlichen Bekanntmachung der Öffentlichkeitsbeteiligung, die damit ihre Anstoßwirkung verfehlt habe. Insbesondere die dortige Beschreibung der Informationen zu den Schutzgütern „Pflanzen, Biotope und Tiere“ werde den dazu in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18.07.2013 - 4 CN 3.12 - und Beschluss vom 17.09.2008 - 4 BN 22.08 -) entwickelten Anforderungen nicht gerecht. Es habe dort an der Angabe gefehlt, zu welchen Arten im Plangebiet überhaupt Erkenntnisse vorgelegen hätten. Ohne eine genaue Inhaltsangabe der konkret im Umweltbericht oder dem Artenschutz-Fachbeitrag erfassten Arten könne der Laie nicht feststellen, ob die von ihm im Plangebiet für besonders schutzwürdig oder interessant erachteten Tierarten in ausreichendem Maße gewürdigt worden seien. Zudem sei nicht ersichtlich gewesen, dass Informationen zu den Kompensationsmaßnahmen vorgelegen hätten. Eine solche Darstellung sei nur für das Schutzgut „Boden“ als „Maßnahme zum Ausgleich von Bodenversiegelungen“ erfolgt. Die erforderliche naturschutzrechtliche Kompensation umfasse jedoch mehr als nur einen Versiegelungsausgleich. Der Bürger habe nicht erkennen können, ob in einem genau bezeichneten Bereich ein konkret beeinträchtigter Umweltbelang durch Kompensationsmaßnahmen geschützt sei. Gehe er davon aus, dass dies erfolgt sei, werde er möglicherweise von der Abgabe einer Stellungnahme absehen. Insofern habe mithin ein Hinweis auf die gewählte Kompensationsform gefehlt.
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In materieller Hinsicht werde gerügt, dass der Bebauungsplan entgegen § 1 Abs. 3 BauGB nicht für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich sei, denn er sei nicht vollziehbar. Der Verwirklichung des Plans stünden deshalb dauerhaft Hindernisse entgegen, weil infolge ihrer Weigerung, Eigentumsflächen zu veräußern, der Antragsgegnerin eine für die Umsetzung der Planung erforderliche Fläche nicht zur Verfügung stehe. Dieser Umstand sei der Antragsgegnerin bei Beschlussfassung bekannt gewesen. Halte die Gemeinde die Verwirklichung des Plans gleichwohl für unbestimmte Zeit offen, so bilde der Bebauungsplan eine rechtlich funktionslose Hülle, die sich nicht als Maßnahme der Gewährleistung städtebaulicher Ordnung werten lasse. Insofern liege hier eine unzulässige Vorratsplanung der Antragsgegnerin vor.
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Der Plan sei zudem abwägungsfehlerhaft. Das „Wegwägen“ ihres Einwands, dass sie zum Verkauf ihrer von der Planung betroffenen Eigentumsflächen nicht bereit sei, halte einer Überprüfung nicht stand. Obgleich der Antragsgegnerin zumindest aufgrund dieses Einwands die Eigentumsverhältnisse bekannt gewesen seien, habe sie diesen Umstand und seine Folgen ausweislich der Dokumentation des Abwägungsvorgangs offensichtlich nicht als für die Entscheidung erhebliche Tatsache betrachtet. Die rechtsfehlerhafte Auffassung der Antragsgegnerin, dass die Eigentumsverhältnisse für die Bauleitplanung unerheblich seien, führe zu einem rechtlich erheblichen Abwägungsmangel. Jedenfalls aber sei die tatsächliche und rechtliche Bewertung ihrer Eigentümerstellung bzw. ihres Eigentums an der durch die Planung betroffenen Fläche verfehlt. Auch wenn sich der Inhalt eines Bebauungsplans im Grundsatz nicht an den Eigentumsverhältnissen auszurichten habe und durch eine Bauleitplanung in zulässiger Weise Inhalts- und Schrankenbestimmungen aufgestellt werden dürften, müsse bei der Festsetzung von Flächen für den Gemeinbedarf, wozu auch öffentliche Grünflächen sowie Rad- und Fußwege zählten, im Besonderen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet werden. Soweit nämlich das Planvorhaben gleich gut auch auf anderen Flächen umgesetzt werden könne, sei es – wie vorliegend geschehen – abwägungsfehlerhaft, Flächen für den Gemeinbedarf vorzusehen, die in privater Hand liegen. Der Planbegründung sei jedenfalls nicht zu entnehmen, weswegen es zum Beispiel nicht möglich sein sollte, den geplanten Weg südlich an ihrem Eigentum entlangzuführen, ohne ihr Flurstück … direkt zu betreffen. Zudem hätte auch bei der Abwägungsentscheidung die mangelnde Vollziehbarkeit des Bebauungsplans Berücksichtigung finden müssen, was nicht geschehen sei.
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Die Antragstellerin beantragt,
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den vom Rat der Antragsgegnerin am 23. April 2015 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 76 „Rad- / Fußwegeverbindung Geest-rand“, Teilbereich 1 zwischen Lüttdahl und Schulauer Straße, für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Normenkontrollantrag abzulehnen.
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Die Antragsgegnerin hält den Normenkontrollantrag der Antragstellerin bereits für unzulässig. Der Antragstellerin, deren 26.725 m² große Eigentumsfläche (nur) in einem Gesamtumfang von 3.376,5 m² betroffen sei, wovon bloß 1.875 m² auf die Rad- und Fußwegefestsetzung sowie die öffentliche Grünfläche entfielen, während die weitaus größere Fläche des Flurstücks … weiterhin landwirtschaftliche Fläche bleibe, fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Denn bei einer Unwirksamerklärung des angefochtenen Bebauungsplans beanspruchten die Regelungen des Bebauungsplans Nr. 105 mit der Trassenführung der ehemaligen Südumfahrung wieder Geltung.
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Darüber hinaus sei der Antrag auch unbegründet. Es liege keine beachtliche Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften vor. Insbesondere sei sie ihrer aus § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB resultierenden Pflicht, Ort und Dauer der Auslegung bekannt zu geben sowie Angaben darüber zu machen, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar seien, nachgekommen. Der danach erforderlichen Anstoßwirkung sei sie in ihrer Auslegungsbekanntmachung vom 9. September 2014 gerecht geworden, indem sie die zur Verfügung stehenden Unterlagen benannt, nach schlagwortartig charakterisierten Themenblöcken zusammengefasst und Angaben dazu gemacht habe, welche Aussagen in den ausliegenden Informationen getroffen seien. Es sei weder eine ausnahmslose Auflistung erforderlich, noch müssten konkrete Angaben etwa zu einzelnen Tierarten gemacht werden. Letztere ergäben sich im Detail aus den ausgelegten Unterlagen, zu deren Einsichtnahme lediglich angestoßen werden müsse. Auch verfange der Einwand nicht, in der Bekanntmachung vom 9. September 2014 seien die Informationen zu Kompensationsmaßnahmen unvollständig gewesen. Kompensationsmaßnahmen seien Teil des Umweltberichts, in dem solcherlei Erfordernisse einzelnen Schutzgütern zugeordnet seien. Hier sei ein solcher Bedarf jedoch allein in Bezug auf zusätzliche Bodenversiegelungen ermittelt worden. Überdies sei in der Planbegründung der Übersichtsplan zu den geplanten Eingriffen aus dem Artenschutz-Fachbeitrag übernommen worden, der seinerseits die erforderlichen Angaben auch zu den vorkommenden Arten enthalte und dem sich zudem etwaig relevante Hinweise zu artenschutzrechtlich erforderlichen Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen entnehmen ließen.
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Auch habe sie das Abwägungsmaterial fehlerfrei zusammengestellt. Insofern habe sie insbesondere auch das Eigentum der Antragstellerin an Flächen im Plangebiet als Abwägungsmaterial erfasst und bei der Abwägung berücksichtigt.
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Der auf dieser Grundlage getroffene Satzungsbeschluss sei auch nicht abwägungsfehlerhaft. Gerade die verschiedenen Redebeiträge in der Ratsversammlung zeigten den Abwägungsvorgang, der letztlich in den Mehrheitsbeschluss gemündet sei. Selbst wenn man Mängel im Abwägungsvorgang erblicken wollte, wäre keine andere als die getroffene Entscheidung erfolgt. Sie habe sich an ihren auch im Flächennutzungsplan von 2010 festgeschriebenen Zielen orientiert, einen überregionalen Weg zu schaffen. Die festgesetzte Wegetrasse sei ein Teilstück ihres Projekts einer fahrradfahrer- und fußgängerfreundlichen Verbindung von der Holmer Straße bis zum Gorch-Fock-Platz. Die ursprünglich als Entlastung der viel befahrenen B 431 gedachte Südumfahrung werde insoweit nach einer stadtentwicklungs- bzw. verkehrspolitischen Neuausrichtung nunmehr durch den geplanten Rad- und Fußweg zumindest für die nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer geschaffen. Der Trassenverlauf stelle zudem die kürzeste Verbindung zwischen den beiden Straßen Lüttdahl und Schulauer Straße dar und führe damit zwangsläufig über das Flurstück … der Antragstellerin. Eine Umlegung des Weges wäre kein für die Zweckerreichung gleich geeignetes milderes Mittel. Es bestehe insoweit keine gleich geeignete kurze Alternative zur B 431 für Radfahrer; eine beabsichtigte attraktive, schnelle Anbindung zwischen Holmer Straße und dem Gorch-Fock-Platz wäre nicht mehr möglich. Bei Würdigung der Interessen der Antragstellerin überwiege daher das öffentliche Interesse an der Errichtung des Rad- und Fußgängerweges, zumal auch der Umweltschutz in Form einer Verringerung des Kfz-Verkehrs ein der Verfassung immanentes Ziel darstelle.
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Der Plan widerspreche schließlich auch nicht § 1 Abs. 3 BauGB; er sei entgegen der Annahme der Antragstellerin insbesondere vollziehbar. Die Verwirklichung einer Wegeverbindung auf der Trasse der ehemaligen Südumfahrung sei ein realistisches Planungsziel. Auch wenn die Antragstellerin dem Planungsziel durch die Weigerung, einen Teil ihres Grundstücks zu veräußern, entgegenwirken könne, stünden für die Plandurchsetzung auch andere Mittel zur Beschaffung der Grundstücksfläche zur Verfügung, namentlich etwa die Enteignung. Deren Voraussetzungen müssten bei Planerlass noch nicht vorliegen, zumal der Plan eine enteignungsrechtliche Vorwirkung gerade nicht besitze und Maßnahmen zum Ausgleich etwaiger Härten in einem späteren Verwaltungsverfahren getroffen werden könnten.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen. | |
Der Bescheid des Landrats des Beklagten vom 24.02.2016 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 18.05.2016 werden aufgehoben, soweit unter Nummer 2 dem Kläger zum einen aufgegeben wird, die in die Waffenbesitzkarte eingetragenen Schusswaffen einschließlich Munition unverzüglich nachweislich einem Berechtigten im Sinne des Waffengesetzes zu übergeben oder nachweislich unbrauchbar zu machen, und zum anderen die Sicherstellung, Einziehung und Verwertung der Waffen und Munition angedroht wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5 zu tragen. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. | Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten.
Dem Kläger wurden am 11.12.1990 die Waffenbesitzkarte Nr. 234/90 und am 16.03.2004 die Waffenbesitzkarte Nr. 31/04 vom Landrat des Beklagten zur Ausübung des Schießsports ausgestellt; er besitzt insgesamt sechs Kurzwaffen, eine Repetierflinte sowie ein Wechselsystem.
Der Kläger war 1. Vorsitzender des Schießsportvereins Z, der in den Räumlichkeiten des Schießsportcentrums Y den Schießsport ausübt. Die Nutzung der Raumschießanlage (RSA) Y wird durch eine Schießstandordnung geregelt. Diese sieht u. a. unter Ziffer 1.3. (Eintrag ins Rangebuch) folgende Regelung vor: „Vor dem Betreten der Schießanlage muss sich jeder Schießleiter und Schütze (bei Behörden nur der Schießleiter) in das Rangebuch eintragen. Mit der Unterschrift im Rangebuch wird die jeweilige Schießstandordnung anerkannt.“
Der Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 16.11.2015 auf, den Fortbestand seines waffenrechtlichen Bedürfnisses im Hinblick auf die regelmäßige Ausübung des Schießsports zu belegen. Der Kläger legte daraufhin eine Bescheinigung vor, die mehrere DSU-Vereinstrainer unterschieben hatten, mit der bestätigt wurde, dass er in den vergangenen 12 Monaten regelmäßig als Schießleiter tätig geworden sei und regelmäßig am Training teilgenommen habe. Des Weiteren legte der Kläger eine Bescheinigung der Firma X vom 20.12.2015 vor, mit der ihm bestätigt wurde, dass er im Rahmen seiner Vereinstätigkeit für den Schützenverein Z in den letzten Jahren durchschnittlich an vier Tagen in der Woche in der Schießanlage in Y tätig gewesen sei.
Mit Schreiben vom 20.01.2016 wurde der Kläger nochmals von dem Beklagten aufgefordert, sein waffenrechtliches Bedürfnis nachzuweisen. Es wurde bezweifelt, dass er die erforderlichen Schießleistungen im maßgeblichen Jahreszeitraum absolviert habe.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 04.02.2016 wurde mitgeteilt, dass der Kläger Waffenhändler sei und Waffen eingeschossen habe. Außerdem sei er Schießausbilder und Standaufsicht. Im Rahmen dieser Ausbildungstätigkeit werde den Auszubildenden das Halten und Abdrücken von Waffen demonstriert.
Mit Bescheid vom 24.02.2016 widerrief der Landrat des Beklagten sowohl die am 11.12.1990 ausgestellte Waffenbesitzkarte Nr. 234/90 als auch die am 16.03.2004 ausgestellte Waffenbesitzkarte Nr. 31/04 des Klägers (Nummer 1 des Bescheids). Er ordnete die unverzügliche Rückgabe der Waffenbesitzkarten an, spätestens jedoch vier Wochen nach Rechtskraft des Bescheids. Für den Fall, dass die Frist fruchtlos verstreichen sollte, wurde dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR angedroht (Nummer 2, 1. Absatz des Bescheids). Weiterhin wurde der Kläger aufgefordert, die in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Schusswaffen einschließlich Munition unverzüglich, spätestens jedoch vier Wochen nach Rechtskraft des Bescheids, nachweislich einem Berechtigten im Sinne des Waffengesetzes zu übergeben oder nachweislich unbrauchbar zu machen. Bei Nichteinhaltung dieser Anordnung wurde die Sicherstellung, Einziehung und Verwertung der Waffen und Munition angedroht (Nummer 2, 2. Absatz des Bescheids). Zur Begründung führte er aus, das waffenrechtliche Bedürfnis des Klägers als aktiver Sportschütze sei nicht nachgewiesen worden. Es könne auch nicht von einem nur vorübergehenden Wegfall des Bedürfnisses ausgegangen werden. Außerdem sei auch kein Grund für einen Verzicht auf den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis erkennbar. Der Bescheid wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde am 25.02.2016 zugestellt.
Mit Telefax vom 26.02.2016 legte der Klägerbevollmächtigte Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.02.2016 ein. Zur Begründung wurde mit Telefax vom 13.05.2016 darauf hingewiesen, dass der Kläger sein waffenrechtliches Bedürfnis durch Vorlage von Urkunden, in der mehrere DSU-Vereinstrainer ausdrücklich bestätigten, dass er regelmäßig am Training teilnehme und Schießleiter sei, nachgewiesen habe. Detaillierte Angaben, wie offensichtlich von der Beklagten gewünscht, könnten derzeit nicht erfolgen.
Mit dem Kläger am 25.05.2016 mittels Empfangsbekenntnis zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 18.05.2016 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Eine regelmäßige Ausübung des Schießsports sei nur dann anzunehmen, wenn der Sportschütze jährlich wenigstens achtzehnmal oder ein Mal pro Monat intensiv und mit einer gewissen Dauer Schießübungen mit der Waffe betrieben habe, für die ein Bedürfnis geltend gemacht werde. Detaillierte Angaben zu dem Umfang des Schießtrainings habe der Kläger nicht machen können.
Der Kläger nahm nach Erlass des Widerspruchsbescheids in der Disziplin U.P2 an der Deutschen Meisterschaft mit der Pistole W mm teil und belegte den V. Platz. Eine Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften setzt keine erfolgreichen Qualifizierungswettkämpfe voraus. Der Kläger nahm im Vorfeld der Meisterschaften auch an keinen anderen Wettkämpfen teil.
Mit Telefax vom Montag, den 27.06.2016, hat der Kläger Klage erhoben.
Er vertritt die Ansicht, er habe den Nachweis des waffenrechtlichen Bedürfnisses durch Vorlage der Bescheinigung vom 06.12.2015 erbracht. Der Kläger trainiere regelmäßig die Disziplinen K13, K17 und U. In der Disziplin U habe der Kläger in seiner Altersklasse bei der Deutschen Meisterschaft 2016 den V. Platz erreicht. Dies sei ohne regelmäßiges Training nicht möglich.
Soweit sich der Beklagte darauf berufe, dass der Kläger ausweislich des Range-buches in dem Zeitraum vom 01.11.2014 bis zum 30.11.2015 nur ein einziges Mal eingetragen gewesen sei, komme diesem Umstand keine beweiserhebliche Bedeutung zu. Denn zum einen sei der Beklagte unberechtigt in den Besitz des Rangebuches gelangt und zum anderen sei es üblich, dass Mitglieder des Vereins sich nicht in die Loseblattsammlung eintragen würden, wenn sie Zutritt zur Schießanlage erhielten. Die Sicherheitsschleuse sei zudem zeitweise nicht in Betrieb gewesen und die Blätter, in die sich die Besucher einzutragen hätten, im Ordner nur lose eingelegt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 24.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2016 aufzuheben und
die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Ansicht, der Kläger habe nicht nachgewiesen, mit jeder Waffe die geforderten Mindestzahlen von achtzehn bzw. zwölf Trainingseinheiten pro Jahr trainiert zu haben. Anwesenheits- und Standaufsichtslisten könnten keinen Nachweis über die Anzahl der Schießübungen erbringen. Der Nachweis könne durch Vorlage der Schießkladden geführt werden, die der Kläger aber nicht vorgelegt habe.
Das Gericht hat die Behördenakte sowie die Gerichtsakten 5 K 1359/16.DA und
5 K 1987/15.DA
beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. | |
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Januar 2016 und der Beschluss des Beklagten vom 8. März 2012 aufgehoben.
Die erstinstanzlichen Gerichtskosten tragen die vormalige Klägerin zu 2. – die nunmehrige Beigeladene zu 6. – und der Beklagte je zur Hälfte.
Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen die vormalige Klägerin zu 2. – die nunmehrige Beigeladene zu 6. – zu einem Drittel und der Beklagte zu zwei Dritteln.
Die vormalige Klägerin zu 2. – die nunmehrige Beigeladene zu 6. –, der Beklagte und die Beigeladenen zu 1. bis 5. tragen ihre außergerichtlichen Kosten für das gesamte Verfahren jeweils selbst.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das gesamte Verfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Der Kläger zu 1. (im Folgenden: der Kläger) wendet sich gegen eine Regressfestsetzung in Höhe von noch 279.295,48 Euro im Rahmen der Richtgrößenprüfung für das Jahr 2005; die Beteiligten streiten insbesondere über die Berechnung der relevanten Verordnungskostensumme.
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2
Der Kläger ist als Facharzt für Nervenheilkunde zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und seit 1. Januar 2005 in Einzelpraxis tätig. Bis zum 31. Dezember 2004 betrieb er zusammen mit dem Facharzt für Nervenheilkunde Dr. FS eine Gemeinschaftspraxis.
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3
Der Kläger behandelt in seiner Praxis von jeher und bis heute schwerpunktmäßig an Multipler Sklerose erkrankte Patienten und Patientinnen. Dabei verordnet er in großem Umfange Immunglobuline, die arzneimittelrechtlich zur Behandlung der Multiplen Sklerose nicht zugelassen sind. In diesem Zusammenhang stellte eine Vielzahl von Krankenkassen für die Zeit seit 1998 bei den Prüfgremien zahlreiche Anträge auf Feststellung eines sonstigen Schadens mit dem Ziel eines Arzneimittelregresses.
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4
Zur Beilegung der vor den Prüfgremien und dem Sozialgericht Berlin insoweit anhängigen Verfahren schlossen der Kläger und der Arzt Dr. S mit dem Beklagten sowie verschiedenen Kassenverbänden und Krankenkassen am 22. Juni 2006 eine „Vereinbarung“, in der die beiden Ärzte sich verpflichteten, 60 Prozent der offenen Forderungen zu begleichen. Die Vereinbarung umfasste bis einschließlich 28. September 2005 ausgestellte Arzneimittelverordnungen; danach ausgestellte Arzneimittelverordnungen waren von der Vereinbarung ausdrücklich nicht erfasst. § 5 der Vereinbarung enthielt zum „künftigen Verordnungsverhalten“ des Klägers u.a. folgende Regelung: „Herr H verpflichtet sich, Immunglobuline künftig nur in dem vom BSG in seinem Urteil vom 19.03.2002 (Az. B 1 KR 37/00 R) vorgegebenen Rahmen bzw. nach den Vorgaben des Fazekas-Eckpunktepapiers, solange dieses Bestand hat, zu verordnen. Das bedeutet insbesondere, dass Immunglobulinpräparate nur unter Beachtung der Einschlusskriterien und als Last-Line-Therapie eingesetzt werden und allein aus Gründen einer Spritzenphobie, einer Stillzeit oder eines Schwangerschaftswunsches nicht verordnet werden.“ In § 8 („Erledigung der Ansprüche“) enthielt die Vereinbarung den Zusatz: „Davon unberührt bleiben jedoch die Verfahren der Richtlinienprüfung“. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vereinbarung wird auf Bl. 396 bis 399 der Gerichtsakte zum Parallelverfahren
L 7 KA 19/16
(Richtgrößenregress 2006) Bezug genommen.
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5
Für die Jahre 2003 bis 2016 unterlag die Praxis (bis 2004 als Gemeinschaftspraxis) jährlichen Richtgrößenprüfungen, die sämtlich nicht rechtskräftig abgeschlossen sind und sich entweder noch im Verwaltungsverfahren oder im erst- bzw. im zweitinstanzlichen Streitverfahren befinden:
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6
Jahr
Regresssumme
Verfahrensstand
2003
282.621,19 Euro
S 22 KA 122/17
2004
252.589,59 Euro
L 7 KA 21/16
2005
279.295,48 Euro
L 7 KA 22/16
2006
325.864,31 Euro
L 7 KA 19/16
2007
540.666,69 Euro
S 83 KA 123/17
2008
432.091,23 Euro
S 87 KA 124/17
2009
926.921,11 Euro
L 7 KA 20/16
2010
1.241.722,96 Euro
S 79 KA 125/17
2011
1.088.096,26 Euro
S 79 KA 126/17
2012
1.206.598,70 Euro
S 83 KA 127/17
2013
1.531.808,51 Euro
S 87 KA 128/17
2014
2.099.793,76 Euro
Beschwerdeausschuss
2015
2.022.738,10 Euro
Beschwerdeausschuss
2016
2.178.119,22 Euro
Beschwerdeausschuss
Summe:
14.408.927,11 Euro
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7
Derzeit behält die Klägerin 50 Prozent des dem Kläger quartalsweise zustehenden vertragsärztlichen Honorars ein, um gegebenenfalls rechtskräftig werdende Richtgrößenregresse zumindest teilweise realisieren zu können.
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8
Im Rahmen einer von Amts wegen durchgeführten Richtgrößenprüfung für das Jahr 2005 gab die Prüfungsstelle für die Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertrags-ärztlichen Versorgung im Land Berlin dem Kläger mit Schreiben vom 6. September 2007 Gelegenheit, Praxisbesonderheiten unter Angabe von Versichertennummern, Indikationsgebieten und genauen Diagnosen geltend zu machen. Hierauf äußerte der Kläger sich nicht.
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9
Mit Beschluss vom 5. Dezember 2007 setzte die Prüfungsstelle gegen den Kläger wegen Überschreitung der Richtgrößensumme für das Jahr 2005 gemäß § 106 Abs. 5a SGB V eine Ersatzverpflichtung in Höhe von 321.852,21 Euro netto fest (Überschreitung der Richtgrößenvolumina um 373,54 Prozent).
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10
Die Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgte auf Grundlage der Arzneimittel-Richtgrößen bzw. der Richtgrößenvereinbarung für das Jahr 2005 (veröffentlicht im KV-Blatt 2/2005) sowie unter Zugrundelegung einer Verordnungskostensumme von brutto 1.949.224,39 Euro. Als Praxisbesonderheiten erkannte die Prüfungsstelle Verordnungskosten in Höhe von insgesamt 800.162,64 Euro an, nämlich
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11
- Verordnungskosten zur Therapie der Multiplen Sklerose mit Interferonen und Glatirameracetat im Rahmen der Zulassung der entsprechenden Präparate gemäß Nr. 18 der Indikationsgebiete in Höhe von 668.284,15 Euro,
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12
- Verordnungskosten für Neuroleptika i.H.v. 75 Prozent, nämlich 131.871,85 Euro
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13
- nicht richtgrößenrelevante Verordnungskosten (Hilfsmittel) in Höhe von 6,64 Euro.
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14
Die Verordnungskosten für Immunglobuline (720.254,88 Euro) brachte die Prüfungsstelle nicht in Abzug.
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15
Als „sonstiger Schaden“ (Anträge von Krankenkassen auf Einzelregresse) wurde ein Betrag in Höhe von 286.822,32 Euro abgezogen.
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16
Im Einzelnen nahm die Prüfungsstelle folgende Berechnung vor:
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17
Richtgrößensumme brutto:
412.720,88 Euro
Richtgrößensumme plus 25 %, brutto:
515.901,10 Euro
belegte Verordnungskosten brutto:
1.949.224,39 Euro
abzüglich Praxisbesonderheiten i.H.v.
800.162,64 Euro
abzüglich „sonstiger Schaden“ i.H.v.
286.822,32 Euro
verbleibende Verordnungskosten brutto:
862.239,43 Euro
verbleibende Überschreitung der Richtgrößensumme brutto:
108,92 %
verbleibende Überschreitung der Richtgrößensumme plus 25 %
= Bruttomehraufwand:
346.338,33 Euro
Brutto-Nettoquote = 92,93 %
Netto-Regressbetrag:
321.852,21 Euro
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Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den er schriftlich nicht weiter begründete. Der Beklagte bat ihn in einem Schreiben vom 14. April 2011 darum, Praxisbesonderheiten unter Angabe der Versichertennummern, der genauen Diagnosen und der Indikationsschlüssel darzulegen. Dies ließ der Kläger unbeantwortet.
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Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (die vormalige Klägerin zu 2.) legte gegen den Bescheid der Prüfungsstelle keinen Widerspruch ein.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Beklagten am 8. März 2012 führte der Kläger an, die Immunglobuline seien aus der Gesamtverordnungssumme herauszurechnen, denn sie stellten insgesamt Praxisbesonderheiten dar. Dann werde die Richtgrößensumme nicht überschritten.
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Patientendokumentationen legte der Kläger weder im Verfahren vor der Prüfungsstelle noch im Widerspruchsverfahren vor. Allerdings bot der Kläger in der Sitzung des Beschwerdeausschusses vom 8. März 2012 an, Patientendokumentationen vorzulegen, wenn dies gewünscht sei; insoweit bat er um Vertagung. Dem kam der Beklagte nicht nach.
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Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens monierte die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (hier die Beigeladene zu 6.) gegenüber den Vertretern der Krankenkassen, dass das Einhalten der Vereinbarung vom 22. Juni 2006 (Beachtung der Fazekas-Studie, Last-Line-Erfordernis) von diesen nicht kontrolliert worden sei. Auch stelle sich die Frage, warum der Kläger sich in seinem weiteren Verordnungsverhalten nicht an die Vereinbarung gehalten habe.
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Mit Beschluss vom 8. März 2012 reduzierte der Beklagte die festgesetzte Ersatzverpflichtung auf 321.788,58 Euro und wies den weitergehenden Widerspruch zurück. In Abzug zu bringen seien weitere 23,67 Euro für Verordnungen mit der Versicherungsnummer „0“ sowie 44,80 Euro für Hilfsmittel; das ergebe eine Reduzierung des Netto-Regressbetrages auf 321.788,58 Euro. Wegen des Rechenweges wird auf Bl. 75 des Verwaltungsvorganges Bezug genommen. Weitere Praxisbesonderheiten seien nicht anzuerkennen. Eine weitergehende Begründung enthielt der schriftliche Bescheid des Beklagten nicht.
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Gegen diesen Beschluss haben sowohl der Kläger (der Vertragsarzt) als auch die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (nunmehr die Beigeladene zu 6.) Klage erhoben.
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Der Kläger hat vorgebracht: Die Behandlung von an Multipler Sklerose erkrankten Patienten mache den Praxisschwerpunkt aus und sei als solche eine Praxisbesonderheit, so dass auch die Verordnung von Immunglobulinen als Praxisbesonderheit anerkannt werden müsse. Die Kriterien des Off-Label-Use seien in jedem Einzelfall erfüllt. Es dürfe nichts anderes gelten als für die Verordnung des teureren Interferon, die der Beklagte als Praxisbesonderheit anerkannt habe. Zudem sei der Einsatz der Immunglobuline mit dem Vergleich vom 22. Juni 2006 als wirtschaftlich anerkannt worden Insgesamt sei es widersprüchlich und treuwidrig, sich im Vergleichswege umfassend über die Verordnungskosten für Immunglobuline zu einigen, diese dann aber in großem Umfange in die Richtgrößenprüfung einzubeziehen. Die Verordnungskosten für Immunglobuline hätten in vollem Umfange von den Verordnungskosten abgezogen werden müssen.
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Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (Beigeladene zu 6.) hat ausgeführt: Nicht verordnungsfähige Arzneimittel dürften nicht in die Richtgrößenprüfung einbezogen werden; rechtswidrig verordnete Arzneimittel fielen nicht in das gesetzlich festgelegte Arzneimittelbudget der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung, sondern seien davon losgelöst zu betrachten. Zulässiger Off-Label-Use liege hier nicht vor; die vom Bundessozialgericht definierten Kriterien seien nicht erfüllt, denn eine „begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg“ sei nicht hinreichend belegt. Eine Einbeziehung in die Richtgrößenprüfung belaste letztlich das gesamte Kollektiv der Vertragsärzte; notwendig sei daher die Beantragung von Einzelverordnungsregressen seitens der Krankenkassen, um die Haftung ausschließlich beim verordnenden Vertragsarzt zu suchen.
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27
Der Beklagte hat auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen und ergänzend erklärt: Entscheidend sei bei der Ermittlung der Verordnungskostensumme darauf abzustellen, ob das verordnete Arzneimittel grundsätzlich zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sei. Das sei bei den verordneten Immunglobulinen der Fall. Entscheidend sei bei der Richtgrößenprüfung nur das Volumen der tatsächlich verordneten Leistungen. Als Praxisbesonderheit seien die Verordnungen indessen nicht anzuerkennen, denn es handele sich nicht um statthaften Off-Label-Use. Auf den Vergleich vom 22. Juni 2006 könne der Kläger sich nicht berufen, weil dieser Verordnungen nach September 2005 nicht betreffe. Praxisbesonderheiten seien grundsätzlich vom Vertragsarzt detailliert und konkret patientenbezogen darzulegen.
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28
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin am 27. Januar 2016 hat der Beklagte auf Anregung des Sozialgerichts die Verordnungskosten für Neuroleptika (insgesamt 175.829,13 Euro) in voller Höhe als Praxisbesonderheiten anerkannt. Davon ausgehend hat er den Regressbetrag auf 279.295,48 Euro reduziert. Das hierin liegende Teilanerkenntnis haben der Kläger und die Klägerin angenommen.
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29
Mit Urteil vom 27. Januar 2016 hat das Sozialgericht Berlin die Klagen abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Richtgrößenrelevant seien alle in der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Arzneimittel (Bruttoverordnungskosten). Es gebe keine gesetzliche Grundlage dafür, aus diesem Betrag rechtswidrig zulassungsüberschreitende Verordnungen herauszurechnen. Weder habe der Beklagte die Richtgrößenprüfung im Hinblick auf die mögliche Geltendmachung „sonstiger Schäden“ durch die Krankenkasse vertagen müssen, noch seien die Krankenkassen etwa verpflichtet, solche Anträge auf Einzelregress zu stellen. Immerhin sei für das Jahr 2005 im Hinblick auf „sonstige Schäden“ ein Betrag in Höhe von 286.822,32 Euro in Abzug gebracht worden. Mit der erfolgten Anerkennung von Praxisbesonderheiten seien die Prüfgremien ihrer Amtsermittlungspflicht gerecht geworden. Zur weiteren Anerkennung von Praxisbesonderheiten in Zusammenhang mit den Verordnungen von Immunglobulinen habe kein Anlass bestanden. Weil der Kläger im Ausgangs- und im Widerspruchsverfahren keine einzelfallbezogenen Angaben gemacht habe, sei nicht feststellbar gewesen, ob und inwieweit es sich bei einzelnen Verordnungen von Immunglobulinen um statthaften Off-Label-Use gehandelt habe. Nur ein solcher sei im Rahmen von Praxisbesonderheiten in Abzug zu bringen.
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30
Gegen das ihm am 18. März 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. März 2016 Berufung eingelegt. Er bringt im Wesentlichen vor: Er habe sich an die in der Vereinbarung vom 22. Juni 2006 enthaltene Regelung zu seinem künftigen Verordnungsverhalten (§ 5) gehalten, denn er sei entsprechend den Fazekas-Eckpunktewerten vorgegangen und habe Immunglobuline nur unter Beachtung der Einschlusskriterien als Last-Line-Therapie verordnet. Auf sein ausdrückliches Angebot, dies in jedem Einzelfall zu beweisen, sei der Beklagte in seiner Sitzung vom 8. März 2012 nicht eingegangen. Sowohl Beklagter als auch Krankenkassen verhielten sich nun treuwidrig, indem sie die Vereinbarung vom 22. Juni 2006 missachteten. Der angefochtene Bescheid des Beklagten leide unter Ermessensunterschreitung; Tatsachenstoff sei nicht hinreichend aufgearbeitet worden. Die Verordnung von Immunglobulinen werde insgesamt als Praxisbesonderheit reklamiert. Vergleichsbereitschaft bestehe.
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31
Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (nunmehr Beigeladene zu 6.) hat gegen das ihr am 10. März 2016 zugestellte Urteil am 22. März 2016 Berufung eingelegt. Am 17. Juni 2020 hat sie die Klage zurückgenommen, woraufhin sie der Senat als Beigeladene zu 6. zu dem Verfahren beigeladen hat.
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32
Der Kläger beantragt,
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33
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Januar 2016 sowie den Beschluss des Beklagten vom 8. März 2012 aufzuheben.
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34
Der Beklagte beantragt,
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35
die Berufung zurückzuweisen.
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36
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Es gebe keine Norm, die dazu berechtige, die für die Verordnung von Immunglobulinen entstandenen Kosten bei der Berechnung der Richtgröße außer Betracht zu lassen. Ob vertragsärztliche Verordnungen zu Recht oder nicht zu Recht „off-label“ erfolgt seien, spiele keine Rolle. Es begegne auch praktischen Schwierigkeiten, bei der Ermittlung der Summe der Verordnungskosten solche Arzneimittel herauszurechnen, die nicht im Rahmen der Leistungspflicht der Krankenkassen „off-label“ verordnet worden seien, denn immerhin seien Immunglobuline zugelassene Arzneimittel, etwa für die Indikation bestimmter Immunschwächen. In die Richtgrößenprüfung flössen alle Arzneimittel ein, die nach dem Arzneimittelgesetz verordnungsfähig seien. Der Vereinbarung vom 22. Juni 2006 messe der Kläger ungerechtfertigte Bedeutung zu. Sie enthalte keine Ermächtigung, Immunglobuline unbegrenzt verordnen zu dürfen. Mit der Vereinbarung habe im Wesentlichen der bis September 2005 entstandene Streit beigelegt werden sollen. Für die Zukunft seien lediglich Absichtserklärungen formuliert worden. Eine rechtmäßige Verordnung von Immunglobulinen komme nach der in der Vereinbarung zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19. März 2002 (B 1 KR 37/00 R) auch nicht mehr in Betracht. Unabhängig davon setze der Beklagte Verfahren der Richtgrößenprüfung aus, wenn festgestellt werde, dass der geprüfte Arzt unrechtmäßige Arzneimittelverordnungen getätigt habe; den Krankenkassen werde dann Gelegenheit gegeben, im Einzelfall Prüfanträge zu stellen. Zur Stellung solcher Anträge auf Einzelregress seien die Krankenkassen aber nicht verpflichtet.
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37
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
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38
Die Beigeladene zu 1. vertritt die Auffassung, Gegenstand der Richtgrößenprüfung seien alle verordneten und grundsätzlich – unabhängig von der Indikation im Einzelfall – verordnungsfähigen Arzneimittel. Die Verkehrsfähigkeit von Immunglobulinen sei unstreitig. Das genüge für ihre Einbeziehung in die Richtgrößenprüfung. Wertungen zur Berechtigung eines Off-Label-Use seien in diesem Zusammenhang undurchführbar. Die „Ausfallhaftung“ der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (der Beigeladenen zu 6.) sei gesetzgeberisch gewollt; dem hätte diese durch Rückstellungen für den Arzt oder das Ergreifen disziplinarischer Mittel entgegenwirken können.
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39
Der Beigeladene zu 5. pflichtet dem bei. Auch ein Off-Label-Use sei im Rahmen der Ausgaben- und Richtgrößenvolumina zu berücksichtigen. Das sei aus der Historie des § 84 SGB V ableitbar. Die ausnahmsweise Statthaftigkeit eines Off-Label-Use bewege sich im Rahmen der Erstattungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 31 SGB V.
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40
Die Beigeladene zu 6. vertieft ihr Vorbringen aus dem Klageverfahren und führt ergänzend aus: Der Bescheid des Beklagten sei schon formell rechtswidrig, denn er enthalte keine Begründung. So gehe der Bescheid etwa weder auf das Angebot des Klägers zur Vorlage patientenspezifischer Unterlagen noch auf den Vertagungsantrag ein. Mit dem Vorbringen der Beigeladenen zu 6. aus der mündlichen Verhandlung setze der Bescheid sich ebenfalls nicht auseinander. Das betreffe vor allem die Einbeziehung von außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfolgten Arzneimittelverordnungen in die Richtgrößenprüfung und den Umgang mit Fällen statthafter Off-Label-Verordnungen. Den Begründungsmangel habe der Beklagte auch in drei anderen Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin, betreffend die Richtgrößenprüfungen für die Jahre 2003, 2007 und 2008, anerkannt (S 22 KA 222, 231 und 232/12) und sich zur Neubescheidung verpflichtet. Unabhängig davon verletze die Auffassung des Sozialgerichts, jenseits der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfolgte Verordnungen seien in die Richtgrößenprüfung einzubeziehen, Bundesrecht (§§ 31, 84 SGB V); es handele sich nicht um richtgrößenrelevante Verordnungskosten, denn sie seien nicht in die maßgeblichen Richtgrößen „eingepreist“. Zu beachten sei die rechtliche Verpflichtung der Krankenkassen zur Stellung von Prüfanträgen im Falle von zulassungsüberschreitenden Verordnungen (§ 11 Nr. 6 Buchst. d der Prüfvereinbarung). Verordnungsregresse nach § 24 der Prüfvereinbarung seien vorrangig durchzuführen; das ergebe sich sowohl aus Wortlaut und Systematik der Prüfvereinbarung als auch aus der Systematik der Wirtschaftlichkeitsprüfung insgesamt. Die beiden unterschiedlichen Regressverfahren hätten sehr unterschiedliche Auswirkungen: Während ein Richtgrößenregress die nach Maßgabe der Gesamtverträge zu entrichtende Vergütung verringere (§ 11 Nr. 8 der Prüfvereinbarung; § 106 Abs. 5c Satz 3 SGB V in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung), würden Einzelverordnungsregresse unmittelbar den Honorarverteilungskonten der Krankenkassen gutgeschrieben; gegebenenfalls trete die Kassenärztliche Vereinigung den Erstattungsanspruch an die Krankenkasse zur unmittelbaren Einziehung ab (§ 28 der Prüfvereinbarung). Im Falle des Richtgrößenregresses treffe das Risiko der Nichteintreibbarkeit dagegen die gesamte Berliner Vertragsärzteschaft. Es könne nicht im Belieben der Krankenkassen stehen, über die Verteilung dieses Haftungsrisikos zu entscheiden. Letztlich stelle die Verfahrensweise des Beklagten einen Eingriff in die honorarvertraglichen Vereinbarungen der Gesamtvertragspartner dar. Gegen einzelne Krankenkassen sei von Seiten der Klägerin mittlerweile Klage erhoben worden, mit dem Ziel, dass diese verpflichtet werden, gegen den Kläger bei den Prüfgremien Einzelverordnungsregresse zu beantragen.
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41
Der Rechtsstreit war Gegenstand eines Erörterungstermins im parallelen Berufungsverfahrens
L 7 KA 19/16
am 7. August 2019. Die dadurch in Gang gesetzten Vergleichsverhandlungen sind gescheitert.
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42
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten, die, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung waren. | |
Die an die Kläger gerichteten Bescheide der Beklagten vom 29. August 2022 in der Fassung ihrer Widerspruchsbescheide vom 21. und 22. November 2022 und der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 26. August 2022 zugunsten des Beigeladenen werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, über die Anträge der Kläger einerseits und des Beigeladenen anderseits durch das Los zu entscheiden.
Die Beteiligten haben ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Berufung und Sprungrevision werden zugelassen. | Randnummer
1
Die Beteiligten setzen ihren Streit um einen Zuschuss nach der Verordnung zur Weiterführung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTBV) aus dem Verfahren VG 26 L 309/22 fort. In jenem Verfahren stellte das Gericht mit Beschluss vom 23. Dezember 2022 die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Kläger gegen den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 26. August 2022 zugunsten des Beigeladenen wieder her.
A.
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2
Die Kläger sind Vereine. Der Kläger zu 2 ist Mitglied im Kläger zu 1. Er soll aufgelöst und als Fachabteilung im Kläger zu 1 geführt werden. Um diesen Übergang zu ermöglichen, stellten beide Kläger einen Antrag auf den streitigen Zuschuss und verneinten darin, Leistungserbringer zu sein.
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3
Der Kläger zu 2 betrieb seit Februar 2018 bis in das Jahr 2022 eine Beratungsstelle im Landkreis L.... Zu deren Weiterführung beantragten er und der Kläger zu 1 einen Zuschuss für 1,42 Vollzeitäquivalente (VZÄ) verteilt auf drei Personen.
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4
Zur Darstellung der wesentlichen Inhalte und Meilensteine ihres geplanten Beratungsangebots schrieben sie:
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5
„Meilenstein 3: Ausbau der Standorte zur Beratung, die Bevölkerung im Landkreis benötigt zur niederschwelligen Nutzung von Beratungsangeboten der EUTB mindestens einen weiteren Standort, die Corona-Krise hat gezeigt, dass Online- Angebote zwar genutzt werden und ein allgemeiner Abbau der Hemmschwellen stattgefunden hat, doch auch im Interesse des Datenschutzes und der sehr wichtigen Niederschwelligkeit erscheint die persönliche Beratung nach wie vor das erfolgreichste Instrument der EUTB-Beratung zu sein.“
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6
Zur Gewährleistung der Niedrigschwelligkeit des Beratungsangebots in seiner inhaltlichen, räumlichen, sozialen und zeitlichen Dimension schrieben sie:
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7
„Beratungsstandort L...: Offene Sprechstunde dienstags 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr, donnerstags 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr. Beratungsstandort R...: Offene Sprechstunde mittwochs 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr. Terminsprechstunden montags bis freitags nach Vereinbarung. Beratungen möglich in Form von persönlicher Beratung in der Beratungsstelle, als Hausbesuch, per Mail, telefonisch, postalisch, online. Barrierefreiheit mit Behinderten-WC und sehr guter Verkehrs- und Sozial-Anbindung.“
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8
Sie bejahten die Frage, ob in den jeweiligen Regionen neben dem Hauptstandort auch Nebenstandorte geplant seien und benannten in R... einen etwaigen Nebenstandort mit Anschrift.
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9
Mit Ablehnungsbescheid vom 29. August 2022 lehnte die Beklagte die Anträge der Kläger ab, weil die Erforderlichkeit des Beratungsangebots zur Umsetzung eines flächendeckenden, wohnortnahen Angebots nicht gegeben bzw. ersichtlich sei. Mit vorliegendem Konzept sei ein Nebenstandort mit drei Sprechstunden pro Woche im Landkreis geplant. Ein anderes Vorhaben plane für sein Beratungsangebot dort zwei Nebenstandorte mit je 10 Stunden pro Woche. Der Mitbewerber trage somit in höherem Maße zur Flächendeckung und Wohnortnähe des Beratungsangebotes bei.
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10
Dagegen erhoben die Kläger Widerspruch und machten geltend: Der Kläger zu 2 habe seinen Standort verlegt und in eine Rollstuhlrampe und eine rollstuhlgerechte Toilette investiert. Wie in den Anträgen zu Meilenstein 3 angedeutet, hätten sie eine Vereinbarung mit einer Kirchengemeinde in R... getroffen, um den Ausbau ihrer Standorte 2023 schnell umsetzen zu können. Auch in R... könne er über die Kirchengemeinde auf Räume zurückgreifen.
B.
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11
Der Beigeladene hat seinen Sitz außerhalb des hier betroffenen Landkreises und betreibt an seinem Sitzort seit 2018 eine Beratungsstelle. Die Ratsuchenden kämen nicht nur aus dieser Stadt, sondern in großem Maße auch aus den anliegenden Landkreisen. Der Beigeladene beantragte einen Zuschuss für 1,27 VZÄ für den Landkreis L... verteilt auf zwei Personen. Zur Darstellung der wesentlichen Inhalte und Meilensteine seines geplanten Beratungsangebots schrieb er:
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12
„Um das Beratungsangebot EUTB den Ratsuchenden trotz der veränderten Förderung in qualitativ gleichbleibender Form vorzuhalten, wollen wir neben der kreisfreien Stadt R... auch die beiden angrenzenden Landkreise M... und L... mit einem EUTB Angebot bedienen. So beabsichtigen wir Beratungsangebote in der Stadt L..., dem K... und M... an unterschiedlichsten Öffnungstagen und -zeiten vorzuhalten, aber auch mit vereinbarten Terminen oder Hausbesuchen zu arbeiten. Gleichzeitig wollen wir die Organisation ein wenig straffen und über den Standort R...den Beratungsangeboten insgesamt zuarbeiten. ...
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13
Der Hauptstandort R... dient als Basis für die Organisation und Terminvereinbarungen für alle Standorte.“
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14
Zur Gewährleistung der Niedrigschwelligkeit des Beratungsangebotes in seiner inhaltlichen, räumlichen, sozialen und zeitlichen Dimension schrieb er:
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15
„Offene Sprechstunde R...: Montag 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr, Dienstag 12:00 Uhr bis 16:00 Uhr, Mittwoch 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr, Donnerstag 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr
L...: Montag 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr, Dienstag 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr, Mittwoch 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr
M...: Mittwoch 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr, Donnerstag 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr
G...: Montag 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr, Mittwoch 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr“.
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16
Weiter waren für die vier Orte Terminsprechstunden angegeben.
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17
Er gab an, dass die Räumlichkeiten am Hauptstandort barrierefrei seien und die notwendigen Normen einhielten. Die geplanten Nebenstandorte orientierten sich an den Notwendigkeiten für ein barrierefreies Beratungsangebot. Die mit einer Adresse bezeichneten Räumlichkeiten in R... stünden allen Beratern zur Verfügung. Als Ergänzung hierzu dienten die Beratungsangebote in den Nebenstandorten, um die Beratung in die Fläche zu bringen. Daneben bestehe aber auch die Möglichkeit der aufsuchenden Beratung im gesamten Landkreis.
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18
Epostalisch wies die Beklagte den Beigeladenen am 30. Mai 2022 darauf hin, dass für jede beantragte Region ein Hauptstandort vorgehalten werden müsse. Darauf teilte der Beigeladene unter Angabe konkreter Anschriften am 21. Juni 2022 mit, dass L... der Hauptdurchführungsort und M... sowie G... Nebendurchführungsorte sein sollten.
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19
Mit Bewilligungsbescheid vom 26. August 2022 bewilligte die Beklagte dem Beigeladenen für den Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2029 einen nicht rückzahlbaren Zuschuss auf Ausgabenbasis im Umfang von bis zu über 661.000 Euro.
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20
Am 14. November 2022 erhob der Kläger zu 1 Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 26. August 2022 zugunsten des Beigeladenen.
C.
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21
Mit Widerspruchsbescheiden vom 21. und 22. November 2022 gab die Beklagte den Widersprüchen der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid nicht statt. Eine Nachbesserung des Antrags im Widerspruchsverfahren durch Angabe eines weiteren Nebenstandorts sei nicht möglich gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Widerspruchsbescheide wird auf die von den Klägern zur Akte gereichten Ablichtungen davon (Bl. 25 bis 32 und Bl. 33 bis 40 d. A.) verwiesen.
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22
Die Kläger haben am 29. November 2022 Klage erhoben. Sie machen geltend: Auch der Kläger zu 2 habe gegen den Bewilligungsbescheid Widerspruch erhoben. Der Antrag des Beigeladenen habe wegen der fehlerhaften Bestimmung des Hauptdurchführungsorts nicht berücksichtigt werden dürfen. Sie hätten das bessere Angebot vorgelegt. Sie hätten seinerzeit bereits Beratungsstellen an zwei Standorten betrieben. In R... habe ein Weiterer dazu kommen sollen. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Klageschrift (Bl. 9 bis 16 d. A.) und den Schriftsatz vom 27. Februar 2023 (Bl. 132 bis 135 d. A.) Bezug genommen.
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23
Die Kläger beantragen,
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24
die Beklagte unter Aufhebung ihrer ablehnenden Bescheide vom 29. August 2022 in der Fassung ihrer Widerspruchsbescheide vom 21. und 22. November 2022 ihnen gegenüber und unter Aufhebung des Bewilligungsbescheids der Beklagten vom 26. August 2022 an den Beigeladenen zu verpflichten, ihnen eine Bewilligung für 1,42 VZÄ gemäß ihrer Anträge zu gewähren.
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25
Die Beklagte beantragt,
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26
die Klagen abzuweisen.
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27
Sie macht geltend: Zur Aufklärung des Hauptstandorts des Beigeladenen sei sie durch den Untersuchungsgrundsatz verpflichtet und daran nicht durch eine Beschränkung auf Angaben aus dem Antrag gehindert gewesen. Im Angebot der Kläger habe eine Erklärung gefehlt, an einem konkreten Ort in dem Landkreis einen dritten Standort anzustreben. Der Beigeladene habe das Kriterium des § 9 Abs. 2 Nr. 1 EUTBV besser erfüllt als die Kläger. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 27. Februar 2023 verwiesen.
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28
Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. | |
1. Die Beklagte wird verurteilt, für die Klinik und Poliklinik für Neurologie sechs Intensivtherapiebetten unter neurologischer Endverantwortung einzurichten.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte für die Einrichtung von sechs Intensivtherapiebetten unter neurologischer Endverantwortung die entsprechenden personellen Ressourcen in Form einer Anpassung des Krankenversorgungsbudgets der Klinik und Poliklinik für Neurologie zu schaffen hat.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in einer der Kostenfestsetzung entsprechenden Höhe vorläufig vollstreckbar. | Randnummer
1
Die Klägerin begehrt die Erfüllung einer Bleibezusage durch die beklagte Universitätsmedizin.
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2
Mit Urkunde vom 17. November 2009 wurde die Klägerin in Rheinland-Pfalz unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Universitätsprofessorin ernannt. Wenige Tage später wurde sie unter Bezugnahme auf
§ 20 Abs. 2 des Universitätsmedizingesetzes
antragsgemäß für die Dauer ihrer Tätigkeit bei der beklagten Universitätsmedizin der J.G.-U. M. unter Wegfall der Dienstbezüge durch das Wissenschaftsministerium des Landes aus dem Beamtenverhältnis beurlaubt.
Randnummer
3
Am 14. Oktober 2009 hatten die Klägerin und der Vorstand der Beklagten nach
§ 20 Abs. 2 des Universitätsmedizingesetzes
einen privatrechtlichen Dienstvertrag geschlossen, mit dem die Klägerin ab dem 1. Dezember 2009 als Direktorin der Neurologischen Klinik der Beklagten angestellt wurde. Am 22. Oktober 2009 wurde zwischen denselben Beteiligten eine Berufungsvereinbarung u.a. über die Ausstattung der W 3-Professur der Klägerin getroffen. Sie enthält u.a. folgende Regelung:
Randnummer
4
„3. Räumlichkeiten, Bettenkapazität und Infrastruktur in der Krankenversorgung
Randnummer
5
.... Es ist beabsichtigt, der Klinik für Neurologie die Zugangsberechtigung für fünf interdisziplinäre Intensivtherapiebetten nach der Durchführung der Überarbeitung des ICU/IMC Behandlungskonzepts und unter Beachtung räumlicher Voraussetzungen an der Universitätsmedizin M. einzurichten. Eine weitere Voraussetzung hierfür ist, dass die erlösrelevanten neurologischen Komplexleistungen gegenüber den Krankenkassen für die Universitätsmedizin M. abrechenbar sind. ... Im Rahmen der Umstrukturierung der Stroke Unit strebt die Universitätsmedizin in den nächsten drei Jahren an, fünf Intensivtherapiebetten für die Neurologie einzurichten.“
Randnummer
6
Im Zuge von Bleibeverhandlungen infolge eines Angebots einer Tätigkeit als Ärztliche Direktorin an dem U. H.-E. sagte der Vorstand der Beklagten mit Schreiben vom 3. Mai 2012 der Klägerin im Falle eines Verbleibs folgendes zu:
Randnummer
7
„1. Der Vorstand gewährt Ihnen Zugang zu Intensivtherapiebetten unter neurologischer Endverantwortung sowie entsprechende personelle Ressourcen in Form einer Anpassung des Krankenversorgungsbudgets der Klinik und Poliklinik für Neurologie (Umsetzung der Maßnahme soll bis zum 01.09.2012 erfolgen).“
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8
Die Erfüllung dieser Zusage bekräftigte die Beklagte mit Schreiben vom 25. Juni 2012:
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9
„... 6. Der Vorstand anerkennt die Bedeutung des Zugangs zu Intensivtherapiebetten unter neurologischer Endverantwortung, die – wie Sie heute ausführten – im Moment als Streubetten vorgehalten werden. Die feste Zuordnung sehen wir weiterhin bis zum 01.09.2012 vor. Bitte anerkennen Sie auch hier, dass dies von der erfolgreichen Anwerbung und Retention von geeigneten medizinischen Mitarbeitern abhängt, wofür aber schon Maßnahmen in die Wege geleitet wurden.“
Randnummer
10
In einem weiteren Schreiben vom 14. August 2012 führte die Beklagte aus:
Randnummer
11
„Wir hoffen sehr und gehen davon aus, dass, unter der Maßgabe der mit Ihnen vorbesprochenen stufenweise Zurverfügungstellung der sechs neurologischen Intensivbetten, die von uns mit diesem Schreiben erweiterten Berufungszusagen erfüllt sind.“
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12
Am 16. Dezember 2013 beschloss der Vorstand der Beklagten (Vorstandsbeschluss Nr. 758), dass in Erfüllung einer Bleibezusage der Einrichtung einer internistisch-neurologischen Intensivstation (Neurologische Intensiv-Unit) zum 1. Februar 2014 zugestimmt werde. In der dazugehörigen Beschlussvorlage vom 11. Dezember 2013 heißt es:
Randnummer
13
„... Der Vorstand erachtet es als notwendig, dass die bestehenden Intensivkapazitäten aufgrund des generellen Mangels an Intensivbetten in der Universitätsmedizin erweitert werden. Ebenso sollen dabei neurologische Intensivkapazitäten entstehen. Zudem hat der Vorstand im Rahmen der Bleibeverhandlungen Frau Professorin Z. am 25. Juni 2012 Intensivbetten unter neurologischer Endverantwortung zugesagt.
Randnummer
14
Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, dass in einem ersten Schritt die bisher durchschnittlich zwei Intensivbetten, welche für neurologische Patienten als Streubetten zur Verfügung stehen, meist auf der Intensivstation der I. Medizinischen Klinik, zukünftig fest der Klinik für Neurologie zugeordnet werden und damit eine internistische-neurologische Intensivstation entsteht. Mit dieser Zuordnung einher geht allerdings im ersten Schritt eine einschichtige ärztliche Betreuung dieser zwei Betten. ... In einem zweiten Schritt soll mittelfristig durch geeignete bauliche Maßnahmen die Anzahl der Intensivbetten erweitert werden. Damit einher geht auch eine sukzessive Erhöhung der neurologischen Intensivkapazitäten, ....“
Randnummer
15
Nachdem eine Umsetzung der Bleibezusage aus dem Jahr 2012 ausblieb, forderte die Klägerin den Vorstand der Beklagtem mit Schreiben vom 2. Februar 2014 hierzu auf. Ein dem Vorstand nachgeordneter Mitarbeiter teilte der Klägerin mit E-Mail vom 4. Februar 2014 mit, dass die Einrichtung von 2 neurologischen Intensivbetten zum 1. Januar 2014 vorerst nicht umgesetzt werde. Es bedürfe zunächst weiterer Gespräche mit allen Beteiligten. Über das Ergebnis werde der Vorstand anschließend informieren. Die Klägerin wandte sich mit ihrem Umsetzungsbegehren erneut schriftlich an den Vorstand der Beklagten. Dieser teilte der Klägerin mit Schreiben vom 10. Februar 2014 mit, dass folgender Sachstand bestehe:
Randnummer
16
„1. Am Vorstandsbeschluss Nr. 758 wird festgehalten. ...
Randnummer
17
Da eine – in Anwesenheit des Vorstandes – vereinbarte Absprache zur Klärung der konkreten Umsetzung bisher nicht erfolgt ist, verfügt der Vorstand wie folgt:
Randnummer
18
1. Die schon bisher bestehende Zusammenarbeit zwischen den internistischen Kliniken und der neurologischen Klinik im Bereich der Intensivmedizin wird vertieft und der Zugang zu intensiv-medizinischer Behandlung für primär neurologische Patienten verstärkt.
Randnummer
19
2. Zu diesem Zweck wird eine Rotationsassistentenstelle von der Klinik für Neurologie besetzt. ...
Randnummer
20
3. Die Klinik für Neurologie stellt einen fachärztlich-neurologischen Oberarzt/Bereitschaftsdienst, der für die neurologische Therapie verantwortlich ist.
Randnummer
21
4. Die beiden internistischen Intensivstationen stehen weiterhin unter der Leitung der I. und II. Medizinischen Klink.
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22
5. Allgemeine intensivmedizinische Maßnahmen (Organerhalt/Organersatz-Therapie) liegen in der Verantwortung der internistischen Teams.
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23
6. Die Vergabe intensivtherapeutischer Behandlungsplätze richtet sich weiterhin nach Fallschwere und Dringlichkeit aller Patienten. Daraus ergibt sich eine wechselnde Zahl primär internistischer und primär neurologischer Intensivpatienten. Dringlichkeiten werden interdisziplinär abgesprochen. Die Führung liegt bei den 24/7 diensthabenden internistischen Oberärzten. ...
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24
8. Da durch Unklarheiten und wohl auch Missverständnisse der Zeitpunkt des Beginns zum 01.02.2014 verpasst wurde, beginnt die Regelung ab dem 01.03.2014.
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9. Diese Regelung gilt, bis eine weiterreichende, einvernehmliche Lösung zur Organisation der Gesamtbetreuung primär neurologischer Patienten zwischen den Einrichtungen entwickelt ist. ...“
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26
Die Klägerin forderte mit anwaltlichem Schreiben vom 25. Februar 2014 die Beklagte zur Mitteilung auf, auf welchem Weg und wann sie den Berufungszusagen nachkommen werde. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 25. März 2014 mit, dass sie schon mit der Verfügung vom 10. Februar 2014 der Neurologie einen Zugang zu Intensivtherapiebetten gewähre und damit die Zusage in der Berufungsvereinbarung erfülle. Die in den Intensivstationen vorgehaltenen Betten würden danach nach Dringlichkeit und Fallschwere belegt, so dass der Neurologie bei entsprechend dringlichen und schwerwiegenden Fällen Betten zur Verfügung gestellt würden. Möglichen Kapazitätsengpässen solle durch eine Erweiterung der Gesamtkapazität begegnet werden, für die inzwischen investive Mittel hätten eingeworben werden können. Hierdurch erhoffe sich der Vorstand eine nicht unerhebliche Entspannung der Situation und einen erweiterten Zugang der Neurologie zu intensivmedizinischen Betten. Ein eigenes Bettenkontingent gehe über den in der Bleibezusage enthaltene Begriff des Zugangs hinaus und sei mit dem Charakter der interdisziplinären Ausrichtung der Intensivstationen nicht in Einklang zu bringen.
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27
Am 28. März 2014 hat die Klägerin Klage bei dem Arbeitsgericht M. erhoben, das den Rechtstreit – nach dortigem zweijährigen Ruhen des Verfahrens wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen – mit Beschluss vom 15. März 2017 an das Verwaltungsgericht verwiesen hat. Mit der Klage verfolgt die Klägerin die Einhaltung der Berufungs- und Bleibevereinbarungen weiter. Nachdem die zugesagten Intensivbehandlungsbetten zum 1. Juli 2014 in den Landeskrankenhausplan Rheinland-Pfalz aufgenommen worden seien und der Vorstand der Beklagten mit Beschluss vom 1. Juni 2015 (Vorstandsbeschluss Nr. 912) „in Erfüllung der Bleibezusage aus dem Jahr 2012“ die apparative Grundausstattung zugesagt habe, sei es im Rahmen eines Budgetgesprächs im November 2015 zu einer Auseinandersetzung zwischen ihr – der Klägerin – und dem Vorstand gekommen, da dieser von ihr verlangt habe, das bei schon erfolgtem Personalaufbau und schrittweiser Inbetriebnahme der Betten mögliche Defizit durch ihr Forschungsbudget auszugleichen; zum Einsatz von Forschungsmitteln für Zwecke der Krankenversorgung sei sie indes nicht bereit. Anfang des Jahres 2016 sei dann die Umsetzung der Berufungszusage von einer – unüblichen – Evaluierung der neurologischen Klinik abhängig gemacht worden. Die gesamte Entwicklung zeige, dass die Beklagte nicht mehr die Absicht habe, ihre vertraglichen Zusagen einzuhalten. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Vorstandsschreiben vom 10. Februar 2014. Danach verbleibe angesichts der dort geregelten interdisziplinären Behandlung von neurologischen Intensivpatienten die organisatorische und die fachliche Endverantwortung weiter bei den Intensivstationen der I. bzw. II. Medizinischen Klinik und deren Personal, denen gegenüber die Klägerin als Direktorin der Klinik für Neurologie nicht weisungsbefugt sei. Auf eine wirtschaftlich verschlechterte Situation und beabsichtigte Umstrukturierungsmaßnahmen könne sich die Beklagte nicht berufen, seien ihr doch diese Umstände in dem Zeitraum der erfolgten Zusagen bekannt gewesen. Der Inbetriebnahme der neurologischen Intensivtherapiebetten entgegenstehende ökonomische Gründe seien auch nicht nachvollziehbar, sei doch noch im Jahr 2016 die Erweiterung der anästhesiologischen Intensivstation vom Vorstand beschlossen worden. Im Übrigen sei es – wie andere Unikliniken zeigten – durchaus möglich, Intensivbetten unter neurologischer Endverantwortung wirtschaftlich zu führen. Auch sei der Beklagten die Notwendigkeit der Schaffung zusätzlicher Intensivkapazitäten bewusst gewesen – wie auch der Bau-Masterplan zeige –, nur sollten diese entgegen der Zusage nun nicht mehr unter neurologischer Endverantwortung stehen, für die ausreichend auch in neurologischer Intensivmedizin ausgebildetes Personal der Klinik für Neurologie zur Verfügung gestellt werden könne.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, für die Klinik und Poliklinik für Neurologie sechs Intensivtherapiebetten unter neurologischer Endverantwortung einzurichten,
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festzustellen, dass die Beklagte für die Einrichtung von sechs Intensivtherapiebetten unter neurologischer Endverantwortung die entsprechenden personellen Ressourcen in Form einer Anpassung des Krankenversorgungsbudgets der Klinik und Poliklinik für Neurologie zu schaffen hat.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die der Klägerin hinsichtlich des Zugangs zu Intensivtherapiebetten gemachten Zusagen seien nicht mit Blick auf Forschung und Lehre, sondern ausschließlich im Hinblick auf die Sicherstellung der Patientenversorgung erfolgt. Insoweit entfalte der zwischen den Parteien geschlossene Dienstvertrag Relevanz und seien die Bestimmungen des Universitätsmedizingesetzes maßgeblich. Zwischenzeitlich hätten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten indes nachteilig verändert. Die Wirtschaftsjahre seit 2012 seien mit einem jährlichen Defizit von zwischen 6 und 23 Millionen Euro abgeschlossen worden. Die gesetzlichen Vorschriften verlangten eine Betriebsführung der Universitätsmedizin und ihrer Einrichtungen nach Wirtschaftlichkeitsgrundsätzen, denen auch die Klägerin unter Berücksichtigung entsprechender Regelungen im Dienstvertrag unterworfen sei. Dabei sei es Pflicht der Beklagten, auch bereits getroffene Entscheidungen zu überprüfen und – soweit wirtschaftlich notwendig – zu revidieren. Von daher habe sich die Beklagte – letztlich schon seit dem Jahr 2009 – auf der Grundlage des neuen Strategiekonzepts „Strategische Ausrichtung der Universitätsmedizin M. 2016 bis 2026“ und des in diesem enthaltenen Baumasterplans in einer eigenen unternehmerischen Entscheidung dazu entschlossen, im Bereich der Intensivmedizin von kleinteiligen Behandlungseinheiten auf ein Konzept der interdisziplinären Zentralisierung der intensivmedizinischen Betten in einer Hand überzugehen. So habe der Vorstand der Beklagten schon am 24. September 2012 eine proportionale Reduktion der gegebenen Berufungszusagen bezüglich Intensivtherapiebetten beschlossen. Für den Übergangszeitraum seien im Bereich der II. Medizinischen Klinik und der Stroke Unit jedoch noch zusätzliche Intensivbetten geschaffen worden, die ebenso wie die im Bereich der Anästhesie vorgehaltenen Intensivbetten von der neurologischen Klinik im Sinne einer guten Patientenversorgung genutzt werden könnten und würden. Damit sei der bei der Berufungs- und Bleibevereinbarung zugestandene Zugang zu Intensivbetten schon derzeit gewährleistet; er werde es aber auch zukünftig sein, wenn die Klägerin nach Umsetzung des Baumasterplans im Rahmen der interdisziplinären Intensivmedizin Therapiebetten nutzen könne. Die Forderung der Klägerin nach einer eigenen Station mit Intensivbetten für einen kurzen Zeitraum bis zu vollständigen Umsetzung des Baumasterplans sei jedoch nicht nur vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Situation der Beklagten ungerechtfertigt. Auch aus Gründen der Patientensicherheit könne der Klinik für Neurologie ein Zugang zu Intensivtherapiebetten nur im Bereich einer interdisziplinären Intensivstation mit allenfalls einer Endverantwortung für das neurologische Grundleiden gewährt werden. Eine Endverantwortung im intensivmedizinischen Bereich für neurologische Patienten sei aus zwingenden medizinischen Gründen nur durch Beteiligung anderer Spezialisten (z.B. Anästhesisten, Kardiologen) sicherzustellen. Eine Verantwortung des Neurologen könne nur auf die Behandlung des Grundleidens beschränkt sein, in Konfliktsituationen sei etwa im Fachbereich Anästhesie grundsätzlich der Leiter der anästhesiologischen Intensivmedizin derjenige, dem die Entscheidungshoheit für zu treffende medizinische Maßnahmen verbleiben müsse. Es fehle der Klägerin ferner die nötige fachärztliche Ausbildung für eine neurologische Intensivmedizin; auch die im Bereich der Neurologie tätigen Oberärzte verfügten nicht über sie. Der Feststellungsantrag sei nicht nachvollziehbar. Der vereinbarte Zugang zu Intensivtherapiebetten sei nicht mit der Zurverfügungstellung eines gesonderten Budgets verbunden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtakte und die vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. | |
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 5. April 2018 – 3 A 558/15 HGW – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag (Schmutzwasser) für das Grundstück des Klägers Gemarkung V..., Flur …, Flurstück .../1.
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2
Durch Bescheid vom 23. Februar 2015 zog der Beklagte den Kläger zu einem Anschlussbeitrag für das oben genannte Grundstück in Höhe von 6.337,80 € heran.
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3
Nach erfolglosem Vorverfahren hat der Kläger am 25. Juni 2015 Klage erhoben. Zur Begründung hat der Kläger sich wesentlich darauf gestützt, dass die Straßen- und Kanalbaumaßnahmen, auf die sich der eingeforderte Herstellungsbeitrag beziehe, in den Jahren 1992 - 1994 durchgeführt worden seien. Es könne nicht recht und billig sein, dass ein Kommunalverband im Jahre 2015, also fast 20 Jahre später, für diese Maßnahme Beiträge erhebe.
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In der mündlichen Verhandlung vom 5. April 2018 hat der Beklagte aufgrund eines gerichtlichen Hinweises zur Anwendung der satzungsmäßigen Tiefenbegrenzungsregelung die zu veranlagende Grundstücksfläche reduziert und verbindlich erklärt, dass der Beklagte aus dem streitgegenständlichen Beitragsbescheid keine Rechte herleite, soweit der festgesetzte Beitrag den Betrag von 5.665,80 € übersteige.
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Der Kläger hat daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache insgesamt für erledigt erklärt. Die Hauptsachenerledigung sei eingetreten mit Blick auf die Erklärung des Beklagtenvertreters und den Umstand, dass die Klage zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit im Jahre 2015 – wegen der damals im KAG M-V fehlenden anspruchsunabhängigen Höchstfrist – begründet gewesen sei. Erst durch das Gesetz vom 14. Juli 2016 sei diese Frist in das KAG M-V eingefügt worden und die Klage sei unbegründet geworden.
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Der Beklagte hat weiterhin die Abweisung der Klage beantragt.
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7
Durch Urteil vom 5. April 2018 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
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8
Am 4. Mai 2018 hat der Beklagte die zugelassene Berufung fristgerecht eingelegt und am 31. Mai 2018 ebenso fristgerecht begründet.
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Zur Begründung stützt der Beklagte sich wesentlich darauf, dass der beklagte Zweckverband in der vorliegenden Konstellation nichts falsch gemacht habe. Nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts würden in unerträglicher Weise die Gesamtheit der Abgabenzahler und insbesondere mittelbar jene, die „brav“ ihre Abgaben gezahlt hätten, durch die auf den Beklagten zukommenden Gerichtskosten belastet. Richtigerweise hätten die Kosten des Verfahrens niedergeschlagen werden müssen, weil sie in der Verantwortung derjenigen Gerichte lägen, die das alte KAG erst „durchgewinkt“ und dann ausgelegt hätten. Es sei keine Erledigung im Rechtssinne eingetreten. Die Möglichkeit der Erledigung sei nicht dazu gedacht, eigentlich niederzuschlagende Kosten über einen Kunstgriff bei der öffentlichen Hand abzuladen. Eine Hauptsachenerledigung wäre eingetreten, wenn eine in der Sphäre des Beklagten liegende Rechtsänderung eingetreten wäre. Dies habe das BVerwG in seiner Entscheidung 8 C 40.91 (Rn. 11) als potenziell erledigendes Ereignis in Betracht kommend angesehen und im dortigen Fall auf eine Satzungsänderung abgestellt. Damit habe das BVerwG erkennbar nicht gesagt, dass eine solche Rechtsänderung außerhalb der Beklagtensphäre dem Klagebegehren stets die Grundlage entziehe. Der vorliegende Verwaltungsakt sei nicht erledigt, sondern werde vollumfänglich aufrechterhalten. Der in Rede stehende Beitragsbescheid datiere von 2015. Er beruhte auf dem zu dieser Zeit gültigen KAG M-V. Das BVerwG habe in seinem Urteil vom 15. April 2015 – 9 C 15.14 – das KAG M-V in der damals geltenden Fassung nicht für verfassungswidrig eingestuft. Das Verwaltungsgericht und/oder das Oberverwaltungsgericht hätten das Gesetz anwenden und erforderlichenfalls über den 31. Dezember 2018 hinaus auslegen müssen. Dass man dabei zu dem Ergebnis gekommen wäre, ein Bescheid aus dem Jahre 2015 wäre vom Gesetz und den allgemeinen Grundsätzen zu Vertrauensschutz und Verjährung nicht gedeckt gewesen, sei höchst unwahrscheinlich. Dass sich die entscheidende Schwelle ausgerechnet im Bereich zwischen 18 Jahren (noch akzeptabel) und 20 Jahren (nicht mehr akzeptabel) befunden hätte, werde von niemandem ernsthaft behauptet. Der in Rede stehende Verwaltungsakt sei also rechtmäßig und habe zu jeder Zeit auf einer ihn stützenden Gesetzes- und Satzungsregelung gefußt. Danach wäre für 2015 möglicherweise gar kein neues Gesetz erforderlich gewesen, weil das alte noch weiterhin getragen habe.
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Schließlich sei im vorliegenden Verfahren die Revision zuzulassen wegen grundsätzlicher Bedeutung.
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Die Klägerseite hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
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12
Die Beteiligten sind zur Frage einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 130a Satz 1 VwGO angehört worden. | |
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2018 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen. | Randnummer
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Streitig ist die Bewilligung von Kinderbetreuungskosten im Rahmen von Leistungen für die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme im Wege des Zugunstenverfahrens.
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Am 13. Juni 2014 schloss die 1985 geborene Klägerin nach Erhalt eines Bildungsgutscheins mit der C GmbH einen Qualifizierungsvertrag betreffend eine vom 18. Juni 2014 bis zum 17. Juni 2016 andauernde Umschulung zur Kauffrau im Gesundheitswesen (IHK) Teilzeit (9:00 bis 14:15 Uhr) und nahm in der Folgezeit an dieser tatsächlich auch regelmäßig teil. Die Klägerin ist die Mutter der 2009 geborenen L K sowie des 2011 geborenen TK. Beide Kinder besuchten 2014 die private Kindertagesstätte „T“ in B und zwar L ab dem 01. Januar 2011 bis zum 31. Juli 2015 und T ab dem 01. September 2012 bis zum 31. Juli 2017. Für die ganztätige Betreuung in der Kindertagesstätte fielen für T im Juni und Juli 2014 gesetzliche Betreuungskosten i.H.v. monatlich 20,00 € an, im Übrigen fielen für L keine und für Tab dem 01. August 2014 keine gesetzlichen Betreuungskosten (mehr) an, jedoch zahlte die Klägerin an die Kindertagesstätte jeweils Verpflegungsbeiträge für Mittagessen i.H.v. 23,00 € pro Monat und Kind, zudem zahlte sie an die Kindertagesstätte einen monatlichen Zusatzbeitrag für die restliche Vollverpflegung i.H.v. 12,00 € - ab dem 01. Januar 2015 i.H.v. 17,00 € - pro Kind. Aus den Betreuungsverträgen, die für die Kinder der Klägerin abgeschlossen worden waren, ergab sich weder die Verpflichtung der Klägerin, den Verpflegungskostenbeitrag noch die Verpflichtung, den Zusatzbeitrag zu zahlen. Eine ausdrückliche Vereinbarung schloss die Klägerin über diese Beträge mit der Kindertagesstätte nicht ab.
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L K wurde zum 05. September 2015 eingeschult. Im Rahmen der schulischen Ausbildung wurde sie zusätzlich betreut, ein Platz an der B-Grundschule wurde ihr bereits zum 01. August 2015 zugeteilt.
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Mit Bescheid vom 26. Juni 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 18. Juni 2014 bis zum 17. Juni 2016 Leistungen für die Teilnahme an einer Weiterbildung gemäß § 16 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i.V.m. §§ 81, 83-87 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Form von Lehrgangs- und Fahrtkosten. Für die Zeit vom 18. Juni bis zum 31. Juli 2014 bewilligte der Beklagte zudem Kinderbetreuungskosten für den Sohn der Klägerin T i.H.v. insgesamt 260,00 € (2 x 130,00 €). Darüber hinaus lehnte der Beklagte die Bewilligung von Kinderbetreuungskosten für den Sohn T und die Tochter L ab. Zur Begründung hieß es, aufgrund der gültigen gesetzlichen Regelung fielen für L in der Zeit vom 18. Juni 2014 bis voraussichtlich 31. Juli 2015 keine Kosten für die Betreuung, sondern lediglich Verpflegungskosten an. Bei diesen handele es sich nicht um Betreuungskosten. Für den Sohn T entfielen ab dem 01. August 2014 ebenfalls die Kosten für die Betreuung.
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In ihrem Widerspruch vom 01. Juli 2014 machte die Klägerin geltend, ihr fielen trotz der neuen gesetzlichen Regelung Kosten für die Fahrt zur Kita, für eine Betreuung in Krankheitszeiten sowie in den Schließzeiten der Kita an. Außerdem zahle sie einen monatlichen Zusatzbeitrag i.H.v. 12,00 € für jedes Kind. Täglich hole ihre Schwester die Kinder von der Kita ab und betreue sie. Dafür zahle sie ihr 10,00 €, an Krankheitstagen 20,00 €.
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Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2014 als unbegründet zurück. Gemäß
§ 1 Abs. 1 Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetz
(TKBG) hätten das Kind und seine Eltern sich nach Maßgabe dieses Gesetzes an den durchschnittlichen jährlichen Kosten der Betreuung in einer Tageseinrichtung, Tagespflegestelle oder der ergänzenden Betreuung an Schulen sowie an den Kosten für in einem Angebot enthaltene Verpflegung zu beteiligen. Nach
§ 3 Abs. 5 TKBG
werde in den letzten drei Jahren vor Beginn der regelmäßigen Schulpflicht, mit Ausnahme der Beteiligung an den Kosten für in einem Angebot enthaltene Verpflegung, eine Kostenbeteiligung nicht erhoben. Gemäß
§ 42 Abs. 1 Schulgesetz
des Landes Berlin würden mit Beginn eines Schuljahres (01. August) alle Kinder schulpflichtig, die das sechste Lebensjahr vollendet hätten oder bis zum folgenden 31. Dezember vollenden würden. Das Kind L, geboren 2009, werde aufgrund der bevorstehenden Einschulung im Jahr 2015 seit August 2012 kostenfrei betreut. Das Kind T, geboren 2011, werde aufgrund der bevorstehenden Einschulung im Jahr 2017 ab August 2014 kostenfrei betreut. Leistungsberechtigte nach dem SGB II zahlten in Berlin für Kindergarten-/Hortbetreuung lediglich den Mindestbeitrag, der die Verpflegungskosten abdecke. Demzufolge könnten hier Betreuungskosten nur im Einzelfall anfallen, zum Beispiel bei einer Erkrankung des Kindes oder in Schließzeiten. Für den Fall der Erkrankung des Kindes oder von Schließzeiten bestehe die Möglichkeit, dass die Klägerin von der Maßnahme befreit werde (Urlaub oder Krankmeldung). Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass der Unterricht der Fortbildung im Zeitraum von 9:00 Uhr bis 14:15 Uhr stattfinde. Die Betreuungszeiten in der Kindertagesstätte seien von Montag bis Donnerstag von 6:00 bis 18:00 Uhr und am Freitag von 6:00 bis 17:00 Uhr. Die Kindertagesstätte sei von der Wohnung der Klägerin mit dem Auto 1,2 km und somit ca. 3 Minuten entfernt. Von der Kita zum Schulungsort betrage die Entfernung 17 km mit einem zeitlichen Umfang von ca. 30 Minuten. Somit sei sichergestellt, dass der Klägerin ausreichend Zeit zur Verfügung stehe, ihre Kinder vor Maßnahmebeginn zur Tagesstätte zu bringen und später wieder abzuholen. Eine darüber hinausgehende Betreuung durch die Tante könne daher nicht nachvollzogen werden. Der von der Klägerin gezahlte zusätzliche Beitrag von 12,00 € monatlich je Kind müsse nicht bezahlt werden, da gemäß TKBG ein Kindertagesstättenplatz verlangt werden könne, der über die Kostenbeteiligung nach dem TKBG hinaus keine Zahlungsverpflichtungen umfasse. Der Verpflegungsanteil sei bereits im Regelbedarf enthalten und könne somit nicht gesondert übernommen werden.
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7
Am 26. Juni 2015 reichte die Klägerin 3 Quittungskopien ein, wonach sie ihrer Schwester am 28. November 2014 60,00 € für Betreuung aufgrund von Krankheit in der Zeit vom 18. bis zum 26. November 2014 sowie am 30. Dezember 2014 50,00 € in der Zeit vom 15. bis zum 19. Dezember 2014 und ihrer Mutter am 01. Mai 2015 150,00 € für Betreuung aufgrund von Kitaschließung und Fahrtkosten gezahlt hatte. Es sei ihr nicht möglich, während der Kitaschließzeiten auf eine andere Kita zurückzugreifen. Die Kita sei die ganzen Sommerferien geöffnet, aber die Eltern müssten entscheiden, ob sie die ersten oder die letzten 3 Wochen Sommerferien frei nähmen. Sie habe in der Zeit vom 28. Juli bis zum 08. August 2014 2 Wochen Urlaub gehabt, sei davon jedoch die gesamte erste Woche krank gewesen. In den ersten drei Wochen der Ferien (ab 09. Juli 2014) habe ihre Mutter die Betreuung übernommen. Nach dem 08. August 2014 hätten die Kinder die Kita besucht. Im Übrigen beantrage sie die Übernahme der Betreuungskosten für ihre Tochter L. Hierzu legte sie den Kostenbescheid nach dem TKBG vom 20. Mai 2015 vor, wonach für L ab dem 01. August 2015 ein Betreuungsanteil in Höhe von monatlich 9,00 € sowie ein Verpflegungsanteil in Höhe von monatlich 37,00 € anfiel. Bereits am 29. Juni 2015 hatte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 26. Juni 2014 beantragt.
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Mit Änderungsbescheid vom 08. Juli 2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin höhere Fahrtkosten für die Zeit vom 18. Juni 2014 bis zum 17. Juni 2016. Mit weiterem Änderungsbescheid vom selben Tag bewilligte der Beklagte der Klägerin sodann Betreuungskosten für L für die Zeit vom 01. August 2015 bis zum 17. Juni 2016, und zwar i.H.v. 130,00 € im Monat. Mit dem dritten Bescheid vom 08. Juli 2015 verwies der Beklagte zu dem Überprüfungsantrag auf die weiteren Bescheide vom 08. Juli 2015 und führte darüber hinaus aus, dem Antrag auf Übernahme der Kosten für die Betreuung der Tochter L in der Zeit vom 18. Juni 2014 bis zum 31. Juli 2015 sowie des Sohnes T in der Zeit vom 01. August 2014 bis zum 17. Juni 2016 könne weiterhin nicht stattgegeben werden. Betreuungskosten könnten nur dann übernommen werden, wenn diese tatsächlich anfielen. Aufgrund der gültigen gesetzlichen Regelungen fielen für die Kinder in den genannten Zeiträumen lediglich Verpflegungskosten an, welche jedoch keine Betreuungskosten darstellten.
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Unter dem 20. Juli 2015 legte die Klägerin Widerspruch gegen diesen Bescheid ein. Zum einen seien Verpflegungskosten als Kinderbetreuungskosten anzuerkennen. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) habe mit Urteil vom 23. Oktober 2014 zu dem Az. L 8 AL 342/11 entschieden, dass Verpflegungskosten Betreuungskosten darstellten. Zum anderen sei zwar kein gesetzlicher Betreuungsanteil mehr zu zahlen, da der private Kindergarten jedoch Zusatzbeiträge erhebe, seien diese vom Beklagten anzuerkennen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 08. Oktober 2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Im TKBG sei die Kostenbeteiligung verbindlich geregelt. Die Zusatzbeiträge, die der private Kindergarten erhebe, fielen nicht als Betreuungsanteil unter
§ 1 Abs. 1 TKBG
. Sofern es sich um Kosten für zusätzliche Angebote handele, könne die Klägerin deren Anfall dadurch verhindern, dass ihre Kinder an den Angeboten nicht teilnähmen.
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Hiergegen hat die Klägerin am 09. November 2015 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Nachdem sie in der mündlichen Verhandlung vom 08. November 2017 unter Vorlage von Quittungen geltend gemacht hatte, dass ihre Mutter bzw. ihre Schwester die Kinder vom 28. Juli bis zum 22. August 2014, 19. bis zum 26. November 2014, 15. bis zum 19. Dezember 2014 und 27. bis zum 30. April 2015 betreut und hierfür jeweils 10,00 € pro Tag verlangt hätten, hat sie unter dem 15. Dezember 2017 mitgeteilt, dass sie auf eine weitere Beweisaufnahme in dieser Hinsicht verzichte.
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Das SG hat die Klage durch Urteil vom 15. August 2018 abgewiesen. Der Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 08. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Oktober 2015 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Bescheid vom 26. Juni 2014 sei nicht zurückzunehmen, da bei dessen Erlass das Recht nicht unrichtig angewendet worden sei. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf weitere Kinderbetreuungskosten stehe ihr insbesondere nicht aus § 16 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Var. 1 SGB II i.V.m. §§ 81, 83 und 87 SGB III zu. Weder die von der Klägerin geltend gemachten Verpflegungskosten i.H.v. 20,00 bzw. 23,00 € monatlich noch die Zusatzbeiträge i.H.v. monatlich 17,00 € pro Kind seien Kinderbetreuungskosten, die nach diesen Normen zu berücksichtigen wären. Darüber hinaus habe die Klägerin zwar behauptet, aber nicht nachgewiesen, dass ihre Mutter die Kinder zeitweise betreut habe.
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Nach zutreffender Ansicht des LSG, welche dieses in seinem Urteil vom 29. Mai 2013 (L 18 AL 255/12) geäußert habe, seien Verpflegungskosten keine Kinderbetreuungskosten im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 4 SGB III alte Fassung bzw. § 83 Abs. 1 Nr. 4 SGB III neue Fassung. Die Verpflegungskosten wären ohnehin angefallen und beruhten nicht unmittelbar nur auf der Weiterbildung. Verpflegungsleistungen seien vielmehr Kosten der allgemeinen Lebensführung und würden nur anlässlich der Betreuung des Kindes erbracht. Im Gegenteil dürfte die Klägerin dadurch, dass ihre Kinder für den Betrag von monatlich 20,00 € bzw. 23,00 € in der Kindertagesstätte mit Essen versorgt worden seien, sogar erhebliche Aufwendungen erspart haben. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des LSG vom 23. Oktober 2014 (
L 8 AL 342/11
). Die darin zu § 64 Abs. 3 S. 1 SGB III getroffenen Wertungen seien auf den vorliegenden Fall und auf die §§ 81, 83 bis 87 SGB III nicht zu übertragen. Anders als in § 87 SGB III i.V.m. § 83 Abs. 1 Nr. 4 SGB III und anders als in § 64 Abs. 3 S. 2 SGB III sei in § 64 Abs. 3 S. 1 SGB III nicht geregelt, dass nur die unmittelbar entstehenden Betreuungskosten berücksichtigungsfähig seien, weshalb Überlegungen zur Kausalität zwischen Ausbildung und Betreuungskosten in diesem Zusammenhang - anders als bei den §§ 81 ff. SGB III - entbehrlich seien. Dementsprechend müssten die Kosten im Rahmen des § 64 Abs. 3 S. 1 SGB III nicht unvermeidbar durch die Berufsausbildung bzw. Teilnahme an der Maßnahme entstehen, wohingegen der eindeutige Wortlaut des § 87 SGB III dies voraussetze.
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Ebenso wenig seien die Zusatzbeiträge als Kinderbetreuungskosten anzuerkennen. Nach
§ 3 Abs. 5 S. 1 TKBG
alte Fassung sei in den letzten drei Jahren vor Beginn der regelmäßigen Schulpflicht mit Ausnahme der Beteiligung an den Kosten für eine im Angebot enthaltene Verpflegung eine Kostenbeteiligung nicht zu erheben. § 5 Abs. 3 RV-Tag habe ferner geregelt, dass jeder Träger grundsätzlich verpflichtet sei, auf Wunsch der Eltern einen Platz anzubieten, für den keine Zuzahlungen entstünden. Angemessene Verpflichtungen der Elternmitarbeit seien hiervon nicht erfasst, über diesen Anspruch seien die Eltern im Betreuungsvertrag zu informieren. Sofern es den Eltern möglich sei, für ihr Kind einen kostenfreien Platz in der Kindertagesstätte zu verlangen, könnten diese Kosten nicht als Kinderbetreuungskosten ersetzt verlangt werden. Vielmehr stünde der Klägerin unter Umständen ein Rückzahlungsanspruch gegenüber der Kindertagesstätte zu. Dies gelte umso mehr, als hinsichtlich der Zahlung des Zusatzbeitrages keinerlei vertragliche Verpflichtung der Klägerin bestanden habe. Dieser sei nicht im Betreuungsvertrag vereinbart gewesen, die Klägerin habe selbst zu Protokoll erklärt, hinsichtlich des Beitrages keine ausdrückliche Vereinbarung mit der Kindertagesstätte abgeschlossen, sondern diesen schlicht gezahlt zu haben.
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Soweit die Klägerin behauptet habe, ihre Mutter bzw. ihre Schwester hätten ihre Kinder betreut und insoweit seien Betreuungskosten angefallen, seien die vorgelegten Quittungen nicht ausreichend, um die Betreuung als nachgewiesen zu betrachten. Daher sei beabsichtigt gewesen, die Mutter und die Schwester der Klägerin zu den angeblichen Betreuungszeiten als Zeugen zu vernehmen. Insoweit habe die Klägerin im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vom 08. November 2017 durch ihre Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2017 mitteilen lassen, dass sie auf eine Beweiserhebung verzichte. Die Kammer habe damit die Behauptung der Klägerin nicht verifizieren und insoweit einen Anspruch auf Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten nicht feststellen können.
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Gegen das ihr am 24. August 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. September 2018 bei dem LSG eingegangene Berufung der Klägerin. Der 8. Senat des LSG habe mit Urteil vom 23. Oktober 2014 (
L 8 AL 342/11
) entschieden, dass Verpflegungsaufwendungen Kosten für die Betreuung eines aufsichtsbedürftigen Kindes eines Auszubildenden gemäß § 68 Abs. 3 S. 3 SGB III unabhängig davon seien, ob auch eine Betreuung ohne Verpflegung hätte gewählt werden können. Hiernach zählten Verpflegungskosten zu den Kinderbetreuungskosten, da die Gemeinschaftsverpflegung in der Kindertagesstätte der körperlichen und sozialen Entwicklung des Kindes diene. In den Fällen der Prüfung der unmittelbaren Weiterbildungskosten gemäß § 83 SGB III liege die gleiche Problematik bei der Berücksichtigung von Kosten für den gemeinsamen Mittagstisch vor. Die Unmittelbarkeit sei zu bejahen, da die Verpflegung integraler Bestandteil der Kindertagesbetreuung sei. Für die Betreuung der Kinder seien schließlich Kosten entstanden. Hierzu reiche es aus, dass Aufwendungen in Geld in Zusammenhang mit der Betreuung angefallen seien. Die Begründung, es sei die ureigenste Aufgabe der Eltern, die Kinder zu verpflegen, sei nicht tragfähig, weil es auch die ureigenste Aufgabe der Eltern sei, die Kinder zu betreuen und zu erziehen. Die Verpflegungskosten seien deshalb angefallen, weil die Kinder in der Kita versorgt worden seien, insofern bestehe die Unmittelbarkeit offensichtlich. Dass andere Kosten auch zu Hause angefallen wären, sei ohne Belang. Dies gelte gleichfalls für die angefallenen Zusatzkosten. Hierbei sei es nach jeder bisher vertretenen Meinung vollkommen unerheblich, ob der Kitaaufenthalt auch ohne diesen Zusatzbeitrag möglich gewesen wäre. Jedenfalls sei der Beitrag von der Kita erhoben und von der Klägerin auch gezahlt worden. Unzutreffend sei zudem die Ansicht des SG, die Zahlung des Zusatzbeitrags beruhe nicht auf einer vertraglichen Verpflichtung, zu deren Begründung sich das Gericht auf den Betreuungsvertrag berufe. Eine rechtsverbindliche Zusatzvereinbarung zwischen Kita und Eltern der betreuten Kinder sei selbstredend nicht formbedürftig. Der Zusatzbeitrag werde zudem von allen Eltern in der Kita erbracht. Insofern seien der Klägerin Betreuungskosten in Form des Verpflegungsanteils und des Zusatzbeitrags unmittelbar entstanden.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2018 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 08. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Oktober 2015 zu verpflichten, den Bescheid vom 26. Juni 2014 zu ändern und der Klägerin Betreuungskosten für das Kind L i.H.v. 130,00 € monatlich für den Zeitraum vom 18. Juni 2014 bis zum 31. Juli 2015 sowie für das Kind T i.H.v. 130,00 € monatlich für die Zeit vom 01. August 2014 bis zum 17. Juni 2016 zu bewilligen.
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Der Beklagte beantragt,
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20
die Berufung zurückzuweisen.
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21
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt (Schreiben des Beklagten vom 12. Dezember 2018, der Klägerin vom 02. Januar 2019).
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23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte (1 Heftung) Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind. | |
Der Bescheid vom 05.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2008 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. | Randnummer
1
Die Beteiligten streiten über eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für die Quartale II/05 bis IV/06. Die Klägerin begehrt eine Anhebung des Regelleistungsvolumens der Praxis um mindestens 2.000 Punkte pro Fall.
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2
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis bestehend aus zwei Fachärzten für Anästhesie mit Schwerpunkt Schmerztherapie, wobei Frau A. jedoch als Fachärztin für Allgemeinmedizin niedergelassen war. Beide Ärzte befinden sich seit dem 01.01.2008 im Ruhestand.
Randnummer
3
Die Honorarabrechnung stellte sich in den streitgegenständlichen Quartalen wie folgt dar:
Quartal
II/05
III/05
IV/05
I/06
II/06
III/06
IV/06
Honorarbescheid vom
27.06.06
11.08.06
Alt vom 28.10.06
19.01.07
03.02.07
16.03.07
17.04.07
Honorar PK+EK
110.471,58
82.646,94
88.415,38
100.799,76
73.967,30
60.379,77
64.978,61
Honoraranf. in €
168.441,13
173.117,28
179.733,23
143.002,19
99.420,93
99.912,28
109.433,34
RLV
Fallzahl
681
644
644
617
513
494
508
Fallwert
1.296,6
1.304,8
1.295,5
1.304,7
1.311,5
1.311,2
1.308,9
Praxisbezogenes RLV
882.984,6
840.291,2
836.234,0
804.999,9
672.799,5
647.732,8
664.921,2
Abgerechnetes Honorarvolumen
2.453.335
2.632.230
2.701.160
2.042.365
1.372.010
1.351.595
1.533.740
Überschreitung
1.570.350,4
1.791.938,8
1.864.926,0
1.237.365,1
699.210,5
703.862,2
868.818,8
Fallwert in Euro
166,83
134,35
142,87
167,47
145,37
122,23
127,96
7.5.
Referenz-Fallwert
166,2957
142,5772
155,8964
195,7884
142,0665
123,5584
132,3027
Aktueller Fallwert
103,9000
101,6823
106,2503
93,0230
109,6330
104,6281
105,6239
Auffüllbetrag je Fall
54,0809
21,8762
25,2057
65,2960
30,2444
12,7524
17,0927
Auffüllbetrag
36.829,09
14.088,25
16.232,49
40.287,62
15.515,38
6.299,69
8.683,10
Randnummer
4
Die Klägerin behandelte Schmerzpatienten, deren Anteil sich wie folgt ermitteln läßt:
Quartal
Ziffer 30700
Ziffer 30701
Behandlungsfälle beider Ziffern
Anteil der Schmerzp.
Behandlungsfälle insgesamt
II/05
151
367
518
76%
681
III/05
104
372
476
74%
644
IV/05
139
367
506
79%
644
I/06
116
361
477
77%
617
II/06
94
243
337
66%
513
III/06
207
101
308
62%
494
IV/06
140
205
345
68%
508
I/07
109
188
297
63%
470
II/07
145
208
353
72%
491
III/07
158
124
282
61%
459
IV/07
119
165
284
58%
492
Randnummer
5
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 12.04.2005 eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für die Quartale II/05-IV/07. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die besondere Praxissituation und Praxisausrichtung darin bestünde, eine geringe Fallzahl chronisch therapieresistenter Schmerzpatienten zu behandeln. Eine umfassende Versorgung Schmerzkranker nach der Qualitätssicherungsvereinbarung Schmerztherapie sei mit dem neuen EBM nicht mehr möglich, da dieser zahlreiche für die algesiologische Versorgung essentielle Leistungen entweder nicht mehr enthalte oder nur für bestimmte Fachgruppen reserviere. Zusätzlich sollten viele Leistungen im (praktisch halbierten) Ordinationskomplex enthalten sein, obwohl dieser nicht auf die Belange einer algesiologischen Spezialpraxis ausgerichtet sei.
Randnummer
6
Mit 1.200 Punkten je Fall sei spezielle Schmerztherapie nicht zu leisten. Der Honorarverlust im Quartal II/05 habe über 38% betragen. Insoweit habe die Beklagte in Person ihrer Vorsitzenden, Frau Dr. C., im Rundschreiben vom 01.08.2006 darauf hingewiesen, dass bei einem Fallwertverlust von mehr als 15% eine einzelfallbezogene Prüfung zu erfolgen haben entsprechend der Regelung der Ziffer 7.5.2 HVV.
Randnummer
7
Die Praxis wurde als fachübergreifende Gemeinschaftspraxis dem arithmetischen Mittel der Regelleistungsvolumina der Hausärzte und Anästhesisten unterworfen, was sich im Einzelnen aus der folgenden Tabelle ergibt.
Fallpunktzahl
Primärkassen
Ersatzkassen
Altersgruppe der Patienten in Jahren
0-5
6-59
->60
0-5
6-59
->60
Fallpunktzahl lt. HVV für FA für Allgemeinmedizin
520
576
1.059
424
475
821
Fallpunktzahl lt. HVV für FA Anästhesiologie
1.616
1.586
1.548
2.412
1.600
1.770
Artithm. Mittelwert
1.068
1.081
1.304
1.418
1.038
1.296
GP-Zuschlag
130
130
130
130
130
130
Summe
1.198
1.211
1.434
1.548
1.168
1.426
Randnummer
8
Mit Bescheid vom 13.03.2007 lehnte die Beklagte den Antrag auf Sonderregelung ab, wogegen sich der Widerspruch der Klägerin vom 05.04.2007 richtet. Zur Begründung ihres Widerspruches wies die Klägerin darauf hin, dass auch die extrabudgetär abzurechnenden Schmerztherapieziffern 30700 und 30701 keinen Ausgleich für die erlittenen Verluste darstellen könnten. Die Bewertung sei nach über 10 Jahren nicht angepasst, sondern abgesenkt worden. Die Ziffern könnten nicht mehr nebeneinander abgerechnet werden obwohl die Leistungen genauso erbracht werden sollten. Von einer Sicherstellung schmerztherapeutischer Leistungen zu sprechen sei ein Hohn, da bisher nach allen vorliegenden Zahlen Schmerzpatienten überhaupt nur zu 20% versorgt seien. Die Anzahl der abrechnenden Ärzte spiele dabei allein keine Rolle. Mit den hohen Einbußen müsse schließlich die Patientenversorgung mittlerweile aus dem Privatvermögen finanziert werden. Eine Analyse der Abrechnung habe ergeben, dass bis einschließlich zum Quartal I/05 die Fallwerte der Schmerzpraxis bei 155 bis 165 Euro einschließlich der Kostenerstattungsbeträge der Schmerztherapievereinbarung gelegen hätten. Ab dem Quartal II/05 mit dem Inkrafttreten des EBM 2000 plus sei der Fallwert gesunken auf bis zu 127,96 Euro im Quartal IV/06. Ein Ausgleich sei nur über die erheblichen Ausgleichszahlungen, z. B. in den Quartalen II/05 und I/06 mit jeweils fast 40.000 Euro erfolgt. Bei den chronisch Schmerzkranken handele es sich um ein multimorbides und extrem behandlungsintensives Klientel. Diesem besonderen Behandlungsbedarf sei durch das Schmerzbudget der Ziffern 418 bis 450 und durch die Pseudoziffern 8450 und 8451 in der Vergangenheit Rechnung getragen worden. Das Schmerzbudget sei der Praxis in Höhe von 4.100 Punkten anerkannt worden, wobei das Budget zu keinem Zeitpunkt voll ausgeschöpft worden sei. Die Praxis habe für ihre speziellen Leistungen i. d. R. etwa 1.300.000 Punkte benötigt. Außerhalb dieser Leistungen läge der Schwerpunkt der Praxis bei den Untersuchungsgesprächen und den Betreuungsziffern, da die chronischen Schmerzpatienten viele Gespräche und Begleitung benötigten, damit die Compliance bei den Patienten selbst und auch ihren Angehörigen hergestellt und gehalten werden könne. Viele dieser Patienten seien zeitweise suizidal.
Randnummer
9
Die EBM-Leistungen seien in der Vergangenheit im Rahmen des sog. grünen Budgets erbracht worden. Dieses habe bei der klägerischen Praxis bei einer Abrechnung von durchschnittlich 750 Fällen in einer Größenordnung von 830.000 bis 850.000 Punkten gelegen. Dazu sei das Schmerzbudget gekommen. Das neue Regelleistungsvolumen entspreche im Ergebnis dem damaligen grünen Budget. Das Schmerzbudget des alten EBM sei allerdings ersatzlos entfallen, wodurch der Schmerzpraxis ein notwendiges Behandlungs- und Abrechnungsvolumen von durchschnittlich 1,3 Millionen Punkten vorenthalten werde. Lediglich auf Grund der Stützungsmaßnahmen sei das Abrechnungsergebnis nicht vollkommen ruinös gewesen. Zudem habe mit der Versorgung von Privatpatienten die Schließung der Praxis verhindert werden können. Die Gemeinschaftspraxis komme noch auf durchschnittlich etwa 850.000 Punkte im Regelleistungsvolumen. Bis zum Quartal I/06 seien durchschnittlich 1,5 Millionen abgerechnete Punkte unvergütet geblieben. Ab dem Quartal II/06 habe sich die Leistungsforderung aufgrund rückläufiger Fallzahlen dann reduziert. Es sei rechtswidrig die Regelleistungsvolumina von Hausärzten und Anästhesisten im Falle der Schmerzpraxen anzuwenden, weil der Versorgungsauftrag grundlegend verschieden sei. Es sei unstreitig, dass die Spezialpraxis der Schmerztherapie weder der Struktur einer Hausarztpraxis entspreche noch die Tätigkeit des Schmerztherapeuten mit der eines Anästhesisten vergleichbar sei. Dem sei in der Vergangenheit durch entsprechende Budgets Rechnung getragen worden.
Randnummer
10
Das Regelleistungskontingent von nur noch 1.200 Punkten pro Patient sei bereits beim ersten Behandlungstermin überschritten. Im neuen EBM 2008 sei das Kapitel Schmerztherapie dann neu gefasst und neue Schmerztherapie spezifische Positionen eingeführt worden, was dafür spreche, dass hier eine besondere Versorgungssituation vorliege. Ziffer 7.5.1 HVV solle nach dem Wortlaut lediglich eine Auffüllmaßnahme zur Vermeidung praxisbezogener Honorarverwerfungen bieten. Die Anwendung dieser Regelungen im vorliegenden Fall sei nach dem Sinn und Zweck damit nicht adäquat. Nach Ziffer 7.5.2 HVV hätte vielmehr eine Einzelfallprüfung stattfinden müssen, da die Fallwertminderung mehr als 15%, nämlich 37% betragen habe. Dies hätte von Amts wegen geschehen müssen.
Randnummer
11
Die Klägerin hat dann am 16. Juni 2008 Untätigkeitsklage erhoben, die Beklagte daraufhin am 23. Juli 2008 ihren ablehnenden Widerspruchsbescheid für die Quartale II/05 bis IV706 erlassen. Sie wies hinsichtlich des Streitgegenstandes darauf hin, dass für die Quartale I/07 bis IV/07 in einem gesonderten Verfahren entschieden werde. Die Entscheidung liegt bis heute nicht vor.
Randnummer
12
Zur Begründung ihrer Ablehnung führte die Beklagte aus, dass die Abrechnung mit den Vorgaben des Honorarverteilungsvertrages übereinstimmte. Insbesondere sei die Berechnung der Fallpunktzahlen nach dem arithmetischen Mittelwert nicht zu beanstanden.
Randnummer
13
Eine Einzelfallprüfung nach Ziffer 7.5.2 HVV sei durch die Anerkennung von Auffüllbeträgen erfolgt und die entsprechenden Auffüllbeträge auch ausgezahlt worden. Im Rahmen von Honorarverhandlungen für die Jahre 2005 und 2006 im Bereich des Landesverbandes der Betriebskrankenkassen und der AOK Hessen habe sie Ausgleichszahlungen für die Praxen, welche die Leistungen nach Ziffern 30700 und 30701 EBM 2000 Plus abrechnen und in den Quartalen II/05 bis IV/06 gegenüber den Quartalen des Jahr 2004 Honorarverluste im Rahmen der Ausgleichsregelung verzeichnen mussten, erreicht. Dies habe zu erhöhten Auffüllbeträgen geführt.
Randnummer
14
Die Klägerin trägt ergänzend zum Vortrag im Widerspruchsverfahren vor, dass sich die Kosten der Praxis in den Jahren 2002 bis 2007 durchschnittlich auf ungefähr 400.000 Euro belaufen hätten. Die Einnahmen seien jedoch deutlich gesunken und zwar zum Teil so drastisch, dass die Kosten mit den Einnahmen nicht mehr hätten gedeckt werden können. Sie sei eben eine reine Schmerzpraxis.
Randnummer
15
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 05.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 23.07.2008 aufzuheben und sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Randnummer
16
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Randnummer
17
Unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides trägt die Beklagte weiter vor, dass Regelleistungsvolumina eine Mischkalkulation darstellten und nicht jeweils auf eine 100%-Leistungserbringung jeder Gebührenordnungsposition in Höhe von 100% der Behandlungsfälle abstellten. Da die Regelleistungsvolumina selbst nur auf einer Grundlage von 80% der Leistungen im Referenzzeitraum basierten, sei eine Überschreitung der Regelleistungsvolumina zwingende Konsequenz. Die Ausgleichszahlung nach Ziffer 7.5 HVV seien auch im Rahmen der Prüfung des Vorliegens einer Sonderregelung zu berücksichtigen. Schließlich habe ein Arzt die wirtschaftlichen Folgen seiner Spezialisierung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung alleine zu tragen.
Randnummer
18
Die Beklagte weist ferner darauf hin, dass durch die Ausgleichsregelung für alle Behandlungsfälle, auf welche entweder die Ziffer 30700 oder die Ziffer 30701 angewendet wurde, die bestehenden Honorarverluste vollständig ausgeglichen worden seien. Damit sei ein Fallwertausgleich im Bereich der AOK Hessen und der BKK Hessen zu 100% erreicht worden. Spätestens durch diese Nachzahlung seien evtl. Honorarverluste im vollen Umfang ausgeglichen worden.
Randnummer
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Prozessakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren. | |
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet. | Randnummer
1
1.
Der Kläger ist Mitglied des Stadtrates der Stadt E... und begehrt die Feststellung, dass die Verweigerung des Handschlages durch die Beklagte, die Oberbürgermeisterin der Stadt E..., zu seiner Verpflichtung als Stadtrat am 19.06.2014 rechtswidrig war.
Randnummer
2
Der Kläger ist Landesvorsitzender der NPD und wurde als Stadtrat über einen Wahlvorschlag dieser Partei gewählt. In der ersten Stadtratssitzung nach der Kommunalwahl 2014 verpflichtete die Beklagte am 19.06.2014 alle Stadtratsmitglieder, ihre Pflichten gewissenhaft zu erfüllen. Das erfolgte durch Vorsprechen einer entsprechenden Erklärung, die die Stadträte mit den Worten "Ich verpflichte mich." beantworteten. Die Beklagte reichte den Stadtratsmitgliedern jeweils die Hand mit Ausnahme des Klägers und zweier weiterer über den Wahlvorschlag der NPD gewählter Stadträte.
Randnummer
3
2.
Am 25.06.2014 hat der Kläger Klage erhoben. Er beantragt,
Randnummer
4
festzustellen, dass die Verweigerung des Handschlages durch die Beklagte in der ersten nach der Wahl stattfindenden Stadtratssitzung am 19.06.2014 zur Verpflichtung des Klägers als Stadtrat rechtswidrig war.
Randnummer
5
Zur Begründung trägt er vor, er habe ein "berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung", dass die Beklagte mit ihrem Vorgehen ihm gegenüber ihre gesetzlichen Pflichten verletzt habe. Der Handschlag sei als Akt der Verpflichtung in
§ 24 Abs. 2 Satz 1 ThürKO
zwingend vorgeschrieben. Der Unterlassungsakt der Beklagten, der nur den Kläger und die über den gleichen Wahlvorschlag der NPD gewählten Stadträte von dem gesetzlich vorgesehenen Verpflichtungsakt ausnehme, stelle eine Diskriminierung dar und eine Verletzung der Gleichheitsrechte aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der Kläger habe einen Anspruch, nicht gegenüber den anderen Organen des Stadtrates durch ein anderes Organ der Stadt E... diskriminiert zu werden. Das Recht auf "Gleichheit vor dem Gesetz" werde dem Kläger auch als Organ im Stadtrat gewährleistet. Die Nichtverpflichtung stelle zudem eine finale Herabsetzung des Klägers in seiner persönlichen Ehre dar. Sie sei damit eine Formalbeleidigung und ein Dienstvergehen der Beklagten.
§ 24 Abs. 2 Satz l ThürKO
sei zwingendes Recht. Die Beklagte habe absolute politische Neutralität bei der Wahrnehmung ihrer staatlichen Aufgaben obwalten zu lassen. Diskriminierungen anhand der politischen Anschauung seien ihr über Art. 20 Abs. 3 GG über das Verbot des Art. 3 Abs. 3 GG untersagt. Der Kläger müsse diesen öffentlichen, presseträchtig vermarkteten Affront und die darin symbolisierte Herabsetzung in seiner Eigenschaft als Stadtrat gegenüber den Stadträten anderer Klientel nicht klaglos erdulden.
Randnummer
6
Die Beklagte beantragt,
Randnummer
7
die Klage abzuweisen.
Randnummer
8
Zur Begründung führt sie aus, hinsichtlich der Zulässigkeit der Feststellungsklage bestünden erhebliche Zweifel. Es sei nicht zu erkennen, dass der Kläger eine fortdauernde Rechtsbeeinträchtigung erleide. Die gesetzliche Norm des
§ 24 Abs. 2 Satz 1 ThürKO
stelle bezüglich der Verpflichtung per Handschlag zwar zwingendes Recht dar, aber diesem Akt komme eher eine symbolische oder deklaratorische Bedeutung zu, da mit der mündlichen Verpflichtungserklärung des Klägers der Rechtsakt abgeschlossen gewesen sei. Auch stelle der Handschlag in hiesigen Breiten eine nonverbale Kommunikation dar, die einen gewissen intimen Charakter trage, der durch den direkten Körperkontakt von Hand zu Hand gegeben sei. Eine derartige direkte Kontaktierung könne wohl gesetzlich nicht vorgeschrieben werden, weil die Intimsphäre ein Bestandteil der Persönlichkeitsrechte gemäß Art. 2 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sei, die einen Eingriff in diesem Fall wohl verbiete. Es lägen aber auch erhebliche Gründe vor, den Handschlag gegenüber dem Kläger zu verweigern, die sich aus seiner rechtsextremistischen Anschauung ergäben, die gepaart sei mit einem tatsächlichen Handeln in der Öffentlichkeit, welches von der Beklagten nicht akzeptiert werden könne. In Kenntnis der Ziele, die der Kläger verfolge und auch öffentlich kundtue, könne die Beklagte es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren, durch Handschlag zu dokumentieren, dass ihre Ziele als Oberbürgermeisterin und Kommunalorgan auf der Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung die gleichen seien, wie die, die der Kläger verfolge. | |
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. Oktober 1986 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von Unfallfolgen.
Randnummer
2
Der 1914 geborene Kläger war als kaufmännischer Angestellter und Reisender der Goldwaren- und Juwelenfabrik W. B. in H. tätig und bei der Beklagten versichert. Am 21. November 1980 erlitt er auf einer Geschäftsreise einen Verkehrsunfall, als ein entgegenkommendes Fahrzeug, das aus der Kolonne ausscherte, frontal mit seinem Fahrzeug zusammenstieß. Der Kläger konnte noch selbst aussteigen und mit dem Abschleppauto zu seinem Vetter Dr. med. K. fahren, der ihn wegen Schmerzen im Nacken und allen anderen Gelenken behandelte. Am 24. November 1980 stellte er sich dann im St-Krankenhaus in H. vor, wo Dr. med. F. laut Durchgangsarztbericht „Schleudertrauma der Halswirbelsäule, Bluterguss der vorderen Brustwand links, Stauchung beider Handgelenke und der Fingergelenke, der Schultergelenke, der Schultereckgelenke, Prellung beider Kniegelenke, des Beckens und des Brustbeines” diagnostizierte. Es wurde eine ambulante Behandlung eingeleitet. Vom 3. bis 17. April 1981 führte der Kläger auf Verordnung von Dr. med. H. wegen der Unfallfolgen „schwer verlaufende protrahierte Periarthropathia” eine ambulante Badekur in Bad H. durch. Am 12. Juni 1981 stellte er sich bei dem Chefarzt der Inneren Abteilung am St.-Marien-Hospital in M.-R. Prof. Dr. med. W. vor, der das Vorliegen einer Polymyalgiarheumatica (Form der Riesenzellenarteriitis) feststellte. In seinem Befundbericht vom 20. Januar 1982 an die Beklagte führte er aus, dass ab Januar 1981 sich das Beschwerdebild des Klägers deutlich zu dieser Erkrankung entwickelt habe. Nach Charakter und Verlauf seien diese Beschwerden unabhängig von dem Schleudertrauma und der Periarthropathia entstanden.
Randnummer
3
Auf Veranlassung der Beklagten erstellte Dr. med. B. Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik F., am 6. Juli 1982 ein Gutachten mit dem Ergebnis, dass für die Beschwerden des Klägers der Unfall vom 21. November 1980 nicht ursächlich sei. Aufgrund dieses Ereignisses habe sich der Kläger nur multiple Prellungen sowie eine Distorsion der Halswirbelsäule 1. Grades zugezogen, die eine Arbeitsunfähigkeit von drei bis vier Monaten zur Folge gehabt habe. Die Beklagte zog die Gutachten von Prof. Dr. med. He. und Dr. med. V., Orthopädische Universitätsklinik und Poliklinik F. vom 27. November 1981 und von Prof. Dr. med. M. und Dr. med. Sch., Rheumaklinik W., vom 25. Juni 1982 bei, die diese für die Frankfurter Allianz-Versicherungs-AG erstellt hatten. Prof. Dr. med. He. vertrat darin die Ansicht, dass die Beschwerden des Klägers auf die unfallfremde Erkrankung Polymyalgiarheumatica zurückzuführen seien. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Unfallfolgen habe für vier Wochen 100 v.H. und bis zum Ende des ersten halben Jahres 20 v.H. betragen. Prof. Dr. med. M. sah das Unfallereignis vom 21. November 1980 zwar nicht als Ursache der Polymyalgiarheumatica an, maß aber dem Unfallereignis die Bedeutung einer richtunggebenden Verschlimmerung zu. Auf Veranlassung der Beklagten erstellte Prof. Dr. med. K. zusammen mit Dr. med. S. das Gutachten vom 27. April 1983, in dem er zu dem Ergebnis kam, dass zwischen dem Unfall vom 21. November 1980 und der Polymyalgiarheumatica kein Zusammenhang bestehe, auch eine richtungweisende Verschlimmerung sei nicht eingetreten. Mit Bescheid vom 26. Juli 1983 lehnte daraufhin die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, da der Unfall vom 21. November 1980 keine MdE in rentenberechtigendem Grade nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit hinterlassen habe. Die Beklagte gewährte durch Bescheid vom 22. August 1983 Übergangsgeld für die Zeit vom 4. Januar 1981 bis zum 20. März 1981.
Randnummer
4
Am 26. August 1983 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main erhoben und Stellungnahmen von Dr. med. F. vom 16. Oktober 1982 und Prof. Dr. med. M. vom 21. Februar 1983 vorgelegt. Diese haben die Ansicht vertreten, daß die Ursachen der Polymyalgiarheumatica zwar nicht bekannt seien, ein Trauma als auslösender Faktor für diese Erkrankung jedoch durchaus diskutabel sei. Da ein Vorschaden nicht beweisbar sei und ein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Erkrankung bestehe, müsse die bestehende Polymyalgiarheumatica als Unfallfolge anerkannt werden. Auf Antrag des Klägers hat das SG von Prof. Dr. med. Schi. das Gutachten vom 20. August 1986 eingeholt, der darin ausführte, dass die Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Autounfall und der Polymyalgiarheumatica letztlich wissenschaftlich nicht beantwortbar sei. Zur Zeit wäre die Voraussetzung einer „Kannversorgung” ähnlich dem Entschädigungsrecht gegeben. Falls diese rechtliche Konstruktion im Unfallversicherungsrecht nicht möglich sei, komme dem Unfall die Bedeutung einer wesentlichen Mitursache, d.h. richtunggebenden Verschlimmerung – wenn auch nur knapp – zu. Mit Urteil vom 22. Oktober 1986 hat das SG die Klage abgewiesen und mit den seiner Ansicht nach überzeugenden Meinungen von Prof. Dr. med. W. Prof. Dr. med. He. Prof. Dr. med. K. und Dr. med. B. begründet.
Randnummer
5
Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 5. Dezember 1986 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. Januar 1987 Berufung eingelegt und diese mit einem Aufsatz des Dr. med. F. begründet, der darin die Gesichtspunkte eines Zusammenhangs zwischen einem schweren Brustwandtrauma und einer Polymyalgia erörtert. Der Kläger ist der Ansicht, den Gutachten, die einen Kausalzusammenhang verneinten, könne nicht gefolgt werden, da sie die Schwere des Unfalls und die fehlende Vorerkrankung unberücksichtigt ließen. Insbesondere wegen des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Autounfall und seiner Erkrankung müsse ein Ursachenzusammenhang angenommen werden.
Randnummer
6
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. Oktober 1986 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aus Anlass des Unfalles vom 21. November 1980 wegen Polymyalgiarheumatica als Unfallfolge eine Verletztenrente ab 31. März 1981 nach einer MdE von 80 v.H. zu gewähren.
Randnummer
7
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Randnummer
8
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Randnummer
9
Der Senat hat bei den vom Kläger angegebenen Ärzten Dr. med. Schr., Dr. med. F. und Dr. med. H. Krankenunterlagen über die Zeit vor dem Jahre 1980 angefordert. Des weiteren wurde eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. med. K. eingeholt, der auch nach Kenntnis des neuesten Aufsatzes von Dr. med. F., der histologischen Untersuchung des Klägers vom 12. Dezember 1983 und des Gutachtens von Prof. Dr. med. Schi. bei seiner Meinung bleibt. Die seit 1983 erschienene Fachliteratur rechtfertige seiner Ansicht nach keine andere Stellungnahme. Der Kläger hat weiterhin eine ergänzende Stellungnahme von Dr. med. F. vom 20. Juni 1988 vorgelegt, die sich auf 176 ausgewertete Studien stützt, nach denen sich bei 4891 Krankheitsfällen 4 Fälle mit einem Trauma als Vorerkrankung fanden. Er stimmt deshalb der Ansicht von Prof. Dr. med. M. zu, dass die Erkrankung des Klägers als Unfallfolge anerkannt werden müsse.
Randnummer
10
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfallakten der Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen. | |
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Parzelle Nr. 3930/10 in Flur1 der Gemarkung K an der Straße „Zur K Flur“. Darauf befinden sich zwischen den Einmündungen „Zur G“ und „Tstraße“ mehrere als Naturdenkmale ausgewiesene Eichenbäume.
1
vgl. die Verordnung über die Naturdenkmale im Landkreis Me-W vom 1.10.2004, Amtsblatt 2004, 2196 ff., im Folgenden: NDVO
vgl. die Verordnung über die Naturdenkmale im Landkreis Me-W vom 1.10.2004, Amtsblatt 2004, 2196 ff., im Folgenden: NDVO
Im vorliegenden Verfahren wendet sich der Kläger gegen die Geltendmachung von Kosten durch den Beklagten für die Beseitigung von Gespinsten des Eichenprozessionsspinners (
Thaumetopoea processionea
) im Wege einer Ersatzvornahme.
Randnummer
2
Im Juni 2019
2
vgl. den Bescheid des Beklagten vom 28.6.2019 – 1-113-4-4-2 –
vgl. den Bescheid des Beklagten vom 28.6.2019 – 1-113-4-4-2 –
hatte der Beklagte in seiner Eigenschaft als Ortspolizeibehörde den Kläger unter Hinweis auf bereits realisierte Gesundheitsgefährdungen für Anwohner und potentielle Kontaktpersonen sofort vollziehbar aufgefordert, vom Eichenprozessionsspinner befallene Eichen auf dem genannten Grundstück bis zum 8.7.2019 „abzusaugen oder durch andere geeignete Maßnahmen zu beseitigen“ (zu 1.). Für den Fall der Nichtbefolgung war dem Kläger die Durchführung der Ersatzvornahme angedroht worden, deren Kosten gleichzeitig mit 3.500,- € veranschlagt worden waren (zu 3.).
Randnummer
3
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, verwies im Wesentlichen auf seine fehlende Verantwortlichkeit für die Beseitigung der Gefahr und beantragte gleichzeitig beim Beklagten, die sofortige Vollziehung des Bescheids auszusetzen. Mit Schreiben vom 8.7.2019 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er dem Widerspruch nicht abhelfe, weil eine Gefährdungssituation für die Bewohner der angrenzenden Grundstücke sowie für Fußgänger im öffentlichen Verkehrsraum bestehe. Der Kläger sei als Grundstückseigentümer für die Beseitigung der Gefahr zuständig. Dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung könne nicht entsprochen werden. Wegen der konkreten Gefahrenlage sei die zeitnahe Beseitigung der Nester des Eichenprozessionsspinners zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden dringend erforderlich.
Randnummer
4
Mit E-Mail vom 9.7.2019 teilte der Kläger mit, er halte die gegen ihn ergangene Anordnung zur Beseitigung des Eichenprozessionsspinner-Befalls nach wie vor für rechtswidrig und werde dieser daher auch nicht nachkommen. Daraufhin ließ der Beklagte am selben Tag den Eichenprozessionsspinner-Befall durch einen Fachbetrieb für Baumpflege entfernen, wofür ihm unter dem 13.7.2019 ein Betrag von 2.151,52 € in Rechnung gestellt wurde.
Randnummer
5
Mit dem hier streitgegenständlichen Kostenbescheid vom 25.9.2019 forderte der Beklagte den Kläger zur Zahlung der Kosten der Ersatzvornahme in der genannten Höhe auf und führte zur Begründung an, aufgrund des vorangegangenen Schriftverkehrs mit dem Kläger sei davon auszugehen gewesen, dass dieser zur Vornahme der Maßnahmen nicht bereit gewesen sei. Wegen der bereits eingetretenen gesundheitlichen Beschwerden bei Anwohnern sei daher die Entfernung des Eichenprozessionsspinners durch eine Fachfirma vorzunehmen gewesen.
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6
Auch dagegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, bei dem in Rede stehenden Alteichenbestand handele es sich um ein Naturdenkmal, das durch die Unterschutzstellung zum Wohle der Allgemeinheit seiner Privatnutzbarkeit entzogen worden sei. Zusätzlich zu den Grundbesitzlasten solle er nun auch noch für die Lasten, die sich aus dem natürlichen Eichenprozessionsspinner-Befall ergäben, finanziell haften. Es sei nicht nur sachgerecht, sondern geboten, die Allgemeinheit mit den Kosten für die Beseitigung der damit verbundenen Gefahr zu belasten. Darüber hinaus sei der Beklagte selbst für den engen räumlichen Zusammenhang zwischen Alteichenbestand und Wohnbebauung verantwortlich. Die Baugenehmigungen für die Häuser gegenüber dem Alteichenbestand seien trotz Nichteinhaltung der Abstandsbestimmungen nach dem § 14 Abs. 3 LWaldG ohne seine Zustimmung erteilt worden. Es sei vor diesem Hintergrund mehr als befremdlich, dass er für die Kosten der Ersatzvornahme aufkommen solle.
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Die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 28.6.2019 und – soweit hier von Belang – vom 25.9.2019 wurden im Dezember 2019 zurückgewiesen.
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vgl. die auf die mündliche Verhandlung beziehungsweise – hier – die Beratung vom 17.12.2019 ergangenen Widerspruchsbescheide des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Me-W – KRA 37 und 41/19 –
vgl. die auf die mündliche Verhandlung beziehungsweise – hier – die Beratung vom 17.12.2019 ergangenen Widerspruchsbescheide des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Me-W – KRA 37 und 41/19 –
In dem die Zurückweisung des Rechtsbehelfs gegen den Kostenbescheid enthaltenden Bescheid ist zur Begründung ausgeführt, der auf Grundlage der §§ 46, 90 SPolG, 3 Sätze 2 und 3 SPolKostVO erlassene Bescheid sei nicht zu beanstanden. Die Ersatzvornahme sei rechtmäßig erfolgt. Der Grundbescheid vom 28.6.2019 sei wirksam und vollziehbar gewesen. Die Ersatzvornahme sei schriftlich angedroht und ordnungsgemäß durchgeführt worden, nachdem dem Kläger eine angemessene Frist zur Vornahme der ihm auferlegten Pflicht der Beseitigung des Eichenprozessionsspinners gewährt worden sei. Nach § 3 Satz 3 SPolKostVO könnten besondere Auslagen geltend gemacht werden, wozu gemäß § 3 Satz 2 SPolKostVO Beträge gehörten, die anderen Behörden oder Personen für ihre Tätigkeit zu zahlen seien. Darunter fielen auch die dem Beklagten von der Firma „Die Baumpfleger B GmbH“ für die Beseitigung und Entsorgung des Eichenprozessionsspinner-Befalls in Rechnung gestellten 2.125,52 Euro.
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vgl. dazu die Rechnung vom 13.7.2019 für die am 9.7.2019 an 11 Bäumen durchgeführte Entfernung von 47 Nestern
vgl. dazu die Rechnung vom 13.7.2019 für die am 9.7.2019 an 11 Bäumen durchgeführte Entfernung von 47 Nestern
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Zur Begründung der im März 2020 gegen den Kostenbescheid erhobenen Klage hat der Kläger ausgeführt, der Grundverwaltungsakt sei rechtswidrig gewesen und stelle daher keine taugliche Grundlage für die ihm aus der Ersatzvornahme angelasteten Kosten dar. Er sei nicht zur Beseitigung des Eichenprozessionsspinners verpflichtet gewesen.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 25.9.2019 in Gestalt des Widerspruchbescheids des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Me-W vom 25.2.2020 aufzuheben, sowie
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die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Verwaltungsgericht hat die gesondert erhobenen Klagen gegen den Grundverwaltungsakt vom 28.6.2019
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vgl. insoweit das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 31.5.2022 – 6 K 343/20 –
vgl. insoweit das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 31.5.2022 – 6 K 343/20 –
und – soweit hier von Bedeutung – gegen den Kostenbescheid im Mai 2022 abgewiesen. In der Begründung der letztgenannten Entscheidung heißt es, der Kostenbescheid 25.9.2019 sei rechtmäßig. Der Kläger sei zu Recht für die Erstattung der vom Beklagten verauslagten Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden. Rechtsgrundlage für die Ersatzvornahme bei der Entfernung des Eichenprozessionsspinner-Befalls von den klägerischen Eichen seien die §§ 44 Abs. 1, 46 Abs. 1 Satz 2, 90 Abs. 2 SPolG i.V.m. § 1 Nr. 5, § 3 Satz 2 SPolKostVO. Nach § 90 Abs. 1 SPolG könne Ersatz für die Kosten polizeilicher Maßnahmen verlangt werden, wenn das durch Rechtsvorschriften vorgesehen sei. Gemäß § 3 Satz 3 SPolKostVO könnten neben der Gebühr auch besondere Auslagen geltend gemacht werden. Darunter fielen die von ihm beglichenen Kosten der beauftragten Fachfirma für die Beseitigung und Entsorgung des Eichenprozessionsspinner-Befalls. Voraussetzung für die Erhebung der vorgenannten Kosten sei die Rechtmäßigkeit der die Kosten verursachenden polizeilichen Maßnahme – also der Ersatzvornahme – und die Störereigenschaft des in Anspruch Genommenen gemäß §§ 4, 5 SPolG. Zudem dürfe die Kostenauferlegung im Einzelfall nicht unbillig sein. Die Ersatzvornahme im Wege der Beseitigung des Eichenprozessionsspinner-Befalls durch Absaugen sei formell und materiell rechtmäßig gewesen. Rechtsgrundlage seien die §§ 44 Abs. 1, 46 Abs. 1 Satz 1 SPolG. Gemäß § 44 Abs. 1 SPolG könne der Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet sei, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar sei oder wenn ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung habe. Umstritten sei, ob zusätzlich die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung Voraussetzung für die rechtmäßige Vollstreckung sei, wenn sie im Zeitpunkt ihres Vollzuges noch nicht unanfechtbar sei. Obwohl die auf Vornahme einer Handlung, nämlich die Entfernung des Eichenprozessionsspinners von den befallenen Eichen, gerichtete Polizeiverfügung vom 28.6.2019 zum Zeitpunkt der Ersatzvornahme am 9.7.2019 noch nicht unanfechtbar gewesen sei, komme es vorliegend auf eine Entscheidung dieses Meinungsstreits nicht an. Die Grundverfügung sei, wie die Kammer in ihrem dazu ergangenen Urteil im Verfahren 6 K 343/20 festgestellt habe, rechtmäßig gewesen. Die Grundverfügung sei zum Zeitpunkt der Ersatzvornahme auch vollziehbar gewesen, da der Beklagte die sofortige Vollziehbarkeit der Beseitigungsanordnung angeordnet gehabt habe. Auch die nach § 46 SPolG notwendigen Voraussetzungen für die Durchführung der Ersatzvornahme hätten vorgelegen. Der § 46 SPolG regele, dass die Polizeibehörde die Handlung selbst ausführen oder einen anderen mit der Ausführung beauftragen könne, wenn die Verpflichtung, eine vertretbare Handlung vorzunehmen, wie hier, nicht erfüllt werde. Die Ersatzvornahme sei dem Kläger im Ausgangsbescheid ordnungsgemäß mit angemessener Fristsetzung angedroht und zugestellt worden. In der Androhung der Ersatzvornahme habe der Beklagte darüber hinaus deren Kosten mit voraussichtlich 3.500,- € veranschlagt. Die Ersatzvornahme sei auch ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Firma „Die Baumpfleger B GmbH“ habe den Eichenprozessionsspinner-Befall fachgerecht und baumschonend entfernt und entsorgt. Überflüssige Arbeiten seien nicht getätigt worden. Der Kläger sei kostenpflichtig, da er Zustandsstörer im gefahrenabwehrrechtlichen Sinne sei (§ 5 SPolG). Die Kosten seien auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Der Kostenbescheid beziehe sich auf die Rechnung der genannten Firma vom 13.7.2019 und decke sich mit dem darin ausgewiesenen Betrag von 2.151,52 €. Die Heranziehung des Klägers als Kostenschuldner erweise sich auch nicht ausnahmsweise im Lichte des Art. 14 GG als unverhältnismäßig. Die Zumutbarkeit finde ihre Grenze, wenn der finanzielle Aufwand für die Gefahrenbeseitigung außer Verhältnis zu dem Verkehrswert des Grundstücks nach Durchführung der Maßnahme stehe. Werde dieser Verkehrswert von den Kosten überschritten, liege in der Regel eine Unzumutbarkeit vor. Dafür bestünden hier keine greifbaren Anhaltspunkte. Auch der Umstand, dass die befallenen Eichen als Naturdenkmale im Sinne von §§ 28 Abs. 1 BNatSchG, 39 SNG ausgewiesen seien, führe nicht zur Unzumutbarkeit der Kostentragung. Gemäß § 28 Abs. 2 BNatSchG seien die Beseitigung des Naturdenkmals sowie alle Handlungen verboten, die zu seiner Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung führen könnten. Ergänzend sehe der § 3 Abs. 1 NDVO ein Beschädigungs- und Veränderungsverbot vor. Dabei handele es sich um eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nach dem Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Umstand, dass die Eichen als Naturdenkmale ausgewiesen seien, finde bereits bei der Bestimmung des Verkehrswerts des Grundstücks Berücksichtigung. Vorliegend sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die als Naturdenkmale ausgewiesenen Eichen den Verkehrswert des Grundstücks des Klägers in einem solchen Maße senkten, dass durch die Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von 2.151,52 € die Grenze des Zumutbaren überschritten wäre. Dies sei auch fernliegend, weil lediglich 35 Eichen des Klägers am Rande des Grundstücks als Naturdenkmale ausgewiesen seien. Der restliche Baumbestand auf dem Waldgrundstück stehe dem Kläger zu seiner freien Nutzung zur Verfügung. Soweit er sich darauf berufe, dass seine Heranziehung als Kostenschuldner wegen treuwidrigen Verhaltens des Beklagten unbillig sei, weil dieser trotz Unterschreitung der durch § 14 Abs. 3 LWaldG vorgesehenen Abstände die umliegende Wohnbebauung „genehmigt“ habe und nunmehr die Erstattung von Kosten zur Abwehr einer Gefahr verlange, die für diese Anwohner bestanden habe, sei zum einen darauf zu verweisen, dass sich der Kläger gegen die herannahende Wohnbebauung rechtlich hätte wehren können. Zum anderen sei im konkreten Fall auch die Gesundheit unbeteiligter Passanten sowie derjenigen gefährdet gewesen, die die Vorgaben des § 14 Abs. 3 LWaldG eingehalten hätten.
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Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung nimmt der Kläger auf seinen bisherigen Vortrag Bezug und trägt vor, das Urteil des Verwaltungsgerichts in der vorliegenden Sache sei in der Folge der fehlerhaften Entscheidung im parallelen Verfahren zur Grundverfügung vom 28.6.2019 ebenfalls unrichtig. Da bereits die dortige Anordnung zur Beseitigung des Eichenprozessionsspinners rechtswidrig gewesen sei, sei er zu Unrecht für die Erstattung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden. Insoweit werde auf den Vortrag im parallelen Berufungsverfahren 2 A 137/22 Bezug genommen. Die von Verfassungs wegen gebotene Beschränkung dessen, was dem Eigentümer nach Maßgabe der Eigentumsgarantie unter Sozialpflichtigkeitsaspekten zur Gefahrenabwehr abverlangt werden könne, könne nicht dazu führen, dass dieser nicht nur entschädigungslos den Entzug der wirtschaftlichen Nutzung seines Eichenbestandes durch die Unterschutzstellung als „Alteichenensemble“ dulden müsse, sondern darüber hinaus praktisch auch noch mit Pflege- beziehungsweise Gefahrbeseitigungsaufgaben belastet werde, die neben den regulären Abgabelasten von Fall zu Fall zusätzliche Kosten verursachten. Der Einsatz eigener Mittel zusätzlich zum Entzug jeglicher wirtschaftlichen Nutzung überspanne die Sozialpflichtigkeit bei weitem und sei schlicht unzumutbar. Aufgrund der Naturdenkmalverordnung sei ihm praktisch jegliche Nutzungsbefugnis entzogen worden. Die Betrachtung des Gerichts, dass der im Rahmen der Ersatzvornahme angefallene Betrag von 2.151,52 € bei Gegenüberstellung zum Verkehrswert des Grundstücks letztlich unbeachtlich gering und damit hinzunehmen sei, unterschlage, dass die Alteichengruppe seit ihrer Unterschutzstellung als Naturdenkmal im Jahr 1969 für den Eigentümer nur noch Kosten produziere, aber keinen Ertrag mehr abwerfe. Der über die Jahre angefallene Aufwand für die „allfällige Befassung“ mit dem Naturdenkmal und dessen Verwaltung dürfte den aufgrund der Unterschutzstellung ohnehin weit abgesenkten Verkehrswert des Grundstücks schon lange um ein Vielfaches überstiegen haben. Der Versuch des erstinstanzlichen Gerichts, nur die aktuell in Rede stehende Kostenposition der Ersatzvornahme einem fiktiven Verkehrswert gegenüberzustellen und als unbeachtlich niedrig abzutun, werde der von Verfassungs wegen gebotenen Gesamtbetrachtung offensichtlich nicht gerecht.
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Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 31.5.2022 – 6 K 344/20 – nach seinen in erster Instanz gestellten Anträgen zu erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält die Rechtsmittel wegen Verstoßes gegen das Begründungserfordernis bereits für unzulässig. Jedenfalls sei die Berufung des Klägers unbegründet. Der Beklagte trägt dazu vor, das Verwaltungsgericht habe zutreffend ausgeführt, dass sich die Kostentragung nicht als unverhältnismäßig und damit unzumutbar erweise. Die sicherheitsrechtliche Pflicht zur Gefahrenabwehr auf eigene Kosten entziehe dem Eigentümer nicht das Grundstück als Gegenstand künftiger Nutzung. Rechtlich blieben die Substanz, wie die Verfügungs- und Nutzungsbefugnisse unberührt. Die reklamierte Beeinträchtigung des Grundeigentums resultiere nach seinem Vortrag nicht aus dem vorliegenden Kostenbescheid über 2.151,52 €, sondern solle aus dem Umstand folgen, dass die befallenen Eichen als Naturdenkmale ausgewiesen seien. Richtig sei, dass die beanstandeten Regelungen zur Nutzung von Naturdenkmälern einen Eingriff in das Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG in Form einer Inhalts- und Schrankenbestimmung darstellten. Einfluss auf die Zumutbarkeit der Kostentragung der Ersatzvornahme habe das vorliegend jedoch nicht, weil der Verkehrswert des betroffenen Grundstücks mangels entgegengesetzten Vortrags des Klägers erkennbar über den geltend gemachten Kosten der Ersatzvornahme liege, zumal der restliche Baumbestand auf dem Waldgrundstück dem Kläger zu seiner freien Nutzung zur Verfügung stehe. Auch die Berufungsbegründung enthalte keinen Vortrag, der den Kostenbescheid im Hinblick auf die Heranziehung des Klägers als Kostenschuldner unbillig erscheinen lassen würde.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Rechtsstreits und des Verfahrens 2 A 137/22 sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen Bezug genommen. | |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt. | Randnummer
1
Die Klägerin betreibt einen Flugplatz. Im Ergebnis einer Außenprüfung versagte der Beklagte die Vorsteuer aus vier Rechnungen der B… GbR unter Hinweis darauf, dass diese Rechnungen eine unzutreffende Steuernummer des Rechnungsausstellers auswiesen, indem dort lediglich die Zahl 500 angegeben sei. Auf die Prüfungsberichte vom 30.11.2010 wird Bezug genommen. Noch vor Erlass der entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheide legte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 16.11.2010 korrigierte Rechnungen mit der zutreffenden Steuernummer vor. Der Beklagte berücksichtigte gleichwohl in den Änderungsbescheiden vom 22.08.2011 die in Rede stehenden Vorsteuerbeträge nicht. Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.
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2
Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin geltend, die Vorsteuerbeträge seien in den Streitjahren 2005 bzw. 2006 zu berücksichtigen. Sie bezieht sich dabei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteile vom 15.07.2010 C-368/09 -Pannon Gep-; vom 08.05.2013 C-271/12 -Petroma Transports SA-) und des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 30.04.2009 VR 15/07; Beschlüsse vom 20.07.2012 VB 82/11 und 10.01.2013 XI B 33/12) und trägt vor, die ursprünglichen Rechnungsangaben seien zwar unvollständig gewesen, gleichwohl hätten diese Rechnungen die nach der Rechtsprechung des BFH erforderlichen Mindestangaben, nämlich Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt ohne Steuer, den Steuerbetrag und gegebenenfalls einen Hinweis auf eine Steuerbefreiung enthalten. Zudem seien die korrigierten Rechnungen dem Prüfer noch vor Erstellung des Prüfungsberichts zugeleitet worden.
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3
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide vom 22.08.2011 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 11.12.2011 ersatzlos aufzuheben,
hilfsweise, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
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4
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Er ist der Auffassung, die Vorsteuer sei erst im Zeitpunkt der Vorlage der korrigierten Rechnungen zu berücksichtigen.
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Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Verfahrensakte ein Band Betriebsprüfungsakten, ein Band Umsatzsteuerakten sowie eine Heftung “Rechtsbehelf“ vorgelegen. | |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. | Randnummer
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Der Kläger, der als Kriminalhauptkommissar in Diensten der Saarländischen Polizei steht, wendet sich mit der vorliegenden Klage gegen die Versagung einer Verwendungszulage nach § 46 Abs. 1 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG).
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Nach dem erfolgreichen Abschluss seiner Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst absolvierte der Kläger vom 01.10.1985 bis 30.09.1987 an der Fachhochschule für Verwaltung, Fachbereich Polizeivollzugsdienst, ein Studium für den Laufbahnabschnitt des gehobenen Polizeivollzugsdienstes. Mit Schreiben vom 23. Juni 2003 wurde dem Kläger mit Wirkung vom 01. Juli 2003 die Funktion des Leiters des Kriminalkommissariats 2 der Kriminalpolizeiinspektion übertragen. Das Schreiben lautet wie folgt:
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„Sehr geehrter Herr A.,
mit Wirkung vom 01.07.2003 übertrage ich Ihnen die Funktion des Leiters des Kommissariates 2 der Kriminalpolizeiinspektion.
Für Ihre Tätigkeit wünsche ich Ihnen viel Erfolg.“
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In einem sich daran anschließenden Schreiben des Leiters der Landespolizeidirektion vom 02.07.2003 heißt es:
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„Sehr geehrter Herr A.,
mit Schreiben des Ministeriums für Inneres und Sport – Referat D 6 – II – 37.60 – vom 23.06.2003 wurde Ihnen mit Wirkung vom 01. Juli 2003 die Funktion des Leiters des Kommissariates 2 der Kriminalpolizeiinspektion übertragen.
Damit verbunden übertrage ich Ihnen hiermit mit gleicher Wirkung die Funktion des Leiters des Sachgebietes 21 des Kommissariates 2, die Sie in Personalunion mit Ihrer Funktion als Leiter des Kommissariates 2 ausüben.
Für Ihren neuen Aufgabenbereich wünsche ich Ihnen eine glückliche Hand und für Ihre weitere berufliche Zukunft alles Gute.“
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Die dem Kläger übertragene Funktion ist nach der Dienstpostenbewertung der Saarländischen Polizei vom 30. März 2005 mit Besoldungsgruppe A 13 Bundesbesoldungsordnung (BBesO) bewertet. Nach der Bewertung erfolgte keine erneute Auswahlentscheidung. Mit Wirkung vom 01. April 2007 wurde dem Kläger ein Amt der Besoldungsgruppe A 12 verliehen, zeitgleich erfolgte die Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12.
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Mit Schreiben vom 21.08.2008 und 02.09.2008 beantragte der Kläger die Zahlung einer Verwendungszulage nach § 46 BBesG.
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Mit angefochtenem Bescheid vom 08.01.2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, der Gewährung der begehrten Zulage stehe entgegen, dass dem Kläger der Dienstposten weder vorübergehend, noch vertretungsweise, sondern ohne zeitliche oder dienstliche Beschränkung übertragen worden sei. Eine Analogie verbiete sich, weil die Vorschrift nur zeitlich befristete oder vorübergehend vertretungsweise Wahrnehmungen höherwertiger Dienstposten erfasse. Grundsätzlich könne ein Beamter in einer höher bewerteten Funktion beschäftigt werden, ohne dass sich daraus eine Verpflichtung des Dienstherrn zu einer Beförderung ergebe. Ein Anspruch auf Geldausgleich mit alimentativem Charakter könne auch nicht aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, insbesondere dem Leistungsprinzip, der Fürsorgepflicht oder dem Alimentationsprinzip hergeleitet werden. Das in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Leistungsprinzip erfordere nicht, dass jegliche Aufgabenerfüllung, die über die amtsgemäße Beschäftigung hinausgehe, auch finanziell honoriert werde. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn bestehe grundsätzlich nur in den Grenzen des bereits bekleideten statusrechtlichen Amtes. Aus dem Umstand, dass der tatsächlich wahrgenommene Dienstposten nach Besoldungsgruppe A 13 bewertet werde, während er, der Beamte, nach Besoldungsgruppe A 12 besoldet werde, ergebe sich für den Beamten nichts anderes.
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Zur Begründung seines gegen den Bescheid erhobenen Widerspruchs machte der Kläger im Wesentlichen geltend, er besitze die nachgewiesene laufbahnrechtliche Befähigung für den Zugang zum Amt des Ersten Kriminalhauptkommissars (§ 2 Abs. 3 SPolVO). Somit bestehe dem Grunde nach für seine Person die Möglichkeit der Beförderung in das statusrechtliche Amt, dessen Aufgaben ihm mit Wirkung vom 01. Juli 2003 übertragen worden seien. Aus diesem Grunde finde in seinem Fall die Anspruchsgrundlage des § 46 Abs. 1 BBesG in der Alternative des Satzes 1 der Vorschrift (Fassung bis 11.02.2009) Anwendung. In § 46 Abs. 1 BBesG werde an keiner Stelle auf eine Befristung hingewiesen oder abgestellt. Die Ausführungen des OVG Magdeburg in seinem Beschluss vom 30.10.2007 (1 L 164/07) zum Merkmal einer vorübergehenden Übertragung eines Amtes seien insoweit eindeutig. Weiterführend und bedeutend sei in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 70, 251, 268). Hiernach könne die ausnahmsweise zeitliche Ausnahme vom Grundsatz der Einheit des Amtes im statusrechtlichen und im funktionellen Sinne durch die Ausbringung einer Zulage gewährleistet werden. Nur so blieben die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums und die aus dem Leistungsprinzip abgeleiteten verfassungsrechtlichen Vorgaben der Verknüpfung von Status und Funktion gewahrt. In diesem Zusammenhang stelle das Bundesverfassungsgericht klar, dass eine auf Dauer angelegte Entkopplung von Status und Funktion mit dem bestehenden Recht nicht vereinbar sei.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2009 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Zahlung einer Zulage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes setze voraus, dass die Aufgaben des Amtes vorübergehend vertretungsweise wahrgenommen würden (seit mindestens 18 Monaten ununterbrochene Wahrnehmung der Aufgaben) und die haushaltsrechtlichen und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung dieses Amtes vorlägen. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift werde dem Beamten ein Anreiz geboten, einen höherwertigen Dienstposten vertretungsweise und zeitlich begrenzt zu übernehmen. Die Übertragung des derzeitigen Dienstpostens des Klägers sei demgegenüber auf Dauer erfolgt und nicht auf einen bestimmten Zeitraum befristet, so dass § 46 Abs.1 Satz 1 BBesG im Falle des Klägers schon allein aus diesem Grunde keine Anwendung finden könne. Die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des OVG Magdeburg sei eine Einzelfallentscheidung. Der Wortlaut des Gesetzes, dem im Besoldungsrecht besondere Bedeutung zukomme, setze eine ausdrücklich vorübergehende Aufgabenübertragung voraus. Aus der erst nachträglich erfolgten Einfügung der beiden Wörter „vorübergehend vertretungsweise" folge deren besondere Bedeutung, mit der die Auffassung des Klägers nicht vereinbar sei. Ein wichtiger Fall einer dauerhaften und nicht nur vertretungsweisen Aufgabenübertragung, nämlich die zeitlich unbefristete Dienstpostenübertragung zum Zwecke der Beförderung, würde so entgegen den Bedenken des Bundesrates in den Anwendungsbereich des § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG einbezogen. Fälle dauerhafter Aufgabenübernahme mit einzubeziehen, habe der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren als problematisch angesehen, da nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums dann an sich eine Beförderung zu erfolgen hätte (s. BT-Drs. 13/3994, S.72). Den Bedenken des Bundesrates komme hier eine besondere Bedeutung zu, da ihnen im Vermittlungsausschuss Rechnung getragen worden sei. Die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen zur Beförderung des Klägers in das dem Amt im funktionellen Sinn entsprechende Statusamt lägen grundsätzlich vor. Von einer dauerhaften Entkoppelung des Amtes im funktionellen Sinn vom Amt im statusrechtlichen Sinn könne daher nicht die Rede sein. Vielmehr sei eine Beförderung nicht allein von der Erfüllung der in der Person des Beamten liegenden Beförderungsvoraussetzungen abhängig, sondern auch vom Vorliegen der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen und der für das Beförderungsamt vorliegenden Konkurrenzsituation. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger ausweislich Empfangsbekenntnis am 02.06.2009 zugestellt.
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Mit am 19.06.2009 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.
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Sein Widerspruchsvorbringen ergänzend trägt er zur weiteren Begründung vor, die Funktion des Leiters des Kommissariats II der Kriminalpolizeiinspektion übe er bis heute aus. Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Satz 1 Bundesbesoldungsgesetz für die Zahlung einer Zulage seien erfüllt. Durch die Übertragung der Funktion des Leiters des Kommissariates II der Kriminalpolizeiinspektion mit Wirkung vom 01.07.2003 seien ihm die Aufgaben eines höherwertigen Amtes übertragen worden. Auch die 18-monatige Wartefrist sei zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgelaufen gewesen. Sowohl die haushaltsrechtlichen als auch die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen lägen in seinem Fall vor. Dies gelte insbesondere für die so genannte Beförderungsreife. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei es im vorliegenden Fall auch unschädlich, dass ihm die Aufgaben des höherwertigen Amtes nicht ausdrücklich "vorübergehend vertretungsweise", sondern auf Dauer ohne zeitliche Beschränkung übertragen worden seien. In höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung sei geklärt, dass im Sinne von § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG die Aufgaben eines höherwertigen Amtes auch dann "vorübergehend vertretungsweise" übertragen würden, wenn die Übertragung nicht ausdrücklich unter Verwendung dieser Begriffe oder gar im Sinne von "bis auf weiteres" oder "auf Dauer" erfolge. Demnach gelte die Aufgabenübertragung auch dann als "vorübergehend vertretungsweise", wenn der Dienstherr dem Beamten die Aufgaben eines höheren Amtes (ungeachtet etwaiger zeitlicher Bestimmungen und Beförderungsabsichten) bis zur statusrechtlichen Besetzung der dem Dienstposten zugeordneten vakanten Planstelle übertrage. In diesem Sinne sei § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG aufgrund von Artikel 3 GG verfassungskonform auszulegen. Der Beklagte wolle denjenigen Beamten, der dauerhaft die Aufgaben des Amtes wahrnehme, schlechter behandeln als denjenigen, der das Amt nur vorübergehend vertretungsweise innehabe. Wie dies mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz und der Fürsorge des Dienstherrn in Übereinstimmung gebracht werden könne, sei nicht nachvollziehbar. Das Schreiben des Beklagten vom 23.06.2003 enthalte im Übrigen bezüglich der Frage, ob die Funktion des Leiters des Kommissariats 2 der Kriminalpolizeiinspektion dauerhaft oder nur vorübergehend übertragen werde, gerade keine Regelung. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Sachsen-Anhalt habe mit Beschluss vom 06.06.2006 (1 L 35/06) in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auch eine auf Dauer übertragene Aufgabe jederzeit wieder entzogen werden könne. Schließlich habe hinsichtlich seiner Person eine Ermessensausübung darüber, warum ihm das in Rede stehende Amt dauerhaft und nicht nur vorübergehend oder vertretungsweise übertragen worden sei und warum er weniger Geld erhalte als derjenige, dem das Amt vorübergehend oder vertretungsweise übertragen werde, offensichtlich nicht stattgefunden. Insoweit sei von einem kompletten Ermessensausfall auszugehen. Da es keine rationalen Argumente gebe, die seine Schlechterstellung begründen könnten, könne das Ermessen durch das Verwaltungsgericht ersetzt werden, da das Ermessen auf Null reduziert sei und ihm aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes ein Anspruch auf die klageweise geltend gemachte Vergütung zustehe.
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Der Kläger beantragt,
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den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 08.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Zulage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Bundesbesoldungsgesetz rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Antragstellung zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält an den ergangenen Bescheiden aus den im Widerspruchsbescheid dargelegten Gründen fest. Ergänzend und vertiefend trägt er vor, dem Kläger seien die Aufgaben des höherwertigen Amtes auf Dauer und nicht mit dem Zusatz „vorübergehend vertretungsweise" übertragen worden. Auch sei der Kläger nicht kommissarisch mit der Funktion betraut worden. Die dauerhaft erfolgte Übertragung eines höherwertigen Amtes stehe der Zahlung einer Verwendungszulage gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG bereits nach dessen eindeutigem Wortlaut entgegen. Eine analoge Anwendung sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei dauerhafter Übertragung ebenfalls nicht möglich (BVerwG, Az.: 2 B 117/07, Beschluss vom 24.09.2008; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.07.2007, Az.: 3 LB 28/06). Es fehle an der erforderlichen unbewussten Regelungslücke. Das Bundesverwaltungsgericht habe beispielsweise mit Beschluss vom 24.09.2008 (2 B 117/07) entschieden, dass die Verwendungszulage bei dauerhafter Übertragung ausgeschlossen sei. Der Kläger verkenne im Übrigen, dass selbst nach der von ihm herangezogenen Rechtsprechung des OVG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 29.01.2008) in seinem Fall mangels einer seinem Dienstposten zugeordneten vakanten Planstelle A 13 die Voraussetzungen der Zahlung einer Verwendungszulage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG nicht gegeben seien. Im Übrigen ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte des § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG, dass der Gesetzgeber für eine nicht nur „vorübergehend vertretungsweise" und somit dauerhafte Aufgabenübertragung gerade keinen Anspruch auf Gewährung einer Zulage habe vorsehen wollen. Die Norm wolle einem Beamten, dem die Aufgaben des höheren Amtes übertragen worden seien, nach Ablauf einer Übergangsfrist die Bezahlung des höheren -aber nicht statusrechtlich übertragenen- Amtes zuerkennen. Die Neuregelungen beruhe auf einem Entwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 13/3994 Seite 14), wonach die bisher nur im Rahmen bestimmter landesrechtlicher Regelungen vorgesehene Zulagenregelung unter bestimmten Voraussetzungen auf Fälle der längerfristigen Wahrnehmung von Aufgaben eines höherwertigen Amtes erweitert werden sollten. Der Bundesrat habe hiergegen Bedenken vorgebracht, weil es aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen sei, eine Beförderung durch eine Zulagenregelung zu ersetzen, und außerdem Mehrkosten mit der Neuregelung verbunden seien. Daraufhin seien die Änderungsvorschläge des Vermittlungsausschusses aufgegriffen und die Wörter „vorübergehend vertretungsweise" eingefügt und zudem die Wartezeit von ursprünglich vorgesehenen 6 Monaten auf 18 Monate verlängert worden. Es solle dem Beamten ein Anreiz geboten werden, einen höherwertigen Dienstposten vertretungsweise zu übernehmen, ohne dass dies zu Mehrkosten für den öffentlich-rechtlichen Dienstherren führe (vgl. Bundesbesoldungsgesetzkommentar, Buchwald 137.AL August 2008, § 46 BBesG Rand-Nr. 6, Seite 4). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfülle der Kläger nicht die Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals „vorübergehend vertretungsweise". Danach seien Aufgaben dann „vorübergehend vertretungsweise" übertragen, wenn diese bis zur Besetzung der vakanten Stelle sowie statt der dem Statusamt zugeordneten Aufgaben und anstelle des noch nicht ernannten Amtsinhabers wahrgenommen würden. Dem Kläger sei demgegenüber die Funktion der Art übertragen worden, dass nicht beabsichtigt gewesen sei, diese einem anderen zu übertragen, und er diese auch nicht bis zur Besetzung mit einem anderen Inhaber habe ausüben sollen. Es handele sich damit nicht um eine kommissarische Wahrnehmung. Dass die Übertragung der Funktion ohne zeitliche Beschränkung auf Dauer erfolgt sei, ergebe sich eindeutig aus dem Schreiben vom 23.06.2003. Eine verfassungskonforme Auslegung im Sinne des Klägers komme nicht in Betracht. Beim Erlass besoldungsrechtlicher Vorschriften habe der Gesetzgeber einen weiten Spielraum politischen Ermessens, innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten unter fortschreitender Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen dürfe. Der Gleichheitssatz sei nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber nicht die gerechteste, zweckmäßigste oder vernünftigste Lösung gewählt habe. Nach diesen Grundsätzen liege es noch innerhalb des dem Gesetzgeber eröffneten Gestaltungsrahmens, gleichartige Tätigkeiten, nämlich die Wahrnehmung der Aufgaben eines höherwertigen Amtes, besoldungsrechtlich unterschiedlich zu behandeln. Beim Kläger liege auch keineswegs eine dauerhafte Trennung von Status und Amt vor. Bei ihm lägen die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen zur Beförderung in das dem Amt im funktionellen Sinn entsprechende Statusamt grundsätzlich vor. Dem Dienstherrn sei es aber verwehrt, dem Beamten eine über die Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes hinausgehende Besoldung, Vergütung, Zulage oder andere Form der Alimentation zu gewähren. Dies folge allgemein aus § 2 Abs. 1 BBesG und für den Bereich der Zulagen speziell aus der Vorschrift des § 51 Abs. 1 BBesG, wonach andere als im Bundesbesoldungsgesetz geregelte Zulagen nur gewährt werden dürften, wenn sie bundesgesetzlich vorgesehen seien. Eine auf Dauer angelegte Entkoppelung von statusrechtlichem Amt und Funktion könne nicht angenommen werden, solange eine Beförderung des Beamten unter Berücksichtigung des Leistungsgrundsatzes noch möglich sei. Der Bundesgesetzgeber habe insoweit im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraumes im Bereich des Besoldungsrechts von seiner Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht und einen alimentativen Anspruch des Beamten für den Fall, dass ihm ein höherwertiger Dienstposten unbefristet übertragen worden sei, nicht normiert. Weder der Leistungsgrundsatz des Artikel 33 Abs. 2 GG noch das Alimentationsprinzip als durch Artikel 33 Abs. 5 GG geschützter hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums forderten, dass einem Beamten nicht nur wegen eines vorübergehend vertretungsweisen, sondern auch wegen eines dauerhaften Einsatzes auf einem höherwertigen Dienstposten zusätzliche Besoldungsleistungen gewährt würden. § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG eröffne auch kein Ermessen. Mangels Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen scheide ein Anspruch zwingend aus.
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18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung erklärten Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten (1 Hefter) Bezug genommen. | |
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), die Ordnungshaft zu vollziehen an ihrem Vorstand, zu unterlassen,
zu Zwecken des Wettbewerbs innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Mützen mit der Materialangabe „Acryl“ zu bewerben, anzubieten und/oder zu vertreiben, wie in Anlagenkonvolut K 5 geschehen.
II. Die Beklagte wird ferner verurteilt, der Klägerin 502,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.01.2019 zu zahlen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin hinsichtlich des Ausspruchs zu I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 EUR und hinsichtlich des Ausspruchs zu Ziffer II. und der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. | Die Parteien streiten um wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bezüglich der Materialangabe „Acryl“.
Die Klägerin ist auf dem Sektor des Angebots und des Vertriebs von Bekleidung und Accessoires tätig. Sie wurde am 19.05.2017 gegründet. Ihre Produkte werden in der Bundesrepublik Deutschland unter anderem über die Verkaufsplattform … vertrieben. Am 20.07.2017 eröffnete die Klägerin einen Partnershop bei der Beklagten. Weiterhin betreibt die Klägerin einen eigenen …-shop unter der Bezeichnung „…“. Die Klägerin hat seit dem Oktober 2017 mehrere Marken beim … (…) zur Anmeldung gebracht. Insoweit wird auf das Anlagenkonvolut K 8 (Bl. 424 – 438 d.A.) verwiesen.
Die Beklagte ist auf dem Gebiet des Angebots und Vertriebs von Bekleidungsstücken tätig, vor allem mit solchen, die mit Motiven bedruckt sind, und vertreibt über die Verkaufsplattform … unter anderem Mützen. Sie vertreibt Bekleidungsstücke bundesweit auch über die Internetverkaufsplattform ….
Auf der Internetplattform der Beklagten haben Verbraucher die Möglichkeit, eigene Designs „hochzuladen“ und diese Designs von der Beklagten auf Bekleidungsteile sowie Merchandisingartikel aufdrucken zu lassen. Darüber hinaus bietet die Beklagte ihren Kunden auch die Möglichkeit, innerhalb ihrer Internetplattform einen eigenen „Shop“ zu eröffnen, in denen die jeweiligen „Shoppartner“ ihre Designs bzw. die mit diesen Designs verzierten Produkte bewerben können. Schließlich besteht auch die Möglichkeit, dass Kunden ihre Designs der Beklagten überlassen, die diese dann anderen Kunden anbietet. Verkäuferin und Inverkehrbringerin im Sinne der TextilkennzeichnungsVO (EU) … (künftig: TextilkennzVO) der von den Shoppartnern beworbenen Produkte ist die Beklagte.
Spätestens seit November 2017 mahnte die Klägerin vermeintliche Wettbewerber wegen Verstößen gegen die TextilkennzVO ab, Insoweit wird auf den Vortrag der Beklagten in ihrer Klageerwiderung auf den Seiten 7 ff. (Bl. 156 ff. d.A.) verwiesen.
Die Klägerin mahnte die … mit anwaltlichem Schreiben vom 06.08.2018 gemäß Anlage AS 34 (Bl. 294 - 296 d.A.) ab, weil die Materialangabe „Acryl“ angeblich gegen die TextilkennzVO verstieße. Diese Gesellschaft sprach ihrerseits mit anwaltlichem Schreiben vom 17.08.2018 eine Abmahnung gegenüber der Klägerin wegen Verstoßes gegen die TextilkennzVO aus, da bei einzelnen Angeboten ihres … als Materialangabe der Begriff „Acryl“ verwendet worden war. Wegen weiterer Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die Anlage AS 8 (Bl. 214 – 219 d.A.) bzw. die Anlage K 1 (Bl. 11 – 22 d.A.) Bezug genommen.
Die Materialangaben auf der Seite … werden nicht von der Klägerin, sondern allein von der Betreiberin der Seite, der Beklagten, zentral durch ein automatisiertes IT-System gesteuert. Es ist unstreitig, dass die einzelnen Inhaber eines …-shops keinen Einfluss auf die Materialangaben haben.
Die Klägerin erwiderte gegenüber der … mit anwaltlichem Schreiben vom 24.08.2019 gemäß Anlage AS 35 (Bl. 297 – 299 d.A.) und fügte diesem Schreiben eine unter dem Datum des 24.04.2018 gegenüber der „…“, …, abgegebene strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bei, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 299 d.A. verwiesen wird.
Auf Grund der an sie gerichteten Abmahnung schrieb die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 24.08.2018 gemäß Anlage K 2 (Bl. 23 f. d.A) die Beklagte als Betreiberin der Plattform an und forderte sie zu einer umgehenden Korrektur der Materialbezeichnung auf und verlangte eine Freistellung hinsichtlich der aus der Abmahnung des Wettbewerbers entstehenden Schäden.
Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 31.08.2018 gemäß Anlage K 3 (Bl. 25 d.A.) bzw. Anlage AS 10 (Bl. 222 d.A.), widersprach einer Berechtigung der Abmahnung und deaktivierte „rein vorsorglich“ den Shop der Klägerin „im Rahmen der Prüfung bis auf Weiteres“.
Unter dem 28.08.2018 hatte die Beklagte zuvor die Materialangabe „Acryl“ bei den betroffenen „…“ geändert.
Die Klägerin forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 03.09.2018 gemäß Anlage K 4 (Bl. 26 f. d.A.) bzw. Anlage AS 11 (Bl. 223 f. d.A.) zur unverzüglichen Freischaltung des … der Klägerin auf. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 04.09.2018 gemäß Anlage AS 12 (Bl. 225 d.A.), in welchem sie u.a. darauf hinwies, dass „ein deaktivierter Shop vom jeweiligen Partner mittels eines Klicks im Partnerkonto jederzeit wieder aktiviert werden könne“. Hinsichtlich dieser Möglichkeit wird auf den Screenshot auf Seite 4 der Klageerwiderung vom 19.02.2019 (Bl. 153 d..A.) verwiesen. Die Klägerin reagierte darauf mit anwaltlichem Schreiben vom 05.09.2018 gemäß Anlage AS 13 (Bl. 226 d.A.).
Am 09.09.2018 waren auf der Plattform … Angebote mit der Materialbezeichnung „Acryl“ wahrnehmbar. Insoweit wird auf das klägerseits vorgelegte Anlagenkonvolut K 5 (Bl. 28 – 131 d.A.) Bezug genommen. Die Klägerin forderte daraufhin die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 11.09.2018 gemäß den Anlagen K 6 (Bl. 132 – 135 d.A.) bzw. Anlage AS 14 (Bl. 227 – 230 d.A.) zur Abgabe der streitgegenständlichen Unterlassungserklärung hinsichtlich der Bewerbung, des Angebots und des Vertriebs von Mützen mit der Faserbezeichnung „Acryl“ auf. Die Beklagte verweigerte die Abgabe einer Unterlassungserklärung.
Ferner sprach die Klägerin etliche gleichlautende Abmahnungen gegen diverse Shoppartner gemäß dem Vortrag der Beklagten in ihrer Klageerwiderung auf Seite 13 (Bl. 162) nebst den Anlagen AS 13 – AS 31 (Bl. 231 ff. – 285 d.A.) aus.
Am 07.01.2019 wurde der Partnershop durch die Klägerin aktiviert. Danach wurden über den Partnershop der Klägerin … keine weiteren Verkäufe vermittelt.
Zwischenzeitlich wurden die streitgegenständlichen Angebote der Beklagten gemäß der Anlage K 7 (Bl. 136 f. d.A.) mit der Materialbezeichnung „Polyacryl“ versehen.
Die Beklagte sprach gegenüber der Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 05.04.2019 gemäß Anlage K 19 (Bl. 588 – 593 d.A.) wegen einer angeblich falschen Adresse und mit Schreiben vom 11.06.2019 gemäß Anlage K 16 (Bl. 569 - 580 d.A.) wegen eines Verstoßes gegen § 5 TMG auf der von der Klägerin betriebenen Plattform … Abmahnungen aus.
Die Klägerin trägt vor, dass es sich bei der von der Beklagten gebrauchten Bezeichnung „Acryl“ um einen Verstoß gegen die TextilkennzVO handele, weil diese VO diese Bezeichnung nicht vorsehe. Gemäß Art. 5 Abs. 1 dieser VO dürften als Materialangaben nur diejenigen Fasern angegeben werden, die Erwähnung im Anhang I der VO fänden. Der Begriff „Acryl“ wird dort – unstreitig - nicht aufgeführt. Der Umstand, dass die Klägerin nicht eigene Onlineshops betreibe, sondern auf bestehende Strukturen, unter anderem von der Beklagten, zurückgreife, könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden. Von einem Rechtsmissbrauch der Klägerin, wie beklagtenseits vorgetragen, könne nicht ausgegangen werden. Es sei auch eine Haftung der Shopbetreiber für die Verstöße gegen die TextilkennzVO zu bejahen.
Die Klägerin behauptet, dass sie Waren auf den Plattformen „…“ oder „…“bewerbe bzw. vertreibe. Insoweit wird auf die Anlagenkonvolute K 9 (Bl. 439 – 455 d.A.) bzw. K 17 (Bl. 581 – 583 d.A.) Bezug genommen. Der …-shop der Klägerin, über den sie gemäß Anlagenkonvolut K 12 (Bl. 464 – 527 d.A.) in der Vergangenheit mehrere Hunderte Produkte vertrieben habe, bestehe weiterhin. Derzeit werde keine Vertriebsware über diesen Vertriebskanal angeboten. Die Klägerin habe – unter Bezugnahme auf betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) gemäß den Anlagen K 13 und K 14 (Bl. 528 f. d.A.) – bereits einige Monate nach ihrer Gründung einen Monatsumsatz von fast 40.000 EUR erzielt.
Die Klägerin sei ferner berechtigt, die Erstattung der Abmahnkosten in Höhe einer 0,65 Geschäftsgebühr zu verlangen. Dabei sei ein – angemessener - Gegenstandswert von 20.000 EUR zugrunde zu legen.
Die Klägerin beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu unterlassen,
zu Zwecken des Wettbewerbs innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Mützen mit der Materialangabe „Acryl“ zu bewerben, anzubieten und/oder zu vertreiben, wie in Anlagenkonvolut K 5 geschehen;
II. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 502,30 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (08.01.2019) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe keine nennenswerten Investitionen in ihren eigenen Warenbestand investiert, mit dem sie Handel treiben könnte. Dafür spreche auch, dass sie weder ein eigenes Ladenlokal noch einen eigenen Onlineshop betreibe. Sie habe auch keinen eigenen Website-Auftritt oder eigene Domain. In dem Zeitraum, in welchem die Klägerin ihren Partnershop online gehabt habe, hätte sie bis zum 19.02.2019 nur sechs Verkäufe vermittelt und Provisionen von 10,20 EUR erzielt. Es hätte in der Vergangenheit nur marginale Verkäufe auf … gegeben; aktuell sei der Vertrieb von Produkten durch die Klägerin eingestellt. Insoweit wird auf den Vortrag der Beklagten auf Seite 4 der Klageerwiderung (Bl. 155 d.A.) nebst Anlagen verwiesen. Es wird der Vortrag der Klägerseite, dass die Klägerin monatliche Umsätze von 40.000 EUR erziele, mit Nichtwissen bestritten.
Nach der Änderung der Materialangabe bei den Produkten „…“, hätte die Beklagte für die Überprüfung weiterer Produkte einen gewissen Zeitraum benötigt, weshalb die Materialangaben der einzelnen Produkte, sofern notwendig, erst nach und nach hätten ge-„updatet“ werden können. Zu der Eingabe „Acryl“ sei es gekommen, weil die Lieferantin/Herstellerin die hier betroffenen Rohlinge (Mützen) in englischer bzw. französischer Sprache die Materialangabe „acrylic“ bzw. „acrylique“, was den englischen und französischen Sprachvorgaben der TextikennzVO entspreche, öffentlich mitgeteilt habe. Leider passierten derartige Übersetzungen. Würde die Verwendung der Textilkennzeichnung „Acryl“ einen Verstoß gegen die TextilkennzVO in Deutschland darstellen, so hätte dies zur Folge, obwohl es sich um den gleichen Stoff handelte, dass die Verwendung von „Acryl“ zur Textilkennzeichnung in Frankreich, Spanien etc. erlaubt sei, in Deutschland aber nicht. Deshalb wird beklagtenseits angeregt, die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Die einzelnen Shoppartner seien nicht verantwortlich für die Angabe „Acryl“, da diese keine Händler im Sinne der TextilkennzVO seien. Durch die gegenüber der Beklagten, ihren Shoppartnern und Dritten im September 2018 ausgesprochenen 18 Abmahnungen entstünde eine Kostenlast von 13.932,23 EUR brutto. Demgegenüber habe die Klägerin für den vermeintlichen Aufbau eines eigenen Warenbestands 11.469,77 EUR netto aufgewandt. Dieses Missverhältnis sei Beleg dafür, dass die ausufernde Abmahntätigkeit der Klägerin missbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG sei. Wegen der weiteren Ausführungen der Beklagten zum vermeintlichen Rechtsmissbrauch wird auf die Seiten 16 ff. der Klageerwiderung (Bl. 165 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte habe nicht gegen die TextilkennzVO verstoßen, da Art. 5 Abs. 1 TexilkennzVO i.V.m. Nr. 26 des Anhangs I dieser VO dahin auszulegen sei, dass „Acryl“ eine zulässige Alternativbezeichnung zu „Polyacryl“ darstelle. Dem entgegenstehenden Urteil des OLG München (GRUR-RR 2017, 11) sei nicht zu folgen. Der Klägerin fehle es an der Aktivlegitimation.
Das Verhalten der Klägerin stelle auch eine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG dar. Die Drittunterwerfungserklärung der Klägerin gegenüber der „…“ sei fingiert.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. | |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. | Randnummer
1
Die Klägerin, eine gewerbliche Policenaufkäuferin, begehrt aus abgetretenem Recht von der Beklagten die Rückzahlung von Versicherungsprämien und Nutzungsersatz wegen ungerechtfertigter Bereicherung.
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2
Der Versicherungsnehmer und ursprüngliche Rechteinhaber U. E. (im Folgenden: „
VN
“) beantragte im Oktober 2003 den Abschluss einer kapitalbildenden Rentenversicherung mit Unfallzusatz sowie Berufs- und Dienstunfähigkeitszusatzversicherung im sog. Policenmodell. Hierauf erhielt er mit dem Policenbegleitschreiben vom 01.11.2003 (Anlage B 3) die Versicherungsurkunde (Versicherungsschein nebst AVB und Verbraucherinformationen) unter der Nr. ... (später LV ... ) zugesandt, welche folgende – optisch nicht hervorgehobene – Widerspruchsbelehrung enthielt:
Randnummer
3
„Die nach § 10a VAG erforderlichen Verbraucherinformationen sind im Antrag und in der Versicherungsurkunde enthalten.
Sie können innerhalb von 14 Tagen nach Zugang dieses Briefes den Verträgen in Textform widersprechen.
Die Frist ist gewahrt, wenn der Widerspruch rechtzeitig abgesandt wird.“
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4
Der VN vermittelte sich den Vertrag selbst als Abschlussvermittler und erhielt hierfür seitens der Beklagten auch eine Abschlussprovision.
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5
Mit Versicherungsbeginn am 01.10.2003 zahlte der VN die monatlichen Beiträge ein. Der vereinbarten Beitragsdynamik widersprach der VN in einzelnen Versicherungsjahren. Ende 2014 beantragte der VN eine Beitragsreduzierung (Anlage B 6), die mit Zustimmung der Beklagten umgesetzt wurde. Begleitend mit dem Versicherungsschein über die Vertragsänderung erhielt der VN mit Anschreiben vom 08.01.2015 (Anlage B 8) erneut eine Widerrufsbelehrung.
Randnummer
6
Mit Schreiben vom 11.04.2016 und somit gut 12 Jahre nach dem Vertragsabschluss kündigte der VN den Versicherungsvertrag, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 09.06.2016 den Vertrag abrechnete und unter Berücksichtigung der Beitragseinzahlungen in Höhe von 52.690,56 EUR einen Rückkaufswert in Höhe von 50.668,54 EUR an den VN auskehrte.
Randnummer
7
2 ½ Jahre später zeigte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 26.10.2018 gegenüber der Beklagten die Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an die Klägerin durch den VN an und wies die Beklagte auf den auf den 05.04.2018 datierten Widerspruch des VN gegen den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag nach § 5a VVG a. F. hin.
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8
Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Widerspruchsbelehrungen seien formal und inhaltlich unwirksam. Die Beklagte habe daher der Klägerin als Policenaufkäuferin aus Bereicherungsrecht die Beiträge zurückzuerstatten sowie die tatsächlich hieraus gezogenen Nutzungen herauszugeben abzüglich der bereits ausgezahlten Rückkaufswerte sowie abzüglich der Risikokosten. Hinsichtlich der Einzelheiten der Anspruchsberechnung wird auf die Ausführungen auf Seite 9 der Klageschrift (Bl. 9 d. A.) verwiesen.
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9
Die Klägerin beantragt,
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10
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 19.298,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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11
Die Beklagte beantragt,
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12
die Klage abzuweisen.
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13
Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der VN die Ansprüche an die Klägerin wirksam abgetreten habe. Zudem könne sich die Klägerin als gewerbliche Policenaufkäuferin nicht auf die verbraucherschützende Vorschrift des § 5a VVG a. F. berufen. Dies gelte jedenfalls, wenn – wie hier – der den Vertrag abschließende Verbraucher seine Rückabwicklungsansprüche aufgrund eines Widerspruchs bereits vor Erklärung des Widerspruchs abtrete. In diesem Fall sei der Widerspruch des Verbrauchers einem Widerspruch der Policenaufkäuferin gleichzusetzen.
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14
All dies könne im Ergebnis aber auch deshalb dahinstehen, da das Widerspruchsrecht jedenfalls verwirkt sei.
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15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. | |
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen der Kläger 1/8 und die Beklagte 7/8.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen. | Randnummer
1
Der Kläger ist Journalist. Er wendet sich gegen die Heranziehung zu Gebühren für die Bearbeitung seines Antrags nach dem Informationsfreiheitsgesetz.
Randnummer
2
Der Kläger beantragte am 21. März 2015 beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes die Übersendung aller Schreiben, die die (früheren) Vorstandschefs der V..., der E... AG und der R... AG nach dem 1. Januar 2009 an den Bundeswirtschaftsminister oder das Bundeswirtschaftsministerium gesendet hatten. Mit Bescheid vom 1. September 2015 gewährte dieses den Informationszugang zum Teil und setzte für die Bearbeitung des Antrags eine Gebühr in Höhe von 500 Euro fest. Gegen die Gebührenfestsetzung legte der Kläger mit Schreiben vom 15. September 2015 Widerspruch ein, den das Bundeswirtschaftsministerium mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2015 zurückwies. Es führte aus, dass nach der Informationsgebührenverordnung ein Gebührenrahmen von 30 bis 500 Euro einschlägig sei, da ein deutlich höherer, rein rechnerisch mit 2.100 Euro zu beziffernder Verwaltungsaufwand für die Zusammenstellung der von dem Antrag erfassten Schreiben entstanden sei. Der Verwaltungsaufwand sei Ausgangspunkt für die Bemessung der Gebühr. In der festgesetzten Höhe von 500 Euro stehe sie in angemessenem Verhältnis zur vorgenommenen Amtshandlung. Damit sei den gesetzlichen Vorgaben Rechnung getragen. Anhaltspunkte dafür, dass die Gebühr abschreckende Wirkung entfalte, lägen nicht vor. Auch rechtfertige eine von dem Kläger geltend gemachte journalistische Tätigkeit keine Ermäßigung der Gebühr.
Randnummer
3
Auf die daraufhin am 20. November 2015 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. Juli 2016 den Bescheid vom 1. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2015 aufgehoben, soweit eine Gebühr in Höhe von 500 Euro festgesetzt worden ist. Es ist davon ausgegangen, dass die Gebühr sich zwar innerhalb des durch Teil A Nr. 2.2 des Gebühren- und Auslagenverzeichnisses der Informationsgebührenverordnung vorgegebenen Rahmens halte, die Festsetzung jedoch gegen die Grundsätze der Gebührengerechtigkeit verstoße und daher ermessensfehlerhaft sei. Ausgangspunkt für die Gebührenbemessung sei der Verwaltungsaufwand. Aus § 10 Abs. 2 IFG ergebe sich jedoch, dass das Kostendeckungsprinzip nicht in reiner Form gelte, sondern in einer zweiten Stufe auch auf die individuelle Fallgestaltung abstellende Äquivalenzgesichtspunkte (z.B. wirtschaftliches oder wissenschaftliches Interesse) von Bedeutung sein könnten. Daraus wiederum folge, dass bei Anwendung des relativierten Kostendeckungsprinzips - also in erster Stufe - Aspekte der Gleichbehandlung zwingend in den Entscheidungsprozess einzustellen seien. Um dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Gebührengerechtigkeit zu genügen, müsse die Beklagte nähere Kriterien entwickeln, wie sie den konkret angefallenen Aufwand in der jeweiligen Fallgruppe der Rahmengebühr bei der Gebührenfestsetzung berücksichtigen wolle. Dem sei sie nicht nachgekommen.
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Dagegen wendet die Beklagte sich mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung. Sie meint, sie habe die Höhe der Gebühren ermessensfehlerfrei festgesetzt. Sie habe ausgehend vom tatsächlichen Verwaltungsaufwand in Höhe von 2.100 Euro diesen aufgrund des Gebührenrahmens von Teil A Nr. 2.2 des Gebühren- und Auslagenverzeichnisses der Informationsgebührenverordnung nur mit 500 Euro berücksichtigt. Das Äquivalenzprinzip sei beachtet worden, da die Höhe der Gebühr in angemessenem Verhältnis zu dem durch den weit gefassten Antrag des Klägers ausgelösten Aufwand für Recherche, Zusammenstellung und Schwärzung der Dokumente stehe, aus denen der Kläger auch Erkenntnisse habe gewinnen können. Es lägen zudem keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Gebühr abschreckende Wirkung gegenüber dem Kläger habe. Auch unabhängig von seiner konkreten Situation sei auf einen solchen Effekt der festgesetzten Gebühr nicht zu schließen. Angesichts der Weite des Antrags sei ein besonders zu gewichtendes öffentliches Interesse am Informationszugang nicht erkennbar gewesen. Setze man daher ein allgemeines Interesse ins Verhältnis zu den tatsächlich entstandenen Verwaltungskosten in Höhe von 2.100 Euro und dem Nutzen der Information, halte die Höhe der Gebühr einen Antragsteller nicht von der Geltendmachung eines Anspruchs nach dem Informationsfreiheitsgesetz ab. Die Gebühr sei den vorstehenden Ausführungen entsprechend ferner nicht gemäß § 2 der Informationsgebührenverordnung aus Gründen des öffentlichen Interesses zu ermäßigen. Gründe, die Gebühr aus Gründen der Billigkeit zu reduzieren, lägen ebenfalls nicht vor. Es sei auch die Pressefreiheit nicht bei der Gebührenbemessung zu berücksichtigen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ebenfalls gewahrt. Die Gebühr sei nicht allein anhand des Verwaltungsaufwands und des Gebührenrahmens festgesetzt worden, sondern es seien den vorstehenden Ausführungen entsprechend die übrigen gesetzlich vorgegebenen Gebührenbemessungsprinzipien beachtet worden.
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Der Kläger hat die Klage in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf die Festsetzung einer Gebühr in Höhe von 60 Euro zurückgenommen. Der Senat hat das Verfahren daraufhin durch Beschluss vom 14. September 2017 insoweit eingestellt und das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit für wirkungslos erklärt.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Juli 2016 im Übrigen zu ändern und die Klage gegen die Festsetzung der 60 Euro übersteigenden Gebühr in dem Bescheid vom 1. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2015 abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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10
Er meint, die Gebührenfestsetzung beruhe auf einem vollständigen Ermessensausfall. Die von der Berufungsbegründung angeführten Erwägungen beschränkten sich auf die Berechnung des entstandenen Aufwands und die Feststellung, dass kein Grund ersichtlich sei, unterhalb der Höchstgrenze von 500 Euro zu bleiben. Mit gleicher Begründung wäre der Höchstbetrag von 500 Euro auch festzusetzen, wenn der Aufwand 550 Euro oder 550.000 Euro betragen hätte. Die Beklagte habe jedenfalls den objektiv-rechtlichen Gehalt der Pressefreiheit nicht außer Acht lassen dürfen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen. | |
Die Bescheide der Beklagten vom 15.02.2018 und vom 16.02.2018 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 25.05.2018 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. | 1
Die Klägerin ist Beamtin auf Probe und wendet sich gegen die Aufhebung der festgesetzten Mindestprobezeit.
2
Die Klägerin arbeitete im Zeitraum vom 02.01.2004 bis 01.01.2016 als Soldatin auf Zeit. Sie nahm in dieser Zeit viermal an einer besonderen Auslandsverwendung teil. Am 01.09.2014 wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Polizeimeisteranwärterin ernannt. Vom 05.09.2014 bis 24.02.2017 absolvierte sie bei der Bundespolizei eine Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst. Am 25.02.2017 wurde die Klägerin zur Probezeitbeamtin ernannt.
3
Mit Bescheid vom 19.05.2017 (auch „Ausgangsbescheid“) setzte die Beklagte fest, dass die Probezeit der Klägerin bei entsprechender Bewährung mit Ablauf des 24.02.2018 ende. Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Zeit, in der die Klägerin als Zeitsoldatin gearbeitet habe, würde angerechnet, da gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 BLV die Voraussetzungen für eine der Laufbahn entsprechenden Tätigkeit durch den berufsmäßigen Wehrdienst erfüllt seien. Es müsse gemäß § 31 Abs. 1 BLV die Mindestprobezeit von einem Jahr abgeleistet werden.
4
Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 15.02.2018 nahm die Beklagte den Bescheid vom 19.05.2017 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine Anrechnung der Zeit als Zeitsoldatin nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BLV nicht zulässig sei, da bei der Tätigkeit als Soldatin im Vergleich zur Tätigkeit als Bundespolizeivollzugsbeamtin keine Gleichwertigkeit gegeben sei. Mit dem weiteren, hier ebenfalls streitgegenständlichen Bescheid vom 16.02.2018 setzte die Beklagte die regelmäßige Probezeit gemäß § 28 Abs. 1 BLV auf drei Jahre fest; die Probezeit ende bei entsprechender Bewährung mit Ablauf des 24.02.2020. Zur Begründung wurde erneut ausgeführt, die Zeiten der Klägerin als Soldatin auf Zeit könnten nicht angerechnet werden.
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Hiergegen erhob die Klägerin am 28.02.2018 Widerspruch. Sie führte aus, sie sei von Januar 2004 bis November 2006 bei der Marine gewesen und habe in der Zeit an zwei je fünfmonatigen Auslandseinsätzen u.a. zur Terrorismusbekämpfung teilgenommen. Im November 2006 sei sie zur Luftwaffe gewechselt und habe u.a. den Luftraum über Süddeutschland überwacht und sei im Jahr 2010 für drei Monate in Afghanistan bei der Terrorismusbekämpfung eingesetzt gewesen. Sowohl die Krisengebiete als auch die Aufgabe der Terrorismusbekämpfung decke sich teilweise bzw. weitestgehend mit dem Aufgabengebiet der Bundespolizei, z.B. bei der Kontrolle von Personen und Durchsuchung der Schiffe auf gefährliche Gegenstände. Dies decke sich auch mit Aufgaben der Frontex auf hoher See im Mittelmeer. Sie habe sich in ihrer bisherigen Probezeit bewährt, wisse von anderen Zeitsoldaten, deren Vordienstzeit auf die Probezeit anerkannt worden seien und bitte darum, den Ermessensspielraum auszunutzen.
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Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2018 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt: Gemäß § 29 Abs. 1 BLV bedürfe es einer Tätigkeit, die in Art und Schwierigkeit mindestens der Tätigkeit in einem Amt der betreffenden Laufbahn entspreche. Dieser Ermessensspielraum der Bundeslaufbahnverordnung sei durch den Erlass des Bundespolizeipräsidiums vom 12.12.2011 und eines Urteils des VG Regensburgs reduziert und eingeschränkt. Der Erlass besage, dass bei der früheren Tätigkeit als Soldat, unabhängig von seiner konkreten Hauptverwendung, im Vergleich zu der Tätigkeit als Bundespolizeivollzugsbeamter regelmäßig keine Gleichwertigkeit gegeben sein dürfte. Die fehlende Vergleichbarkeit begründe sich unter anderem in der nicht militärischen Aufgabenwahrnehmung, den nicht militärisch-führenden Tätigkeiten und der unterschiedlichen Ressortzugehörigkeiten der Aufgabenwahrnehmer. In dem Erlass werde die Gleichwertigkeit bei besonderer Fachverwendung z.B. als Pilot oder Arzt, angenommen; auch bei Feldjägern werde dies so gehandhabt. Die Tätigkeit der Klägerin bei der Bundeswehr als Zeitsoldatin stehe diesen Fällen nicht gleich, sodass die Klägerin keinen Anspruch aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung herleiten könne. Die Bewährung der Klägerin im Beamtenverhältnis habe sich ausschließlich auf die Verwendung als Soldatin bezogen und sei nicht gleichzusetzen mit der Bewährung als Bundespolizist, auch wenn es durchaus fachliche Überschneidungen der Aufgabenspektren gebe. Vorliegend würden jedoch die Unterschiede der beiden Anforderungen an den Beamten im jeweiligen Verhältnis überwiegen.
7
Am 27.06.2018 hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Sie trägt ergänzend vor, warum aus ihrer Sicht ihre konkrete Tätigkeit in der Zeit als Soldatin auf Zeit mit ihrer Tätigkeit bei der Bundespolizei vergleichbar ist.
8
Sie beantragt schriftsätzlich, sachdienlich gefasst,
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die Bescheide der Beklagten vom 15.02.2018 und vom 16.02.2018 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 25.05.2018 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen.
12
Sie trägt im Wesentlichen Gründe dazu vor, weshalb aus ihrer Sicht die Tätigkeit der Klägerin als Soldatin auf Zeit nicht mit der Tätigkeit eines Polizeibeamten vergleichbar sei. Sie ergänzt, dass schutzwürdige Vertrauenstatbestände gemäß § 48 VwVfG nicht zu erkennen seien und auch seitens der Klägerin nicht vorgetragen worden seien. Ferner sei die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 VwVfG eingehalten worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Behördenakte verwiesen. | |
1. Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird es eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Aufwendungen des Beigeladenen, tragen der Kläger 13/14 und der Beklagte 1/14. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. | Randnummer
1
Der Kläger wendet sich gegen Anordnungen der Unteren Bodenschutzbehörde des Beklagten betreffs eines Anbauverbotes für Kartoffeln und weiterer Maßnahmen zum Zwecke des Erosionsschutzes des Bodens, sowie damit im Zusammenhang stehende Zwangsgeldandrohungen in Höhe von insgesamt 28.000,00 Euro.
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2
Der Kläger ist im Haupterwerb und Bewirtschafter mehrerer landwirtschaftlich genutzter, von ihm gepachteter Flächen in der Gemeinde L... in den Gemarkungen Z..., L... und B.... Die Pacht im Umfang von ca. 17,67 ha Fläche lief zum 31. Dezember 2022 aus. Aktuell bewirtschaftet der Kläger aufgrund eines seit dem 1. Januar 2023 bestehenden neuen Pachtvertrages von dem früheren Flächenumfang nur noch eine Teilfläche von ca. 6,8529 ha des früheren Grundstücks Fl.Nr. a der Gemarkung Z... - nunmehr Fl.Nr. b Gemarkung Z... (vgl. Bl. 326 ff. GA). Die übrigen Flächen befinden sich nicht mehr in der Bewirtschaftung des Klägers und wurden von diesem an die Verpächter herausgegeben. Für die Einzelheiten dazu wird auch auf die Sitzungsniederschrift des Gerichts zur mündlichen Verhandlung (Bl. 352 ff. GA) verwiesen.
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3
Der Beklagte fasst die bewirtschafteten Flächen in der Ortslage Z... in einer Erosionsfläche 1 (Feldblock DETHLIAL50411Y13) und einer nördlich davon gelegenen Erosionsfläche 2 (Feldblock DETHLIAL50411Y05) zusammen, die mittels farblicher Darstellung in einem Lageplan als Anlage 1 zum streitbefangenen Ausgangsbescheid (vgl. Bl. 17 GA) umgrenzt sind. Der Kläger baute in der Vergangenheit auf diesen Flächen in wechselnder Fruchtfolge Getreide und Kartoffeln an (Jahr 2012: Kartoffeln, 2013: Winterweizen, 2014: Winterraps, 2015: Winterweizen, 2016: Kartoffeln, 2017: Weizen, 2018: Raps). Die (ggü. der Erosionsfläche 2 größere) Erosionsfläche 1 weist eine Neigung in Richtung Südost-Nordwest auf. Der höchste Punkt liegt bei ca. 248 m ü. NN, der niedrigste bei ca. 223 m ü. NN bei einer Entfernung von 810 m. Hieraus ergibt sich ein Gefälle von 3,2 %. Die Fläche grenzt unmittelbar an die Ortslage Z... an. Die betreffenden Feldblöcke sind in der Wassererosionsgefährdungsklasse CC-Wasser 1 eingestuft (vgl. § 1 Abs. 3 der Thüringer Verordnung zur Einteilung von landwirtschaftlichen Flächen nach dem Grad der Erosionsgefährdung - ThürErVO - vom 22. Dezember 2015, GVBl. 2015, 240, zuletzt geändert durch Artikel 88 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018, GVBl. 2018, 731 [788]), d.h. es besteht eine sehr hohe Erosionsgefährdung.
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4
Aufgrund von Starkregenereignissen am 5. Juli 2012 und am 2. Juni 2016 kam es auf den betroffenen Flächen zu größeren Bodenabträgen infolge von Bodenerosion durch Wasser. Dabei führte insbesondere das Ereignis vom 2. Juni 2016 nach den Feststellungen des Beklagten und des Beigeladenen zu erheblichen so genannten on- und off-site-Schäden (vgl. auch Farbfotos des TLLLR v. 3. Juni 2016: Bl. 82 - 90 GA), darunter auch Sedimentablagerungen in der Ortslage Z.... Hinsichtlich der Feststellungen zum Ereignis des Jahres 2012 wird zudem auf das Protokoll zum Orts- und Beratungstermin am 11. April 2013 (Bl. 16 ff. BA Band 1) verwiesen.
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5
Einen zwischen den Behörden abgestimmten öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Durchführung erosionsmindernder Maßnahmen bzw. zur Einhaltung der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft nahm der Kläger nicht an. Vielmehr wurde vereinbart, ein Gutachten abzuwarten, das die Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) in Auftrag gegeben hatte und das nach Vorlage durch die Behörden geprüft werden sollte.
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6
Am 20. Juni 2017 wurde dem Beklagten das Gutachten der U... GmbH vorgelegt (Bl. 86 ff. BA Band 1), das eine Handlungsempfehlung zur Reduktion des Erosionsgefährdungspotentials für den Feldblock DETHLIAL50411Y13 enthielt. Die Reduzierung des Gefährdungspotentials könne dabei nach Berechnung des Gutachtens ca. 50 % betragen. In der weiteren Folge fand am 11. August 2018 erneut eine protokollierte Beratung zwischen dem Beklagten, dem Landwirtschaftsamt Z... und der TLL statt. Hierzu wurde vermerkt:
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„Z... Feldblock DETHLIAL50411Y13 – Die in der Handlungsempfehlung zur Reduktion des Erosionsgefährdungspotentials vom 31.05.2017 für den Feldblock DETHLIAL50411Y13 vorgeschlagenen Erosionsschutzmaßnahmen wurden von LRA, LWA und TLL als nicht ausreichend eingeschätzt. (…) Das vollständige Anbauverbot, welches vom LRA als Erosionsschutzmaßnahme im ersten Vertragsentwurf gefordert wurde, wird durch einen generellen Anbau von Hackfrüchten (Kartoffeln, Mais, Zuckerrüben etc.) in Mulchsaat (mindestens 30 % Bodenbedeckung) ersetzt. Diese Maßnahme wird entgegen der Auffassung des LRA seitens der TLL als Fachbehörde als zielführend erachtet, um dem Erosionsschutzziel gerecht zu werden. Das LRA hält diese Maßnahme für nicht ausreichend.“
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Im Ergebnis dieser Beratung führte die TLL nochmals eine Prüfung geeigneter Erosionsschutzmaßnahmen - unter Beachtung der vorläufigen Ergebnisse einer Masterarbeit, welche zu diesem Zeitpunkt mit dem Modellprogramm EROSION-3D verschiedene Maßnahmenszenarien für den Feldblock DETH-LIAL50411Y13 untersuchte und später bewertete (vgl. Bl. 100 - 162 GA u. Bl. 105/106 BA Band 2) durch. Diese Prüfung, unter Beachtung der Vorläufigkeit der Untersuchungsergebnisse, ergab nunmehr, dass die Erosionsfläche 1 für einen Kartoffelanbau aufgrund der extrem hohen Erosionsgefährdung nicht geeignet sei und auch die Anwendung verschiedener gängiger Erosionsschutzmaßnahmen (Kartoffeln legen in Mulchbeet, Schlagteilung etc.) zukünftige Erosionsereignisse infolge von Starkniederschlagsereignissen nicht ausreichend verhindern könne. In der Masterarbeit heißt es insbesondere zum Szenario „Kartoffelanbau in Mulchsaat“ wie folgt (S. 35 d. Masterarbeit):
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„Das Mulchen großflächig angebauter Kartoffelkulturen findet in der konventionellen Landwirtschaft bisher keine Anwendung. Die Schwierigkeit bei den Szenarien 3 und 4 ist, das Mulchlegen der Kartoffeln zu parametrisieren. Im Rahmen des „Bodenerosionsmessprogrammes Sachsen“ wurden dazu keine Daten erhoben, sodass sich die genaue Festlegung der Parameter schwierig gestaltet und es nicht möglich ist abzuschätzen ob die geänderten Einflussgrößen korrekt gewählt wurden. Die durch das Mulchen der Kartoffeln geringeren Bodenverluste zeigen sich im Ergebnisbild in Form von größeren Depositionsflächen und verringerten zellbezogenen Erosionsraten auf einem Großteil der Kartoffelackerfläche. Mit den gewählten Parametern zeigt das Mulchlegen der Kartoffeln, kombiniert mit der Grünstreifenverlängerung, aufgrund eines verringerten Sedimentaustrages um 69 % insgesamt eine gute Wirksamkeit. Jedoch ist die Frage nach der Umsetzbarkeit in der Praxis, aufgrund der höheren maschinellen und materiellen (Mulchmaterial) Aufwands und der fehlenden Erfahrungswerte in der Anwendung bei vergleichbaren Flächengrößen und Niederschlagsmengen zu hinterfragen und kann in dieser Arbeit nicht abschließend beantwortet werden.“
Randnummer
10
Zum Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen dem Kläger und dem Beklagten kam es in der Folge nicht mehr.
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11
Mit
Bescheid vom 27. Oktober 2017
, dem Kläger zugestellt am 1. November 2017, ordnete der Beklagte unter Androhung der Zwangsgeldfestsetzung gegenüber dem Kläger als Bewirtschafter der im Bescheid näher bezeichneten Erosionsflächen 1 und 2 - soweit für die vorliegende Klage bedeutsam - u.a. an:
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„1. Herr M... hat, als Bewirtschafter (Pflichtiger) der unter Nr. 1 - örtliche Lage - definierten und in der Anlage 1 dargestellten Erosionsflächen 1 und 2 (Feldblock DETHLIAL50411Y05 und Teile des Feldblockes DETHLI-AL50411Y13), folgende Maßnahmen zur Erosionsminderung im Rahmen der Gefahrenabwehr von schädlichen Bodenveränderungen auf Grund von Bodenerosion durch Wasser umzusetzen:
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1.1 Auf den Erosionsflächen 1 und 2 ist der Anbau von Kartoffeln verboten.
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1.2 Andere Reihenkulturen, außer Kartoffeln, (Zuckerrüben, Mais etc.) dürfen auf den Erosionsflächen 1 und 2 zukünftig nur in Mulchsaat in Kombination mit Zwischenfruchtanbau angebaut werden. (Mulchsaat beinhaltet die Anwendung von Mulchsaatverfahren. Während der Aussaat der Antragskultur muss eine erosionsmindernde Bedeckung des Bodens mit organischem Material von mindestens 30% vorhanden sein.) Die Zwischenfrüchte müssen geeignet sein und rechtzeitig gedrillt werden, um einen optimalen Erosionsschutz zu gewährleisten.
Randnummer
15
1.3 Bis zum 31.04.2018 sind die in der Anlage 2 gekennzeichneten Hauptabflussbahnen sowie ein am nördlichen Feldrand der Erosionsfläche 1 verlaufender Erosionsschutzstreifen durch geeigneten Bewuchs dauerhaft zu begrünen. Die Lage, die Art des Bewuchses und flächenmäßige Ausdehnung der Abflussbahnbegrünung sowie des Grünstreifens ist durch die untere Bodenschutzbehörde des Altenburger Landes (UBB) zusammen mit dem Landwirtschaftsamt Zeulenroda (LWA) nach fachlichen Aspekten festgelegt wurden. Die Daten zur Lage und Ausdehnung sind aus der Anlage 2 zu entnehmen. Für die Begrünung ist eine geeignete Feldgrasmischung zu verwenden.“
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16
Zur rechtlichen Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der vorliegende Bescheid der Gefahrenabwehr unter Beachtung des öffentlichen Interesses am Schutz des Bodens als auch der Vermeidung des Eintrittes von weiteren Schäden auf Grund von Erosionsereignissen (Schlammlawinen bzw. Bodenmassen) auf benachbarten Grundstücken in Z... diene. Die Nummer I Punkt 1. inklusive Unterpunkte des Bescheides stützten sich auf § 10 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 4 Abs. 1, 2 und 3 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG). Die derzeitige Einwirkung auf den Boden in Form der Bewirtschaftung führten zu schädlichen Bodenveränderungen auf den Erosionsflächen 1 und 2. Bei Beibehaltung der derzeitigen Bewirtschaftungsweise drohten auch zukünftig schädliche Bodenveränderungen auf der Erosionsfläche 1 und 2, welche es abzuwehren gelte. Bei den in diesem Bescheid unter 1.1 und 1.2 angeordneten Maßnahmen handle es sich um Nutzungsbeschränkungen. Bei der Maßnahme unter 1.3 handle es sich um eine Schutzmaßnahme. Dekontaminations- oder Sicherungsmaßnahmen seien im Rahmen dieser Anordnung nicht möglich. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) sei von einem Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung auf Grund von Bodenerosion durch Wasser insbesondere dann auszugehen, wenn durch Oberflächenabfluss erhebliche Mengen Bodenmaterial aus einer Erosionsfläche geschwemmt würden und weitere Bodenabträge zu erwarten seien. Gemäß § 8 Abs. 2 BBodSchV ergäben sich Anhaltspunkte für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung auf Grund von Bodenerosion durch Wasser insbesondere dann, wenn außerhalb der vermeintlichen Erosionsfläche gelegene Bereiche durch abgeschwemmtes Bodenmaterial befrachtet würden. Es sei fotodokumentarisch nachweislich zu erheblichen off-site Schäden bzw. Befrachtungen mit Bodenmaterial, welches von den Erosionsflächen 1 und 2 stamme und außerhalb dieser abgelagert wurde, gekommen. Es seien den Geschädigten (Gemeinde, Straßenbaulastträger, privaten Dritten etc.) enorme wirtschaftliche Schäden durch die Erosion entstanden. Sollten gemäß § 8 Abs. 3 BBodSchV Anhaltspunkte nach § 8 Absatz 2 BBodSchV bestehen, sei zu ermitteln, ob eine schädliche Bodenveränderung auf Grund von Bodenerosion durch Wasser vorliege. Sei feststellbar, auf welche Erosionsfläche die Bodenabschwemmung zurückgeführt werden könne und dass aus dieser erhebliche Mengen Bodenmaterials abgeschwemmt worden seien, so sei zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 erfüllt sind. Es seien die Erosionsflächen (betreffende Feldblöcke DETHLIAL50411Y05 und DETHLIAL50411Y13 bzw. Erosionsfläche 1 und 2 definiert durch diesen Bescheid) sowie die mit Bodenmaterial von diesen befrachten Flächen hinreichend und nachweislich bekannt. Die TLL sowie die Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie (TLUG) als Fachbehörden hätten den Bodenabtrag der Erosionsereignisse 2012 und 2016 als erheblich eingestuft. Dieser Auffassung folge auch die Untere Bodenschutzbehörde. Gemäß § 8 Abs. 4 BBodSchV erfolge die Bewertung der Ergebnisse der Untersuchungen einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Standortes. Weitere Bodenabträge seien zu erwarten, wenn 1. in den zurückliegenden Jahren bereits mehrfach erhebliche Mengen Bodenmaterials aus derselben Erosionsfläche geschwemmt wurden oder 2. sich aus den Standortdaten und den Daten über die langjährigen Niederschlagsverhältnisse des Gebietes ergebe, dass in einem Zeitraum von zehn Jahren mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit dem erneuten Eintritt von Bodenabträgen gemäß Absatz 1 Nr. 1 zu rechnen sei. Diese Bedingungen für § 8 Abs. 4 BBodSchV seien ebenso erfüllt, da es in den letzten zehn Jahren (2012, 2016 etc.) mehrfach zu erheblichen Bodenabträgen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 BBodSchV, welche von den betreffenden Feldlöcken ausging, gekommen sei. Die Erosionsereignisse seien aufgenommen und in der Thüringer Erosionsdatenbank der TLUG dokumentiert worden. Damit sei der Feldblock DETHLIAL50411Y13 im Rahmen der Erosionsschutzberatung durch die Firma U... GmbH auf Grundlage verschiedener Rechenmodellen unter Verwendung von Realdaten mit einem sehr hohen Erosionsgefährdungspotenzial eingestuft worden. Der mittlere (nicht absolute) ermittelte Bodenverlust liege bei ca. 15,50 t/ha/a, was nach der DIN 19708 als sehr hohe Erosionsgefährdung einzustufen sei. Diese Anordnung beziehe sich nur auf einen (vom Kläger bewirtschafteten) Teil des Feldblockes DETHLIAL50411Y13, welcher wahrscheinlich aufgrund seiner Reliefeigenschaften speziell in diesem Bereich noch ein höheres Erosionsgefährdungspotenzial aufweise. Landwirtschaftliche Erosionsschutzberatungen und Untersuchungen erfolgten jedoch typischerweise feldblock- oder schlagbezogen. Gemäß § 17 Abs. 3 BBodSchG würden bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung die Pflichten nach § 4 BBodSchG allerdings durch die Einhaltung der in § 3 Abs. 1 BBodSchG genannten Vorschriften erfüllt. Enthielten diese keine Anforderungen an die Gefahrenabwehr und ergäben sich solche auch nicht aus den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis nach § 17 Abs. 2 BBodSchG, so gälten die übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes. Die in § 3 Abs. 1 BBodSchG genannten Vorschriften enthielten keine Anforderungen an die Gefahrenabwehr zum Erosionsschutz. Anforderungen zur Gefahrenabwehr ergäben sich hier aber aus den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis gemäß § 17 Abs. 2 BBodSchG. Die TLL habe in den Beratungen vom 21. Oktober 2016 und vom 11. August 2017 angegeben, dass die gute fachliche Praxis aufgrund der Sachlage nicht eingehalten worden sei. Weiterhin sehe die TLL die bisher durchgeführten Maßnahmen als nicht hinreichend an, um den Anforderungen nach § 17 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBodSchG - nachdem Bodenabträge durch eine standortangepasste Nutzung, insbesondere durch Berücksichtigung der Hangneigung, der Wasser- und Windverhältnisse sowie der Bodenbedeckung, möglichst zu vermeiden sind - gerecht zu werden. Die Nutzung sei hier aufgrund des sehr hohen Erosionsrisikos der betreffenden Erosionsflächen 1 und 2 nicht standortangepasst. Die Bodendeckung durch den Anbau von Kartoffeln, welche als sehr erosionsgefährdet anzusehen seien, sei viel zu gering und erhöhe damit das Erosionsrisiko nochmal erheblich, statt eine Bewirtschaftung umzusetzen, welche das Erosionsrisiko senke. Das so schon hohe Erosionsrisiko werde dadurch vorsätzlich noch verstärkt. Die Anforderungen an die gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft würden nicht erfüllt und somit auch nicht die Pflichten zur Gefahrenabwehr aus § 4 Abs. 3 i. V. m. § 17 Abs. 3 und 2 BBodSchG. Nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis betrage der noch tolerierbare Abtrag in t/ha Bodenmaterial ein Achtel der Boden- oder Grünlandgrundzahl. Für die Erosionsflächen 1 und 2 betrage dieser demnach ca. 7,75 t/ha und Jahr. Nach Angaben der U... GmbH in ihrem Bericht zur Erosionsschutzberatung ergebe sich ein Wert bzw. ein mittlerer Abtrag von ca. 15,5 t/ha und Jahr. Der tolerierbare Abtrag werde deutlich überschritten. Der tolerierbare Abtrag werde jedoch aufgrund der Größe der Erosionsfläche 1 und der damit verbundenen Mengenaufsummierung seitens der Fachbehörden als viel zu hoch angesehen. Auf Grund des systematischen Zusammenhangs mit § 17 Abs. 1 und 2 BBodSchG könne in Fällen der landwirtschaftlichen Bodennutzung nur der Landwirt Verhaltensstörer Verpflichteter sein, da dieser als Einziger tatsächlichen Einfluss auf die Art der Bewirtschaftung habe. Der Grundstückseigentümer sei aus seiner Eigentümerstellung heraus nicht an die Grundsätze der guten fachlichen Praxis gebunden, sofern er nicht selbst Bewirtschafter sei. Dies sei hier nicht der Fall. Im Übrigen würde die Heranziehung der Grundstückeigentümer dem Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr widersprechen. Der Bescheid sei somit an den Kläger zu richten. Hinsichtlich der weiteren Begründung bzw. der Einzelheiten des Bescheids wird auf die dem Kläger übersandte, mit der Klageschrift vorgelegte Ausfertigung verwiesen.
Randnummer
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Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 28. November 2017 über seine vormalige Verfahrensbevollmächtigte Widerspruch ein, den diese in der Folge dahingehend begründete, dass nach Auswertung der zugrundeliegenden Masterarbeit (Bl. 100 - 162 GA) erhebliche Bedenken bestünden, dass die angeordneten Maßnahmen geeignet und notwendig seien, um zukünftige Bodenveränderungen zu verhindern bzw. zu minimieren. Die Verfahrensbevollmächtigte legte dazu eine vom Kläger in Auftrag gegebene gutachterliche Stellungnahme zur aktuellen Erosionsgefährdung einer Ackerfläche in Z... des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen der Landwirtschaftskammer Niedersachen Herrn Dipl.-Geogr. D... vom 11. September 2018 vor (Bl. 163 - 167 GA), in der sich der beauftragte Gutachter überprüfend mit der von den Behörden herangezogenen Masterarbeit auseinandersetzt. Herr Dipl.-Geogr. D... kam in der Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass die vorgelegte Masterarbeit eine Worst-Case-Darstellung der Erosionsgefährdung auf Basis des extremen Starkregenereignisses aus Juni 2016 ohne langjährige Gültigkeit enthalte, d.h. insbesondere eine wenig praxisorientierte Grundlage annehme. Der Gutachter kommt weiter zu dem Schluss, dass bei Umsetzung zusätzlicher erosionsminimierender Maßnahmen gemäß Kapitel 2b und 2c (konservierende Bewirtschaftung pfluglos quer zum Hang bzw. konturenangepasst bei Halmfrüchten, nur vor Kartoffeln mit Pflugeinsatz; schlagmittig querender Getreide- oder Feldgraskorridor und ggf. erweiterter Grünstreifen am Schlagende bzw. eine dadurch halbierte Kartoffel-Hanglänge von 350 m statt 700 m) seiner fachlichen Stellungnahme die unproblematische Erosionsgefährdungsstufe „Erosionsgefährdung unwahrscheinlich“ resultiere.
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Am 27. Juni 2018 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 27. Oktober 2017 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht (5 E 1196/18 Ge) und die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs beantragt. Mit Beschluss vom 20. Juli 2018 hat dem die Kammer insoweit stattgegeben, als sich der Eilantrag auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen eine im Bescheid ausgesprochene Zwangsgeldandrohung richtete. Im Übrigen hat die Kammer den Antrag nach einer Folgenabwägung abgelehnt. Der Beschluss ist rechtskräftig.
Randnummer
19
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Widerspruchsbehörde eine erneute Stellungnahme der TLL ein und bat um fachliche Auseinandersetzung der vom Kläger vorgetragenen Argumente. Mit Stellungnahme vom 26. November 2018 (Bl. 165 BA Band 2) führte die TLL aus, dass die Stellungnahme des Dipl.-Geogr. D... Fehler und nicht zutreffende Informationen enthalte, die zu einer Verfälschung der Standortsituation und Verharmlosung der Erosionsgefahr durch Wasser auf dem Feldblock DETHLIAL50411Y13 führe. Die TLL sei im Rahmen der von ihm geforderten fachlichen Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Widerspruchsführer durch seinen konventionellen Kartoffelanbau im Jahr 2012 die Regeln der guten fachlichen Praxis nicht eingehalten habe. Auch im Jahr 2016 habe der Widerspruchsführer konventionell Kartoffeln angebaut. Infolge eines Starkregenereignisses auf seinen Anbauflächen sei es erneut zu den bekannten Bodenabträgen mit erheblichen on- und off-site-Schäden gekommen. Die Bewertung des hohen Erosionsrisikos sei somit bestätigt worden.
Randnummer
20
Mit
Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2019
, der Verfahrensbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis zugestellt am 14. Oktober 2019, hob die Widerspruchsbehörde die Ziffern 1.4 und 1.5 sowie Ziffer 3. (Zwangsgeldandrohung) auf und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Im Hinblick auf die Begründung wird nach Darlegung des Sachverhaltes angegeben, dass der Bescheid des Landratsamtes Altenburger Land - soweit er nicht aufgehoben wurde - formell und materiell rechtmäßig sei und zutreffend auf die Rechtsgrundlage des § 10 Abs. 1 i. V. m. § 4 BBodSchG und § 8 BBodSchV abgestellt habe. Die getroffenen Anordnungen seien bestimmt genug und auch ausführbar. Es sei zwischenzeitlich an die Grundstückseigentümer eine Duldungsanordnung ergangen, die für sofort vollziehbar erklärt worden sei. Die getroffenen Anordnungen erwiesen sich als verhältnismäßig, insbesondere geeignet, erforderlich und angemessen. Die effektivste Schutzmaßnahme wäre die Umwandlung der Ackerfläche in Grünland. Diese Form der Nutzungsänderung wäre aber nicht angemessen. Die erwogene Alternative zum völligen Anbauverbot von Kartoffeln sei eine Mulchsaat von Kartoffeln. Dies habe nach dem Schadensereignis 2012 auch die TLL fachlich erwogen. Eine darüber geschlossene Vereinbarung mit dem Widerspruchsführer habe dieser aber nicht eingehalten. Zudem hätten die TLL und das Landwirtschaftsamt Zeulenroda eingeschätzt, dass es bezüglich der Anbauweise Mulchsaat und deren Auswirkungen auf den Erosionsschutz keine Erfahrungen gebe. Es verbliebe demnach ein schwer abschätzbares Risiko, infolge erneuter Starkregenereignisse weitere Bodenabträge durch Mulchsaat zu verhindern. Fehler in der Ermessensausübung seien nicht erkennbar. Auf die ausführliche Begründung des Widerspruchsbescheids wird für die Einzelheiten verwiesen (Bl. 22 ff. GA).
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Unter dem 10. September 2018 erließ der Beklagte einen neuen Bescheid über die Androhung eines Zwangsgeldes, nämlich jeweils in Höhe von 10.000,00 Euro bei nicht oder nicht fristgerechter Einhaltung der unter den Ziffern 1.1 und 1.2 des Bescheids vom 27. Oktober 2017 aufgegebenen Anordnungen, sowie in Höhe von 8.000,00 Euro bei nicht oder nicht fristgerechter Einhaltung der unter Ziffer 1.3 auferlegten Pflicht. Für die Einzelheiten wird auf die Blatt 22 ff. der Gerichtsakte verwiesen.
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Gegen den Bescheid vom 10. September 2018 hat der Kläger in der Folge Widerspruch erheben lassen, über den bislang noch nicht entschieden wurde. In der mündlichen Verhandlung konnte nicht geklärt werden, ob das Widerspruchsverfahren einvernehmlich vor dem Hintergrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens ausgesetzt wurde oder ob insoweit eine Untätigkeit der Widerspruchsbehörde vorliegt.
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Am 12. November 2019 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 27. Oktober 2017, ergänzt durch Bescheid vom 10. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Oktober 2019 Klage zum Verwaltungsgericht Gera. Er verfolgt sein Begehren einer Aufhebung eines Kartoffelanbauverbotes und auch der Aufhebung der weiteren Maßnahmen mit der bereits im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Begründung weiter. Er führt dazu aus, dass schon fraglich sei, ob der Beklagte vorliegend zur Gefahrenabwehr gehandelt habe, zumal eine unmittelbar drohende Gefahr nicht erkennbar sei. Jedenfalls sei das ergriffene Kartoffelanbauverbot weder ein geeignetes, noch angemessenes oder verhältnismäßiges Mittel.
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24
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 10. Februar 2023 legte der Kläger dar, dass er seit dem 1. Januar 2023 von den ursprünglichen landwirtschaftlichen Flächen bei der Ortslage Z..._ nur noch eine Teilfläche von 6,8529 ha bewirtschaftet. Die in den Bescheiden bezeichnete Erosionsfläche 2 gehört seitdem nicht mehr dazu.
Randnummer
25
Daraufhin haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt, als der Kläger frühere landwirtschaftliche Flächen, die Gegenstand der Bescheide waren, nicht mehr bewirtschaftet und zurückgegeben hat.
Randnummer
26
Der Kläger beantragt zuletzt:
Randnummer
27
1. Der Anordnungsbescheid vom 27. Oktober 2017 ergänzt durch den Bescheid vom 10. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2019 wird aufgehoben.
Randnummer
28
2. Dem Beklagten werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Randnummer
29
3. Die Zuziehung der Prozessbevollmächtigen des Klägers im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Randnummer
30
Der Beklagte beantragt,
Randnummer
31
die Klage abzuweisen.
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32
Er erachtet die getroffenen Regelungen als rechtmäßig. Diese seien insbesondere nicht zur bloßen Durchsetzung der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft - und damit im Rahmen von Vorsorgemaßnahmen nach dem BBodSchG - getroffen worden. Es seien bereits durch zwei Starkregenereignisse innerhalb von zehn Jahren auf den vom Kläger bewirtschafteten Flächen bei der Ortslage Z... erhebliche Bodenveränderungen in Form des Abtrags von Lößboden gekommen. Dieser Boden könne sich nicht neu bilden. Der Vortrag des Klägers, dass auch auf benachbarten Flächen eines anderen Bewirtschafters trotz Bodenabtrags es diesen gegenüber nicht zu vergleichbaren Anordnungen gekommen sei, sei inhaltlich unsubstantiiert und zur Klärung der hier streitgegenständlichen Frage der Rechtmäßigkeit des Kartoffelanbauverbots ungeeignet. Im Übrigen gebe es „keine Gleichheit im Unrecht“. Ein Zusammenhang des Erosionsereignisses mit den benachbarten Flächen lasse sich nicht herstellen. Diese unterschieden sich aufgrund ihrer Topographie und landwirtschaftlichen Nutzung von denen des Klägers. Kartoffelanbau finde dort gerade nicht statt. Die Ereignisse der Vergangenheit hätten deutlich gemacht, dass gerade der vom Kläger praktizierte Kartoffelanbau ursächlich für die erheblichen Erosionen von den beauflagten Flächen gewesen sei. Ein Kartoffelanbauverbot stelle sich somit als geeignete Maßnahme dar. Dieses sei auch notwendig. Weitere starke Erosionen seien insbesondere aufgrund der besonderen örtlich gegebenen Verhältnisse nicht hinnehmbar. Zwar gelange das Gutachten der U... GmbH im Rahmen einer theoretischen Betrachtung zu dem Ergebnis, dass durch pfluglose Bewirtschaftung, Schlagteilung und Verlängerung des Grünstreifens eine Reduzierung des Bodenabtragsrisikos um 50,7 % erreicht werden könne. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass bei einem anzunehmenden mittleren Bodenabtrag von 7,64 t/ha/a gerade so der im Normalfall der guten fachlichen Praxis der Landwirtschaft entsprechende tolerierbare Bodenabtrag erreicht werde. Im konkreten Fall lägen aber besondere Umstände vor, den tolerierbaren Abtrag niedriger anzusetzen. Es handle sich bei der Annahme eines tolerablen Bodenabtrags um mittlere Jahreswerte, welche bei der Modellbetrachtung hinsichtlich etwaiger Schutzmaßnahmen einbezogen worden seien. Extremereignisse, wie die hier aufgetretenen Starkregenereignisse, würden darin nicht abgebildet. Wie auch die Klageschrift zutreffend darstelle, stelle die U... GmbH in ihren Handlungsempfehlungen klar, dass die Wirksamkeit der Erosionsschutzmaßnahmenkombination bei sehr starken Niederschlagsereignissen mit Hilfe der genutzten Methodik nicht festgestellt werden könne. Gerade darauf komme es an. Die Untersagung des Anbaus von Kartoffeln diene vor allem der Sicherung des Bodens in Starkregenfällen. Nunmehr stehe bei den bereits eingetretenen Bodenveränderungen aber zu befürchten, dass schon weniger seltene Regenereignisse zu weiteren, nicht hinnehmbaren Abtrag führe. Hinsichtlich alternativer Möglichkeiten, wie pfluglose Bearbeitung durch Mulchlegen von Kartoffeln, gebe es zudem keine praktischen Erfahrungen. Die eingetretene Situation lasse keine experimentelle Handhabung zu. Die getroffenen Anordnungen erfüllten in ihrer Gesamtschau die Gewährleistung eines effektiven Bodenschutzes, wobei zu erwarten stehe, dass dies nachhaltig geschehe.
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33
Der Beigeladene, der in der mündlichen Verhandlung keinen eigenen Antrag gestellt hat, hat durch das zwischenzeitlich gebildete Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR), sich mit der fachlichen Stellungnahme des Dipl.-Geogr. D... auseinandergesetzt. Er kommt zu dem Schluss, dass dessen Ausführungen nicht geeignet seien, die Wirkung der vorgeschlagenen Maßnahmen für diesen Standort und Gefahrensituation zu bewerten (vgl. Bl. 196 ff. GA). Auf die bisher abgegebenen Stellungnahmen der TLL wurde im Übrigen verwiesen.
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Der Kammer liegen neben der Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens (2 Bände) die Gerichtsakte des Eilverfahrens 5 E 1196/18 Ge (1 Band) und die Behördenakten des Beklagten (insgesamt 3 Ordner) vor. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, der Beratung und der Entscheidungsfindung der Kammer. Auf sie wird für die weitere Darstellung verwiesen. | |
Der Schenkungsteuerbescheid vom 29. September 2008 betreffend die Zuwendung vom 29. Juli 1996 (Steuernummer …) wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 9. April 2010 dahingehend geändert, dass die Schenkungsteuer auf …€ (entspricht …,-- DM) herabgesetzt wird.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen. | Randnummer
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Übernahme der Schenkungsteuer durch den Schenker auch dann gemäß § 10 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der zum Besteuerungszeitpunkt anzuwendenden Fassung (ErbStG) den ursprünglichen Zuwendungsbetrag erhöht, wenn die Übernahme der Steuer erst nachträglich erfolgt.
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2
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin ihres am ... 2008 verstorbenen Ehemannes G (Schenker). Beide adoptierten mit Beschluss des Amtsgerichts … vom ... 2001 die zu diesem Zeitpunkt …(volljährige) S (Beschenkte). Bei der nunmehr verheirateten Beschenkten handelt es sich um die Tochter der Schwester der Klägerin, die seit ihrem … Lebensjahr (= frühem Kindesalter) im Haushalt der Eheleute lebte.
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3
Mit ihrer Schenkungsteuererklärung vom 5. Dezember 2006 erklärte die Beschenkte gegenüber dem Beklagten (das Finanzamt - FA -), sie habe in den Jahren 1996 bis 2001 von dem Schenker verschiedene Zuwendungen über insgesamt …€ (entspricht …,-- DM) erhalten. Diese habe sie bislang nicht gegenüber dem FA erklärt, da die Parteien der Ansicht gewesen seien, im Haushalt lebende Pflegekinder würden schenkungsteuerlich genauso behandelt werden wie Stiefkinder, leibliche Kinder oder Adoptivkinder. Die zu zahlende Schenkungsteuer werde vom Schenker übernommen
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Das FA vertrat daraufhin die Auffassung, zur Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs sei der Zuwendungsbetrag um die übernommene Schenkungsteuer gemäß § 10 Abs. 2 ErbStG zu erhöhen. Am 29. September 2008 ergingen gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Schenkers insgesamt zehn Steuerbescheide. Durch den streitgegenständlichen Steuerbescheid (Steuernummer …) wurde für die erste Zuwendung vom 29. Juli 1996 Schenkungsteuer in Höhe von …,-- DM (entspricht …€) festgesetzt, wobei der Erwerb der Barzuwendung in Höhe von …,-- DM (entspricht …€) um den hierauf entfallenden Steuerbetrag in Höhe von …,-- DM (entspricht …€) erhöht wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten der streitgegenständlichen Festsetzung wird auf den Schenkungsteuerbescheid vom 29. September 2008 (Bl. 97 f. der Schenkungsteuerakte G) Bezug genommen.
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5
Gegen die Bescheide vom 29. September 2008 legte die Klägerin am 8. Oktober 2008 Einsprüche ein, die sie wie folgt begründete: Die Übernahme der Schenkungssteuer durch den Schenker sei in Form einer gesonderten (zweiten) Zuwendungsentscheidung im Zusammenhang mit der Abgabe der Steuererklärung im Dezember 2006 erfolgt. Da die Bereicherung der Beschenkten somit erst im Jahr 2006 - und damit nach der Adoption - eingetreten sei, erhöhe sie nicht nach § 10 Abs. 2 ErbStG die Bemessungsgrundlage der jeweiligen Zuwendung, sondern sei als gesonderte Zuwendung in 2006 zu erfassen. Für die Besteuerung dieser Zuwendung seien die persönlichen Verhältnisse im Jahr 2006 zugrunde zu legen, d.h. eine Besteuerung unter Berücksichtigung der Steuerklasse I. Zudem habe die Bereitschaft zur Übernahme der Steuer nicht von Beginn an bestanden. Vielmehr habe der Schenker diesen Beschluss erst anlässlich einer steuerlichen Beratung, die ihn über die Steuerpflicht der Schenkung belehrt habe, gefasst. Grundlage dieser Entscheidung sei die zwischenzeitliche Adoption der Beschenkten gewesen; jedenfalls bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass er die Steuer auch übernommen hätte, wenn die Beschenkte nicht seine Tochter gewesen wäre. Darüber hinaus verstoße die Besteuerung gegen Art. 6 des Grundgesetzes (GG).
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6
Mit seiner Entscheidung vom 9. April 2010 (zur Post am 12. April 2010) wies das FA den Einspruch gegen den die streitgegenständliche Zuwendung vom 29. Juli 1996 betreffenden Schenkungsteuerbescheid (Steuernummer …) als unbegründet zurück. Es vertrat die Auffassung, die Übernahme der vom Beschenkten geschuldeten Steuer durch den Schenker stelle eine zusätzliche Bereicherung und damit regelmäßig auch einer weitere freigebige Zuwendung dar. Der Zeitpunkt dieser Zuwendung bestimme sich abweichend von § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nach § 10 Abs. 2 ErbStG, da die Steuerübernahme den Charakter einer Nebenleistung erhalte. Diese Nebenleistung sei mit der Hauptleistung derart verbunden, dass nur eine einheitliche Besteuerung möglich sei.
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Dass die Erklärung zur Übernahme der Steuer - abweichend vom Regelfall - mit erheblichem zeitlichem Abstand erfolgt sei, führe zu keiner abweichenden Beurteilung. Zudem sei nicht glaubhaft, dass die Bereitschaft zur Übernahme der Steuer durch den formellen Akt der Adoption entstanden sei, da ein enges Eltern-Kind-Verhältnis bereits lange Zeit vorher bestanden habe. Dies habe - so das Vorbringen der Klägerseite - gerade zu dem Rechtsirrtum über die Steuerpflicht der Zuwendungen geführt. Da wegen der Regelung des § 10 Abs. 2 ErbStG lediglich der Zuwendungszeitpunkt verschoben werde, greife im Streitfall der Verweis auf Art. 6 GG nicht.
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Die übrigen Einsprüche ruhen gemäß § 363 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) bis zum Abschluss dieses Rechtsstreits.
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Mit ihrer Klage vom 5. Mai 2010 wegen Schenkungsteuer betreffend der Zuwendung vom 29. Juli 1996 (Steuernummer …) verfolgt die Klägerin ihr Rechtschutzbegehren weiter. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Einspruchsverfahren.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Schenkungsteuerbescheid vom 29. September 2008 betreffend der Zuwendung vom 29. Juli 1996 (Steuernummer …) unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 9. April 2010 dahingehend zu ändern, dass die übernommene Schenkungsteuer nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen wird.
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Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Es vertritt die Auffassung, die gesetzliche Reglung des § 10 Abs. 2 ErbStG fingiere einen gemeinsamen Erwerb, um Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Zuwendung bei einer Steuerübernahme zu vermeiden. Eine zeitliche Trennung dieser unmittelbar zusammenhängenden Tatbestände sei daher nicht möglich. Im Übrigen spreche gegen die Adoption als Beweggrund zur Steuerübernahme, dass der Schenker bereits in dem gemeinsamen Testament der Eheleute aus dem Jahr 1993 die Beschenkte als „unsere Tochter“ bezeichnet und als alleinige Nacherbin eingesetzt habe.
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Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 22. August 2013 (FA) und vom 2. September 2013 (Klägerin) auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Die einschlägigen Verwaltungsakten (zwei Bände Schenkungsteuerakten) waren beigezogen und Gegenstand der Beratung und Entscheidung. | |
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 24. August 2010 – 11/18 Ca 4839/08 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen. | Randnummer
1
Die Parteien streiten über die Begleichung diverser Entgeltforderungen, eine Sozialplanabfindung sowie Gehaltsabrechnungen.
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2
Die Klägerin war bei der Beklagten bis zum 31. Dezember 2008 mit einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 3.941,29 € beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der am 27. Juni 2008 zugegangenen ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung. Die Beklagte ist ein brasilianisches Flugunternehmen mit Sitz in A, welches sich mit dem Transport von Frachtgütern befasst. In der B unterhielt sie nur eine Niederlassung in C. Die Betriebsstätte wurde spätestens Ende Juni 2008 geschlossen und die Niederlassung im Handelsregister gelöscht.
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3
Am 03. März 2009 beantragte die Beklagte beim Zentralen Gericht für Zivilsachen in A die Genehmigung eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens. Mit der am 13. März 2009 verkündeten Entscheidung wurde von der 1. Abteilung für gerichtliche Insolvenz- und Sanierungsverfahren des zentralen Gerichts der Durchführung des Sanierungsverfahrens stattgegeben und Herr Rechtsanwalt D als gerichtlicher Verwalter bestellt. Er teilte der Klägerin mit Schreiben vom 03. April 2009 unter anderem Folgendes mit:
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4
„… Ich, D, Insolvenzverwalter, teile Ihnen angesichts der Bestimmungen von Art. 22 Absatz I Buchstabe a des Gesetzes Nr. 11.101/05 mit, dass der Antrag auf gerichtliche Sanierung der E am 03.03.2009 bei der 1. Vara de Falências e Recuperações Judiciais ¹ des Zentralgerichts in A im Bundesstaat A eingereicht wurde, Prozess Nr. 583.00.2009.121755-9 (laufende Nr.: 64/2009). Das Verfahren wurde am 13.03.2009 eröffnet. Sie sind mit dem Gegenwartswert von R$ 53.401,14 ordnungsgemäß als Credor(a) Trabalhista ² in das Gläubigerverzeichnis aufgenommen worden. Sollte der Betrag nicht dem tatsächlich geschuldeten entsprechen, kann innerhalb einer Frist von vierzehn Tagen ab Veröffentlichung der öffentlichen Bekanntmachung eine Beanstandung zu Protokoll der Geschäftsstelle der 1. Vara de Falências e Recuperações Judiciais¹ des Zentralgerichts in A - eingereicht werden (Art. 7 § 1 Gesetz Nr. 11.101/05), wobei die Verfahrensformalitäten nach Art. 13 Gesetz Nr. 11.101/05 einzuhalten sind.
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5
Ferner teile ich Ihnen mit, dass Ihnen meine Kanzlei in der F von Montag bis Freitag, von 10 bis 17 Uhr für Informationen zur genannten gerichtlichen Sanierung zur Verfügung steht …“
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6
Mit Schreiben vom 25. Mai 2009 antwortete die Klägerin in portugiesischer Sprache und machte sowohl den Grund als auch der Höhe nach weitergehende Forderungen geltend. Wegen der Einzelheiten wird auf die Übersetzung des Schreibens - Bl. 348 d. A. - verwiesen. Am 15. September 2009 erfolgte durch das Zentrale Gericht für Zivilsachen folgende öffentliche Bekanntmachung:
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„… Der von der ersten Abteilung des Gerichts für Insolvenzen und gerichtliche Sanierungen der Zentralen Gerichtsbarkeit des Gerichtsbezirks der Hauptstadt des Bundesstaates A bestellte gerichtliche Verwalter gibt allen, die diese öffentliche Bekanntmachung sehen oder davon Kenntnis haben, bekannt, dass gemäß Artikel 7 des Gesetzes 11.101/2005 die von den Gläubigern rechtzeitig vorgelegten Abweichungen und Forderungen auf der Grundlage der Buchhaltungsbücher sowie kaufmännischer und steuerlicher Unterlagen der Schuldnerinnen und auf der Grundlage der von ihm von den Gläubigern vorgelegten Unterlagen, überprüft wurden. Hierbei gilt als sicher, dass die eventuell von dem zu sanierenden Unternehmen in dessen am 15. Mai 2009 in dem elektronischen Veröffentlichungsblatt zur Verfügung gestellten Gläubigerliste angemeldeten weiteren Forderungen unverändert bleiben. Gläubigerliste: Forderungen aus arbeitsrechtlicher Gesetzgebung: … G 17.796,64 €… Steuer- und Sozialabgabenforderungen …
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Gemäß Art. 8 des Gesetzes Nr. 11.101/2005 kann jeder Gläubiger, Schuldner oder deren Gesellschafter und die Staatsanwaltschaft innerhalb von zehn (10) Tagen ab öffentlicher Bekanntmachung bei der Richterin 1. Abteilung für gerichtliche Insolvenz- und Sanierungsverfahren des Zentralen Gerichts des Gerichtsbezirks des Bundesstaates A gegen die dort bekannt gemachte Gläubigerliste mit dem Hinweis auf das Fehlen einer Forderung oder mit der Erklärung, dass die Legitimität, der Wert oder die Klassifizierung der genannten Forderung nicht gegeben sei, Widerspruch einlegen. Gemäß Art. 7, § 2 des Gesetzes Nr. 11.101/2005 kann jeder Gläubiger, Schuldner oder deren Gesellschafter und die Staatsanwaltschaft zu Geschäftszeiten auf die Dokumente zugreifen, aus denen die Abweichungen und Forderungen hervorgehen. Zu diesem Zweck und zur Kenntnis interessierter Dritter veranlasse ich die Veröffentlichung und den Aushang dieser öffentlichen Bekanntmachung gemäß Gesetz. Das Gericht hat seinen Sitz an der H, ohne Nr., Zentrum, A, SP…“.
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Wegen des weiteren Inhalts der öffentlichen Bekanntmachung wird auf die Übersetzung Bl. 369 bis Bl. 375 d. A. Bezug genommen. Die Gläubigerliste enthält als anerkannte Forderung der deutschen Sozialversicherung für alle Arbeitsverhältnisse einen Gesamtbetrag in Höhe von 30.449,26 €.
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10
Nach Vorlage des Sanierungsplans und der Veröffentlichung im Amtsblatt wurde die Gläubigerversammlung einberufen. In der letzten Sitzung der Versammlung stimmten die Gläubiger der Klasse 1 dem Plan einstimmig zu. Der Sanierungsplan wurde sodann gerichtlich genehmigt. Am 06. Oktober 2010 wurde die Beklagte vom Zentralen Gericht für Zivilsachen angewiesen, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Überweisung der im Sanierungsplan aufgeführten Gelder an die Gläubiger, die Inhaber von arbeitsrechtlichen Forderungen sind, durchzuführen. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Klägerin € 17.796,64 erhalten.
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Mit der beim Arbeitsgericht am 01. Juli 2008 eingegangenen Klageschrift hat die Klägerin - soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse - Klage auf Zahlung von Entgelt sowie einer Sozialplanabfindung erhoben. Wann die Zustellung der Klage erfolgt ist, ist zwischen den Parteien streitig. Der als Zustellungsnachweis beigefügte Rückschein über die „zugestellte Ladung Nr. 000391/2009 - CESP“ gibt als Datum den 22. April 2009 an. Die Klageerweiterung wurde am 26. Oktober 2009 durch Aufgabe zur Post zugestellt. Durch Beschluss vom 04. März 2010 erklärte sich das Arbeitsgericht für örtlich zuständig. Die Rüge der internationalen Zuständigkeit wurde als rechtsmißbräuchlich zurückgewiesen. Ebenfalls am 04. März 2010 erging ein klagezusprechendes Versäumnisurteil. Gegen das am 22. März 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. März 2010 Einspruch eingelegt. Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird im Übrigen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils - Bl. 214 bis Bl. 220 d. A. - ergänzend Bezug genommen.
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Mit dem am 24. August 2010 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht das Versäumnisurteil vom 03. März 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Klägerin könne ihre streitgegenständlichen Forderungen nicht parallel im brasilianischen Sanierungsverfahren und im deutschen Arbeitsgerichtsverfahren geltend machen. Sie sei darauf zu verweisen, dass sie im Rahmen des brasilianischen Sanierungsverfahrens ihre Ansprüche geltend mache und versuche, sie mit den dort vorgesehenen Mitteln durchzusetzen. Die zeitgleiche Verfolgung der Forderungen im deutschen Arbeitsgerichtsverfahren würde die Gläubiger, die im Rahmen des brasilianischen Sanierungsverfahrens ihre Ansprüche geltend machten, benachteiligen. Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe - Bl. 220 - Bl. 224 d. A. - Bezug genommen. Gegen das am 06. September 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06. Oktober 2010 Berufung eingelegt und sie am Montag, dem 08. November 2010 begründet.
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13
Die Klägerin verfolgt unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihre Klageforderungen weiter. Sie meint, dass das brasilianische Sanierungsverfahren nicht nach § 343 Abs. 1 InsO anzuerkennen sei. Von der Norm werde nur die Insolvenz eines Unternehmens erfasst. Der Sanierungsplan sei nicht rechtsverbindlich, da gegen ihn am 26. Oktober 2010 Beschwerde eingelegt worden sei. Ferner folge aus Artikel 6 Abs. 4 der brasilianischen Insolvenzordnung, dass der aufgestellte Sanierungsplan keinesfalls die Durchführung von Erkenntnisverfahren gegenüber dem Schuldner einschränke. Der Fortgang von arbeitsgerichtlichen Verfahren diene der Prozessökonomie und beeinträchtige nicht das gerichtliche Sanierungsverfahren. Ferner sei in § 61 der brasilianischen Insolvenzordnung die Umwandlung der gerichtlichen Sanierung in das Insolvenzverfahren vorgesehen, sofern der Schuldner seine Verpflichtungen aus dem Sanierungsplan innerhalb des genannten Zeitraumes nicht erfülle. Da der Zeitraum noch nicht abgelaufen sei, könnten die streitgegenständlichen Forderungen der Klägerin in einem Insolvenzverfahren noch ohne weiteres Berücksichtigung finden.
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14
Die Klägerin beantragt zuletzt,
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1. die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes Frankfurt a. M. vom 24.08.2010, Az.: 11/18 Ca 4839/08 zu verurteilen, an die Klägerin 28.665,07 € brutto zuzüglich 586,95 € netto abzüglich 18.896,44 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszinssatz aus 4.000,64 € vom 01.07.2008 bis zum 31.07.2008, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszinssatz aus 7.488,03 € vom 01.08.2008 bis zum 31.08.2008, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszinssatz aus 10.975,42 vom 01.09.2008 bis zum 30.09.2008, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszinssatz aus 16.076,24 € vom 01.10.2008 bis zum 31.10.2008, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszinssatz aus 19.563,63 € vom 01.11.2008 bis zum 30.11.2008, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszinssatz aus 24.664,27 € vom 01.12.2008 bis zum 31.12.2008, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszinssatz aus 28.151,66 € vom 01.01.2009 bis zum 11.03.2011, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz aus 10.355,02 € seit dem 12.03.2011 zu zahlen.
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2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Entgeltabrechnungen für die Monate Oktober, November und Dezember 2008 ordnungsgemäß zu erstellen und an diese herauszugeben.
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3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Sozialplanabfindung in Höhe von 64.745,11 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen.
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4. hilfsweise für den Fall des Unterliegens zu Ziffer 3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Abfindung gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG zu zahlen.
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5. hilfsweise für den Fall des Unterliegens zu Ziffer 1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin 28.665,07 € brutto zuzüglich 586,95 € netto abzüglich 18.896,44 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszinssatz aus 4.000,64 € vom 01.07.2008 bis zum 31.07.2008, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz aus 7.488,03 € vom 01.08.2008 bis zum 31.08.2008, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszinssatz aus 10.975,42 vom 01.09.2008 bis zum 30.09.2008, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszinssatz aus 16.076,24 € vom 01.10.2008 bis zum 31.10.2008, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszinssatz aus 19.563,63 € vom 01.11.2008 bis zum 30.11.2008, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszinssatz aus 24.664,27 € vom 01.12.2008 bis zum 31.12.2008, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszinssatz aus 28.151,66 € vom 01.01.2009 bis zum 11.03.2011, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszinssatz aus 10.355,02 € seit dem 12.03.2011 zu zahlen.
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6. hilfsweise für den Fall des Unterliegens zu Ziffer 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Entgeltabrechnungen für die Monate Oktober, November und Dezember 2008 ordnungsgemäß zu erstellen und an diese herauszugeben.
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7. hilfsweise für den Fall des Unterliegens zu Ziffer 3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin eine Sozialplanabfindung in Höhe von 64.745,11 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen.
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8. hilfsweise für den Fall des Unterliegens zu Ziffer 4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin eine Abfindung gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG zu zahlen.
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Die Beklagte widerspricht der Antragserweiterung und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie meint, dass das brasilianische Sanierungsverfahren gemäß § 343 InsO anzuerkennen sei. Ebenso wie das brasilianische kenne auch das deutsche Insolvenzverfahren die Sanierung und ziele auf den Erhalt des Unternehmens ab. Ferner erfülle das brasilianische Sanierungsverfahren die Hauptmerkmale eines deutschen Insolvenzverfahrens: Das Verfahren werde seitens eines sachlich und örtlich zuständigen Insolvenzgerichts am Sitz des Schuldners eröffnet und es werde eine gerichtlicher Verwalter eingesetzt; auch werde die Eigenverwaltung des Schuldners vom Gericht und gerichtlichen Verwalter überwacht. Außerdem könne die gerichtliche Sanierung nach Maßgabe des Artikel 73 in eine Insolvenz umgewandelt werden. Entgegen der Annahme der Klägerin sei der Sanierungsplan rechtsverbindlich. Über die am 26. Oktober 2009 eingelegten Beschwerden sei bereits am 01. Juni 2010 entschieden worden. Damit sei eine Novation eingetreten. Außer den im Sanierungsplan aufgeführten Forderungen stünden der Klägerin keine weiteren Ansprüche zu. Insbesondere habe sie gegen die veröffentlichte Gläubigerliste keinen Widerspruch eingelegt.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschriften über die mündliche Verhandlung am 17. März 2011 und 04. August 2011 Bezug genommen. | |
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
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Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50 statt 30 sowie die Vergabe des Merkzeichens "H" (Hilflosigkeit).
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Der am ... 2002 geborene Kläger beantragte bei dem Beklagten am 3. August 2009 die Feststellungen von Behinderungen und das Ausstellen eines Ausweises sowie die Vergabe des Merkzeichens "H". Zur Begründung gab er an, unter einer schweren Thrombozytopenie zu leiden, die im Mai 2006 festgestellt worden sei. Seinem Antrag fügte er Befundunterlagen der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie der Universitätsklinik M. vom 18. Mai 2006, 30. August 2006, 14. August 2007 und 12. Oktober 2007 bei. Diesen Unterlagen ist zu entnehmen, dass bei dem Kläger aufgrund petechialer Hautblutungen (punktförmige bzw. stecknadelkopfgroße Einblutungen ins Gewebe) im Mai 2006 ein Blutbild durchgeführt worden sei, das eine stark verminderte Thrombozytenzahl erbracht habe. Anamnestisch sei die erhöhte Blutungsneigung schon seit einem längeren Zeitraum beobachtet worden, ohne dass größere Blutungsereignisse aufgetreten seien. Das Kind sei klinisch unauffällig und erscheine unbeeinträchtigt. Es bestehe weiterhin die Hoffnung auf eine spontane Remission (30. August 2006). Nach einer stationären Betreuung vom 4. bis 5. Oktober 2007 habe die Thrombozytenzahl bei 45,0 Gpt/l (Gigapartikel pro Liter) gelegen. Nach Aufforderung durch den Beklagten übersandte die Universitätskinderklinik des Universitätsklinikums M. weitere Befundunterlagen vom 4. August 2008 und 28. Juli 2009 mit der Diagnose einer schweren chronischen Thrombozytopenie mit einer Verminderung der Blutplättchen auf einen Wert unter 20 Gpt/l. Behandlungsversuche mit Immunglobulinen und Kortikoiden hätten nur kurzfristige Besserung erbracht; auch der Versuch einer Immunmodulation mit Dexamethason sei nicht erfolgreich gewesen. Die Zahl der Blutplättchen liegen normalerweise bei über 150 Gpt/l. Sinke dieser Wert deutlich ab, bestehe im Ausmaß der Verminderung eine erhöhte Blutungsneigung. Da das Gerinnungssystem nicht mehr in der Lage sei, bei niedrigen Blutplättchenwerten und Verletzungen einen Wundverschluss zu realisieren, könne es zu schweren Blutungen kommen. Auslöser für Blutungsereignisse seien zum Beispiel traumatische Ereignisse oder Operationen. Im Falle des Eintretens solcher Ereignisse sei die Gabe von Thrombozytenkonzentraten die einzige Behandlungsmöglichkeit. Während der Betreuung des Klägers im Kindergarten sei es zu keinem schweren Blutungsereignis gekommen. Dies sei sicherlich auch auf die gute Zusammenarbeit zwischen der Familie und den Betreuerinnen zurückzuführen. Der Kläger könne eine normale Schule besuchen, wo allerdings seine besondere gesundheitliche Verfassung berücksichtigt werden müsse. Der Ärztliche Dienst des Beklagten kam in Auswertung dieser Unterlagen zu dem Ergebnis einer Funktionseinschränkung in Form einer Blutgerinnungsstörung bei Thrombozytenmangel, wofür ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt werden könne. Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Oktober 2009 einen Grad der Behinderung von 30 fest, lehnte die Vergabe des Merkzeichens "H" jedoch ab, da die Voraussetzungen dafür nicht gegeben seien. Zur Begründung seiner Feststellung gab der Beklagte an, nach der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) sei bei einer Blutgerinnungsstörung bei Thrombozytenmangel ein Behinderungsgrad von 30 festzustellen.
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Gegen den Feststellungsbescheid vom 5. Oktober 2009 legte der nunmehr anwaltlich vertretene Kläger am 15. Oktober 2009 Widerspruch ein und gab an, angesichts der Schwere der Erkrankung müsse ein höherer Grad der Behinderung festgestellt werden. Die erhöhte Blutungsneigung äußere sich in Form von petechialen Blutungen und multiplen Hämatomen am ganzen Körper. Es komme zu Spontanblutungen, Nasenbluten und Schleimhautblutungen. Verletzungen jeder Art und Stürze seien zu vermeiden. Schon bei kleinen Stößen bildeten sich große Blutergüsse und je nach Intensität des Verstoßes auch eine Wulst an der Stoßstelle. Derartige Ereignisse könnten nur durch vorbeugende Maßnahmen reduziert werden. Dies bedeute eine erhöhte Aufmerksamkeit bei der Betreuung des Klägers, der in seinem Bewegungsdrang erheblich beeinträchtigt sei. Nach der VersMedV komme die Subsumtion der Erkrankung des Klägers unter "Sonstige Blutungsleiden" nach Nr. 16.10 der Anlage in Betracht. Dann handele es sich in jedem Fall um die Ausprägung "mit starken Auswirkungen (starke Blutungen bereits bei leichten Traumen)" und des Weiteren um die Fallvariante "mit ständiger klinisch manifester Blutungsneigung (Spontanblutungen, Gefahr lebensbedrohlicher Blutungen)". Aus diesen Gründen sei ein Grad der Behinderung von mindestens 80 festzustellen. Zusätzlich lägen die Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" vor, da der Kläger der ständigen Betreuung und Überwachung bedürfe, damit jederzeit schnellstmöglich im Falle einer lebensgefährlichen Situation reagiert werden könne. Der Beklagte holte von Oberarzt Dr. A., Universitätskinderklinik des Universitätsklinikums M., einen Befundbericht vom 2. November 2009 ein, in dem dieser mitteilte, die Behandlung des Klägers habe nicht zu einem dauerhaft positiven Ergebnis geführt. Nach einer vorübergehenden Besserung Anfang 2009 seien die Thrombozytopeniewerte wieder gefallen und hätten am 27. Juli 2009 sowie am 12. Oktober 2009 bei 14 bzw. 24 Gpt/l gelegen. Da die Blutplättchen in der Blutgerinnung eine zentrale Rolle spielten, sei bei dieser erheblichen Verminderung ihrer Anzahl von einer deutlich erhöhten Blutungsneigung auszugehen. Insbesondere bei Verletzungen, aber auch bei traumatischen Ereignissen, die im täglichen Leben auftreten könnten, könne es zu lebensbedrohlichen Blutungen kommen. In einem solchen Fall können nur mithilfe der Gabe von Thrombozytopeniekonzentraten geholfen werden. Diese seien aber nur in großen medizinischen Einrichtungen vorrätig. Aufgrund der Gefährdungskriterien sei der Kläger mit dieser Ausprägung seiner Gerinnungsstörung einem schweren Hämophilien vergleichbar. In Auswertung dieser Unterlagen hielt Dr. B. vom Ärztlichen Dienst des Beklagten mit seiner Stellungnahme vom 15. Januar 2010 wegen der bei dem Kläger bestehenden Gefährdungskriterien bei dauerhaft erniedrigter Blutplättchenzahl eine Bewertung des Grades der Behinderung mit 50 für zulässig, auch wenn nach Aktenlage häufige, mehrfach jährlich auftretende ausgeprägte Blutungen nicht belegt seien. Es sollte eine nochmalige Sachaufklärung zur Frage der Häufigkeit der Blutungen im Jahr, zu Anzahl und Ausmaß von Gelenkblutungen und zur Häufigkeit stationärer Behandlungen mit Intensivierung der Therapie erfolgen. Dem entsprechend holte der Beklagte von Dr. A. einen weiteren Befundbericht vom 3. Februar 2010 ein, der mitteilte, bei dem Kläger würden je nach Belastung größere Hämatome an den Weichteilen auftreten, insbesondere an den Beinen. Weiterhin fänden sich petechiale Blutungen an den Schleimhäuten. Im Jahre 2008 seien zweimal Kortikoide eingesetzt worden, Anfang desselben Jahres sei auch eine große Weichteilblutung im Stirnbereich des Kopfes aufgetreten. 2009 habe keine medikamentöse Behandlung stattgefunden. Zu Gelenkblutungen sei es bisher nicht gekommen, 2008 und 2009 hätten keine stationären Behandlungen stattgefunden. Der mit der nochmaligen Auswertung der Unterlagen beauftragte Ärztliche Dienst des Beklagten gab mit Stellungnahme vom 19. März 2010 (ärztliche Gutachterin Dipl.-Med. R.) an, eine Abhilfeentscheidung könne nicht vorgeschlagen werden, da in den letzten beiden Jahren keine erheblichen Blutungen beschrieben worden seien. Dr. W., ebenfalls ärztliche Gutachterin beim Ärztlichen Dienst des Beklagten, gab mit prüfärztlicher Stellungnahme vom 26. April 2010 an, ein noch höherer Grad der Behinderung als 30 sei nicht vertretbar, da keine mäßigen oder gar starken Auswirkungen eines Blutungsleidens bestünden. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze stellten bei der Bewertung von Blutungsleiden ausdrücklich auf die daraus resultierenden Auswirkungen ab. Aus allen vorliegenden Befundberichten gehe hervor, dass eine geringe Blutungsneigung und demgemäß keine klinischen Beeinträchtigungen (Auswirkungen) bestünden. Lediglich einmal sei ein etwas länger anhaltendes Nasenbluten belegt. In allen anderen Befundberichten würden nur einzelne Blutergüsse der Haut und punktförmige Hauteinblutungen beschrieben, die keine funktionellen Einschränkungen verursachen könnten. Bedrohliche Blutungen seien durchweg verneint worden und es habe dementsprechend bislang auch keine Notwendigkeit zur Transfusion von Blut oder Thrombozytopeniekonzentraten bestanden. Bei der Immunthrombozytopenie bestehe, da es sich bei dem Kläger um ein Kind handele, durchaus die Möglichkeit einer spontanen Ausheilung. Es sollte daher im 10. Lebensjahr eine Nachuntersuchung erfolgen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2010 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. In der Begründung folgte er der Argumentation der ärztlichen Gutachterin Dr. W. vom 26. April 2010.
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Mit seiner am 12. Juni 2010 vor dem Sozialgericht (SG) Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50 nebst Vergabe des Merkzeichens "H" für die Zeit vom 3. August 2009 bis 28. August 2012 zu haben. Zur Begründung hat er zunächst sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Ferner hat er vorgetragen, gefährliche Blutungsereignisse könnten nur durch vorbeugende Maßnahmen reduziert werden. Die Aufmerksamkeit liege auf seiner Betreuung, weil jedes Stolpern, jedes Stoßen erhebliche Folgen haben könne. Er sei in seinem Bewegungsdrang erheblich beeinträchtigt. Im Alter von acht Jahren sei er schon dahingehend sensibilisiert, unkontrollierte Bewegungen zu vermeiden. Es sei offensichtlich, dass dies nicht vollständig gelingen und jegliche Verletzung vermieden werden könne. Aufgrund der ständigen Gefahrenlage stehe er unter permanenter muskulärer Anspannung. Er trage beispielsweise keinen Schulranzen, sondern benutze einen Trolley. Der Druck der Riemen würde nämlich zu Hämatomen an der Druckstelle führen. Das gleiche gelte für zu fest geschnürte Schuhe. Auch einfache Mückenstiche würden Hämatome nach sich ziehen. Die Wahl der Urlaubsziele der Familie richte sich danach, ob eine Hämatologische Klinik in der Nähe verfügbar sei. Auslandsaufenthalte kämen grundsätzlich nicht in Betracht. Es sei auch die Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Seine Konzentrationsfähigkeit lasse schnell nach, denn der Körper müsse auf den Ausgleich des Mangels ständig Energie verwenden. Dies führe zu unterschiedlichen schulischen Leistungen in Abhängigkeit von der absolvierten Stundenzahl. Während der Unterrichtsstunden, die später am Tag stattfinden, zeige er schlechtere Leistungen. Bei der Bewertung der Erkrankung müsse bei Heranziehung der VersMedV von einem "sonstigen Blutungsleiden" nach Nummer 16.10 der Anlage ausgegangen werden. Dabei falle die dargestellte Blutungsneigung in jedem Fall unter das Stichwort "mit starken Auswirkungen (starke Blutungen bereits bei leichten Traumen)" und auch unter die Bezeichnung "mit ständiger klinisch manifester Blutungsneigung (Spontanblutungen, Gefahr lebensbedrohlicher Blutungen)". Folgerichtig habe Dr. A. im Befundbericht vom 2. November 2009 seine Gerinnungsstörung mit einer schweren Hämophilie verglichen. Damit sei ein Grad der Behinderung von 50 oder höher gegeben. Die Schwere der Thrombozytopenie sei über die Jahre hinweg auch durch die Befunde des behandelnden Arztes Dr. A. bestätigt worden, ebenso die Tatsache, dass die Erkrankung nicht beeinflusst werden könne. Es sei mit unterschiedlichen Behandlungsansätzen nicht gelungen, die Thrombozytenzahl dauerhaft zu erhöhen. Zu Unrecht lehne der Beklagte einen höheren Grad der Behinderung als 30 mit der Begründung ab, dass eine geringe Blutungsneigung anzunehmen sei, da es in der Vergangenheit zu keinen größeren Ereignissen gekommen sei. Dies könne nicht der Maßstab für die mit der Erkrankung verbundene Blutungsneigung sein. Nur weil er, seine Eltern und diverse Betreuer mit erheblichem Aufwand erfolgreich um Prävention und Vermeidung von Gefahrensituationen bemüht seien, dürfe daraus nicht auf eine geringere Blutungsneigung geschlossen werden. Bei ärztlichen Untersuchungen in den vergangenen Jahren seien regelmäßig petechiale Blutungen und Hämatome am ganzen Körper beschrieben worden. Hinzu seien Schleimhautblutungen, Nasenbluten und petechiale Blutungen im Rachen gekommen. Dabei habe es sich um "alltägliche" Blutungsereignisse gehandelt, bei denen jeweils keine besondere Gefährdungssituation vorgelegen habe. Des Weiteren lägen auch die Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" vor, weil er einer ständigen Betreuung und Überwachung bedürfe, damit im Falle einer lebensgefährlichen Situation schnellstmöglich reagiert werden könne. Die Lehrer könnten die notwendige Aufmerksamkeit über den gesamten Zeitraum des Schulbesuchs nicht gewährleisten. Leider habe die Sozialagentur die Unterstützung durch einen Integrationshelfer abgelehnt, weshalb ein entsprechendes Klageverfahren anhängig sei. Ursprünglich habe er im August 2009 in seinem Heimatort S. eingeschult werden sollen, was aber nur mit Unterstützung eines Integrationshelfers möglich gewesen wäre. Deshalb sei er auch ohne die Zusage eines Integrationshelfers in die Grundschule in U. eingeschult worden. Sein Alltag sei geprägt durch ein ständiges Sich-Zurücknehmen und durchgängige Beaufsichtigung. Aufgrund der erheblichen Probleme zum Zeitpunkt der Einschulung habe die Mutter ihr Arbeitsverhältnis gekündigt und im September 2010 eine Arbeitsstelle mit flexiblen Arbeitszeiten angetreten. Einen Antrag auf eine Pflegestufe nach dem SGB XI habe er bislang nicht gestellt.
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Das SG hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und Befundberichte von (u. a.) Dr. A. vom 6. August 2012 und der Internistin Dipl.-Med. W. vom 29. August 2012 eingeholt. Dr. A. hat angegeben, den Kläger im Zeitraum vom 9. Mai 2006 bis 22. Dezember 2011 wegen einer Autoimmunthrombozytopenie behandelt zu haben. Es hätten 2006 und 2007 zwei stationäre Behandlungen stattgefunden, danach keine mehr. Seit dem 3. August 2009 hätten sich die Befunde des Klägers gebessert, ein Normalbefund liege aber noch nicht vor. Blutungsereignisse seien derzeit wegen der relativ hohen Anzahl von Thrombozyten (119 Gpt/l) nicht zu verzeichnen. Dipl.-Med. W. hat einen Laborbefund vom 29. August 2012 übersandt, wonach die Anzahl der Thrombozyten auf 170 Gpt/l (normal 140-360) bestimmt worden sei. Als Befund/Diagnose hat sie angegeben, aufgrund der Thrombozytopenie würden Stürze und Verletzungen beim Kläger sofort zu Hämatomen führen. In Auswertung dieser Befunde hat der Beklagte unter Hinweis auf eine Stellungnahme seines versorgungsärztlichen Dienstes vorgetragen, der bisher anerkannte Grad der Behinderung von 30 sei nicht mehr gerechtfertigt, weil die Thrombozytenanzahl inzwischen im Normbereich liege. Im Hinblick auf die erhöhte Hämatombildung sei in Analogie zu den myelodysplastischen Syndromen nur noch ein Grad der Behinderung von 0 bis höchstens 10 vertretbar. Im Übrigen sei eine Thrombozytopenie nicht einer Hämophilie gleichzusetzen. Hierzu hat der Kläger vortragen lassen, es sei seit Ende August 2012 von einer Heilung der Erkrankung auszugehen, so dass die Feststellung des Grades der Behinderung den Zeitraum bis zum 28. August 2012 betreffe. Der Heilung sei eine vierwöchige Fieberphase vorausgegangen. Die Tatsache, dass in der Vergangenheit keine Bluttransfusionen notwendig gewesen seien, sei auf den erheblichen Aufwand zurückzuführen, den die Eltern des Klägers, die Lehrer und die Erzieherinnen sowie die privat bezahlten Aufsichtspersonen betrieben hätten. Der erhöhte Beaufsichtigungsbedarf sei schon daraus abzuleiten, dass die Einschulung des Klägers von der Grundschule am Wohnort abgelehnt worden sei. In der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2013 hat der Kläger seinen Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50 sowie des Vorliegens der Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "H" auf den Zeitraum vom 3. August 2009 bis 28. August 2012 beschränkt.
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Mit Urteil vom 15. April 2013 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, die Erkrankung des Klägers sei dem Funktionssystem Blut, blutbildende Organe, Immunsystem, zuzuordnen. Sie bedinge keinen höheren Grad der Behinderung als 30, da nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, Teil B, Nr. 16.10, bei sonstigen Blutungsleiden mit mäßigen Auswirkungen ein Grad der Behinderung von 20 bis 40 und bei solchen mit starken Auswirkungen (starke Blutungen bereits bei leichten Traumen) ein Grad der Behinderung von 50 bis 70 zu vergeben sei. Bei myeolodysplastischen Syndromen mit mäßigen Auswirkungen (z.B. gelegentliche Transfusionen) sei ein Grad der Behinderung von 30 bis 40 und bei stärkeren Auswirkungen (z.B. andauernde Transfusionsbedürftigkeit, rezidivierende Infektionen) ein Grad der Behinderung von 50 bis 80 zu vergeben (Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil B, Nr. 16.7). Unabhängig von der konkreten Einordnung der bei dem Kläger aufgetretenen Thrombozytopenie bzw. Immunthrombozytopenie komme es für die Vergabe eines Grades der Behinderung von 50 auf die Stärke der Auswirkungen an. Bei dieser Prüfung sei auf die konkret eingetretenen Folgen der Erkrankung, nicht aber auf die Möglichkeit bzw. Gefahr des Eintretens von Folgen abzustellen. Dem liege zu Grunde, dass die Versorgungsmedizinischen Grundsätze bei der Einordnung von Funktionsstörungen stets auf die konkrete Funktionsbeeinträchtigung abstellten. Hierzu sei auch auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu verweisen, das mit Urteil vom 25. Oktober 2012 (B 9 SB 2/12 R) festgestellt habe, dass die Beurteilung des Grades der Behinderung im Schwerbehindertenrecht ausschließlich final, also orientiert an dem tatsächlich bestehenden Zustand des behinderten Menschen zu erfolgen habe, ohne dass es auf die Verursachung der dauernden Gesundheitsstörungen ankomme. Dies gelte sowohl hinsichtlich unbeeinflusster Kausalzusammenhänge als auch für Vorgänge, auf die der Betroffene Einfluss nehmen könne und die er sogar selbst zu verantworten habe. Insofern komme es nach dieser Rechtsprechung nicht darauf an, welche Folgen eine Vernachlässigung einer konkreten Therapie haben würde. Beim Kläger sei es wegen konsequenter Überwachung und Betreuung trotz niedriger Thrombozytenwerte zu keinen größeren Blutungsereignissen gekommen. Auch Gelenkblutungen seien nicht aufgetreten. 2008 seien zweimal Kortikoide eingesetzt und insgesamt sei der Kläger dreimal stationär behandelt worden. Die zahlreichen Berichte beträfen größere Hämatome und punktartige Einblutungen. Insgesamt handele es sich dabei um ein Blutungsleiden mit mäßigen Auswirkungen, das mit einem Grad der Behinderung von 30 ausreichend bewertet worden sei.
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Gegen das ihm am 11. Juni 2013 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 11. Juli 2013 beim Landessozialgericht erhobenen Berufung. Er gibt an, nicht mehr an dem Blutungsleiden erkrankt zu sein und vertritt weiterhin die Auffassung, der Grad der Behinderung müsse unter Berücksichtigung der im Zeitraum vom 18. Mai 2006 bis 12. Oktober 2009 lebensbedrohlich niedrigen Thrombozytenwerte zwischen 2 und 25 Gpt/l mit mindestens 50 festgestellt und ihm ebenso das Merkzeichen "H" zuerkannt werden. Die Tatsache, dass in seinem Umfeld erfolgreich ein hoher Aufwand betrieben worden sei, um Verletzungen mit der Folge starker Blutungen zu vermeiden, lasse keine Rückschlüsse auf das Ausmaß der Blutungsneigung zu. Zu verweisen sei auf Teil B Nr. 16.5 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze, wo bei einer wesentlich erhöhten Anzahl von Thrombozyten entsprechend deren Ausmaß ein Grad der Behinderung von 50 bis 70 bzw. 80 bis 100 festzustellen sei. Er halte daran fest, dass bei einer Einordnung seines Leidens unter die "sonstigen Blutungsleiden" in Nr. 16.10 die Ausprägung "mit starken Auswirkungen (starke Blutungen bereits bei leichten Traumen)" herangezogen werden müsse. Insoweit habe der behandelnde Arzt Dr. A. seinen Zustand und die Gerinnungsstörung zutreffend mit einer schweren Hämophilie verglichen.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 15. April 2013 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2010 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 sowie das Merkzeichen "H" für die Zeit vom 3. August 2009 bis 28. August 2012 festzustellen.
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Der Beklagte beantragt,
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11
die Berufung zurückzuweisen.
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12
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung und seine Bescheide für zutreffend.
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Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen. | |
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 28. September 2016 – 12. Kammer, Einzelrichter – hinsichtlich der Klägerin zu 1) geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin zu 1) trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin zu 1) kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Die Klägerin zu 1) ist nach eigenen Angaben syrische Staatsangehörige, arabischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens. Sie begehrt ihre Anerkennung als Flüchtling im Sinne von § 3 AsylG.
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Die Klägerin zu 1) reiste nach eigenen Angaben am 1. November 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 25. Juli 2016 einen Asylantrag.
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Bei ihrer Anhörung gaben sie zur Begründung ihres Asylantrages an, dass sie aus dem Stadteil Tarik Albab in Aleppo stamme. Ihr Mann sei im März 2015 zur Arbeit gegangen und nicht wiedergekehrt. Er werde vermisst. Sie sei im dritten Monat schwanger gewesen und habe diese Trauer ertragen. Nach der Geburt sei ihre Tochter erkrankt und es hab keine Möglichkeit gegeben ihr zu helfen. Es habe keine Medikamente oder Ärzte gegeben. Sechs Wochen nach der Geburt sei sie gestorben. Ihr Stadtteil sei von der freien syrischen Armee erobert worden. Nachdem ihr Mann vermisst war und nicht wiederkehrte und die Bombardierungen zunahmen, sei sie in einen anderen Stadtteil namens Azaz geflüchtet. Sie habe dort eine Wohnung mit ihren Geschwistern gemietet. Als wir zwei Wochen später zu unserem Haus zurückkehrten war dies von einer Rakete getroffen und zerstört und geplündert. Der älteste Sohn sei noch nie zur Schule gegangen, obwohl er schon acht Jahre alt sei. Bei einer Rückkehr fürchte sie sich vor dem Krieg, vor den Flugzeugen und Bomben. Sie habe Angst um das Leben ihrer Kinder.
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Mit Bescheid vom 5. September 2016 erkannte die Beklagte die Klägerin zu 1) und ihre beiden minderjährigen Kinder als subsidiär Schutzberechtigte an und lehnte ihre Asylanträge im Übrigen ab.
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Mit ihrer am 16. September 2016 erhobenen Klage haben sich die Kläger auf ihre im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Fluchtgründe bezogen.
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Die Kläger haben sinngemäß beantragt,
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die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 5. September 2016 zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
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Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
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9
Mit Gerichtsbescheid vom 28. September 2016 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, der Klägerin zu 1) die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen und den Bescheid vom 26. August 2016 aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin zu 1) sich unabhängig davon, ob sie vorverfolgt aus Syrien ausgereist sei, auf beachtliche Nachfluchtgründe berufen könne. Der syrische Staat sehe gegenwärtig das Stellen eines Asylantrags im Zusammenhang mit einer (illegalen) Ausreise und dem entsprechenden Aufenthalt im westlichen Ausland als Anknüpfungspunkt und Ausdruck einer politisch missliebigen Gesinnung und damit als Kritik am herrschenden System an. Auch die steigende Zahl an Flüchtlingen aus Syrien habe nicht zur Folge, dass der einzelne, sich im westlichen Ausland aufhaltende Flüchtling aufgrund dieses Massenphänomens nicht mehr als potentieller politischer Gegner des Regimes angesehen werde. Unter den derzeitigen Umständen habe jeder sich im westlichen Ausland aufhaltende Syrer im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Anknüpfung an seine vermutete oppositionelle Gesinnung mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen. Die obligatorische Befragung durch syrische Sicherheitskräfte bei der Rückkehr knüpfe an die vom Staat unterstellte politische Überzeugung an. Der Klägerin zu 1) stehe keine sichere, innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Es bestehe nur die Möglichkeit einer Einreise über den von syrischen Regierungskräften kontrollierten Flughafen von Damaskus. Da die Kläger zu 2) und 5) aufgrund ihres Alters noch nicht in der Lage seien eine politische Überzeugung zu bilden, scheide bei ihnen eine Verfolgung wegen ihrer politischen Überzeugung durch den syrischen Staat aus.
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Zur mit Beschluss vom 7. Februar 2018 zugelassenen Berufung trägt die Beklagte Folgendes vor: Die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Quellenlage ließe sich hinsichtlich der Frage, ob bei Konstellationen der vorliegenden Art die nötige Anknüpfung an ein Verfolgungsmerkmal bzw. ob ein „Politmalus“ feststellbar sei, unterschiedlich interpretieren. Rückkehrer unterlägen zwar allgemein der Gefahr der Folter oder unmenschlicher Behandlung. Es gebe jedoch keine gesicherten Anhaltspunkte dafür, dass abgeschobenen Rückkehrern grundsätzlich ungeachtet besonderer persönlicher Umstände oppositionelle Tätigkeit unterstellt werde und die Befragungen und damit teilweise einhergehende Misshandlungen in Anknüpfung an ein asylrelevantes Merkmal erfolgten. Vielmehr beschränkten sich die zur Verfügung stehenden Auskünfte auf die Schilderung von Einzelfällen, aus denen sich für die Motivation des syrischen Staates – ungeachtet des Unrechtsgehalts dieses staatlichen Handelns – nichts ableiten lasse. Eine vorherige Asylantragstellung oder der längerfristige Auslandsaufenthalt seien deshalb für sich allein kein Grund für Verhaftung oder Repressalien.
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Die Beklagte beantragt sinngemäß,
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den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 28. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit ihr stattgegeben wurde.
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Die Klägerin zu 1) beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung bezieht sie sich auf die Anhörung und weist daraufhin, dass sie der direkten Verfolgung durch den IS unterlag und habe zunächst in einen anderen Stadtteil flüchten können, um dann festzustellen, dass sie auch dort nicht sicher gewesen sei. Ihr früher bewohntes Haus sei zerstört und der Ehemann und Kindesvater sei nach wie vor vermisst. | |
1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 01.06.2021 - 4 Ca 58/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2) Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
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Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten (im Berufungsverfahren nur noch) darüber, ob das zwischen der Gemeinschuldnerin und der Klagepartei bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat, oder aber nicht.
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Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der K. GmbH, der Gemeinschuldnerin. Das Insolvenzverfahren wurde zunächst in Eigenverwaltung am 01.12.2020 eröffnet. Am 01.03.2021 wurde der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.
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Die Klagepartei ist seit dem 01.08.1980 bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt, zuletzt zu einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3446,88 EUR. Die Klagepartei war als Arbeiter bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt.
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Am 22./25.01.2021 wurde zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Betriebsrat ein Interessenausgleich mit Namensliste abgeschlossen; die Klagepartei ist in dieser Namensliste aufgeführt. Der Interessenausgleich, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 44 ff. d.A. Bezug genommen wird, enthält u.a. folgende Regelungen:
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"Vorbemerkung:
…
Gegenstand des Unternehmens der K. GmbH ist die Kollektionsentwicklung, Herstellung und der Vertrieb von Schuhwaren; Gegenstand des Unternehmens der K. Retail GmbH ist der Handel mit von der K. GmbH produzierten Schuhwaren über Shops.
Es hat sich herausgestellt, dass das Unternehmen der K. GmbH aus eigener Kraft nicht überlebensfähig ist und ohne übertragende Sanierung stillgelegt werden muss. Trotz intensiver Suche war der Investorenprozess nicht erfolgreich. Vor diesem Hintergrund kann der Betrieb der K. GmbH nicht mehr fortgeführt werden, sondern ist stillzulegen. Auch der Betrieb der K. Retail GmbH ist stillzulegen.
Die Betriebsparteien haben die Situation der Unternehmen ausführlich erörtert. Sie haben sich unter anderem darauf verständigt, auch das Konsultationsverfahren gem. § 17 Abs. 2 KSchG sowie die weiteren Beteiligungsrechte in Bezug auf die Europäische Massenentlassungsrichtlinie und die §§ 17 ff. KSchG mit dem Interessenausgleichsverfahren zu verbinden.
…
§ 1
Geltungsbereich
Der Geltungsbereich dieser Vereinbarung erfasst alle Arbeitnehmer/-innen (im Folgenden einheitlich "Arbeitnehmer") im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG der K. GmbH sowie der Ka. Retail GmbH, die in der Anlage 1a und 1b namentlich bezeichnet und von den dargestellten Maßnahmen betroffen sind.
…
§ 2
Gegenstand und Durchführung der Betriebsänderung
1.
Der Betrieb der K. GmbH sowie der K. Retail GmbH wird sukzessive bis zum 30.04.2021 stillgelegt. Damit verbunden ist die Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit allen Mitarbeitern der K. GmbH sowie der K. Retail GmbH. Die vorgenannten Maßnahmen sollen unverzüglich - möglichst noch im Januar 2021 - eingeleitet und umgesetzt werden.
2.
Mit dem Betriebsrat wurden die anstehenden betrieblichen und personellen Maßnahmen, unter anderem der Wegfall des jeweiligen Arbeitsplatzes ausführlich erörtert; besprochen wurde auch, ob eine soziale Auswahl zu treffen ist, ggf. zwischen wem und nach welchen Kriterien.
Die Parteien stimmen überein, dass etwaige geringfügige Änderungen bei der Umsetzung der Maßnahmen in zeitlicher Hinsicht (Abweichung von bis zu 1 Monat später) keine Abweichung von diesem Interessenausgleich darstellen und deshalb von diesem gedeckt sind.
…
4.
a.
Die Arbeitsverhältnisse mit den in der Anlage 1a und 1b namentlich aufgeführten Arbeitnehmern werden arbeitgeberseits unverzüglich nach Abschluss dieses Interessenausgleichs, möglichst im Januar 2021 betriebsbedingt gekündigt oder gegebenenfalls durch betriebsbedingten Aufhebungsvertrag beendet, soweit die betroffenen Arbeitnehmer nicht aufgrund einer Eigenkündigung oder anderer Beendigungstatbestände jeweils zu einem früheren oder zum gleichen Termin als dem arbeitgeberseitig vorgesehenen Beendigungstermin aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden.
Die Kündigungen der Arbeitnehmer der K. GmbH (Anlage 1a) erfolgen nach Maßgabe des § 113 InsO, die Kündigungen der Arbeitnehmer der K. Retail GmbH (Anlage 1b) erfolgen unter Beachtung, gegebenenfalls Überschreitung der jeweiligen individuellen Kündigungsfristen. Soweit im Einzelfall eine Behördliche Zustimmung erforderlich ist, wird die Einholung dieser Zustimmung unverzüglich veranlasst und die Kündigung unverzüglich nach Vorliegen der Zustimmung ausgesprochen.
…
5.
a.
Das Anhörungsverfahren gemäß § 102, 103 BetrVG wurde gegenüber dem Betriebsrat am 19.01.2021 eingeleitet. Der Betriebsrat erklärt, dass ihm bereits am 12.01.2021 eine Gesamtpersonalliste übergeben wurde, die am 15.01.2021 und 19.01.2021 aktualisiert wurde und die unter anderem die Namen aller Arbeitnehmer der K. GmbH sowie der K. Retail GmbH nebst deren Tätigkeitsbereich, Geburtsdatum, Eintrittsdatum, Familienstand laut aktueller ELSTAM, unterhaltsberechtigte Kinder laut aktueller ELSTAM, Schwerbehinderten- oder Gleichgestellteneigenschaft, Elternzeit, Mutterschutz, sonstiger besonderer Kündigungsschutz, Kündigungsfrist enthält; diese sind dem Betriebsrat mitgeteilt und erörtert worden.
Auch die Schwerbehindertenvertretung wurde bezüglich der betroffenen Schwerbehinderten oder einem Schwerbehinderten gleichgestellten Arbeitnehmer gemäß § 178 SGB IX unverzüglich und umfassend entsprechend unterrichtet und beteiligt.
c.
Der Betriebsrat hat in der Sitzung vom 22.01.2021 festgestellt, dass es keine Möglichkeit gibt, die betrieblichen Maßnahmen sowie die Beendigung der Arbeitsverhältnisse der in der Anlage 1a und 1b namentlich aufgeführten Arbeitnehmer zu verhindern und den Maßnahmen zu widersprechen. Soweit es sich um außerordentliche Kündigungen mit Auslauffrist, hilfsweise ordentliche Kündigungen von Arbeitnehmern gemäß § 15 KSchG handelt, stimmt der Betriebsrat diesen zu. Der Betriebsrat erklärt, dass er bezüglich der Maßnahmen der in Anlage 1a und 1b genannten Arbeitnehmer gem. § 102, 103 BetrVG angehört worden ist und die Verfahren gem. § 102, 103 BetrVG damit abgeschlossen sind. Diese Erklärung ist abschließend.
6.
Zur Milderung der Nachteile, die den Arbeitnehmern durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehen, werden die Parteien einen Sozialplan vereinbaren.
…
§ 4
Weitere Beteiligungsrechte des Betriebsrats
…
2.
Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit Abschluss dieser Vereinbarung auch das Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG (K. GmbH sowie K. Retail GmbH) gegenüber dem Betriebsrat durchgeführt und die erforderlichen Unterlagen vorgelegt worden sind.
…
Die Betriebsparteien haben insbesondere die Möglichkeit beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mindern. Der Betriebsrat sieht jedoch keine Möglichkeit, den Maßnahmen zu widersprechen. Diese Erklärung ist abschließend. Die Beratungen sind damit endgültig abgeschlossen.
Der Betriebsrat verpflichtet sich, auf Wunsch der Unternehmen eine gesonderte Erklärung gegenüber der Agentur für Arbeit abzugeben.
…
3.
Die Parteien sind sich einig, dass die Anlage 1a dieser Vereinbarung eine Namensliste im Sinne von § 125 InsO darstellt und die Anlage 1b eine Namensliste im Sinne von § 1 Abs. 5 KSchG. Die Namensliste ist Bestandteil dieses Interessenausgleichs. Dieser Interessenausgleich gilt gemäß § 125 InsO bzw. § 1 Abs. 5 KSchG als Stellungnahme des Betriebsrats gemäß § 17 Abs. 3 KSchG sowie gemäß § 170 Abs. 2 SGB IX, § 17 Abs. 3 MuSchG, § 18 BEEG auch als Teil der gemäß § 12 102, 103 BetrVG zu erteilenden Informationen.
…"
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Hinsichtlich der Namensliste wird auf Bl. 52 ff. d.A. Bezug genommen.
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Unter dem gleichen Datum haben die Betriebspartner einen Insolvenzsozialplan beschlossen, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 57 ff. d.A. Bezug genommen wird.
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Der Betriebsrat der Gemeinschuldnerin hat sodann mit Schreiben vom 22.01.2021 folgende "Stellungnahme gemäß §§ 102, 103 BetrVG zu beabsichtigten betriebsbedingten Kündigungen" abgegeben, hinsichtlich deren weiteren Inhalts auf Bl. 72 f. d.A. Bezug genommen wird:
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"Der Betriebsrat des gemeinschaftlichen Betriebs der K. GmbH sowie der K. Retail GmbH bestätigt hiermit, dass die Anhörung zu den betriebsbedingten Beendigungskündigungen der Arbeitsverhältnisse mit den Beschäftigten gemäß beigefügter Anlage 1 (Beschäftigte der K. GmbH sowie Anlage 2 (Beschäftigte der K. Retail GmbH) am 19.01.2021 eingeleitet und ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Die Kündigungsgründe (sukzessive Stilllegung des Betriebs bis zum 30.04.2021) wurden dabei ausführlich erläutert und besprochen. Ausführlich dargelegt und besprochen wurden insbesondere u.a. auch die sozialen Daten nebst Tätigkeit der betroffenen Mitarbeiter, die Kündigungsfrist sowie der vorgesehene Beendigungstermin für das jeweilige Arbeitsverhältnis.
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Der Betriebsrat sieht keine Möglichkeit, den Kündigungen zu widersprechen. Den Kündigungen der Mitarbeiter mit dem Sonderkündigungsschutz gem. § 15 KSchG wird zugestimmt. Eine weitere Stellungnahme erfolgt nicht. Diese Erklärung ist abschließend und endgültig. Das Anhörungsverfahren gem. §§ 102, 103 BetrVG ist somit abgeschlossen."
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Daraufhin hat die Gemeinschuldnerin mit Schreiben vom 27.01.2021 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.04.2021 unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gemäß § 113 InsO gekündigt. Hinsichtlich des Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf Bl. 4 f. d.A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 26.01.2021 hat die Gemeinschuldnerin das Mietverhältnis betreffend Show-Room M. mit der O. Verwaltungs GmbH & Co Immobilien KG, M., zum 30.04.2021 gekündigt (s. Bl. 65 d.A.); mit Schreiben vom gleichen Tage das Mietverhältnis betreffend den Show-Room Sch. mit der G. Immobilienverwaltungs GmbH & Co. zum 30.04.2021, mit Schreiben vom gleichen Tage das Mietverhältnis mit der L. Holding GmbH zum 30.04.2021, mit Schreiben vom 26.01.2021 den Kooperationsvertrag Depofläche Outlet selb mit der Now Basics Fashion GmbH, selb zum 30.04.2021, mit Schreiben vom 26.01.2021 das Mietverhältnis mit der Vermietungsgesellschaft H. gbR, S. zum 30.04.2021; hinsichtlich dieser Kündigungsschreiben wird auf Bl. 65 - 69 d.A. Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 23.02.2021 hat die Gemeinschuldnerin eine Warenbestellung bei der Alpha SrL, Fosso, Italien betreffend gekündigt bzw. mitgeteilt, dass die Warenbestellung nicht weiter benötigt wird und auch von dem gemäß § 103 InsO bestehende Erfüllungswahlrecht kein Gebrauch gemacht wird. Des Weiteren wird mitgeteilt, dass eine Warenannahme durch die Gemeinschuldnerin nicht erfolgen wird (s. Bl. 70 d.A.). Mit Schreiben vom 19.02.2021 hat die Gemeinschuldnerin gleiches der B. S. GmbH, Z. mitgeteilt; insoweit wird auf Bl. 71 d.A. Bezug genommen.
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Gegen die Kündigung der Gemeinschuldnerin wendet sich die Klagepartei mit der am 03.02.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.
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Die Klagepartei hat vorgetragen,
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mit Nichtwissen werde bestritten, dass in den zurückliegenden Geschäftsjahren kontinuierlich Verluste aufgelaufen seien. Zutreffend sei demgegenüber, dass es zwar Umsatzeinbußen gegeben habe. Es treffe auch zu, dass es aufgrund der Corona Pandemie bei der Gemeinschuldnerin ebenfalls zu Umsatzeinbußen gekommen sei. Allerdings treffe es nicht zu, dass trotz intensiver Suche kein Investor habe gefunden werden können. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung am 01.12.2020 seien bereits Gespräche bezüglich der Fortführung des Betriebes im Gange gewesen. Es sei zu bestreiten, dass seitens des Beklagten zu irgendeinem Zeitpunkt der Entschluss zur Betriebsstilllegung getroffen worden sei. Bereits im Dezember 2020, unmittelbar nach Eröffnung des Verfahrens in Eigenverwaltung, sei deutlich gewesen, dass zumindest drei Interessenten vorhanden gewesen seien, die den Betrieb hätten fortführen wollen. Es handele sich dabei um die Firma E. GmbH, die Firma U., sowie die "Bietergemeinschaft" um den Geschäftsführer der Beklagten, Herrn St. F.. Noch im Dezember 2020 hätten verbindliche Angebote der Firma E. GmbH bezüglich der Immobilie sowie der Firma U. bezüglich der Vorräte und der Marke vorgelegen. Zugleich habe dem Sachwalter/Insolvenzverwalter ein weiteres verbindliches Angebot der Bietergemeinschaft um den Geschäftsführer der Beklagten vorgelegen, wonach die Immobilie, die Vorräte, die Marke, die Produktionsmaschinen, verschiedene Verkaufsläden, das gesamte Vertriebsnetz, die Besitzgesellschaft in Portugal sowie verschiedene Arbeitnehmer übernommen hätten werden sollen. In einem Gespräch am 20.01.2021 sei den weiteren Interessenten mitgeteilt worden, dass die "Bietergemeinschaft um den Geschäftsführer St. F." den Zuschlag erhalten habe, weil insoweit versichert worden sei, dass zumindest 30 Mitarbeiter sowie die vorbezeichneten Gegenstände übernommen würden. Mit Gesellschafterbeschluss vom 16.02.2021 sei die Firma "K. Operations GmbH" aus einer Vorrats GmbH geändert und der bisherige Geschäftsführer der Firma K. GmbH, Herr St. F., zum Geschäftsführer der Firma K. Operations GmbH ernannt worden. Die Geschäftstätigkeit der neugegründeten Firma K. Operations GmbH sei zum 01.03.2021 aufgenommen und erste Arbeitsverträge mit ehemaligen Arbeitnehmern der Firma K. GmbH zum 01.03 2021 abgeschlossen worden. Bei der neugegründeten Firma K. Operations GmbH würden nicht nur die Produktionsmaschinen sowie die Immobilie weitergenutzt, vielmehr seien noch weitere Arbeitnehmer übernommen worden. Die neugegründete K. Operations GmbH habe sämtliche materiellen Güter, bestehend aus Immobilie, Produktionsmaschinen, Vorräten sowie die komplette Büroeinrichtung übernommen. Darüber hinaus sei das gesamte Vertriebsnetzt einschließlich Kundenstamm übernommen worden. Schließlich sei die gesamte Gesellschaft in Portugal, bei der die K. GmbH mit 99,5 % Mehrheitsgesellschafterin gewesen sei, übernommen worden. Die Geschäftstätigkeit habe sofort zum 01.03.2021 begonnen. Es seien zu diesem Zeitpunkt bereits Arbeitsverträge abgeschlossen, Waren bestellt und verkauft worden. Ab dem 01.03.2021 seien die gesamten Räumlichkeiten von der K. Operations GmbH genutzt worden. Es seien ferner Arbeitnehmer, die ausschließlich in der Produktion tätig gewesen seien, übernommen worden.
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Die Klagepartei hat beantragt,
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1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 27.01.2021 mit dem 30.04.2021 sein Ende finden wird;
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2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern über den 30.04.2021 hinaus weiter fortbesteht;
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3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 30.04.2021 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat vorgetragen,
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in den zurückliegenden Geschäftsjahren seien bei der Gemeinschuldnerin kontinuierlich Verluste aufgelaufen. Im Rahmen der Überprüfung der Sanierungsfähigkeit der Gemeinschuldnerin habe sich herausgestellt, dass das Unternehmen aus eigener Kraft nicht überlebensfähig sei und ohne Übertragen der Sanierung stillgelegt werden müsse. Infolgedessen sei ein Investorensuchprozess eingeleitet worden. Trotz intensiver Suche sei aber kein Investor gefunden worden. Eine Veräußerung des Unternehmens im Ganzen sei nicht umsetzbar gewesen, so dass die Geschäftsführer, die Herren M. P.und St. F., der Gemeinschuldnerin mit Zustimmung des seinerzeitigen Sachwalters und jetzigen Beklagten am 05.01.2021 entschieden hätten, den Geschäftsbetrieb der Gemeinschuldnerin nach Abschluss der Verhandlungen mit dem Betriebsrat sukzessive bis zum 30.04.2021 stillzulegen, die diesbezüglichen Verhandlungen mit dem Betriebsrat zum Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans aufzunehmen und die betrieblichen und personellen Maßnahmen unverzüglich nach Abschluss des Interessenausgleichs umzusetzen. Dem habe der (vorläufige) Gläubigerausschuss in einer Videokonferenz am 05.01.2021 zugestimmt. Gegenstand der Entscheidung sei u.a. auch gewesen, die Verhandlungen mit dem Betriebsrat zum Abschluss eines Interessenausgleichs schnellstens aufzunehmen, um die Kündigungen möglichst noch im Januar 2021 aussprechen zu können, keine Neuproduktionsaufträge mehr anzunehmen, nur noch solche Aufträge abzuarbeiten, die bis spätestens 30.04.2021 erledigt seien und im Übrigen Aufträge, die an Lieferanten erteilt worden seien, zu stornieren, sowie keine Entwicklungstätigkeit mehr für neue Kollektionen durchzuführen.
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Im Betrieb der Gemeinschuldnerin seien in der Regel 177, zuletzt 164 Mitarbeiter beschäftigt gewesen. Es sei geplant gewesen - und sodann auch tatsächlich umgesetzt worden -, die betrieblichen und personellen Maßnahmen noch beginnend im Januar 2021 durchzuführen und damit verbunden die Arbeitsverhältnisse mit allen Arbeitnehmern zu beenden. Damit sei eine Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG gegeben. Der Interessenausgleich mit Namensliste sei das Ergebnis ausführlicher Besprechungen mit dem Betriebsrat gewesen, in denen die sozialen Daten sämtlicher Mitarbeiter detailliert erörtert worden seien. Dazu habe dem Betriebsrat eine vollständige Personalliste mit den sozialen Daten sämtlicher Arbeitnehmer vorgelegen. Soweit zwischenzeitlich nach Zugang der streitgegenständlichen Kündigung einzelne Vermögensgegenstände der Gemeinschuldnerin, z.B. die Marke, veräußert worden seien, stellten diese weder einen Betrieb noch einen Betriebsteil dar. Eine Sozialauswahl sei nicht erforderlich gewesen, da allen Arbeitnehmern gekündigt worden sei.
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Es treffe nicht zu, dass im Dezember 2020 unmittelbar nach Eröffnung des Verfahrens in Eigenverwaltung deutlich geworden sei, dass zumindest drei Interessenten vorhanden gewesen seien, die den Betrieb der Gemeinschuldnerin fortführen hätten wollen. Der Hinweis der Klagepartei, es habe ein Angebot der Firma E. GmbH bezüglich der Immobilie der Gemeinschuldnerin vorgelegen, sowie der Firma U. bezüglich der Vorräte und Marke, mache vielmehr deutlich, dass es sich nur um das Interesse an einzelnen Vermögensgegenstände gehandelt habe, gerade nicht aber am Betrieb der Gemeinschuldnerin. Abgesehen davon sei das Vorliegen eines Angebots ohne Relevanz für die Rechtswirksamkeit einer Kündigung. Auch treffe es nicht zu, dass im Dezember 2020 seitens der "Bietergemeinschaft um den Geschäftsführer der Beklagten" ein verbindliches Angebot auf Übernahme der Immobilie, Vorräte, Marke, Produktionsmaschinen, Verkaufsläden, Vertriebsnetz, Besitzgesellschaft in Portugal, verschiedene Arbeitnehmer vorgelegen habe. Soweit die Gemeinschuldnerin im Zusammenhang mit der anstehenden Betriebsschließung versucht habe, einzelne Vermögensgegenstände zu veräußern, wofür u.a. auch eine Versteigerung durchgeführt worden sei, handele es sich um einen üblichen Vorgang im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Die K. Operations GmbH führe den Betrieb der Gemeinschuldnerin nicht annähernd identisch fort oder nutze deren Ressourcen in ihrer bisherigen funktionalen Verknüpfung. Insbesondere seien bei der K. Operations GmbH lediglich 10 frühere Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin beschäftigt. Auch produziere die K. Operations GmbH im Gegensatz zur Gemeinschuldnerin weder Schuhe in Serie, noch Muster, noch Prototypen. Vielmehr würden Muster und Prototypen fremd produziert, ebenso werde die Serienfertigung, die ohnehin nicht vor Juni 2022 beginne, durch Fremdfirmen erfolgen. Bei der K. Operations GmbH gebe es keinerlei Produktion, weder Serienfertigung, noch Musterfertigung, noch Prototypenfertigung.
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Die Anhörung des Betriebsrats gemäß §§ 102, 103 BetrVG sei am 19.01.2021 erfolgt. Sie sei seitens der Gemeinschuldnerin mündlich durchgeführt worden im Betrieb der Gemeinschuldnerin durch Frau RAin U. T. als Bevollmächtigte der Gemeinschuldnerin gemeinsam mit der Mitarbeiterin der Bevollmächtigten Frau RAin S. W. sowie dem Personalleiter der Gemeinschuldnerin, Herrn A. Y., im Beisein des Herrn O. X., eines Mitarbeiters des Generalbevollmächtigten der Gemeinschuldnerin. Seitens des Betriebsrats sei der Betriebsratsvorsitzende der Gemeinschuldnerin, Herr A. F.-P., anwesend gewesen, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Herr R., der Schwerbehindertenvertreter Herr S. M., der Anwalt des Betriebsrats, Herr RA G. H. sowie Herr RA M. G.. Zu diesem Zeitpunkt habe dem Betriebsrat bereits eine Gesamtpersonalliste vorgelegen, auf der u.a. die Namen sämtlicher betroffener Arbeitnehmer verzeichnet gewesen seien nebst deren Sozialdaten (Geburtsdatum, Eintrittsdatum, Familienstand gemäß ELSTAM, unterhaltsberechtigte Kinder gemäß ELSTAM, Schwerbehinderung, Tätigkeit, Eingruppierung, beabsichtigter Beendigungstermin). Im Rahmen der Verhandlungen zum Abschluss des Interessenausgleichs seien dem Betriebsrat sowohl die betrieblichen als auch die personellen Maßnahmen vollumfänglich bekannt gemacht und diese beraten worden. Insoweit habe die Bevollmächtigte der Gemeinschuldner, Frau RAin T., zunächst darauf hingewiesen, dass durch Beschluss des Amtsgerichts Pirmasens am 01.12.2020 das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet worden sei. Des Weiteren habe sie vorgetragen, dass die Anhörung zu den beabsichtigten betriebsbedingten Kündigungen erfolge. Sie habe erläutert, dass die Suche nach einem Investor nicht erfolgreich verlaufen sei und dass die Gemeinschuldnerin deshalb beschlossen habe, den Betrieb sukzessive zum 30.04.2021 stillzulegen und die Arbeitsverhältnisse mit allen Arbeitnehmern zu kündigen. Im Übrigen sei dem Betriebsrat aus den Verhandlungen über den Interessenausgleich vom 22./25.01.2021 der Kündigungssachverhalt bekannt gewesen. Frau RAin T. habe sodann den Betriebsrat zu Händen des Betriebsratsvorsitzenden Herrn F.-P. erneut eine Gesamtpersonalliste übergeben. Sodann seien Name für Name der auf der Personalliste genannten betroffenen Arbeitnehmer abwechselnd von Frau RAin T. und Frau RAin W. vorgetragen und besprochen worden, das Arbeitsverhältnis zu kündigen gewesen sei. Der Betriebsrat habe am 22.01.2021 u.a. auch zur Kündigung der Klagepartei abschließend Stellung genommen. Die Stellungnahme sei der Gemeinschuldnerin zu Händen von Frau RAin T. am 22.01.2021 zugegangen. Erst im Anschluss daran sei die streitgegenständliche Kündigung ausgefertigt und der Klagepartei zugestellt worden.
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Das Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - hat daraufhin die Klage durch Urteil vom 01.06.2021 - 4 Ca 58/21 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 130 - 144 d.A. Bezug genommen.
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Gegen das ihr am 25.07.2021 zugestellte Urteil hat die Klagepartei durch am 09.08.2021 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 20.09.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Die Klagepartei wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die streitgegenständliche Kündigung sei aufgrund eines erfolgten Betriebsübergangs gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Zum Zeitpunkt der ausgesprochenen Kündigung sei die neue Firma K. Operations GmbH bereits gegründet gewesen; sie habe den Betrieb zum 01.03.2021 fortgeführt. Sie habe einen erheblichen Teil der Betriebsmittel übernommen, das Gebäude, sämtliche Warenvorräte sowie nach derzeitigem Kenntnisstand ca. 30 bis 50 Arbeitnehmer. Im Wege der Beweislastumkehr müsse insoweit bei einem Betriebsübergang der Arbeitnehmer mangels weiterer Kenntnisse lediglich groß die Umstände des Betriebsübergangs darlegen. Wenn das Arbeitsgericht vom Vorliegen gewisser Indizien für einen Teil- oder Betriebsübergang ausgehe, dann müsse es diesen auch nachgehen und entsprechenden Beweis erheben. Die neugegründete Firma K. Operations GmbH betreibe in dem Ursprungsgebäude in Pirmasens das Unternehmen. Auf der Internetseite www.k.de werde Onlinehandel weiterbetrieben. Die neugegründete Firma habe von der Gemeinschuldnerin das Werk in Portugal übernommen. Die neugegründete Firma habe sowohl die Produktionsstätte als auch Produktionsmittel erworben. Es habe diverse Mitarbeiter in der Produktion übernommen. Gegen einen Betriebsübergang spreche nicht, wenn nur die Produktion in geringem Umfang weiterbetrieben werde. Vorliegend bestehe eine komplette Identität der neugegründeten Firma mit der alten Firma. Aufgrund dieses Sachverhalts sei davon auszugehen, dass zum Ausspruch der Kündigung die Fortführung des Betriebes bereits geplant gewesen sei. Nachdem auch andere Bewerber vorhanden gewesen seien, hätten letztlich Gespräche zwischen dem Beklagten und dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin noch im Dezember 2020 bezüglich der Betriebsschließung der alten Firma und der Fortführung der neuen Firma stattgefunden. Es sei zeitlich ausgeschlossen, dass erst nach Ausspruch der Kündigung am 27.01.2021 mit der Planung und Gründung der neuen Firma begonnen worden sei, die bereits am 01.03.2021 eingetragen gewesen sei und den Betrieb aufgenommen habe. Da der Geschäftsführer der K. GmbH personenidentisch mit dem Geschäftsführer der neugegründeten K. Operations GmbH sei, müssten entsprechende Kenntnisse und Planungen der Gemeinschuldnerin zugerechnet werden, so dass von einem Teil- oder Betriebsübergang nach Maßgabe der Gesamtumstände auszugehen sei.
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Es sei insoweit nach außen nicht ersichtlich, welchen Anteil der Geschäftsräume die Firma K. Operations GmbH nutze. Weiterhin müsse mit Nichtwissen bestritten werden, wer wem gegenüber welche Entlassungen angezeigt habe. Arbeitnehmern sei es nur schwer möglich, Internas des Betriebsübergangs darzulegen. Jedenfalls trete die neugegründete Firma unter demselben Firmennamen nach außen hin auf und insbesondere der Onlineshop werde unter dem gleichen Namen mit der gleichen Onlineadresse lückenlos weiterbetrieben. Gerade der zeitliche Zusammenhang mit der Fortführung lasse auch darauf schließen, dass bereits zum Zeitpunkt der Kündigung die weitere Vorgehensweise geplant gewesen sei. Auch treffe es nicht zu, dass zukünftig weder Serien- noch Musterproduktionen, noch eine Herstellung von Prototypen und auch keine Produktentwicklung und Modellabteilung mehr von der Beklagten geführt werde. Gerade die Tatsache, dass die Beklagte auch mehrere Arbeitnehmer aus der Produktion übernommen habe, lasse den Schluss zu, dass zumindest eine Musterproduktion durchgeführt werde. So sei u.a. der Betriebsleiter Herr N., der ausschließlich mit der Produktion beschäftigt gewesen sei, übernommen worden. Soweit die Beklagte vortrage, dass verschiedene Bereiche outsourcest seien, müsse berücksichtigt werden, dass zusammen mit der K. Operations GmbH weitere GmbH´s, wie z.B. die Y. GmbH gegründet worden seien, die im direkten Zusammenhang mit der neugegründeten Firma K. Operations GmbH stünden; federführend sei letztendlich der ehemalige Geschäftsführer der Beklagten. Der Beklagte habe insoweit zu dem neugegründeten "Firmengeflecht" nichts vorgetragen und lasse die weiteren Tätigkeiten im Dunkeln. Insgesamt sei folglich von einem Betriebsübergang auszugehen.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klagepartei im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 20.09.2021 (Bl. 170 - 175 d.A.) sowie ihren Schriftsatz vom 22.12.2021 (Bl. 251 - 255 d.A.) Bezug genommen.
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Die Klagepartei beantragt,
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1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - Aktenzeichen 4 Ca 58/21 teilweise abzuändern und
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2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 27.01.2021 mit dem 30.04.2021 sein Ende gefunden hat.
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Der Beklagten beantragt,
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die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 01.06.2021 - 4 Ca 58/21 - zurückzuweisen.
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Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die K. Operations GmbH habe etwa 20 % der Geschäftsräume vom Käufer der Geschäftsimmobilie angemietet und betreibe in dem kleinen Teil der bisherigen Geschäftsräumlichkeiten ihr Unternehmen. Die vormalige Produktionshalle der Gemeinschuldnerin gehöre nicht dazu.
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Die Massenentlassungsanzeige bzw. insgesamt das Verfahren gemäß §§ 17 ff. KSchG sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Betriebsrat sei zu Händen des Betriebsratsvorsitzenden am 12.01.2021 sowie ergänzend am 15.01.2021 mündlich und schriftlich gemäß § 17 Abs. 2 KSchG informiert worden (s. Bl. 193 d.A.). Eine Abschrift des Schreibens vom 11.01.2021 sowie des weiteren Schreibens vom 14.01.2021 sei der zuständigen Agentur für Arbeit am 13.01.2021 sowie am 18.01.2021 übersandt worden (s. Bl. 193 d.A.). Im Rahmen der Verhandlungen hätten sich die Betriebsparteien sodann auf die Entlassung aller Mitarbeiter verständigt, was auch im Interessenausgleich dokumentiert worden sei. Mit Schreiben vom 22.01.2021 habe der Betriebsrat zu der geplanten Massenentlassung abschließend Stellung genommen (Bl. 194 d.A.); die Massenentlassung sei der Agentur für Arbeit am 25.01.2021 nach Abschluss des Interessenausgleichs angezeigt und das Massenentlassungsanzeigeformular nebst den dort genannten Anlagen von Herrn X. am 25.01.2021 nach Abschluss des Interessenausgleichs persönlich bei der zuständigen Mitarbeiterin im Büro der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit abgegeben worden. Die Agentur für Arbeit habe den Eingang der Anzeige mit Schreiben vom 25.01.2021 sowie 27.01.2021 bestätigt. Die Abschrift der Massenentlassungsanzeige sei dem Betriebsrat zu Händen des Betriebsratsvorsitzenden am 28.01.2021 persönlich übergeben worden; hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Beklagten insoweit wird auf Bl. 192 - 195 d.A. Bezug genommen, hinsichtlich des Schreibens an den Betriebsrat vom 11.01.2021 auf Bl. 202 - 206 d.A. nebst Anlagen Bl. 207 ff. d.A., das Schreiben an den Betriebsrat vom 14.01.2021 betreffend das Konsultationsverfahren auf Bl. 221 - 223 d.A., auf die Stellungnahme des Betriebsrats vom 22.01.2021 wird auf Bl. 224 - 230 d.A., bezüglich der Entlassungsanzeige vom 20.01.2021 auf Bl. 231 - 232 d.A. nebst Anlagen, Bl. 234 - 242 d.A. sowie hinsichtlich der schriftlichen Bestätigung der Agentur für Arbeit vom 25.01.2021 und 27.01.2021 auf Bl. 243 - 247 d.A. des Inhalts, dass die Entlassungsanzeige vollständig bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist, Bezug genommen.
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Entgegen der Auffassung der Klagepartei sei es nicht Aufgabe des Arbeitsgerichts, Indizien für einen Betriebs- oder Teilbetriebsübergang herauszufinden. Ihr tatsächliches Vorbringen sei in beiden Rechtszügen nicht geeignet, die gesetzliche Vermutungsregelung zu widerlegen. Auch habe die Klagepartei nicht substantiiert dargelegt, welcher konkrete Betriebsteil der Gemeinschuldnerin auf einen Erwerber übergegangen sein solle. Wann die K. Operations GmbH gegründet worden sei, sei unerheblich. Sie habe keinen erheblichen Teil der Betriebsmittel der Gemeinschuldnerin übernommen, insbesondere das Gebäude nicht erworben. Auch habe sie nicht das Eigentum sämtlicher Warenvorräte erworben, bei ihr seien lediglich 10 frühere Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin beschäftigt gewesen. Dass die Firma K. Operations GmbH ihre Geschäftstätigkeit im Ursprungsgebäude ausübe, bedeute im Übrigen nicht, dass es sich um den Betrieb der Gemeinschuldnerin handele oder um einen Teilbetrieb der Gemeinschuldnerin. Die Gemeinschuldnerin betreibe keinen Onlineshop, ebenso wenig habe die K. Operations GmbH das von der Gemeinschuldnerin geleitete Werk in Portugal übernommen. Dem Vorbringen der Klagepartei lasse sich auch nicht entnehmen, welchem nicht zur Produktion gehörenden angeblich übergegangenem Betriebsteil sie angehört haben wolle. Selbst wenn die K. Operations GmbH Produktionsmittel der Serienproduktion erworben hätte, sei dies ohne Relevanz, denn es komme auf die Fortführung des Betriebes- Teilbetriebes an, die K. Operations GmbH produziere jedoch nicht. Eine komplette Identität der neugegründeten Firma, gemeint sei wohl die K. Operations GmbH, mit der alten Firma, gemeint sei wohl die Gemeinschuldnerin, sei schon deshalb unzutreffend, weil es sich um verschiedene Rechtsträger handele. Im Übrigen seien am Standort Q. zuletzt 164 Mitarbeiter beschäftigt gewesen, die sich mit der Produktion und dem Vertrieb von Schuhen beschäftigt hätten; die K. Operations GmbH produziere nicht am Standort Q., und zwar weder Serienproduktion noch Musterproduktion noch Herstellung von Prototypen. Vielmehr erfolge gemäß dem unternehmerischen Konzept nunmehr die künftige Schuhproduktion durch ausländische Kooperationspartner. Es werde weder eine Abteilung Produktentwicklung noch eine Modellabteilung noch eine Abteilung Kollektionsentwicklung unterhalten. Vielmehr folge die Modellentwicklung als auch deren technische Umsetzung zur Vorbereitung einer Produktion durch die ausländischen Schuhproduzenten. Die K. Operations GmbH unterhalte kein Facilitymanagement; diese Tätigkeiten seien outsourcet. Ferner gebe es keine eigene Personalabteilung, keine Buchhaltung, Controlling, Rechnungswesen, Sekretariat, keinen Einkauf. Alle in diesen Bereichen anfallenden Tätigkeiten würden fremd erledigt. Gleiches gelte für den Logistikbereich und den Vertrieb; hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Beklagten insoweit wird auf Bl. 198 - 200 d.A. Bezug genommen.
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Es treffe nicht zu, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der streitgegenständlichen Kündigung die Fortführung des Betriebes bereits geplant gewesen sei. Die Gemeinschuldnerin habe zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Absicht gehabt, den Betrieb stillzulegen. Eine Betriebsfortführung sei weder geplant gewesen, noch sei sie tatsächlich erfolgt. Interessenten für eine Betriebsfortführung habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Vielmehr seien Interessenten vorhanden gewesen, freilich nur für den Erwerb einzelner Vermögensgegenstände. Auch mit Herrn F. habe es keine Gespräche darüber gegeben, den Betrieb der Gemeinschuldnerin stillzulegen, um dadurch eine Fortführung des Betriebs in seiner bisherigen Identität durch die Firma K. Operations GmbH zu ermöglichen. Betriebsschließungen und Betriebsfortführungen schlössen sich gegenseitig aus. Zwar sei die K. Operations GmbH nicht erst am 27.01.2021 gegründet worden; dies ändere an den vorliegend maßgeblichen Umständen betreffend die beabsichtigte und durchgeführte Betriebsstilllegung durch den Beklagten nichts. Allein der Umstand, dass Herr F. sowohl der Geschäftsführer der K. Operations GmbH sei, als auch einer der beiden Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, rechtfertige kein anderes Ergebnis.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 17.11.2021 (Bl. 121 - 201 d.A.) nebst Anlagen (Bl. 202 - 247 d.A.) Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.
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Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 17.01.2022. | |
Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 07. Dezember 2007 wird aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 24. Juli 2006 und 01. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2006 verurteilt, die Klägerin für 12 Monate mit dem Arzneimittel NovoSeven für die Durchführung der Gerinnungstherapie zu versorgen, soweit die behandelnde Ärztin diese Behandlung verordnet.
Es wird weiterhin festgestellt, dass die aufgrund des Beschlusses des Landessozialgerichts vom 19. November 2007 durch die Beklagte erbrachten Leistungen von dieser endgültig zu erbringen waren.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Versorgung mit dem Arzneimittel NovoSeven als Sachleistung.
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Die 1987 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Im Juni 2006 beantragte Dr. N als behandelnde Ärztin bei der Beklagten die Genehmigung einer Gerinnungstherapie mit NovoSeven im Off-Label-Use. Die Klägerin leide am Gardner-Diamond-Syndrom, der so genannten autoerythrozytären Purpura. Diese Erkrankung ist gekennzeichnet durch das schubweise Auftreten von großen, extrem schmerzhaften Einblutungen in die Haut und Schleimhäute sowie in innere Organe. Für dieses Krankheitsbild würden wegen der Seltenheit des Auftretens keine klinischen Behandlungsoptionen existieren. Weltweit seien in der Literatur 120 Fälle beschrieben, ihr Zentrum habe zwei dieser Patienten in Behandlung. Alle bisher durchgeführten Therapien hätten ein Fortschreiten der Erkrankung nicht aufhalten können. Die Klägerin habe mittlerweile Schübe mit handtellergroßen, extrem schmerzhaften Einblutungen an den Extremitäten, im Gesicht, am Körper, mit Erbrechen und Kopfschmerzen, im Intervall von 15 Tagen mit einer Dauer von 10 Tagen. Sie werde schmerztherapeutisch u.a. mit Morphium versorgt. Als einzig effektive Therapiestrategie habe sich im stationären Bereich die Behandlung mit NovoSeven, einem rekombinanten Faktor VII-Präparat, welches bei anderen Thrombozytenfunktionsstörungen effektiv und zugelassen sei, erwiesen. Nach Diskussion mit Kollegen aus der C scheine eine Prophylaxe mit NovoSeven zunächst im Schub täglich, dann zwei bis dreimal in der Woche die momentan einzige therapeutische Option zu sein, das Leben der Klägerin wieder erträglich und schmerzfrei zu gestalten.
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Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 11. Juli 2006. In der Zusammenschau der Befunde handele es sich um ein „schillerndes“ Krankheitsbild, das diagnostisch als Gardner-Diamond-Syndrom eingestuft werden könne, für das jedoch weder die Ursachen noch aussichtsreiche Behandlungsoptionen klar seien, und bei dem eine psychische Überlagerung eine erhebliche Rolle spielen dürfte. Was den Erfolg medikamentöser Behandlungsversuche der Gerinnungsstörung im individuellen Fall betreffe, werde dementsprechend in den übermittelten Arztberichten teilweise eine rasche Besserung unter Placebo bzw. ohne spezifische medikamentöse Therapie berichtet. Dass die Gabe von NovoSeven die momentan weltweit einzige therapeutische Option sei, sei vor diesem Hintergrund gutachterlich nicht sicher nachvollziehbar. Bei der Diskussion über Handlungsalternativen müsse deshalb die Frage aufgeworfen werden, inwieweit es für das Krankheitsbild überhaupt eine medikamentöse Therapie mit spezifischer Wirksamkeit gebe. Eine psychotherapeutische Mitbehandlung bei chronischem Schmerzsyndrom sei sicherlich indiziert, allerdings sei ersichtlich, dass die Klägerin einer solchen Maßnahme wenig aufgeschlossen gegenüberstehe. Verschiedene Versuche, das Krankheitsbild durch psychotherapeutische Maßnahmen günstig zu beeinflussen, einschließlich einer stationären Rehabilitation, seien offensichtlich ohne wesentlichen Erfolg geblieben. Zusammenfassend sei aus sozialmedizinischer Sicht auch unter Berücksichtigung der ergänzend übermittelten medizinischen Informationen festzustellen, dass für den indikationsüberschreitenden Einsatz von rekombinantem aktiviertem Gerinnungsfaktor VIIa (NovoSeven) die vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Kriterien zum Off-Label-Use nicht erfüllt seien.
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Auf das Ablehnungsschreiben der Beklagten teilte die behandelnde Ärztin erläuternd mit, die Erkrankung gehöre zu den schweren, bisher ursächlich nicht behandelbaren Erkrankungen. Die einzig fassbare Kausalität sei die Störung der Thrombozytenfunktion, die zu den Blutungen führe. Viele Therapieansätze seien erfolglos geblieben, lediglich die Behandlung mit NovoSeven habe bei der Klägerin andauernde und schnelle Wirkung gezeigt. Da man sich in der Situation befinde, dass die Klägerin seit April 2006 quasi einen Schub nach dem anderen durchleben müsse, dadurch schulunfähig und in Perspektive - ohne zumindest den Versuch einer alternativen Therapie - auch erwerbsunfähig sein werde, werde nochmals um Überprüfung der Ablehnung gebeten. Als Hämostaseologin und Mitglied der Gesellschaft für Thrombose und Hämostase sei sie in der Anwendung dieser Faktoren erfahren und könne den ökonomischen Einsatz gewährleisten. Es handele sich um eine die Lebensqualität auf Dauer beeinträchtigende Erkrankung, alle medikamentösen und psychotherapeutischen Möglichkeiten seien über Jahre ausgeschöpft. Unter dem Gesichtspunkt der Thrombozytenfunktionsstörung bestünde begründete Aussicht, mit dem Präparat einen anhaltenden Behandlungserfolg zu erzielen.
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5
Mit Schreiben vom 24. Juli 2006 teilte die Beklagte mit, dem Antrag auf Übernahme der Kosten für das Arzneimittel NovoSeven könne leider nicht entsprochen werden. Mit weiterem, an die Klägerin adressiertem Schreiben vom 01. September 2006 blieb die Beklagte bei ihrer Entscheidung. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2006 als unbegründet zurück. Zwar handele es sich bei dem vorliegenden Krankheitsbild zweifellos um eine die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung. Auch könne bestätigt werden, dass die Klägerin als „austherapiert“ anzusehen sei und keine alternativen Behandlungen zur Verfügung stünden. Jedoch lägen eindeutig keine Daten vor, die einen Behandlungserfolg dokumentieren. Anspruch auf Versorgung mit dem Medikament NovoSeven ergebe sich auch nicht aus den Grundsätzen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 -1 BvR 347/98-. Das Gardner-Diamond-Syndrom könne trotz seiner schweren Ausprägung nicht mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung auf eine Stufe gestellt werden. Zudem sei diese Therapieform in der Wissenschaft nicht anerkannt, es gäbe keine Hinweise über gefährliche Nebenwirkungen. Die Behandlungszahlen der Ärztin (zwei Fälle von deutschlandweit bekannten 54) sprächen nicht für eine wissenschaftliche Befürwortung. Der leitende Wissenschaftler der Herstellerfirma N habe bestätigt, dass bislang kein publizierter Fall hinsichtlich der Behandlung mit NovoSeven beim Gardner-Diamond-Syndrom vorliege.
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6
Mit der Klage vom 08. Dezember 2006 hat die Klägerin ihr Begehren, die Verurteilung der Beklagten zur Finanzierung des Arzneimittels NovoSeven für die Durchführung der Gerinnungstherapie, soweit die behandelnde Ärztin dies verordne, weiter verfolgt.
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7
Die Beklagte hat u.a. eingewandt, auch mit der Einnahme des Medikaments hätten die häufigen stationären Aufenthalte der Klägerin nicht verhindert werden können, was den Schluss zulasse, dass mit der Therapie eine Besserung des Zustandes nicht zu erreichen sei. Es würden keine Daten auch über einen annehmbaren Behandlungserfolg vorliegen, es handele sich nur um einen Therapieversuch.
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8
Die Beklagte hat eine Stellungnahme des MDK Baden-Württemberg vom 19. Januar 2007 zum Off-Label-Einsatz von rekombinantem F VIIa (NovoSeven) vorgelegt. Dessen Anwendung finde bisher offensichtlich über 90% im Off-Label-Use statt. Es seien vier Indikationsgebiete bekannt, u.a. bei der Herzchirurgie und Stammzelltransplantation. In Auswertung der veröffentlichten Studien müsse dem Off-Label-Gebrauch von Faktor VIIa mit ausgesprochener Zurückhaltung begegnet werden. Die Studienergebnisse seien uneinheitlich, eine Häufung von signifikanten Verbesserungen sei nicht zu verzeichnen. Eine prophylaktische Verwendung bei selektiven Operationen werde nicht empfohlen, Faktor VIIa solle nur als zusätzliche Therapie eingesetzt werden, wenn bei bedrohlichen Blutungen andere Therapien fehlgeschlagen seien.
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9
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Prof. Dr. T vom 26. Juli 2007. Die Klägerin leide u.a. am Gardner-Diamond-Syndrom, einer sehr seltenen Krankheit, welche mit immer wieder spontan auftretenden schweren, stark schmerzhaften Hauteinblutungen einhergehe. Begleitet würden diese Gesundheitsstörungen von häufiger Übelkeit und Erbrechen, Bauchbeschwerden, Kopfschmerzen und allgemeinen Schmerzen. Auch seien Schleimhauteinblutungen, stärkere Nachblutungen nach chirurgischen Eingriffen und einmalig eine vorübergehende Hirndurchblutungsstörung mit Halbseitenlähmung rechts im Juni 2004 aufgetreten. Daneben lägen depressive Verstimmungen und allgemeine Belastungsminderungen vor. Die Ursache dieser Erkrankung sei bisher nicht eindeutig geklärt. Der Zustand gehe mit erheblichen, sehr unangenehmen Beschwerden einher, die auch unter dauerhafter Opiatmedikation und anderen, aber nur symptomatisch wirkenden Medikamenten sowie Psychotherapie nur teilweise gelindert werden könnten. Damit sei die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt. Es sei nach den bisherigen Veröffentlichungen auch mit Einblutungen in innere Organe, so auch in das Gehirn zu rechnen. Dabei handle es sich um jeweils lebensbedrohliche Zustände, die akut aufträten, aber nicht vorausgesagt werden könnten. Außer NovoSeven seien echte Handlungsalternativen nicht vorhanden. Die bisher angewandten, rein symptomatisch wirkenden Medikamente hätten durchaus Nebenwirkungen. Auf seine Rückfrage habe der Hersteller im Juli 2007 angegeben, eine Zulassung von NovoSeven für die Indikation des Gardner-Diamond-Syndroms sei nicht beabsichtigt. Es gebe rein zahlenmäßig zu wenige Fälle, für eine aussichtsreiche Studie. Man habe schon bei der weit häufigeren Thrombasthenie Glanzmann bei der Zulassung große Schwierigkeiten gehabt. Es lägen zwar eine Reihe von Fallbeschreibungen zum Gardner-Diamond-Syndrom vor, eine Studie zur Behandlung gebe es jedoch nicht. Die Verursachung durch eine Thrombozytopathie sei erst seit wenigen Jahren bekannt und noch wenig untersucht. Zuverlässige, wissenschaftlich überprüfbare Erkenntnisse über die Qualität und Wirksamkeit in der neuen Indikationsform lägen nicht vor. Es seien lediglich einzelne Mitteilungen über den Einsatz vorhanden, die eine positive Wirksamkeit erwarten ließen. Bei der Seltenheit der Erkrankung sei ein einschlägiger Konsens in Fachkreisen auch kaum zu erwarten. Außerdem handele es sich bei dieser Indikation um relatives Neuland, da die Thrombogenese der Erkrankung erst in jüngerer Zeit überhaupt entdeckt worden sei. Zusätzlich zu erwähnen sei, dass ein Probeeinsatz des Medikaments der Klägerin gut geholfen habe.
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10
Mit Beschluss vom 19. November 2007 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg im Verfahren L 24 B 588/07 KR ER einstweilig die Beklagte verpflichtet, längstens für vier Monate auf ärztliche Verordnung die Klägerin mit NovoSeven zur Durchführung einer Gerinnungstherapie als Sachleistung versorgen, sofern diese Sicherheit in Höhe von 5500 Euro leistet. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
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11
Das Sozialgericht hat den Sachverständigen Prof. Dr. T in der mündlichen Verhandlung am 07. Dezember 2007 gehört. Er hat unter anderem ausgeführt: NovoSeven sei beim Gardner-Diamond-Syndrom angewandt worden aufgrund der Erfahrungen mit der Behandlung ähnlicher Erkrankungen. Aus der Behandlung bei einem angeborenen Faktor-VII-Mangel bei kleinen Kindern wisse man, dass die Nebenwirkungsrate relativ gering sei. Man wende NovoSeven bei verstärkten Blutungen nach und bei Operationen, bei stärkeren Menstruationsblutungen u.ä. an. Es gebe eine einzige Aussage zur Wirkung bei der Klägerin, nämlich dass es ihr über drei Monate gegeben worden sei und sie hier weniger Blutungen gehabt habe. Eine subjektive Angabe, die durchaus glaubwürdig, aber schwer zu objektivieren sei. Alle anderen Versuche seien oft aus Kostengründen nicht fortgeführt worden. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung gebe es keine Erfahrungen zur Therapie. Die Grundlage der Erkrankung sei eine Einblutung in die Haut, in die Gelenke - nicht im Sinne eines Gefäßrisses, sondern sie gehe einher mit der langsamen Zersetzung der roten Blutkörperchen in einem langsamen Prozess. Es fänden sich entzündliche Prozesse, Antikörperreaktionen, die dafür sprächen, dass es keine psychosomatische Erkrankung sei. Die Erkrankung betreffe fast ausschließlich junge Frauen und gehe einher mit einer reaktiven depressiven Reaktion. Den Wirkmechanismus des Medikaments kenne man bei dieser Erkrankung nicht. Bei einem Faktor-VII-Mangel ersetze man die fehlende Substanz, beim Gardner-Diamond-Syndrom sei nicht nur der Faktor VII gestört, man versuche mit dem Medikament wenigstens diesen Faktor zu beeinflussen. Es gebe auch keine Nachweise für eine Wirkung des Medikaments. Die behandelnde Ärztin stütze sich auf die Wirksamkeit in den beiden Fällen, die sie beobachtet habe und die Wirksamkeit bei ähnlichen Störungen. Sie habe beobachtet, dass bei kurzfristiger Einnahme ein Rückgang eintrete. Es gebe einige Veröffentlichungen, die darüber berichteten, dass das Medikament kurzzeitig angewandt und dass Verbesserungen beobachtet worden seien. Daneben gebe es ältere Veröffentlichungen, die noch von einer psychosomatischen Verursachung ausgingen. In den Unterlagen habe er eine Auflistung gefunden, die etwa 20 Berichte über diese Erkrankung angebe. Der Bericht des MDK aus Baden-Württemberg verneine die Wirksamkeit des Medikaments nicht, meine nur nachvollziehbar, dass es keinen Nachweis gebe, was ja etwas anderes sei.
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12
Mit Urteil vom 07. Dezember 2007, den Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 18. Dezember 2007, hat das Sozialgericht Frankfurt/Oder die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Gewährung des begehrten Arzneimittels als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung seien nicht erfüllt, auch nicht für eine ausnahmsweise Gewährung im Rahmen eines Off-Label-Use unter den Bedingungen eines Seltenheitsfalles (bei singulärer Erkrankung). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei jedenfalls nicht davon auszugehen, dass aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht bestehe, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg erzielt werden könne. Es gebe kein wissenschaftlich-theoretisches Erklärungsmuster für dessen Wirksamkeit. Man kenne seinen Wirkungsmechanismus (zumindest) bei dieser Erkrankung nicht. Es gebe auch keinen Nachweis für die Wirkung. Insoweit komme es tatsächlich auf die Erfahrungen der behandelnden Ärztin an und ob sich diese Annahme eines Behandlungserfolgs durch andere Ärzte in ähnlicher Weise wiederholen lasse. Soweit sich die behandelnde Ärztin auf die von der Klägerin angegebene Besserung bei kurzzeitiger Verabreichung stütze, könne weder hieraus noch aus den vorliegenden Berichten ein Nachweis über die Wirksamkeit im wissenschaftlichen Sinne gesehen werden. Erfahrungen anderer Ärzte, die einen Behandlungserfolg bei einem Gardner-Diamond-Syndrom bestätigen würden, habe der Sachverständige nicht zu finden vermocht. Auch nach Maßgabe des Urteils des BVerfG vom 06. Dezember 2005 könne die Klägerin mit ihrem Begehren nicht durchdringen. Die Beweisaufnahme habe zwar ergeben, dass bei der Klägerin eine vorübergehende Hirndurchblutungsstörung mit Halbseitensymptomatik und damit eine sehr ernste Komplikation, welche durchaus auch lebensgefährlich verlaufen könne, jedenfalls nicht ausgeschlossen werden könne. Andererseits habe der Sachverständige ausgeführt, dass es sich nach den relativ wenigen Literaturangaben wohl um eine nicht regelmäßig lebensbedrohliche bzw. zum Tode führende Erkrankung handele.
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13
Die Berufung der Klägerin ist am 18. Januar 2008 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangen. Ihre Bevollmächtigten machen u.a. geltend, nachdem die Klägerin von September 2006 bis Februar 2007 mit NovoSeven behandelt worden sei, habe es nicht mehr so große, sondern nur noch winzig kleine, vereinzelte und nicht mehr so schmerzhafte Einblutungen gegeben. Die Klägerin habe sich insgesamt wohler gefühlt und im Gesamtzustand sei eine Besserung zu verzeichnen gewesen. Es werde gerügt, dass das Sozialgericht weder Befundberichte eingeholt noch die Behandlerin befragt habe. Allein die auf die Aussage der Klägerin gestützte Nutzen-Risiko-Abwägung des Sachverständigen sei nicht ausreichend. Die krankheitsbedingten Beeinträchtigungen der Klägerin in ihrer Lebensqualität seien notstandsähnlich.
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14
Die Klägerin beantragt,
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15
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 07. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 24. Juli 2006 und 01. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2006 zu verurteilen, sie für 12 Monate mit dem Arzneimittel NovoSeven für die Durchführung der Gerinnungstherapie zu versorgen, soweit dies ärztlich verordnet wird,
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ferner
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die Entscheidung des Landessozialgerichts vom 19. November 2007 insoweit als die Klägerin danach mit NovoSeven zu versorgen war für endgültig zu erklären.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie wendet ein, der Nachweis für die Wirksamkeit des strittigen Medikaments beim Gardner-Diamond-Syndrom habe auch nach den Erfahrungen anderer Ärzte nicht geführt werden können. Eine - wie vom BSG verlangte - notstandsähnliche Situation sei bei allem Verständnis für die Lage der Klägerin nicht gegeben.
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Die Firma N hat auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, dass weder ein Antrag auf Zulassung des Medikaments gestellt, noch ihr Fälle der Anwendung von NovoSeven beim Gardner-Diamond-Syndrom bekannt seien.
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Dr. N hat auf Befragen zur aktuellen Behandlung der Klägerin angegeben, sie behandele aktuell die schweren Schübe mit einer Infusion von 2,4 mg NovoSeven Infusionen über 8 Stunden plus intravenöse Gabe eines Medikaments gegen das Erbrechen. Wegen des schlechten Allgemeinzustands sei die stationäre Infusionstherapie über 24 Stunden indiziert gewesen, heute (29. September 2008) sei die Einweisung erfolgt. Die Ärztin hat die Patientenakte übersandt.
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Auf ergänzende Befragung durch das Gericht hat Dr. N mitgeteilt, ihr seien in Deutschland aktuell zwei Kollegen bekannt, die je einen Patienten mit Gardner-Diamond-Syndrom behandelten. Da es sich um ein heterogenes Krankheitsbild handele und in diesen Fällen die Blutungen nicht im Vordergrund stünden, seien ihr keine weiteren Patienten mit so schweren Blutungen bekannt, dass sie mit NovoSeven behandelt werden müssten. Bei der Klägerin, bei der eine so genannte Thrombozytenfunktionsstörung ursächlich für die massiven Blutungen zu sein scheine, sei der Einsatz in Akutsituationen bisher sehr erfolgreich gewesen, die Hämatomneubildung habe gestoppt, die Rückbildung der bestehenden Blutungen beschleunigt und die schweren Schmerzzustände hätten sichtbar gelindert werden können. Dies sei durch kein anderes Behandlungsmodell in der Vergangenheit zu beobachten gewesen. Der Behandlungserfolg sei erklärlich, da das Medikament für die Behandlung von angeborenen Thrombozytenfunktionsstörungen zugelassen sei. Da es nur sehr wenige diagnostizierte Patienten gebe und die Symptomatik bei jedem Patienten auch zeitlich variiere, gebe es keine Studien über Diagnostik oder Behandlung. Diese werde es auch auf absehbare Zeit nicht geben. Die Behandlung sei daher immer experimentell und schwierig.
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24
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. | |
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. Februar 1979 aufgehoben, der Bescheid der Beklagten vom 28. März 1978 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin vom 1. Januar 1973 ab Elternrente gemäß § 596 der Reichsversicherungsordnung in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Elternrente.
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2
Die im Jahre 1910 geborene Klägerin ist die Mutter des 1938 geborenen und durch einen Arbeitsunfall am 21. Februar 1967 (§ 550 der Reichsversicherungsordnung– RVO –) tödlich verunglückten E. L. (L.). Der Verstorbene war ledig und nicht verlobt.
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3
Mit Schreiben vom 26. Mai 1967 gewährte die Beklagte der Klägerin von Amts wegen Sterbegeld gemäß § 589 Nr. 1 RVO nach einem Jahresarbeitsverdienst (JAV) von 8.966,– DM. Weitere Entscheidungen traf sie zuerst nicht.
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4
Auf den am 12. April 1977 gestellten Antrag der Klägerin, ihr Elternrente zu gewähren, ermittelte die Beklagte bei der Gemeindeverwaltung D.. Sie erhielt von dort die Auskunft (23. Mai 1977), daß die Klägerin eine Witwenrente aus der Arbeiterrentenversicherung in Höhe von 244,70 DM erhalte, während der Sozialhilfegerichtsatz für sie 292,– DM plus 87,60 DM betrage. L.’s Vater sei im Jahre 1961 verstorben. L. habe mit seiner Mutter in häuslicher Gemeinschaft gelebt und ihr monatlich 150,– DM für Verpflegung und Unterkunft sowie 120,– DM als Unterstützung gezahlt. Eine Freundin habe er nicht gehabt. Die Klägerin hatte ihren noch lebenden Sohn W. L. am 27. Februar 1969 ein ererbtes älteres Wohnhaus und einige landwirtschaftliche Grundstücke, deren Gesamtwert im notariellen Übergabevertrag mit 18.000 DM angegeben war, übergeben. W. L. hatte das Haus im Jahre 1973 für 23.000 DM verkauft und daher ein neues Wohnhaus gebaut, in dem er der Klägerin das Einsitzrecht an einer Wohnung von 57 qm mit einem Mietwert von 180,– DM einräumte Auskunft der Gemeindeverwaltung D. vom 7. Juli 1977).
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5
Die Beklagte zog die Sozialhilfeakten des L.-D. über die Klägerin bei, aus denen sich ergab, daß die Klägerin in den Jahren 1967 eine einmalige Beihilfe und 1972, 1973, 1974, 1975 sowie 1976 Hausbrand- und Weihnachtsbeihilfen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) erhalten hatte. Vom 23. Mai 1977 ab bezog sie laufend Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG in Höhe von 122,60 DM (Sozialamt D. vom 5. September 1977). Sie verzichtete darauf mit Wirkung vom 1. Oktober 1977, weil ihr Sohn W. L. seitdem wieder voll erwerbstätig und ihr gegenüber unterhaltsfähig war.
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Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. März 1978 lehnte es die Beklagte daraufhin ab, der Klägerin Elternrente zu gewähren. Zur Begründung führte sie aus, die Unterhaltsverpflichtung lebender Kinder gegenüber ihren Eltern gehe dem Anspruch auf Elternrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung vor. Abgesehen davon sei der Anspruch auf Leistungen für die Zeit vor dem 1. Januar 1973 verjährt. Danach wäre L. nicht mehr unterhaltspflichtig gewesen, weil er verheiratet und vorrangig seiner eigenen Familie zum Unterhalt verpflichtet gewesen wäre.
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7
Gegen diesen am 23. März 1978 zur Post gegebenen Bescheid hat die Klägerin am 26. April 1978 Klage bei dem Sozialgericht Gießen (SG) erhoben. Mit Urteil vom 6. Februar 1979 hat das SG die Klage abgewiesen, auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
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Gegen dieses ihr am 6. März 1979 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. März 1979 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
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Sie vertritt die Ansicht, die Umstände ihres Einzelfalles seien derart gelagert, daß sie ihrem Anspruch auf Elternrente begründeten. L. habe ihr regelmäßig im Monat 120, DM als Unterstützung bei einem Gesamteinkommen von 600,– DM gezahlt. Das sei mehr als die Hälfte ihres notwendigen Lebensbedarfs gewesen. Sie habe damals nur eine Witwenrente von 106,– DM erhalten. Für seinen eigenen Unterhalt sei L. selbst aufgekommen. Nach dem Tode ihres Ehemannes im Jahre 1961 habe er seinen Arbeitsplatz bei der Molkerei L. bei H. aufgegeben und sei zu ihr, seiner Mutter, gezogen, um sie zu unterstützen. Die Tatsache, daß er mit 28 1/2 Jahren abweichend von dem Durchschnittsverhalten deutscher Männer und insbesondere im Gegensatz zu seinem Bruder weder eigene Damenbekanntschaften gehabt habe noch verlobt oder gar verheiratet gewesen sei, beruhe nicht auf Zufälligkeiten, sondern entspreche dem Charakter, den Einstellungen und den Zukunftsvorhaben des Verstorbenen. Die Lebensgewohnheiten des E. seien nicht auf den Umgang mit dem anderen Geschlecht ausgerichtet gewesen. Mit Mädchen oder Frauen seines Alters sei er nie eng befreundet gewesen, er habe sich nie verlobt und auch kein vergleichbares Verhältnis unterhalten. Im Gegensatz dazu sei sein Bruder W. damals – obwohl er fast sieben Jahre jünger gewesen sei – bereits verlobt gewesen und habe schon mit seiner Verlobten in einem anderen Haus gewohnt. L. habe sowohl seinem Bruder und seiner Mutter als auch der ehemaligen Verlobten seines Bruders wörtlich erklärt, er wolle nicht heiraten. Auch die Zeugin E. B. habe diese Einstellung des L. gegen eine Heirat bekundet.
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10
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. Februar 1979 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. März 1978 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr vom 1. Januar 1973 ab Elternrente in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
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11
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Sie bestreitet, daß L. die Klägerin bereits wesentlich unterhalten gehabt habe. Seine Zahlungen seien Entgelt für Kost und Logis gewesen. Da die Klägerin eigenen Grundbesitz gehabt habe, sei sie durch den Tod des L. auch nicht in eine wirtschaftlich schlechtere Lage geraten. Außerdem hätte die Klägerin ohne den Arbeitsunfall ab 1. Januar 1973 auch keinen Unterhaltsanspruch gegen L. gehabt. Dieser wäre nämlich nach den allgemeinen statistischen Unterlagen verheiratet gewesen und hätte Kinder gehabt.
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13
In der mündlichen Verhandlung am 12. März 1980 hat der Senat die Klägerin persönlich gehört sowie E. B. und W. L. als Zeugen vernommen; auf den Inhalt der Vernehmungsniederschriften (Bl. 70, 72–73 GA) wird verwiesen.
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14
Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. | |
1.) Die Klage wird abgewiesen.
2.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leisten. | Randnummer
1
Der Kläger kaufte von den Beklagten am im Januar 2011 einen Gebrauchtwagen. Wegen der Einzelheiten des aus welchen Gründen auch immer auf den 8. Januar 2010 datierten schriftlichen Kaufvertrages nimmt das Gericht Bezug auf die Anlage K1 (Blatt 6 der Akte).
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2
Der Kläger macht nunmehr Gewährleistungsansprüche geltend. Er behauptet, Bäcker zu sein und hält den vereinbarten Gewährleistungsausschluß deshalb für unwirksam.
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3
Er beantragt,
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4
1. Die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 1.689,71 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.04.2010 zu zahlen.
2. Festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger aus dem Kaufvertrag über das Fahrzeug … resultierenden Gewährleistungsansprüche in Form der Kosten für die noch zu erfolgenden Reparaturen zu ersetzen.
3. Die Beklagten zu verurteilen, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 229.,55 € freizustellen.
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5
Die Beklagten beantragen,
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6
die Klage abzuweisen.
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7
Sie behaupten, der Kläger sei als Unternehmer aufgetreten.
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8
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird, soweit noch nicht geschehen, auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen. | |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. | Randnummer
1
Der Kläger macht Ansprüche auf restliches Architektenhonorar geltend.
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2
Die Beklagten waren Eigentümer eines 1905 errichteten zweigeschossigen Wohngebäudes, belegen B. Weg ... in ... H.. Die Beklagten beabsichtigten Anfang 2013 eine umfangreiche Sanierung dieses Gebäudes, insbesondere energetische Sanierungsmaßnahmen, Sanierung von Mauerwerk und Fassade, Sanierung der Sanitärräume, Neuplanung des Grundrisses des OG zwecks Errichtung einer Essküche, Neuplanung des Bades im EG, Sanierung der Decken, Wände und Böden in allen Innenräumen sowie Anpassung der Heizsysteme an die zentrale Warmwasseraufbereitung.
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Die Beklagten schlossen in diesem Zusammenhang am 01.02.2013 einen schriftlichen Architektenvertrag (Anlage K 1) mit dem Kläger. In Ziff. 1.1.2.7 wird als vorläufiger wirtschaftlicher Rahmen der Gesamtmaßnahme ein Betrag von minimal 90.000,00 € geschätzt. In Ziff. 3.2 wird hinsichtlich der Vergütung vereinbart, dass der Kläger erhalten soll in Vonhundertsätzen des Honorars nach HOAI: für die Entwurfsplanung (LPh 3) 11 %, für die Ausführungsplanung (LPh 5) 25 %, für die Vorbereitung der Vergabe (LPh 6) 10 %, für die Mitwirkung bei der Vergabe (LPh 7) 4 % und für die Objektüberwachung (LPh 8) 31 %. Gemäß Ziff. 3.4 wird ein Zuschlag für Umbau und Modernisierung von 25 % erhoben. In Ziff. 5.1 findet sich folgende Regelung:
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„Dauert die Durchführung der Vertragsziele (...) länger als 7 Monate und wird diese Zeit aus Gründen, die dem Architekten nicht zugerechnet werden können und von diesem auch nicht zu vertreten sind, überschritten, erhält der Architekt für jede Verlängerungswoche 1.200,00 €. Erfolgt keine Vereinbarung, sind die Vertragsparteien verpflichtet, über eine angemessene Erhöhung des Honorars für die Verlängerung der Durchführung des Vertrages zu verhandeln. Der nachgewiesene Mehraufwand ist dem Architekten in jedem Falle zu erstatten, es sei denn, dass der Architekt die Verlängerung zu vertreten hat.
“
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Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Absprache der Parteien wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.
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Der Kläger nahm seine Tätigkeit im Februar 2013 auf. Der Kläger übermittelte den Beklagten mit Schreiben vom 17.05.2013 (Anlage B 5) einen Maßnahmenkatalog für das Bauvorhaben. Mit Schreiben vom 29.07.2013 (ebenfalls Anlage B 5) übersandte der Kläger den Beklagten eine Kostenzusammenstellung, die mit Gesamtbaukosten von 95.989,04 € (brutto) und einem Architektenhonorar von 18.227,37 € (brutto) endete.
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Anfang Dezember 2013 waren die Sanierungsarbeiten abgeschlossen. Die Beklagten leisteten bis einschließlich Oktober 2013 Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 16.669,00 €.
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Mit Datum vom 22.01.2014 übermittelte der Kläger den Beklagten seine Schlussrechnung vom 21.01.2014 (Anlage B 1) mit einer Restforderung in Höhe von 22.182,88 €. Der Kläger übermittelte zugleich mit der Rechnung eine Kostenberechnung (Anlage B 6). Der hiesige Bevollmächtigte der Beklagten rügte mit Schreiben vom 12.05.2014 (Anlage B 2) die Ordnungsmäßigkeit dieser Schlussrechnung. Der Kläger übermittele die im Wesentlichen unveränderte Schlussrechnung vom 21.01.2014 am 14.05.2014 nochmals an die Beklagten.
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Die Beklagten veräußerten im Frühjahr 2015 das Haus B. Weg ... in ... H.. Der Kläger übermittelte den Beklagten seine Rechnung vom 13.07.2015 (Anlage B 4) mit einer Restforderung von 31.581,38 €. Der hiesige Bevollmächtigte der Beklagten wies auch diese Rechnung mit Schreiben vom 27.08.2015 (Anlage K 11) zurück.
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Die Beklagten zogen im Oktober 2015 von ihrem bisherigen Wohnort in W. nach N.. Sie gaben dabei gegenüber der Meldebehörde der Gemeinde W. an, dass sie nach W1, N., umziehen würden.
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Der Kläger übermittelte den Beklagten seine Rechnung vom 13.03.2016 (Anlage K 4) mit einer Restforderung in Höhe der Klagforderung (29.197,32 €). Darin enthalten ist neben einer Honorarforderung von 18.815,56 € (netto) auf Basis anrechenbarer Kosten von 186.000,00 € eine Forderung von 18.000,00 € (netto) gemäß Ziff. 5.1 des Architektenvertrages wegen „Terminverzuges“ der Beklagten.
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Der Kläger übermittelte die Rechnung vom 13.03.2016 mit Schreiben vom 14.10.2016 (Anlage K 8) an den hiesigen Bevollmächtigten der Beklagten. Hierauf antwortete der hiesige Bevollmächtigte der Beklagten mit Schreiben vom 18.10.2016 (Anlage K 19). Der Kläger wandte sich per Mail vom 01.11.2016 an die berufliche E-Mail-Adresse des Beklagten in N.. Der Beklagte antwortete hierauf per Mail vom 02.11.2016 (Anlage K 20) und verwies den Kläger auf die direkte Korrespondenz mit dem hiesigen Bevollmächtigten des Beklagten. Der hiesige Bevollmächtigte der Beklagten teilte dem hiesigen Bevollmächtigten des Klägers wiederum mit Schreiben vom 22.11.2016 (Anlage K 7) u.a. mit, dass er nicht für eine Klage zustellungsbevollmächtigt sei.
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Der Kläger behauptet, er habe die ihm nach dem Architektenvertrag obliegenden Verpflichtungen zur Planung, zur Auftragsvergabe und zur Überwachung der Ausführung vollständig ausgeführt und alle Firmen hätten die ihnen obliegenden Arbeiten ordnungsgemäß und handwerksgerecht erfüllt.
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Der Kläger behauptet weiter, es seien durch die von ihm begleiteten Sanierungsarbeiten gemäß den Weisungen der Beklagten Baukosten in Höhe von insgesamt 186.052,37 € entstanden. Der Kläger bezieht sich insoweit auf die von ihm vorgelegte Baukostenfeststellung vom 25.01.2016 (Anlage K 3). Die Steigerung der Baukosten beruhe darauf, dass die Beklagten zusätzliche Wünsche geäußert hätten und die Arbeiten sich als komplizierter und teurer herausgestellt hätten. Der Beklagte zu 2) habe bei jeder einzelnen Auftragserteilung zugestimmt und selbst den Auftrag erteilt. Der Kläger hat mit der Klagschrift vom 08.12.2016 eine Baukostenberechnung nach DIN 276 unter Berücksichtigung der zweiten Ebene der Kosten überreicht (Anlage K 5).
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Der Kläger meint, er sei zur Geltendmachung eines Verzögerungszuschlages nach Ziffer 5.1 des Architektenvertrages berechtigt. Er behauptet, die Beklagten hätten in der Zeit von Mai bis Juli 2013 die Ausführung verschleppt, indem sie die ihnen vorliegenden geprüften Angebote nicht zeitnah beantwortet hätten. Die Ausführung der Arbeiten sei dadurch um 5 Wochen verzögert worden. Wegen des weiteren klägerischen Vorbringens zur Verzögerung der Vergabe der Aufträge an die ausführenden Gewerke wird auf die Seiten 5 und 6 der Klagschrift Bezug genommen. Der Kläger behauptet, die Fertigstellung des Bauvorhabens habe sich aufgrund des Verhaltens der Beklagten vom 1.10.2013 bis zum 13.01.2014 hingezogen.
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Der Kläger behauptet ferner, die Vertragsklausel betreffend den Verzögerungszuschlag sei im Einzelnen mit den Beklagten besprochen und von diesen akzeptiert worden. Wegen des diesbezüglichen Klägervorbringens wird auf die Seiten 2 und 3 des Schriftsatzes vom 26.06.2019 (Bl. 144 f. d.A.) Bezug genommen. Es sei der Beklagte selber gewesen, der bei Abschluss des Vertrages gewünscht habe, dass ein schnellstmöglicher Fertigstellungstermin vereinbart wird und deshalb mit der besonderen Vereinbarung über ein erhöhtes Entgelt bei verspäteter Fertigstellung ausdrücklich einverstanden gewesen sei.
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Der Kläger ist ferner der Ansicht, die im Rahmen der Klage geltend gemachten Ansprüche seien nicht verjährt. Vielmehr sei bereits die Erhebung der Einrede seitens der Beklagten rechtsmissbräuchlich. Die Beklagten hätten mit allen Mitteln versucht, ihre Adresse in N. zu verschleiern. Der Kläger macht in diesem Zusammenhang weiter geltend, er habe die zustellfähige Anschrift der Beklagten in W1/ N. (... ... ...) erst am 26.03.2018 vom N. P. H. C. bestätigt erhalten (vgl. Anlage K 10) und dann sofort an das Gericht weitergeleitet. Zuvor habe er Ende Januar 2018 aus den Gerichtsakten die entsprechende Adressinformation erstmals entnehmen können. Er habe daraufhin am 09.02.2018 per Mail (Anlage K 14) Nachfrage bei den Behörden in N. gehalten, Antwort von dort aber erst am 26.03.2018 erhalten. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass es in N. möglich sei, eine konkrete aktuelle Adresse ohne weiteres über ein Suchportal o.ä. zu ermitteln. Die neuseeländische Adresse sei unbekannt und nicht zu ermitteln gewesen. Wegen des diesbezüglichen Klägervorbringens wird auf den Schriftsatz vom 04.02.2020 (Bl. 204 ff. d.A.) Bezug genommen. Alle eingetretenen Verzögerungen seien mithin auf das Verhalten der Beklagten zurückzuführen. Verjährung sei deshalb nicht eingetreten, vielmehr habe die hiesige Klage den Lauf der Verjährung gehemmt.
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18
Der Kläger hat ursprünglich beantragt, die Beklagten zur Zahlung von 29.197,32 € nebst Zinsen zu verurteilen. Mit Schriftsatz vom 27.06.2019 hat der Kläger in Höhe von 4.320,00 € die teilweise Klagrücknahme erklärt.
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Der Kläger beantragt nunmehr,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 24.877,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 09.11.2016 zu zahlen sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 691,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.11.2016 zu zahlen.
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21
Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten erheben die Verjährungseinrede. Sie machen geltend, die klägerische Forderung sei spätestens zum 31.12.2017 verjährt. Zwar sei die Rechnung des Klägers vom 21.01.2014 nicht prüffähig gewesen. Indessen seien sie, so die Beklagten, wegen verspäteter Geltendmachung von Einwendungen gegen die Prüffähigkeit mit eben diesen Einwendungen ausgeschlossen gewesen, so dass Fälligkeit des klägerischen Anspruchs bereits im Jahr 2014 eingetreten sei. Von einer alsbaldigen Zustellung der Klagschrift könne offensichtlich nicht die Rede sein. Die Beklagten behaupten in diesem Zusammenhang, ihre Adresse ... ... ... in W1... , N., sei seit Februar 2016 im offiziellen n. Wahlregister eingetragen gewesen. Dieses sei als öffentliche Quelle für Adressen ohne Weiteres verfügbar gewesen. Wegen des diesbezüglichen Beklagtenvorbringens wird ergänzend auf Seite 1 f. des Schriftsatzes vom 09.01.2010 (Bl. 185 f. d.A.), den Schriftsatz vom 30.01.2010 (Bl.201 ff. d.A.) sowie die von den Beklagten mit Datum vom 10.01.2020 gefertigte Zusammenstellung und das als Anlage B 9 vorgelegte Schreiben der n. Wahlkommission vom 24.01.2010 Bezug genommen. Die Beklagten verweisen außerdem darauf, dass die Zustellung an eine Firmenanschrift von vornherein untauglich gewesen sei. Offensichtlich sei es dem Kläger darum gegangen, den Beklagten in seinem beruflichen Umfeld zu diskreditieren. Der Kläger habe Ende 2016 versucht, unter Angabe falscher Identitäten Informationen über den Beklagten zu erlangen.
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24
Die Beklagten sind der Auffassung, der Kläger müsse seine Abrechnung anhand der als Anlage B 5 vorgelegten Kostenberechnung vom 29.07.2013 vornehmen. Diese genüge zwar nicht den Anforderungen der DIN 276, sei aber die einzige vom Kläger vorgelegte Kostenberechnung, die gemäß Ziff. 3.5 des Architektenvertrages für den Kläger verbindlich sei. Eine spätere Steigerung der Baukosten sei für den Honoraranspruch des Klägers nicht relevant, da es die in Ziff. 3.5 vorgesehene schriftliche Vereinbarung zur Anpassung des Honorars nicht gegeben habe.
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Die Beklagten machen weiter geltend, die als Anlage K 3 vorgelegten Kostenfeststellung sei nicht zutreffend. Zum einen seien Brutto- statt Nettobeträge aufgenommen worden, zum anderen seien auch Kosten, die nicht die Kostengruppen 100 bis 400 beträfen, aufgenommen worden. Richtigerweise komme man daher nur zu anrechenbaren Kosten i.H.v. 133.120,00 €. Auf dieser Basis ergebe sich ein Gesamthonorar von 9.122,30 €. Selbst unter Berücksichtigung aller Eventualitäten ergebe sich ein Honorar in Höhe von allenfalls maximal 13.891,50 € (brutto). Wegen des diesbezüglichen Beklagtenvorbringens wird auf die Seiten 2 bis 5 des Schriftsatzes vom 21.02.2019 (Bl. 127 ff. d.A.) sowie die Anlagen B 7 bis B 10 Bezug genommen.
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Die Beklagten bestreiten, dass die Klausel betreffend Zahlungen bei Bauzeitverlängerungen ausgiebig zwischen den Parteien verhandelt worden ist. Ergänzend wird auf die Ausführungen auf Seite 5 ff. des Schriftsatzes vom 26.08.2019 (Bl. 164 ff. d.A.) Bezug genommen.
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Der Kläger hat als zustellfähige Anschrift beider Beklagten in der Klagschrift vom 08.12.2016 angegeben: „c/o F. B. Ltd.,... ... ... ... ,... S., N. Z.“. Das Gericht hat am 09.01.2017 eine Zustellung in N. im Wege der Rechtshilfe veranlasst. Die Zustellung ist bei beiden Beklagten in N. durch die zuständigen n. Stellen letztlich am 20.04.2018 bewirkt worden.
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28
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Parteivorbringens auf die von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. | |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. | Von der Darstellung wird abgesehen gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO. | |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. | Randnummer
1
Die Kläger begehren von der Beklagten die Erteilung einer unbeschränkten Baugenehmigung.
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2
Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks FlurNr. …, A-Straße … in Kaiserslautern. Das Gebäude liegt an der Ecke B-Straße/A-Straße direkt gegenüber der zentralen Bushaltestelle am C-graben und weniger als 100 m entfernt von einer weiteren Bushaltestelle am D-Platz. Sowohl A-Straße als auch die nördlich gelegene C-Straße sind Teil der Ortsdurchfahrt der Bundesstraße 37. Die A-Straße verläuft in Richtung West/Ost, die C-Straße in Richtung Ost/West. In einer Entfernung von 100 – 200 m befinden sich ein großer Parkplatz sowie zwei öffentliche Parkhäuser.
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3
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2006 hatte die Beklagte den Umbau und die Nutzungsänderung eines Piercing-Studios im Erdgeschoss in einen Imbissbetrieb genehmigt. Dieser wird seither zum Straßenverkauf von zubereiteten Speisen und alkoholfreien Getränken genutzt. Diese werden aus einem ca. 11,66 m² großen Verkaufsraum durch eine geöffnete Glasfront an die Kunden abgegeben; einen Zugang für diese gibt es nicht. Hinter dem Verkaufsraum befinden sich ein 16,07 m² großer Zubereitungsraum sowie ein 11,70 m² großer Lagerraum, der auch separat von der Schneiderstraße zugänglich ist. Am 01. Juni 2010 beantragten die Kläger die Erweiterung des Imbissbetriebs in Gestalt einer Nutzungsänderung des Lagerraums zum Gastraum, der mit mehreren Tischen und Stühlen ausgestattet werden soll.
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4
Mit Schreiben vom 20. August und 15. September 2010 wies die Beklagte gegenüber den Klägern auf die Erforderlichkeit eines Stellplatznachweises für zwei Stellplätze hin und bat um Vorlage entsprechender Unterlagen. Nachdem die Kläger mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 10. September 2010 eine Abweichung der Anzahl der notwendigen Stellplätze vor und nach der Nutzungsänderung in Abrede gestellt hatten, bat die Beklagte mit Schreiben vom 18. November 2010 die Kläger noch einmal unter Fristsetzung bis 01. Dezember 2010 um Vorlage der entsprechenden Stellplatznachweise und kündigte für den Fall der Nichtvorlage die Zurückweisung des Bauantrags an.
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5
Gegen dieses Schreiben erhoben die Kläger am 01. Oktober 2010 Widerspruch mit der Begründung, ein Nachweis der geforderten Stellplätze sei nicht erforderlich.
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6
Daraufhin lehnte die Beklagte gegenüber den Klägern die Erteilung einer Baugenehmigung mit Bescheid vom 06. Dezember 2010 unter Bezugnahme auf den fehlenden Stellplatznachweis ab.
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7
Hiergegen legten die Kläger am 03. Januar 2011 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 08. Juli 2011, den Klägern zugestellt am 11. Juli 2011, wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Kläger gegen das Schreiben der Beklagten vom 18. November 2010 mit der Begründung zurück, dieses sei kein anfechtbarer Verwaltungsakt. Ferner verpflichtete der Stadtrechtsausschuss die Beklagte, den Klägern unter Abänderung des Bescheids vom 06. Dezember 2010die begehrte Baugenehmigung unter der modifizierenden Auflage des Nachweises eines den baurechtlichen Anforderungen genügenden Stellplatzes oder der Ablösung desselben zu erteilen. Zur Begründung führte der Stadtrechtsausschuss aus, für den 11,70 m² großen Gastraum seien grundsätzlich zwar zwei Stellplätze anzusetzen. Durch die vorherige Nutzung als Lagerraum habe kein Stellplatzbedarf bestanden; demnach könne ein bereits nachgewiesener Stellplatzbedarf nicht gegengerechnet werden. Vorliegend komme aber eine Verringerung der Zahl der notwendigen Stellplätze in Betracht, da das Anwesen der Kläger gut an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen sei. Deshalb sei nicht der ortsübliche Mittelwert von einem Stellplatz je 6 bis 12 m² Gastraum anzusetzen, sondern ein für die Kläger günstigerer Teiler. Daraus ergebe sich die Forderung von nur einem Stellplatz. Eine vollständige Freistellung von jeglicher Stellplatzpflicht scheide aus.
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8
Die Kläger haben dagegen am 11. August 2011 Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, das Schreiben vom 18. November 2011 sei ein anfechtbarer Verwaltungsakt, denn darin werde unmissverständlich festgestellt, dass eine Ablehnung erfolge, wenn die geforderten Bauunterlagen nicht eingereicht würden. Es handele sich um eine vorweggenommene Regelungswirkung, welche beim Empfänger den Eindruck eines Verwaltungsakts vermittle. Der Stadtrechtsausschuss fordere im Widerspruchsbescheid zu Unrecht noch einen Stellplatz. Die Beklagte habe bei der Erteilung der Baugenehmigung im Jahre 2006 keine zusätzlichen Stellplätze verlangt. Es sei kein Grund ersichtlich, warum bei unveränderten Voraussetzungen nunmehr ein zusätzlicher Stellplatz gefordert werde. Der Stadtrechtsausschuss habe im Übrigen auch die Anbindung des Anwesens an den Öffentlichen Personennahverkehr nicht ausreichend bewertet.
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Die Kläger beantragen,
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10
den „Bescheid“ der Beklagten vom 18. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. Juli 2011 aufzuheben
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sowie
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 06. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. Juli 2011 zu verpflichten, die am 01. Juni 2010 beantragte Baugenehmigung zur Erweiterung des Imbisses in Gestalt der Nutzungsänderung eines knapp 11,70 m² großen Lagerraums zum Gastraum in dem Anwesen A-Straße … in ... Kaiserslautern ohne Auflagen zu erteilen.
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13
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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15
Sie verweist auf den ergangenen Widerspruchsbescheid.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Dieser war Gegenstand der Beratung. | |
Der Bescheid der Beklagten vom 21.01.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2009 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet den Kläger erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 2/3, die Beklagte zu 1/3.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung in Höhe der festzusetzenden Kostenschuld abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung der jeweilige Kostengläubiger Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. | Randnummer
1
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den Erlass der Gewerbesteuernachzahlung für das Jahr 2004 wegen Sanierungsgewinn.
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2
Der Kläger wurde für das Jahr 2004 zur Gewerbesteuer herangezogen. Hierbei wurde ein gewerbesteuerpflichtiger Gewinn ermittelt, der aus einem Sanierungsgewinn in Höhe von 590.753,-- Euro bestand. Zwei Hauptgläubiger u. a. die D-Bank sowie die D-Anstalt hatten auf einen Teil ihrer Forderung endgültig verzichtet, um dem Unternehmen das wirtschaftliche Überleben zu ermöglichen und die Sanierung nicht zu gefährden.
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3
Unter dem 23.03.2007 erließ das Finanzamt E. dem Kläger sowie seiner Frau die Einkommenssteuer in Höhe von 42.101,95 Euro.
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4
Unter dem 03.04.2007 beantragte der Kläger unter Mitteilung, dass das Finanzamt E. den Erlass der Einkommenssteuer 2004 auf den Sanierungsgewinn positiv beschieden habe, den Erlass des Gewerbesteuerbetrages aus denselben Gründen.
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Mit Bescheid vom 21.01.2008 lehnte die Beklagte den Erlass ab mit der Begründung, als Rechtsgrundlage für den Erlass komme allein § 227 der Abgabenordnung in Betracht. Mit der Gewährung eines Steuererlasses aus sachlichen Billigkeitsgründen in den Fällen, in denen Sanierungsgewinne, wie vorliegend gegeben seien, würde der vom Bundesgesetzgeber bewusst vorgenommenen Abschaffung des gesetzlichen Sanierungsprivilegs zuwiderlaufen, da durch die Streichung der Steuerfreiheit von § 3 Nr. 66 des Einkommenssteuergesetzes die Streichung der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen gerade bewusst erfolgen solle. Aus rechtlicher Sicht fehle es hier eindeutig an einer im Billigkeitswege nach § 227 AO auszugleichenden Härte, da der Gesetzgeber gerade bewusst angeordnet habe, dass auch bei bestehenden Sanierungsgewinnen eine Besteuerung zu erfolgen habe.
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6
Mit diesen rechtlichen Grundsätzen stehe die Rundverfügung der Oberfinanzdirektion G. nicht im Einklang, ebenso nicht der Inhalt des BMF-Schreibens vom 27.03.2003. Diese Verwaltungsvorschriften hätten jedoch keinerlei Einfluss auf die Ausübung des Ermessens durch die gemeindliche Steuerverwaltung.
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7
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, der, entgegen der Empfehlung des Anhörungsausschusses bei dem Landrat vom 12.02.2009, mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2009 zurückgewiesen wurde, im Wesentlichen mit derselben Begründung, dass es aus rechtlicher Sicht eindeutig an einer im Billigkeitswege nach § 227 AO auszugleichenden Härte fehle.
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Der Kläger hat am 20.05.2009 Klage erhoben.
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Er macht umfangreiche Ausführungen zu den Voraussetzungen der sachlichen Unbilligkeit und rügt fehlende Ermessenserwägungen.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheides vom 21.01.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2009 zum Erlass der Gewerbesteuer für das Jahr 2004 zu verpflichten.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Auch sie macht Ausführungen über das Vorliegen der sachlichen Unbilligkeit und erläutert die getroffene Ermessensentscheidung.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, verwiesen.
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14
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. | |
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 2. Januar 2008 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen. | Randnummer
1
Der Beklagte wendet sich gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg, das seine Bescheide nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 aufgehoben und ihn zur Neubescheidung verpflichtet hat.
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2
Der am 1948 geborene Kläger zu 1. und die am. 1948 geborene Klägerin zu 2. sind miteinander verheiratet. Sie bezogen letztmals Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) im Jahr 1997 bzw. 2000.
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3
Die Kläger waren Eigentümer eines Einfamilienhauses mit einer Wohnfläche von 117 qm und einer Grundstücksgröße von 289 qm. Die Warmwassererwärmung erfolgte mittels Elektrotherme. Im streitigen Zeitraum wohnten nach den Angaben im Leistungsantrag vom 14. September 2004 die beiden seinerzeit volljährigen Töchter mit im Haus. Die Tochter D. erzielte versicherungspflichtiges Einkommen. Die Tochter A. war seit 1998 als Studentin an der Universität M. immatrikuliert; ausweislich der Exmatrikulationsbescheinigung vom 27. September 2005 war sie unter der elterlichen Anschrift registriert. Nach Angaben der Kläger im Berufungsverfahren habe letztere sich unter der Woche in M aufgehalten und lediglich an den Wochenenden bei den Eltern gewohnt. Einen Nachweis über den gewöhnlichen Aufenthalt in M. könne nicht vorgelegt werden. Die Tochter A. ist zum 1. März 2007 aus der elterlichen Wohnung ausgezogen.
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4
Für das Eigenheim waren monatlich folgende Kosten aufzubringen:
Grundsteuer 4,38 EUR (52,54 EUR/Jahr, fällig zum 1. Juli 2005), Hausversicherung 18,98 EUR (227,73 EUR/Jahr, fällig am 1. Januar 2005), Schornsteinfegergebühren 5,27 EUR/Monat (63,25 EUR Jahresmessung am 28. Februar 2005),
Heizungswartung 7,13 EUR (85,53 EUR am 3. März 2005),
Abfallgebühren 7,26 EUR (87,21 EUR/Jahr),
Abwasser 5,97 EUR (71,60 EUR Jahresforderung am 11.Oktober 2005).
In unterschiedlicher Höhe entstanden monatliche Kosten für Wasser (Januar 2005: 37,29 EUR, Februar bis Juni 2005: 23,00 EUR) und für Gas (Januar bis April 2005 101,00 EUR, Mai 2005 72,10 EUR, Juni 2005: 110,00 EUR).
Für Kreditraten eines Immobiliendarlehens bei der Kreissparkasse W. waren monatlich unterschiedliche Zinsen aufzubringen (Januar: 6,63 EUR, Februar: 5,92 EUR, März: 5,72 EUR, April: 5,52 EUR, Mai: 5,32 EUR, Juni: 5,12 EUR).
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5
Des Weiteren war in unregelmäßigen Abständen eine Fäkalentsorgung erforderlich. Die Kosten wurden ausweislich der Angaben der Kläger mit den Nachbarn geteilt. Im Berufungsverfahren sind Belege für das Jahr 2005 trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden.
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Für eine Kfz-Haftpflichtversicherung (Kennzeichen WR-ZC 47) zahlte der Kläger zu 1. im Jahr 2005 282,26 EUR (= 23,52 EUR/Monat).
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7
Das Kindergeld für die Tochter A. wurde auf das Konto der Kläger überwiesen und nach deren Angaben an diese weitergeleitet.
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8
Die Kläger erzielten im März 2005 Pachteinnahmen i. H. v. 61,36 EUR sowie am 17. Mai 2005 aufgrund eines anderen Pachtverhältnisses 2,23 EUR und 4,82 EUR.
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9
Der Kläger zu 1. erhielt aus einer Tätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister der seinerzeit selbstständigen Stadt D. mit ca. 2.600 Einwohnern (Stand Dezember 2008) eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 870,00 EUR/Monat. Die Höhe war mit Satzung vom 8. Mai 1996 festgelegt und mit Änderungssatzung vom 13. Juni 2002 auf EUR-Beträge umgestellt worden. Der Kläger zu 1. war im Jahr 2005 von der Einkommensteuerpflicht befreit.
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10
In ihrem Leistungsantrag vom 14. September 2004 machte die Klägerin zu 2. einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung aus medizinischen Gründen geltend. Sie legte eine Bescheinigung der Fachärztin für Innere Medizin Dr. W. vom 14. September 2004 vor. Danach lägen ein Diabetes mellitus Typ II ohne Komplikationen sowie eine struma nodosa vor. Wegen des Diabetes mellitus Typ II sei eine Diabetes-Reduktionskost erforderlich. Als Vermögen gaben die Kläger einen Bausparvertrag mit einem Guthaben von 6.194,79 EUR (Stand Jahresende 2003) sowie eine WWK-Fondspolice mit einem Wert von 3.783,22 EUR (Stand 6. September 2004) an.
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11
Der Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 8. Dezember 2004 für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juli 2005 539,60 EUR/Monat. Von dem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft von 677,74 EUR zog er als Einkommen (wohl der volljährigen Tochter D ) einen Betrag von 138,14 EUR ab. Dagegen legte der Kläger zu 1. am 31. Januar 2005 Widerspruch ein. Ausweislich eines Telefonvermerks war er der Auffassung, die Aufwandsentschädigung als Bürgermeister sei anrechnungsfrei und der Bedarf insgesamt zu niedrig bemessen.
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Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2005 als unbegründet zurück. Der Gesamtbedarf der Kläger betrage 727,59 EUR (Regelleistung je 298,00 EUR, Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) zusammen 131,59 EUR). Dabei berücksichtigte der Beklagte die Hauslasten anteilig monatlich; zusätzlich anerkannte er eine Instandhaltungs- und Bewirtschaftungspauschale und begrenzte die Heizkosten auf 93,60 EUR/Monat. Auf die Kläger entfalle je ¼ der Hauskosten als KdU. Das Einkommen der Tochter D. sei nicht zu berücksichtigen, da die Unterhaltsvermutung gemäß § 9 Abs. 5 SGB II widerlegt sei. Anzurechnen sei aber die Aufwandsentschädigung für die ehrenamtliche Tätigkeit als Bürgermeister. Es handele sich um Einkommen nach § 11 SGB II. Der Kläger zu 1. habe keine konkreten Aufwendungen für die ehrenamtliche Tätigkeit nachweisen können. Der Beklagte zog einen Freibetrag von 165,50 EUR (= 1/2 Regelleistung), einen Pauschbetrag für Versicherungen von 30,00 EUR sowie einen Kfz-Haftpflichtversicherungsbeitrag i.H.v. 23,52 EUR ab, sodass sich ein zu berücksichtigendes Einkommen von 650,98 EUR/Monat ergab. Somit verbleibe ein Bedarf von 76,61 EUR/Monat, der weit unter dem bereits bewilligten Betrag liege. Zusätzlich wären noch die Pachteinnahmen im März 2005 bedarfsmindernd zu berücksichtigen gewesen. Der Widerspruchsbescheid enthält die handschriftliche Bemerkung "keine Rücknahme für Vergangenheit/Vertrauensschutz".
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Dagegen hat der Kläger zu 1. am 1. September 2005 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Er hat auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, auch die Ansprüche der Klägerin zu 2. geltend zu machen. In der Sache hat er begehrt, die Leistungen nach dem SGB II über den gewährten Betrag von 539,60 EUR/Monat hinaus ordnungsgemäß zu berechnen und auszuzahlen. Die Aufwandsentschädigung sei nicht als Einkommen anzurechnen. Sie diene einem anderen Zweck als der Deckung des Lebensunterhalts. Sie sei grundsätzlich steuerfrei. Belege für die Ausgaben aus der Aufwandsentschädigung könnten nicht vorgelegt werden. Diese würde für Veranstaltungen ausgegeben, bei denen er als Bürgermeister präsent sein müsse (Osterfeuer mit Ehefrau, Kinderfest, Landesjägerball mit Ehefrau usw.). Dazu kämen Kosten anlässlich der Geburtstagsfeiern von im öffentlichen Leben stehenden Personen, Jägerstammtische sowie Grillabende. Die Wahrnehmung solcher Veranstaltungen diene keinem privaten Zweck. Ferner sei ein Warmwasserabzug unzulässig. Die KdU betrügen mit den tatsächlichen Ausgaben sowie der Instandhaltungs- und Wirtschaftungspauschale 277,86 EUR/Monat. Für die Klägerin zu 2. bestehe ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Ferner haben die Kläger ohne weitere Erläuterung je eine gleichlautende Bescheinigung der Fachärztin für Innere Medizin Dr. W vom 25. Oktober 2007 vorgelegt, wonach sie wegen eines Diabetes Mellitus Typ II in ihrer Behandlung seien. Eine regelmäßige eigenkontrollierte Stoffwechselüberprüfung sei sinnvoll. Teststreifen für Blutzuckerkontrollen müssten bei Diabetikern ohne Insulin eigenfinanziert werden.
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Der Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, die KdU seien durch die Kopfzahlen der Haushaltsgemeinschaft zu teilen, weshalb auf die Kläger ein Anteil von zusammen 124,44 EUR entfalle. Für die Klägerin zu 2. sei kein Mehraufwand für kostenaufwändige Ernährung zu berücksichtigen gewesen. Diabetes-Reduktionskost verursache keine höheren Kosten als Ernährung mit Normalkost.
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Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 2. Januar 2008 den Bescheid des Beklagten vom 8. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. August 2005 aufgehoben und ihn verurteilt, den Leistungsantrag für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Aufwandsentschädigung dürfe nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Diese sei eine vollständig zweckgerichtete Zahlung; daher könne der tatsächliche Aufwand offen bleiben. An die Wertentscheidung des Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) sei auch der Beklagte gebunden. Es seien die tatsächlichen Heizkosten zu berücksichtigen, eine Kürzung sei unzulässig. Bei der Berücksichtigung der tatsächlichen Heizkosten ergäben sich Gesamtkosten für die KdU i.H.v. 256,29 EUR. Da jedoch bereits ein höherer Betrag i.H.v. 263,17 EUR bewilligt worden sei, bleibe es bei diesem. Ein Bedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bestehe nicht. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.
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Gegen den ihm am 7. Februar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 29. Februar 2008 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. In der Sache hat er ausgeführt, die Verpflichtung zur Neubescheidung sei fehlerhaft. Insbesondere sei die Aufwandsentschädigung als Einkommen zu berücksichtigen, da es keine vollständig zweckbestimmte Einnahme sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stünden auch Ehrenbeamte in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Die Wertentscheidung in Artikel 28 Abs. 2 GG berühre den vorliegenden Fall nicht. Eine zweckentsprechende Verwendung der Aufwandsentschädigung sei nicht ausreichend nachgewiesen worden. Ferner habe das Sozialgericht keine so genannte Gerechtfertigkeitsprüfung vorgenommen. Die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit, nach denen Aufwandsentschädigungen anrechnungsfrei seien, seien nicht bindend.
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Der Beklagte beantragt,
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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 2. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie halten den Gerichtsbescheid für zutreffend. Zu Recht habe das Sozialgericht entschieden, dass die Aufwandsentschädigung nicht als Einkommen anzurechnen sei. Ehrenamtliche Bürgermeister leisteten einen unverzichtbaren Beitrag zum Funktionieren des Gemeindewesens. Sie erhielten für ihre Mitwirkung an der Selbstverwaltung kein Entgelt. Sie hätten lediglich Anspruch auf Ersatz ihrer mandatsbedingten Aufwendungen. Die Entschädigungszahlung sei nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt und stelle keine Alimentation dar. Die Aufwandsentschädigung trete an die Stelle des individuellen Auslagenersatzes. Nicht ausgeglichen werde damit der verbundene zeitliche Aufwand. Die Entschädigungshöhe sei auf der Grundlage von Runderlassen des Ministeriums des Inneren bestimmt worden.
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Der Senat hat die Satzung zur Anpassung von Satzungen der Stadt D. ab 1. Januar 2002 beigezogen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen. | |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen. | Die Kläger machen gegen die Beklagte als Reiseveranstalter Schadensersatzansprüche aus einer Urlaubsreise von Frankfurt am Main in die USA geltend.
Die Kläger sollten gem. der Buchungsbestätigung am 17.07.2016 vom Flughafen Frankfurt am Main nach Las Vegas fliegen. Geplante Abflugzeit in Frankfurt am Main war 12:00 Uhr, die Landung war für 14:50 Uhr Ortszeit Las Vegas geplant. Die Kläger übernachteten jedoch eine Nacht in Frankfurt auf Kosten der ausführenden Fluggesellschaft und kamen mit einem Ersatzflug erst am 18.07.2016 mit einer Verspätung von 30,5 Stunden in Las Vegas an.
Die ausführende Fluggesellschaft zahlte den Klägern eine Ausgleichszahlung in Höhe von je 600 EUR pro Person auf Basis der europäischen Fluggastrechteverordnung.
Die Kläger behaupten, dass sie sich am 17.07.2016 rechtzeitig am Flughafen in Frankfurt eingefunden und eingecheckt hätten. Zudem habe man ihnen wegen Überbuchung des Fluges die Beförderung verweigert. Die Kläger haben vorgetragen, dass sie aufgrund der Verspätung den bereits vor der Reise gebuchten Mietwagen vom 17.07.2017 bis zum 18.07.1017 nicht hätten nutzen können, wodurch ihnen ein Schaden in Höhe von 115,60 EUR entstanden sei. Darüber hinaus sei eine Übernachtung vom 17.07.2017 auf den 18.07.2017 (Tagespreis 90 EUR) und vom 18.07.2017 auf den 19.07.2017 (Tagespreis 139 EUR) in den bereits gebuchten Hotels nicht möglich gewesen. Stattdessen hätten sie am 18.07.2016 im Rumor Boutique Resort in Las Vegas übernachten müssen, wodurch weitere Kosten in Höhe von 65,22 EUR entstanden seien. Die Kläger sind der Auffassung, dass eine Anrechnung gem. Art. 12 Abs. 1 VO (EG) 261/2004 bereits deshalb nicht in Betracht komme, weil die Verspätung der Kläger am Endziel auf einer Weigerung der Beförderung wegen Überbuchung durch die ausführende Fluggesellschaft beruhe.
Die Kläger beantragen
1. die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 429,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.09.2016 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 102,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auf die Anrechnung gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) 261/2004 im Hinblick auf die von der Fluggesellschaft erfolgten Ausgleichszahlung.
Das Gericht hat gem. Beschluss vom 22.03.2017 den Parteien die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an den EuGH gem. Art. 267 AEUV vorgeschlagen, womit die Parteien einverstanden waren. Nach erfolgtem Dezernatswechsel hat die erkennende Dezernentin den Parteien mitgeteilt, dass nunmehr eine Entscheidung in der Sache beabsichtigt sei und den Parteien eine abschließende Stellungnahmefrist gesetzt. Mit Schriftsatz vom 11.08.2017 haben die Kläger wiederum beantragt, das Verfahren zur Vorlage an den EuGH auszusetzen.
Bzgl. des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. | |
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer jeweils festzusetzenden Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr in Händlerverträgen mit Einzelhändlern für das Sortiment an „Exxx-Produkten“ zu bestimmen, dass deren Verkauf über Internetplattformen Dritter, wie z. B. eBay oder Amazon Marketplace, ohne Einschränkungen oder Ausnahmen nicht gestattet ist, insbesondere durch eine Vertragsbestimmung mit dem Wortlaut:
„Der Verkauf über so genannte „Internet Auktionsplattformen“ (z. B. eBay), „Internetmarktplätze“ (z. B. Amazon Marketplace) und unabhängige Dritte ist nicht gestattet.“,
2.
an den Kläger 219,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.04.2012 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen des Ausspruchs zu Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 €, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. | Randnummer
1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung der Kosten einer Abmahnung in Anspruch.
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Die Beklagte stellt u. a. Digitalkameras der Serie „Exxx“ her, die sie teilweise direkt an Großkunden, teilweise über den Großhandel vertreibt. Sie bietet Händlern den Abschluss von „Exxx Partnervereinbarungen Fachhandel“ an (Anlage K 1). Darin ernennt sie den Händler zum autorisierten Cxxx „Exxx-Partner“. Sie autorisiert den Partner zum Verkauf an den Endkunden an seinem Standort bei stationärem Handel und gestattet ihm auch die Vermarktung durch einen eigenen Online-Shop. Die Beklagte schreibt ihrem Partner außerdem eine bestimmte Präsentation und Bevorratung sowie Werbung vor. Weiter heißt es in den Partnervereinbarungen:
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3
„Der Verkauf über so genannte „Internet Auktionsplattformen“ (z. B. eBay), „Internetmarktplätze“ (z. B. Amazon Marketplace) und unabhängige Dritte ist nicht gestattet.“
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4
Die Verwendung dieser Bestimmung mahnte der Kläger mit Schreiben vom 19.03.2012, Anlage K 2, ab. Er sieht in ihr einen Verstoß gegen § 1 GWB, Art. 101 Abs. 1 AEUV. Mit ihr seien die Händler daran gehindert, nach ihrer Wahl Kunden zu erreichen. Es handele sich um eine Beschränkung des Vertriebsweges und damit auch des „intra-brand-Wettbewerbs“. Es liege eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vor, durch die insbesondere kleineren, nicht besonders finanzstarken Partnern der Zugang zum E-Commerce praktisch verwehrt werde. Die beanstandete Klausel sei nicht durch qualitative Anforderungen gerechtfertigt. Auch auf Plattformen könne eine ausreichende Sortimentstiefe angeboten werden. Der Shop könne sich dort ebenso gut darstellen wie in einem eigenen Online-Shop. Eine Freistellung nach Art. 2 Nr. 2 Vertikal-GVO komme nicht in Betracht, weil es sich um eine unzulässige Kernbeschränkung nach Art. 4 b) handele, nämlich eine Kundengruppenbeschränkung. Dem Händler werde der Zugang zu den Käuferkreisen verwehrt, die ihre Internetkäufe ausschließlich oder überwiegend über Internet-Plattformen abwickelten. Eine zunehmende Anzahl von Internetkäufern nutze als alleinige Anlaufstelle eBay oder Amazon, weil diese Plattformen großes Vertrauen genössen und eine schnelle und einfache Abwicklung ermöglichten. Diese Kundengruppe sei abgrenzbar. Ohnehin sei eine trennscharfe Abgrenzung aber nicht erforderlich.
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Der Kläger beantragt,
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- wie erkannt-.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie rügt die Aktivlegitimation des Klägers. Dieser habe nicht beweisen können, dass ihm auch Unternehmen angehörten, die auf dem relevanten Markt der Digitalkameras aktiv seien. Ein Unterlassungsanspruch komme aber auch deswegen nicht in Betracht, weil keine Wettbewerbsbeschränkung vorliege. Vielmehr sei die Beschränkung aus Gründen der Qualitätssicherung und der Gewährleistung des richtigen Gebrauchs ihrer hochwertigen Kameras mit mannigfachen Einstellungsmöglichkeiten erforderlich. Der Verkauf derartiger Kameras solle nur durch geschultes Fachpersonal erfolgen. Durch das Betreten eines einheitlichen Internetauftritts des Händlers könne der Verbraucher erkennen, dass er mit einem Fachmann kommuniziere. Dies sei bei Internetplattformen dagegen nicht der Fall. Dort könne der Kunde vielmehr häufig nicht unmittelbar mit dem Anbieter in Kontakt treten. Außerdem böten die Online-Shops im Gegensatz zu den Marktplätzen die Gewähr dafür, dass nur Originale angeboten würden. Jedenfalls liege keine spürbare Wettbewerbsbeeinträchtigung vor. Ihr Marktanteil liege lediglich bei 3,5 %. Es sei ihren Händlern freigestellt, die Partnervereinbarung zu schließen. Zudem lägen die Voraussetzungen für eine Freistellung nach Art. 2 Abs. 2 Vertikal-GVO vor; es liege keine Kundengruppenbeschränkung i. S. d. Art. 4 b) vor, vielmehr gebe es nur eine einheitliche Gruppe der „Internetkäufer“. Beide Arten des Kaufes, also entweder über Internetplattformen oder über Online-Shops, seien austauschbar. Die Online-Shops könnten über Preissuchmaschinen erreicht werden. Online-Plattformen böten dem Händler auch letztlich keine Ersparnisse oder geringeren Aufwand bei grenzüberschreitendem Handel. Auch sei eine Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV möglich.
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Hinsichtlich der Kostenerstattungsforderung bestreitet sie die vom Kläger vorgetragene Berechnungsgrundlage und erhebt die Einrede der Verjährung.
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Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. | |
I. Auf die Berufung der Beklagten werden die Urteile des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2006 (S 57/14 AL 701/03) und vom 15. November 2006 (S 57/14 AL 1143/03) abgeändert und die Klagen vollständig abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. November 2006 (S 57/14 AL 1142/03) abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 22. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2003 aufgehoben, soweit darin der Eintritt einer Sperrzeit für den Zeitraum vom 29. April bis 21. Juli 2003 festgestellt wird. Im Übrigen werden die Berufungen des Klägers und der Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen. | Randnummer
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Die Beteiligten streiten um das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe wegen des Eintritts von drei zwölfwöchigen Sperrzeiten, um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit während der Sperrzeiten sowie um die Weiterbewilligung von Arbeitslosenhilfe.
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Der Kläger bezog vom Arbeitsamt A-Stadt Arbeitslosenhilfe in Höhe von 15,43 Euro täglich. Mit bestandskräftigen Bescheiden vom 12. Februar 2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2002 und vom 17. Juni 2002 stellte die Beklagte für die Zeit vom 27. November bis 17. Dezember 2001 und für die Zeit vom 14. Juni bis 25. Juli 2002 jeweils Sperrzeiten wegen Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme fest. Ab 26. Juli 2002 bewilligte die Beklagte erneut Arbeitslosenhilfe für ein Jahr (Bl. 394 der Verwaltungsakte).
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1. Am 11. November 2002 erhielt der Kläger ein Arbeitsplatzangebot (Bl. 473 der Verwaltungsakte). Es handelte sich um eine Stelle als Touristikfachkraft bei der Firma C. GmbH. Der Arbeitsort war D.. Das Arbeitsplatzangebot enthielt die an den Kläger gerichtete Bitte, sich umgehend schriftlich bei dem genannten Arbeitgeber zu bewerben. Dies unterließ der Kläger. In der hierzu von ihm eingeholten "Erklärung über das Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses" gab er als Begründung für das Unterlassen einer Bewerbung an, der Grundlohn dieses Reisebüros liege nach seiner eingehenden Erfahrung unter seinen Fixkosten. Darüber hinaus werde weitgehend auf Provisionsbasis bezahlt (Bl. 474 der Verwaltungsakte). Daraufhin wurde mit Bescheid des Arbeitsamtes A-Stadt vom 22. November 2002 für den Zeitraum vom 12. November 2002 bis 3. Februar 2003 der Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit festgestellt. Zugleich wurde dem Kläger mitgeteilt, dass während der Sperrzeit der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ruhe und sein gegenwärtiger Anspruch auf Leistungen vollständig erlösche, wenn er nach Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld Anlass für Sperrzeiten mit einer Dauer von zusammengerechnet mindestens 24 Wochen gebe und er über den Eintritt der Sperrzeit jeweils einen schriftlichen Bescheid erhalten habe (Bl. 475 Verwaltungsakte). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vereitelt. Das Arbeitsangebot habe den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung entsprochen. Die Arbeit sei dem Kläger zuzumuten gewesen. Er habe voraussehen müssen, dass er infolge seines Verhaltens arbeitslos bleiben würde. Der Kläger sei bei der Unterbreitung des Arbeitsangebotes darüber belehrt worden, dass er Anlass zum Eintritt einer Sperrzeit nach § 144 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gebe, sofern ein Beschäftigungsverhältnis durch sein Verschulden nicht zu Stande komme und er für sein Verhalten keinen wichtigen Grund habe. Die von dem Kläger zur Begründung für das Unterlassen der Bewerbung gemachten Angaben könnten die Annahme eines wichtigen Grundes nicht rechtfertigen. Maßgebend sei insoweit die Tatsache, dass die Entlohnung dem ortsüblichen Entgelt für diese Tätigkeit entsprochen habe. Mit der Sperrzeitfeststellung wurde die Entscheidung über die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe unter Bezugnahme auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 330 SGB III für die Dauer der Sperrzeit aufgehoben.
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Am 11. Dezember 2002 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. November 2002. Zur Begründung des Widerspruchs trug er vor, er habe sich bereits vor einem dreiviertel Jahr bei der Firma C. beworben gehabt. Seinerzeit sei ihm bei den Gehaltsverhandlungen ein Monatsgehalt von 900 Euro beziehungsweise 1100 Euro brutto zuzüglich Provision angeboten worden. Diese Angebote seien nicht ausreichend gewesen, um seine Fixkosten zu decken und lägen auch unter dem Tariflohn. Er habe sich daher auf das aktuelle Stellenangebot bei der Firma C. nicht beworben (Bl. 493 Verwaltungsakte). Durch Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 22. November 2002 als unbegründet zurück (Bl. 502 Verwaltungsakte).
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Mit einem bei der Beklagten am 5. Februar 2003 gefertigten und dann von der Beklagten beim Sozialgericht Frankfurt am Main eingereichten Schreiben hat der Kläger dagegen Klage erhoben (Az. S 57/14 AL 701/03). Zur Begründung hat er auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen und zur Vorgeschichte vorgetragen, dass er bereits früher in der Reisebranche gearbeitet habe. Im Jahre 1998 sei es zu einer Kooperationsvereinbarung mit einem österreichischen Reisemagazin gekommen, wobei er auch mit seinem Schwager, einen Hotelmanager in Bangkok, zusammenzuarbeiten gehabt habe. Dieser habe jedoch nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen, nachdem sein früherer Rechtsanwalt mit seinem Schwager über ein in Österreich durchgeführtes Verlassenschaftsverfahren nach seinem, des Klägers Vater, gesprochen habe. Erst später sei ihm bekannt geworden, dass die Angabe seines früheren Rechtsanwaltes, sein Schwager wolle nichts mehr mit ihm zu tun haben, unzutreffend gewesen sei. In der Folgezeit sei es ihm nicht gelungen, seine Arbeit noch retten zu können. Von ihm unter Bezugnahme auf die Kooperationsvereinbarung mit dem Reiseunternehmen - als Beleg dafür, dass er in Arbeit stehe - angemietete Wohnung habe er wieder verloren. In einem Fall habe sein damaliger Rechtsanwalt die Kooperationsvereinbarung nicht an den Vermieter weitergeleitet, so dass er, der Kläger, wegen bestehender Mietrückstände die Wohnung habe räumen müssen. Im zweiten Fall habe der Vermieter den Mietvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten. Der ihn damals vertretene Rechtsanwalt habe in diesem Zusammenhang die Kooperationsvereinbarung auftragswidrig nicht vorgetragen, so dass er im weiteren Verlauf auch diese Wohnung verloren habe. Obwohl er während dieser ganzen Zeit im Leistungsbezug des Arbeitsamtes gestanden habe, habe dieses sich ihm gegenüber unkooperativ verhalten, so dass es nun zu der Klage gekommen sei.
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Mit Urteil vom 24. Mai 2006 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main unter Abänderung des Bescheides vom 22. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2003 die Sperrzeit auf 3 Wochen und die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ebenfalls auf 3 Wochen, beginnend am 12. November 2002, reduziert und die Klage im Übrigen abgewiesen (S 57/14 AL 701/03).
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Rechtliche Grundlage der Sperrzeitfeststellung sei im vorliegenden Fall § 144 Abs. 4 Nr. 1c SGB III in der Fassung des Art. 1 Nr. 20 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4607). Diese Fassung des § 144 SGB III, die gemäß Artikel 14 Abs. 1 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt am 1. Januar 2003 in Kraft getreten sei, sei vorliegend einschlägig, weil es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei Anfechtungsklagen - wie hier - auf den Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung, hier des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2003, ankomme (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz (SGG), 8. Aufl. 2005, § 54 Rdnr. 32 a). Nach § 144 Abs. 4 Nr. 1 c SGB III in der genannten Fassung betrage die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsablehnung drei Wochen, wenn es sich - wie im vorliegenden Fall - um die erstmalige Ablehnung einer Arbeit nach Entstehung des Anspruchs handele. Die Vorschrift des § 434g Abs. 2 SGB III verlange nicht, dass abweichend von der dargestellten Rechtslage in Fällen, in denen das Sperrzeitereignis vor dem 1. Januar 2003 liege, die letzte Verwaltungsentscheidung aber nach dem 31. Dezember 2002 ergangen sei, noch die Regelsperrzeit von 12 Wochen gemäß § 144 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung zu Grunde zu legen sei. § 434g SGB III sei durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4607) mit Wirkung vom 1. Januar 2003 in das SGB III eingefügt worden. Nach dem Wortlaut des § 434g Abs. 2 SGB III sei § 144 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden, wenn das Ereignis, das die Sperrzeit begründe, vor dem 1. Januar 2003 liege. Nach dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung sei hiermit lediglich geregelt worden, dass die nunmehr durch § 144 Abs. 1 Satz 4 SGB III begründete – in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung der Vorschrift nicht enthaltene – Pflicht des Arbeitslosen, die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes für sein versicherungswidriges Verhalten maßgebenden Tatsachen darlegen und nachweisen zu müssen, in Fällen, in denen das Sperrzeitereignis vor dem 1. Januar 2003 eingetreten sei, weiterhin nicht bestehe. Die Darlegungs- und Nachweispflicht gelte hiernach nur bezüglich solcher Sperrzeitereignisse, die nach dem Inkrafttreten des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, d.h. vom 1. Januar 2003 an, einträten (vgl. Schlegel, in: Hennig, SGB III, § 434g, Rdnrn. 4 und 25; Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 434g, Rdnr. 6; vgl. auch die Begründung zu § 434g Abs. 2 SGB III im Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Bundestagsdrucksache 15/25, Seite 36). Anhaltspunkte dafür, dass mit § 434g Abs. 2 SGB III eine über diese zugunsten der Arbeitslosen getroffene Übergangsregelung hinausgehende Regelung hätte getroffen werden sollen, lägen nicht vor. Insbesondere seien keine Gründe dafür ersichtlich, dass durch die Vorschrift weitergehende Abweichungen von dem oben dargestellten Grundsatz, dass bei Anfechtungsklagen die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich sei, hätten bewirkt werden sollen. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die durch die Neufassung des § 144 SGB III eingeführten Vergünstigungen bezüglich der Sperrzeitdauer denjenigen Arbeitslosen, die eine Sperrzeitentscheidung wegen eines vor dem 1. Januar 2003 liegenden Sperrzeitereignisses angefochten haben, nicht zu Gute kommen sollten (so wohl auch Schlegel, a.a.O., Rdnr. 23).
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Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit von drei Wochen gemäß § 144 Abs. 4 Nr. 1 c SGB III in der Fassung des Art. 1 Nr. 20 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 lägen vor. Ausweislich der Verwaltungsakte sei dem Kläger das in Rede stehende Stellenangebot am 11. November 2002 schriftlich ausgehändigt worden. Hierbei sei er über die Rechtsfolgen, die eintreten, wenn er ohne wichtigen Grund eine angebotene Beschäftigung nicht annehmen oder die Anbahnung oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch sein Verhalten verhindert, belehrt worden. Gleichwohl habe der Kläger, wie er selbst eingeräumt habe, es unterlassen, sich auf das Stellenangebot hin bei der Firma C. GmbH zu bewerben. Die Beklagte sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses vereitelt habe. Es seien auch keine Gründe dafür ersichtlich, dass das Arbeitsangebot für den Kläger nicht zumutbar gewesen wäre. Sein Vorbringen, dass das Lohnangebot dieses Arbeitgebers nicht ausreichend gewesen sei, um seine Fixkosten zu decken, sei unsubstantiiert. Im Übrigen knüpfe dieses Vorbringen auch lediglich an Kenntnisse über die Lohnhöhe an, die der Kläger im Zusammenhang mit einer zeitlich vorangegangenen Bewerbung bei demselben Arbeitgeber erlangt haben wolle. Von dem Kläger wäre zu erwarten gewesen, sich erneut zu bewerben und so das aktuelle Lohnangebot der Firma C. in Erfahrung zu bringen. Die von dem Kläger dargestellte Vorgeschichte zur Entstehung seiner Arbeitslosigkeit biete keinen Ansatzpunkt dafür, einen wichtigen Grund für das Absehen des Klägers von einer Bewerbung bei der Firma C. anerkennen zu können. Ein solcher sei auch sonst nicht erkennbar geworden. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass die angebotene Arbeit den Kläger überfordert hätte, zumal er nach seiner eigenen Darstellung über umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen in der Reisebranche verfüge.
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Die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe habe auch mit Wirkung für die Vergangenheit - hier vom 12. November 2002 an, dem Tag nach Ablehnung der Bewerbung - aufgehoben werden können. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - hier die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe - vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, wenn der Betroffene wusste oder grob fahrlässig nicht wusste, dass der Leistungsanspruch Kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen sei. Dieser Fall läge hier vor. Aufgrund der ihm mit dem Arbeitsplatzangebot erteilten Rechtsfolgenbelehrung hätte der Kläger wissen müssen oder zumindest leicht erkennen können, dass infolge seines Verhaltens eine wesentliche Änderung in Gestalt des Eintritts einer Sperrzeit bewirkt würde. Die Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe sei entsprechend der vorgenommenen Reduzierung der Sperrzeit auf drei Wochen, beginnend am 12. November 2002, zu beschränken gewesen.
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Dieses Urteil wurde dem Kläger und der Beklagten am 24. August 2008 zugestellt. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil am 12. September 2006 Berufung eingelegt (L 7 AL 174/06).
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2. Der Kläger erhielt von der Beklagten am 11. November 2002 ein weiteres Arbeitsplatzangebot (Bl. 478 der Verwaltungsakte). Es handelte sich um eine Stelle als Reiseverkehrskaufmann bei der Firma E. Der Arbeitsort war D. Das Arbeitsplatzangebot enthielt die an den Kläger gerichtete Bitte, sich umgehend schriftlich bei dem genannten Arbeitgeber zu bewerben. Dies unterließ der Kläger. In der hierzu von ihm eingeholten „Erklärung über das Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses" nahm er Bezug auf die Gründe, die er für das Unterlassen der Bewerbung bei der Firma C. GmbH angegeben hatte, nämlich dass der in Aussicht gestellte Grundlohn nach seiner eingehenden Erfahrung unter seinen Fixkosten liege (Bl. 477 der Verwaltungsakte). Darüber hinaus werde weitgehend auf Provisionsbasis bezahlt. Mit einem weiterem Bescheid des Arbeitsamtes A-Stadt vom 22. November 2002 wurde für den Zeitraum vom 4. Februar 2003 bis 28. April 2003 anschließend an die vorangehende zwölfwöchige Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung bezüglich des Stellenangebotes der Firma C. GmbH der Eintritt einer (weiteren) zwölfwöchigen Sperrzeit festgestellt. Zugleich wurde dem Kläger mitgeteilt, dass während der Sperrzeit der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ruhe und sein gegenwärtiger Anspruch auf Leistungen vollständig erlösche, wenn er nach Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld Anlass für Sperrzeiten mit einer Dauer von zusammengerechnet mindestens 24 Wochen gebe und er über den Eintritt der Sperrzeit jeweils einen schriftlichen Bescheid erhalten habe (Bl. 479 Verwaltungsakte). Mit der Sperrzeitfeststellung wurde die Entscheidung über die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe unter Bezugnahme auf § 48 SGB X i.V.m. § 330 SGB III für die Dauer der Sperrzeit aufgehoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vereitelt. Das Arbeitsangebot habe den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung entsprochen. Die Arbeit sei dem Kläger zuzumuten gewesen. Er habe voraussehen müssen, dass er infolge seines Verhaltens arbeitslos bleiben würde. Der Kläger sei bei der Unterbreitung des Arbeitsangebotes darüber belehrt worden, dass er Anlass zum Eintritt einer Sperrzeit nach § 144 SGB III gebe, sofern ein Beschäftigungsverhältnis durch sein Verschulden nicht zu Stande komme und er für sein Verhalten keinen wichtigen Grund habe. Die von dem Kläger zur Begründung für das Unterlassen der Bewerbung gemachten Angaben könnten die Annahme eines wichtigen Grundes nicht rechtfertigen. Maßgebend sei insoweit die Tatsache, dass die Entlohnung dem ortsüblichen Entgelt für diese Tätigkeit entsprochen habe. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 11. Dezember 2002 Widerspruch. Zur Begründung des Widerspruchs trug er vor, er habe sich bereits vor einem dreiviertel Jahr bei dem E. beworben gehabt. Seinerzeit sei ihm bei den Gehaltsverhandlungen ein Monatsgehalt von 900 Euro brutto zuzüglich Provision angeboten worden. Dieses Angebot sei nicht ausreichend gewesen, um seine Fixkosten zu decken und läge auch unter dem Tariflohn. Er habe sich daher auf das aktuelle Stellenangebot bei dem E. nicht beworben (Bl. 493 Verwaltungsakte). Durch Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 22. November 2002 als unbegründet zurück (Bl. 507 Verwaltungsakte).
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Mit einem bei der Beklagten am 5. Februar 2003 gefertigten und dann von der Beklagten beim Sozialgericht Frankfurt am Main eingereichten Schreiben hat der Kläger dagegen Klage erhoben (S 57/14 AL 1143/03). Ergänzend zu der für die Klage mit dem Aktenzeichen S 57/14 AL 701/03 gegebenen Begründung hat der Kläger vorgetragen, er habe sich schon während seiner Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann aufgrund der Beziehung zu seinem Schwager, der Generaldirektor eines Hotels in Bangkok sei, auf das Luxussegment im Reiseverkehr sowie auf die Länder Asien, Australien und die USA spezialisiert. Hierzu gehörten Verkauf, Marketing und PR insbesondere von Geschäftsreisen und Kongressreisen der Luxuskategorie. Demgegenüber sei der E. auf Last-Minute-Reisen spezialisiert, wofür seine Spezialkenntnisse und Kontakte in der Reisebranche nicht nutzbringend seien.
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Mit Urteil vom 15. November 2006 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 22. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2003 die Sperrzeit und die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe auf sechs Wochen, beginnend ab 3. Dezember 2002, reduziert und die Klage im Übrigen abgewiesen (S 57/14 AL 1143/03). Rechtliche Grundlage der Sperrzeitfeststellung sei im vorliegenden Fall § 144 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 4 Nr. 2c SGB III in der Fassung des Art. 1 Nr. 20 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4607). Die Anwendung dieser Fassung des § 144 SGB III hat das Sozialgericht Frankfurt am Main ebenso begründet wie in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen S 57/14 AL 701/03 (s.o.).
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Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit von sechs Wochen gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2c SGB III in der Fassung des Art. 1 Nr. 20 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 lägen vor. Ausweislich der Verwaltungsakte sei dem Kläger das in Rede stehende Stellenangebot am 11. November 2002 schriftlich ausgehändigt worden. Hierbei sei er über die Rechtsfolgen, die eintreten, wenn er ohne wichtigen Grund eine angebotene Beschäftigung nicht annehmen oder die Anbahnung oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch sein Verhalten verhindert, belehrt worden. Gleichwohl habe es der Kläger, wie er selbst eingeräumt habe, unterlassen, sich auf das Stellenangebot hin bei dem E. zu bewerben. Die Beklagte sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses vereitelt habe. Der Kläger habe es auch unterlassen, sich auf die ihm vom Arbeitsamt angebotene Stelle bei der Firma C. zu bewerben, so dass es sich hier um die zweite Ablehnung einer ihm vom Arbeitsamt nach Entstehung des Anspruchs angebotenen Stelle handele. Es seien auch keine Gründe dafür ersichtlich, dass das Arbeitsangebot für den Kläger nicht zumutbar gewesen wäre. Sein Vorbringen, dass das Lohnangebot dieses Arbeitgebers nicht ausreichend gewesen sei, um seine Fixkosten zu decken, sei unsubstantiiert. Im Übrigen knüpfe dieses Vorbringen auch lediglich an Kenntnisse über die Lohnhöhe an, die der Kläger im Zusammenhang mit einer zeitlich vorangegangenen Bewerbung bei demselben Arbeitgeber erlangt haben wolle. Von dem Kläger wäre zu erwarten gewesen, sich erneut zu bewerben und so das aktuelle Lohnangebot der Firma E. in Erfahrung zu bringen. Die von dem Kläger dargestellte Vorgeschichte zur Entstehung seiner Arbeitslosigkeit biete keinen Ansatzpunkt dafür, einen wichtigen Grund für das Absehen des Klägers von einer Bewerbung bei dem E. anerkennen zu können. Dies gelte auch für den von dem Kläger hervorgehobenen Umstand, er sei auf das Luxussegment der Reisebranche spezialisiert, der E. verkaufe hingegen vorwiegend Last-Minute-Reisen. Unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten müsse ein Arbeitsplatzangebot nicht zwingend zu denjenigen Beschäftigungen gehören, für die der Arbeitnehmer ausgebildet sei oder die er bisher ausgeübt habe (vgl. § 121 Abs. 5 SGB III). Ein Arbeitsplatz aus derselben Branche, für die der Arbeitnehmer ausgebildet sei (hier: Reisebranche) sei daher ungeachtet einer vorliegenden Spezialisierung als zumutbar anzusehen. Auch sei nicht ersichtlich, dass die angebotene Arbeit den Kläger hätte überfordern können.
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Der Beginn der streitgegenständlichen Sperrzeit sei auf den 3. Dezember 2002 vorzuverlegen. Gemäß § 144 Abs. 2 SGB III beginne die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründe, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit falle, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Im vorliegenden Fall falle der Tag nach dem Sperrzeitereignis (Unterlassen der Bewerbung bei dem E.) mit dem Beginn der vorangehenden Sperrzeit (12. November 2002) zusammen. Da deren Laufzeit durch Urteil der Kammer vom 24. Mai 2006 – S 57/14 AL 701/03 – auf drei Wochen reduziert worden sei und daher mit Ablauf des 2. Dezember 2002 endete, habe die streitgegenständliche Sperrzeit unmittelbar anschließend am 3. Dezember 2002 zu beginnen.
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Die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe habe auch mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden können. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung – hier die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe – vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, wenn der Betroffene wusste oder grob fahrlässig nicht wusste, dass der Leistungsanspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Dieser Fall läge hier vor. Aufgrund der ihm mit dem Arbeitsplatzangebot erteilten Rechtsfolgenbelehrung hätte der Kläger wissen müssen oder zumindest leicht erkennen können, dass infolge seines Verhaltens eine wesentliche Änderung in Gestalt des Eintritts einer Sperrzeit bewirkt würde. Die Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe sei entsprechend der vorgenommenen Reduzierung der Sperrzeit auf sechs Wochen, beginnend am 3. Dezember 2002, zu beschränken.
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17
Dieses Urteil wurde der Beklagten am 8. Februar 2007 und dem Kläger am 9. Februar 2007 zugestellt. Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 12. Februar 2007 und die Beklagte am 1. März 2007 Berufung eingelegt (L 7 AL 24/07).
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3. Der Kläger erhielt am 8. Oktober 2002 ein Arbeitsplatzangebot (Bl. 481 der Verwaltungsakte). Es handelte sich um eine Stelle als Reiseverkehrskaufmann bei der Firma F. GmbH, in G. Das Arbeitsplatzangebot enthielt die an den Kläger gerichtete Bitte, umgehend einen Vorstellungstermin mit dem genannten Arbeitgeber zu vereinbaren. Die Firma F. teilte mit einem bei der Beklagten am 21. Oktober 2002 eingegangenen Formular mit, der Kläger habe sich nicht bei ihr gemeldet (Bl. 481 der Verwaltungsakte). In einer Erklärung über das Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vom 11. November 2002 teilte der Kläger mit, er habe sich mit dem Arbeitgeber vor ca. zwei Wochen telefonisch in Verbindung gesetzt, sei jedoch abgelehnt worden. Er habe sich bereits vor einem Jahr selbst dort beworben und sei damals abgelehnt worden (Bl. 482 Verwaltungsakte). Mit Bescheid des Arbeitsamtes A-Stadt vom 22. November 2002 wurde für den Zeitraum vom 29. April 2003 bis 21. Juli 2003 anschließend an die vorangehende zwölfwöchige Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung bezüglich des Stellenangebotes der Firma F. der Eintritt einer (weiteren) zwölfwöchigen Sperrzeit festgestellt. Zugleich wurde dem Kläger mitgeteilt, dass während der Sperrzeit der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ruhe und sein gegenwärtiger Anspruch auf Leistungen vollständig erlösche, wenn er nach Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld Anlass für Sperrzeiten mit einer Dauer von zusammengerechnet mindestens 24 Wochen gebe und er über den Eintritt der Sperrzeit jeweils einen schriftlichen Bescheid erhalten habe. Mit der Sperrzeitfeststellung wurde die Entscheidung über die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe unter Bezugnahme auf § 48 SGB X i.V.m. § 330 SGB III für die Dauer der Sperrzeit aufgehoben (Bl. 483 Verwaltungsakte). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vereitelt. Das Arbeitsangebot habe den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung entsprochen. Die Arbeit sei dem Kläger zuzumuten gewesen. Er habe voraussehen müssen, dass er infolge seines Verhaltens arbeitslos bleiben würde. Der Kläger sei bei der Unterbreitung des Arbeitsangebotes darüber belehrt worden, dass er Anlass zum Eintritt einer Sperrzeit nach § 144 SGB III gebe, sofern ein Beschäftigungsverhältnis durch sein Verschulden nicht zu Stande komme und er für sein Verhalten keinen wichtigen Grund habe. Die von dem Kläger zur Begründung für das Unterlassen der Bewerbung gemachten Angaben könnten die Annahme eines wichtigen Grundes nicht rechtfertigen. Am 11. Dezember 2002 erhob der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid. Zur Begründung des Widerspruchs trug er vor, er habe sich bereits vor einem Jahr bei der Firma F. beworben gehabt. Die Büroleiterin habe ihm gleich gesagt, dass er für die Stelle nicht infrage komme. Daher habe er sich nicht mehr beworben (Bl. 493 Verwaltungsakte).
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19
Durch Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14. Januar 2003 wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 22. November 2002 als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 497 Verwaltungsakte).
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20
Mit einem bei der Beklagten am 5. Februar 2003 gefertigten und dann von der Beklagten beim Sozialgericht Frankfurt eingereichten Schreiben hat der Kläger dagegen Klage erhoben (S 57/14 AL 1142/03). Ergänzend zu der für die Klage mit dem Aktenzeichen S 57/14 AL 701/03 gegebenen Begründung hat der Kläger vorgetragen, er habe sich schon während seiner Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann aufgrund der Beziehung zu seinem Schwager, der Generaldirektor eines Hotels in H. sei, auf das Luxussegment im Reiseverkehr sowie auf die Länder Asien, Australien und die USA spezialisiert. Hierzu gehörten Verkauf, Marketing und PR insbesondere von Geschäftsreisen und Kongressreisen der Luxuskategorie. Demgegenüber sei die Firma F. auf Last-Minute-Reisen spezialisiert, wofür seine Spezialkenntnisse und Kontakte in der Reisebranche nicht nutzbringend seien. Offenbar vor diesem Hintergrund sei ihm schon ein Jahr zuvor, als er sich dort vorgestellt habe, von der dortigen Büroleiterin gesagt worden, dass er für diese Stelle nicht infrage komme. Er habe sich daher nicht erneut bei dieser Firma beworben.
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Mit Urteil vom 15. November 2006 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main unter Abänderung des Bescheides vom 22. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2003 den Beginn der Sperrzeit auf den 14. Januar 2003 vorverlegt und die Klage im Übrigen abgewiesen (S 57/14 AL 1142/03).
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22
Rechtliche Grundlage der Sperrzeitfeststellung sei im vorliegenden Fall § 144 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 4 Nr. 3 SGB III in der Fassung des Art. 1 Nr. 20 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4607). Diese Fassung des § 144 SGB III, die gemäß Artikel 14 Abs. 1 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt am 1. Januar 2003 in Kraft getreten sei, sei vorliegend einschlägig, weil es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei Anfechtungsklagen - wie hier - auf den Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung, hier des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2003, ankomme (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 54 Rdnr. 32a). Nach § 144 Abs. 4 Nr. 3 SGB III in der genannten Fassung betrage die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsablehnung 12 Wochen, wenn es sich um die mehr als zweimalige Ablehnung einer Arbeit nach Entstehung des Anspruchs handele.
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23
Die Voraussetzungen für den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 SGB III in der Fassung des Art. 1 Nr. 20 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 lägen vor. Der Kläger sei mit dem in Rede stehenden Stellenangebot über die Rechtsfolgen, die eintreten, wenn er ohne wichtigen Grund eine angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder die Anbahnung oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch sein Verhalten verhindert, belehrt worden. Gleichwohl habe der Kläger es, wie er selbst eingeräumt habe, unterlassen, sich auf das Stellenangebot hin bei der Firma F. zu bewerben. Die Beklagte sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses vereitelt habe. Der Kläger habe es auch bereits unterlassen, sich auf die ihm vom Arbeitsamt angebotenen Stellen bei den Firmen C. und E. zu bewerben, so dass es sich hier um die dritte Ablehnung einer ihm vom Arbeitsamt nach Entstehung des Anspruchs angebotenen Stelle handele. Es seien auch keine Gründe dafür ersichtlich, dass das Arbeitsangebot bei der Firma F. für den Kläger nicht zumutbar gewesen wäre. Der Umstand, dass er sich seinen Angaben zufolge bereits ein Jahr zuvor bei diesem Arbeitgeber beworben hatte, befreie ihn nicht davor, sich auf das aktuelle Stellenangebot erneut dort vorzustellen. Da die Firma F. offenbar noch Bedarf an einem Mitarbeiter hatte, sei nicht von vornherein auszuschließen gewesen, dass die von dem Kläger geforderte Vereinbarung eines Vorstellungstermins erfolglos sein würde. Auch die von ihm dargestellte Vorgeschichte zur Entstehung seiner Arbeitslosigkeit biete keinen Ansatzpunkt dafür, einen wichtigen Grund für das Absehen von einer Bewerbung bei der Firma F. anerkennen zu können. Dies gelte auch für den von dem Kläger hervorgehobenen Umstand, er sei auf das Luxussegment der Reisebranche spezialisiert, die Firma F. verkaufe hingegen vorwiegend Last-Minute-Reisen. Unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten müsse ein Arbeitsplatzangebot nicht zwingend zu denjenigen Beschäftigungen gehören, für die der Arbeitnehmer ausgebildet sei oder die er bisher ausgeübt habe (vgl. § 121 Abs. 5 SGB III). Ein Arbeitsplatz aus derselben Branche, für die der Arbeitnehmer ausgebildet sei (hier: Reisebranche) sei daher ungeachtet einer vorliegenden Spezialisierung als zumutbar anzusehen. Auch sei nicht ersichtlich, dass die angebotene Arbeit den Kläger hätte überfordern können.
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Der Beginn der streitgegenständlichen Sperrzeit sei auf den 14. Januar 2003 vorzuverlegen und damit unmittelbar anschließend an die vorangehende Sperrzeit, deren Laufzeit durch Urteil der Kammer vom heutigen Tage - S 57/14 AL 1143/03 - auf sechs Wochen, beginnend ab 3. Dezember 2002, reduziert worden sei und daher mit Ablauf des 13. Januar 2003 ende.
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Die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe habe auch mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden können. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - hier die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe - vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, wenn der Betroffene wusste oder grob fahrlässig nicht wusste, dass der Leistungsanspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Dieser Fall läge hier vor. Aufgrund der ihm mit dem Arbeitsplatzangebot erteilten Rechtsfolgenbelehrung hätte der Kläger wissen müssen oder zumindest leicht erkennen können, dass infolge seines Verhaltens eine wesentliche Änderung in Gestalt des Eintritts einer Sperrzeit bewirkt würde.
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Dieses Urteil wurde der Beklagten am 8. Februar 2007 und dem Kläger am 9. Februar 2007 zugestellt. Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 12. Februar 2007 und die Beklagte am 1. März 2007 Berufung eingelegt (L 7 AL 23/07).
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4. Der Kläger beantragte am 3. März 2003 die Fortzahlung der Leistung (Bl. 536 Verwaltungsakte). Vor der Entscheidung hierüber wurde ihm am 25. Juni 2003 vom Arbeitsamt ein Arbeitsplatzangebot unterbreitet (Bl. 533 Verwaltungsakte). Es handelte sich um eine Stelle als kaufmännischer Mitarbeiter bei der Firma I. in A-Stadt. Das Arbeitsplatzangebot enthielt die an den Kläger gerichtete Bitte, sich umgehend schriftlich bei dem genannten Arbeitgeber zu bewerben. Dem Angebot war eine Rechtsfolgenbelehrung angefügt, durch die der Kläger u.a. darüber belehrt wurde, dass eine längstens zwölf Wochen dauernde Sperrzeit eintrete, wenn er ohne wichtigen Grund das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch sein Verhalten verhindere, z. B. indem er sich nicht vorstelle. Die Sperrzeit könne für ihn unter Umständen das vollständige Erlöschen seines derzeitigen Anspruchs zur Folge haben, wenn er nämlich nach der erstmaligen Entstehung des Leistungsanspruchs Anlass zum Eintritt von mehreren Sperrzeiten mit einer Dauer von zusammengerechnet 21 Wochen gegeben habe, und wenn ihm über den Eintritt der einzelnen Sperrzeiten jeweils ein schriftlicher Bescheid erteilt worden sei. Der Kläger unterließ es, sich bei der Firma I. zu bewerben.
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Mit Bescheid des Arbeitsamtes A-Stadt vom 16. Juli 2003 wurde das Erlöschen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosenhilfe mit der Begründung festgestellt, er habe erneut Anlass zum Eintritt einer Sperrzeit gegeben; der Antrag auf Arbeitslosenhilfe müsse daher abgelehnt werden (Bl. 540 Verwaltungsakte). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe auf das ihm unterbreitete Arbeitsplatzangebot bei der Firma I. trotz Belehrung über die Rechtsfolgen keinen Kontakt mit diesem Arbeitgeber aufgenommen, so dass es nicht zu einer Einstellung habe kommen können. Sein Verhalten stehe einer Arbeitsablehnung gleich. Das Arbeitsangebot habe den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung entsprochen. Die Arbeit sei dem Kläger zuzumuten gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass er für sein Verhalten einen wichtigen Grund gehabt habe, bestünden nicht. Damit habe er seit der Entstehung seines Leistungsanspruches Anlass zum Eintritt von Sperrzeiten mit einer Gesamtdauer von mindestens 21 Wochen gegeben. Sein Leistungsanspruch sei daher erloschen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 24. Juli 2003 Widerspruch ein und machte geltend, der von dem Arbeitgeber angebotene Stundenlohn von 7 Euro sei zur Finanzierung des Lebensunterhaltes nicht ausreichend, da allein seine Wohnungsmiete sich schon auf 600 Euro belaufe (Bl. 544 Verwaltungsakte).
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Gegen den Bescheid vom 16. Juli 2003 hat der Kläger am 23. Juli 2003 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben (S 14 AL 2675/03). Durch Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 7. August 2003 wurde der Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 556 Verwaltungsakte). Am 13. August 2003 hat der Kläger beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage gegen den Bescheid vom 16. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2003 erhoben (S 14 AL 2959/03). Mit Beschluss vom 26. April 2005 wurden beide Klageverfahren unter dem Aktenzeichen S 14 AL 2675/03 verbunden. Ergänzend zu der für die Klage mit dem Aktenzeichen S 57/14 AL 701/03 gegebenen Begründung hat der Kläger vorgetragen, er sei auf Grund seines Lebenslaufes für die ihm angebotene Stelle als kaufmännischer Mitarbeiter bei der Firma I. überqualifiziert. Außerdem sei ein Stundenlohn von 7 Euro für ihn nicht zumutbar.
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Mit Urteil vom 15. November 2006 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen (S 57 AL 2675/03). Rechtliche Grundlage für die Feststellung des Erlöschens des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosenhilfe sei § 196 Satz 1 Nr. 3 SGB III in der Fassung des Art. 1 Nr. 25a des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I S. 4607), die gemäß Artikel 14 Abs. 1 desselben Gesetzes am 1. Januar 2003 in Kraft getreten sei. Danach erlösche der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, wenn der Arbeitslose nach der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe Anlass für den Eintritt von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 21 Wochen gegeben habe, der Arbeitslose über den Eintritt der ersten Sperrzeit nach Entstehung des Anspruchs einen schriftlichen Bescheid erhalten habe und auf die Rechtsfolgen des Eintritts von Sperrzeiten von insgesamt 21 Wochen hingewiesen worden sei. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Der Kläger habe durch die Unterlassung von Bewerbungen auf die Arbeitsplatzangebote bei den Firmen C., E. und F. bereits Anlass für den Eintritt von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 21 Wochen gegeben. Er habe über den Eintritt aller Sperrzeiten schriftliche Bescheide erhalten. Auf die Rechtsfolgen des Eintritts von Sperrzeiten von insgesamt 21 Wochen sei er jedenfalls in dem Arbeitsplatzangebot vom 25. Juni 2003 (Firma I.) hingewiesen worden. Ungeachtet des Umstandes, dass es hiernach nicht mehr darauf ankomme, ob der Kläger Anlass für den Eintritt einer weiteren Sperrzeit gegeben habe, sei auch die in dem angefochtenen Bescheid vom 16. Juli 2003 enthaltene Feststellung, der Kläger habe im Hinblick auf das Unterlassen einer Bewerbung auf das Arbeitsplatzangebot als kaufmännischer Mitarbeiter bei der Firma I. erneut Anlass zum Eintritt einer Sperrzeit gegeben, nicht zu beanstanden.
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Nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III trete eine Sperrzeit dann ein, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalte, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Fehlverhalten liege hiernach vor, wenn der bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldete Arbeitnehmer oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch sein Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung). Der Kläger sei im vorliegenden Fall einschlägig belehrt. Gleichwohl habe er es unterlassen, sich auf das Stellenangebot hin bei der Firma I. zu bewerben. Einen wichtigen Grund hierfür hätte er nicht gehabt. Insbesondere sei nichts dafür ersichtlich, dass die angebotene Stelle für den Kläger nicht zumutbar gewesen wäre. Es handelte sich um eine Stelle als kaufmännischer Mitarbeiter, für die er aufgrund seiner kaufmännischen Ausbildung nicht ungeeignet gewesen wäre. Sein Vorbringen, der angebotene Stundenlohn von 7 Euro sei für ihn nicht zumutbar, sei unsubstantiiert. Es wäre von ihm zumindest zu erwarten gewesen, im Rahmen einer Bewerbung die näheren Einzelheiten der Entlohnung in Erfahrung zu bringen. Aus einem bei den Verwaltungsakten der Beklagten abgehefteten Vermerk vom 7. August 2003 über ein Telefonat mit der Firma I. sei zu entnehmen, dass es sich bei dem angegebenen Betrag von 7 Euro pro Stunde um einen Basissatz handele; je nach Qualifikation des betreffenden Arbeitnehmers würden üblicherweise 8 bis 12 Euro pro Stunde gezahlt (Bl. 555 Verwaltungsakte). Gemäß § 144 Abs. 4 Nr. 3 SGB III betrage die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsablehnung zwölf Wochen, wenn es sich um die mehr als zweimalige Ablehnung einer Arbeit nach Entstehung des Anspruchs handele. Der Kläger habe es bereits unterlassen, sich auf die ihm vom Arbeitsamt angebotenen Stellen bei den Firmen C., E. und F. zu bewerben, so dass es sich hier um die mehr als zweimalige Ablehnung einer ihm vom Arbeitsamt nach Entstehung des Anspruchs angebotenen Stelle handelte.
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Dieses Urteil wurde dem Kläger am 9. Februar 2007 zugestellt. Dagegen hat der Kläger am 12. Februar 2007 Berufung eingelegt (L 7 AL 25/07).
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Durch Beschluss vom 13. Juni 2007 wurden die Berufungsverfahren L 7 AL 174/06, L 7 AL 23/07, L 7 AL 24/07 und L 7 AL 25/07 unter dem Aktenzeichen L 7 AL 174/06 verbunden. Mit Beschluss vom 13. Juni 2008 wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Schreiben vom 13. Mai 2009 bat der Kläger um die Fortführung des Verfahrens. Seitdem wird das Verfahren unter dem Aktenzeichen
L 7 AL 75/09
fortgeführt.
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Der Kläger ist der Auffassung, es sei im nicht zumutbar, sich auf Stellenangebote zu bewerben, wenn er bei vorangegangenen Stellenangeboten dieses Arbeitgebers von diesem bereits einmal abgelehnt worden sei.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. November 2006 mit den Aktenzeichen S 57/14 AL 1143/03, S 57/14 AL 1142/03 und S 14 AL 2675/03 und die Bescheide der Beklagten vom 22. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2003 (Sperrzeit vom 4. Februar 2003 bis 28. April 2003), vom 22. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2003 (Sperrzeit vom 29. April 2003 bis 21. Juli 2003) und vom 16. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe ab 22. Juli 2003 in gesetzlicher Höhe zu gewähren und die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2006 mit dem Aktenzeichen S 57/14 AL 701/03 und die Urteile des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. November 2006 mit den Aktenzeichen S 57/14 AL 1143/03 und S 57/14 AL 1142/03 zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2006 und vom 15. November 2006 mit den Aktenzeichen S 57/14 AL 701/03, S 57/14 AL 1143/03 und S 57/14 AL 1142/03 aufzuheben, soweit mit ihnen die Bescheide der Beklagten vom 22. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2003 (Sperrzeit vom 12. November 2002 bis 3. Februar 2003), vom 22. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2003 (Sperrzeit vom 4. Februar 2003 bis 28. April 2003) und vom 22. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2003 (Sperrzeit vom 29. April 2003 bis 21. Juli 2003) abgeändert wurden, und die Klagen abzuweisen sowie die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. November 2006 mit den Aktenzeichen S 57/14 AL 1143/03, S 57/14 AL 1142/03 und S 14 AL 2675/03 zurückzuweisen.
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Die Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. November 2006 mit dem Aktenzeichen S 14 AL 2675/03 für zutreffend. Die Urteile des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2006 und vom 15. November 2006 seien jedoch, soweit darin ihre Bescheide abgeändert wurden, nicht zutreffend. Im Falle des Klägers seien bereits für die Zeit vom 27. November bis 17. Dezember 2001 und für die Zeit vom 14. Juni bis 25. Juli 2002 zwei Sperrzeiten wegen Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme eingetreten. Daher könne bei dem Arbeitsangebot, das zur Sperrzeit ab 12. November 2002 geführt habe, nicht von einem ersten Verstoß gegen versicherungsrechtliche Obliegenheiten ausgegangen werden. Im Übrigen gehe das Sozialgericht Frankfurt am Main zu Unrecht davon aus, dass die Dauer der Sperrzeit nicht zwölf, sondern nur drei Wochen betrage, weil im vorliegenden Fall die Regelung des § 144 Abs. 4 Nr. 1c SGB III in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt einschlägig sei. Nach allgemeinen Grundsätzen gelte jedoch für Regelungen, die an Tatsachen anknüpften, das zum Zeitpunkt der Tatsache geltende Recht. Anknüpfungspunkt für den Eintritt der Sperrzeit sei vorliegend die Tatsache, dass der Kläger das Zustandekommen der angebotenen Beschäftigung vereitelt habe, weil er sich bei dem vorgeschlagenen Arbeitgeber nicht beworben habe. Dieser Zeitpunkt habe im Jahre 2002 gelegen. Mangels einer anders lautenden Bestimmung in einer Übergangsregelung sei deshalb das materielle Recht des Jahres 2002 anzuwenden. Danach sei eine Sperrzeit von zwölf Wochen eingetreten. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht daraus, dass für die Regelung des § 144 Abs. 1 SGB III eine ausdrückliche Übergangsregelung bestehe (§ 434g Abs. 2 SGB III). Diese Übergangsvorschrift gewährleiste, dass die Regelung, nach der der Arbeitnehmer die Beweislast bei der Feststellung eines wichtigen Grundes in Sperrzeitfällen zu tragen habe, nur für Sperrzeitereignisse gelte, die nach Inkrafttreten des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt eintreten. Die nach altem Recht geltende Beweislastverteilung solle auch noch im Jahre 2003 Anwendung finden, wenn das Sperrzeitereignis vor dem 1. Januar 2003 gelegen habe. Die neue Regelung sehe eine Verschärfung bei der Beweislastverteilung hinsichtlich des wichtigen Grundes vor. Diese Beweislastverteilung knüpfe als Verfahrensregelung nicht an eine Tatsache, sondern an ein Verwaltungshandeln an. Für Regelungen, die an ein Verwaltungshandeln anknüpften, gälte, dass das zum Zeitpunkt des Verwaltungshandelns geltende Recht maßgebend sei. Ohne die Übergangsregelung in § 434g Abs. 2 SGB III würde somit auch auf Sperrzeitereignisse, die vor dem 1. Januar 2003 lägen, die schärfere Verfahrensregelung Anwendung finden, wenn die Verwaltungsentscheidung nach dem 31. Dezember 2002 getroffen worden sei. Um dies zu vermeiden, sei die Übergangsregelung erforderlich. Nach allgemeinen Grundsätzen seien die Wirkungen einer Rechtsänderung somit unterschiedlich und hingen davon ab, woran die Regelung anknüpfe. Dies habe das Sozialgericht verkannt, indem es für die Dauer der Sperrzeit nicht auf das zum Zeitpunkt des Sperrzeitereignisses, sondern auf das zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebende Recht abgestellt habe.
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Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen. | |
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 26. August 2021 aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht Neuruppin zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
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In der Sache streiten die Beteiligten um die Höhe des Grades der Behinderung (GdB). Konkret geht es vorliegend darum, ob das Sozialgericht zu Recht die Sache zur erneuten Entscheidung an den Beklagten zurückverwiesen hat.
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Die 1959 geborene Klägerin beantragte im Oktober 2020 unter Bezugnahme auf einen nicht aktenkundigen Antrag von November 2019 erstmals die Feststellung ihres Behindertenstatus. Sie bezog sich auf psychische und orthopädische Leiden und einen Diabetes und stellte mit Schreiben vom 24. September 2020 klar, dass es um die rückwirkende Feststellung ab Oktober/November 2019 gehe. Der Beklagte holte bei der Klägerin eine Auskunft über ihren Diabetes und ärztliche Auskünfte bei dem Orthopäden Dr. W, bei dem Neurologen und Psychiater Dr. I und bei dem Allgemeinmediziner O sowie eine gutachtliche Stellungnahme bei Dr. V ein und stellte mit Bescheid vom 9. November 2020 den GdB mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2019 mit 20 fest wegen einer psychischen Störung, einer Funktionsstörung der Wirbelsäule und einer Funktionsstörung beider Schultergelenke, die er jeweils mit Einzel-GdB von 20 bewertete. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und zur Begründung medizinische Unterlagen vor. Der Beklagte holte im Widerspruchsverfahren einen weiteren Befundbericht bei dem Psychiater Dr. I, eine gutachtliche Stellungnahme bei Dr. B (Einschätzung GdB 20) sowie eine Entscheidung von Frau S- (Einschätzung GdB 30) ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2021 stellte der Beklagte den GdB mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2019 mit 30 fest, wies den Widerspruch im Übrigen aber zurück. Der Beklagte folgte demnach Frau S-, ging von denselben Funktionsbeeinträchtigungen und Einzel-GdB aus, bildete hieraus aber einen höheren Gesamt-GdB.
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Hiergegen hat die Klägerin am 28. April 2021 Klage erhoben.
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Das Sozialgericht hat die Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 29. Juni 2021 darüber in Kenntnis gesetzt, dass erwogen werde, das vorliegende Verfahren gemäß § 131 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur weiteren Sachaufklärung an den Beklagten zurückzuverweisen. Die Beteiligten sind dem jeweils entgegengetreten.
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Durch Urteil vom 26. August 2021 hat das Sozialgericht den Bescheid des Beklagten vom 9. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2021 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Erstfeststellungsantrag der Klägerin für die Zeit ab dem 1. Oktober 2019 an den Beklagten zurückverwiesen. Die Klage sei als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft und im Sinne der teilweisen Aufhebung der angefochtenen Bescheide unter Zurückverweisung der angegriffenen Entscheidung an den Beklagten zur neuerlichen Prüfung und nochmaligen Sachentscheidung auch begründet. Soweit der Klageantrag darüber hinaus auf ein zusprechendes Verpflichtungsurteil gerichtet sei, habe es keiner Klageabweisung im Übrigen bedurft. Denn der Streitgegenstand sei vorliegend auf den Anfechtungsteil beschränkt, da die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG vorliegen würden. Der angefochtene Bescheid sei aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an den Beklagten zurückzuverweisen. Einer ausdrücklichen Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Verbescheidung habe es nicht bedurft, denn aus der Aufhebung der angefochtenen Bescheide folge bereits kraft Gesetzes, dass der Beklagte über den Feststellungsantrag der Klägerin erneut zu entscheiden habe.
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Nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG könne das Gericht, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich halte, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich seien und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich sei. Eine Entscheidung nach Satz 1 könne gemäß § 131 Abs. 5 Satz 5 SGG nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen. Vor einer Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG seien die Beteiligten hierzu zu hören. Der Anwendungsbereich des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG sei eröffnet. Insoweit erweitere § 131 Abs. 5 Satz 2 SGG den Anwendungsbereich des Satzes 1 auf Klagen auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsaktes. Die formellen Voraussetzungen für die Zurückverweisung würden vorliegen. Die Schwerbehindertenakte sei am 17. Mai 2021 beim Sozialgericht eingegangen. Damit sei die Sechsmonatsfrist gewahrt. Bei den materiellen Voraussetzungen sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu berücksichtigen, dass es sich bei § 131 Abs. 5 SGG um eine Vorschrift mit Ausnahmecharakter handele, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen eng auszulegen und auf besonders gelagerte Fälle beschränkt seien. § 131 Abs. 5 SGG begründe eine Ausnahme von der Verpflichtung der Gerichte, die bei ihnen anliegenden Sachen grundsätzlich selbst spruchreif zu machen. Sie soll den Gerichten im Interesse einer zügigen Erledigung des Rechtsstreits die eigentlich der Behörde obliegende zeit- und kostenintensive Sachverhaltsaufklärung ersparen und einer sachwidrigen Aufwandsverlagerung entgegenwirken, wenn die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich seien und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich sei. § 131 Abs. 5 SGG ziele darauf ab, einer Verlagerung der Amtsermittlungspflicht der Behörde nach § 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in das gerichtliche Verfahren entgegenzuwirken. Die Vorschrift diene nicht dazu, dem jeweils vorherigen Entscheidungsträger das eigene Verständnis von ausreichender Sachverhaltsaufklärung als verbindlich vorzuschreiben, sondern in Ausnahmefällen bei Unterschreitung der an eine Sachaufklärung zu stellenden Mindestanforderungen eine erneute Entscheidung des vorhergehenden Entscheidungsträgers nach weiteren Ermittlungen zu erwirken. Grundsätzlich soll nur ein der Behörde unterlaufener und den Sachverhalt betreffender Aufklärungsmangel und demzufolge eine sachwidrige Aufwandsverlagerung auf die Gerichte zur Zurückverweisung berechtigen. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung eines Aufklärungsmangels sei regelmäßig der Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung, da die Behörde spätere Entwicklungen bei ihrer Entscheidungsfindung nicht berücksichtigen könne. Nach diesen Maßgaben habe zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides ein Aufklärungsmangel vorgelegen, der die Kammer bei pflichtgemäßer Ausübung ihres Ermessens berechtige, die Sache an den Beklagten zurückzuverweisen.
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Für die Entscheidung in der Sache sei eine weitere Sachaufklärung erforderlich. Die insoweit erforderlichen Ermittlungen würden sich vorliegend als erheblich darstellen. Für die Höhe des GdB seien alle vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren Einzelbewertung maßgeblich. Zu deren Aufklärung habe sich der Beklagte vorliegend darauf beschränkt, Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte einzuholen und diese durch seinen versorgungsärztlichen Dienst auswerten zu lassen. Teilweise werde angenommen, dass diese Ermittlungen „vom Schreibtisch aus“ speziell in dem durch medizinische Fragen geprägten Gebiet des Schwerbehindertenrechts in der Regel nicht ausreichend seien. Es könne dahinstehen, ob bereits aus diesem Grund ein Aufklärungsmangel anzunehmen sei. Denn jedenfalls würden die vom Beklagten vorgenommenen Ermittlungen in dem konkreten Fall der Klägerin eine Bewertung der Einzel-GdB und des hieraus zu bildenden Gesamt-GdB nicht zulassen. Dabei sei insbesondere die bisherige Sachverhaltsaufklärung zu den orthopädischen und psychischen Leiden der Klägerin grob unzureichend.
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Nach einem ärztlichen Entlassungsbericht vom 27. Juli 2018 klage die Klägerin seit Jahrzehnten über Beschwerden des Bewegungsapparates insbesondere im Bereich der Lenden- und Halswirbelsäule, wobei zum Zeitpunkt der Reha-Behandlung thorakale Beschwerden sowie eine Bewegungseinschränkung im Bereich der rechten Schulter nach subkapitaler Humerusfraktur vorrangig gewesen seien. Nach eingehender Erörterung der Diagnosen hat das Sozialgericht hierzu ausgeführt, dass sich anhand der dem Beklagten vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht beurteilen lasse, welche Funktionsstörungen aus dem Wirbelsäulenschaden resultierten. Insoweit fehle es vorliegend insbesondere an einer fachärztlichen Befunderhebung der Bewegungseinschränkungen unter Anwendung der Neutral-Null-Methode. Bei dieser Sachlage sei unklar, auf welcher Grundlage die ärztlichen Berater des Beklagten zu der Einschätzung gelangt seien, die Funktionsstörung der Wirbelsäule sei mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Angesichts der von der Klägerin konsistent geschilderten erheblichen Rumpfbeschwerden und der Ausführungen des behandelnden Orthopäden Dr. W hätte sich der Beklagte zu einer weiteren Aufklärung gedrängt fühlen müssen, dies entweder durch eine versorgungsärztliche Untersuchung der Klägerin oder durch Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens.
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Auch die Aufklärung der bei der Klägerin vorliegenden psychischen Erkrankung sei unzureichend. Der behandelnde Psychiater berichte insoweit von einer rezidivierenden depressiven Störung mittelgradiger Ausprägung. Allerdings finde sich in seinen Befundberichten kein aussagekräftiger psychopathologischer Befund. Relevante Feststellungen etwa zur Bewusstseinslage, zur Orientierung, zur Aufmerksamkeit, zur Gedächtnisleistung, zum formalen und inhaltlichen Denken sowie zur Affektivität fehlten. Allerdings würden die Ausführungen des Psychiaters durchaus in Richtung einer stärker behindernden Störung weisen. Hinzu komme, dass der behandelnde Hausarzt bei der Klägerin zuletzt die Verdachtsdiagnose Neurasthenie (Erschöpfungssyndrom, „Burnout“) gestellt habe. Für eine verlässliche Einschätzung des Schweregrades der psychischen Störung hätte auch auf psychiatrisch-neurologischem Fachgebiet eine eingehende fachärztliche Untersuchung der Klägerin erfolgen müssen. Soweit der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten die Einstufung des psychischen Leidens als leichte vegetative Störung damit begründe, dass die psychotherapeutische Behandlung erst begonnen habe und der Verlauf abzuwarten bleibe, erscheine dies angesichts eines dokumentierten Behandlungsbeginn im Februar 2019 wenig überzeugend.
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Die Aufklärung des Diabetes der Klägerin sei gleichfalls unzureichend. Aus dem Bericht des behandelnden Hausarztes ergebe sich ein deutlicher Anstieg des HbA1c-Wertes, was auf eine Verschlechterung der Einstellungsqualität hindeute. Hier wäre es angezeigt gewesen, die behandelnde Endokrinologin Dr. S um Auskunft zu bitten. Diese hätte auch zu den Folgen der erst im Juni 2020 erfolgten Thyreoidektomie befragt werden können. Dies sei jedoch unterblieben, so dass auch auf internistischem Fachgebiet weiterer Aufklärungsbedarf bestehe.
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Die erforderliche Sachverhaltsaufklärung sei als erheblich anzusehen. Die Erheblichkeit könne sich aus Zeitdauer, Umfang und den personellen Möglichkeiten des Gerichts ergeben. Allein die Entstehung hoher Kosten könne allerdings die Zurückverweisung an die Verwaltung nicht mehr begründen, seitdem der Gesetzgeber in § 192 Abs. 4 SGG die Möglichkeit geschaffen habe, der Behörde ganz oder teilweise die Kosten des Gerichts aufzuerlegen, die durch eine unterlassene notwendige Ermittlung verursacht würden. Erheblich seien aber sämtliche Ermittlungsvorgänge, die im gerichtlichen Alltag erheblichen Aufwand verursachen würden. Von einem solchen erheblichen Aufwand sei hier auszugehen. Denn die Ermittlungen des Beklagten seien insbesondere auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet stark defizitär. Dahinstehen könne, ob die erforderlichen Ermittlungen bereits dann erheblich seien im Sinne von § 131 Abs. 5 SGG, wenn das Gericht mindestens ein medizinisches Sachverständigengutachten einholen müsse. Denn im vorliegenden Fall erfordere die Sachverhaltsaufklärung die Einholung mehrerer Gutachten nach ambulanter Untersuchung der Klägerin auf zumindest zwei, gegebenenfalls auch auf drei medizinischen Fachgebieten. Dies sei jedenfalls ausreichend, um von Ermittlungen auszugehen, die einen erheblichen Einsatz sachlicher und personeller Mittel erfordern würden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nach eigener Erfahrung der Kammer bereits die Suche nach einem geeigneten Sachverständigen mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden sein könne. Außerdem generiere die Einholung von Gutachten gegebenenfalls weiteren Ermittlungsaufwand, etwa zur Einholung ergänzender Stellungnahmen oder eines im Einzelfall erforderlichen Obergutachtens. Dem Beklagten sei zuzugeben, dass die Einholung und Auswertung von medizinischen Sachverständigengutachten zu den richterlichen Aufgaben gehöre, die typischerweise mit der Betreuung eines medizinischen Sachgebietes verbunden seien. Richtig sei auch, dass gegenwärtig in Klageverfahren, die das Schwerbehindertenrecht betreffen würden, von Seiten des Gerichts regelhaft ein oder auch mehrere fachärztliche Sachverständigengutachten eingeholt würden. Dies sei allerdings auch dem Umstand geschuldet, dass der Beklagte seine Ermittlungstätigkeit in Schwerbehindertensachen ebenso regelhaft auf die Einholung von Befundberichten beschränke. Die Kammer teile jedoch die Auffassung des Beklagten, dass von einem erheblichen Mehraufwand nur dann ausgegangen werden könne, wenn dieser Aufwand nicht ohnehin, das heißt auch bei pflichtgemäßer Sachverhaltsaufklärung durch den Beklagten, entstünde. In diesem Zusammenhang weise der Beklagte allerdings selbst auf den hypothetischen Charakter und die Unsicherheiten einer solchen Vergleichsbetrachtung hin. Nach Auffassung der Kammer dürfte es regelmäßig zu einer Reduzierung des Ermittlungsaufwandes im Klageverfahren führen, wenn eine ambulante ärztliche Untersuchung bereits im Verwaltungsverfahren vorgenommen würde. Soweit der Beklagte hiergegen einwende, dass einer von der Behörde veranlassten Begutachtung oder Untersuchung als parteiliches Beweismittel keine befriedigende Wirkung zukommen dürfte, teile die Kammer dies nicht. Zwar sei es richtig, dass Partei- oder Verwaltungsgutachten vom Gericht nur im Wege des Urkundenbeweises und nicht wie ein gerichtliches Gutachten unmittelbar berücksichtigt und gewürdigt werden könnten. Es gebe jedoch keine Beweisregel, dass einem Verwaltungsgutachten stets, also unabhängig von seinem Inhalt und den hiergegen erhobenen Einwänden, ein geringerer Beweiswert zukomme als einem gerichtlichen Gutachten. Vielmehr sei es tatrichterliche Aufgabe, die Schlüssigkeit und Belastbarkeit der vom Beklagten mitgeteilten Untersuchungsergebnisse in jedem Einzelfall zu prüfen, wobei ein Verwaltungsgutachten dem Gericht gegebenenfalls auch als Entscheidungsgrundlage dienen könne.
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Die Aufhebung und Zurückverweisung zum Zwecke der Nachholung der erheblichen Ermittlungen sei unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten auch sachdienlich. Unter Berücksichtigung der strengen Maßstäbe, die nach der Rechtsprechung des BSG zu stellen seien, sei von der Sachdienlichkeit der Zurückverweisung nur auszugehen, wenn die Behörden nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung eine Sachverhaltsermittlung besser durchführen könnten als das Gericht und es auch unter übergeordneten Gesichtspunkten vernünftiger und sachgerechter sei, die Behörde tätig werden zu lassen. Als Ausnahmeregelung, die die Grundsätze des sozialgerichtlichen Verfahrens durchbreche und es dem Gericht im Einzelfall erlaube, von eigenen Ermittlungen abzusehen, sei § 131 Abs. 5 SGG grundsätzlich restriktiv auszulegen. Bei der Prüfung der Belange der Beteiligten sei zu berücksichtigen, dass dem Bedürfnis des Klägers nach einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung insbesondere bei Verpflichtungsklagen und kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen eine besondere Bedeutung zukomme. Eine Zurückverweisung an die Verwaltung, die den Kläger mit der Gefahr einer Verzögerung des Rechtsstreits belaste, erscheine daher grundsätzlich erst gerechtfertigt, wenn die Behörde insgesamt oder zu einem wesentlichen Streitpunkt keine sachgerechten Ermittlungen angestellt habe und deshalb von einem eklatanten Ermittlungsdefizit auszugehen sei. Dies entspreche auch der aktuellen Rechtsprechung des BSG, wonach grundsätzlich erst eine sachwidrige Aufwandsverlagerung auf die Gerichte zur Zurückverweisung berechtigen solle. Diese Lesart des § 131 Abs. 5 SGG berücksichtige das Interesse des Klägers an einer schnellen Verfahrensbeendigung und die aus § 103 SGG folgende Ermittlungspflicht des Gerichts. Zugleich trage sie dem Umstand Rechnung, dass auch die personellen und sachlichen Kapazitäten der Versorgungsverwaltung beschränkt seien, worauf auch der Beklagte hingewiesen habe. Aus Sicht der Kammer dürften dabei allerdings die Anforderungen an die Sachdienlichkeit nicht überspannt werden. Auch wenn bei der Anwendung des §§ 131 Abs. 5 SGG aus den genannten Gründen Zurückhaltung geboten sei, müsse seine Funktion, eine Aufwandsverlagerung von der Verwaltung auf die Gerichte zu verhindern, erhalten bleiben. Dieser Zielsetzung habe der Gesetzgeber mit der Öffnung der Norm auf der Verpflichtungs- und Leistungsklagen nochmals Nachdruck verliehen. Nach diesen Maßgaben sei vorliegend auch von der Sachdienlichkeit der Zurückverweisung auszugehen. Insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, in denen Funktionsstörungen auf mehreren medizinischen Fachgebieten aufzuklären seien, sei zur Überzeugung der Kammer davon auszugehen, dass der Beklagte die hierfür erforderlichen Ermittlungen mit der Unterstützung seiner medizinischen Berater schneller und effizienter durchführen könne. Insoweit verweise die Kammer auf die Ausführungen des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg in dessen Urteil vom 25. April 2013 (
L 13 SB 73/12
). Das Sozialgericht hat das genannte Urteil auszugsweise wörtlich wiedergegeben. Es hat auf die Schwierigkeiten hingewiesen, einen geeigneten Sachverständigen, der neben den notwendigen fachärztlichen und sozialmedizinischen Fachkenntnissen auch über ausreichende zeitliche Kapazitäten verfüge, zu finden. Angesichts der starken Auslastung speziell auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet erfordere die Erteilung eines Gutachtenauftrags regelmäßig Anfragen bei mehreren Sachverständigen, oder Aufträge würden wegen Überlastung wieder zurückgereicht, was zum Teil zu erheblichen Verzögerungen führe. Soweit der Beklagte hiergegen einwende, dass sein versorgungsärztlicher Dienst in ähnlicher Weise belastet sei wie externe Gutachter, greife dies nicht durch. Denn das zentrale Argument, dass der Beklagte im Unterschied zum Gericht unmittelbar auf medizinischen Sachverstand in verschiedenen Fachbereichen zugreifen und so eine Konzentration der erforderlichen Untersuchungen erreichen könne, werde hierdurch nicht entkräftet. Das Gericht sei demgegenüber darauf angewiesen, den medizinischen Sachverhalt „seriell“ aufzuklären durch konsekutiv eingeholte Gutachten. Das hiermit verbundene Risiko, dass Ermittlungsergebnisse auf einem Fachgebiet bis zum Abschluss der Ermittlungen gegebenenfalls bereits wieder überholt seien, werde durch die dem Beklagten eröffnete Möglichkeit einer „ärztlichen Gesamtschau“ vermieden. Auch wenn bei der vorliegenden Prüfung die Erfordernisse einer Massenverwaltung und die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Beklagten in den Blick zu nehmen seien, böten fiskalische und personalwirtschaftliche Erwägungen keine Grundlage dafür, den Beklagten von seiner aus § 20 SGB X folgenden Pflicht zur sachgerechten Sachverhaltsermittlung zu entbinden und diese Aufgabe auf einen anderen Kostenträger zu übertragen. Aus Sicht der Kammer würden vorliegend auch übergeordnete Gesichtspunkte für eine Zurückverweisung an die Verwaltung streiten. Denn vorliegend sei von einem erheblichen Ermittlungsdefizit auszugehen.
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Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen sehe die Kammer die Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG in Ausübung sachgerechten Ermessens auch als geboten an. Nach ihrer Auffassung überwiege vorliegend das öffentliche Interesse, dem Gericht eine zeit- und kostenaufwändige Sachaufklärung zu ersparen, für deren Durchführung die Verwaltung im vorliegenden Fall besser ausgestattet sei, gegenüber dem Interesse des Klägers an einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung. Neben dem Schutz der Gerichte vor Überlastung streite für die Zurückverweisung auch das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden Verwaltung, die ihrer Pflicht zur sachgerechten Sachverhaltsaufklärung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren ausreichend nachkomme.
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Gegen das ihm am 10. September 2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 8. Oktober 2021 Berufung eingelegt. Er meint, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG lägen nicht vor. Dabei sei zweifelhaft, dass hier wirklich zwei Gutachten erforderlich seien. Dass er es unterlassen habe, die behandelnde Endokrinologin anzuschreiben, treffe zu. Insoweit sei allerdings die Beiziehung eines Berichts ausreichend und ein gesondertes Gutachten nicht erforderlich. Der Beklagte könne nach seiner personellen und sachlichen Ausstattung die Sachverhaltsermittlung auch nicht schneller und effizienter durchführen als das Gericht. Der versorgungsmedizinische Dienst des Beklagten weise schon quantitativ keine höheren Kapazitäten auf als Gutachterkapazitäten auf dem freien Markt vorhanden seien. Insoweit sei auch beachtlich, dass der Beklagte 2020 weit über 60.000 Erst- und Änderungsanträge sowie Nachprüfungsverfahren und mehr als 12.000 Widerspruchsverfahren bearbeitet habe.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 26. August 2021 aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
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Die Klägerin hat keinen Berufungsantrag gestellt, aber erklärt, sie gehe ebenfalls davon aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG nicht vorliegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. | |
Der Bescheid vom 12.03.2001 und der Widerspruchsbescheid vom 10.05.2001 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, falls nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. | Randnummer
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Die Klägerin wendet sich gegen die Auferlegung von Kosten der Ersatzvornahme im Rahmen einer Sanierung einer Altlast nach dem Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG).
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Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin eines Speditionsunternehmens, das auf dem in B-Stadt, Gem. K. , Flur 3, Flurstück 3/11, gelegenen Grundstück eine Betankungsanlage betrieb, die im September 1984 stillgelegt wurde. Nachdem im Rahmen einer Baugrundbeurteilung zu einem Neubauprojekt auf dem Grundstück Boden- und Grundwasserkontaminationen durch Kohlenwasserstoffe festgestellt wurden, die über den zulässigen Richtwerten lagen, wurde das Grundstück mit Bescheid vom 18.03.1994 (BI. 59 ff. BA) als Altlast festgestellt. Ein von der Klägerin gegen diesen Bescheid eingelegter Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2001 zurückgewiesen; die hiergegen am 20.03.2001 erhobene Klage (Az. VG Kassel 7 E 645/01) wurde in der mündlichen Verhandlung am 13.02.2003 zurückgenommen; mit Beschluss vom 18.02.2003 wurde das Verfahren eingestellt.
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Unter dem 25.04.1994 (Bl. 81 ff. BA) erließ die Verwaltungsbehörde des Beklagten gegenüber der Klägerin zum Zwecke der Altlastensanierung ferner einen Bescheid, in dem der Klägerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung Maßnahmen zur Beseitigung der Kontaminationsquelle und zur Sanierung bereits kontaminierten Grundwassers aufgegeben wurden. Gleichzeitig wurde der Klägerin die Vollstreckung im Wege der Ersatzvornahme angedroht, soweit sie mit den angeordneten Maßnahmen nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides beginne. Die Kosten der Ersatzvornahme wurden vorläufig auf 150.000,00 DM veranschlagt. Der Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wurde ebenfalls mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2001 zurückgewiesen; die in dieser Sache erhobene Klage (VG Kassel 7 E 644/01) hat das Verwaltungsgericht Kassel mit Urteil vom heutigen Tage abgewiesen.
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Mit Datum vom 01.09.1994 (Bl. 265 ff. BA) erließ die Verwaltungsbehörde des Beklagten gegenüber der Klägerin zum Zwecke der Altlastensanierung einen weiteren Bescheid. In diesem wurde hinsichtlich der in dem Bescheid vom 18.03.1994 erfolgten Feststellung des betroffenen Grundstücks als Altlast die sofortige Vollziehung angeordnet. Ferner wurde der Klägerin aufgegeben, den auf dem Grundstück gelagerten kontaminierten Boden zu verwerten bzw. zu entsorgen und einen entsprechenden Entsorgungsnachweis vorzulegen (Nr. 2.1 des Bescheides) sowie vertiefende hydrogeologische Erkundungsmaßnahmen durchzuführen, insbesondere sechs weitere Rammkernsondierungen niederzubringen, zu Pegelbohrungen auszubauen, Pumpversuche durchführen zu lassen und Analysen vorzunehmen (Nr. 2.2 des Bescheides). Unter Nr. 2.3 des Bescheides wurde der Klägerin schließlich die Aufstellung eines Grundwasserüberwachungsprogramms aufgegeben. Der Sofortvollzug wurde hinsichtlich Nr. 2.1- 2.2 angeordnet. Gleichzeitig wurde der Klägerin die Vollstreckung im Wege der Ersatzvornahme angedroht, soweit sie mit den entsprechenden Maßnahmen nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides beginne. Die Kosten der Ersatzvornahme wurden vorläufig auf 170.000,00 DM veranschlagt. Der Bescheid wurde den Bevollmächtigten der Klägerin am 05.09.1994 zugestellt. Mit am 16.09.1994 bei dem Regierungspräsidium eingegangenem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 15.09.1994 legte die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch ein, der ebenfalls mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2001 zurückgewiesen wurde. Eine gegen diesen Bescheid gerichtete Klage (VG Kassel 7 E 641/01) hat das Verwaltungsgericht Kassel ebenfalls mit Urteil vom heutigen Tage abgewiesen.
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Nach Bekanntgabe des Bescheides vom 25.04.1994 veranlasste der Beklagte die Sanierung des fraglichen Grundstücks im Wege der Ersatzvornahme. Diese war im Jahre 1995 abgeschlossen.
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Mit (dem hier streitbefangenen) Bescheid vom 12.03.2001 (Bl. 4 ff. der Gerichtsakte, irrigerweise nennt der Bescheid das Datum vom 12.03.2000) forderte der Beklagte von der Klägerin die Kosten der Ersatzvornahme. In dem Bescheid heißt es, die Klägerin habe dem Land Hessen die Kosten für die Durchführung der Vollstreckung des Sanierungsbescheides vom 01.09.1994 im Wege der Ersatzvornahme zu erstatten. Es seien Auslagen in Höhe von 304.800,60 DM entstanden. Als Gebühr für die Durchführung der Ersatzvornahme wurden 3.150,00 DM festgesetzt. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 19.03.2001 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2001 (Bl. 9 ff. der Gerichtsakte
7 E 1152/01
) zurückgewiesen wurde.
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Am 17.05.2001 hat die Klägerin bei dem Verwaltungsgericht Kassel Klage gegen den Bescheid vom 12.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2001 erhoben. Sie trägt u.a. vor, sie sei nicht Verursacherin der Altlast. Im übrigen seien Kosten geltend gemacht worden für Maßnahmen, die zum Zwecke der Altlastensanierung nicht erforderlich gewesen seien. So hätte es ausgereicht, 300 cbm Erdreich auszuheben und zu entsorgen; tatsächlich seien aber 1.500 cbm entsorgt worden. Schließlich sei der Anspruch auch verjährt.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid vom 12.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2001 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er bezieht sich auf den angefochtenen Bescheid nebst Widerspruchsbescheid.
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Die Kammer hat mit Beschluss vom 09.12.2002 den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Das Gericht hat mit Beschluss vom 11.03.2004 Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweiserhebung wird Bezug genommen auf Bl. 82 ff der Gerichtsakte.
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Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung am 13.02.2003 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die Behördenakten (5 Hefter) sowie die Gerichtsakten VG Kassel 7 E 641/01, 7 E 645/01, 7 E 644/01, 7 G 2405/94 und 7 G 4136/94. | |
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, wird das Verfahren eingestellt. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20. April 2011 - 5 K 1641/09 - unwirksam.
Im Übrigen wird auf die Berufung der Klägerin das genannte Urteil geändert. Der Beklagte wird verpflichtet, die Teilzeitquote für die der Klägerin gewährte Altersteilzeit in der Zeit vom 01.08.2009 bis zum 30.09.2011 auf 12,5/27 festzusetzen. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 25.05.2009 und dessen Widerspruchsbescheid vom 06.08.2009 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen tragen die Klägerin und der Beklagte je zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen. | 1
Die Beteiligten streiten über die Höhe der (Alters-)Teilzeitquote der Klägerin.
2
Die am … 1948 geborene schwerbehinderte Klägerin stand bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand nach Ablauf des Schuljahres 2010/2011 als Realschullehrerin im Dienst des Beklagten. Im Schuljahr 2007/2008 unterrichtete sie in Teilzeit gemäß § 153f LBG aus sonstigen Gründen in einem Umfang von 23/27 Wochenstunden; für das Schuljahr 2008/2009 wurde sie unter Rückgabe einer früher geleisteten Vorgriffsstunde auf der Grundlage eines Regelstundenmaßes von - sonach - 26 Wochenstunden wieder vollbeschäftigt. Auf einen entsprechenden Antrag hin gewährte ihr das Regierungspräsidium Freiburg - Abteilung Schule und Bildung - mit Bescheid vom 25.05.2009 Altersteilzeitbeschäftigung für die Zeit vom 01.08.2009 bis 30.09.2011 im sog. Blockmodell gemäß § 153h Abs. 2 [Satz 1] Nr. 2 LBG. In der Arbeitsphase vom 01.08.2009 bis 31.08.2010 betrage das Deputat unter Berücksichtigung der Rückgabe von (vier) weiteren Vorgriffsstunden, aber noch ohne den Abzug einer Schwerbehinderten- sowie einer Altersermäßigung 20,5/27 Wochenstunden; ab 01.09.2010 beginne die Freistellungsphase. Der Teilzeitbeschäftigungsumfang betrage für die gesamte Bewilligungsdauer 12,25/27 Wochenstunden.
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Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin mit dem Ziel der Erhöhung der Teilzeitquote auf 12,5/27 wies das Regierungspräsidium mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2009 zurück.
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Am 11.09.2009 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben und beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihr rechnerisches durchschnittliches wöchentliches Unterrichtsdeputat in der Zeit vom 01.08.2009 bis zum 30.09.2011 mit einem Gesamtteilzeitfaktor von 12,5/27 Wochenstunden sowie das tatsächliche wöchentliche Unterrichtsdeputat für die Zeit vom 01.08.2009 bis 31.08.2010 mit 17,3/23 Wochenstunden festzusetzen, und den Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 25.05.2009 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 06.08.2009 aufzuheben, soweit diese Bescheide dieser Verpflichtung entgegenstehen. Mit Urteil vom 20.04.2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, diese sei zulässig, auch soweit sie den - bereits beendeten - Zeitraum der Arbeitsphase betreffe, da die Deputatsfestsetzung für diesen Zeitraum untrennbar mit derjenigen für den - noch nicht abgelaufenen - Gesamtzeitraum bis 30.09.2011 verknüpft sei. Die Klägerin habe jedoch keinen Anspruch auf die begehrte abweichende Festsetzung ihres Unterrichtsdeputats. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise habe der Beklagte die nach § 153h Abs. 1 LBG maßgebliche, in den vergangenen zwei Jahren vor Beginn der Altersteilzeit durchschnittlich zu leistende Arbeitszeit mit 24,5 Wochenstunden angesetzt. Diese Bestimmung stelle ausdrücklich auf die „Hälfte der bisherigen Arbeitszeit“ ab. Darunter sei die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zu verstehen (im Schuljahr 2007/2008: 23 Wochenstunden; im Schuljahr 2008/2009: 26 Wochenstunden) und nicht eine auf das Regelstundenmaß von 27 Wochenstunden bezogene bzw. eine fiktive Arbeitszeit. In rechtlich zulässiger Weise habe das Regierungspräsidium die Arbeitszeit für die erste Hälfte des Bewilligungszeitraums (Arbeitsphase) sodann auf 20,5 Wochenstunden reduziert und damit die von der Klägerin früher geleisteten vier Vorgriffsstunden „in Zeit“ zurückgewährt. Eine darüber hinausgehende Anrechnung dieser Vorgriffsstunden auf das Regelstundenmaß komme nicht in Betracht. Eine solche hätte eine Erhöhung der Besoldung zur Folge und würde eine doppelte Berücksichtigung der Vorgriffsstunden bedeuten. Bei Teilzeitbeschäftigten erfolge die Rückgabe von Vorgriffsstunden grundsätzlich nicht durch Reduzierung der aufgrund der Teilzeitbeschäftigung ohnehin bereits verminderten, tatsächlich zu leistenden Arbeitsstunden, sondern durch Erniedrigung lediglich des Regelstundenmaßes, was für den Teilzeitbeschäftigten eine Erhöhung der Bezüge zur Folge habe. Bei Beschäftigten in Altersteilzeit sei jedoch eine Ausnahme von diesem Grundsatz zu machen, da sich deren Gesamtbesoldung aus einem Besoldungsanteil (hier: aus dem Unterrichtsdeputat von 12,25/27 Wochenstunden) und einem diesen auf 83 % der Nettobesoldung - wie sie dem Beamten nach der bisherigen Arbeitszeit, die für die Bemessung der ermäßigten Arbeitszeit während der Altersteilzeit zugrunde gelegt worden sei, zustehen würde - aufstockenden Altersteilzeitzuschlag zusammensetze. Würde bei Altersteilzeitbeschäftigten durch die Anrechnung der Vorgriffsstunden auf das Regelstundenmaß der Besoldungsanteil erhöht, so würde der Zuschlag um denselben Betrag reduziert und die Rückgabe der Vorgriffsstunden damit für den Beschäftigten nicht positiv spürbar, was sich im Hinblick auf Art. 3 GG verbiete. Weiterhin sei der Klägerin im Schuljahr 2009/2010 - ohne Einfluss auf die Besoldung - eine Wochenstunde Alters- und eine Wochenstunde Schwerbehindertenermäßigung gewährt worden, sodass sie 18,5/27 Wochenstunden unterrichtet habe; (jeweils) eine weitere Wochenstunde Alters- und Schwerbehindertenermäßigung, wie sie für vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte vorgesehen sei, komme selbst dann nicht in Betracht, wenn die vier Vorgriffsstunden mit der Folge eines wöchentlichen Unterrichtsdeputats von 20,5/23 Stunden auf das Regelstundenmaß angerechnet würden, da die Klägerin auch dann nicht als vollzeitbeschäftigt anzusehen wäre.
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Am 06.06.2011 hat die Klägerin gegen dieses Urteil die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, bereits die Berechnung der durchschnittlich zu leistenden Arbeitszeit in den zwei Jahren vor Beginn der Altersteilzeit durch den Beklagten sei unrichtig. Noch ohne Berücksichtigung der Vorgriffsstunden sei zunächst von einem durchschnittlichen Deputat von 25 Wochenstunden auszugehen. Dieser Wert errechne sich durch Multiplikation des Regelstundenmaßes von 27 Wochenstunden mit einem Faktor von ~0,9259, der seinerseits das arithmetische Mittel der geleisteten - als Bruch im Verhältnis zum Regelstundenmaß ausgedrückten - Beschäftigungsquoten ((23/27 + 26/26) : 2)) darstelle. In der Arbeitsphase obliege ihr folglich ein Deputat von 25 Wochenstunden, in der Freistellungsphase ein solches von 0 Wochenstunden, insgesamt betrachtet also ein Durchschnittsdeputat von 12,5 Wochenstunden. Die Rückgabe der Vorgriffsstunden sei daran anknüpfend so vorzunehmen, dass zunächst das Regeldeputat - also der Nenner der Quote, und nicht (wie in der Berechnung des Beklagten) der Zähler - um die Zahl der zurückzugebenden Stunden (hier: um 4 auf 23) reduziert werde; anschließend müsse auch das im Zähler ausgedrückte tatsächliche Deputat in der Weise vermindert werden - nämlich durch Multiplikation mit dem Faktor ~0,9259 -, dass ein dem Verhältnis 25/27 entsprechender Quotient erreicht werde. So ergebe sich unter Berücksichtigung der Vorgriffsstunden in der Arbeitsphase zunächst eine Quote von (aufgerundet) 21,3/23 Wochenstunden. Hinsichtlich des Altersteilzeitfaktors und der Bezüge in der Altersteilzeit verbleibe es bei einem Durchschnittsdeputat von 12,5/27 Wochenstunden über zwei Jahre; finanzielle Auswirkungen habe die korrekte Berechnung der Rückgabe der Vorgriffsstunden damit nicht. Auch der rechnerisch ermittelte Wochenstundenanteil von 0,3 sei „praktisch lösbar“, nämlich ggf. auf eine halbe Wochenstunde aufzurunden. Die unterschiedlichen Berechnungsweisen hätten auch Auswirkungen auf den Umfang der ihr zustehenden Alters- und Schwerbehindertenermäßigung. Bei korrekter Betrachtungsweise - auf der Grundlage eines Deputats von 21,3/23 Wochenstunden und damit einer der Vollzeitbeschäftigung gleich stehenden Teilzeitquote - stünde ihr in der Summe eine Entlastung im Umfang von vier Stunden zu, was ihr konkretes Deputat auf 17,3/23 Wochenstunden reduzieren würde. Insgesamt beziehe sie also bedingt durch den zu niedrig angesetzten Gesamtteilzeitfaktor von 12,25/27 (statt: 12,5/27) - zudem mit Auswirkungen auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit - ein zu geringes Gehalt und arbeite überdies mit einem konkreten Deputat von 18,5/27 Wochenstunden (statt: 17,3/23) zu viel.
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In rechtlicher Hinsicht führt die Klägerin weiter aus, der geltend gemachte Anspruch auf Korrektur der Berechnung des Unterrichtsdeputats und der Besoldung ergebe sich aus der Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn, einer öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungslast und dem Grundsatz von Treu und Glauben. Das Verwaltungsgericht blende bei der Heranziehung der „tatsächlich geleisteten Arbeitszeit“ aus, dass die Regelarbeitszeit die auf den Beamten bezogene volle wöchentliche Arbeitszeit darstelle; damit sei sie keine „fiktive Arbeitszeit“, vielmehr bilde sie den Maßstab dafür, mit welcher Teilzeitquote ein Lehrer Dienst leiste. Der Umfang der „bisherigen Arbeitszeit“ bestimme sich nach der in den letzten beiden Jahren geleisteten Teilzeitquote. Bei der Rückgabe der früher geleisteten Vorgriffsstunden gehe es nicht um eine Arbeitserleichterung, sondern um die - zwingend „1 zu 1“ vorzunehmende - Kompensation einer Mehrleistung. Nachdem bei der Ableistung der Vorgriffsstunden Ende der 1990er-Jahre das Regelstundenmaß - also der Nenner des Teilzeitquotienten - erhöht worden sei, müsse nunmehr ebenfalls wieder das Regelstundenmaß entsprechend reduziert werden. Auch wenn dabei unter Umständen eine „geringere“ Rückgabe von Arbeitszeit erfolge, rechtfertige dies nicht die Berechnungsmethode des Beklagten, zumal bei Berücksichtigung der beschriebenen Weiterungen für die ihr zustehende Alters- und Schwerbehindertenermäßigung.
7
Nachdem die Klägerin während des Berufungsverfahrens in den Ruhestand getreten ist, hat sie den Rechtsstreit für erledigt erklärt, soweit ihr tatsächliches wöchentliches Unterrichtsdeputat in der Arbeitsphase der Altersteilzeit im Streit stand; der Beklagte hat sich dem angeschlossen.
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Die Klägerin beantragt nunmehr,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20. April 2011 - 5 K 1641/09 - zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, die Teilzeitquote für die ihr gewährte Altersteilzeit in der Zeit vom 01.08.2009 bis zum 30.09.2011 auf 12,5/27 Wochenstunden festzusetzen, und den Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 25.05.2009 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 06.08.2009 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er bezieht sich zur Begründung auf das angefochtene Urteil und bekräftigt sein Verständnis, dass unter der „durchschnittlich zu leistenden Arbeitszeit“ nach § 153h Abs. 1 LBG bereits nach dem Wort- und Sprachsinn nur die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zu verstehen sein könne und dass die Berechnungsweise der Klägerin zu einer unzulässigen doppelten Berücksichtigung der Vorgriffsstunden führe.
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Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts und des Beklagten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird hierauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. | |
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 12.07.2022 – 6 Ca 73/22 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
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Die Parteien streiten über eine generelle Freistellung von Früh- und Spätschichten sowie von Samstagsarbeit aus Gründen der Kinderbetreuung.
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Die im Januar 1989 geborene Klägerin nahm im Jahr 2008 bei der Beklagten, die in Norddeutschland zahlreiche Bäckereifilialen betreibt, eine Ausbildung auf. Im Anschluss daran arbeitete sie als Bäckereiverkäuferin in einer Filiale der Beklagten in L-Stadt und wechselte später zu einer Filiale in S-Stadt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 18.01.2013 beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden. Die Klägerin kann laut Arbeitsvertrag in sämtlichen Filialen der Beklagten eingesetzt werden. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen richten sich nach der Übung des Betriebes. Des Weiteren ist die Klägerin arbeitsvertraglich verpflichtet, in dem gesetzlich zulässigen Rahmen Sonntags-, Feiertags- und Mehrarbeit zu leisten.
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Die Klägerin war zuletzt langjährig in der Filiale 1135, M-Straße Galerie S-Stadt, eingesetzt, der zu ihrer Wohnung nächstgelegenen Filiale. Der Arbeitsweg beträgt etwa einen Kilometer. Die Filiale verfügt über ein Café.
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Bedingt durch Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie galt 2021 das folgende 3-Schicht-Modell:
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In der Frühschicht ab 05:30 Uhr müssen die Mitarbeiterinnen das Frühstück für die Kunden vorbereiten. Zwischen 07:30 und 08:30 Uhr ist das Kundenaufkommen am höchsten. Die Spätschicht endet mit dem Säubern von Tischen und Stühlen sowie des Verkaufsbereichs.
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Die Klägerin gebar am 18.07.2020 Zwillinge und befand sich bis zum 17.07.2021 in Elternzeit. Anschließend war sie zunächst arbeitsunfähig. Die Kinder besuchen eine in Wohnortnähe befindliche Kindertagesstätte, geöffnet montags bis freitags von 07:00 bis 17:00 Uhr. Im Umkreis von maximal vier Kilometern zur Wohnung der Klägerin als auch zu der Filiale Marienplatz gibt es zwei Kindertagesstätten, die rund um die Uhr geöffnet sind (24-Stunden-Kita). Dabei handelt es sich um die Kindertagesstätte „nidulus“, W-Straße xxx-xxx, S-Stadt auf dem Gelände der dortigen Kliniken sowie die Kindertagesstätte „nidulus duo“, W-Straße xxx, S-Stadt.
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Mit Schreiben vom 27.09.2021 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung, weil sie an diesem Tag nicht zur Arbeitsaufnahme um 05:30 Uhr erschienen war und bis jedenfalls 12:15 Uhr eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht mitgeteilt hatte.
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Mit Schreiben vom 17.12.2021 beantragte die Klägerin, ab dem 11.01.2022, dem voraussichtlichen Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit, nur noch an den Wochentagen Montag bis Freitag (also nicht samstags) und nur noch zwischen 07:40 Uhr und 16:40 Uhr eingesetzt zu werden. Darüber hinaus beantragte sie zum 01.04.2022 eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden, abzuleisten ebenfalls in dem oben genannten Zeitrahmen. Zur Begründung berief sie sich auf ihre Betreuungspflichten als alleinerziehende Mutter. Die Klägerin erschien am 11.01.2022 abweichend vom Schichtplan um 07:40 Uhr zur Arbeitsaufnahme in der Filiale Marienplatz, wo sie von der stellvertretenden Filialleiterin nach Hause geschickt wurde.
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Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 11.01.2022 zwar nicht die beantragte Arbeitszeitverkürzung ab, widersprach jedoch der beantragten Arbeitszeitverteilung. Zur Begründung verwies sie auf die vergleichbare Position der übrigen Mitarbeiterinnen, ebenfalls mit kleinen Kindern. Des Weiteren forderte sie die Klägerin auf, am 12.01.2022 ihren Dienst zur Frühschicht um 05:30 Uhr in der Filiale Marienplatz anzutreten. Da die Klägerin dem nicht nachkam, sprach die Beklagte mit Schreiben vom 21.01.2022 eine Abmahnung (Anlage K 5) aus. In der Abmahnung teilte sie der Klägerin zugleich die für sie maßgeblichen Schichtzeiten in der 4. Kalenderwoche 2022 (Filiale Marienplatz) mit:
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Dieser Arbeitsanweisung kam die Klägerin nicht nach.
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In der Filiale sind neben der Klägerin drei weitere Stammmitarbeiterinnen beschäftigt, nämlich:
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-Frau B. mit 2 Kindern im Alter von 3 und 8 Jahren (Stand Anfang 2022),
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-Frau W. mit 1 Kind im Alter von 3 Jahren (Stand Anfang 2022) und
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- Frau Z. mit 1 Kind im Alter von 2 Jahren (Stand Anfang 2022).
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Nachdem die Cafés wieder öffnen durften, etwa Mai 2022, besetzte die Beklagte die Filiale Marienplatz wie folgt:
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Die Filiale schloss um 19:00 Uhr. Für Nacharbeiten sah die Beklagte eine weitere halbe Stunde vor.
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Die Klägerin beantragte im Januar 2022 Sozialleistungen und bezog im Wege der Gleichwohlgewährung Arbeitslosengeld. Das Arbeitsverhältnis besteht weiterhin ungekündigt fort.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass sie einen Anspruch darauf habe, nur montags bis freitags in der Zeit zwischen 07:40 Uhr bis 16:40 Uhr eingesetzt zu werden. Da die Kita ihrer Kinder erst um 07:00 Uhr öffne und gewisse Übergabezeiten einzurechnen seien, könne sie einen Dienstbeginn erst um 07:40 Uhr fest zusagen, wenn auch überwiegend ein Dienstantritt um 07:30 Uhr möglich sein sollte. Spätestens um 16:40 Uhr müsse sie sich auf den Weg machen, um ihre Kinder pünktlich bis 17:00 Uhr von der Kita abzuholen. Die Klägerin sei alleinerziehend. Der Kindsvater habe sich von ihr und den Kindern abgewandt. Auf ihre in L-Stadt ansässigen Eltern könne die Klägerin nicht zurückgreifen, da der Vater im Schichtdienst tätig und die Mutter krankheitsbedingt erwerbsunfähig sei. Die Beklagte müsse auf die Personensorgepflichten der Klägerin Rücksicht nehmen, insbesondere die verstärkten Fürsorgepflichten einer alleinerziehenden Mutter.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich – soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung – beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, einer Verteilung der Arbeitszeit auf Werktage (ohne Feiertage) zwischen Montag und Freitag und einer Arbeitszeit zwischen 07:40 Uhr und 16:40 Uhr einschließlich 30 min Pause zuzustimmen,
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2. festzustellen, dass sich die beklagte Partei mit der Annahme der Arbeitsleistung der Klägerin mit 40 Stunden pro Woche seit dem 11.01.2022 in Verzug befindet,
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3. die Beklagte zu verpflichten, die Abmahnung vom 21.01.2022 aus der Personalakte zu entfernen,
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4. festzustellen, dass die Zuweisung der Arbeitszeit im Schreiben vom 21.01.2022 nicht billigem Ermessen entspricht und daher unverbindlich ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die von der Klägerin geforderten Arbeitszeiten seien aus betrieblichen Gründen nicht umsetzbar. Um die mietvertraglich festgelegten Öffnungszeiten der Filiale gewährleisten zu können, sei ein Schichtbetrieb unumgänglich. Die Frühschicht und die Spätschicht seien bei allen Mitarbeiterinnen nicht beliebt. Der Betriebsfrieden sei gestört, wenn die Klägerin nur noch die von allen Mitarbeiterinnen begehrte Mittelschicht wahrnehme. Die Beklagte müsse nicht nur die Personenstandspflichten der Klägerin, sondern auch diejenigen der anderen Mitarbeiterinnen beachten. Nach den Angaben der Klägerin sei der Kindsvater in eine etwa 30 km entfernte Nachbarstadt verzogen. Es sei deshalb durchaus möglich und zu erwarten, dass auch er sich um seine Kinder kümmere. Im Übrigen habe die Klägerin mehrere Einladungen zu einem Personalgespräch nicht wahrgenommen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund entgegenstehender betrieblicher Gründe keinen Anspruch aus § 8 TzBfG auf eine feste Arbeitszeit montags bis freitags von 07:40 Uhr bis 16:40 Uhr habe. Eine solche Verteilung der Arbeitszeit sei mit dem Organisationskonzept der Beklagten nicht vereinbar. Eine Schicht, wie sie die Klägerin wünsche, gebe es nicht. Die persönliche Lebenssituation der Klägerin sei dabei nicht ausschlaggebend. Ein Anspruch ergebe sich des Weiteren nicht aus § 106 GewO. Die Beklagte müsse auch die Interessen der anderen Mitarbeiterinnen berücksichtigen. Dementsprechend habe sich die Beklagte nicht in Annahmeverzug befunden. Schließlich sei auch die Abmahnung vom 21.01.2022 nicht aus der Personalakte zu entfernen, da die Beklagte den Sachverhalt dort korrekt wiedergegeben und diesen rechtlich zutreffend bewertet habe.
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Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin. Ihr Verteilungswunsch beeinträchtige das betriebliche Organisationskonzept nicht wesentlich. Gegenteiliges habe die Beklagte nicht vorgetragen. Die Klägerin könne die Wochenarbeitszeit von 35 Stunden durchaus an den Werktagen von Montag bis Freitag in der Zeit von 07:30 Uhr bis 15:00 Uhr, also einer Zeitspanne von 7,5 Stunden, erbringen. Die Beklagte habe mit der Klägerin nicht über die Verteilung der Arbeitszeit verhandelt, was die Klägerin angeboten habe. Das Arbeitsgericht habe das Grundrecht der Kinder auf Fürsorge und Betreuung durch ihre Mutter, den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG), das Verbot geschlechtsbezogener Benachteiligungen (Art. 3 GG) und das Recht auf Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben (Art. 33 EU-GRCharta) nicht ausreichend berücksichtigt. Ob § 8 Abs. 4 TzBfG in seinem Wortlaut oder in seiner von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geprägten Auslegung noch den europarechtlichen Anforderungen der Richtlinien 2010/18/EU bzw. 2019/1158/EU genüge, sei zweifelhaft.
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Billigem Ermessen im Sinne des § 106 GewO entspreche ausschließlich die von der Klägerin geforderte Arbeitszeiteinteilung. Die Beklagte müsse sich gegenüber den anderen Mitarbeiterinnen schützend vor die Klägerin stellen und auf die Besonderheit ihrer Situation (Zwillinge, Alter der Kinder, alleinerziehend, weder Eltern noch Schwiegereltern in der Nähe) hinweisen. Den Arbeitgeber treffe vor Ausübung seines Ermessens eine Erkundigungsobliegenheit, wie es anderen Beschäftigten gelinge, ihre Kinder außerhalb der üblichen Kita-Öffnungszeiten zu betreuen. Eine solche Befragung sei zulässig; der Arbeitgeber müsse seine Beschäftigten lediglich auf den Zweck seiner Erkundigung und die Freiwilligkeit der Angaben hinweisen. Als alleinerziehende Mutter von Zwillingen sei der Klägerin, die ihre Kinder nicht anderweitig als in einer Kindertagesstätte betreuen lassen könne, der Vorrang einzuräumen gegenüber den ebenfalls anerkennenswerten Wünschen anderer Eltern, Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können. Offenbar seien diese ja in der Lage, trotz Arbeitszeiten zwischen 05:30 und 19:30 Uhr einschließlich Samstagsarbeit ihre Betreuungspflichten zu erfüllen, was bei der Klägerin gerade nicht der Fall sei. Stattdessen habe die Beklagte der Klägerin eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses angetragen. Es gebe zwar Kindertagesstätten in S-Stadt mit einer 24-Stunden-Betreuung. Im Zeitraum 01.07.2021 bis 02.03.2022 seien in den beiden Kitas jedoch keine Plätze frei gewesen, wie sich aus der E-Mail des Kita-Trägers vom 07.07.2023 ergebe. Im Übrigen sei ein häufiger Wechsel der Betreuungsperson in einer Kita mit Schichtsystem ungünstig für die Entwicklung der Kinder.
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Die Abmahnung sei aus der Personalakte zu entfernen, da die Klägerin nicht gegen ihre Pflicht zur Arbeitsleistung verstoßen habe. Es sei der Klägerin schlichtweg unmöglich gewesen, ihre Arbeit am 12.01.2022 um 05:30 Uhr aufzunehmen und ihre rund 18 Monate alten Kleinkinder sich selbst zu überlassen. Es habe keine Alternative zur Eigenbetreuung der beiden Kinder gegeben, weshalb ihr ein Leistungsverweigerungsrecht zugestanden habe. Die Arbeitseinteilung der Beklagten in der Woche vom 25.01. bis 29.01.2022 sei nicht ermessensgerecht gewesen. Die Beklagte habe auf die Arbeitszeitwünsche der Klägerin keinerlei Rücksicht genommen.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 12.07.2022, Aktenzeichen 6 Ca 73/22, abzuändern und
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1. die Beklagte zu verurteilen, einer Verteilung der Arbeitszeit von 35 Stunden wöchentlich auf Werktage außer Samstag und einer Arbeitszeit zwischen 07:40 Uhr, hilfsweise 07:30 Uhr, und 16:40 Uhr einschließlich 30 Minuten Pause zuzustimmen,
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2. a) festzustellen, dass sich die beklagte Partei mit der Annahme der Arbeitsleistung der Klägerin mit 40 Stunden pro Woche seit dem 11.01.2022 und mit 35 Stunden pro Woche seit dem 01.04.2022 in Verzug befindet,
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b) hilfsweise für den Fall der Abweisung zu 2 a), festzustellen, dass der Klägerin Anspruch auf Vergütung seit 11.01.2022 für 40 Wochenstunden und seit dem 01.04.2022 für 35 Wochenstunden gegen die Beklagte zusteht, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist,
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3. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 21.01.2022 (Anlage K 5) aus der Personalakte zu entfernen,
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4.
festzustellen, dass die Zuweisung der Arbeitszeiten durch die Beklagte gegenüber der Klägerin im Schreiben vom 21.01.2022 (Anlage K 5) nicht billigem Ermessen entspricht und unverbindlich ist.
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Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin könne nicht verlangen, dass die Beklagte ihr Organisationskonzept auf sie zuschneide. Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin ihre Kinder ab dem 11.01.2022 nicht in einer Kita mit längeren Öffnungszeiten habe unterbringen können. Die Klägerin habe sich ab dem 12.01.2022 auch nicht ein einziges Mal zur Arbeitsaufnahme eingefunden, sondern lediglich erklärt, nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen. Soweit die Klägerin nunmehr eine E-Mail des Trägers der beiden 24-Stunden-Kitas nachgereicht habe, werde Verspätung gerügt und bestritten, dass die Klägerin für ihre Kinder bei rechtzeitiger Beantragung dort keinen Platz hätte erlangen können. Die E-Mail des Kita-Trägers bestätige ohnehin nur eine durchgängige Auslastung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie die arbeitsgerichtliche Entscheidung verwiesen. | |
1. Der Bescheid wegen Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für 2019 vom 26. März 2021, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2022, wird dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer für 2019 mit XXX Euro, der Solidaritätszuschlag für 2019 mit XXX Euro und die Kirchensteuer katholisch für 2019 mit XXX Euro festgesetzt wird.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat.
5. Die Revision wird nicht zugelassen. | 1
Der seit XX.XX. 1992 verheiratete Kläger erzielte im Streitjahr 2019 Einkünfte aus [...] im Nebenerwerb, Einkünfte aus Gewerbebetrieb [...] und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. [...]
2
Der Kläger war im Streitjahr als [...] tätig. Diese Tätigkeit übte er seit XXX in der Schweiz in Vollzeit aus. Nach dem Anstellungsvertrag zwischen dem Kläger und der A AG mit Sitz in der Schweiz vom XX.XX.2016 ist der Kläger [...].
3
[...].
4
Der Arbeitsort ist in B, im Kanton Thurgau (TG) „bzw. auf den übrigen ...standorten“. Die Normalarbeitszeit beträgt 45,5 Stunden. Nach Ziff. 4 des Vertrags organisiert sich der Kläger „im Rahmen seiner Aufgaben selbständig. […] Vertrauensarbeitszeit … und von der Präsenzzeitstempelung ausgenommen.“ Die Betriebszeiten werden genannt mit dem Zusatz: „Der Arbeitnehmer erklärt sich bereit, auch ausserhalb der normalen Präsenzzeit für wichtige Angelegenheiten zur Verfügung zu stehen.“ Eine Konkurrenzklausel wurde vereinbart. Ziff. 9 Wohnsitz lautet: „der Kläger wird in der Region B Wohnsitz nehmen.“ Wegen der Einzelheiten wird auf den Anstellungsvertrag Bezug genommen (...).
5
Das Arbeitsverhältnis mit dem Schweizer Arbeitgeber wurde im X. Quartal 2020 beendet. […]
6
Der Kläger hat mit Mietvertrag vom XX.XX.2017 eine Ein-Zimmer-Wohnung in B (TG) angemietet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Mietvertrag zwischen dem Kläger und der C GmbH Bezug genommen (...).
7
Der Kläger hatte eine Aufenthaltsbewilligung B nach Schweizer Recht.
8
Der Kläger hatte weder eine G-Bewilligung für Grenzgänger noch eine C-Bewilligung (Niederlassungsbewilligung).
9
In der Schweiz gilt:
10
Eine Aufenthaltsbewilligung B EU/EFTA mit einer Gültigkeitsdauer von fünf Jahren erhalten Arbeitnehmende auf Vorweisen einer Arbeitsbescheinigung von einjähriger, überjähriger oder unbefristeter Dauer (Factsheet zum Aufenthalt in der Schweiz mit Aufnahme einer Erwerbstätigkeit fs-bew-aufenthalt-d.pdf auf www.admin.ch; www.admin.ch ist die Webseite von „Der Bundesrat“ und „Das Portal der Schweizer Regierung“).
11
Zu einer G-Bewilligung wird unter https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/themen/aufenthalt/eu_efta/ausweis_g_eu_efta.html ausgeführt:
12
„Grenzgänger kehren in der Regel täglich oder mindestens einmal wöchentlich an ihren ausländischen Hauptwohnsitz zurück.“ „Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus den EU/EFTA-Mitgliedstaaten geniessen berufliche und geographische Mobilität. Für sie gelten keine Grenzzonen mehr. Sie können somit überall in der EU/EFTA wohnen und überall in der Schweiz arbeiten. Bedingung ist lediglich die wöchentliche Rückkehr an den ausländischen Wohnort. Die Bewilligung für Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus der EU/EFTA ist fünf Jahre gültig, sofern ein Arbeitsvertrag vorliegt, der unbeschränkt oder länger als ein Jahr gültig ist.“
13
Nach dem Factsheet fs-uebersicht-fza-d.pdf auf www.admin.ch gelten als Grenzgänger EU/EFTA-Staatsangehörige, welche in der Schweiz einer Erwerbstätigkeit nachgehen und gleichzeitig ihren festen Wohnort in einem EU/EFTA-Mitgliedstaat beibehalten. Die Grenzgängerbewilligung G EU/EFTA ist danach eine Sonderbescheinigung, deren Gültigkeitsdauer der Dauer des Arbeitsvertrags entspricht. Grenzgänger unterliegen danach besonderen Bestimmungen. Grenzgänger können sich bei der Einwohnergemeinde in der Schweiz als Wochenendaufenthalter anmelden.
14
Der Kläger war als quellensteuerpflichtig bei den Schweizer Steuerbehörden gemeldet. Er unterlag dem Tarif „C0Y – Verheiratete Doppelverdiener“. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Veranlagungsbehörde Steueramt B (...) sowie den Lohnausweis für 2019 Bezug genommen (...).
15
Zum Schweizer Tarifcode:
16
Der Tarifcode C gilt bei rechtlich und tatsächlich in ungetrennter Ehe lebenden Eheleuten, bei welchen beide Eheleute erwerbstätig sind (Art. 1 Abs. 1 Buchst. c Verordnung des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) über die Quellensteuer bei der direkten Bundessteuer, Quellensteuerverordnung vom 19. Oktober 1993 (Stand 2015) aufgehoben am 1. Januar 2021 (QStV), Systematische Rechtssammlung (SR) 642.118.2).
17
Bei einem Grenzgänger nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Deutschland (D), der den Tarifcode C erfüllt, gilt nach der QStV der Tarifcode N (Art. 1 Abs. 1 Buchst. j QStV).
18
„0“ bedeutet ohne Berücksichtigung von Kindern und „Y“ mit Kirchensteueranteil (vgl. Quellensteuern Aufbau und Recordformate der Quellensteuer-Tarife für den Zeitraum 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2020 der EFD abrufbar unter estv.admin.ch; vgl. https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1993/3324_3324_3324/de). „estv“ ist die Abkürzung für die Eidgenössische Steuerverwaltung.
19
In der Schweiz erheben neben dem Bund auch die Kantone und die Gemeinden Steuern auf das Einkommen. Der Kläger arbeitete und wohnte im Streitjahr in der Schweiz in B (TG).
20
Zum Schweizer Steuer- und Sozialversicherungsrecht:
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Der Quellensteuer unterliegen nach Art. 83 Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) vom 14. Dezember 1990 (Stand 1. Januar 2019), SR 642.11 (abrufbar als pdf. https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de) Arbeitnehmer ohne Niederlassungsbewilligung, die in der Schweiz jedoch steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt haben für ihr Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit.
22
Nach Art. 91 DBG unterliegen auch im Ausland wohnhafte Grenzgänger, Wochenaufenthalter und Kurzaufenthalter für ihr in der Schweiz erzieltes Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit der Quellensteuer.
23
Im Falle einer Quellenbesteuerung kommt es zu einer „nachträglichen ordentlichen Veranlagung“ nach Art. 89 DBG nur in bestimmten Fällen, u.a. wenn bestimmte Einkommensgrenzen überschritten sind oder ein Antrag nach Art. 89a DBG gestellt wird. Ergänzend wird auf die „Botschaft zum Bundesgesetz über die Revision der Quellenbesteuerung des Erwerbseinkommens“ vom 28. November 2014 Parlamentsnummer 14.093 BBI 2015 657 (https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2015/56/de) – Entwurf zum Bundesgesetz über die Revision der Quellenbesteuerung des Erwerbseinkommens mit Ausführungen zur Rechtslage und rechtlichen Aspekten Bezug genommen.
24
Die Höhe der Quellensteuer wird berechnet auf der Grundlage der für die Einkommensteuer natürlicher Personen geltenden Steuertarife u.a. unter Berücksichtigung des Abzugs für Versicherungsprämien nach Art. 33 S. 1 Buchst. d, f und g DBG. Nach Art. 33 S. 1 Buchst. d DBG werden von den Einkünften abgezogen die gemäss Gesetz, Statut oder Reglements geleisteten Einlagen, Prämien und Beiträge an die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV, IV) und an Einrichtungen der beruflichen Vorsorge (bV- die 2. Säule, auch Pensionskasse genannt, die die Leistungen der AHV/IV ergänzt und geregelt wird im Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) vom 25. Juni 1982 (Stand 1. Januar 2019), SR 831.40, als pdf abrufbar https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1983/797_797_797/de) und nach Art. 33 S. 1 Buchst. f DBG die Prämien und Beiträge für die Erwerbsersatzordnung (Erwerbsausfallentschädigung - EO), die Arbeitslosenversicherung (ALV) und die obligatorische Unfallversicherung (UV), nach Art. 33 S. 1 Buchst. g DBG die Einlagen, Prämien und Beiträge für die Lebens-, Kranken- und die nicht unter Buchst. f fallende Unfallversicherung bis zum genannten Gesamtbetrag.
25
Die AHV, IV, EO und ALV bilden als staatliche Vorsorge die sog. erste Säule des Schweizer Drei-Säulen-Modells.
26
Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 in der für das Streitjahr geltenden Fassung (BV), SR 101 (https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de) normiert die verfassungsmäßigen Grundlagen für dieses System der drei Säulen. Vorgaben für die AHV/IV machen insbesondere Art. 111 BV und für die bV Art. 113 BV.
27
Ergänzend erließ der Bund das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) vom 20. Dezember 1946 in der für das Streitjahr geltenden Fassung, SR 831.10 (https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/63/837_843_843/de). Danach sind die Beiträge vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit bei jeder Lohnzahlung in Abzug zu bringen und vom Arbeitgeber zusammen mit dem Arbeitgeberbeitrag periodisch zu entrichten (Art. 14 Abs. 1 AHVG).
28
Nach dem Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG) vom 19. Juni 1959 in der für das Streitjahr gültigen Fassung, SR 831.20 (https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1959/827_857_845/de) sind u.a. die Personen versichert, die nach dem AHVG obligatorisch versichert sind (Art. 1b IVG). Beitragspflichtig sind die in Art. 3 AHVG und Art. 12 AHVG genannten Versicherten und der Arbeitgeber (Art. 2 IVG). Für die Beitragsbemessung gilt sinngemäß das AHVG. Art. 3 Abs. 1 IVG regelt die Beitragshöhe.
29
Die bV als zweite Säule ist im Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25. Juni 1982 in der für das Streitjahr geltenden Fassung (BVG), SR 831.40 (https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1983/797_797_797/de) geregelt. In der Schweiz beschäftigte Arbeitnehmer mit einem bestimmten Einkommen unterstehen der obligatorischen Versicherung (Art. 2 Abs. 1 BVG, Art. 7 BVG). Im Obligatoriumsbereich entstehen die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Vorsorgeeinrichtung mit dem Abschluss eines Arbeitsvertrags (Art. 10 Abs. 1 BVG). Die Vorsorgeeinrichtung legt die Höhe der Beiträge des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers fest. Die von den Arbeitnehmern an die Vorsorgeeinrichtungen nach Gesetz oder reglementarischen Bestimmungen geleisteten Beiträge sind bei den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und Gemeinden abziehbar (Art. 81 Abs. 2 BVG). Für die versicherten Arbeitnehmer sind die vom Lohn abgezogenen Beiträge im Lohnausweis zu bescheinigen (Art. 81 Abs. 3 BVG).
30
Im Kanton Thurgau unterliegen ausländische Arbeitnehmer ohne Niederlassungsbewilligung (Bewilligung C), welche sich im Kanton aufhalten, mit ihren Einkünften aus unselbständiger Erwerbstätigkeit der Quellensteuerpflicht. Der (Quellen-) Steuerabzug tritt an die Stelle der im ordentlichen Verfahren zu veranlagenden Steuern des Kantons (§ 122 StG). Die Voraussetzungen der nachträglichen ordentlichen Veranlagung im Kanton Thurgau ergeben sich für das Streitjahr 2019 aus Steuerpraxis Thurgau StP 113 Nr. 1 Ziff. 3 (abrufbar wie alle StP über die Webseite steuerverwaltung.steuerpraxis.tg.ch) zur Regelung bis und mit Steuerperiode 2020 (über die Webseite sind die Fassungen für das jeweilige Jahr abrufbar).
31
Nach § 109 Steuergesetz (StG) unterliegen ausländische Arbeitnehmer mit steuerrechtlichem Wohnsitz oder Aufenthalt im Kanton für ihre Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit einem Steuerabzug an der Quelle.
32
Den Begriff steuerrechtlicher Wohnsitz definiert § 7 StG. Nach § 7 StG hat einen steuerrechtlichen Wohnsitz, „wer hier ungeachtet vorübergehender Unterbrechung während mindestens 30 Tagen verweilt und im Kanton erwerbstätig ist“.
33
Die Steuer wird von den Bruttoeinkünften berechnet (§ 110 Abs. 1 StG) mit Steuertarif nach Massgabe der für die Einkommensteuer natürlicher Personen geltenden Steuersätze (§ 111 StG) mit Pauschalen für Berufsauslagen und Versicherungsprämien (§ 112 StG).
34
Angewandt wird für die Besteuerung das sog. Monatsmodell (vgl. EStV-Kreisschreiben Nr. 45, Ziff. 6.2 mit Bezugnahme auf Art. 1 Abs. 1 QStV und Steuerpraxis Thurgau StP 112 Nr. 1). Nach dessen Ziff. 3 ist nach § 114 Abs. 1 StG bzw. Art. 107 Abs. 2 DBG bei einer im Ausland ansässigen Person mit Wochenaufenthalt der Wochenaufenthaltskanton für die Besteuerung zuständig. Die Höhe des für das Streitjahr 2019 monatlich geltenden Quellensteuertarif Tarif C ergibt sich aus „120_2017 Quellensteuer Monatstarife.pdf“, S. 44 ff, steuerverwaltung.tg.ch.
35
Die Tarifmitteilung erfolgt
-wie im Streitfall-
durch das Gemeindesteueramt (StP 111 Nr. 1 Ziff. 6).
36
Veranlagungsbehörden sind die Steuerverwaltung (§ 142 Abs. 1 Ziff. 4 StG des Kantons Thurgau, Rechtsbuch (RB) 640.1 (www.rechtsbuch.ch).
37
Nach der Steuerpraxis Thurgau StP 112 Nr. 1 kommt es zu einer maximalen Besteuerung zu 4,5 %, sofern die Grenzgängereigenschaft gemäss DBA Deutschland erfüllt ist in den Tarifen L, M, N, O, P und Q „Grenznähe mit Ansässigkeitsbescheinigung Gre-1 oder für die Verlängerung Gre-2“.
38
Grenzgänger oder Wochenaufenthalter ohne steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz, die in unselbständiger Stellung erwerbstätig sind, unterliegen der Quellensteuer (§ 114 StG) nach den §§ 109 bis 112 StG.
39
Als Wochenaufenthalter gelten quellenbesteuerte natürliche Personen, die ihren Arbeitsort in der Schweiz haben, eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben, Lebensmittelpunkt und steuerlichen Wohnsitz weiterhin im Ausland haben, denen eine tägliche Rückkehr an ihren Lebensmittelpunkt im Ausland nicht zugemutet werden kann (keine Grenzgänger), die in der Schweiz über eine Wohnung zwecks Aufenthalt verfügen oder wöchentlich an ihren ausländischen Wohnsitz zurückkehren (StP 114 Nr. 1 Ziff. 3, steuerverwaltung.steuerpraxis.tg.ch).
40
StP 114 Nr. 2 Ziff. 2 und Ziff. 2.3 (steuerverwaltung.steuerpraxis.tg.ch) führen u.a. aus: Ziff. 2.2 „Regelmässige Rückkehr“ „Die Grenzgängereigenschaft hängt ausschließlich von der regelmässigen Rückkehr an den Wohnort ab.“ „Kehrt die quellensteuerpflichtige Person aufgrund ihres Arbeitsvertrages weniger als an einem Tag pro Woche oder weniger als an fünf Tagen pro Monat nicht von ihrem Arbeitsort an den Wohnsitz zurück, liegt keine regelmässige Rückkehr mehr vor.“
41
„Ziff. 2.3 „Nichtrückkehrtage“: „Grenzgänger die aus beruflichen Gründen an mehr als 60 Tagen im Kalenderjahr nicht an den Wohnsitz zurückkehren“, „werden in der Schweiz bzw. im Kanton Thurgau für die erzielten Einkünfte der ordentlichen Quellensteuer unterstellt (Tarifcodes A, B, C, G oder H)“.
42
Der Kläger und seine Arbeitgeberin haben im Streitjahr entsprechend den Schweizer Regelungen Beiträge zur AHV und zu bV nach den Vorschriften zur bV ab dem Zeitpunkt der Betriebszugehörigkeit geleistet.
43
Nach dem Lohnausweis erfolgte ein Quellensteuerabzug i.H.v. XXX CHF. Dieser wurde vom Nettobetrag nach Abzug der Beiträge zur AHV, IV, EO, ALV, Nichtbetriebsunfallversicherung (NBUV) und zur bV vorgenommen. Die Richtigkeit der Angaben wurde bestätigt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Lohnausweis Bezug genommen (...).
44
Der Kläger war im Streitjahr bei der Schweizer Krankenversicherung D (Beiträge 2019: XXX EUR) und bei der E Krankenversicherung (Deutschland) krankenversichert. Wegen der Einzelheiten wird das Schreiben der E Krankenversicherung (Deutschland) vom 19. Februar 2020 mit Beiträgen zur Basisversicherung i.H.v. XXX EUR und über diese hinausgehenden Beiträge i.H.v. XXX EUR Bezug genommen (...).
45
Der Beklagte erließ am 13. Januar 2020 einen Vorauszahlungsbescheid über Einkommensteuer 2019.
46
Hiergegen legte der vertretene Kläger Einspruch ein. Er erziele steuerfreie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
47
Der Kläger erklärte in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2019 nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit der Schweiz (DBA Schweiz) steuerfreie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Dies entsprach der steuerlichen Behandlung in den Veranlagungszeiträumen 2017 und 2018.
48
Der Kläger beantragte eine Einzelveranlagung.
49
Der Beklagte hatte den Kläger 2017 und 2018 nicht als Grenzgänger behandelt, da eine Rückkehr aus beruflichen Gründen aufgrund der Zeitdauer nicht zumutbar gewesen sei. Hierzu bezog sich der Beklagte auf die für diese Jahre geltende Konsultationsvereinbarung mit der Schweiz (KonsVerCHEV) zur Auslegung des Art. 15a DBA Schweiz. Wegen der Einzelheiten wird auf den Auszug der Verwaltungsauffassung und des Grenzgängerhandbuches der Oberfinanzdirektion (OFD) F Bezug genommen (...).
50
Im Grenzgängerhandbuch (...) wurde auch geregelt: Die mit der Schweiz getroffene Verständigungsvereinbarung über die Residenzpflicht setze eine Wohnsitznahme in der Schweiz aufgrund einer zwingenden Vorschrift schweizerischen Rechts im Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit voraus. Der Ausdruck „zwingende Vorschrift schweizerischen Rechts“ umfasse dabei schweizerische Gesetze und Verordnungen. „Eine Verpflichtung in einem Arbeitsvertrag zur Wohnsitznahme in der Schweiz reicht nicht aus, um eine Nichtrückkehr aufgrund der Arbeitsausübung zu rechtfertigen“. „Hinweis: Auf Grund diverser Änderungen im nationalen schweizerischen Recht besteht nur noch für wenige Personen eine gesetzliche Verpflichtung zur Wohnsitznahme in der Schweiz.“
51
Der Sachbearbeiter für internationales Steuerrecht hielt in seiner Mitteilung an den Teilbezirk XX/XX vom 17. Dezember 2019 (...) fest, die kürzeste Fahrstrecke sei diejenige mit „deutlich längerer Fahrzeit“. Er führte in seiner Mitteilung u.a. aus, dass die einfache Straßenentfernung zwischen 98 km und 111 km bei einer Fahrtzeit von knapp unter 1,5 Stunden pro Weg betrage. Der Zeitfaktor spreche für eine Unzumutbarkeit einer Rückkehr. Der Kläger sei daher aus beruflichen Gründen an mehr als 60 Arbeitstagen nicht an seinen inländischen Wohnort zurückgekehrt.
52
Der Sachbearbeiter für internationales Steuerrecht informierte den Teilbezirk auch darüber, dass es ab Veranlagungszeitraum 2019 nach der neuen KonsVersCHEV nur noch um die kürzeste Straßenentfernung gehe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Mitteilung vom 17. Dezember 2019 (...) und die Mitteilung vom 11. März 2021 Bezug genommen (...).
53
Der Sachbearbeiter für internationales Steuerrecht führte in der Mitteilung vom 11. März 2021 auch aus, dass seiner Ansicht nach weder der Zeitfaktor noch der Aufenthaltsstatus noch das Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 16. Dezember 1999 – 14 K 208/98 als Einzelfallentscheidung eine Rolle spielten.
54
Er ermittelte den steuerpflichtigen Arbeitslohn sowie die abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen. Lt. Arbeitsvertrag würden Beiträge in die Krankentaggeldversicherung und NBUV vom Gehalt abgezogen. Von einer Hinzuziehung etwaiger Arbeitgeberbeiträge im Schätzungswege wurde abgesehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Mitteilung vom 11. März 2021 und die Berechnung Bezug genommen (...).
55
Der Beklagte stützte sich auf das BMF-Schreiben vom 25. Oktober 2018, Bundessteuerblatt (BStBl.) I 2018, 1103.
56
Nach der Pressemitteilung hierzu haben sich mit der neuen KonsVerCHEV vom 12. Oktober 2018, BMF-Schreiben vom 25. Oktober 2018 (BStBl. I 2018, 1103) mit Wirkung ab 1. Januar 2019 Änderungen in Bezug auf die Zumutbarkeit der Rückkehr i.S.d. Art. 15a Abs. 1 DBA Schweiz ergeben.
57
Ausgeführt wurde u.a.: „Es muss dem Staatsbürger also wegen seiner Arbeit nicht möglich, das heißt „unzumutbar“ sein, nach seinem Arbeitstag noch nach Hause zu fahren.“ Es werde nunmehr zwischen der Art des benutzten Transportmittels unterschieden. Bei Benutzung eines Kfz sei die kürzeste Fahrstrecke maßgebend. Bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei die schnellste Verbindung zu den allgemein üblichen Pendelzeiten maßgebend. Durch die neue Vereinbarung sollten Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden werden. „Bei Personen, deren Entfernung zwischen Wohnsitz und Arbeitsstätte weniger als 100 km beträgt und die Rückkehr wegen Überschreitens der zeitlichen Grenze nach der bisherigen Vereinbarung nicht zumutbar war, kann sich daher eine Verschiebung des Besteuerungsrechts der einzelnen Staaten ergeben.“ Wegen der Einzelheiten wird auf die Pressemitteilung zur neuen KonsVerCHEV Bezug genommen (...).
58
Nach den in der Einkommensteuerakte befindlichen Ausdrucken diverser Routen und deren Fahrtdauer ist z.B. nach Google Maps die schnellste Route mit üblicher Verkehrslage von der inländischen Wohnung zur Schweizer Arbeitsstätte mit dem Kraftfahrzeug (Kfz) über [...] die Strecke mit 104 km und einer Zeitdauer von 1 Stunde (Std.) 22 Minuten die schnellste Route; die beste Route 111 km, 1 Std. 24 Minuten. Die kürzeste Strecke über [...] beträgt 88 km, 1 Std. 47 Minuten. Zwischen der kürzesten Strecke und der Strecke mit der geringsten Fahrzeit gibt es noch eine Strecke ausschließlich über Landstraßen mit 89 km. Nach google maps vom 9. März 2021 beträgt die kürzeste einfache Fahrtstrecke 87,3 km, je nach Verkehrsaufkommen 1 Std. 25 Minuten – 1 Std. 40 Minuten. Alle Fahrten zwischen 87,3 km und 129 km dauern zwischen 1 Std. 21 Minuten und 1 Std. 48 Minuten.
59
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln dauert die Fahrt von G nach B einfach zwischen 3 Stunden 36 Minuten und 4 Stunden 24 Minuten mit 3 bis 5 Umstiegen Bus und Bahn. Die Fahrt beginnt nach der Reiseauskunft zwischen 4 Uhr 59 und 5 Uhr 52 mit einer Ankunft am Schweizer Zielort zwischen 8 Uhr 58 und 9 Uhr 28. Wegen der Einzelheiten wird auf die Reiseauskunft Bezug genommen (...).
60
Der Kläger beginnt seine berufliche Tätigkeit grundsätzlich zwischen 6 Uhr und 6.30 Uhr. Sie endet i.d.R. nicht nach der Sollarbeitszeit von 8,5 Stunden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Arbeitszeitlisten Bezug genommen (...).
61
Der Beklagte berechnete den steuerpflichtigen Arbeitslohn 2019 sowie die Altersvorsorgebeiträge. Er berücksichtigte Beiträge zur AHV/IV/EO/NBUV sowie die nachgewiesenen Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Sparbeiträge in das Obligatorium Pensionskasse. Steuerfreie Arbeitgeberbeiträge und ein Sonderausgabenabzug für die Rentenversicherungsbeiträge wurden berücksichtigt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung Bezug genommen (...).
62
Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 26. März 2021 (Einzelveranlagung) Einkommensteuer für 2019 i.H.v. XXX EUR unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Er bezog die in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in die steuerliche Bemessungsgrundlage ein. Werbungskosten i.H.v. XXX EUR wurden berücksichtigt. Der Beklagte berücksichtigte auch eine „Abzugsteuer Schweiz“ i.H.v. XXX EUR. Er erläuterte, dass nach der aktuellen KonsVersCHEV eine tägliche Rückkehr zumutbar sei. Der Bescheid werde Gegenstand des laufenden Einspruchsverfahrens.
63
Der Kläger führte im Einspruchsverfahren im Wesentlichen aus, die KonsVersCHEV sei unverbindlich und verstoße gegen den Grundsatz einer gleichmäßigen Besteuerung. Nach dem Wortlaut der KonsVersCHEV sei bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel eine Rückkehr unzumutbar und der Arbeitslohn in der Schweiz zu besteuern, da die einfache Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln G – B zwischen 3,5 und 4,5 Stunden betrage. Eine inländische Steuerpflicht könne nicht vom benutzten Verkehrsmittel abhängen. Neben der Entfernung müsse daher auch die Zeitdauer berücksichtigt werden. Außerdem seien die besonderen Umstände im Einzelfall, so seine Tätigkeit mit Verantwortung und die längeren Arbeitszeiten. Diese bedingten unter Beachtung seines Alters (Streitjahr XX Jahre) und seines Gesundheitszustands (...) eine ausreichende Erholungszeit (vgl. EuGH-Urteil vom 9. September 2003 C-151/02 Rz. 94). Die KonsVersCHEV verstoße auch gegen das Klimaschutzgesetz (KSG). § 13 Abs. 1 KSG enthalte ein Berücksichtigungsgebot, die gesetzlichen Ziele seien zu berücksichtigen. Eine 100 km-Pendelgrenze (einfach) für Autofahrer stehe nicht im Einklang mit Klimaschutzzielen.
64
Mit Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2022 berücksichtigte der Beklagte Werbungskosten i.H.v. XXX EUR, setzte Einkommensteuer auf XXX EUR herab und wies im Übrigen den Einspruch als unbegründet zurück.
65
Der Beklagte führte in seiner Einspruchsentscheidung u.a. aus, der Kläger sei trotz eines Wohnsitzes in der Schweiz nach Art. 4 Abs. 2 DBA Schweiz im Inland am Familienwohnsitz mit Ehefrau und (...) ansässig. Seine Grenzgängereigenschaft entfalle nach Art. 15a DBA Schweiz nur dann, wenn er an mehr als 60 Arbeitstagen aus beruflichen Gründen nicht an seinen inländischen Wohnsitz zurückkehre. Nach der KonsVersCHEV komme es zur Beurteilung der Zumutbarkeit als Kriterium für eine berufliche Nichtrückkehr auf die kürzeste Straßenentfernung für die einfache Wegstrecke an. Diese sei geringer als 100 km. Die bis 2018 geltende KonsVersCHEV vom 24. Juni 1999, deren Anwendung durch den Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 20. Oktober 2004 I R 31/04, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH (BFH/NV) 2005, 840 bestätigt worden sei, lasse keine Rückschlüsse darauf zu, dass die ab 2019 geltende KonsVersCHEV mit einer weitergehenden nach objektiven Gesichtspunkten einhergehenden Vereinfachung der Anwendungs- und Auslegungsfragen des Art. 15a DBA Schweiz gegen den Wortlaut des DBA und gegen Gleichbehandlungsgrundsätze verstoße. Anhaltspunkte dafür, dass eine nach Verkehrsmitteln erfolgende typisierende Unterscheidung unzulässig sei, ergebe sich nicht aus der im Verhältnis zur Schweiz geltenden Rechtsprechung des EuGHs über das Verhältnis zwischen dem Primärrecht der Union und den zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen DBA. Danach könnten die Staaten im Rahmen bilateraler Abkommen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Anknüpfungspunkte für die Bestimmung ihrer jeweiligen Steuerhoheit festlegen. Art. 2 Nr. 1 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299, S. 9) - RL 2003/88 - definiere den Begriff "Arbeitszeit" als jede Zeitspanne, während deren ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeite, dem Arbeitgeber zur Verfügung stehe und seine Tätigkeit ausübe oder seine Aufgaben wahrnehme und dass dieser Begriff im Gegensatz zur Ruhezeit zu sehen sei, da beide Begriffe einander ausschlössen. In diesem Zusammenhang sehe die genannte Richtlinie keine Zwischenkategorie zwischen den Arbeitszeiten und den Ruhezeiten vor. Für das Erfordernis ,,dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen müssen", sei der Umstand entscheidend, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sei, sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten und sich zu dessen Verfügung zu halten, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können. Ein Arbeitnehmer stehe also nur dann seinem Arbeitgeber zur Verfügung, wenn er sich in einer Lage befinde, in der er rechtlich verpflichtet sei, den Anweisungen seines Arbeitgebers Folge zu leisten und seine Tätigkeit für ihn auszuüben. Keine Arbeitszeit im Sinne der RL 2003/88 liege dagegen vor, wenn ein Arbeitnehmer ohne größere Zwänge über seine Zeit verfügen und seine eigenen Interessen nachgehen könne. Nach den mit dem Arbeitgeber getroffenen Regelungen sei vorliegend die vorgetragene Fahrzeit arbeitsrechtlich nicht als Arbeitszeit anzusehen. Aus der vorrangig den Arbeitgeber treffenden Verpflichtung zur Einhaltung von Ruhezeiten lasse sich für eine selbst gewählte Lebensgestaltung kein Anspruch für eine zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung abweichende Zuweisung des Besteuerungsrechts ableiten. Durch einen aufgrund zwingender Rechtsvorschriften beruhenden Aufenthalt am Arbeitsort werde eine berufliche Veranlassung von Nichtrückkehrtagen begründet. Ein auf einem Verlangen des Arbeitgebers bzw. einem auf einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung beruhendem Aufenthalt am Arbeitsort vermag hingegen ebenso wie der Hinweis ,,Wochenaufenthalter" zu sein, eine solche berufliche Veranlassung von Nichtruckkehrtagen nicht zu begründen (Wassermayer/Brandis, DBA, Art. 15a DBA Schweiz Rz. 47). Die in Art. 20a Grundgesetz (GG) enthaltene Verpflichtung des Staates zum Klimaschutz genieße keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen, sondern sei im Konfliktfall in einen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen. Der Gesetzgeber habe mit dem Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht vom 21.12.2019, Bundesgesetzblatt (BGBI.) 2019 I 2886 steuerliche Maßnahmen geregelt. Ihm stehe ein Gestaltungsspielraum zu.
66
Hiergegen erhob der vertretene Kläger Klage. Er macht im Wesentlichen geltend, nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA Schweiz entfalle bei einer in einem Vertragsstaat ansässigen und im anderen Vertragsstaat arbeitenden Person die Grenzgängereigenschaft dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Da er, der Kläger, bei seinem Arbeitgeber eine leitende Tätigkeit innegehabt habe (vgl. Anstellungsvertrag Ziff. 1), seien Arbeitszeiten zwischen 9 und bis zu 11 Stunden täglich (ohne Berücksichtigung der Pausen) die Regel gewesen. Aufgrund der einfachen Fahrzeit von mindestens 1,5 Stunden bei normaler Verkehrslage müsste er bei einer unterstellten Rückkehr an den Wohnsitz also ungefähr um 05:00 Uhr losfahren, um pünktlich um 06:45 Uhr seine Arbeit aufnehmen zu können. Je nach tatsächlichem Arbeitsende wäre er bei 2 Stunden Rückfahrt durch den Feierabendverkehr nie vor 19:30 Uhr zu Hause und das auch nur dann, wenn man nur die reine Fahrzeit betrachte und weitere regelmäßige Verzögerungen (Wege zum Parkplatz, Tanken etc.) unberücksichtigt lasse. Ein Zeitraum zu Hause von 19:30 Uhr bis 05:00 Uhr bedeute eine „Freizeit" von 9 Stunden 30 Minuten. […]. Außerdem seien die europarechtlichen Ruhezeitregelungen einzubeziehen. Betroffene Wochenaufenthalter könnten ansonsten ihrer Arbeitstätigkeit nicht ohne einen Dauerverstoß gegen die geltenden Arbeitszeitgesetze nachgehen. […] könnte dies sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer weitere negative Folgen haben, bis hin zum Verlust des Versicherungsschutzes bei einem Arbeitsunfall. Die unionsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Dauer und Ausgestaltung der Ruhezeit seien auch von der Finanzverwaltung bei der Aufstellung der Zumutbarkeitskriterien einzuhalten. Das Interesse des Staates an einem möglichst hohen Steueraufkommen dürfe nicht auf Kosten der Gesundheit seiner Bürger und im Wege eines rechtswidrigen Eingriffs in das Arbeitgeber-/Arbeitnehmer-Verhältnis durch unzumutbare und willkürliche Vorgaben, wie sie in der oben genannten KonsVersCHEV enthalten seien, durchgesetzt werden. Im Einklang mit geltendem Unionsrecht sei eine Rückkehr an den Wohnsitz vielmehr zwingend und unabhängig von der Wahl des Verkehrsmittels als unzumutbar anzusehen, sofern bei einer Rückkehr die in Art. 3 der Richtlinie 93/104/EG vorgegebene Mindestruhezeit von 11 Stunden nicht eingehalten wäre. Alles andere wäre ein Verstoß gegen das Unionsrecht. Seine Arbeitgeberin habe ihn in Ziff. 9 des Anstellungsvertrages im Rahmen der ihr obliegenden Sorgfalts- und Überwachungspflicht ausdrücklich zur Aufnahme eines Wohnsitzes in der Region B (TG) verpflichtet. Damit sei die Nichtrückkehr an den Familienwohnsitz unabhängig von der Frage der Zumutbarkeit auch aus „beruflichen Gründen" im Sinne des Art. 15a DBA Schweiz nicht möglich gewesen. Die vorliegend für die Beurteilung der Zumutbarkeit herangezogene KonsVersCHEV gehe über den Wortlaut des Art. 15a DBA Schweiz deutlich hinaus. Dem vorgenannten Artikel könne an keiner Stelle entnommen werden, dass bei der Frage der Zumutbarkeit nunmehr nur noch eine konkrete Kilometergrenze bei Fahrten mit dem Pkw oder -bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel- lediglich die reine Fahrzeit maßgeblich sein soll. Diese Differenzierung sei verfassungsrechtlich bedenklich und führe -bei Anwendung der in der Vereinbarung festgelegten Kriterien- zu einer massiven Ungleichheit der Besteuerung: Zum einen verstoße die KonsVersCHEV gegen den grundrechtlichen Gleichheitssatz und das Willkürverbot (Art. 3 GG). Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum derselbe Sachverhalt (das Pendeln) mit unterschiedlichen Maßstäben (Strecke oder Fahrzeit) bewertet wird. Nach objektiven Gesichtspunkten mache es bei der Frage der Unzumutbarkeit keinen Unterschied, ob jemand seine X Stunden Fahrzeit täglich im Auto oder im Zug sitzend verbringt. Im Zug könne man diese Zeit sogar noch anderweitig sinnvoll nutzen, während eine Autofahrt die gesamte Konzentration des Steuerpflichtigen beanspruche, erst recht nach einem langen Arbeitstag und bei dem üblichen hohen Verkehrsaufkommen. Auch bei ihm sei nach alldem die Fahrzeit bei der Prüfung der Unzumutbarkeit weiterhin miteinzubeziehen. Eine mehr als dreistündige Autofahrt täglich an 5 Wochentagen führe eindeutig zur Unzumutbarkeit, sodass seine Grenzgängereigenschaft -wie auch in den Vorjahren- gemäß Art. 15a Abs. 2 DBA Schweiz entfalle. Die an sich schon ungerechtfertigte Differenzierung je nach genutztem Verkehrsmittel führe auch zu einer objektiv ungerechten Besteuerung, weil Steuerpflichtige mit demselben Wohnsitz, denselben Lohneinkünften und derselben Entfernung zur Tätigkeitsstätte ohne sachliche Rechtfertigung ungleich besteuert werden. Die Fahrt mit dem Kfz rechtfertige eine solche Ungleichheit nicht. Ein Steueranspruch könne nicht von der Wahl des Verkehrsmittels abhängen. […]. Es erschließe sich nicht, weshalb die bisherige Regelung (Entfernung 90 - 110 km, einfache Fahrzeit bis 1,5 Stunden) anwenderunfreundlicher gewesen sein sollte als die jetzige Regelung. Auch die aktuelle Regelung sei keinesfalls schematisch bzw. typisierend, wie das im Text der KonsVersCHEV enthaltene Wort „insbesondere" zeige. Auch die jetzige Regelung sei nach alldem auslegungsbedürftig und -fähig. Der einzige Unterschied sei, dass die Finanzverwaltung dies bislang in der Praxis in keiner Weise umsetze, sondern -wie hier- ohne Berücksichtigung der weiteren individuellen Umstände auf die starre 100 km-Grenze fixiert sei. Diese Vorgehensweise finde aber noch nicht einmal in der KonsVersCHEV selbst eine Grundlage, geschweige denn in Art. 15 a DBA-Schweiz.
67
Der Kläger beantragt unter Bezugnahme auf die (Probe)Berechnung 1 des Beklagten (...):
Der Bescheid vom 26.03.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.02.2022 nebst Anlage zur Einspruchsentscheidung über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer (...) wird dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer in Höhe von EUR XXX EUR festgesetzt wird. […]
Hilfsweise: Die Revision wird zugelassen.
68
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
69
Der Beklagte nimmt im Wesentlichen Bezug auf seine Einspruchsentscheidung und ergänzt: Art. 15a Abs. 2 S. 2 DBA Schweiz stelle auf die Veranlassung der Nichtrückkehr durch die Arbeitsausübung ab, ohne dass dies im DBA Schweiz selbst oder in den Protokollen hierzu definiert sei. Mit der im Rahmen des bestehenden DBA zur einheitlichen Anwendung und Auslegung des Art. 15a DBA Schweiz zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft getroffenen KonsVersCHEV seien die sich aus einer vom jeweiligen Steuerpflichtigen eigenverantwortlich getroffenen Lebensgestaltung ergebenden Kriterien zur Zuweisung des Besteuerungsrechts zwischen den beteiligten Staaten zulässigerweise - und hierdurch insbesondere der bisherige, auslegungsbedürftige Abgrenzungsbereich (Entfernung 90 – 110 Kilometer, Fahrzeit einfach bis 1,5 Stunden) - typisierend zu Gunsten einer gegenseitig anwenderfreundlicheren Regelung neu gefasst worden. Die Verständigungsvereinbarung bei der Abkommensauslegung zu berücksichtigen, entspreche dem Grundsatz der Entscheidungsharmonie und sichere die Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Die Verständigungsvereinbarung stehe weder in Widerspruch zum Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 S. 2 DBA-CH noch zur Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, L 307, S. 18). Die individuellen Lebensumstände sprächen nicht gegen die Anwendbarkeit der KonsVersCHEV. Dem Kläger verblieben bei einer Rückkehr an den Wohnsitz in Deutschland selbst unter den von ihm dargelegten ungünstigen Verkehrsbedingungen – bei einem üblichen Arbeitsbeginn um ca. 6.30 Uhr und einem Arbeitsende und ca. 17.00 – 17.30 Uhr – eine Aufenthaltsdauer von mehr als 9 Stunden, so dass ihm die Rückkehr möglich und auch zumutbar gewesen sei. Gesundheitliche Gründen seien keine beruflichen Gründe.
70
Die Berichterstatterin erörterte die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 18. Juli 2022. Die Klägervertreterin teilte u.a. mit, dass der Kläger im Streitjahr grundsätzlich einmal wöchentlich an den inländischen Wohnsitz zurückgekehrt sei. Er sei am Sonntagabend in die CH und von dort am Freitag zurückgefahren. Die kürzeste Wegstrecke sei nicht die schnellste. Sie berücksichtige die Baustelle in 2019 […] nicht. […]. Die arbeitsvertragliche Verpflichtung einer Wohnsitznahme in der Schweiz sei im Lichte der gemeinschaftsrechtlichen arbeitsrechtlichen Vorgaben zu den Ruhezeiten zwischen Arbeitsende und Arbeitsaufnahme am Folgetag auszulegen. Die Schweiz habe jedenfalls den Kläger vollumfänglich der Quellenbesteuerung unterworfen. […]. Erörtert wurden der Wortlaut („insbesondere“), die Zumutbarkeit einer Rückkehr im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung des Fahrtweges, der Fahrtzeit, der unterschiedlichen Behandlung eines PKW-Nutzers (kürzeste Strecke) im Vergleich zu einem Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel (tatsächliche Fahrtzeit), der unterschiedlichen Behandlung von Fahrten zwischen Wohnung und 1. Tätigkeitsstätte nach Verständigungsvereinbarung („insbesondere“, „kürzeste Straßenentfernung für die einfache Wegstrecke“ „über 100 Kilometer“) und § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) - „kürzeste Straßenverbindung“; „eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger“ und „regelmäßig“ „benutzt wird“), der ausgeführten Tätigkeit und der Arbeitszeiten, die Höhe der Werbungskosten sowie im Falle einer Freistellung der Progressionsvorbehalt sowie die Berücksichtigung eines Sonderausgabenabzugs. Die Berichterstatterin gab zu bedenken, dass nach dem Wortlaut „insbesondere“ die 100 Kilometer-Grenze keine starre Grenze sei, mithin die Umstände im Einzelfall zu würdigen seien, jedenfalls dann, wenn die kürzeste Entfernung nicht die schnellste Route sei. Die Berichterstatterin bat um Vorlage ergänzender Unterlagen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 18. Juli 2022 Bezug genommen.
71
Die Klägerseite machte ergänzende Angaben zur Tätigkeit des Klägers und zu den Versicherungsbeiträgen. […].
72
[…].
73
Der Beklagte übersandte Probeberechnungen […]. Wegen der Einzelheiten wird auf die Prüfberechnungen Bezug genommen (...).
74
Die mündliche Verhandlung fand am 23. November 2022 statt. Der Kläger machte ergänzende Ausführungen zur Sache. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll Bezug genommen (...).
75
Die den Streitfall betreffenden Akten des Beklagten wurden beigezogen. | |
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. April 2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2007 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 600,00 Euro für die Aufzeichnung seiner Stimme für das Kommunikationsprogramm „meine eigene Stimme“ zu erstatten sowie ihn mit diesem Programm zu versorgen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das gesamte Verfahren zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen. | Randnummer
1
Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für die Versorgung mit dem elektronischen Sprachausgabesystem „meine eigene Stimme“ (Preis: 2.600 Euro) sowie Kostenerstattung in Höhe von 600 Euro für die bereits erfolgte Aufzeichnung seiner eigenen Stimme.
Randnummer
2
Der im Jahre 1966 geborene Kläger leidet unter Amyotropher Lateralsklerose (ALS). Die Krankheit wurde im Jahre 2004 bei ihm festgestellt. Eine der vielen gravierenden Folgen der Erkrankung besteht in der Lähmung der Sprechmuskulatur mit der Folge von Sprechstörungen bis hin zum völligen Verlust der eigenständigen Artikulationsmöglichkeit.
Randnummer
3
Mit Schreiben seines behandelnden Arztes Dr. T M, Oberarzt im CC für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie (ALS-Ambulanz nach § 116 b SGB V), vom 26. Februar 2007, eingegangen bei der Beklagten am 28. August 2007, beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für die Aufzeichnung seiner eigenen Stimme und für das elektronische Kommunikationsprogramm „meine eigene Stimme“, das im Falle des Stimmverlusts über entsprechende Hardware die apparativ vermittelte Artikulation des Klägers mittels seiner eigenen Stimme ermöglicht. Herkömmliche Systeme ermöglichen lediglich die Artikulation mittels einer synthetischen Stimme.
Randnummer
4
Mit Bescheid vom 9. Oktober 2007, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 27. November 2007, lehnte die Beklagte die begehrte Kostenübernahme ab. Eine Versorgung mit dem beantragten Produkt übersteige das Maß des Notwendigen. Eine Kommunikationshilfe mit synthetischer Sprachausgabe sei im Sinne eines Basisausgleichs gegebenenfalls ausreichend.
Randnummer
5
Mit der am 20. Dezember 2007 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.
Randnummer
6
Zu Beginn des Jahres 2008 hat der Kläger gegen Zahlung von 600 Euro seine Stimme vom Hersteller des Programms „meine eigene Stimme“ aufnehmen lassen, um sich die Möglichkeit zu erhalten, dieses Programm später nutzen zu können; insoweit begehrt er nun Kostenerstattung. Seit dem Ende des Jahres 2008 ist der Kläger aufgrund eingetretenen Stimmverlusts auf ein Sprachausgabesystem als Hilfsmittel zur Kommunikation angewiesen; das ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellte Hilfsmittel funktioniert mit einer synthetischen Stimme.
Randnummer
7
Der Kläger meint, weitestgehender Behinderungsausgleich sei nur mit dem Gebrauch der eigenen Stimme gewährleistet. Mit einer synthetischen Stimme gehe die Individualität der Stimme sowie ein wichtiges Identifizierungsmerkmal verloren. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze den Gebrauch der eigenen Stimme.
Randnummer
8
Das Sozialgericht Potsdam hat die Klage mit Urteil vom 21. April 2009 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zum Zwecke des Behinderungsausgleichs sei die Versorgung mit einem herkömmlichen Sprachsystem ausreichend. Das Grundbedürfnis nach Kommunikation könne so erfüllt werden. Eine Versorgung mit dem begehrten Sprachprogramm sei auch unwirtschaftlich, da es naturgemäß nur einmal, nämlich beim Kläger, verwendet werden könne, anders als die herkömmlichen Kommunikationshilfen, die von der Beklagten stets einer Wiederverwendung zugeführt würden.
Randnummer
9
Gegen das ihm am 12. Mai 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Juni 2009 Berufung eingelegt und mit dieser (erstmals) eine ärztliche Verordnung für das Programm „meine eigene Stimme“ vom 10. Juni 2009 vorgelegt, ausgestellt vom behandelnden Arzt Dr. T M, versehen mit dem Stempel der ALS-Ambulanz der C. Zur Begründung bringt er im Wesentlichen vor: Das Sozialgericht habe das Gebot des möglichst weitgehenden Behinderungsausgleichs nicht berücksichtigt. Anzustreben sei ein Zustand, der dem eines gesunden Menschen am nächsten komme. Seine Behinderung liege gerade im Verlust der eigenen Stimme. Ein weitestgehender Ausgleich dieses Handicaps sei nur mit dem Gebrauch des begehrten Kommunikationsprogramms zu erzielen. Die begehrte Leistung ziele auch auf ein Grundbedürfnis des Klägers. Seine Erkrankung führe zunehmend zum Verlust seiner körperlichen Funktionen. Mit dem Gebrauch seiner eigenen Stimme könne er sich einen Teil seiner Identität bewahren. Die Nutzung der synthetischen Stimme werde dagegen aufgrund ihrer Künstlichkeit oft vermieden, was mit einem Kommunikationsverlust einhergehe. Immerhin sei das begehrte Programm im Hilfsmittelverzeichnis gelistet (Pos.-Nr. 16.99.06.3012). Viele andere gesetzliche Krankenkassen übernähmen diese Leistung.
Randnummer
10
Der Kläger beantragt,
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11
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. April 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 600 Euro für die Aufzeichnung seiner Stimme für das Kommunikationsprogramm „meine eigene Stimme“ zu erstatten sowie ihn mit diesem Programm zu versorgen.
Randnummer
12
Die Beklagte beantragt,
Randnummer
13
die Berufung zurückzuweisen.
Randnummer
14
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Randnummer
15
Der Senat hat sich vom Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung das von der Beklagten zur Verfügung gestellte Sprachausgabesystem vorführen lassen sowie eine kurze Passage aus der Aufnahme seiner eigenen Stimme.
Randnummer
16
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war. | |
I. Auf die Berufung des Beklagten, Az.:
L-5/Vsb-459/85
, wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 1985 aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit die volle Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens im Streit steht.
II. Auf die Berufung der Klägerin, Az.:
L-5/Vsb-329/85
, wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 1985 aufgehoben, soweit die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren im Streit steht. Unter Abänderung des Bescheides vom 16. August 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 1984 wird insoweit zu der Entscheidung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens bestimmt, daß die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war.
III. Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird zugelassen. | Randnummer
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin die Kosten des Widerspruchsverfahrens voll zu erstatten sind und ob die Zuziehung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren notwendig war.
Randnummer
2
Die 1922 geborene Klägerin, von Beruf Fremdsprachenkorrespondentin, beantragte im Mai 1982 beim Versorgungsamt Frankfurt am Main die Feststellung einer Behinderung und des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG). Mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 22. April 1983 wurden als Behinderungen festgestellt: Degenerative Wirbelsäulenveränderungen und Hüftgelenktotalendoprothesen beiderseits; der Grad der MdE wurde mit 50 v.H. festgestellt. Außerdem wurde das Merkzeichen „G” zuerkannt. In dem Bescheid wurde ferner ausgeführt, die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen: Operation am linken Oberarm 1974, Netzhautablösung schränkten ihre Erwerbsfähigkeit nach den Grundsätzen des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) nicht ein und könnten daher nicht als Behinderung im Sinne des SchwbG festgestellt werden.
Randnummer
3
Gegen den Bescheid des Versorgungsamtes vom 22. April 1983 legte die Klägerin am 13. Mai 1983 Widerspruch ein. Sie zog ihren Prozeßbevollmächtigten des vorliegenden Streitverfahrens, Rechtsanwalt …, zu. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, der Grad der MdE mit 50 v.H. sei für die festgestellten Behinderungen zu niedrig angesetzt; sie habe Kenntnis von vergleichbaren Fällen, bei denen der Grad der MdE auf 70 v.H. angesetzt worden sei. Zudem bestünden bei der Klägerin noch weitere Gesundheitsstörungen, die als Behinderungen anzusehen seien. Die Klägerin stützte sich auf eine Bescheinigung des praktischen Arztes Dr. … vom 5. Oktober 1983.
Randnummer
4
Der Beklagte veranlaßte eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. … vom 30. November 1983 und holte einen Befundbericht von dem Facharzt für Orthopädie Dr. …, … vom 20. Dezember 1983 ein. In einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. … vom 18. Januar 1984 wurde unter Berücksichtigung des Berichtes von Dr. … ausgeführt, die Einzel-MdE sei für die Hüftgelenktotalendoprothesen beiderseits mit 50 v.H. und für die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen mit anhaltender Funktionsbehinderung, Fingergelenksarthrosen mit 20 v.H. zu bemessen. Hieraus ergebe sich eine Gesamt-MdE von 60 v.H..
Randnummer
5
Das Versorgungsamt erteilte daraufhin den Abhilfebescheid vom 13. Februar 1984. Als Behinderungen wurden nunmehr festgestellt: 1. Hüftgelenkstotalendoprothesen beiderseits, 2. degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit anhaltender Funktionsbehinderung, Fingergelenksarthrosen; der Grad der MdE wurde mit 60 v.H. festgestellt. Das Merkzeichen „G” blieb zuerkannt. Die Klägerin betrachtete den Widerspruch daraufhin als erledigt (Schriftsatz vom 9. März 1984). Sie beantragte sinngemäß, ihr die Kosten des Vorverfahrens einschließlich der Gebühren und Auslagen ihres Rechtsanwaltes zu erstatten.
Randnummer
6
Mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 16. August 1984 wurden der Klägerin die Kosten des Widerspruchsverfahrens (dem Grunde nach) zur Hälfte erstattet, da ihrem Widerspruch nur teilweise habe abgeholfen werden können; die Gebühren und Auslagen ihres Rechtsanwalts seien nicht erstattungsfähig, da die Zuziehung nicht notwendig gewesen sei. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg; er wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1984 zurückgewiesen.
Randnummer
7
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie meinte (sinngemäß), daß ihr die Kosten des Widerspruchsverfahrens voll zu erstatten seien und daß die Einschaltung eines rechtskundigen Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig gewesen sei.
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8
Mit Urteil vom 14. Januar 1985 änderte das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) den Bescheid vom 16. August 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 1984 ab und verurteilte die Beklagte, der Klägerin die Kosten des Widerspruchsverfahrens (voll) zu erstatten mit Ausnahme der Anwaltskosten; insoweit wies es die Klage ab. Das SG ließ die Berufung zu. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.
Randnummer
9
Gegen dieses ihr am 19. März 1985 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. März 1985 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung der Klägerin (Az.:
L-5/Vsb-329/85
). Sie ist weiterhin der Ansicht, daß die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren notwendig gewesen sei.
Randnummer
10
Gegen das ihm am 25. März 1985 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. April 1985 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung des Beklagten (L-5/Vsb-459/85). Er trägt vor, der Widerspruch der Klägerin sei nur zur Hälfte erfolgreich gewesen. Die angefochtene Entscheidung, daß der Klägerin lediglich die Hälfte der Kosten zu erstatten seien, sei daher nicht zu beanstanden. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts sei nicht notwendig gewesen. Für das Verwaltungsverfahren im Schwerbehindertenrecht bedürfe es keiner juristischen Kenntnisse. Die Feststellungsverfahren beschränkten sich auf medizinische Tatbestände und deren Einwirkungen auf die Erwerbsfähigkeit. Hierfür wäre allenfalls die Mitwirkung eines Arztes erforderlich.
Randnummer
11
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und unter Abänderung des Bescheides vom 16. August 1984 und des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 1984 zu der Entscheidung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu bestimmen, daß die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war.
Randnummer
12
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 1985 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die volle Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens im Streit steht.
Randnummer
13
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
Randnummer
14
Im übrigen wird auf den Inhalt der vorliegenden Schriftsätze der Beteiligten und der Schwerbehindertenakten, Geschäftszeichen: ..., die vorgelegen haben, Bezug genommen. | |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der festzusetzenden Kosten abzuwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. | Randnummer
1
In dem vorliegenden Klageverfahren streiten die Beteiligten letztlich um die Zuordnung der Streusiedlung Hermerthal zur Klägerin. Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Randnummer
2
Auf der Gemarkung Teistungen an der Grenze zur Gemarkung der früheren Gemeinde Hundeshagen liegen einige bebaute Grundstücke, die mit dem Eigennamen Siedlung bzw. Gehöft
1
so die Bezeichnung im Wikipedia-Eintrag Hermerthal
so die Bezeichnung im Wikipedia-Eintrag Hermerthal
Hermerthal zusammengefasst werden. Sowohl die Beigeladene zu 2 als auch die frühere Gemeinde Hundeshagen gehörten zunächst der Beigeladenen zu 1 an. Durch § 6 des Thüringer Gesetzes zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2018 - ThürGNGG 2018 -
2
Art. 1 des Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2018 und zur Änderung des Thüringer Gesetzes über die kommunale Doppik vom 28.06.2018 (GVBl. S. 273); das Gesetz trat nach seinem Art. 3 am 06.07.2018 in Kraft
Art. 1 des Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2018 und zur Änderung des Thüringer Gesetzes über die kommunale Doppik vom 28.06.2018 (GVBl. S. 273); das Gesetz trat nach seinem Art. 3 am 06.07.2018 in Kraft
wurde die Gemeinde Hundeshagen aus der Beigeladenen zu 1 ausgegliedert, aufgelöst und in die Klägerin eingegliedert.
Randnummer
3
Erstmals mit einer kommunalaufsichtlichen Verfügung vom 11.01.2019 (in drei unterschiedlichen Fassungen) des Landratsamts Eichsfeld an die Beigeladene zu 2 wurde die Verwaltung der Siedlung Hermerthal durch die Beigeladene zu 2 beanstandet. Diese Anordnung, die Gegenstand des - dann übereinstimmend für erledigt erklärten - Klageverfahrens 3 K 103/19 We (sowie ebenfalls des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes 3 E 104/19 We) war, wurde schon am 28.01.2019 wieder zurückgenommen.
Randnummer
4
Das Landratsamt Eichsfeld beanstandete dann mit Bescheid vom 04.02.2019 an die Beigeladene zu 1 die Fortdauer der Verwaltung im übertragenen Wirkungskreis über die Siedlung Hermerthal durch die Beigeladene zu 1.
Randnummer
5
Das Thüringer Landesverwaltungsamt vertrat indessen in einem Schreiben vom 11.03.2019 an das Landratsamt die Auffassung, die Siedlung Hermerthal gehöre zum Gemeindegebiet der Beigeladenen zu 2. Ein dann zunächst beabsichtigter Gemarkungstausch kam nicht zu Stande. Mit Bescheid vom 18.05.2020 nahm das Landratsamt Eichsfeld deshalb seine fachaufsichtliche Weisung vom 04.02.2019 (erneut) zurück, unter dem 28.05.2020 erging dann die hier streitgegenständliche fachaufsichtliche Weisung. Mit dieser wurde die Klägerin verpflichtet, die Einwohnermeldedaten der Siedlung Hermerthal an die Beigeladene zu 1 zurück zu übertragen; die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet. Die Zustellung erfolgte am 08.06.2020.
Randnummer
6
Mit am 30.06.2020 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Klage erhoben.
Randnummer
7
Sie trägt vor, die Einwohner der Siedlung Hermerthal seien bis zur Auflösung der Gemeinde Hundeshagen verwaltungstechnisch, politisch und gesellschaftlich immer dem Ort Hundeshagen zugeordnet gewesen. So seien etwa die Stimmen bei politischen Wahlen immer in Hundeshagen abgegeben, die Einwohnermeldedaten in Hundeshagen geführt, die Gewerbe- und Hundesteuer über Hundeshagen abgerechnet und bei den wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen Hermerthal beim Abrechnungsgebiet Hundeshagen berücksichtigt worden. Die Straßenlampen zum Hermerthal entsprächen denen von Hundeshagen, auch erfolge die Stromversorgung von Hundeshagen aus. Ausweislich der Kommentierung zu § 8 Thüringer Kommunalordnung - ThürKO - sei der Begriff der Gemarkung nicht identisch mit dem des Gemeindegebiets. In Einzelfällen gehörten zu einem Gemeindegebiet auch Grundstücke, die von dem Gebiet einer anderen Gemeinde umschlossen würden. So liege auch etwa das Freibad der Gemeinde Brehme in der Gemarkung Wintzingerode. Der angefochtene Bescheid stelle de facto eine Gebietsänderung i.S. des
§ 9 ThürKO
dar, die gegen den Willen einer Gemeinde eines Gesetzes bedürfe.
Randnummer
8
Die Klägerin beantragt,
Randnummer
9
den Bescheid des Landratsamts Eichsfeld vom 28.05.2020 aufzuheben.
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10
Der Beklagte, der um
Randnummer
11
Klageabweisung
Randnummer
12
bittet, trägt vor, die Siedlung Hermerthal liege seit unvordenklicher Zeit in der Gemarkung der Beigeladenen zu 2. Zu DDR-Zeiten habe die Siedlung Hermerthal außerhalb des Sperrgebietes gelegen, wohl deshalb sei die Verwaltung von Hundeshagen aus erfolgt. Auch nach der Wiedervereinigung sei die Verwaltung durch die Gemeinde Hundeshagen erfolgt. Dies sei unproblematisch gewesen, da beide Gemeinden (Hundeshagen und die Beigeladene zu 2) Mitglied der Beigeladenen zu 1 gewesen seien. Die Weisung des Landesverwaltungsamts beruhe auf der Sichtweise, dass die Siedlung Hermerthal zur Beigeladenen zu 2 gehöre. Dies entspreche den Eintragungen im Liegenschaftskataster und im Grundbuch und sei die Situation bei Inkrafttreten des § 11 Abs. 1 der DDR-Kommunalverfassung gewesen. Eine Änderung am Bestand des Gemeindegebiets hätte nur durch Landesgesetz erfolgen können.
Randnummer
13
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Randnummer
14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakten 3 K 103/19 We und 3 E 104/19 We sowie die vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen. | |
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 619,18 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 319,18 seit dem 2. Februar 2012 und aus 300 Euro seit dem 25. November 2014 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 619,18 Euro festgesetzt. | Randnummer
1
Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf weitere Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 319,18 Euro und eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro.
Randnummer
2
Die Klägerin ist Trägerin einer Klinik in W. (nachfolgend: Klinik). Die Beklagte ist die gesetzliche Krankenversicherung der Patientin M. F., geb. 1933. Die Versicherte wurde vom 14. bis 16. September 2011 zur Erstellung eines 2-Tages-Tensio-Profils nach Nachdruckmessung (Augeninnendruckmessung) in der Klinik stationär behandelt.
Randnummer
3
Am 21. September 2011 stellte die Klägerin der Beklagten auf Grundlage der DRG C64Z (Glaukom, Katarakt und Erkrankungen des Augenlides) und einer Verweildauer von 2 Tagen 845,43 Euro in Rechnung. Hauptdiagnose war die ICD 10 GM 2011 H40.1 (Primäres Weitwinkelglaukom). Als Prozedur (OPS Version 2011) kodierte sie die OPS 2011 1-220-0 (Messung des Augeninnendrucks: Tages- und Nachtdruckmessung über 24 Stunden).
Randnummer
4
Die Beklagte leitete ein Prüfverfahren beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser kam in seinem Gutachten vom 31. Oktober 2011 zum Ergebnis, dass die Verweildauer um einen Tag zu reduzieren sei. Die Entlassung sei einen Tag früher möglich gewesen.
Randnummer
5
Die Beklagte verrechnete am 24. Januar 2012 mit einer unstreitigen Forderung aus dem Fall Y., die am 1. Februar 2012 fällig war.
Randnummer
6
Am 11. November 2014 forderte die Klägerin die Zahlung von 300 Euro Aufwandspauschale.
Randnummer
7
Am 31. Juli 2015 erhob die Klägerin Klage. Sie trägt vor, der Aufenthalt sei in voller Dauer medizinisch notwendig gewesen. Sie unterhalte ein Glaukomzentrum, das sich besonders schwierigen Fällen widme. Hier sei im Einzelfall öfter als andernorts eine länger als 24 Stunden-Beobachtung notwendig. Dies sei auch im Fall der Versicherten so gewesen. Im Einzelfall der Klägerin habe sich keine Druckspitze innerhalb von 24 Stunden gezeigt, was bei ihrer Situation zu erwarten gewesen sei. Daher sei eine längere Messung indiziert gewesen. Sie legt eine wissenschaftliche Untersuchung zu 48h Tages- und Nachtdruckprofilen an einem Glaukomzentrum (Hoffmann/Pfeiffer/Elflein) sowie einen Auszug einer Dissertation (Schmeisser) vor.
Randnummer
8
Die Klägerin beantragt,
Randnummer
9
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 619,18 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 319,18 seit dem 24. Januar [2. Februar] 2012 und aus 300 Euro seit dem 25. November 2014 zu zahlen.
Randnummer
10
Die Beklagte beantragt,
Randnummer
11
die Klage abzuweisen.
Randnummer
12
Sie verweist auf das Ergebnis der MDK-Gutachten. Sie ist der Auffassung, die Beklagte orientiere sich an der unteren Grenzverweildauer. Die Klägerin habe selbst eine 24-stündige Augeninnendruckmessung kodiert. Es hätten sich unauffällige Werte gezeigt. Dass 24h der Goldstandard seien zeige ein Artikel „Notwendigkeit einer stationären 24-Stunden-Augeninnendruck-Messing für die Glaukomdiagnostik (Erb, Böhm, Budde), der überwiegend Literatur aus dem 20. Jahrhundert zitiert.
Randnummer
13
Das Gericht hat Beweis erhoben durch ein Gutachten des Sachverständigen Dr. B. (B.), das am 30. Juni 2017 vorlag. Dieser führt aus, mehrtägige Augeninnendruckmessungen seien Praxis an allen großen bettenführenden Augenkliniken in Deutschland. Es solle ein Aufenthalt von mindestens 48h durchgeführt werden.
Randnummer
14
Die Beklagte war hiervon nicht überzeugt. Der Sachverständige habe nicht den Einzelfall betrachtet. Sie legt ein Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. Dezember 2015 betreffend einen Fall aus dem Jahr 2006 vor.
Randnummer
15
Die Klägerin legt einen Nichtzulassungsbeschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz zu einem Urteil des Sozialgerichts Mainz zu einer Augeninnendruckmessungsvergütung im Jahr 2014 vor.
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16
Wegen der übrigen Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die bei der mündlichen Verhandlung und Entscheidung vorgelegen haben. | |
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 04. Januar 2012 - 22 Ca 168/11 - teilweise unter Zurückweisung der Berufung hinsichtlich des Antrags zu Ziffer 3 als unzulässig abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2011 am 30. Juni 2011 oder 31. Dezember 2011 endete;
2. es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht aufgrund der Mitteilung der Beklagten vom 11. Mai 2011 am 30. Juni 2011 gemäß § 164 Abs. 4 SGB V endete.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/3, die Beklagte 2/3.
Die Revision wird für die Beklagte zu 2 zugelassen, für den Kläger nicht. | Randnummer
1
Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Folge einer durch Bescheid angeordneten Schließung der beklagten Betriebskrankenkasse.
Randnummer
2
Die Betriebskrankenkasse der Freien und Hansestadt Hamburg und die Betriebskrankenkasse Berlin schlossen sich im Jahre 2004 zur Beklagten zusammen. Diese - geöffnete - Betriebskrankenkasse beschäftigte zum 1. März 2011 ca. 400 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Randnummer
3
Der 1968 geborene Kläger begann am 29. Juni 1988 ein Arbeitsverhältnis mit der ..., das auf die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin zum 1. Januar 1999 übertragen wurde. Hier lag ein Arbeitsvertrag zugrunde, mit dem die Anwendung des Manteltarifvertrages für die Beschäftigten der Betriebskrankenkasse vereinbart wurde. Der Kläger war in der Hamburger Geschäftsstelle bei einer Bruttomonatsvergütung von 5.489,22 € für die Beklagte zu 1 als Krankenkassenbetriebswirt tätig. Der Kläger ist auf Grund tariflicher Regelungen ordentlich nicht unkündbar.
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4
Die Beklagte zu 1 nahm in der Vergangenheit finanzielle Hilfen des BKK-Systems in Höhe von knapp € 228 Millionen in Anspruch und wies bis zur Einführung des Gesundheitsfonds den höchsten aller Beitragssätze aus. Die gesetzlich vorgeschriebene Entschuldung konnte sie zum Ende des Jahres 2008 nur mittels eines Zuschusses des BKK-Bundesverbandes erreichen. Die Auswertung der Daten für das vierte Quartal 2009 ergab einen Überschuss der Ausgaben von € 24,7 Millionen und einen Überschuss der Passiva von € 15 Millionen. Der daraufhin erhobene Zusatzbeitrag war nicht auskömmlich und führte zu zahlreichen Mitgliederverlusten. Für 2009 und 2010 wurde im April 2010 jeweils ein Defizit von etwa € 20 Millionen prognostiziert. Nach Vorlage der Jahresrechnung 2009 stand eine bilanzielle Überschuldung der Beklagten zu 1 fest. Im Rahmen eines Sanierungskonzepts waren bis zu € 41,2 Millionen als „Finanzspritze“ in Aussicht gestellt worden. Anfang April 2011 wurde festgestellt, dass sich die Verschuldung der Beklagten zu 1 auf etwa € 70,3 Millionen erhöht hatte. Nach Einschätzung des GKV-Spitzenverbandes war selbst unter Berücksichtigung realisierbarer Einsparungen durch Sanierungsmaßnahmen mit einem Anstieg der Verschuldung der Beklagten zu 1 zum Ende des Jahres 2011 auf mehr als € 98 Millionen zu rechnen. Der Vorstand der Beklagten zu 1 zeigte im Februar 2010 eine Überschuldung der Beklagten an. Außerdem zeigte der Vorstand der Beklagten zu 1 im April 2010 dem BVA die bilanzielle Überschuldung an. Der BKK-Bundesverband und der BKK-Landesverband Baden-Württemberg gingen von einer Überschuldung der Beklagten zu 1 aus. Im Juli 2010 teilte die Beklagte zu 1 dem Bundesversicherungsamt (BVA) mit, dass an einem Sanierungskonzept gearbeitet würde, aufgrund dessen die Beklagte zu 1 bis Ende 2012 entschuldet sein würde: Das Sanierungskonzept basierte auf einer Absenkung von Ausgaben im Verwaltungs- und Leistungssektor durch Reduzierung des Personals, Streichung des Weihnachtsgeldes, Kündigung externer Dienstleistungsverträge, Fallvermeidung und Ausbau von Projekten zur Patientenberatung sowie der Erhöhung des Zusatzbeitrages sowie finanzieller Hilfen aus dem BKK-System.
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5
Am 7. April 2011 zeigte der Vorstand der Beklagten zu 1 dem Bundesversicherungsamt die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Beklagten an. Das Bundesversicherungsamt ordnete mit einem Bescheid vom 4. Mai 2011 (Anlage B 1, Bl. 48ff. d. A.) die Schließung der Beklagten zu 1 mit Ablauf des 30. Juni 2011 und die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an.
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Mit Schreiben vom 11. Mai 2011 (Anlage K 3, Bl. 7 d. A.) unterrichtete die Beklagte zu 1 den Kläger über diesen Sachverhalt und teilte ihm mit, dass sein Arbeitsverhältnis aufgrund der Schließung zum 30. Juni 2011 gem. § 164 Abs. 4 SGB V ende. Das Rückkehrrecht zur ... hat der Kläger wahrgenommen.
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Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 (Anlage K 2, Bl. 6 d. A.) kündigte die Beklagte zu 1 zum 30. Juni 2011 und höchst vorsorglich zum nächst möglichen Termin, dies sei nach ihrer Berechnung der 31. Dezember 2011. Mit Schreiben vom 17. Mai 2011 hatte der Hauptpersonalrat der Kündigungsabsicht widersprochen (Anl. K 1, Bl. 4 d.A.)
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Die restlichen Geschäfte der Beklagten zu 1 werden in der Abwicklungskörperschaft, der Beklagten zu 2, erledigt. Der Kläger nahm ein Angebot der Beklagten zu 2 auf eine bis zum 30. September 2011 befristete Beschäftigung unter dem 10. Juni 2011 an (Anl. Bl. 130 ff d.A.). In diesem Vertrag heißt es u.a.:
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„Präambel
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Die Arbeitgeberin ist eine eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung, die mit den Abwicklungsarbeiten der mit Ablauf des 30. Juni 2011 geschlossenen ... BKK betraut ist. Die Arbeitgeberin ist nicht die Rechtsnachfolgerin der ... BKK.“
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Mit seiner am 30. Mai 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen die Beklagte zu 1, und einer im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht gegen die Beklagte zu 2 als Abwicklungskörperschaft erhobenen Klageerweiterung hat der Kläger die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis könne nicht durch die Mitteilung von Gesetzes wegen beendet werden. § 164 Abs. 4 S. 1 SGB V sei verfassungswidrig wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 und 12 GG und führe daher nicht zu einer Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses. Die Kündigung hat er für unwirksam gehalten, auch die Befristung führe nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
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12
Der Kläger hat beantragt,
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13
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Kündigung der Beklagten zu 1. vom 19.05.2011 am 30.06.2011 oder 31.12.2011 endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;
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14
2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht aufgrund der Mitteilung der Beklagten zu 1. vom 11.05.2011 am 30.06.2011 gem. § 164 Abs. 4 SGB V endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;
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3. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht auf Grund der Befristung zum 30. September 2011 sowie andere Beendigungstatbestände endet.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie haben vorgetragen, ein etwaiger Eingriff des § 164 Abs. 4 S. 1 SGB V in den Schutzbereich der Art. 3 und 12 GG sei gerechtfertigt und die Norm somit verfassungsgemäß. Die gesetzlich angeordnete Beendigung der Arbeitsverhältnisse zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Schließung diene der Vermeidung einer übermäßigen Belastung der Versichertengemeinschaft und der Bewahrung eines diversifizierten Kassensystems als Bestandteil eines funktionierenden Gesundheitssystems. Ein funktionierendes Gesundheitssystem sei ein Gemeinwohlgut höchsten Ranges. Aufgrund der gesetzlich angeordneten Dritthaftung der Betriebskrankenkassen gem. § 155 Abs. 4 S. 4 SGB V bestehe die Notwendigkeit, die Schließungs- einschließlich der Personalkosten für die mithaftenden Betriebskrankenkassen zu beschränken. Ohne eine Beschränkung bestehe die Gefahr, dass es zu einem „Domino-Effekt“ komme: Auch Kassen, die an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit seien, würden mit den Kosten der geschlossenen Kasse belastet und müssten deshalb unter Umständen, je nach dem Stand ihrer Verbindlichkeiten, Zusatzbeiträge bei den Versicherten erheben oder wegen dauerhafter Leistungsunfähigkeit ebenfalls schließen. § 164 Abs. 4 S. 1 SGB V sei auf alle Arbeitnehmer anwendbar, unabhängig davon, ob sie tarifvertraglich ordentlich kündbar seien, ob sie ein Angebot von dem Landesverband oder einer anderen BKK oder der Abwicklungsgesellschaft erhalten hätten und ob sie das Angebot angenommen hätten. Auch auf den Inhalt eines Beschäftigungsangebots bei einem Landesverband, einer anderen BKK oder der Abwicklungskörperschaft komme es nicht an. Bei einem Verstoß gegen die in § 164 Abs. 3 S. 3 und S. 4 SGB V enthaltenen Verpflichtungen komme allenfalls ein Schadensersatzanspruch gegen den Landesverband in Betracht, aber keine Ansprüche gegen die Beklagtenseite. Der § 164 Abs. 4 S. 1 SGB V zugrunde liegende, gesetzgeberische Zweck gebiete, unabhängig von weiteren Voraussetzungen, insbesondere ohne weitere Darlegungen des Arbeitgebers, ohne Beachtung von Kündigungsfristen und eines etwaigen Sonderkündigungsschutzes, mit Wirksamwerden der Schließung die rechtssichere Beendigung aller Arbeitsverhältnisse.
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19
Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Urteil vom 4. Dezember 2011 die Klage abgewiesen, gegen die Beklagte zu 1 als unzulässig und hinsichtlich des allgemeinen Feststellungsantrags, der in Ziffer 3 enthalten sei, ebenfalls als unzulässig, im Übrigen unbegründet. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Bl. 154 bis 171 d.A. verwiesen.
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20
Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 10. Januar 2012 zugestellt wurde, hat dieser mit beim Landesarbeitsgericht am 26. Januar 2012 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 12. April 2012 eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist am 3. Februar 2012 bis zum 12. April 2012 verlängert worden war.
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21
Im Laufe dieses Verfahrens hat die Beklagte erneut zum 31. Dezember 2012, hilfsweise zum 30. Juni 2013 gekündigt.
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Der Kläger wiederholt und vertieft seine erstinstanzlich vorgetragene Rechtsauffassung. Das Arbeitsverhältnis habe nicht gem. § 164 Abs. 4 i.V.m. § 155 Abs. 4 SGB V geendet. Diese Regelung sei verfassungswidrig. Die Kündigung sei unwirksam.
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Der Kläger beantragt unter Zurücknahme der Berufung gegen die Beklagte zu 1,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 4. Januar 2012 - 22 Ca 168/11 - abzuändern und
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1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 19.05.2011 am 30.06.2011 oder 31.12.2011 endet,
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2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht aufgrund der Mitteilung der Beklagten vom 11.05.2011 am 30.06.2011 gem. § 164 Abs. 4 SGB V endet;
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3. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht auf Grund der Befristung zum 30. September 2011 sowie andere Beendigungstatbestände endet.
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28
Die Beklagte zu 2 beantragt,
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29
die Berufung zurückzuweisen,
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30
Die Beklagte zu 2 (im Folgenden: die Beklagte) verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen zur Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen des SGB V. § 164 Abs. 4 S. 1 SGB V sei auch auf die Arbeitsverhältnisse ordentlich kündbarer Arbeitnehmer anzuwenden, dh. die Arbeitsverhältnisse endeten kraft Gesetzes.
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31
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen. | |
1
. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen Verfahrenskosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten. | Randnummer
1
Die Beteiligten streiten um eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich des Gesamtfallwerts in den elf Quartalen III/03 bis I/06 in Höhe von insgesamt 27.587,56 € quotiert
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2
Der Klägerin ist als praktische Ärztin bzw. jetzt als Fachärztin für Allgemeinmedizin seit 1976 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
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3
In den streitbefangenen Quartalen entwickelten sich die Fallkosten der Klägerin (Kl.) im Vergleich zu ihrer Fachgruppe der Fachärzte für Allgemeinmedizin (VG), gewichtet nach Rentneranteilen, wie folgt:
III/03
IV/03
I/04
II/04
Fallzahl Kl./VG
285/1.075
284/1.109
237/1.021
136/1.009
Rentneranteil in % Kl./VG
40/33
42/32
42/32
40/33
Fallkosten in € Kl./VG
288,31/52,14
298,05/53,10
396,73/56,81
249,80/55,21
Überschreitung in €
236,17
244,95
339.92
194,59
Überschreitung in %
453
461
598
352
Nr. 17 EBM
Abrechnungshäufigkeit auf 100 Behandlungsfälle
III/04
IV/04
I/05
II/05
Fallzahl Kl./VG
304/1.024
218/1.045
193/1.081
171/1.032
Rentneranteil in % Kl./VG
50/34
46/33
45/32
44/34
Fallkosten in € Kl./VG
421,67/54,41
339,91/55,86
298,76/55,23
284,11/61,59
Überschreitung in €
367,26
284,05
243,53
222,52
Überschreitung in %
675
509
441
361
Nr. 17 EBM
Abrechnungshäufigkeit auf 100 Behandlungsfälle
III/05
IV/05
I/06
Fallzahl Kl./VG
161/1.054
179/1.085
175/1.091
Rentneranteil in % Kl./VG
44/36
39/35
35/341
Fallkosten in € Kl./VG
368,25/62,45
301,69/63,91
300,22/65,34
Überschreitung in €
305,80
237,78
234,88
Überschreitung in %
490
372
359
Nr. 17 EBM
Abrechnungshäufigkeit auf 100 Behandlungsfälle
Randnummer
4
Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen führte aufgrund eines Auswahlverfahrens ein Prüfverfahren für die streitbefangenen Quartale durch.
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5
Der Prüfungsausschuss nahm mit Bescheid vom 09.03.2007 aufgrund der Sitzung am 11.10.2006 eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise bei den Gesamtleistungen für die Quartale III/03 bis I/05 vor. Im Einzelnen setzte er eine Honorarkürzung im Quartal III/03 vor Quotierung um 45,00 € pro Fall bei 265 Gesamtfällen, im Quartal IV/03 um 176,00 € bei 284 Gesamtfällen, im Quartal I/04 um 250,00 € bei 237 Gesamtfällen, im Quartal II/04 um 110,00 € bei 136 Gesamtfällen, im Quartal III/04 um 280,00 € bei 304 Gesamtfällen, im Quartal IV/04 um 200,00 € bei 218 Gesamtfällen und im Quartal I/05 um 160,00 € bei 193 Gesamtfällen fest. Zur Begründung führte er aus, er habe in den Quartalen III und IV/03 jeweils eine repräsentative Einzelfallprüfung durch einen sachverständigen Arzt veranlasst. Dies bedeute, dass jeweils 100 Behandlungsscheine in fortlaufender Reihenfolge, aufgeteilt nach Mitgliedern, Familienversicherten und Rentnern durchgesehen worden seien, um festzustellen, ob die Notwendigkeit der abgerechneten Leistungen in Zusammenhang mit den angegebenen Diagnosen nachvollziehbar seien. Die Klägerin habe in ihrer Stellungnahme vom 04.05.2005 auf ihre geringe Fallzahl mit hohem Anteil von Schwerstbedürftigen der Pflegestufe 2 und 3 hingewiesen. Die Praxisgröße und das Klientel hätten Einfluss auf ihre Behandlungsweise. Es würden vorwiegend multimorbide und demenzkranke Patienten behandelt werden, die engmaschig hausärztlich betreut würden. Diese Patienten würden einen erhöhten intensivierten Zeitaufwand mit sich bringen. Ferner würde Herr A. als Weiterbildungsassistent und Frau Z. in Vertretung in der Praxis mitarbeiten. Der Prüfreferent habe festgestellt, dass sich Überschreitungen bei den Gesprächsleistungen nach den Nrn. 10 und 18, in den Besuchsleistungen nach Nr. 25 und insbesondere Nr. 32, sowie der psychosomatischen Intervention nach Nr. 851 fänden. In Bezug auf die psychosomatische Intervention falle auf, dass die Ziffer 850 zur differenzialdiagnostischen Klärung völlig fehle, obwohl die exakte Diagnosestellung Voraussetzung für eine wirtschaftliche und effektive Gesprächstherapie sei. Weiterhin würden regelmäßig samstags Sprechstunden bzw. Visiten in Altenheimen bei klinisch stabilen Patienten durchgeführt werden, ohne dass die Notwendigkeit hierfür aus den Diagnosen erkennbar sei. Insgesamt sei u. a. der schematische Ansatz der Gebührenordnungsnummern 1, 10, 18 oder 1, 11, 60 bzw. 1, 851 bei der ersten Konsultation zu beanstanden. Ebenso die täglichen Beratungsgespräche in Verbindung mit der Anwendung physikalischer Leistungen nach den Nrn. 501 oder 530 bzw. Sonderleistungen wie z. B. Nr. 2020. Ferner ließen die angegebenen Diagnosen auf den Behandlungsscheinen die Notwendigkeit eines mindestens 30minütigen Gesprächs (z. B. Nr. 10 und 18) meist nicht erkennen. Bei regelmäßigen Visiten – bis zu 52mal im Quartal – bei klinisch stabilen Patienten würden fast immer die Nrn. 10 und 851 im Wechsel kombiniert, ohne dass hierfür eine Indikation erkennbar wäre. Ebenso lasse sich die Notwendigkeit einer Fremdanamnese nach Nr. 19 nicht in jedem Fall nachvollziehen. In den übrigen Quartalen habe er aufgrund des vorliegenden offensichtlichen Missverhältnisses jeweils eine orientierende Durchsicht der Behandlungsscheine durch den sachverständigen Arzt veranlasst, die analog zu den Vorquartalen Beanstandungen ergeben hätten. Die schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen seien der Klägerin zur Kenntnis gebracht worden, die hierzu keine Stellung genommen habe. Neben der kleinen Fallzahl sei ein erhöhter Rentneranteil festzustellen, auch nehme die Klägerin am DMP-Programm (Diabetes Mellitus Typ 2, koronare Herzkrankheit) als koordinierende Ärztin teil und besitze die Genehmigung zur Diabetikerschulung mit und ohne Insulin. Sie betreue weiterhin Patienten im Alten- und Pflegeheim. Er habe jedoch der Argumentation der Ärztin, dass diese Patienten einen erhöhten intensiven Zeitaufwand erforderten, gerade bei stabilen Patienten nicht ganz folgen können. Die Betreuung von Alten- und Pflegeheimpatienten müsse nicht zwangsläufig einen wesentlichen Mehraufwand gegenüber einem in der häuslichen Umgebung lebenden Rentner bedeuten, da durch die Betreuung des Pflegepersonals eine nicht so aufwändige ärztliche Behandlung erforderlich sein könne. Er schließe sich den Ausführungen des Prüfreferenten an. In allen Quartalen sei der Klägerin ein erheblicher Mehrbetrag zugestanden worden. Ferner weise er auf die zum Bescheid beigefügten Auflistungen der beanstandeten Fälle bezüglich der Quartale III und IV/03 hin, die im Übrigen auf die Grundlage für die Berechnung der Kürzungssumme darstellten.
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6
Hiergegen legte die Klägerin am 10.04.2007 Widerspruch ein. Unter Datum vom 28.06.2007 führte die Klägerin aus, durchschnittlich werde die Hälfte bis zu 2/3 ihrer Patienten unter LG-LUG 11-3200 geführt, auch seien diese Patienten besonders kosten- und behandlungsintensiv. Psychiatrisch oder psychosomatisch erkrankte Patienten würden von dieser Kategorisierung gar nicht erfasst werden, aber auch diese Patienten seien besonders beratungs- und behandlungsintensiv. Unter Datum vom 05.03.2007 führte sie aus, Herr A. sei im letzten Jahr überwiegend privatärztlich in der Praxis tätig gewesen. Die Notwendigkeit einer schriftlichen Erlaubnis über die reguläre Weiterbildungszeit hinaus sei im zurückliegenden Genehmigungsverfahren von der Landesärztekammer leider nicht mitgeteilt worden. Sie entschuldige sich daher für das Versäumnis. Zum Jahresbeginn habe er mit seiner Praxistätigkeit aufgehört.
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7
Der Prüfungsausschuss setzte ferner mit Bescheid vom 23.04.2007 aufgrund der Sitzung am 06.12.2006 eine Honorarkürzung für das Quartal II/05 im Bereich der Gesamtleistungen vor Quotierung um 135,00 € pro Fall bei 171 Gesamtfällen fest. Zur Begründung verwies er auf seine Ausführungen im Bescheid für die Vorquartale. Ergänzend führte er aus, in Anlehnung an die Honorarkürzungen der Vorquartale habe er der Klägerin einen Mehrbetrag gegenüber der Fachgruppe von 87,52 € belassen.
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8
Hiergegen legte die Klägerin am 18.05.2007 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies sie erneut auf ihre geringe Fallzahl. Dadurch würden sich die Verhältnismäßigkeiten verschieben. Die psychosomatische Grundversorgung mit den Ziffern 35100 und 35110 werde nicht so vergütet wie die Versorgung durch einen Psychotherapeuten. In Hinsicht auf die ganzheitliche Beurteilung und Behandlung eines Patienten habe der Hausarzt hier einen Behandlungsvorteil. Bei vier genannten Patienten hätten sowohl schwerwiegende internistische Erkrankungen als auch psychische bzw. psychiatrische Erkrankungen, die immer wieder zu gesundheitlichen Problemen geführt hätten, vorgelegen. Diese Patienten suchten den Hausarzt häufig auf. Auch anhand der Zahl der Krankenhauseinweisungen werde die Schwere der Krankheitsbilder deutlich und erkläre auch die häufig dringenden Hausbesuche. Verhältnismäßig behandele sie mehr Patienten mit Tumorerkrankungen. Kompensatorische Einsparungen ergeben sich bei den Medikamenten und den physikalischen Maßnahmen. Die Patienten seien nicht klinisch stabil, wie von dem Prüfungsausschuss behauptet.
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9
Der Prüfungsausschuss setzte mit Bescheid vom 06.09.2007 aufgrund der Sitzung am 23.05.2007 eine Honorarkürzung für das Quartal III/05 in Höhe von 240,00 € pro Fall bei 161 Gesamtfällen vor Quotierung und für das Quartal IV/05 in Höhe von 170,00 € bei 179 Gesamtfällen fest.
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10
Hiergegen legte die Klägerin am 05.10.2007 Widerspruch ein.
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Der Prüfungsausschuss setzte weiter mit Beschluss vom 18.10.2007 aufgrund der Sitzung am 25.06.2007 für das Quartal I/06 eine Honorarkürzung bei den Gesamtleistungen vor Quotierung um 169,00 € pro Fall bei 175 Gesamtfällen fest.
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Hiergegen legte die Klägerin am 13.11.2007 Widerspruch ein. Die Klägerin ergänzte ihre Ausführungen unter Datum vom 16.12.2009. Sie führte aus, soweit nunmehr nach vier Jahren Forderungen geltend gemacht würden, sei dies verjährt. Es müsste auch die Honorarkürzung aufgrund der Honorarverteilung berechnet werden. Es sei der aktuelle Punktwert zu berücksichtigen. Sie habe auch nur verringerte Vorauszahlungen und zum Teil keine Restzahlungen mehr erhalten. Ihre Arbeit sei seit jeher durch die psychosomatische Orientierung geprägt. Deshalb sei auch ihre Patientenzahl so gering. Ihre Verordnungskosten seien unterdurchschnittlich. Sie führe eine kleine psychosomatische und psychiatrisch orientierte Praxis, mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern – aber hauptsächlich: onkologische, diabetologische, dermatologische, kardiologische, rheumatologische und gastroenterologische Krankheitsbilder -, die in direktem Zusammenhang mit der Psyche zu sehen und auch zu behandeln seien. Aufgrund der komplexen zeitaufwändigen Behandlung ihrer Patienten und der daraus resultierenden geringen Scheinzahl sei ihre Praxis nicht mit einer durchschnittlichen allgemeinmedizinischen Praxis zu vergleichen.
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Der Beklagte verband alle Widerspruchsverfahren und lud die Klägerin zu einer Prüfsitzung am 16.12.2009, an der die Klägerin teilnahm.
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Der Beklagte wies mit Bescheid vom 24.03.2010 aufgrund des Beschlusses vom 16.12.2009 die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Abrechnungswerte der Gesamthonorarforderung seien dem Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses zuzuordnen. Vom Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses sei bei Überschreitungswerten von 40 bis 50 % auszugehen. Weder anhand der Gesamtfallzahl noch anhand des Rentneranteils seien mögliche Erklärungen für die hohen Überschreitungswerte im Bereich der Gesamthonoraranforderung zu erkennen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen den Überschreitungen bei der Gesamthonoraranforderung und den Überschreitungen innerhalb der Krankenhausüberweisungen und der Arbeitsunfähigkeitsfälle seien nicht erkennbar. Die Arzneiverordnungskosten und die veranlassten physikalisch-therapeutischen Leistungen ließen aufgrund der von Quartal zu Quartal sehr unterschiedlich abweichenden Werte zur Fachgruppe keine direkten Rückschlüsse auf etwaige Kausalität im Hinblick auf die Gesamthonoraranforderung zu. Der Prüfungsausschuss habe neben dem Prüfbericht für die Quartale III und IV/03 jeweils eine orientierende Durchsicht für die Folgequartale veranlasst. Für die Quartale I/04 bis I/05 hätten sich Beanstandungen wie in den Vorquartalen ergeben. Bezüglich des Quartals II/05 sei dem Prüfreferenten aufgefallen, dass die Überschreitungen durch ältere Patienten ausgelöst worden seien. Ursache hierfür seien die regelmäßigen Visiten, die bis zu 52mal im Quartal (davon 13mal am Samstag) bei klinisch stabilen Patienten erfolgt seien. Die Überschreitungen bei den Mitgliedern und Familienversicherten lägen im häufigen Ansatz der Nrn. 03120, 03210, 03211 und 35110. Anhand der angegebenen Diagnosen sei deren Notwendigkeit nicht in jedem Fall zu erkennen. Für die Quartale III und IV/05 habe der Prüfungsausschuss festgestellt, es sei unverständlich, dass 335mal die Inanspruchnahme an Samstagen abgerechnet worden sei. Eine Vielzahl von Leistungen sei vermerkt, für die keine ausreichende diagnostische Begründung erkennbar sei. Ferner sei die Überschreitung der Besuche im Rahmen der Heimbetreuung auffällig. Die Vielzahl der Besuche erscheine nicht gerechtfertigt, zumal lediglich achtmal Nr. 03001 (Koordination der häuslichen Betreuung) und in keinem Fall Nr. 03002 (häusliche Betreuung im Pflegeheim) abgerechnet worden sei. In Quartal I/06 habe der Sachverständige festgestellt, dass die Überschreitung bei den Gesamtleistungen durch den Ansatz zahlreicher Gebührenordnungspositionen am gleichen Tag bedingt sei. Gegenüber den Vorquartalen sei ein dreimaliger Ansatz der Ziffer 35110 am gleichen Behandlungstag erfolgt, ohne dass dieser diagnostisch begründet sei. Ferner sei wie in den Vorquartalen eine große Anzahl an Besuchen, insbesondere an Samstagen festzustellen gewesen. Besonderheiten bzw. schwere Fälle in erhöhtem Maße habe er nicht erkennen können. Im Gespräch mit der Klägerin habe sich herausgestellt, dass bei der Nr. 35110 ein Interpretationsfehler seitens der Klägerin vorliege, sodass der Ansatz der Nr. in vielen Fällen unwirtschaftlich sei. Er habe daher die Entscheidung des Prüfungsausschusses sowohl dem Grunde als auch bezüglich der Höhe nach bestätigt. Eine weitergehende Quantifizierung des unwirtschaftlichen Mehraufwandes sei nicht erforderlich, da der Klägerin nach Abzug der Kürzungen jeweils mehr Beträge verblieben, die in Quartal III/03 bei der Gesamthonoraranforderung bei 174,86 %, in IV/03 bei 129,85 %, in I/04 bei 158,28 %, in II/04 bei 153,21 %, in III/04 bei 160,37 %, in IV/04 bei 150,47 %, in I/05 bei 151,24 %, in II/05 bei 142,10 %, in III/05 bei 105,36 %, in IV/05 bei 106,06 % und in I/06 bei 100,83 % gegenüber der Vergleichsgruppe der Allgemeinärzte liege.
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Hiergegen hat die Klägerin am 28.04.2010 die Klage erhoben. Sie weist erneut auf ihre psychosomatische Orientierung hin. Im Jahr 2002 sei ihr von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen die Genehmigung für die psychotherapeutischen Ziffern 850 und 851 erteilt worden. Es sei ausreichend dokumentiert, dass sie psychotherapeutische Leistungen erbringe. Mittlerweile sei mitgeteilt worden, dass die tatsächliche Honorarrückforderung 27.587,56 € betrage. Mit einem so hohen Betrag habe sie nicht gerechnet. Je nach Quartal würde sich die Regressforderung auf 50 bis über 70 % pro Behandlungsfall belaufen. Monatlich hätten ihr in der Vergangenheit 3.700,00 € zur Verfügung gestanden. Damit habe sie die Kosten nicht begleichen können. Es sei jetzt mitgeteilt worden, die Abschlagszahlungen würden von 4.400,00 € auf 3.500,00 € angepasst werden, um eine Überzahlung zu vermeiden. Dies bedrohe die Existenz ihrer Praxis massiv. Die Betreuung der Patienten im Pflegeheim X. habe sich nach dem Tod ihres Mannes nach und nach verringert, was zu einer geringeren Patientenzahl geführt habe, aber gleichzeitig den Rentneranteil verkleinert habe. Sie lege den Steuerbescheid für das Jahr 2007 vor. Dieser zeige einen Nettogewinn von 17.525,65 €. Die Regressforderung übersteige ihr Jahreseinkommen um mehr als 10.000,00 €. Es müsse eine Ausgleichsregelung greifen. Es sei jetzt eine Tilgungsvereinbarung zugesandt worden, wonach ab dem Quartal II/10 bis IV/12 jeweils ein Rückzahlungsbetrag von 2.300,00 € zur Tilgung der Gesamthonorarrückforderung von ihrem Konto abgezogen werde. Eine Rückzahlung in dieser Höhe sei in jedem Fall eine Gefährdung für ihren Praxisbetrieb.
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Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 24.03.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über ihre Widersprüche erneut zu bescheiden.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.
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Er weist darauf hin, Patienten mit onkologischen, diabetologischen, dermatologischen, kardiologischen, rheumatologischen gastroenterologischen Krankheitsbildern seien in der Vergleichsgruppe der voll zugelassenen Ärzte für Allgemeinmedizin/praktische Ärzte ebenfalls vorhanden. Eine orientierende Durchsicht der Behandlungsscheine habe eine nicht nachvollziehbare Häufung von Gesprächsleistungen ergeben. Hingegen sei eine differenzialdiagnostische Klärung nicht häufig abgerechnet worden. Die Behandlungsausrichtungen und Behandlungsmethoden der Klägerin unterschieden sich nicht von denen der Fachgruppe. Eine Vergleichbarkeit sei gegeben. Kompensatorische Einsparungen seien nicht feststellbar gewesen. Der Klägerin sei bereits ein Mehrbehalt gegenüber der Fachgruppe in Höhe von 100,83 % bis 174,83 % belassen worden. Im Übrigen verweise sie auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
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Die übrigen Beteiligten haben sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.
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Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Die übrigen Beteiligten haben keinen Antrag gestellt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen. | |
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 30.09.2015 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen
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Die Beteiligten streiten über eine Schadensersatzforderung.
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Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, führte in Bezug auf die in A-Stadt in der V.-straße bzw. M.-straße ansässige, als Maler- und Anstreichbetrieb fungierende und als Gewerbe zum 29.2.2004 abgemeldete Ti. GmbH (künftig: GmbH) eine Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Satz 3 SGB IV durch. Laut Schreiben vom 15.2.2005 an den Geschäftsführer Ti. teilte das Finanzamt A-Stadt – Steuerfahndungsstelle - in Bezug auf die Jahre 1998-2002 mit, Geschäftsräume habe man nicht vorgefunden und die GmbH sei dem Vermieter in der V.-straße nicht bekannt gewesen. Eine Buchführung habe nicht stattgefunden. Es gebe erhebliche Differenzen zu den erklärten Umsätzen der Umsatzsteuer. Lohnsteuer sei für 1998 nicht angemeldet worden, obwohl Abrechnungen, Stundennachweise und Namenslisten vorgefunden worden seien. Man müsse davon ausgehen, dass eine Vielzahl von Arbeitnehmern schwarz beschäftigt worden sei.
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Die Ergebnisse der Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle wurden der Beklagten am 27.4.2005 zur Kenntnis gebracht.
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Ein Steuerstrafverfahren wurde bereits im Mai 2002 eingeleitet. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die GmbH wurde am 11.8.2004 mangels Masse abgewiesen.
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Mit Schreiben vom 9.5.2005 teilte die Beklagte dem Hauptzollamt – Finanzkontrolle Schwarzarbeit - mit, dass in den Jahren 1998 bis 2002 namentlich nicht bekannte Arbeitnehmer gegen Entgelt beschäftigt worden seien; den Einzugsstellen seien für die nicht bekannten Arbeitnehmer keine Meldung eingereicht und auch keine Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet worden. In Fällen wie hier, in denen eine personenbezogene Zuordnung nicht möglich sei, könnten die Sozialversicherungsbeiträge in Form eines Summenbeitragsbescheids nach § 28f Abs. 2 SGB IV festgesetzt werden. Man gehe von der Versicherungspflicht der in Rede stehenden Arbeitnehmer aus, weshalb der Arbeitgeber die Beiträge zahlen müsse. Der nachzufordernde Betrag belaufe sich für die Einzugsstelle der Klägerin als Arbeitnehmeranteil auf 96.413,53 €, derselbe Betrag falle als Arbeitgeberanteil an. Mit Säumniszuschlägen in Höhe von 120.693,06 € betrage die Forderung insgesamt 313.520,12 €. Man bitte um weitere Unterrichtung, um in dieser Angelegenheit tätig werden zu können, insbesondere um Informationen über den Ausgang des Verfahrens, damit man aufgrund eines Urteils oder Strafbefehls in der Angelegenheit tätig werden könne.
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Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht A-Stadt unter dem Aktenzeichen 33 Js 728/05 am 20.1.2009 einen Strafbefehl gegen den Geschäftsführer, der seit 4.2.2009 rechtskräftig ist und auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten und einer Gesamtgeldstrafe von 5.400 € lautete, die Freiheitsstrafe werde auf Bewährung für 2 Jahre ausgesetzt. Teilweise waren die Straftaten verjährt. Dieser Strafbefehl wurde mit Verfügung vom 17.11.2009
(das im Schreiben 7.1.2010 genannte Datum 17.11.2007 ist ein offensichtlicher Fehler)
seitens der Staatsanwaltschaft an den Prüfdienst der Beklagten in Ma. übermittelt.
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Unter dem 7.1.2010 erließ die Beklagte an die GmbH einen Zahlungsbescheid. Es ergäben sich nach den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den Geschäftsführer Nachforderungen vom 1.1.1998 bis 31.10.2001 zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 306.779,65 € inklusive Säumniszuschlägen in Höhe von 119.072,06 €. Dies habe die GmbH zu zahlen. Rechtsbehelfe hiergegen wurden nicht erhoben.
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Unter demselben Datum, bei der Klägerin eingegangen am 8.1.2010, informierte die Beklagte die Klägerin als Einzugsstelle erstmals mit diversen Anlagen über den Sachverhalt. Gegen den Geschäftsführer der GmbH No. Ti. sei ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung sowie Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt anhängig. Im Strafbefehl sei festgestellt worden, dass der Geschäftsführer im genannten Zeitraum in 39 Fällen der Einzugsstelle Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung vorenthalten habe. Für die genannte Zeit ergäben sich Nachforderungen in Höhe von insgesamt 306.779,65 €, einschließlich Säumniszuschlägen von 119.072,06 €. Man habe die im Strafbefehl aufgeführten vorenthaltenen Arbeitnehmeranteile um den Arbeitgeberanteil ergänzt und dies zu Grunde gelegt. Die GmbH sei am 11.4.2005 wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht worden, daher nicht mehr existent und sie selbst, die Beklagte, habe Forderungen nicht mehr geltend machen können. Als Einzugsstelle habe die Klägerin gegenüber dem Geschäftsführer weitere Maßnahmen einzuleiten. Die Beklagte bat die Klägerin, sie über den Ausgang der Geschäftsführerhaftung sowie die Beitreibungsversuche zu unterrichten.
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Auf eine Schadensersatzforderung der Klägerin vom 12.3.2010 bzgl. rückständiger Beiträge verwies der Bevollmächtigte des Geschäftsführers mit Schreiben vom 17.3.2010 darauf, dass die GmbH gelöscht und nicht mehr existent sei und er nicht glaube, dass die Klägerin von der Person des Geschäftsführers erst am 8.1.2010 Kenntnis erlangt habe. Schon aus dem Strafbefehl könne man erkennen, dass die Klägerin geschädigt sei. Außerdem gebe es für die Forderungen der Arbeitgeberanteile keine Rechtsgrundlage; § 823 Abs. 2 BGB und § 266a StGB beträfen alleine die Arbeitnehmeranteile. In einem Rechtsstreit würde man die Einrede der Verjährung erheben. Die Klägerin sei als Einzugsstelle für die damalige BfA tätig geworden. Die BfA habe bereits 2005 positive Kenntnis davon gehabt, dass der Geschäftsführer der GmbH ein Vergehen nach § 266a StGB begangen habe; auch die konkreten und jetzt erwähnten Zahlen fänden sich bereits zum damaligen Zeitpunkt in der Akte.
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Am 28.12.2012 hat die Klägerin gegen die Beklagte Klage erhoben auf Zahlung von 67.199,85 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.5.2005.
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Die Klägerin beruft sich auf § 28r SGB IV. Die Beklagte habe ihr den Sachverhalt erst nach Eintritt der Verjährung zur Kenntnis gebracht, weshalb sie, die Klägerin, die ausstehenden Beiträge als Einzugsstelle nicht mehr habe beitreiben können. Nach der Rechtsprechung des BGH komme es für den Verjährungsbeginn des Schadensersatzanspruchs der Einzugsstelle nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB alleine auf die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen durch den zuständigen Sachbearbeiter des Trägers an, der die Prüfung durchgeführt habe. Für eine Betriebsprüfung sei gemäß § 28p Abs. 1 SGB IV alleine die Beklagte zuständig, dies seit 1.1.1996. Die Beklagte sei nicht nur alleine zuständig für die Kontrolle, sondern auch für den Vollzug und sei nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV verpflichtet und ermächtigt, im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in allen Zweigen der Sozialversicherung zu erlassen und ebenso Widerspruchsbescheide, auf die die Einzugsstelle zur Geltendmachung bestehender Schadensersatzansprüche angewiesen sei. Die Durchsetzung dieser Entscheidungen obliege dennoch den Krankenkassen als Einzugsstellen, welche insbesondere nachzuzahlende Beiträge beizutreiben hätten. Nach der Rechtsprechung des BGH sei dies ein gesetzlich geregeltes Auftragsverhältnis nach § 93 SGB X, welches an der Zuständigkeit der Rentenversicherung für Nachforderungen aufgrund von Prüfungen nichts ändere. Dies gelte auch für die Geltendmachung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB und § 266a StGB gegen Dritte wegen der Vorenthaltung von Beiträgen. Nach dieser Rechtsprechung komme es alleine auf die Kenntnis der Bediensteten der Rentenversicherungsträger an, ansonsten könnten diese den Beginn der Verjährungsfrist beliebig hinauszögern, falls man für die Verjährung auf die Kenntnis der Bediensteten der Krankenkassen abstellen würde. Maßgeblicher Zeitpunkt sei nach dieser Rechtsprechung bereits die Zurverfügungstellung einer Schadensberechnung über die vorenthaltenen Beiträge im Ermittlungsverfahren für den Beginn der Verjährung. Spätestens dann sei dem Rentenversicherungsträger, der im Rahmen der Aufgaben nach § 28p SGB IV frühzeitig in entsprechende Ermittlungsverfahren eingebunden werde, der anspruchsbegründende Sachverhalt bekannt. Teile der für die Prüfung nach § 28 p Abs. 1 SGB IV zuständige Rentenversicherungsträger entgegen seiner Verpflichtung nach Abs. 3 nicht oder nicht rechtzeitig genug die bestehenden Schadensersatzansprüche mit, würden Pflichten verletzt, wodurch Sozialversicherungsträgern zumindest ein Schaden in Höhe der nicht mehr durchsetzbaren Beitragsrückforderungen entstehe. Grundlage sei § 28r Abs. 3 SGB IV. Die notwendigen Informationen müssten so rechtzeitig übermittelt werden, dass die Einzugsstellen in der Lage seien, die Rückstände vor Eintritt der Verjährung geltend zu machen. Die Verpflichtung zur rechtzeitigen Information der Einzugsstellen aus § 28p Abs. 3 SGB IV durch die Beklagte gebe es nicht erst seit der Entscheidung des BGH, sondern folge aus der gesetzlichen Konzeption und der Aufgabenteilung zwischen der Prüfstelle (Rentenversicherungsträger) und den Krankenkassen als Einzugsstellen.
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Sie, die Klägerin, habe von den möglichen Ansprüchen gegen den Geschäftsführer erst durch Übermittlung des Bescheids vom 7.1.2010 erfahren. Aus der Mitteilung der Beklagten an das Hauptzollamt vom 9.5.2005 ergebe sich aber, dass die Beklagte von den anspruchsbegründenden Tatsachen bezüglich einer möglichen Haftung des Geschäftsführers spätestens 2005 Kenntnis gehabt habe und eine umfassende Prüfung durchgeführt worden sei. Damit sei gemäß § 199 Abs. 1 BGB der Verjährungsbeginn am 31.12.2005 und das Ende der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) am 31.12.2008. Im Jahr 2010, nach Mitteilung des Sachverhalts, habe sie den Anspruch nicht mehr durchsetzen können. Die Beklagte hätte bereits 2005 über den Sachverhalt informieren müssen, damit man die verjährunghemmenden Maßnahmen hätte einleiten können. Der Schaden beschränke sich für sie als Kranken- und Pflegekasse auf die ihr entgangenen Beiträge in den beiden Zweigen der Sozialversicherung in Höhe von, konkret in einer Aufstellung dargelegten, 67.199,85 € nebst Zinsen aus § 28r Abs. 3 Satz 2 SGB IV. Sie, die Klägerin, hätte den Schadensersatzanspruch bei rechtzeitiger Meldung ab 30.5.2005 geltend machen können. Sie hätte einen Titel gegen den Geschäftsführer erwirken können, wobei einer Vollstreckung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung nicht einmal die Privatinsolvenz entgegengestanden hätte. Es komme nicht darauf an, dass die Forderungen auf einzelne Arbeitnehmer, die Arbeitszeiten und die Entgelthöhe konkretisiert würden, weil diese Informationen allen Beteiligten im Falle der Schwarzarbeit unbekannt seien. Eine Verletzung der Treuepflicht sei nicht zu erkennen, die Beklagte sei eine Körperschaft öffentlichen Rechts und damit liege eine Berufung auf Vertrauensschutz neben der Sache.
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Die Beklagte hat im Wesentlichen entgegnet, bis zum Urteil des BGH vom 12.5.2009 habe sie davon ausgehen müssen, dass die Verjährungsfrist des § 195 BGB nach § 199 Abs. 1 BGB erst mit der Kenntnis der Beitragsforderung durch die Klägerin als Gläubigerin für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu laufen beginne. Eigene obliegende Pflichten habe sie nach § 28p SGB IV nicht schuldhaft im Sinne von § 28r Abs. 3 SGB IV verletzt. Bis zum Urteil des BGH vom 12.5.2009 habe die Klägerin wie andere Krankenkassen die Verfahrensweise der Beklagten nicht beanstandet. Daher sei die Forderung eines Schadenersatzes treuwidrig. Selbst wenn es bereits vor dem Urteil des BGH auf ihre, der Beklagten, Kenntnis und nicht die der Klägerin angekommen wäre, hätte sie nach damaliger Rechtsauslegung nicht schon im Jahr 2005 Kenntnis von einem Schadensersatzanspruch, sondern erst mit dem Erhalt des Strafbefehls im Jahre 2009 erlangt. Daher sei die Information der Klägerin mit Schreiben vom 7.1.2010 innerhalb der Verjährungsfrist des § 195 BGB erfolgt. Das Urteil des BGH betreffe die Verantwortung der Sozialversicherung insgesamt gegenüber Dritten und daraus ließen sich keine Konsequenzen für Pflichtverletzungen und Verantwortlichkeiten untereinander herleiten. Außerdem sei fraglich, ob der Schaden hätte realisiert werden können.
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Aus dem Urteil des BGH habe sie selbst die Konsequenzen gezogen, dass sie die Einzugsstellen mittlerweile so frühzeitig wie möglich über etwaige unerlaubte Handlungen und damit verbundene Schadensersatzansprüche informiere und die Schadensberechnung übersende. Der BGH habe die Aufgaben für die Einzugsstellen und die Rentenversicherung nicht klar getrennt. Nach den eindeutigen Formulierungen in § 28h sowie § 28p SGB IV hätten die Rentenversicherungsträger lediglich ein Prüfrecht beim Arbeitgeber, Gläubiger der Forderungen bleibe aber die Einzugsstelle. Diese erfülle die Aufgaben des Einzugs kraft eigener Zuständigkeit und nicht im Auftrag der Rentenversicherung, was einheitliche Meinung aller Kommentierungen sei. Eindeutiger Beweis für die Richtigkeit dieser Ansicht zum Verhältnis von Betriebsprüfung und Beitragseinzug sei die Vergütung, die in § 28l Abs. 1 SGB IV geregelt sei. Wäre der Einzug der Beiträge ein Auftragsgeschäft nach § 93 SGB X, müsse sich die Vergütung nach § 91 SGB X richten. Diese Ansicht werde auch von den Einzugsstellen geteilt. Bislang sei diese Trennung der Aufgaben von keiner Seite bestritten worden und deshalb sei sie, die Beklagte, der Ansicht gewesen, dass die Frist des § 199 Abs. 1 BGB erst mit der Kenntnis der Einzugsstelle zu laufen beginne. Daher habe sie den Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgewartet, also den Erlass des Strafbefehls vom Amtsgericht A-Stadt vom 20.1.2009.
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Selbst wenn sie im Zeitpunkt der Rechtskraft des Strafbefehls im Februar 2009 die Klägerin vollständig informiert hätte, wäre unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH die Verjährung nicht mehr zu verhindern gewesen. Sie habe daher nicht schuldhaft im Sinne von § 28r Abs. 3 SGB IV gehandelt. Insbesondere sei eine Fahrlässigkeit als Verschuldensmaßstab nicht zu erkennen. Noch am 6.9.2010 habe man im Auftrag der Klägerin die Staatsanwaltschaft mit der Bitte um Übersendung der Ermittlungsakte angeschrieben und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zum Ende des Jahres die Geltendmachung der Ansprüche verjähre (Anlage 107). Die Klägerin habe zudem bereits im Mai 2005 Kenntnis von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gehabt. Damit stelle sich die Frage nach der Kausalität des Unterlassens einer früheren Weitergabe der Informationen durch die Beklagte für den angeblichen Schaden. Zumindest wäre dies ein Mitverschulden der Klägerin nach § 254 BGB. Dieses sei weit überwiegend und verdränge den Anspruch. Erst mit dem Abschluss des Ermittlungsverfahrens habe es hinreichende Sicherheit gegeben, ob ein Beitragsanspruch gegen die GmbH als Arbeitgeber oder ein zivilrechtlicher Anspruch gegen den Geschäftsführer bestehe. Es sei ökonomischer gewesen, zunächst den Ausgang der Ermittlungen abzuwarten und nicht gleichzeitig die Betriebsprüfung voranzutreiben. Diese Verfahrensweise sei seinerzeit auch von den Einzugsstellen sowie von der Bundesagentur für Arbeit nie beanstandet worden. Erst in der Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 8.5. und 9.5.2012 seien die Auswirkungen des Urteils des BGH erörtert und entsprechende Feststellungen getroffen worden. Man habe vereinbart, dass in den einschlägigen Fällen die für die Staatsanwaltschaft oder das Hauptzollamt gefertigte Schadensberechnung an die Einzugsstellen übersandt werden solle. Auch die Klägerin habe dies ursprünglich so gesehen, sie habe den Schadensersatzanspruch im Mai 2010 gegenüber dem Geschäftsführer geltend gemacht, sei aber nach den Einwendungen des Bevollmächtigten des Geschäftsführers bis Ende 2012 untätig geblieben. Erst aufgrund des Besprechungsergebnisses der Spitzenorganisationen sei diese auf die Problematik aufmerksam geworden.
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Die Forderung eines Schadenersatzes zu diesem späten Zeitpunkt widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben nach der Rechtsprechung des BSG. Nach dem Urteil vom 18.11.1980,12 RK 59/79, sei es ein Gebot von Treu und Glauben, dass die Beitragspflichtigen nicht für eine zurückliegende Zeit mit einer Beitragsnachforderung überrascht werden dürften, die im Widerspruch stehe zu einem konkreten Handeln der Verwaltung, auf dessen Rechtmäßigkeit sie vertraut hätten oder hätten vertrauen dürfen. Gleiches gelte auch bei Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Diese Änderung habe praktisch wie eine Rechtsänderung gewirkt. Eine solche würde dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsgebot unterliegen und dieser Fall liege hier vor.
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Das genannte Urteil des BGH biete keine Anhaltspunkte dafür, dass den einzelnen Trägern untereinander ein Schaden entstanden sein könne. Der BGH befasse sich ausschließlich mit der Frage, welche Außenwirkung eine Kenntnis der unerlaubten Handlung in der Sozialversicherung habe. Nach der Systematik der Urteilsbegründung könne es keinen Schadensersatzanspruch der Einzugsstelle geben; diese sei Auftragnehmer und könne vom Träger der Rentenversicherung als Auftraggeber keinen Schadenersatz verlangen.
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Schließlich sei zweifelhaft, ob überhaupt ein Schaden entstanden sei. Es sei höchst unklar, ob sie mit einer Forderung gegen den Geschäftsführer erfolgreich gewesen wäre. Der Summenbeitragsbescheid vom 7.1.2010 ohne Lohnaufzeichnungen und konkrete Zuordnung zu Arbeitnehmern und Arbeitsentgelten genüge zwar den Anforderungen an die Geltendmachung einer öffentlich-rechtlichen Forderung. Die zivilrechtliche Forderung müsse allerdings substantiiert darlegen, weshalb man wissen müsse, wem welche Arbeitsentgelte zuzuordnen seien. Teilweise werde von den Zivilgerichten verlangt, dass die beschäftigten Arbeitnehmer, die Beschäftigungszeiten, die Orte sowie der Höhe der Zahlungen konkret vorgetragen würden. All dies sei unbekannt und deshalb höchst zweifelhaft, ob ein Schadensersatzanspruch hätte durchgesetzt werden können. Außerdem sei es fraglich, ein solcher Anspruch wegen der wirtschaftlichen Situation des Geschäftsführers hätte realisiert werden können. Die GmbH sei bereits 2005 gelöscht worden und der tatsächliche Schaden habe nach den Ermittlungen des Hauptzollamts über 500.000 € betragen. Allenfalls ein geringer Teil der Forderung hätte realisiert werden können. Letztlich könne ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB und § 266a StGB allenfalls wegen nicht bezahlter Arbeitnehmer-Beitragsanteile zu den Versicherungen gefordert werden, nicht aber die Anteile der Arbeitgeber.
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Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat mit Urteil vom 30.9.2015 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 33.599,93 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.5.2005 zu zahlen, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
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Im Wesentlichen hat das SG auf § 28p SGB IV und eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten, dies zumindest fahrlässig, abgestellt. Auf die Rechtsprechung des BGH könne sich die Beklagte nicht berufen. Diese betreffe nicht Fragen sozialrechtlicher Informationspflichten, sondern die Verjährung eines Anspruchs der Einzugsstelle gegen den Geschäftsführer im Hinblick auf einen deliktischen Anspruch. Der BGH habe keine langjährige Rechtsprechung aufgegeben, sondern höchstrichterlich zu Fragen der Verjährung und einer Zurechnung des Wissens Stellung genommen. Die Klägerin habe auch nicht bereits 2005 Kenntnis von dem Strafverfahren gehabt, ein telefonischer Vermerk des Hauptzollamts enthalte keine Informationen zum Inhalt und den Zeitraum sowie die Höhe der Beiträge. Auch eigene Ermittlungen habe die Klägerin nicht betreiben müssen. Die Beklagte habe bereits am 9.5.2005 die Möglichkeit gehabt, im Rahmen einer sicherlich riskanten Klage Ansprüche aus Delikt zu verfolgen. Dieses Wissen der Beklagten wäre der Klägerin anzurechnen gewesen nach der Rechtsprechung des BGH und damit habe die Verjährungsfrist von 3 Jahren zu laufen begonnen. Spätestens mit dem Abschlussbericht habe die Beklagte die Kenntnis der Umstände des Anspruchs und der Person des Schuldners gehabt, so dass mit Ablauf des Jahres 2005 im Januar 2006 die dreijährige Verjährungsfrist beginne, die am 31.12.2008 geendet habe. Es komme auch nur auf die Kenntnis der Bediensteten an. Es bestehe ein gesetzlich geregeltes Auftragsverhältnis nach § 93 SGB X, welches an der maßgeblichen Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger nichts ändere. Dies gelte auch für die Annex-Kompetenz der Geltendmachung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche. Der Rentenversicherung stehe eine vorrangige Prüfungspflicht zu und daher sei es sachgerecht, für den Verjährungsbeginn die Kenntnis der Bediensteten der Rentenversicherung zugrunde zulegen. Damit sei die Kenntnis der Beklagten der Klägerin zuzurechnen; die Klägerin hätte eine Schadensersatzklage Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, erheben können. Dies sei dann durch die verspätete Information der Beklagten wegen der Einrede der Verjährung nicht mehr möglich. Diese schuldhafte Pflichtverletzung sei für den Schaden der Klägerin verantwortlich. Im hier maßgeblichen Zeitraum der Jahre 1998 bis 2001 sei die Regelung des § 266a StGB noch anders und nur das Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen strafbar gewesen. Daher weise man die Klage bezüglich der Arbeitgeberanteile ab. Die Klägerin habe die Forderung schlüssig dargelegt und es bestünden keine Zweifel nach der strafrechtlichen Verurteilung des Geschäftsführers, dass in der geltend gemachten Höhe von 33.599,93 € Arbeitnehmeranteile vorsätzlich einbehalten worden seien. Ob die Beitreibung Erfolg gehabt habe, sei ohne Bedeutung, alleine entscheidend sei, dass es der Klägerin unmöglich gewesen sei, vor Ablauf der Verjährungsfrist einen Titel zu erwirken.
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Die Beklagte hat am 12.11.2015 gegen das ihr am 16.10.2015 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.
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Sie wiederholt und vertieft ihre Argumentation, rügt, dass das SG den Verschuldensmaßstab unzutreffend ausgelegt habe und beruft sich darauf, dass die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs treuwidrig sei.
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Ferner beruft sich die Beklagte auf das Urteil des BSG vom 15.9.2016, B 12 R 2/15 R, welches das Urteil des Bsg vom 28.5.2015, B 12 R 16/13 R, bestätigt habe. Danach sei im Falle einer Betriebsprüfung das Verfahren zur Erhebung der Beiträge zweigeteilt: der Bescheid des prüfenden Rentenversicherungsträgers auf Leistung bzw. Zahlung habe die Funktion eines Grundlagenbescheids. Ob ein solcher Bescheid vollstreckt werden dürfe oder die zwangsweise Durchsetzung der Beitragsforderung wegen eines insolvenzrechtlichen Vollstreckungsversuchs, sei erst auf einer späteren Ebene von den Einzugsstellen zu prüfen. Die Klägerin habe erst 4 Tage vor Ende des Jahres 2012 Klage eingereicht, um die eintretende Verjährung der Schadensersatzansprüche ihr gegenüber zu verhindern. Sie habe aber die allgemeine Übung unter den Sozialversicherungsträgern, vor Erhebung der Klage gegen einen anderen Träger ein klärendes Gespräch zu führen, nicht wahrgenommen, obwohl genügend Zeit zur Verfügung gestanden hätte. Hierin liege ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 30.9.2015 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihrerseits ihre Argumentation im erstinstanzlichen Verfahren.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
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Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. | |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet. | 1
Die Klägerin ist der Verkehrshaftungsversicherer der Spedition B., die Beklagte Verkehrshaftungsversicherer der Firma J. GmbH, über deren Vermögen am 28.09.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Versicherungsnehmerin der Beklagten führte im Auftrag der Spedition B. einen Transport von Brannenburg nach Kilkis, Griechenland durch. Wegen einer damit verbundenen Lieferfristüberschreitung - die Ablieferung des Transportgutes erfolgte statt am 2.9.2008 am 04.09.2008 - nahm die Versicherungsnehmerin der Klägerin die J. GmbH auf Schadensersatz mit Schreiben vom 29.09.2008 in Anspruch (Anl. K 13, AS 40). Die Klägerin regulierte den Schaden ihrer Versicherungsnehmerin über die O. AG & Co KG und machte, vertreten durch letztere - gegenüber der Beklagten Regressansprüche geltend (Anl. K 1, AS 6, 7). Die Beklagte erklärte sich mit Schreiben vom 15.12.2008 bereit, 936,00 EUR zu zahlen (Anl. K 4, AS 8). Mit Schreiben vom 27.02.2009 (Anl. K 5, AS 9) mahnte die Klägerin die Zahlung an unter Hinweis auf die zwischenzeitlich erfolgte Zahlung der in dem Schreiben vom 15.12.2008 angesprochenen Rechnung der Versicherungsnehmerin der Beklagten (Anl. K 5, AS 9) und am 13.11.2009 nochmals durch Anwaltsschreiben samt der Aufforderung zur Erstattung der Anwaltskosten. Am 26.05.2010 wurden die versicherungsrechtlichen Ansprüche der Versicherungsnehmerin der Beklagten gegen diese an die Klägerin abgetreten (Anl. K 9, AS 13). Mit Schreiben vom 01.10.2010 wies die Beklagte die klägerischen Ansprüche zurück, u.a. unter Bezugnahme auf eine Aufrechnung (Anl. K 12, AS 15) mit offenen Prämienforderungen gegenüber der Versicherungsnehmerin (Anl. K 10, AS 14).
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Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe ein selbstständiges Schuldanerkenntnis abgegeben und sei deshalb zur Zahlung verpflichtet. Ihre Ansprüche seien auch nicht verjährt, da die Verjährung des Anerkenntnisses selbstständig und unabhängig von den zu Grunde liegenden transportrechtlichen Ansprüchen zu beurteilen sei und ihm übrigen die die Verjährung gehemmt gewesen sei (AS 65-67). Außerdem stünden ihr Direktansprüche gegen die Beklagte zu (AS 4, 5, 37, 38).
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Die Klägerin beantragt:
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1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 936,00 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.04.2009 zu bezahlen.
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2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, der Klägerin 155,30 EUR außergerichtliche Anwaltskosten zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2009 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe ihre Erklärungen lediglich namens der Versicherungsnehmerin anerkannt. Außerdem hätte die Klägerin nicht rechtzeitig auf das Schreiben der Beklagten vom 15.12.2008 reagiert. Zudem habe die Beklagte den anerkannten Betrag mit eigenen Forderungen gegenüber der Versicherungsnehmerin verrechnet. Direktansprüche ihr gegenüber bestünden nicht (AS 46, 47). Außerdem seien eventuelle klägerische Ansprüche verjährt (AS 30).
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen. | |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 23. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
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Die Beteiligten streiten darüber, ob Leistungen aus einem Gruppenversicherungsvertrag, den die Bundeslotsenkammer mit der G. , u.a. für die Mitglieder der L. vereinbart hat, zur Beitragsbemessung in der Kranken- und Pflegeversicherung heranzuziehen sind.
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Der 1948 geborene Kläger war bis zum Eintritt in den Ruhestand als Lotse tätig und gehörte der L. an. Deren Mitglieder waren seit dem 30. September 1972 Versicherungsnehmer des zwischen der Bundeslotsenkammer und dem Ga. abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrages vom 23./31. August 1972 (Nachtrag Nr. 1). Für sie wurden gemäß § 2 des Vertrages Anwartschaften auf Berufsunfähigkeits-, Alters-, Witwen- und Waisenrenten gebildet. Die Lotsenbrüderschaft zog die Versicherungsprämien von den Lotsgeldern ab. Die Bundeslotsenkammer überwies die fälligen Prämien gemäß § 4 des Vertrages in einem Betrag kostenfrei an den Ga. . Dieser verpflichtete sich, für alle zur Versicherung anzumeldenden Mitglieder auf eine Gesundheitsprüfung zu verzichten. Während der Laufzeit des Vertrages waren stets alle Mitglieder der versicherten Lotsenbrüderschaften versichert. Versicherungsnehmer war gemäß § 6 des Vertrages das versicherte Mitglied. Die Bundeslotsenkammer erklärte, von den Versicherten zur Wahrnehmung aller Rechte und Pflichten aus den Versicherungsverträgen bevollmächtigt zu sein, wobei sich die Vollmacht nicht auf die Entgegennahme von Versicherungsleistungen, die Änderung des Bezugsrechtes und die Beantragung der Aufhebung der Versicherung gemäß § 10 des Vertrages erstreckte. Danach wurde der Vertrag auf die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen und sollte sich stillschweigend um jeweils ein Jahr verlängern, wenn er nicht zum Ablauf der ersten fünf Jahre oder danach zum Ablauf eines jeden Versicherungsjahres von einer der beiden Vertragsparteien gekündigt wird. Der Ga. verpflichtete sich, die bei Erlöschen des Vertrages bestehenden Versicherungen unverändert fortzuführen, solange die Prämien gesammelt an ihn abgeführt würden. Andernfalls sollte § 7 des Vertrages sinngemäß Anwendung finden, wobei der Fortsetzungsantrag innerhalb eines Monats nach Erlöschen des Vertrages gestellt sein musste. Nach § 7 des Vertrages konnten die aus den Lotsenbrüderschaften austretenden Personen innerhalb von drei Monaten nach ihrem Austritt unter Einreichung des Versicherungsscheins vom Ga. die Fortsetzung der durch ihren Austritt erloschenen Versicherung ohne Gesundheitsprüfung nach dem entsprechenden Fortsetzungstarif des Ga. s verlangen.
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Der Kläger bezieht seit dem 1. September 2011 eine Altersrente und ist pflichtversichertes Mitglied der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner. Neben der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht er seit September 2011 einen laufenden Versorgungsbezug der Bundeslotsenkammer - Gemeinsame Übergangskassen. Im September 2011 wurden ihm von der H. zwei einmalige Kapitalleistungen in Höhe von 174.684,75 EUR und 102.654,19 EUR ausgezahlt. Mit Bescheiden vom 6. Dezember 2011 stellte die Beklagte fest, dass die Kapitalabfindungen unter Berücksichtigung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1.902,41 EUR bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung (2011 = 3.712,50 EUR monatlich) mit einem monatlichen Betrag von 1.810,09 EUR gemäß § 229 Abs. 1 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) ab 1. Dezember 2011 für 10 Jahre zur Beitragsberechnung heranzuziehen sei. Sie forderte monatliche Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 280,56 EUR (Beitragssatz 15,5 %) und zur Pflegeversicherung in Höhe von 35,30 EUR (Beitragssatz 1,95 %).
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Der Kläger erhob am 16. Dezember 2011 Widerspruch. Er vertrat die Auffassung, er bezöge keine Betriebsrente.
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Mit Bescheid vom 23. Dezember 2011 berechnete die Beklagte die beitragspflichtigen Einnahmen aus der Kapitalabfindung neu und setzte aufgrund der geänderten Beitragsbemessungsgrenze ab 1. Januar 2011 (3.825,00 EUR monatlich) den beitragspflichtigen Anteil aus der Kapitalabfindung auf 1.922,59 EUR monatlich fest. Ab 1. Januar 2011 forderte sie einen monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung von 298,00 EUR und zur Pflegeversicherung von 37,49 EUR.
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Der Kläger erhob am 4. Januar 2012 mit gleichlautender Begründung Widerspruch.
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Mit Bescheiden vom 20. Dezember 2013 berechnete die Beklagte wegen der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze auf 3.937,50 EUR die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. Januar 2013 neu (315,44 EUR bzw. 41,72 EUR).
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Die Widersprüche des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2013 zurück.
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Der Kläger hat am 28. März 2013 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben. Das Sozialgericht Kiel hat sich mit Beschluss vom 15. April 2013 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Schleswig verwiesen. Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgebracht, die Kapitalleistung des Ga. s sei als private Altersvorsorge nicht beitragspflichtig. Der Seelotse sei kein Arbeitnehmer. Seine besondere Rechtsstellung als Selbstständiger, der seine Tätigkeit als freien, nicht gewerblichen Beruf ausübe, folge aus § 21 Seelotsgesetz (SeeLG). Die Beiträge zur Kapitallebensversicherung seien aus seinem privaten, zu versteuernden und auch mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen belasteten Einkommen finanziert worden. Er selbst sei Versicherungsnehmer gewesen. Die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 10. Juni 1988 – 12 RK 35/86 – nach der zu den in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) beitragspflichtigen Versorgungsbezügen im Sinne des § 180 Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) auch Leistungen gehören können, die von einem privaten Versicherungsunternehmen aufgrund eines Gruppenversicherungsvertrages erbracht würden, der für die Mitglieder der Berufsgruppe der Seelotsen Leistungen im Falle der Berufsunfähigkeit, des Alters und des Todes vorsehe, könne unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 28. September 2010 – 1 BvR 1660/08 – keinen Bestand mehr haben.
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Der Kläger hat in der Klageschrift beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 2011 und die Bescheide vom 20. Dezember 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2013 aufzuheben.
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Das Sozialgericht ist davon ausgegangen, der Kläger habe schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
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die Bescheide der Beklagten vom 6. Dezember 2011, 23. Dezember 2011 und 20. Dezember 2012 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2013 aufzuheben.
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Die Beklage hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat weiterhin die Rechtsauffassung vertreten, dass die Rechtsprechung des BVerfG zu Direktversicherungen des Arbeitgebers nicht auf die vorliegende Konstellation übertragbar sei.
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Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Juni 2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht Beiträge erhoben, denn der Beitragspflicht unterlägen auch Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, die für Angehörige bestimmter Berufe errichtet worden seien. Um eine solche Rente handele es sich bei der vorliegenden Kapitalleistung. Dies habe das Bundessozialgericht zu der im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 180 Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) für den hier zugrunde liegenden Gruppenversicherungsvertrag zwischen der Bundeslotsenkammer und dem Ga. mit Urteil vom 10. Juni 1988 – 12 RK 35/86 – entschieden. Dieser Entscheidung schließe sich die erkennende Kammer an. Entgegen dem Vorbringen des Klägers sei nicht erkennbar, dass die einzelnen Lotsen die Wahlmöglichkeit gehabt hätten, sich für oder gegen den Vertragsbeitritt zu entscheiden. Letztendlich könne dies auch dahin stehen, weil selbst Renten, die aufgrund freiwilliger Mitgliedschaft in einem Versicherungsverein für bestimmte Berufe erworben worden seien, der Beitragspflicht unterlägen. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V enthalte keine Beschränkung auf Renten aus Pflichtversicherungen (BSG, Urteil vom 30. März 1995 – 12 RK 40/94). Aus den gleichen Gründen sei es auch unerheblich, ob der einzelne Lotse ein Tätigwerden der Lotsenbrüderschaft nach § 28 Abs. 1 Nr. 6 Seelotsgesetz habe einklagen können oder ob die Lotsenbrüderschaft auch andere Maßnahmen zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung hätte ergreifen können. Die Einbeziehung der hier streitigen Versicherungsleistungen in die Beitragsbemessung zur Kranken- und Pflegeversicherung stelle auch keine sachwidrige Ungleichbehandlung gegenüber Selbstständigen dar, die eine private Eigenvorsorge getroffen hätten. Es
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sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber mit den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und den Versorgungsbezügen im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich und in typisierender Weise alle diejenigen Bezüge von Institutionen und aus Sicherungssystemen der Beitragspflicht unterworfen habe, bei denen ein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit und der Erwerbstätigkeit bestehe und die nach Eintritt des Versicherungsfalles dazu dienten, Erwerbseinkommen zu ersetzen oder die Hinterbliebenenversorgung sicherzustellen. Daran ändere auch die aktuelle Rechtsprechung des BVerfG, die zu Direktversicherungen ergangen sei, nichts. Die Entscheidungen des BVerfG vom 28. September 2010 – 1 BvR 1660/08 – und vom 6. September 2010 – 1 BvR 739/08 – seien auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar. Hier seien nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben keine Versicherungsprämien vom Kläger gezahlt worden. Deshalb könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der berufliche Bezug gelöst worden sei.
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Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 9. Juli 2015 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die am 4. August 2015 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen, dass es sich bei der Kapitalleistung aus der Lebensversicherung um private Vorsorge handele, die nicht der Beitragspflicht unterliege. Die Lebensversicherung werde nicht deshalb zum Versorgungsbezug, weil sie über den Rahmenvertrag flankiert werde. Mit dem Rahmenvertrag sei nur die Absicht verfolgt worden, dass die jeweilige Lotsenbrüderschaft als eine Art „Poststelle“ fungiere. Da die Lotsenbrüderschaft für Rechnung der Lotsen die Lotsgelder einnehme und dann nach Maßgabe einer Verteilungsordnung an die Lotsen verteile, sei es für den Ga. von Interesse gewesen, die Zahlungen gebündelt zu erhalten, um den administrativen Aufwand zu verringern. Ansonsten hätten sich die Umstände, unter denen die Lebensversicherungsverträge abgeschlossen worden seien, nicht von denen privater Vorsorge unterschieden. Er selbst sei Versicherungsnehmer gewesen und habe die Prämien für die Versicherung aus seinem bereits verbeitragten und versteuerten Einkommen gezahlt. Die Prämienhöhe in § 2 Ziffer 2 des Vertrages von 6,9 % sei nicht verbindlich gewesen. Allenfalls habe es sich um eine Mindestsumme gehandelt. Die Lotsen seien berechtigt gewesen, weitere Zahlung auf die Einzelversicherung zu leisten. dies sei auch erfolgt. Es habe sogar ein Wahlrecht bestanden. So habe die L. im Jahr 2008 einen sogenannten „VA-Überschuss“ erwirtschaftet, der unter den Lotsen zu verteilen gewesen sei. Diese hätten ein Wahlrecht gehabt, ob sie sich diesen Betrag ganz oder teilweise auf das private Konto überweisen ließen oder – auch teilweise – zusätzlich auf die Versicherung zahlen wollten. § 229 Abs. 1 Nr. 3 SGB V beziehe sich nur auf Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, die für Angehörige bestimmter Berufe etabliert würden. Das sei hier nicht der Fall. Allenfalls könne davon ausgegangen werden, dass der Ga. einen Tarif gewährt habe, mit dem „Gruppen“ versichert würden. Die gewählte Tarifkonstruktion sei jedoch nicht ausschließlich auf die Berufsgruppe der Lotsen bezogen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass hier noch nicht einmal die gesamte Berufsgruppe der Lotsen betroffen sei. 1/3 der Lotsenbrüderschaften seien von dem Rahmenvertrag nicht umfasst gewesen. Sie repräsentierten rund 50 % aller in der Bundesrepublik Deutschland bestallten Seelotsen. Eine derartige „Insellösung“ eines vermeintlich bestehenden Versorgungsproblems der Lotsen im Alter könne nicht als eine für eine bestimmte Berufsgruppe geltende Einrichtung angesehen werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts sei auch die Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 28. September 2010 – 1 BvR 1660/08 – auf die vorliegende Fallkonstellation anwendbar. Es sei dem BVerfG für die Beurteilung des betrieblichen Bezugs maßgeblich auf die Frage angekommen, wer Versicherungsnehmer sei und wer die Prämien zahle. Würde die Kapitalleistung der Beitragspflicht unterworfen, obwohl von ihm als Versicherungsnehmer bereits die Prämien für die Lebensversicherung aus verbeitragten und versteuerten Einkommen gezahlt worden seien, läge eine unzulässige doppelte Beitragserhebung vor, die gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße. Das BVerfG habe aus Art. 14 Abs. 1 GG sowohl entwickelt, dass eine Doppelbesteuerung unzulässig sei wie auch den Grundsatz, dass dem Steuerpflichtigen im Kern ungefähr die Hälfte seines Einkommens belassen werden müsse. Deswegen könne – beispielsweise – bei der Besteuerung von Zinseinkünften nur der Ertragsanteil herangezogen werden, wobei der Kapitalstock unangetastet bleibe. Selbst wenn man zu dem Ergebnis gelangen würde, dass es sich hier um Versorgungsbezug handeln solle, sei nicht erkennbar, warum dann nicht auch hier nur der durch die Versicherung erzielte Ertragsanteil der Beitragspflicht unterworfen werde. Weder die Bundeslotsenkammer noch die einzelnen Lotsenbrüderschaften seien zum Abschluss eines Versicherungsvertrages, aus dem die einzelnen Lotsen verpflichtet worden seien, ermächtigt gewesen. Diese Ermächtigung könne insbesondere nicht aus § 28 Abs. 1 Nr. 6 SeeLG abgeleitet werden. Er beziehe eine angemessene Altersversorgung über die gesetzliche Rentenversicherung und eine laufende Versorgung von der Bundeslotsenkammer. Mehr als eine angemessene Altersversorgung könne nach § 28 Abs. 1 Nr. 6 SeeLG nicht verlangt werden. Eine Versorgungs- oder Versicherungseinrichtung im Sinne des § 229 Abs. 1 Nr. 3 SGB V setze zudem ein verpflichtendes Moment voraus, welches mangels gesetzlicher Ermächtigung und fehlender Vollmacht der Bundeslotsenkammer, für die einzelnen Lotsen rechtswirksame Erklärungen abzugeben, hier nicht vorgelegen habe.
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Nachdem die Beklagte im Berufungsverfahren sämtliche im Verwaltungs– und Gerichtsverfahren ergangenen Beitragsanpassungsbescheide benannt bzw. vorgelegt hat beantragt der Kläger,
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das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 23. Juni 2015 und die Bescheide der Beklagten vom 6. Dezember 2011, 23. Dezember 2011 und 20. Dezember 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2013 und die Bescheide vom 28. Februar 2013, 8. Mai 2013, 18. Dezember 2013, 18. Dezember 2014, 17. Dezember 2015, 8. Juli 2016, 21. Dezember 2016, 6. Januar 2017, 25. Oktober 2017 und 23. Dezember 2017 aufzuheben, soweit damit Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung aufgrund Einnahmen aus Kapitalzahlungen der H. erhoben worden sind.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen die Beitragsbescheide vom 17. Dezember 2015, 8. Juli 2016, 21. Dezember 2016, 6. Januar 2017, 25. Oktober 2017 und 23. Dezember 2017 abzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. | |
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. | 1
Der nach eigenen Angaben am ... 1985 geborene Kläger zu 1 und die nach eigenen Angaben am ... 1996 geborene Klägerin zu 2 sind angeblich syrische Staatsangehörige. Die Kläger zu 3 - 5 sind die ehelichen Kinder der Kläger zu 1 und zu 2. Die Kläger reisten nach eigenen Angaben am 04.11.2019 bzw. 02.11.2019 in das Bundesgebiet ein. Am 06.11.2019 beantragten sie die Gewährung von Asyl.
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Bei der Anhörung im Rahmen der Vorprüfung in Heidelberg am 15.11.2019 trug der Kläger zu 1 vor, in Syrien habe er von 2003 bis 2006 Wehrdienst geleistet. Bis zur 5. Klasse habe er die Schule besucht. Wegen der allgemeinen Kriegssituation in Syrien habe er am 01.01.2013 sein Heimatland verlassen. Danach habe er knapp 6 Jahre lang in Jordanien gelebt. Von der UNO hätten sie die Genehmigung erhalten, nach Europa zu reisen. Mit dem Flugzeug seien sie nach Italien geflogen. Dort hätten sie sich etwa 11 Monate lang aufgehalten. In Italien hätten sie eine Wohnung zugewiesen erhalten, ansonsten habe sich aber niemand für sie zuständig gefühlt. Dort habe es auch keine Arbeit gegeben. Sein Sohn sei mit seiner Sehschwierigkeit nicht behandelt worden.
3
Die Klägerin zu 2 trug bei der Anhörung in Heidelberg am 15.11.2019 vor, bei der Ausreise aus Syrien sei sie erst 15 Jahre alt gewesen. Vor der Ausreise hätten sie am 22.10.2012 geheiratet. Ihr Ehemann habe in Jordanien gearbeitet; hiervon hätten sie leben können. In Jordanien hätten sie auch einen Ausweis für Flüchtlinge erhalten. Sie hätten sich dort frei bewegen können. Die Reisekosten für die Reise nach Italien habe die UN-Organisation übernommen. In Italien seien sie als Flüchtlinge anerkannt worden.
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Italien teilte mit Schreiben vom 29.11.2019 mit, dass den Klägern in Italien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde. Ihnen seien Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeit bis zum 28.11.2023 ausgestellt worden.
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Mit Bescheid vom 29.01.2020 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Anträge als unzulässig ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen. Den Klägern wurde mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Italien angedroht. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
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Am 20.02.2020 haben die Kläger Klage erhoben und mit Schriftsatz vom 19.02.2021 vorgetragen, in Italien seien sie gezwungen worden, einen Asylantrag zu stellen. Italien habe ihnen internationalen Schutz gewährt. Schon beim Bundesamt hätten sie geltend gemacht, dass es in Italien sehr schwer gewesen sei, eine Wohnung zu finden. Sie hätten dort auch keine regelmäßigen staatlichen Leistungen erhalten. Der Kläger zu 3 habe eine Augenerkrankung und sei in Italien nicht medizinisch behandelt worden. Die Klägerin zu 2 sei auch gegenwärtig aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung nicht in der Lage, auch nur kleinere psychosoziale Belastungen zu kompensieren. Der Abbruch der Behandlung und die erneute Verlagerung des Lebensmittelpunktes würden zu einer weiteren psychosozialen Belastung führen mit der Folge einer lebensbedrohlichen Verschlechterung der psychischen Verfassung. Die Behandlung der Klägerin zu 2 umfasse nicht nur eine medikamentöse, sondern auch eine psychotherapeutische Behandlung. Aufgrund der psychischen Erkrankung der Klägerin zu 2 könne eine akute Behandlungsbedürftigkeit jederzeit auftreten. Eine Rücküberstellung der Klägerin zu 2 wäre nur im Falle einer individuellen Zusicherung Italiens, dass Vorkehrungen zu deren Schutz getroffen worden seien, möglich. Eine solche Zusicherung liege nicht vor.
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Die Kläger beantragen sachdienlich,
8
Ziffern 1 bis 4 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29.01.2020 mit Ausnahme des Abschiebungsverbots bezüglich Syrien aufzuheben;
9
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
12
Sie verweist auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids.
13
Im vorgelegten ärztlichen Attest vom 27.11.2020 führte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K aus, die Klägerin zu 2 sei Flüchtling aus der Provinz Daraa, aus der sie wegen des Krieges unter schwersten Bedingungen zusammen mit zwei Kindern und ihrem Ehemann zu Fuß in Richtung Jordanien geflohen sei. Dort seien sie zunächst in einem Camp untergebracht worden. Die hygienischen Bedingungen seien sehr schlecht gewesen. Staatliche Unterstützung habe die Familie nicht erhalten. Sie seien dann in die Stadt Irbid geflohen, wo sie weitere sechs Jahre ohne jegliche finanzielle Hilfe verbracht hätten. Dort habe die Familie von der UNO-Flüchtlingshilfe die Einreisegenehmigung nach Italien erhalten. In Italien habe es auch keine finanzielle Unterstützung und auch keine Integrationshilfe gegeben, was wiederum negative Intrusionen und Zukunftsängste verursacht habe. Bei dem BDI-II-Test habe die Klägerin zu 2 einen Punktwert von 48 (von max. 63) erreicht, was für das Vorliegen einer mittelschweren depressiven Episode spreche. Unter Zugrundelegung der schweren Hoffnungslosigkeit, des stark verminderten Selbstwertes, der Schlafstörung mit Früherwachen sowie der negativen Flashbacks mit Szenen aus Bombardierungen, Vertreibung und Flucht spreche vieles für das Vorliegen einer schweren depressiven Episode. Die Klägerin habe von Intrusionen über mehrere Monate mit sehr häufig auftretenden Flashbacks berichtet. Weiter habe sie über eine emotionale Taubheit mit Vermeidung von Situationen, Handlungen und Dingen, die an das Geschehene erinnerten, berichtet. Seit Monaten bestünden auch Symptome mit erhöhtem Erregungsniveau mit misslungener Anpassung an das Belastende in ihrem Leben. Der Gesamteindruck spreche für das Vorliegen einer seit längerer Zeit bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung. Weitere therapeutische Gespräche seien notwendig.
14
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Akte der Beklagten Bezug genommen. | |
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juli 2010 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2007 verpflichtet, den Bescheid vom 03. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2003 zurückzunehmen und unter Änderung des Bescheides vom 27. Januar 1987 das Altersruhegeld unter Berücksichtigung der Zeiten von April 1939 bis Juni 1941 und von September 1946 bis Februar 1949 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten ab 01. Januar 2003 neu festzustellen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu neun Zehnteln zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten ein höheres Altersruhegeld ab 01. Januar 2002 unter Berücksichtigung der Zeiten von April 1939 bis Juni 1941 und von September 1946 bis Februar 1949 als Beitragszeiten.
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2
Der im Februar 1916 in S (seinerzeit U, nach dem Ersten Weltkrieg R) geborene Kläger jüdischer Religionszugehörigkeit war rumänischer Staatsbürger. Er wanderte im Juni 1950 nach I und 1959 in die USA ein, wo er seither lebt und deren Staatsangehöriger er seit dem 03. Dezember 1964 ist.
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3
Mit Feststellungsbescheid des Bezirksamtes für Wiedergutmachung Koblenz vom 31. Januar 1963 war dem Kläger wegen eines von Juni 1941 bis August 1944 erlittenen Freiheitsschadens eine Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) bewilligt worden.
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4
Der Kläger hatte im Dezember 1980 einen Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen und im Mai 1982 einen Rentenantrag bzw. einen Antrag auf Anerkennung von Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) gestellt. Seinen Lebenslauf schilderte er wie folgt: Er habe in S von 1922 bis 1926 die Volksschule und von 1926 bis 1930 die Bürgerschule besucht, bevor er von 1931 bis 1936 auf der Rabbinatsschule in T gewesen sei. Von September 1934 bis September 1938 habe er eine Ausbildung zum Rabbiner absolviert, die er im September 1945 mit einer Prüfung abgeschlossen habe. Von April 1939 bis Juni 1941 sei er als Kontorist bzw. Verkäufer beim Lederwarengeschäft M in S beschäftigt gewesen. Vom 22. Juni 1941 bis 22. August 1944 (Hinweis auf den o. g. Bescheid vom 31. Januar 1963) sei er Maßnahmen der NS-Verfolgung (Ghettoaufenthalt und Zwangsarbeit) ausgesetzt gewesen. Nach einer Zeit der Krankheit und Arbeitslosigkeit (August 1944 bis Mitte 1946) habe er von September 1946 bis Februar 1949 eine Beschäftigung als Kontorist bei der DEP SPIRT. Alkohol Monopol, einer Spirituosengenossenschaft in S ausgeübt. Der Kläger gab außerdem an, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (DSK) zugehörig zu sein. Seine Muttersprache und der persönliche Sprachgebrauch im Herkunftsgebiet seien Deutsch gewesen. Die Umgangssprache im Herkunftsgebiet sei die Landessprache und Deutsch gewesen. Der Vortrag in der Rabbinatsschule sei ebenfalls Deutsch gewesen. Im persönlichen Bereich habe er Deutsch, im Beruf die Landessprache gesprochen. Jiddisch sei nicht gesprochen worden. Dasselbe treffe für seinen in B(Ö/U) geborenen Vater zu, dessen Muttersprache und persönlicher Sprachgebrauch im Herkunftsgebiet Deutsch und dessen Sprache im Beruf als Kaufmann die Landessprache und Deutsch gewesen seien. Seine Mutter, die Hausfrau gewesen sei, habe als Muttersprache und im persönlichen Bereich ebenfalls Deutsch gesprochen. Deutsch sei auch Muttersprache und persönlicher Sprachgebrauch im Herkunftsgebiet seiner Ehefrau, der im März 1948 geheirateten Hausfrau B F.
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Es lagen die eidesstattlichen Versicherungen des im Dezember 1894 geborenen L L vom 24. Mai 1982 und der im Oktober 1898 geborenen VD vom 24. Mai 1982 vor. Im Februar 1984 erfolgte durch das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in N eine Sprachprüfung.
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Mit Bescheid vom 20. Juni 1984 hatte daraufhin die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zum einen die Nachentrichtung von Beiträgen nach Nr. 7 c des Schlussprotokolls zum deutsch-amerikanischen Sozialversicherungsabkommen (SP-DASVA) und Art. 16 der Durchführungsvereinbarung zum deutsch-amerikanischen Sozialversicherungsabkommen (DV-DASVA) abgelehnt. Zum anderen hatte sie die Berücksichtigung der geltend gemachten Beitrags- und Beschäftigungszeiten in Rumänien abgelehnt, weil der Kläger nicht dem Personenkreis des § 1 FRG angehöre. Ein Nachweis über die Anerkennung als Verfolgter im Sinne des § 1 Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) liege nicht vor. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden. Durch diese Vorschrift würden Verfolgte im Sinne des § 1 BEG anerkannten Vertriebenen im Sinne des BVFG gleichgestellt, wenn lediglich das Nichterfüllen der Bedingung des § 6 BVFG (Bekenntnis zum deutschen Volkstum) die Anerkennung als Vertriebener hindere. Soweit es auf die deutsche Volkszugehörigkeit ankomme, genüge es, wenn der Betroffene im Zeitraum des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe. Nach dem Ergebnis der Schriftproben nach Diktat und Aufsatz sei nicht ausreichend glaubhaft, dass der Kläger die deutsche Sprache als Muttersprache erlernt und im persönlichen Bereich noch zurzeit der Auswanderung überwiegend verwendet habe.
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Mit weiterem Bescheid vom 20. Juni 1984 hatte die BfA die Gewährung von Altersruhegeld abgelehnt, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei.
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Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch hatte der Kläger geltend gemacht, es werde nicht bestritten, dass der Aufsatz und das Diktat orthografisch unzulänglich seien und der Aufsatz auch seine Fehlerhaftigkeit bei der Verwendung der Deklinationsendungen der Fürworter und Eigenschaftswörter aufweise. Es müsse jedoch dem mündlichen Teil der Sprachprüfung größere Bedeutung beigemessen werden, weil sich der Gebrauch der deutschen Sprache im Elternhaus und im persönlichen Bereich mündlich vollzogen habe. Bei der Sprachprüfung sei zwar ein starker englischer Akzent aufgefallen. Es sei jedoch bekannt, dass solches nach langem Aufenthalt in den USA auftrete. Zum geringfügigen Gebrauch von Ausdrücken der jiddischen Sprache seien keine konkreten Angaben gemacht worden. Es fehlten auch konkrete Angaben zu den ggf. schwer verständlichen Ausführungen bei komplizierten Sachverhalten. Dabei müsse auf den Umstand verwiesen werden, dass der Kläger als Verkäufer und Kontorist beschäftigt gewesen sei. Zudem habe er sich in den USA auch in der Familie nicht mehr der deutschen Sprache bedient. Der Kläger hatte die Erklärungen des im Dezember 1902 geborenen C W vom 16. November 1984, des im Februar 1927 geborenen L S vom 27. November 1984 und des M F vom 17. April 1985 vorgelegt.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 1985 hatte die BfA den Widerspruch zurückgewiesen: Der Kläger könne nicht nach § 20 WGSVG einem anerkannten Vertriebenen gleichgestellt werden, weil nicht glaubhaft gemacht sei, dass er dem DSK zuzurechnen sei. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Sprachprüfung sei nicht glaubhaft, dass zum Zeitpunkt des Verlassens R die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und im persönlichen Bereich überwiegend verwendet worden sei. Das anlässlich der Sprachprüfung durchgeführte Diktat und der Aufsatz seien sehr fehlerhaft. Nach den Feststellungen des Sprachprüfers sei der mündliche Ausdruck in deutscher Sprache teilweise schwer verständlich gewesen. Dies, obgleich nach eigenen Angaben eine Gymnasial- und Hochschulausbildung zurückgelegt worden sei. Diese Feststellungen könnten durch die eidesstattlichen Versicherungen der Zeugen C W, L S und MF nicht widerlegt werden. Es möge zutreffen, dass der Kläger im Herkunftsgebiet auch Deutsch gesprochen habe. Ein überwiegender Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Bereich sei aber nicht glaubhaft gemacht worden. Damit sei auch die Nachentrichtung von Beiträgen nach Nr. 7 c SP-DASVA und nach Art. 16 Abs. 2 DV-DASVA nicht möglich, so dass auch kein Anspruch auf Altersruhegeld bestehe.
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Mit Bescheid vom 25. Juli 1986 gestattete die BfA die Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit vom 01. Januar 1956 bis 31. Dezember 1973 nach Art. 16 Abs. 1 DV-DASVA in Verbindung mit Art. 2 § 49 a Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG).
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Nach Zahlung dieser Beiträge bewilligte die BfA mit Bescheid vom 27. Januar 1987 dem Kläger Altersruhegeld ab 01. Februar 1981. Sie legte hierbei ausschließlich die für Januar 1956 bis Dezember 1973 nachentrichteten freiwilligen Beiträge zugrunde.
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Im Dezember 2002 beantragte der Kläger die Berücksichtigung von Fremdbeitragszeiten nach § 17 a FRG. Er habe zum Zeitpunkt der Verfolgung dem DSK angehört.
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Mit Bescheid vom 03. April 2003 lehnte die BfA die Neufeststellung des mit Bescheid vom 27. Januar 1987 gewährten Altersruhegeldes unter Berücksichtigung von Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach dem FRG ab. Die Voraussetzungen des § 17 a FRG seien schon deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger zum Zeitpunkt, in dem sich der nationalsozialistische Einflussbereich auf sein Heimatgebiet erstreckt habe – also 1941 – nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe. Die beim Generalkonsulat in N bereits 1984 abgelegte Sprachprüfung lasse nicht den Schluss zu, dass der Kläger 1941 die deutsche Sprache überwiegend gebraucht habe.
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Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Deutschkenntnisse stammten aus dem zweifellos deutsch geprägten Siebenbürgen. Als Kind der Oberschicht geboren habe für ihn die Möglichkeit einer ausgiebigen Ausbildung bestanden. Die jüdische Oberschicht in R/S habe bevorzugt die damalige Kultursprache Deutsch benutzt. 1984, also 43 Jahre nach dem zu prüfenden Zeitpunkt und 34 Jahre nach der Auswanderung sei die Sprachprüfung vorgenommen worden. Es müsse berücksichtigt werden, dass während der Verfolgung und auch nach der Verfolgung wegen Repressalien gegen Deutsche bzw. Deutschsprachige in R für den Kläger keine Möglichkeit bestanden habe, seine Deutschsprachigkeit in größerem Stil zu pflegen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2003 wies die BfA den Widerspruch zurück. Die Angabe, die jüdische Oberschicht in Rumänien/Siebenbürgen habe bevorzugt die damalige Kultursprache Deutsch benutzt, sei nicht belegt und als Grundsatz nicht zu formulieren. Bedeutungsvoll seien ausschließlich die Verhältnisse des Einzelfalls. Bei einer Sprache, die über einen sehr langen Zeitraum wie eine Muttersprache beherrscht worden und im persönlichen Bereich überwiegend verwendet worden sei, könne davon ausgegangen werden, dass eine Entfremdung zu dieser Sprache nicht oder nur sehr langsam eintrete. Vor diesem Hintergrund überzeuge das Ergebnis der Sprachprüfung im Jahre 1984 nicht.
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Die dagegen erhobene Klage (S 10 RA 5210/03), mit der Ausführungen zum „Zwangsarbeits- und Ghettobegriff“ nach dem ZRBG gemacht wurden, wies das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 06. April 2005 ab: Ungeachtet des nicht eindeutig erkennbaren Begehrens könne zugunsten des Klägers angenommen werden, dass er mit seiner Klage die Gewährung einer höheren Rente unter Berücksichtigung von in R zurückgelegten Fremdbeitragszeiten aufgrund einer Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 17 a FRG geltend mache. Diese Klage sei jedoch unbegründet. Das Gericht folge vollumfänglich der zutreffenden Begründung der angefochtenen Bescheide.
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Im Juni 2007 bat der Kläger, nachdem er zunächst im Oktober 2006 um Akteneinsicht zur Prüfung, ob weitere Ansprüche bestehen könnten, gebeten hatte, unter Vorlage der Zeugenaussage des M K vom 21. Mai 2007 um weitere Bearbeitung.
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Mit Bescheid vom 11. Juli 2007 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag auf Neufeststellung des mit Bescheid vom 27. Januar 1987 gewährten Altersruhegeldes unter Berücksichtigung von Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach dem FRG ab. Die eingereichte Zeugenerklärung des M K sei nicht geeignet, die insbesondere aufgrund der Sprachprüfung gewonnenen Erkenntnisse zu erschüttern. Eine Zugehörigkeit zum DSK nach § 20 WGSVG bzw. § 17 a FRG werde weiterhin als nicht gegeben angesehen.
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Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, er sei nach seiner Auswanderung vollständig anglisiert worden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05. Dezember 2007 zurück: Die Bescheide vom 27. Januar 1987 und 03. April 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2003 seien nicht nach § 44 Abs. 1 und Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückzunehmen, weil weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei.
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20
Dagegen hat der Kläger am 18. Dezember 2007 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben.
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21
Er hat vorgetragen, zum Personenkreis nach § 17 a FRG zu gehören. Das Ergebnis der 1984 erfolgten Sprachprüfung i. V. m. den seinerzeit und zuletzt mit Schreiben vom 04. Juni 2007 vorgelegten Zeugenaussagen mache glaubhaft, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Verfolgungsbeginns dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe.
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22
Der Kläger hat beantragt,
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23
den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 27. Januar 1987 und vom 03. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2008 gemäß § 44 SGB X ab dem 01. Januar 2002 eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Fremdbeitragszeiten von April 1939 bis Juni 1941 und September 1946 bis Februar 1949 zu gewähren.
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24
Nach entsprechender Anhörung hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 15. Juli 2010 die Klage abgewiesen. Es ist vollumfänglich der aus seiner Sicht zutreffenden Begründung der angefochtenen Bescheide gefolgt und hat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.
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Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 22. Juli 2010 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 28. Juli 2010 eingelegte Berufung des Klägers.
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26
Er meint, es werde in keiner Weise dem besonderen Umstand Rechnung getragen, dass die maßgebliche so genannte Sprachprüfung 43 Jahre (1984) nach dem nach § 17 a FRG relevanten Zeitpunkt der NS-Einflussnahme (1941) durchgeführt worden sei. Ebenfalls sei unberücksichtigt geblieben, dass sich der Kläger von 1949 bis 1960 auf die hebräische und ab 1960 auf die englische Sprache habe umstellen müssen. Ferner werde dem Konsularbeamten die Rolle eines „Sprachprüfers“ zugewiesen, obgleich keinerlei diesbezügliche Qualifikationen erkennbar seien. Unzweifelhaft weiche das in der Region Siebenbürgen gesprochene Deutsch in seiner regionalen Färbung vom geläufigen Hochdeutsch ab. Das „Protokoll“ des Konsularbeamten stelle Beweisaufnahme und Beweiswürdigung in einem dar und könne unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände nur begrenzt in die Entscheidungsfindung einfließen. Die weiteren Beweismittel seien nur unzureichend bzw. nicht beachtet worden.
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Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
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28
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juli 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 27. Januar 1987 und vom 03. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2008 gemäß § 44 SGB X ab dem 01. Januar 2002 eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Fremdbeitragszeiten von April 1939 bis Juni 1941 und September 1946 bis Februar 1949 zu gewähren.
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29
Die Beklagte beantragt,
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30
die Berufung zurückzuweisen.
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31
Sie ist der Ansicht, dass das Sozialgericht Berlin die Berücksichtigung von Fremdrentenbeitragszeiten gemäß § 17 a FRG bei der Altersrente zu Recht abgelehnt habe. Vorbehaltlich einer Anerkennung der Zugehörigkeit des Klägers zum DSK wären die geltend gemachten Zeiten als Pflichtbeiträge grundsätzlich berücksichtigungsfähig.
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32
Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, Antworten oder Unterlagen des rumänischen Versicherungsträgers (zu den 1983 und 1984) geführten Ermittlungen über Beschäftigungszeiten in Rumänien nicht zu besitzen, hat der Senat dazu erfolglos beim rumänischen Versicherungsträger ermittelt.
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33
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt.
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34
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen. | |
1. Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird der Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2014 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2015 insoweit aufgehoben, als die Festsetzung den Betrag von 895,89 EUR übersteigt.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 37,86 v.H. dem Kläger und im Übrigen dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Den Beteiligten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgegner vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. | Randnummer
1
Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag.
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2
Der Kläger ist Eigentümer des Wohngrundstücks G 1 in einer Größe von 337 m².
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3
Das Grundstück ist über das Grundstück G 2 mit dem K. verbunden. Die Nutzung dieses Grundstücks ist durch ein Wege- und Leitungsrecht gesichert. Bei dem K. handelt es sich um eine Gemeindestraße in einer Länge von 115 m, die von der Einmündung in die Dorfstraße (Ortsdurchfahrt der Landesstraße 21) in nordwestliche Richtung führt und an dem in diesem Bereich katastrierten und grundbuchlich erfassten Ostseestrand G 3 endet.
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4
Südlich des K. und parallel zu diesem verläuft die Straße Am S.. Beide Verkehrsanlagen sind miteinander über einen unbefestigten Weg verbunden, der hinter der Düne unmittelbar vor den Baugrundstücken der „ersten Reihe“ G 4 verläuft. Zur Sicherung der Benutzung dieses Weges zum K. besteht eine Baulast zu Gunsten des Eigentümers des Grundstücks G 4
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5
Die Straße K. war zunächst unbefestigt und hatte im Jahr 2002 eine bituminöse Deckschicht (Tränkdecke) erhalten. Eine Straßenentwässerung war nicht vorhanden. Im Zuge der im Jahre 2012 durchgeführten Verlegung der leitungsgebundenen Erschließungsanlagen (Wasser, Abwasser, Elektrizität, Gas) erhielt die Verkehrsanlage erstmals eine Fahrbahnbefestigung (Verbundpflaster) nach den anerkannten Regeln der Technik in einer Breite von 3,5 m bis 5,5 m sowie eine Straßenentwässerung. Die vorhandene Straßenbeleuchtung wurde nicht in die Baumaßnahme einbezogen.
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6
Am 12. Dezember 2013 fasste die Gemeindevertretung der Gemeinde B-Stadt den Beschluss über eine Kostenspaltung dergestalt, dass die Beitragserhebung ohne die Durchführung von Baumaßnahmen an der Teileinrichtung Straßenbeleuchtung erfolgen soll. Der Beschluss wurde am 7. Februar 2014 bekannt gemacht.
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7
Mit Bescheid vom 28. Juli 2014 zog der Beklagte den Kläger zu einem Straßenbaubeitrag i.H.v. 2.271,22 EUR heran. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2015 zurück.
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8
Am 25. Februar 2015 hat der Kläger Anfechtungsklage erhoben. Er ist der Auffassung, seine Heranziehung sei rechtswidrig. Es fehle bereits an einer wirksamen Rechtsgrundlage, denn die Straßenbaubeitragssatzung sei nichtig. Die Regelung über den nutzungsbezogenen Artzuschlag bilde den erhöhten Vorteil, den die beitragsfähige Baumaßnahme gewerblich genutzten Grundstücken biete, nicht in einer dem Vorteilsprinzip. Weder führe eine mehrfache gewerbliche Nutzung (z.B. Physiotherapie und Ferienwohnung in einem Gebäude) zu einer mehrfachen Berücksichtigung des Artzuschlages, noch werde die Zahl der Fremdenbetten berücksichtigt. Zudem sei die rückwirkend in Kraft getretene Satzung unvollständig, da sie keinen Beitragssatz enthalte. Zwar sei dies gesetzlich auch nicht vorgesehen, folge aber aus verfassungsrechtlichen Vorgaben.
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9
Auch die Rechtsanwendung durch den Beklagten sei fehlerhaft. Die gesetzlich vorgeschriebene Bürgerinformation sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Trotz entsprechender Anfragen hätten sich die Vertreter der Gemeinde nicht zu der Höhe der auf die Anlieger entfallenden Kosten geäußert. Mit Blick auf die erst im Jahre 2002 erfolgte Aufbringung einer Tränkdecke sei die abgerechnete Maßnahme nicht erforderlich gewesen. Die Baumaßnahme sei mit Blick auf die im K. befindliche gemeindliche Kurverwaltung erfolgt. Daher hätte die Gemeinde erwägen müssen, den von
§ 8 Abs. 7 KAG M-V
vorgesehenen besonderen Wegebeitrag zu erheben. Das insoweit eröffnete Ermessen sei von der Gemeinde jedoch nicht ausgeübt worden. Weiter sei die Einstufung der Verkehrsanlage als Anliegerstraße unzulässig. Die Straße nehme einen erheblichen Durchgangsverkehr zum Strand auf, wie eine vom Kläger durchgeführte Verkehrszählung belege. Es sei unzulässig, dass sich der Beklagte bei der Einstufung allen an der Straßenbreite orientiert habe. Weiter müssten die Grundstücke G 2 und G 4 in den Vorteilsausgleich einbezogen werden. Bei dem G 2 handele es sich nicht um eine nicht der Beitragspflicht unterliegende öffentliche Straße, wie bereits das für den Kläger begründete Wege- und Leitungsrecht an dem Grundstück belege. Das Grundstück G 4 grenze zwar nicht unmittelbar an die ausgebaute Anlage an. Es sei jedoch mit Blick auf die an dem zwischen den Straßen K. und Am S. verlaufenden unbefestigten Weg bestehende Baulast zu Gunsten des Grundeigentümers von der Baumaßnahme bevorteilt. Auch die Fläche des Strandes müsse in den Vorteilsausgleich einbezogen werden, da die ausgebaute Verkehrsanlage zu diesem führe. Es sei unbestreitbar, dass dem Badestrand eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung für die Gemeinde B-Stadt zukomme. Dass der Strand zu berücksichtigen ist, folge auch aus dem Umstand, dass die Maßstabsregelung der Straßenbaubeitragssatzung diesen ausdrücklich erwähne.
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10
Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2014 – in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2015 aufzuheben.
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12
Der Beklagte beantragt,
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13
die Klage abzuweisen.
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14
Er ist der Auffassung, der Bescheid sei nicht zu beanstanden. Bei dem Grundstück G 2 handele es sich um eine nicht bevorteilte öffentliche Straße. Das an den Verbindungsweg angrenzende Baugrundstück G 4 sei nicht in den Vorteilsausgleich einzubeziehen, weil es sich bei dem Verbindungsweg ebenfalls um eine öffentliche Straße handele. Aus diesem Grunde scheide auch die Einbeziehung der Strandfläche aus, die nicht an den K., sondern an den Verbindungsweg angrenze. In Bezug auf den Strand sei zudem zu berücksichtigen, dass es sich dabei um eine öffentliche Grünfläche handele, die eine eigenständige Erschließungsanlage bilde und daher auch aus diesem Grunde nicht bevorteilt sei. Für den Dünenbereich gelte zudem ein allgemeines Betretensverbot.
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Mit Beschluss vom 20. Oktober 2017 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
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Das Gericht hat am 15. Dezember 2017 eine mündliche Verhandlung durchgeführt und am 2. März 2018 durch Augenscheinnahme Beweis erhoben über die Existenz, die Lage und den Verlauf des seeseitigen Verbindungsweges zwischen den Straßen K. und Am S.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen. | |
Der Widerrufsbescheid des Beklagten vom 21.05.2019 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt. | Randnummer
1
Der klägerische Verein wendet sich gegen den Widerruf der Anerkennung von Rechten nach dem Tierschutzverbandsklagegesetz
1
1
Gesetz Nr. 1810 über das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände (Tierschutzverbandsklagegesetz - TSVKG) vom 26.06.2013 (ABl. I, 268)
Gesetz Nr. 1810 über das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände (Tierschutzverbandsklagegesetz - TSVKG) vom 26.06.2013 (ABl. I, 268)
durch das beklagte Ministerium.
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2
Der 1985 gegründete Verein „Menschen für Tierrechte - Tierversuchsgegner Saar e.V.“ beantragte auf der Grundlage seiner damaligen Satzung vom 12.11.2009 (Satzung 2009) mit Schreiben vom 19.09.2013 seine Anerkennung nach § 3 TSVKG.
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3
Mit Bescheid des Beklagten vom 15.10.2013 wurde dem Verein „Tierversuchsgegner Saar e.V., Menschen für Tierrechte“ die Anerkennung nach dem TSVKG gemäß § 3 TSVKG zur Einlegung von Rechtsbehelfen nach § 1 TSVKG und zur Mitwirkung in Verfahren nach § 2 TSVKG erteilt; die Anerkennung gelte für den satzungsgemäßen Aufgabenbereich nach § 2 Abs. 1 und 2 und Abs. 3 b) - d) der Satzung in der Fassung vom 12. November 2009).
2
Die Satzungsvorschrift lautet:
„§ 2 Zweck, Ziele und Aufgaben des Vereins
(1) Der Verein „Menschen für Tierrechte - Tierversuchsgegner Saar - e.V.", ist eine aus ideellen Motiven getragene Vereinigung von Tierversuchsgegnern. Er ist für die Beschränkung der Tierversuche, die psychische oder körperliche Schmerzen bzw. Schädigungen der Tier zur Folge haben, auf das unvermeidbare Maß, mit dem Ziel der endgültigen Abschaffung aller Tierversuche.
(2) Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch
a) Einwirken auf die Öffentlichkeit und die politischen Gremien im Sinne der Zielsetzung des Vereins, durch die Verbreitung von Informationsmaterial, durch Versammlungen und Veranstaltungen, öffentliche Kundgebungen sowie Zusammenarbeit mit Presse, Rundfunk, Fernsehen und anderen Medien;
b) Gewinnung von Persönlichkeiten der Wissenschaft und des öffentlichen Lebens zur Unterstützung der Vereinsziele;
c) Eingaben und Vorsprachen bei Behörden, und gesetzgebenden Körperschaften;
d) Förderung der Erforschung, Entwicklung und Anwendung von Methoden, die Tierversuche ersetzen können;
e) Zusammenarbeit mit anderen Organisationen gleicher oder verwandter Zielsetzung und gegebenen falls Beitritt zu einer den Zielen des Vereines entsprechenden Dachorganisation.
(3) b) Der Verein setzt sich für den umfassenden Schutz der elementaren Interessen einer jeden Tiergattung ein, dort wo sie in ihrer ursprünglichen oder durch äußere Umstände notgedrungen neu angeeigneten Lebensform gefährdet erscheinen, um jede Einzelexistenz und Gesamtexistenz vor artwidrigen Eingriffen zu schützen.
c) Der Verein setzt sich auch für die Vermittlung, Pflege hilfsbedürftiger Tiere ein. Er versucht für in Not geratene Tiere Pflegeplätze zu schaffen und/oder sie an von ihm überprüfte Personen zu vermitteln.
d) Der Verein stellt sich ferner die Aufgabe, alle die Tiere beeinträchtigenden Handlungen und Unterlassungen einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen, um diese zum Handeln/Einschreiten zu veranlassen sowie sich zivilrechtlich, im Bereich des öffentlichen Rechts und im Rahmen aller von der Rechtsordnung gegebenen Möglichkeiten für die Interessen von Tieren einzusetzen.“
Die Satzungsvorschrift lautet:
„§ 2 Zweck, Ziele und Aufgaben des Vereins
(1) Der Verein „Menschen für Tierrechte - Tierversuchsgegner Saar - e.V.", ist eine aus ideellen Motiven getragene Vereinigung von Tierversuchsgegnern. Er ist für die Beschränkung der Tierversuche, die psychische oder körperliche Schmerzen bzw. Schädigungen der Tier zur Folge haben, auf das unvermeidbare Maß, mit dem Ziel der endgültigen Abschaffung aller Tierversuche.
(2) Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch
a) Einwirken auf die Öffentlichkeit und die politischen Gremien im Sinne der Zielsetzung des Vereins, durch die Verbreitung von Informationsmaterial, durch Versammlungen und Veranstaltungen, öffentliche Kundgebungen sowie Zusammenarbeit mit Presse, Rundfunk, Fernsehen und anderen Medien;
b) Gewinnung von Persönlichkeiten der Wissenschaft und des öffentlichen Lebens zur Unterstützung der Vereinsziele;
c) Eingaben und Vorsprachen bei Behörden, und gesetzgebenden Körperschaften;
d) Förderung der Erforschung, Entwicklung und Anwendung von Methoden, die Tierversuche ersetzen können;
e) Zusammenarbeit mit anderen Organisationen gleicher oder verwandter Zielsetzung und gegebenen falls Beitritt zu einer den Zielen des Vereines entsprechenden Dachorganisation.
(3) b) Der Verein setzt sich für den umfassenden Schutz der elementaren Interessen einer jeden Tiergattung ein, dort wo sie in ihrer ursprünglichen oder durch äußere Umstände notgedrungen neu angeeigneten Lebensform gefährdet erscheinen, um jede Einzelexistenz und Gesamtexistenz vor artwidrigen Eingriffen zu schützen.
c) Der Verein setzt sich auch für die Vermittlung, Pflege hilfsbedürftiger Tiere ein. Er versucht für in Not geratene Tiere Pflegeplätze zu schaffen und/oder sie an von ihm überprüfte Personen zu vermitteln.
d) Der Verein stellt sich ferner die Aufgabe, alle die Tiere beeinträchtigenden Handlungen und Unterlassungen einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen, um diese zum Handeln/Einschreiten zu veranlassen sowie sich zivilrechtlich, im Bereich des öffentlichen Rechts und im Rahmen aller von der Rechtsordnung gegebenen Möglichkeiten für die Interessen von Tieren einzusetzen.“
In der Begründung ist u.a. ausgeführt, der seit dem Jahr 1985 bestehende Verein fördere vorwiegend die Ziele des Tierschutzes (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TSVKG), habe seinen Sitz in …….. und sei saarlandweit tätig (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TSVKG); er engagiere sich für die Verbreitung des Tierschutzgedankens in der Gesellschaft durch Aufklärung der Öffentlichkeit, insbesondere mit Projekten zur Förderung von Forschungsvorhaben für Alternativen zu Tierversuchen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TSVKG). Er biete nach Art und Umfang der bisherigen Tätigkeit, dem Mitgliederkreis und der Leistungsfähigkeit Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung und verfüge über genügend Sachmittel, um seiner Arbeit nachzugehen; die nötigen Finanzmittel würden über Mitgliedsbeiträge und Spenden sowie einen jährlichen Zuschuss der Tierschutzstiftung Saar gedeckt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TSVKG). Er sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftssteuer befreit, weil er ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken i.S.d. §§ 51 ff. AO diene (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TSVKG). Die Mitglieder seien ausschließlich natürliche Personen; deren Mehrzahl halte das Prinzip der Binnendemokratie ein und eröffne jedermann den Eintritt, der die Ziele der jeweiligen Institution unterstütze (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 TSVKG). Dem Anerkennungsbescheid ist weiterhin folgende Auflage beigegeben:
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4
„Sowohl Satzungsänderungen, Änderungen in der Zusammensetzung des Vorstands, Änderungen in der Mitgliederstruktur, eine Verlegung der Geschäftsstelle sowie damit in Zu-sammenhang stehende Adressänderungen als auch eine evtl. Aufhebung der Befreiung von der Körperschaftssteuer nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG wegen Wegfalls der Gemeinnützigkeit sind der Obersten Tierschutzbehörde unverzüglich mitzuteilen.“
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5
In der Mitgliederversammlung vom 28.02.2014 wurde die Satzung u.a. in § 2 geändert und darin der Vereinszweck neu definiert (Satzung 2014).
3
§ 2 der Satzung lautet seither wie folgt (Bl. 14 der Beiakte):
„1. Der Verein „Menschen für Tierrechte - Tierversuchsgegner Saar e.V.“ ist eine aus ideellen Motiven heraus getragene Vereinigung von Tierrechtlern/Tierversuchsgegnern.
2. Ziel, Zweck, Aufgaben des Vereins werden insbesondere verwirklicht durch:
a) die Förderung des Tierrechtsgedankens und die Unterstützung der Tierrechtsbewegung hin zu einem Wandel in der Gesellschaft, in der das uneingeschränkte Recht eines jeden Tieres auf ein Leben in Freiheit und physischer und psychischer Unversehrtheit gewahrt, vor Verfolgung, Quälerei, Ausbeutung und Tötung durch den Menschen geschützt wird.
b) die Aufklärung der Bevölkerung mittels Erstellung und Herausgabe von Informationsschriften über Tierversuche, Fleischkonsum, Pelzhandel, Jagd, Zoo- und Tierhandel sowie alle anderen Ausbeutungsformen des Menschen gegenüber Tieren. Dazu gehört auch gezielte Medienarbeit, um möglichst große Kreise der Bevölkerung über den Missbrauch und die Ausbeutung der Tiere durch den Menschen aufzuklären, Jugendarbeit und öffentliche Veranstaltungen.
c) Information der Bevölkerung über die ökologischen, sozialen, gesundheitlichen und ökonomischen Schäden durch Produktion und Konsum tierlicher Nahrungsmittel.
d) das Aufzeigen von Lebensformen, die den Tierrechtsgedanken fördern, das Verbreiten der veganen Lebensweise in der Öffentlichkeit durch vegane Informations- und Essensstände sowie vegane Brunchs, Referate, Ausstellungen usw.
e) die Gewinnung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Kultur, Politik zur Unterstützung der Vereinsziele.
f) die Zusammenarbeit mit Politik und Behörden, Eingaben und Vorsprachen bei Behörden und gesetzgebenden Körperschaften
g) die Mitwirkung an der politischen Willensbildung sowie bei Gesetzgebungsprozessen, die Durchsetzung des zum Schutz der Tiere geltenden Rechts und seine wirkungsvolle Erweiterung
h) die Zusammenarbeit mit Personen und anderen Organisationen / Gruppen gleicher oder verwandter Zielsetzung und gegebenenfalls Beitritt zu einer den Zielen des Vereins entsprechenden Dachorganisation
i) Ebenfalls zu den Aufgaben des Vereins gehört das Betreiben eines Lebenshofes, der entsprechend des Tierrechtsgedankens geführt wird und die Nutzung von Tieren ausschließt. Die Auflösung des Lebenshofes kann nur durch eine Mitgliederversammlung mit einer 4/5-Mehrheit beschlossen werden. Für den Fall der Auflösung muss der Verein - die Mitgliederversammlung - dafür Sorge tragen, dass die auf dem Lebenshof befindlichen Tiere auf einen anderen Lebenshof unter gleichen Bedingungen untergebracht und abgesichert versorgt werden.“
§ 2 der Satzung lautet seither wie folgt (Bl. 14 der Beiakte):
„1. Der Verein „Menschen für Tierrechte - Tierversuchsgegner Saar e.V.“ ist eine aus ideellen Motiven heraus getragene Vereinigung von Tierrechtlern/Tierversuchsgegnern.
2. Ziel, Zweck, Aufgaben des Vereins werden insbesondere verwirklicht durch:
a) die Förderung des Tierrechtsgedankens und die Unterstützung der Tierrechtsbewegung hin zu einem Wandel in der Gesellschaft, in der das uneingeschränkte Recht eines jeden Tieres auf ein Leben in Freiheit und physischer und psychischer Unversehrtheit gewahrt, vor Verfolgung, Quälerei, Ausbeutung und Tötung durch den Menschen geschützt wird.
b) die Aufklärung der Bevölkerung mittels Erstellung und Herausgabe von Informationsschriften über Tierversuche, Fleischkonsum, Pelzhandel, Jagd, Zoo- und Tierhandel sowie alle anderen Ausbeutungsformen des Menschen gegenüber Tieren. Dazu gehört auch gezielte Medienarbeit, um möglichst große Kreise der Bevölkerung über den Missbrauch und die Ausbeutung der Tiere durch den Menschen aufzuklären, Jugendarbeit und öffentliche Veranstaltungen.
c) Information der Bevölkerung über die ökologischen, sozialen, gesundheitlichen und ökonomischen Schäden durch Produktion und Konsum tierlicher Nahrungsmittel.
d) das Aufzeigen von Lebensformen, die den Tierrechtsgedanken fördern, das Verbreiten der veganen Lebensweise in der Öffentlichkeit durch vegane Informations- und Essensstände sowie vegane Brunchs, Referate, Ausstellungen usw.
e) die Gewinnung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Kultur, Politik zur Unterstützung der Vereinsziele.
f) die Zusammenarbeit mit Politik und Behörden, Eingaben und Vorsprachen bei Behörden und gesetzgebenden Körperschaften
g) die Mitwirkung an der politischen Willensbildung sowie bei Gesetzgebungsprozessen, die Durchsetzung des zum Schutz der Tiere geltenden Rechts und seine wirkungsvolle Erweiterung
h) die Zusammenarbeit mit Personen und anderen Organisationen / Gruppen gleicher oder verwandter Zielsetzung und gegebenenfalls Beitritt zu einer den Zielen des Vereins entsprechenden Dachorganisation
i) Ebenfalls zu den Aufgaben des Vereins gehört das Betreiben eines Lebenshofes, der entsprechend des Tierrechtsgedankens geführt wird und die Nutzung von Tieren ausschließt. Die Auflösung des Lebenshofes kann nur durch eine Mitgliederversammlung mit einer 4/5-Mehrheit beschlossen werden. Für den Fall der Auflösung muss der Verein - die Mitgliederversammlung - dafür Sorge tragen, dass die auf dem Lebenshof befindlichen Tiere auf einen anderen Lebenshof unter gleichen Bedingungen untergebracht und abgesichert versorgt werden.“
In der Mitgliederversammlung vom 24.03.2015 wurde in § 1 der Satzung der Name des Vereins geändert in „Tierbefreiungsoffensive Saar e.V.“ - TiBOS - (Satzung 2015)
Randnummer
6
In einer u.a. an eine Dienstadresse einer Mitarbeiterin des Beklagten gerichteten E-Mail der Klägerin vom 24.03.2015 wird die beschlossene Namensänderung vorangekündigt (unter dem Betreff:
„Aus Menschen für Tierrechte - Tierversuchsgegner Saar e.V. wird Tierbefreiungsoffensive Saar e.V.“
).
4
In der an …………………………. (Umwelt)“ (Geschäftsstelle der Tierschutzstiftung Saar im beklagten Ministerium) gerichteten E-Mail heißt es im Einzelnen (siehe Bl. 17 der Beiakte):
„Vorankündigung
Aus Menschen für Tierrechte - Tierversuchsgegner Saar e.V.
wird Tierbefreiungsoffensive Saar e.V.
Die außerordentliche Mitgliederversammlung vom 24. März 2015 hat einstimmig die vom Vorstand vorgeschlagene Namensänderung beschlossen.
Die Änderung wird juristisch mit dem Eintrag ins Vereinsregister wirksam.
Die fünf wesentlichen Gründe für die Notwendigkeit einer Umbenennung:
http://www.tvg-saar-vegan.de/“.
In der an …………………………. (Umwelt)“ (Geschäftsstelle der Tierschutzstiftung Saar im beklagten Ministerium) gerichteten E-Mail heißt es im Einzelnen (siehe Bl. 17 der Beiakte):
„Vorankündigung
Aus Menschen für Tierrechte - Tierversuchsgegner Saar e.V.
wird Tierbefreiungsoffensive Saar e.V.
Die außerordentliche Mitgliederversammlung vom 24. März 2015 hat einstimmig die vom Vorstand vorgeschlagene Namensänderung beschlossen.
Die Änderung wird juristisch mit dem Eintrag ins Vereinsregister wirksam.
Die fünf wesentlichen Gründe für die Notwendigkeit einer Umbenennung:
http://www.tvg-saar-vegan.de/“.
Randnummer
7
In der Mitgliederversammlung vom 29.03.2018 wurde die Satzung in § 10 (Auflösung des Vereins) geändert (Satzung 2018) die 2014 geänderte Fassung des § 2 und die 2015 geänderte Fassung des § 1 blieben in der auch aktuell gültigen Satzung unverändert.
Randnummer
8
Mit E-Mail vom 04.05.2018 an die Dienstadressen zweier Mitarbeiter des Beklagten.. mit dem Betreff
„Satzungsänderung TiBOS neu“
übersandte die Klägerin
„der Tierschutzstiftung“
(die beim Beklagten angesiedelt ist) mittels eines entsprechenden Links
„nach Satzungsänderung in der Hauptversammlung vom 29. März d.J. … die geänderte Satzung zur Kenntnis und Archivierung zu.“
Randnummer
9
In einem – ausweislich des Briefkopfs von einer Mitarbeiterin des Referats C/2 (Lebensmittelüberwachung, Tierschutz, Veterinärwesen) des beklagten Ministeriums bearbeiteten und – vom Staatssekretär des Ministeriums unterzeichneten Schreiben des Beklagten vom 24.05.2018 an den Vorsitzenden des Ausschusses für Eingaben des Saarländischen Landtags (Betreff: „
Eingabe von Herrn Vorsitzenden …, Tierbefreiungsoffensive Saar e.V. vom 12.04.2018, betreffend Tierschutz“
) heißt es u.a.:
Randnummer
10
„Bei TiBOS - Tierbefreiungsoffensive Saar e.V. (ehemals Menschen für Tierrechte – Tierver-suchsgegner Saar) handelt es sich um einen nach § 3 Tierschutzverbandsklagegesetz (TSVKG) anerkannte und damit im Sinne des TSVKG klagebefugte Institution im Saarland.
Randnummer
11
TiBOS e. V. ist den sogenannten Tierrechtsorganisationen zuzuordnen.
Randnummer
12
Tierrechtsorganisationen lehnen die „Tiernutzung“ weitestgehend ab, beziehungsweise fordern die Auflösung der Grenze zwischen Mensch und Tier mit dem Ziel, Tieren die gleichen Rechte wie dem Menschen zu Teil werden zu lassen.“
Randnummer
13
Ein Vereinsregisterauszug des AG …vom 25.07.2018 ging am 27.07.2018 beim Beklagten und am 30.07.2018 in der Abteilung C im Referat C/2 ein.
Randnummer
14
Im November 2018 erhob die Klägerin eine Tierschutzverbandsklage vor dem Verwaltungsgericht (5 K 2022/18).
Randnummer
15
In einem Vermerk des Beklagten vom 05.02.2019 heißt es u.a., im Kontext der seitens des Vereins „angekündigten“ Tierschutzverbandsklage stelle sich die Frage, ob die Anerkennung nach § 3 TSVKG weiterhin Bestand haben könne; weiter ist darin ausgeführt, der Anerkennungsbescheid habe mit Änderung des satzungsmäßigen Aufgabenbereichs in der Mitgliederversammlung vom 28.02.2014 seine Wirksamkeit verloren.
Randnummer
16
Mit Schreiben des Beklagten vom 11.03.2019 wurde der Klägerin Gelegenheit gegeben, sich im Hinblick auf die entgegen der entsprechenden Auflage nicht mitgeteilten und
„nun bekannt gewordenen“
Satzungsänderungen zu einem beabsichtigten Widerruf der Anerkennung zu äußern (
„binnen 2 Wochen nach Zustellung“).
Die Klägerin nahm mit Schriftsatz vom 29.04.2019 ausführlich Stellung und machte u.a. geltend, die Aberkennung werde aus durchsichtigen prozessualen Gründen mit Blick auf die anhängige Verbandsklage unternommen.
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Mit Widerrufsbescheid vom 21.05.2019 zugestellt am 24.05.2019 widerrief der Beklagte die mit seinem Bescheid vom 15.10.2013 erteilte Anerkennung nach dem TSVKG zur Einlegung von Rechtsbehelfen nach § 1 TSVKG und zur Mitwirkung in Verfahren nach § 2 TSVKG mit Wirkung ab Zustellung; zugleich wurde die sofortige Vollziehung angeordnet sowie eine Gebühr festgesetzt. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, Rechtsgrundlage für den Widerruf der Anerkennung vom 15.10.2013 sei § 49 Abs. 2 Nr. 2 SVwVfG sowie § 3 Abs. 3 Satz 2 TSVKG …Weiterhin ist ausgeführt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung beruhe auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO.. Die Gebührenentscheidung ergehe aufgrund §§ 1, 2 und 13 SaarlGebG i.V.m. Nr. 685 der Verordnung über den Erlass eines Allgemeinen Gebührenverzeichnisses
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Gegen diesen ihr am 24.05.2019 zugestellten Widerrufsbescheid hat die Klägerin am 05.06.2019 Klage erhoben; außerdem hat sie am 17.07.2019 die Wiederherstellung deren aufschiebender Wirkung beantragt (5 L 948/19). Sie trägt im Wesentlichen vor, bei dem Widerruf handele es sich um eine „Retourkutsche“ auf die Führung des Klageverfahrens 5 K 2022/18 und zugleich um den durchsichtigen Versuch, sich dieser Verbandsklage zu entledigen. Ganz offensichtlich sei das beklagte Ministerium während dieses Verfahrens auf die Idee gekommen, einer unerwünschten Verurteilung dadurch zu entgehen, dass man dem klagenden Verein die Klagebefugnis entziehe, die sich insofern als „unbequem“, aber vom Gesetzgeber als exakt so gewollt darstelle. Dass die legislatorisch gewünschte Gelegenheit zur Klageausreichung zu dieser Sanktion führe, offenbare ein bemerkenswertes Rechtsverständnis. Unter Bezugnahme auf ihren Vortrag im Anhörungsverfahren führt sie weiter u.a. aus, Widerrufsgründe lägen nicht in Ansätzen vor. Die Erteilungsvoraussetzungen seien nicht nachträglich weggefallen, sondern in allen wesentlichen materiellen Aspekten und dem für die Anerkennungsfähigkeit allein relevanten tierschutzrechtlichen Kern unberührt geblieben. Außerdem lägen die Voraussetzungen einer umgehenden Neuerteilung vor, sodass es nach den Maßgaben des Verbots eines selbstwidersprüchlichen Verhaltens der Behörde, des Vertrauensschutzes und auch der verfassungsrechtlichen Maßgaben schlechthin unzulässig wäre, die Anerkennung auch nur zu widerrufen zu versuchen. Die Annahme des Beklagten, die Mitteilung über die maßgebliche letzte Satzungsänderung 2018 sei nicht erfolgt, sei unzutreffend. Der E-Mail vom 04.05.2018 um 11:05 Uhr, die zeitgleich an eine Mitarbeiterin der Tierschutzstiftung zugewendet worden sei, sei schon aus dem Betreff („Satzungsänderung TiBOS neu“) der einzige und hauptsächliche Gegenstand, nämlich die Satzungsänderung, unmissverständlich zu entnehmen gewesen; der Text nehme gleichfalls unmissverständlich auf exakt diese und zudem beigeschlossene Änderung als einzigen Gegenstand Bezug. Ausweislich des im Internet veröffentlichten Organigramms des Umweltministeriums des Saarlands sei der zugleich adressierte Mitarbeiter Referatsleiter des Referats A/4 im Range eines Ministerialrats. Nach allgemeinen Regeln könne es nicht ernsthaft streitig sein und entspreche es vielmehr vollumfänglich der einhelligen Rechtsprechung, dass eine Wissenszurechnung bezüglich dieser nachweislich erlangten Satzung unter Hinweis auf die Satzungsänderungen selbstverständlich dem Umweltministerium insgesamt vollumfänglich zuzurechnen sei. Dies sei sogar dann positiv nach allgemeinen Regeln der verwaltungsrechtlichen Wissenszurechnung zu bejahen, wenn diese Information an eine nachgeordnete Stelle oder Behörde ausgereicht worden sei. Hier sei sie an einen leitenden Beamten des Hauses ausgereicht worden und zusätzlich auch noch der Tierschutzstiftung. Dies ergebe sich zusätzlich auch aus der E-Mailadresse. Im Hinblick auf das drei Wochen später erfolgte Schreiben des Staatssekretärs, der Vorgesetzter aller Fachabteilungen sei, vom 24.05.2018 sowie dessen weiteres Schreiben vom 07.03.2019 könne nicht ansatzweise davon die Rede sein, dass die im Anhörungsschreiben angesprochene „Freiheit eines jeden Tiers“ im Sinne der aktuellen Satzungslage unter einer im Übrigen auch offensichtlichen Fortführung der karitativen Tierschutzpolitik nicht bekannt gewesen sei. Vielmehr habe sie die neuen Satzungsdokumente jeweils an sämtliche relevanten Behörden versandt, insbesondere an den Beklagten, wenn auch per Normalpost und ohne Einschreiben; im Falle eines Verlusts auf dem Postweg oder im Aktenbestand der Behörde sei Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren. Sämtliche Satzungsänderungen der letzten Jahre seien stets und ausnahmslos den Behörden unmittelbar nach Bestätigung des Registergerichts postalisch mitgeteilt worden, und zwar per Mail jeweils zusätzlich auch noch der Tierschutzstiftung im Umweltministerium des Saarlandes (wofür Zeugenbeweis angeboten wird). Jedenfalls liege nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten die neue Satzung vor, und die alte sei auch dorthin ausgereicht worden, was schon daraus folge, dass aus beiden zitiert werde. Auch sei trotz eingehender Prüfung zu keiner Zeit ein Rücknahmeverfahren (§ 48 SVwVfG) durchgeführt oder die Befugnis, auf deren Grundlage maßgebliche Verfahrenshandlungen vollzogen worden seien wie die Akteneinsicht und die Beteiligung im Rahmen der Anhörung, in Streit gestellt worden, wie näher ausgeführt wird. Zudem sei sie durch das Finanzamt A-Stadt steuerbefreit, weil sie unmittelbar steuerbegünstigten und gemeinnützigen Zwecken i.S.d. §§ 51 ff. AO diene… Die behaupteten erheblichen Änderungen der Satzungsqualität wären insofern weder beim Finanzamt noch beim Registergericht „durchgegangen“, sondern hätten Beanstandung gefunden. Auch gemäß ihrem „Selbstverständnis“ auf ihrer Homepage seien nicht im Ansatz entsprechende Änderungen zu verzeichnen, wie im Einzelnen dargelegt wird.
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Hinsichtlich des Satzungszwecks stelle sich die Frage, wie die unter § 2 Ziff. 2a der Satzung angeführte „Förderung des Tierrechtsgedankens“ und „Unterbindung von Verfolgung, Quälerei und Ausbeutung“ noch konsequenter vollzogen werden solle als durch das erforderlichenfalls auch prozessuale Vorgehen im Wege von Strafanzeigen und Widersprüchen oder Klagen, um das Tierwohl zu verwirklichen. Die weiteren zentralen Satzungszwecke, etwa unter „b“ wie das Eintreten gegen Tierversuche als Zentralelement seien unverändert und konsequent enthalten. Die gesamte Charakteristik der tierschützenden Aktivitäten sei in vollständiger Wahrung dieser Identität und Ausrichtung beibehalten. § 3 der Satzung statuiere ebenso unverändert ihre Gemeinnützigkeit auf der vorgenannten Grundlage. Die neue Satzung zeichne sich durch die Kontinuität aller für die Kernelemente des Satzungszwecks relevanten Gesichtspunkte aus. Auch in der Satzung 2009 werde das Recht jedes Tiers auf Vermeidung von Maßnahmen postuliert, welche die „physische und psychische Unversehrtheit“ beeinträchtigten, wobei zusätzlich „Verfolgung, Quälerei, Ausbeutung und Tötung durch den Menschen“ als Beispielsfälle der zu vermeidenden Eingriffe genannt würden. Die Zielsetzung, den Tieren vermeidbare Schäden und Leiden zu ersparen, zeige sich mithin ganz klar und völlig kontinuierlich. Bei vollständiger Beibehaltung der grundsätzlichen Zielrichtung verstehe sich die neue Formulierung nur als redaktionelle Anpassung und insofern andere Formulierung desselben Oberbegriffs; das grundsätzliche Ziel, das Leiden und die physische und psychische Belastung auf ein Minimum zu reduzieren, sei vollständig identisch geblieben, was sich nur in der Abweichung von Formulierungen zeige. In der älteren Fassung der Satzung sei von „psychischen oder körperlichen Schmerzen bzw. Schädigungen der Tiere“, in der neuen Fassung unter dem dortigen Gliederungspunkt „2a“ von „physischer und psychischer Unversehrtheit“ die Rede. Es handele sich um Formulierungsabwandlungen, wie sie bei jeder Präambel, bei jedem Gesetz und jeder Satzung vorkommen könnten, wobei aber doch sachlich völlig einheitlich auf die Vermeidung solcher Leiden bei Tieren abgestellt werde. Der Bescheid zitiere ihre neue Satzung sinnentstellend, indem zwar Ziff. 2a noch vollständig zitiert werde, zugleich aber die diesem Zusammenhang mehr als erhebliche Information „unterschlagen“ werde, dass die „Tierversuche“ eben unter Ziff. 2b auch in der neuen Fassung der Satzung unverändert erwähnt würden und natürlich Ablehnung fänden – mit der ausschließlich redaktionellen Akzentverschiebung, dass dies um den Aspekt der Aufklärung der Bevölkerung durch Informationsschriften und sonstige Medienarbeit modifiziert und verstärkt werden solle, was der zunehmenden Bedeutung der Medienaktivitäten auch in diesem Bereich konsequent Rechnung trage, selbstverständlich aber nicht als Änderung des Vereinszwecks aufzufassen sei. Eine Umnummerierung bedeute keine inhaltliche Neuausrichtung. Der Vereinszweck sei erkennbar lediglich im Zuge der inhaltlich kontinuierlichen Vereinsarbeit präzisiert und die redaktionelle Fassung bei Beibehaltung aller maßgeblichen Zwecke angeglichen und fortentwickelt worden, was ein ganz normaler Vorgang sei. Die vergleichende Betrachtung der aktuell gültigen Satzung 2018 einerseits und derjenigen aus 2009 andererseits zeige trotz des erheblichen Zeitlaufs von fast einer Dekade weitgehende Formulierungsgleichheiten bis ins Detail. Vor allem aber weise der maßgebliche Satzungszweck zweifelsfrei die allein maßgebliche tierschutzbezogene Kontinuität auf. Dies zeige sich bis in kleine Details in einem ganz normalen und nachvollziehbaren Präzisierungsprozess. So sei damals unter 2b die Rede von der Gewinnung von Persönlichkeiten der Wissenschaft und des öffentlichen Lebens pp. zur Verwirklichung der Vereinszwecke die Rede gewesen, was nunmehr unter 2e ohne jede inhaltliche Änderung „gerutscht“ sei, aber offensichtlich in der Sache keine Änderung bedeute. Die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Organisationen – vormals 2e, nunmehr 2f – sei ebenfalls sinnidentisch. Die Vorschrift unter 3a zu der Mitgliedschaft sei praktisch unverändert und abweichungslos auch in der neuen Satzung enthalten, ja sogar vollumfänglich buchstabengetreu. Alle weiteren Vorschriften über den Sitz (jeweils § 1), die Gemeinnützigkeit (jeweils § 3) und die organisatorischen Belange über den Beitrag/die Vereinsorgane pp. seien ebenfalls vollumfänglich der Kontinuität verhaftet geblieben; dies betreffe auch insofern wieder Einzelheiten des Regelungsgegenstands. Es könne zudem nicht nachvollzogen werden, dass „erhebliche Unterschiede“ (oder gar, worauf es allein ankäme: rechtlich relevante Unterschiede) bezüglich der „inhaltlichen Ausrichtung des Vereins“ bestünden. Weder sei dies nach der Satzungslage wahr, noch verstehe sie dies selbst so (wofür Beweis durch Befragung von Mitgliedern angeboten wird), noch unterscheide sich der öffentliche Auftritt. Auf ihrer Internetpräsenz
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befänden sich völlig unverändert Darstellungen, welche bis auf das Jahr 2002/2003 zurückgingen. Da selbstverständlich keinerlei Rechtspflicht bestehe, derart alte Beiträge noch verfügbar zu halten, stelle dies sogar einen besonders eindrucksvollen, in den letzten zehn Jahren stets öffentlich nachvollziehbar gewesenen Beleg dieser Kontinuität dar. Dies gelte auch für den Punkt „Selbstverständnis“, woran sich – früher wie heute – ebenfalls nichts geändert habe, sowie für die Art und Weise, wie dies tatsächlich „gelebt“ werde angesichts gleichfalls teilweise bis zurückgreifend auf 2008 beibehaltener Argumentationslinien, Aktivitäten und kontinuierlichen Aktionen. Dass die nach wie vor und früher wie heute dezidierte Ablehnung von Tierversuchen die Generierung alternativer Substitute impliziere, liege ebenfalls auf der Hand. Somit verbleibe es bei dem satzungsgemäßen Aufgabenbereich. Dass als Mittel zu diesem Zweck nunmehr aus der konkreten Erfahrung über Jahre hinaus auch über Jagd-, Zoo- und Tierhandel pp. informiert werden solle, verstehe sich von selbst. Sie kontrolliere außerdem seit Jahren die Haltungsbedingung von Tieren etwa in Aktionen gegen die „Tierquälerei beim Zirkus Krone“und auch bestimmte Formen der Zoohaltung. Ein weiteres Indiz liege darin, dass sie als Verein ipso iure vor Jahren Mitbegründer der beim Beklagten angesiedelten „Saarländischen Tierschutzstiftung“ geworden sei. Die Auffassungen des Beklagten lägen auch völlig quer zu den Anerkennungsvoraussetzungen. Schon im Rahmen der Gesetzesmaterialien befänden sich ausschließlich solche Anforderungen, welche von ihr zweifelsfrei erfüllt würden. Auf die im Saarland entsprechend anzuwendenden Ausführungsbestimmungen zu § 5 TierSchMVG B-W werde Bezug genommen. Gleiches finde sich in Verlautbarungen der Tierrechts-Organisationen, wie näher ausgeführt wird….. Hinzuzufügen sei, dass sie in der parallelen Verbandsklagesache, welche offensichtlich den Unmut des Justiziars des Landesamtes für Verbraucherschutz auf sich gezogen habe, einen wichtigen Auftrag gemäß den satzungsmäßigen Maßgaben im Sinne des Tierschutzes einerseits und des öffentlichen Interesses andererseits wahrnehme.Es erscheine durchsichtig, selbstwidersprüchlich und vollkommen unangemessen sowie in Teilen als perfide und unstatthaft anmutender Akt der Revanche, wenn die Erhebung einer Verbandsklage im Rahmen der satzungsgemäßen Ziele zum Anlass für verwaltungsrechtliche Maßnahmen zu ihrem Nachteil genommen werde.
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Unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Eilrechtsschutzverfahren 5 L 948/19 trägt die Klägerin darüber hinaus u.a. vor, es stelle eine durch nichts gerechtfertigte begriffliche Akrobatik dar, ihr „krampfhaft“ und ergebnisgelenkt eine Tätigkeit im Bereich des Tierschutzes absprechen zu wollen. Die Tatsache, dass die Zielrichtung als „Tierversuchsgegner“ fortlaufend inhaltlich beibehalten worden sei, mache den Bescheid nicht nachvollziehbar. Die Bemühungen, den Freiheitsbegriff verzerrend auszulegen, seien unangemessen. Auch insofern bestehe eine Kontinuität zu Grundlagen des Tierschutzes, wie unter Bezugnahme auf die seit Ende der 70er Jahre zum topos gewordenen sog. „fünf Freiheiten“ der Tiere ausgeführt wird…..Somit knüpfe die Tätigkeit und die Ausdeutung des Freiheitsbegriffs an eine lange Tradition an. Auch die besondere Akzentuierung der Gegnerschaft zu Tierversuchen sei eine Kontinuität, genauso wie alle anderen im materiellen Kern völlig unveränderten Ziele, die in den Aktionen des Vereins auch so „gelebt“ würden (wofür Beweis angeboten wird durch Zeugnis u.a. von Vorstandsmitgliedern und Mitarbeitern der Klägerin).
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Weiterhin werde übergangen, dass eingehend dargetan worden sei, dass abgesehen von präzisierenden Angleichungen und Modernisierungen der entsprechende Kern der Satzung nicht ansatzweise berührt worden sei. Insofern sei es erhellend, wie mit einem Verband umgegangen werde, der für ein altruistisches tierschutzbezogenes Ziel den hierfür mit dem Willen des Gesetzgebers zur Verfügung gestellten Rechtsweg beschreite. Hinzu komme, dass die Ausführungen im Widerrufsbescheid die herrschende Auffassung zu § 48 Abs. 4 SVwVfG verfehlten. Die in der Rechtsprechung entgegen der herrschenden Lehre der Literatur teilweise ventilierten Ausnahmen von der Zurechenbarkeit der Kenntnis beträfen eindeutig Fälle, in denen eine Information an eine ersichtlich nachgeordnete Stelle der Behörde erfolgt sei, und in denen es unbillig wäre, die Wissenszurechnung an die Behörde insgesamt vorzunehmen. Hier liege es ersichtlich anders: Der Referatsleiter sei mit ihren Belangen befasst gewesen; der Staatssekretär habe sich sogar in 2018 darauf bezogen. Dies sei ersichtlich die Leitungsebene der Behörde schlechthin. Es fehle jeder substantiierte und nachvollziehbare Vortrag dazu, dass die entsprechende Auflage nicht mitgeteilt worden sei; ihr Vorbringen und ihre Beweisantritte würden unter Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes übergangen. Auch darin liege ein durchgreifender Ermessensmangel der Entscheidung. Ferner werde sogar unstreitig gestellt, dass dem zuständigen Ministerium per E-Mail die Neusatzung ausgereicht worden sei, weshalb der Bescheid unverhältnismäßig sei. Gar nicht eingegangen werde auf das Schreiben des Staatssekretärs, in dem sich positiv zeige, dass die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 2 SVwVfG gerade nicht gewahrt sei. Die Kenntnis eines Staatssekretärs als einer auf der höchsten Leitungsebene der Behörde angesiedelten Person und als Spitzenbeamter direkt eine Hierarchieebene unter dem Minister, zugleich als Vorgesetzter und verantwortliches Zurechnungssubjekt aller Fachabteilungen, begründe zweifelsfrei die gebotene Wissenszurechnung. Der Beklagte erwähne nicht einmal, wer der Amtswalter sein solle, auf dessen Kenntnis es ankomme; die Briefe der letzten Zeit seien von verschiedenen Stellen gekommen. Auch insofern werde verschleiert, dass die Kenntnis in der relevanten Abteilung „A“, der auch das mit ihren Belangen befasste Haushaltsreferat zuzuordnen sei, wo die Kenntnis unstreitig bestanden habe, gegeben gewesen sei.Nachdem aber der konkret mit TiBOS befasste Referatsleiter und der Staatssekretär und nicht etwa „irgendwer“ in der Behörde Kenntnis gehabt hätten, könne die vollumfängliche Wissenszurechnung im Sinne der §§ 48, 49 SVwVfG nicht ernsthaft in Disput stehen, so dass die dogmatische Streitfrage jedenfalls dahinstehen könne, da die maßgebliche Kenntnis sowieso gegeben sei. Zudem werde auf die h.L. verwiesen, wonach die Wissenszurechnung sich ohnedies auf die Behörde selbst beziehe.
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vgl. Maurer, Allg. VerwR, § 11 Rn. 35; Knack/Meyer, § 48 Rn. 79; Erbguth, JuS 2002, 333; Kopp/Ramsauer § 48, Rn. 98
vgl. Maurer, Allg. VerwR, § 11 Rn. 35; Knack/Meyer, § 48 Rn. 79; Erbguth, JuS 2002, 333; Kopp/Ramsauer § 48, Rn. 98
Gleichfalls sei Frau ……….. unverzüglich nach Ausfolgung der Neusatzung von deren Existenz in Kenntnis gesetzt worden. Frau ………… sei Veterinärin und Mitglied des Vorstands der Tierschutz-Stiftung; zugleich sei sie jedoch Veterinärin im Dienste des Umweltministeriums, was die Kenntniserlangung nochmals positiv und zweifelsfrei unterstreiche. Die E-Mail an sie zeige, dass vollständig aktiv, transparent und ohne jedweden Versuch eines dilatorischen oder gar klandestinen Vorgehens die entsprechenden Unterlagen regelmäßig freiwillig und sogar einem überobligationsmäßig großen Kreis aktiv zugewendet worden seien. Selbst den gegnerischen, ausdrücklich bestrittenen Sachvortrag einmal unterstellt, unterstreiche dies die Unverhältnismäßigkeit, indem das Ministerium das aktive Bemühen um die freimütige Verteilung dieser Unterlagen erkannt haben müsse und nunmehr keinerlei Warnung, Fristsetzung oder Eröffnung der Gelegenheit verhaltenslenkend durch sonstige mildere Mittel einzugreifen erfolge, sondern sogleich der Entzug der Rechtsmittelbefugnis avisiert werde. Sie halte zugleich an ihrem Vorbringen fest, dass selbstverständlich, wie in der Vereinsorganisation abgestimmt, vom Vorsitzenden die Satzungsunterlagen gemäß der „to do“-Liste über die E-Mails hinausgehend auch auf dem Postweg im eigenen Interesse jeweils ausgebracht worden seien, und zwar natürlich an die oberste Tierschutzbehörde (wofür Beweis angeboten durch dessen Zeugnis und Mitarbeiter der Klägerin sowie MdL ……., der Adressat und Kommunikationspartner im Rahmen der Korrespondenz betreffend den Zoo ………. gewesen sei und im Bestreitensfall die vorgenannten Zeitläufe und das Bekanntsein ihres neuen Namens schon im April/Mai 2018 im Hause des beklagten Ministeriums bereits nach Aktenlage bestätigen könne)…
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Auch die sich aus der Verwaltungsakte ergebende Auffassung von Frau …….., wonach an die Stelle der ursprünglich verfolgten Ziele (Reduzierung von Tierversuchen bis hin zu deren vollständiger Abschaffung) ein gesamtgesellschaftspolitischer Ansatz (absolute Freiheit jedes Tiers in einer veganen Gesellschaft) getreten sei, sei offensichtlich nicht richtig; es liege auf der Hand, dass weiterhin „Ziele des Tierschutzes“ im Sinne der gesetzlichen Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 TSVKG verfolgt würden. Schon die begriffliche Gegenposition könne nicht überzeugen; auch die Reduzierung von Tierversuchen sei ein ein gesellschaftspolitisches Ziel. Es würden bemerkenswert bemüht wirkende begriffliche „Verrenkungen“ unternommen, um die einfache, aber unbestreitbare Tatsache zu bestreiten, dass sie selbstverständlich im Bereich des Tierschutzes im Sinne von § 3 Abs. 1 TSVKG tätig gewesen und weiterhin tätig sei. Dies zeige auf, dass es um die unverhältnismäßige Disziplinierung des klagenden Vereins für eine berechtigte Verbandsklage gehe.
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Ergänzend trägt die Klägerin u.a. vor, entgegen der Auffassung des Beklagten komme es auch nicht zu „negativen Auswirkungen auf Dritte“, sondern im parallel anhängigen Verbandsklageverfahren lediglich zu einer Klärung der Rechtslage. Dass sie trotz angeblichen „Wegfalls der Anerkennungsvoraussetzungen“ Rechtsbehelfe einlege, sei ein zirkuläres Argument. Es werde bestritten, dass in der E-Mail vom 24.08.2015 eine „ausdrückliche Mitteilung der konkreten Satzungsänderung“ erforderlich gewesen wäre: Klicke man nur den Link an, so ersehe man sogleich die Neusatzung; sie sei damals juristisch nicht beraten gewesen, und selbst wenn man sich hypothetisch auf den Standpunkt stelle, dass weitergehend die Satzung auszureichen gewesen wäre, so hätte doch, nachdem die E-Mail unstreitig eingegangen sei, ein kurzer Hinweis erfolgen können. Ebenfalls unstreitig sei die E-Mail vom 04.05.2018 an den Referatsleiter des Haushaltsreferats des Beklagten ausgereicht worden, wobei diesmal die Satzung vollumfänglich beigeschlossen gewesen sei; die monierte Adressierung könne doch bei der unstreitigen Ausreichung aller Kerninhalte nicht mehr als ein kleiner „Lapsus“ sein; sie könne sich nicht vorstellen, dass in irgendeinem anderen Fall ähnlich streng und unverhältnismäßig vorgegangen worden sei. Sie habe auch nicht „ohne Not“ die Satzung geändert, sondern diese den Maßgaben eines aktiven Vereinslebens gemäß präzisiert und angepasst. Es sei doch die normalste Sache der Welt, dass ein Verein die Satzung nicht Jahre oder gar Jahrzehnte lang unverändert lasse, sondern präzisiere und, aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen in einer sich stets fortentwickelten Lebenswirklichkeit, angleiche und anpasse. Dies sei doch sogar der Nachweis eines aktiven Vereinslebens, und es belege, dass der Verein keine „Karteileiche“ sei. Zutreffend sei, dass sich die Vereinsarbeit nach der damals gültigen Satzung auf die Beschränkung von Tierversuchen mit dem Ziel einer endgültigen Abschaffung derselben gerichtet habe; freilich sei dies auch noch Vereinsziel in der aktuellen Satzung, indem § 2 Ziff. 1 klarstelle, dass es sich um eine „aus ideellen Motiven getragene Vereinigung von Tierrechtlern/Tierversuchsgegnern“ handele. § 2 Ziff. 2 benenne als Ziel, Zweck und Aufgabe des Vereins „insbesondere“, was den nicht abschließenden Charakter aufzeige, unter a) „die Förderung des Tierrechtsgedankens und die Unterstützung der Tierrechtsbewegung“, wobei insbesondere die „physische und psychische Unversehrtheit“ eines jeden Tiers „gewahrt“ werden und „Verfolgung, Quälerei, Ausbeutung und Tötung“ von Tieren vermieden werden solle. Auch Ziff. 2.b nenne wieder die Tierversuche als beispielhaft zu bekämpfende Erscheinung. Es bleibe unverändert zu bestreiten, dass die inhaltliche Ausrichtung sich „deutlich gewandelt“ habe; vielmehr seien lediglich bei Beibehaltung aller wesentlichen Ziele Präzisierungen aus dem Leben des Vereins eingeflossen. Bezeichnenderweise werde die Neusatzung von der Gegenseite nur paraphrasiert und in entstellenden Worten wiedergegeben. Dass die Informationsarbeit und die Gegnerschaft eines Tierrechtsvereins neben den Tierversuchen auch Dinge wie Pelzhandel, Jagd, Zoo und Tierhandel sowie andere „Ausbeutungsformen“ beinhalte, könne weder ernstlich verwundern noch sei es nachteilig, was umso mehr gelte, als dies schon in der alten Satzung angelegt gewesen sei. Auch das Betreiben eines „Lebenshofs“, was einen kleinen Rückzugsort zur Betreuung und zum Schutz konkreter Tiere beinhalte, stehe diesen Zwecken gerade nicht entgegen. Dass der Wortlaut bestimmter „Methoden, die Tierversuche ersetzen können“ nicht mehr im Satzungstext vorkomme, sei unschädlich, da sich § 2 lediglich in anderen Worten und noch präziser gegen Tierversuche pp. wende. Es werde ergebnisgelenkt der Eindruck erweckt, die Vereinsziele hätten sich wegentwickelt von der „Abschaffung von Tierversuchen“ und angeblich „hin zu einer totalen Befreiung der Tiere.“ Das Schlagwort der „totalen Befreiung“ sei in diesem Zusammenhang auch irreführend, da weder die in § 2 Ziff. 2.a genannten einzelnen Ausprägungen der Gegnerschaft und die Medienarbeit noch die in 2.c erwähnte Information noch das in 2.d erwähnte „Aufzeigen von Lebensformen“ noch die in den drei Folge-Buchstaben genannten Medienarbeiten, politischen Arbeiten und Lobbyarbeiten noch insbesondere die Betreuung alter und pflegebedürftiger Tiere auf dem „Lebenshof“ diesen Zielen widerstritten, sondern sie im Gegenteil verwirklichten. Dass die „totale Befreiung“ in diesem Sinne metaphorisch aufzufassen sei, zeige auch exemplarisch dieser Hof, wo die Tiere gepflegt und betreut, also gefüttert und medizinisch versorgt würden, was selbstverständlich keine „Befreiung“ im Sinne örtlicher Ungebundenheit und „Freizügigkeit“ bedeute. Dies zeige durchgehend und offensichtlich die gesamte Satzung; auch, wenn sich der Verein nach Ziff. 3.c für die Vermittlung und Pflege hilfsbedürftiger Tier einsetze, was ja wiederum einen Betreuungsplatz, Futterstellen, Futterversorgung und medizinische Stellen, aber nicht eine metaphorische „Befreiung“ bedeute, weil dies ja schon mit dem semantischen Begriff der Pflege und Vermittlung inhaltlich unvereinbar wäre. Auch, dass die Tiere an „überprüfte Personen zu vermitteln“ seien (3.c), zeige dies deutlich. Ziff. 3.d der Neufassung zeige wiederum auf, dass sich der Verein, völlig unverändert und nur präzisiert, gegen „die Tiere beeinträchtigende(n) Handlungen und Unterlassungen“ wende, was öffentlich kommuniziert werden solle. Dies sei ethisch einwandfrei, förderungswürdig, Grund für die Gemeinnützigkeit und mit Sicherheit keine grundlegende Wandlung, sondern nur eine Vertiefung und Präzisierung der wesentlichen, in der Abschaffung von Tierversuchen, Ausbeutung und Quälerei wurzelnden unveränderten Vereinsziele. Die Behauptung der Gegenseite, die Beschränkung von Tierversuchen sei in den Hintergrund getreten, mute als kühn an, wenn genau diese Kontinuität in nicht weniger als allen Formulierungen gemäß § 2 Ziff. 1, Ziff. 2.a und b breit, ausführlich und gleich zu Beginn genannt werde. Dasselbe gelte für die Frage der Aufklärung der Bevölkerung, wenn diese Ziele dort genannt seien und sogleich die Folgeziffern b ff. und c ff. dieser Ziff. 2 exakt unverändert und nur umformuliert genau dies beinhalteten. Die Ablehnung des Tierschutzgesetzes und des „Schutz(es) gehaltener Tiere“ werde ihr nur „in den Mund gelegt“, denn selbstverständlich beinhalteten die vorgenannten Ziele die Förderung des Tierschutzgedankens im Sinne einer umfassenden Zwecksetzung, sodass alle tierschützenden Inhalte dieses Gesetzes kongruent zur neuen Satzung sogar ausdrücklich begrüßt würden; es sei klargestellt und unterstrichen, dass sie alle tierschützenden Normen begrüße und ihre Durchsetzung fördern wolle. Das folge aus der Satzung in alter und neuer Form, insbesondere dem Betreiben des Lebenshofs gemäß Ziff. 2.i, der angesprochenen „Vermittlung von Tieren zugunsten überprüfter Persönlichkeiten“, welche diese ja sodann auch wieder behüteten und schützten (Ziff. 3.c) und vor allem auch Ziff. 3.d, worin Bezug genommen werde erstens auf die öffentliche Information, zweitens darauf, „diese zum Handeln/Einschreiten zu veranlassen sowie sich zivilrechtlich, im Bereich des öffentlichen Rechts und im Rahmen aller von der Rechtsordnung gegebenen Möglichkeiten für die Interessen von Tieren einzusetzen.“ Deutlicher könne wohl auf die geltende Rechtsordnung im Sinne des Postulats der Einheit dieser Rechtsordnung kaum Bezug genommen werden, deren selbstverständlicher Teil das TierSchG sei. Die Gegenseite verweigere eine Auseinandersetzung mit den schriftlich dargelegten Einzelzielen und versuche mit einer „Wortakrobatik“, eine Aufgabe der früheren Ziele zu unterstellen, die es aber nicht gebe, wie sie ausführlich weiter darlegt…..
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Auf die Klageerwiderung des Beklagten trägt die Klägerin u.a. noch vor,
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Schriftsatz vom 18.09.2019 (Bl. 198 bis 201 d.A.)
Schriftsatz vom 18.09.2019 (Bl. 198 bis 201 d.A.)
die zwischenzeitliche Einsicht in die Akten des LAV bestätige, dass es sich bei der Entziehung der Klagebefugnis um eine Revanche handele, wie näher dargelegt wird. Die Gegenseite gehe nicht ansatzweise darauf ein, dass sie Beweis dafür angetreten habe, dass abgesehen von den unstreitigen E-Mails eine herkömmliche Postübermittlung an das Ministerium erfolgt sei. Das entsprechende Wissen sei vorhanden und die Namensänderung sogar dem Staatssekretär bekannt gewesen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei verletzt. Sie fördere nach ihrer Satzung und auch nach ihren tatsächlichen Aktivitäten ideell und nicht nur vorübergehend die Ziele des Tierschutzes. Das Schlagwort der „totalen Befreiung der Tiere“ sei im Gesamtkontext zu sehen und metaphorisch. Es sei auch keine „negative Auswirkung auf Dritte“, wenn ein Verein von seinem eingeräumten Verbandsklagerecht Gebrauch mache, zumal die angegriffene Genehmigung befristet gewesen sei.
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Die Klägerin, die schriftsätzlich zunächst keinen ausdrücklichen Antrag gestellt hat, hat sinngemäß beantragt,
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den Widerrufsbescheid des Beklagten vom 21.05.2019 aufzuheben.
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Auf den Änderungsbescheid des Beklagten vom 23.01.2020, mit dem die Sofortvollzugsanordnung im Widerrufsbescheid vom 21.05.2019 aufgehoben wurde,… hat sie „zusätzlich“ und „vorsorglich“ beantragt,…
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„festzustellen, dass der Widerrufsbescheid vom 21.05.2019 mit seiner Anordnung der sofortigen Vollziehung und die damit verbundene sofortige Entziehung aller Verfahrensrechte rechtswidrig war im Hinblick auf die damit konkret verbundene Versagung der Verfahrensrechte wie insbesondere dasjenige auf Akteneinsicht, aber auch alle weiteren Verfahrensrechte rechtswidrig war für den Zeitraum seit 21.5.2019 bis heute (und dass die fortgesetzte Vorenthaltung maßgeblicher Aktenteile rechtswidrig ist).“
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Zur Begründung hat sie insoweit im Wesentlichen angeführt, die Versagung der maßgeblichen Verfahrensrechte, etwa auf Akteneinsicht im vorliegenden und im Verfahren 5 K 2022/18, sei für den betroffenen Zeitraum nicht mehr rückgängig zu machen. Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei gegeben, andere Rechtsschutzmöglichkeiten bestünden nicht.
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vgl. BVerwGE 26, 156 und 81, 226
vgl. BVerwGE 26, 156 und 81, 226
Die gerichtliche Feststellung sei insbesondere geeignet, Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch zu entfalten.
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vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2016 - 2 C 27.15 -, und Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 14.12 -; Bayerischer VGH, Urteil vom 07.03.2018 - 3 BV 16.2040 -, juris, Rz. 28
vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2016 - 2 C 27.15 -, und Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 14.12 -; Bayerischer VGH, Urteil vom 07.03.2018 - 3 BV 16.2040 -, juris, Rz. 28
Auch die Voraussetzungen der Wiederholungsgefahr
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vgl. BVerwG, Urteil vom 02.11.2017 - 7 C 26.15 -
vgl. BVerwG, Urteil vom 02.11.2017 - 7 C 26.15 -
seien gegeben, da sich der Änderungsbescheid auf den Ausgangsbescheid beziehe und die konkreten Wirkungen der Vorenthaltung der Akteneinsicht, der Verwaltungsaktsqualität zukomme,
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vgl. Kuntze, in: Bader u.a., § 44a Rz. 3; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, § 44a Rz. 39; Stelkens, in: Schoch ua.; BSG, Urteil vom 10.12.1992 - 11 Rar 71/91 -
vgl. Kuntze, in: Bader u.a., § 44a Rz. 3; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, § 44a Rz. 39; Stelkens, in: Schoch ua.; BSG, Urteil vom 10.12.1992 - 11 Rar 71/91 -
nicht nur fortwirkten, sondern diese Art. 103 Abs. 1 GG verletzende Vorenthaltung selbst fortgesetzt werde.
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vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.01.2018 - 2 BvR 1362/16 -
vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.01.2018 - 2 BvR 1362/16 -
An derartige schadensträchtige Folgen habe der Beklagte schuldhaft angeknüpft und sie gegen mehrfachen Protest als nicht mehr existent behandelt. Er distanziere sich auch nicht von seiner Argumentation, nach der das Aussetzungsinteresse mit der Rechtsmitteleinlegung im Verfahren 5 K 2022/18 begründet worden sei, sondern nehme sogar auf diese Bezug, weshalb Wiederholungsgefahr bestehe. Dasselbe folge unter dem Gesichtspunkt der tiefgreifenden Grundrechtsverletzung; ihr als grundrechtsfähiger Personenvereinigung habe die durch Art. 19 Abs. 4 GG geschützte Möglichkeit eines effektiven Rechtsschutzes, ja sogar die Möglichkeit eines gerichtlichen Vorgehens überhaupt, mit sofortiger Wirkung und in ganz konkreter Weise genommen werden sollen, wie sich aus der Versagung der Akteneinsicht ergebe. Dies beeinträchtige auch das vorliegende Verfahren schwerwiegend und mit derzeit noch nicht absehbaren Konsequenzen, wie vertiefend ausgeführt wird. Der Änderungsbescheid werde über § 91 VwGO in das Verfahren einbezogen;
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vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 22.01.2013 - 1 Cs 12.2709 -; VG München, Urteil vom 06.06.2018 - M 5 K 17.5928 -
vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 22.01.2013 - 1 Cs 12.2709 -; VG München, Urteil vom 06.06.2018 - M 5 K 17.5928 -
die von ihm „immer noch ausgehenden nachteiligen Regelungswirkungen“ würden vorsorglich angefochten.
13
13
vgl. Kraft, BayVBl 1995
vgl. Kraft, BayVBl 1995
Im jetzigen Prozessstadium sei somit die geänderte Teilregelung Prüfungsobjekt. Die Argumentation zum Sofortvollzugsinteresse lasse sich inhaltlich nicht von der restlichen trennen. Das gelte insbesondere für den widersinnigen Vorwurf einer Abkehr von den Zielen des Tierschutzes. Der Grundsatz der Folgenbeseitigung gebiete gemäß Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit des Fortsetzungsfeststellungsbegehrens.
14
vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.03.2007 - 18 B 2533/06 -, juris, Rz. 16, m.w.N.
vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.03.2007 - 18 B 2533/06 -, juris, Rz. 16, m.w.N.
Bewusst und aus prozessualen Gründen erfolge die Geltendmachung im Hauptverfahren, da im Eilverfahren Fortsetzungsfeststellungsbegehren in aller Regel ausschieden und nicht opportun seien. Zudem werde Akteneinsicht auch weiterhin nicht vollständig gewährt, wie näher ausgeführt wird; eine auf deren Überlassung gerichtete Klageerweiterung bleibe vorbehalten.
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29
Auf den Schriftsatz des Beklagten vom 26.02.2021 erwidert die Klägerin schließlich .. es sei nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage der Beklagte fortgesetzt die Auffassung vertrete, sie fördere nicht oder nicht schwerpunktmäßig die Ziele des Tierschutzes. Indem dieser zugleich und insofern zutreffend darlege, dass sie sich gegen „Tierversuche, Fleischkonsum, Jagd, Zoo- und Tierhandel“ wende, würden demgegenüber Kernbelange des Tierschutzes auch im Sinne des allgemeinen Begriffsverständnisses angesprochen.
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vgl. Hirth/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl., 1. 30-72, Anhang 2 158, § 17 Rn. 9-13, Sachverzeichnis Ziff. 1185
vgl. Hirth/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl., 1. 30-72, Anhang 2 158, § 17 Rn. 9-13, Sachverzeichnis Ziff. 1185
Entgegen den Ausführungen des Beklagten schütze das Tierschutzgesetz Tiere unbesehen des Umstands, ob sie in Gefangenschaft, im Rahmen der Tierhaltung eingesperrt oder frei seien; jeder gegenteilige Ansatz liefe darauf hinaus, dass außerhalb von Tierhaltungen befindliche Tiere wie z.B. Ziergeflügel, Wildtiere oder Straßenkatzen und -hunde den Schutzzwecken und Verboten des Gesetzes nicht teilhaftig würden und es erlaubt sei, diesen Tieren vermeidbare Qualen oder Schmerzen zuzufügen. Dem unterfielen auch ihre Aktivitäten (wofür Beweis angeboten wird durch Vernehmung der Vorsitzenden mehrerer weiterer Tierschutzinstitutionen sowie auf eine Erklärung des Vereins „Tierhilfe Rhein-Mosel“.. Bezug genommen wird). Ihre Auffassung werde auch durch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen sowie die Gesetzesmaterialien zum TierschG gestützt, wie näher ausgeführt wird. Sie habe sich auch keineswegs einem Dialog über die Verbesserung von Haltungs- und Nutzbedingungen versagt. Mit der bereits vorgetragenen inhaltlichen Kontinuität ihres Vereins gehe auch eine personelle Kontinuität einher. Sie habe sich auch nicht von dem Bundesverband „Menschen für Tierrechte“ gelöst, sondern kooperiere weiter mit diesem (wofür Beweis angeboten durch Zeugnis dessen Vorsitzender) und werde von diesem auch vorliegend unterstützt. Der Begriff „Offensive“ sei im metaphorischen Sinne zu verstehen; Gesetzesverstöße oder ähnliches würden nicht ansatzweise substantiiert vorgetragen. Die Leistungsfähigkeit ihres Vereins zeige sich in den kontinuierlichen Pressemitteilungen und der Darstellung valider Tätigkeiten auf ihrer Homepage, wie im Einzelnen dargelegt wird. Die Gesetzesbegründung auch zum TSVKG sei also unmittelbar einschlägig. Auch das Finanzamt habe ihre Gemeinnützigkeit zu keiner Zeit substantiiert angezweifelt. Dass es auch um die Verbesserung von Lebensbedingungen, eine artgerechte Haltung und ein würdiges Vorgehen im Rahmen der Tierhaltung gehe, zeige die langjährige Initiative für einen tatsächlich vorgehaltenen „Lebenshof“, in welchem verletzten, kranken oder alten Tieren ein würdiges Dasein auch manchmal im Sinne eines „Gnadenbrots“ auf ihre Kosten dargeboten werde. Sie helfe auch nach Kräften bei der Vermittlung von Tieren in Not und habe dabei auch eine medizinisch indizierte Kastration finanziell unterstützt; zudem unterstütze sie erfolgreich die tiermedizinische Notfallhilfe. Des Weiteren fördere sie die Thematik der Tierethik und kümmere sich um die Versorgung von Straßen- und Obdachlosenhunden. Sie betreibe überdies eine Facebookseite mit bis zu 400.000 Aufrufen pro Monat.
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htpps://www.facebook.com/Tierberfreiungsoffensive-Saar- eV-122078854542351
htpps://www.facebook.com/Tierberfreiungsoffensive-Saar- eV-122078854542351
Im Übrigen sei bei der StA A-Stadt seit dem 09.03.2021 ein weiteres tierschutzrechtliches Verfahren gegen Herrn ... anhängig. In prozessualer Hinsicht wird vorgetragen, eine Entscheidung per Gerichtsbescheid werde vor dem Hintergrund ihrer Beweisantritte nicht gutgeheißen.
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30
Der Beklagte hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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32
Er trägt im Wesentlichen vor,… der Klägervertreter füge zur Begründung der vorliegenden Klage einfach Seiten aus einer Klagebegründung in einem anderen Verfahren (5 K 2022/18) als Kopie ein. Aus dieser äußerst befremdlich anmutenden Vorgehensweise folge, dass sich die Ausführungen des Klägervertreters auf mehreren Seiten seiner Klagebegründung vom 17.07.2009 nicht auf die Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheids vom 21.05.2019 erstreckten, sondern vielmehr immer auf einen Widerspruchsbescheid des Landesamts für Verbraucherschutz vom 25.10.2018 Bezug nähmen, der vorliegend nicht Gegenstand des Verfahrens sei. Der Klägervertreter vermische also in unzulässiger Weise zwei völlig unabhängige Klageverfahren. Insoweit enthielten seine Ausführungen auf diesen Seiten nur an wenigen Stellen Argumente, die auch im hier anhängigen Klageverfahren gegen den Widerrufsbescheid trügen. Hierzu führt er u.a. aus, Rechtsgrundlage für den Widerruf der Anerkennung vom 15.10.2013 sei § 49 Abs. 2 Nr. 2 SVwVfG sowie § 3 Abs. 3 Satz 2 TSVKG. Gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 2 SVwVfG dürfe ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden, wenn mit ihm eine Auflage verbunden sei und der Begünstigte diese nicht innerhalb einer ihm von der Behörde gesetzten Frist erfüllt habe. Vorliegend sei den Tierversuchsgegnern Saar e.V. die Anerkennung nach § 3 TSVKG durch Bescheid vom 15.10.2013 unter der ausdrücklichen Auflage erteilt worden, Satzungsänderungen der obersten Tierschutzbehörde unverzüglich mitzuteilen. Die Satzung des Vereins sei mehrfach geändert worden, und zwar in den Jahren 2014, 2015 und 2018. Die Änderungen hätten u.a. Ziele und Aufgaben des Vereins sowie den Namen betroffen, der seit 2015 „Tierbefreiungsoffensive Saar e.V.“ laute. Eine unverzügliche Mitteilung der Satzungsänderungen durch den Vorstand gegenüber der Obersten Tierschutzbehörde sei entgegen der Auflage im Anerkennungsbescheid nicht erfolgt. Soweit die Klägerin gelten mache, er müsse sich Wissen des Referatsleiters seines Haushaltsreferats A/4, der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Tierschutzstiftung Saar und des Staatssekretärs zurechnen lassen, könne dieser Rechtsansicht nicht gefolgt werden. Diesbezüglich sei die Regelung des § 48 Abs. 4 SVwVfG heranzuziehen, die gemäß § 49 Abs. 2 Satz 2 SVwVfG auch für den Widerruf eines Verwaltungsaktes gelte. Danach sei die Rücknahme bzw. der Widerruf nur innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt zulässig, an dem die Behörde Kenntnis von Tatsachen erhalte, die die Rücknahme des Verwaltungsaktes rechtfertigten. Unter dem Begriff „Behörde“ im Sinne des § 48 Abs. 4 SVwVfG sei nicht die Behörde zu verstehen, wie sie in § 1 Abs. 4 SVwVfG legal definiert sei. Die Behörde erhalte in diesem Sinne nach ständiger Rechtsprechung Kenntnis, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme bzw. zum Widerruf des Verwaltungsaktes berufene Amtswalter positive Kenntnis erlange.
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vgl. BVerwG, NJW 1985, 819; BeckOK, VwVfG, § 48 Rn. 114; Pautsch/Hoffman, Aufl. 2016, VwVfG, § 48 Rn. 78
vgl. BVerwG, NJW 1985, 819; BeckOK, VwVfG, § 48 Rn. 114; Pautsch/Hoffman, Aufl. 2016, VwVfG, § 48 Rn. 78
Folglich müsse die für die Rücknahme zuständige Behörde die maßgeblichen Umstände positiv kennen.
18
vgl. Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 48 Rn. 137
vgl. Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 48 Rn. 137
Kenntnis müsse nach h.M. die für die Rücknahme zuständige Stelle in der Behörde haben, die Kenntnis irgendeines Beamten der Behörde reiche nicht aus.
19
vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 48 Rn. 215
vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 48 Rn. 215
Dabei sei zumindest Kenntnis des dafür zuständigen Referats, das mit Aufgaben der in Frage stehenden Art befasst sei, erforderlich. Dass irgendjemand in der Behörde Kenntnis habe oder erlange, genüge nicht.
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vgl. Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 48 Rn. 144
vgl. Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 48 Rn. 144
Nach diesem Maßstab genüge die Kenntnis der Satzungsänderung durch den Referatsleiter des Haushaltsreferats nicht und könne somit nicht der obersten Tierschutzbehörde als zuständiger Stelle zugerechnet werden. Dies gelte umso mehr, als in der Auflage des Anerkennungsbescheids vom 15.10.2013 ausdrücklich die Oberste Tierschutzbehörde als zuständiger Adressat genannt werde, dem gegenüber Satzungsänderungen mitzuteilen seien. Dasselbe gelte bezüglich der Mitteilung der Satzungsänderung durch E-Mail vom 04.05.2018 an die Tierschutzstiftung. Bei der Tierschutzstiftung Saar handele es sich um eine von der Obersten Tierschutzbehörde rechtlich unabhängige rechtsfähige Stiftung des Bürgerlichen Rechts mit Sitz in A-Stadt. Auch hier könne nach der einschlägigen Rechtsprechung keine Wissenszurechnung erfolgen. Bezüglich eines an den Landtag des Saarlandes gerichteten Schreibens des Staatssekretärs vom 24.05.2018, in welchem der neue Name des Vereins verwendet werde, gelte nichts anderes.
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vgl. BVerwGE 112, 360-365
vgl. BVerwGE 112, 360-365
Auch dieses Schreiben führe nicht zu einer Wissenszurechnung, da die Kenntnis bei der zuständigen Stelle, nämlich bei der obersten Tierschutzbehörde, vorliegen müsse, und nicht an einer anderen Stelle in der Behörde. Das Schreiben des Staatssekretärs befasse sich mit einer Landtagseingabe der Klägerin wegen der Haltungsbedingungen der Mantelpaviane im Zoo in …… und enthalte keine Informationen zur vorgenommenen Satzungsänderung. Eine Kenntniserlangung durch die oberste Tierschutzbehörde sei erst im September 2018 erfolgt. Damit sei die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 2 SVwVfG gewahrt. Somit seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 49 Abs. 2 Nr. 2 SVwVfG gegeben, so dass der Widerruf erfolgen dürfe. Soweit in der Klagebegründung geltend gemacht werde, dass eines der Vorstandsmitglieder der Klägerin krankheitsbedingt die rechtzeitige Mitteilung der Satzungsänderung nicht habe vornehmen können, sei darauf zu verweisen, dass der Vorstand der Klägerin gemäß § 8 der Satzung vom 29.03.2018 aus drei Personen bestehe, so dass die beiden verbliebenen Vorstandsmitglieder hätten tätig werden können. Schließlich werde in der Klagebegründung vorgetragen, dass die Klägerin überhaupt nicht habe wissen können, wer der konkrete Amtswalter für die Anzeige der Satzungsänderung sei. Im Anerkennungsbescheid vom 15.10.2013 sei jedoch ausdrücklich in der Auflage die oberste Tierschutzbehörde als Adressat benannt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Ermessensschranke werde bei der Widerrufsentscheidung gewahrt. Der Widerruf sei geeignet, um den durch den Wegfall der Anerkennungsvoraussetzungen infolge von Satzungsänderungen eingetretenen unrechtmäßigen Zustand zu beenden, der darin bestehe, dass der Verein „Tierbefreiungsoffensive Saar e.V.“ Rechte aus dem TSVKG geltend mache, die ihm nicht mehr zustünden. Der Widerruf sei erforderlich, ein milderes Mittel stehe nicht zur Verfügung. Der Widerruf sei angemessen. Da die Anerkennungsvorrausetzungen durch eigenes Verhalten der „Tierbefreiungsoffensive Saar e.V.“, nämlich durch die vorgenommenen Satzungsänderungen, weggefallen seien, sei der Verein nicht schutzbedürftig. Zudem sei die Mitteilung der Satzungsänderung entsprechend der Auflage für den Verein möglich und zumutbar.
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33
Die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Anerkennung ergebe sich zudem aus § 3 Abs. 3 Satz 2 TSVKG, wonach die Anerkennung zu widerrufen sei, wenn eine der Voraussetzungen für ihre Erteilung nachträglich weggefallen sei. Voraussetzung für die Anerkennung sei gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 TSVKG, dass der Verein nach seiner Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Tierschutzes fördere. Gemäß § 1 TierSchG sei Zweck des Tierschutzgesetzes „aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“. Die mit Bescheid vom 15.10.2013 erteilte Anerkennung gegenüber dem „Verein Menschen für Tierrechte - Tierversuchsgegner Saar e.V.“ habe sich auf den in der Satzung vom 12.11.2009 bezeichneten Vereinszweck bezogen. Nach dieser damals gültigen Satzung habe sich die Arbeit des Vereins konkret auf die Beschränkung von Tierversuchen mit dem Ziel einer endgültigen Abschaffung dieser gerichtet. Dieses Ziel sei auch aus dem Vereinsnamen „Menschen für Tierrechte -Tierversuchsgegner Saar e.V.“ hervorgegangen. Mit dieser Satzung aus dem Jahre 2009 seien entsprechend der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 TSVKG eindeutig Ziele des Tierschutzes gefördert worden. Der Verein habe sich für die Verbreitung des Tierschutzgedankens in der Gesellschaft durch Aufklärung der Öffentlichkeit, insbesondere mit Projekten zur Förderung von Forschungsvorhaben für Alternativen zu Tierversuchen engagiert (§ 2 Nr. 2 der Satzung vom 12.11.2009). Zwischen den in der Satzung von 2009 und den in der aktuellen Satzung definierten Zielen und Aufgaben des Vereins bestünden erhebliche Unterschiede, die inhaltliche Ausrichtung des Vereins habe sich deutlich gewandelt. Die aktuelle Satzung vom 29.03.2018 definiere – dem neuen Vereinsnamen „Tierbefreiungsoffensive Saar e.V.“ entsprechend – als inhaltliches Ziel die Befreiung eines jeden Tieres von jeglicher Beeinträchtigung seiner Freiheit und Unversehrtheit durch den Menschen. Es solle ein gesellschaftlicher Wandel herbeigeführt werden durch die Sensibilisierung der Öffentlichkeit hinsichtlich der durch Herstellung und Konsum tierischer Nahrungsmittel entstehenden Schäden sowie die Verbreitung einer veganen Lebensweise. Als Maßnahmen zur Erreichung des Ziels würden weiterhin Öffentlichkeitsarbeit und politische Einflussnahme genannt, allerdings mit einem anderen Schwerpunkt. Die Informationsarbeit des Vereins umfasse aktuell neben dem Thema Tierversuche auch die Themen „Fleischkonsum, Pelzhandel, Jagd, Zoo- und Tierhandel sowie alle anderen Ausbeutungsformen des Menschen gegenüber Tieren“. Neu eingeführt worden sei auch das Betreiben eines Lebenshofs durch den Verein. Die „Förderung der Erforschung, Entwicklung und Anwendung von Methoden, die Tierversuche ersetzen können“, wie sie die Satzung von 2009 vorgesehen habe, enthalte die aktuelle Satzung nicht mehr. Die grundsätzliche Zielrichtung des Vereins habe sich geändert, nämlich von dem Ziel der Abschaffung von Tierversuchen hin zu einer totalen Befreiung der Tiere von jeglicher Nutzung durch den Menschen. Der Aufgabenbereich, für den die Anerkennung 2013 erteilt worden sei, sei mit Blick auf den Vereinszweck entfallen und mit Blick auf die Maßnahmen zumindest in den Hintergrund getreten. Zugleich sei der aktuelle Vereinszweck des angestrebten Wandels hin zu einer veganen Gesellschaft ohne jegliche Tiernutzung von der erteilten Anerkennung nicht umfasst. Ausrichtung und Umfang der 2009 und aktuell erklärten Zwecke, Ziele und Aufgaben stimmten nicht überein. Den satzungsmäßigen Aufgabenbereich, für den der Anerkennungsbescheid vom 15.10.2013 gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 TSVKG gelte, gebe es so nicht mehr. Der Zweck des Tierschutzes sei auf die gezielte Hilfe für das Tier und die Bewahrung des Tiers vor nachteiligen Einwirkungen gerichtet. Für den Fall, dass die Tiere sich in der Obhut des Menschen befänden, solle die geschöpfliche Würde der Tiere gewahrt werden, die menschlichem Zugriff ausgesetzt seien.
22
vgl. Lorz/Metzger, Kommentar zum Tierschutzgesetz, 6. Aufl., Einführung Rn. 12
vgl. Lorz/Metzger, Kommentar zum Tierschutzgesetz, 6. Aufl., Einführung Rn. 12
Dabei gehe das Tierschutzgesetz im 2. Abschnitt mit dem Titel „Tierhaltung“ grundsätzlich von deren Zulässigkeit aus und befasse sich deshalb mit der Obhut des Menschen über das Tier.
23
vgl. Lorz/Metzger, Kommentar zum Tierschutzgesetz, 6. Aufl., § 2, Rn. 2
vgl. Lorz/Metzger, Kommentar zum Tierschutzgesetz, 6. Aufl., § 2, Rn. 2
Jedes Tier werde geschützt, sofern es sich in der Hand des Menschen befinde. Der neue Vereinszweck aber sei gemäß § 2.a der aktuellen Satzung vom 29.03.2018 auf das Recht jeden Tieres auf ein Leben in Freiheit gerichtet und spreche sich gegen jegliche Tiernutzung aus. Da jede Art von Tiernutzung und -haltung und damit auch das auf das Verhältnis von Tierhalter und gehaltenem Tier aufbauende Tierschutzgesetz selbst abgelehnt würden, seien die Voraussetzungen für die erteilte Anerkennung vom 15.10.2013 gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 TSVKG nachträglich weggefallen, so dass die Anerkennung zu widerrufen sei. Das TSVKG solle Tierschutzverbände ermächtigen, das Handeln der Behörden nach dem Tierschutzgesetz nebst Nebengesetzen (Tierschutzrecht), insbesondere nach den §§ 11 und 16a TierSchG, im Sinne der Tiere zu überprüfen. Inhalt und Normzweck des TierSchG aber sei der Schutz gehaltener Tiere gegenüber dem Halter oder Betreuer. Halter sei, wer die tatsächliche Bestimmungsmacht (grundsätzlich verbunden mit Besitz, oftmals Eigentum) über ein Tier im eigenen Interesse nicht nur ganz vorübergehend ausübe.
24
vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl., § 2, Rn. 4
vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl., § 2, Rn. 4
Mit anderen Worten liege dem Halterbegriff ein Herrschaftsverhältnis bzgl. der Nutzung eines Tiers (auch reine Hobbyhaltung: Haustier: Hund, Katze) im eigenen Interesse des Halters (und nicht primär des Tiers) zugrunde, welches mit einem Recht auf uneingeschränkte Freiheit des Tieres nicht vereinbar erscheine. Der neue Vereinszweck entspreche damit nicht mehr dem § 3 Abs. 1 Nr. 1 TSVKG, wonach als Voraussetzung für die Anerkennung die Ziele des Tierschutzes gefördert werden müssten. Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung der Anerkennung nachträglich weggefallen seien, sei die von der obersten Tierschutzbehörde erteilte Erlaubnis vom 15.10.2013 zu widerrufen. Bei dem Widerruf nach § 3 Abs. 3 Satz 2 TSVKG handele es sich um eine gebundene Entscheidung, so dass kein Ermessenspielraum bestehe.
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Demgegenüber werde in der Klagebegründung vom 07.07.2019 ausgeführt, dass keine „erhebliche Änderung der Satzungsqualität“ vorliege, da die vorgenommenen Satzungsänderungen sowohl beim Finanzamt als auch beim Registergericht durchgegangen seien; dem sei entgegenzuhalten, dass weder das Finanz- noch das Registergericht tierschutzrechtliche Fragen prüften. Weiter werde vorgetragen, dass gemäß § 2 Ziff. 2.a der aktuellen Satzung die Förderung des Tierrechtsgedankens noch konsequenter vollzogen werde, da Satzungszweck die Unterbindung von „Verfolgung, Quälerei und Ausbeutung“ sei, und werde „die Kontinuität aller für die Kernelemente des Satzungszwecks relevanten Gesichtspunkte“ geltend gemacht und näher ausgeführt. Dem sei entgegen zu halten, dass zwar die aktuelle Satzung in § 2 Ziff. 2.b weiterhin den Begriff „Tierversuche“ und in § 2 Ziff. 2.a die Begriffe „physischer und psychischer Unversehrtheit“ enthalte, entscheidend sei aber, dass sich der Hauptzweck der Satzung grundlegend geändert habe, nämlich von dem Ziel der Abschaffung von Tierversuchen hin zu einer totalen Befreiung der Tiere von jeglicher Nutzung durch den Menschen. In der Anerkennung vom 21.05.2019 sei der aktuelle Vereinszweck des angestrebten Wandels hin zu einer veganen Gesellschaft ohne jegliche Tiernutzung nicht umfasst. Die „Förderung der Erforschung, Entwicklung und Anwendung von Methoden, die Tierversuche ersetzen können“ (§ 2 Ziff. 2.d), wie sie die Satzung von 2009 als Hauptzweck vorgesehen habe, enthalte die aktuelle Satzung nicht mehr. Zudem sei der neue Hauptzweck der Satzung, der in der Befreiung eines jeden Tieres liege, nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar, welches, wie bereits erläutert, von der Zulässigkeit der Tierhaltung ausgehe. Denn das Tierschutzgesetz gehe im 2. Abschnitt mit dem Titel „Tierhaltung“ grundsätzlich von der Zulässigkeit der Tierhaltung aus und befasse sich deshalb mit der Obhut des Menschen über das Tier.
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vgl. Lorz/Metzger, Kommentar zum Tierschutzgesetz, 6. Aufl., § 2, Rn. 2
vgl. Lorz/Metzger, Kommentar zum Tierschutzgesetz, 6. Aufl., § 2, Rn. 2
Jedes Tier werde geschützt, sofern es sich in der Hand des Menschen befinde. Auch das Argument, bei Aberkennung der Zulassung müsste in der gleichen juristischen Sekunde eine Neuanerkennung erfolgen, trage nicht, da gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 TSVKG die oberste Tierschutzbehörde nur dann die Anerkennung erteile, wenn nach der Satzung ideell und nicht nur vorübergehend Ziele des Tierschutzes gefördert würden; wie dargelegt, sei jedoch der neue Satzungszweck nicht mehr mit den Zielen des Tierschutzes vereinbar, so dass die Klägerin eine neue Anerkennung nach dem TSVKG nicht erhalten würde. Soweit vorgetragen werde, dass es sich bei dem Widerrufsbescheid um eine „Retourkutsche“ auf die Führung eines Klageverfahrens gegen das LAV (Az. 5 K 2022/18) handele und ein „unangemessener Akt der Revanche“ vorliege, werde verkannt, dass Ursache für den Widerrufsbescheid nicht das Klageverfahren gegen das LAV sei; Ursache für den Widerruf sei die von der Klägerin vorgenommene Satzungsänderung, wodurch sie den Wegfall der Anerkennungsvoraussetzung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 TSVKG selbst herbeigeführt habe. Auch die Sofortvollzugsanordnung sei rechtmäßig erfolgt, weil bei Fortbestand der Anerkennung potentielle negative Auswirkungen auf Dritte bestünden, wie näher ausgeführt wird.
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Ergänzend hat der Beklagte vorgetragen, das Tierschutzverbandsklagerecht der Klägerin sei durch rechtmäßigen Widerruf vom 15.10.2013 abzuerkennen gewesen, da die Anerkennungsvoraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 TSVKG nicht mehr vorgelegen hätten…
…
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Auf die im angefochtenen Widerrufsbescheid des Beklagten enthaltene Sofortvollzugsanordnung hat die Klägerin am 17.07.2019 die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der vorliegenden Klage beantragt (5 L 948/19). Auf entsprechenden gerichtlichen Hinweis.. hat der Beklagte die Sofortvollzugsanordnung durch Änderungsbescheid vom 23.01.2020.. aufgehoben, woraufhin die Beteiligten das Verfahren 5 L 948/19 in der Hauptsache für erledigt erklärt haben und dieses mit Beschluss der Kammer vom 19.02.2020 eingestellt wurde.
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Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens, der Verfahren 5 L 948/19 und 5 K 2022/18 sowie die beigezogenen Verwaltungsunterlagen Bezug genommen. | |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. | Randnummer
1
Der Kläger nimmt den Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und Feststellung in Anspruch.
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2
Am 18.10.2019 befuhr der Kläger in Begleitung seines minderjährigen Sohnes, des Zeugen T... ...., die A100 in Berlin. Er wollte auf die A115 wechseln. Vor der Kreuzung Halenseestraße/Messedamm kam er vor einer Rotlicht abstrahlenden Ampel zum Stehen. Es gab dort drei Fahrstreifen, die durch Leitlinien (Zeichen 340 StVO) markiert sind. Auf der linken Spur befanden sich Pfeile, die nach links wiesen, auf der mittleren Spur Pfeile, die geradeaus zeigten. Als die Ampel auf Grün umschaltete, fuhr der Kläger in die Kreuzung ein. Im weiteren Verlauf kam es zur Kollision mit einem Lkw, für den der Beklagte nach Maßgabe des Auslandspflichtversicherungsgesetzes (AuslPflVG) einstandspflichtig ist. Beide Fahrzeuge wollten nach links in die Halenseestraße abbiegen. Weitere Einzelheiten des Unfallgeschehens sind streitig.
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3
Der Kläger verlangt vom Beklagten den Ersatz materiellen und immateriellen Schadens.
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4
Der Kläger behauptet, er habe sich an der Ampel im linken Fahrstreifen eingeordnet. Zum Unfall sei es erst auf der Halenseestraße gekommen. Der Fahrer des Lkw habe unter Verstoß gegen § 7 V StVO einen Fahrstreifenwechsel nach rechts vorgenommen und den Unfall dadurch verursacht und verschuldet.
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5
Der Kläger beantragt,
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6
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.061,81 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.03.2020 zu zahlen,
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7
2. den Beklagten zu verurteilen, ihm ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 2.000 € aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.03.2020 zu zahlen,
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3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtlichen zukünftigen immateriellen Schaden, der ihm aus dem Unfallereignis vom 18.10.2019 entstehen wird, zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden,
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9
4. den Beklagten zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.03.2020 zu zahlen.
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10
Der Beklagte beantragt,
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11
die Klage abzuweisen.
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Er behauptet, dass der Lkw an der Ampel vor der Kreuzung im linken Fahrstreifen gestanden habe. Der Kläger habe sich rechts daneben befunden. Der Unfall habe sich mitten auf der Kreuzung ereignet. Bei dieser Sachlage stünden dem Kläger keine Schadensersatzansprüche zu.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Kammer hat den Kläger persönlich angehört. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 22.02.2023 verwiesen. Ferner hat die Kammer Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen O... ..., K... ..., T... ... und M... .... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 23.11.2022 und 22.02.2023 Bezug genommen.
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Die Akte der Amtsanwaltschaft Berlin 3022 ... /20 hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. | |
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 12.02.2010 - 7 Ca 389/09 – abgeändert und
a. festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch eine Kündigung der Beklagten vom 22.10.2008 nicht aufgelöst worden ist;
b. festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31.05.2009 unverändert fortbesteht.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 22. Oktober 2008.
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Die Klägerin ist seit 1991 bei der Beklagten als Briefzustellerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag D.P. AG in der Fassung vom 1. April 2008 (MTV-DP AG) Anwendung. Dieser sieht unter § 34 Abs. 1 einen besonderen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer vor.
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Die Parteien halbierten einvernehmlich im Jahr 2006 mit dem Ziel der Stabilisierung des Gesundheitszustandes der Klägerin deren Arbeitszeit. Im Jahr 2008 mahnte die Beklagte die Klägerin wiederholt ab, wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Arbeitsplatz, ungebührlichen Verhaltens, verspäteter Anzeige der Arbeitsunfähigkeit und verspäteter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Ab dem 16. September 2008 erschien die Klägerin nicht mehr zur Arbeit. Noch am 16. September 2008 forderte die Beklagte die Klägerin schriftlich zur Arbeitsaufnahme auf. Zugleich erteilte sie ihr eine weitere Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens, welche der Klägerin am 18. September 2008 zugestellt wurde. Hierauf reagierte die Klägerin am 26. September 2008, wobei der Inhalt des Gesprächs unter den Parteien streitig ist. Am 1. Oktober 2008 begab sich die Klägerin in ärztliche Behandlung. Die Ärztin bescheinigte eine Arbeitsunfähigkeit ab dem 29. September 2008 bis zum 9. Oktober 2008. Der Beklagten ging die Bescheinigung am 2. Oktober 2008 zu. Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 1. Oktober 2008 zunächst zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung an. Der Betriebsrat äußerte Bedenken, da das Verhalten der Klägerin seine Ursache auch im Gesundheitszustand der Klägerin haben könnte. Die Beklagte kündigte ungeachtet dieses Hinweises mit Schreiben vom 7. Oktober 2008. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2008 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer weiteren Kündigung an, und zwar wiederum zu einer außerordentlichen Kündigung, diesmal aber mit sozialer Auslauffrist bis zum 31. Mai 2009. Erstmals teilte sie dem Betriebsrat nun auch mit, dass am 2. Oktober 2008 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Klägerin eingegangen sei. Am 17. Oktober nahm der Betriebsrat hierzu Stellung. Unter den Parteien ist streitig, ob die Beklagte daraufhin am 22. Oktober 2008 eine solche Kündigung abgeschickt und ob diese am 23. Oktober 2008 der Klägerin zugegangen ist. Vom 22. Oktober 2008 bis zum 24. November 2008 war die Klägerin im Krankenhaus H. untergebracht. Die Klägerin ließ durch ihre Prozessbevollmächtigten mit einem beim Arbeitsgericht am 24. Oktober 2008 eingegangenen Schriftsatz Klage gegen die Kündigung vom 7. Oktober 2008 erheben. Die angeblich ausgesprochene zweite Kündigung führte die Beklagte erstmals ausdrücklich im Kammertermin am 11. März 2009 in den Prozess ein. Nachdem die Klägerin in der Verhandlung insoweit auf ihren bereits in der Klageschrift angekündigten allgemeinen Feststellungsantrag verwiesen hatte, trennte das Arbeitsgericht diesen ab und gab der Klage hinsichtlich des verbliebenen Kündungsschutzantrags und des Weiterbeschäftigungsantrags statt. Die dagegen eingelegte Berufung blieb beim Landesarbeitsgericht erfolglos. In dem abgetrennten Verfahren, welches Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, erweiterte die Klägerin die Klage mit Schriftsatz vom 2. Juni 2009, welcher am selben Tag beim Arbeitsgericht einging, in Bezug auf „eine Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 2008“.
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Sie hat den Zugang und ergänzend auch die „soziale Rechtfertigung“ der angeblichen weiteren Kündigung vom 22. Oktober 2008 bestritten und erklärt, sie habe sich mit dem allgemeinen Feststellungsantrag in der Klageschrift gegen alle möglichen Beendigungstatbestände zur Wehr setzen wollen. Darauf komme es allerdings nur an, wenn die Beklagte den Zugang der Kündigung nachweisen könne. Jedenfalls sei der Beklagten auch der psychische Zustand der Klägerin aus der Vorgeschichte bekannt gewesen. Angesichts der sich aus der Gesamtsituation ergebenden Überforderung der Klägerin sei diese nicht in der Lage gewesen, ihre täglichen Angelegenheiten zu regeln, nicht einmal dazu, ihre behandelnden Ärzte aufzusuchen. Sie habe ihr Verhalten nicht mehr steuern können.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch eine Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 2008 nicht aufgelöst worden ist sowie
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2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht (Ziffer 2 aus der Klageschrift vom 24.10.2008).
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, am 22. Oktober 2008 sei eine Kündigung geschrieben, unterschrieben und als Einwurfeinschreiben versandt worden. Das Einschreiben sei am 23. Oktober 2008 laut Zustellnachweis auch zugestellt worden. Die Klageerweiterung vom 2. Juni 2008 sei unzulässig und unbegründet. Die Klägerin habe die Klagefrist des § 4 KSchG nicht gewahrt; ein Antrag auf nachträgliche Zulassung sei nicht gestellt worden, was nicht streitig ist.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das im Wesentlichen damit begründet, der Zugang der Kündigung sei nach der Überzeugung der Kammer erwiesen. Angesichts der detaillierten Darstellung der Beklagten zur Zustellung der Briefsendung bestünden keine ernstlichen Anhaltspunkte, dass gerade diese Postbriefsendung der Klägerin nicht zugestellt worden sei, obwohl ihr sowohl die vorangegangene Kündigung als auch diverse Abmahnungsschreiben zugegangen seien. Die Klägerin habe keinen nahvollziehbaren Sachverhalt vorgetragen, der entgegen der Dokumentation der Zustellung gegen diese sprechen könnte. Die Klägerin habe danach unter normalen Umständen von der Kündigung Kenntnis nehmen können und daher die Kündigungserklärung durch eine Kündigungsschutzklage angreifen müssen. Mit ihrem Antrag vom 2. Juni 2008 sei die Frist des § 4 Satz 1 KSchG nicht gewahrt. Mit dem allgemeinen Feststellungsantrag hätte die Klägerin nur dann Erfolg haben können, wenn sie den Nichtzugang der Kündigung vom 22. Oktober 2008 dargelegt und ggf. unter Beweis gestellt hätte.
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Die Klägerin hat gegen das ihr am 19. März 2010 zugestellte Urteil am 16. April 2010 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19. Juni 2010 mit einem am 9. Juni 2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Sie begründet ihre Berufung damit, dass das Arbeitsgericht die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Zugangs der Kündigung verkannt habe. Insoweit reiche allein die Übermittlung des Sendestatus durch die Beklagte nicht. Es sei nicht ersichtlich, wie und wann die Zustellung konkret erfolgt sei. Deshalb könne der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, die Frist des § 4 KSchG nicht gewahrt zu haben. Der im Termin vom 11. März 2009 gestellte Feststellungsantrag erfasse die Kündigungserklärung vom 22. Oktober 2008. Sie - die Klägerin - bleibe dabei, dass eine Kündigung der Beklagten auch sozial ungerechtfertigt sei. Gerade angesichts des vorliegenden Sachverhalts und der Tatsache, dass sich die Beklagte zunächst lange nicht auf weitere Beendigungstatbestände berufen habe, sei auch der allgemeine Feststellungsantrag zulässig und begründet.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Cottbus vom 12. Februar 2010 – 7 Ca 389/09 -
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch eine Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 2008 nicht aufgelöst worden ist sowie
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2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Mai 2009 hinaus unverändert fortbesteht.
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Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die allgemeine Feststellungsklage wahre die Frist für eine nicht ausdrücklich darin bezeichnete Kündigung nur dann, wenn der Feststellungsantrag dahin auszulegen sei, dass er sich – zumindest auch – auf den bestimmten Beendigungstatbestand – hier die Kündigung vom 22. Oktober 2008 – beziehe. Dabei komme es entscheidend darauf an, ob für den Arbeitgeber hinreichend erkennbar werde, dass der Arbeitnehmer diesen Beendigungstatbestand angreifen wolle. Da die Klägerin den Zugang der Kündigung vom 22. Oktober 2008 vehement bestreite, obwohl sie ihr nachweislich zugegangen sei, könne ihr Feststellungsantrag nicht dahin ausgelegt werden, dass sie für den Fall, dass ihr die Unrichtigkeit ihres Bestreitens nachgewiesen werde, auch die Kündigung vom 22. Oktober 2008 habe angreifen wollen. Damit scheide jede Möglichkeit einer späteren Einbeziehung aus. Die Wortwahl in der Klageschrift, wonach die Klägerin vor „missbräuchlichen weiteren Kündigungen – auch zwischen den Instanzen – geschützt werden müsse“, könne nur dahin verstanden werden, dass damit solche Kündigungen gemeint gewesen seien, die erst nach Klagezustellung ausgesprochen würden. Hier sei die Klage allein gegen die fristlose Kündigung auch nicht unsinnig gewesen. Es könne durchaus sein, dass die Klägerin sich nur gegen die fristlose, nicht aber gegen die Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist habe wehren wollen, zumal die Klägerin im Telefonat vom 26. September 2008 gegenüber der Personalsachbearbeiterin gefragt habe, warum es denn so lange dauere, bis sie die Kündigung erhalte und auch erklärt habe, sie wolle gar nicht klagen. Den Hinweis auf die notwendige Betriebsratsanhörung habe sie damit abgetan, der Betriebsrat habe ihr „die ganzen acht Jahre nicht geholfen, da werde er ihr auch jetzt nicht helfen“. Im Übrigen sei ihr erstinstanzlicher Vortrag so zu verstehen, dass damit auch die Kündigung vom 22. Oktober 2008 habe begründet werden sollen. Die Gründe, die der Kündigung vom 7. Oktober 2008 zugrunde gelegen hätten, sollten auch die Kündigung vom 22. Oktober 2008 rechtfertigen. Der allgemeine Feststellungsantrag sei wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig.
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Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien vom 8. Juni 2010 sowie vom 21. Juli 2010 und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. August 2010. Die Kammer hat die Akten aus dem Verfahren 7 Ca 1565/08 des Arbeitsgerichts Cottbus beigezogen. Es handelt sich um das Verfahren, von dem das vorliegende Verfahren durch das Arbeitsgericht abgetrennt worden ist. Der durch die Parteien in ihren Berufungsschriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommene erstinstanzliche Vortrag ergibt sich teilweise nur aus diesen Akten, da er durch das Arbeitsgericht zT. nicht zur Akte des abgetrennten vorliegenden Verfahren genommen worden ist. | |
Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt.
Der Ruhestandsbeamte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistetet. | Der am 00.00.00 geborene Beamte besuchte von 00 bis 00 die Grundschule und von 00 bis 00 die Realschule in B-Stadt, die er mit der mittleren Reife abschloss. Vom 00.00.00 bis 00.00.00 absolvierte er eine Maurerlehre und schloss diese mit der Gesellenprüfung ab. Danach studierte er ab 00 an der Staatlichen Ingenieurschule für Bau- und Vermessungswesen in C-Stadt in der Fachrichtung Hochbau.
Mit Schreiben vom 00.00.00 bewarb er sich bei der Deutschen Bundesbahn um die Einstellung als Technischer Bundesbahninspektor nach Beendigung seines Studiums und beantragte gleichzeitig für die Zeit dieses Studiums die Gewährung einer Studienbeihilfe. Mit Vertrag vom 00.00.00 gewährte die Deutsche Bundesbahn ihm eine monatliche Studienbeihilfe. Er verpflichtete sich im Gegenzug, nach Abschluss des Studiums als Technischer Bundesbahninspektor- Anwärter in den Dienst der Deutschen Bundesbahn zu treten. Nach bestandener Abschlussprüfung verlieh die Fachhochschule C-Stadt dem Beamten in dem Fachbereich Architektur/Fachrichtung Baubetrieb am 00.00.00 den akademischen Grad Ingenieur grad. (Bl. 13 PA). Mit Wirkung vom 01.04.1973 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Technischen Bundesbahninspektor- Anwärter ernannt (Bl. 18 PA R). Die Anstellungsprüfung für den gehobenen Technischen Bundesbahndienst bestand er am 27.03.1974 mit der Gesamtbewertung "befriedigend" (Bl. 28 PA). Mit Wirkung vom 01.04.1974 wurde er unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Probe zum Technischen Bundesbahnoberinspektor zur Anstellung ernannt (Bl. 30 PA). Nach Ableistung der Probezeit wurde er am 01.03.1976 zum Technischen Bundesbahnoberinspektor ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 10 BBesG eingewiesen (Bl. 52 PA). Die Lebenszeiternennung erfolgte am 07.07.1977 (Bl. 66 PA). Am 12.05.1978 wurde der Beamte zum Technischen Bundesbahnamtmann befördert (A 11 BBesG, Bl. 89 PA), am 03.03.1993 zum Technischen Bundesbahnamtsrat (A 12 BBesG, Bl. 186 PA) und am 12.08.1999 zum Technischen Bundesbahnoberamtsrat (A 13 BBesG, Bl. 235 PA). Mit Ablauf des 30.11.2015 wurde der Beamte in den Ruhestand versetzt.
Am 00.00.00 wurde der Beamte unter Berufung in das Beamtenverhältnis als Ehrenbeamter zum Ortsgerichtsschöffen des Ortsgerichts B-Stadt III auf die Dauer von 10 Jahren ernannt (Bl. 200 PA).
Der Präsident des Bundeseisenbahnvermögens beurlaubte den Beamten auf dessen Antrag hin unter Wegfall der Besoldung zunächst vom 01.11.1996 bis 31.10.2001 für eine Tätigkeit bei der DB AG im Rahmen eines Arbeitsvertrages (Bl. 223 PA). Im Anschluss daran wurde er auf seinen Antrag hin unter Wegfall der Besoldung für die Zeit vom 01.11.2001 bis auf weiteres für eine Tätigkeit bei einem DB Konzern Unternehmen im Rahmen eines Arbeitsvertrages weiter beurlaubt (Bl. 238 PA). Aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts C-Stadt vom 31.05.2007/04.06.2007 in einem Ermittlungsverfahren gegen den Beamten wegen des Verdachts einer Straftat nach § 299 StGB (7730 Js 247157/06 WI) wurden die Geschäftsräume der DB Projektbau GmbH in C-Stadt durchsucht. Aufgrund der Angaben des Beamten erfolgte am 28.06.2007 eine arbeitsrechtliche Anhörung des Beamten seitens der DB Projektbau GmbH zu den Vorwürfen. Mit Schreiben vom 29.06.2007 wurde ihm von der DB Projektbau GmbH fristlos gekündigt. Auf seinen Antrag hin wurde mit Verfügung des Präsidenten des Bundeseisenbahnvermögens vom 23.07.2007 die ausgesprochene Urlaubsbewilligung mit Ablauf des 22.07.2007 widerrufen (Bl. 245 PA). Ab dem 23.07.2007 wurde der Beamte der DB Projektbau GmbH zugewiesen. Diese untersagte ihm mit Schreiben vom 25.07.2007 vorübergehend die Dienstausübung als zugewiesener Beamter (Bl. 248 PA).
Das A. teilte mit Schreiben vom 25.07.2007 der Leiterin der west mit, dass ihr von der DB AG mitgeteilt worden sei, dass gegen den Beamten wegen des Verdachts einer Straftat nach § 299 StGB ermittelt werde. Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts C-Stadt, die arbeitsrechtliche Anhörung und fristlose Kündigung wurden mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Die danach gemäß § 17 BDG gegen den Beamten zu treffenden Maßnahmen wurden in die Zuständigkeit der Leiterin der Dienststelle Südwest gestellt (Bl. 1 EA).
Der Beamte ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne. Bisher war er weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich vorbelastet.
Mit Verfügung der Leiterin der Dienststelle Südwest vom 24.08.2007 wurde gemäß § 17 Abs. 1 BDG ein Disziplinarverfahren gegen den Beamten eingeleitet (Bl. 15 EA). Dieses wurde gemäß § 22 BDG bis zum Abschluss des laufenden Strafverfahrens wieder ausgesetzt (zunächst Az.: 7730 Js 247157/06 WI, später 7730 Js 248644/10 WI). Gleichzeitig wurde der Beamte gemäß § 38 Abs. 1 BDG mit sofortiger Wirkung vorläufig des Dienstes enthoben. Der Beamte stehe in dringendem Verdacht im Jahr 2003 als Projektleiter der Deutsche Bahn AG den Betrag von Netto 5.075,- Euro als Gegenleistung für die Vergabe des Auftrags über die Errichtung von Nottreppen am ICE-Bahnhof Limburg an die Firma D. angenommen zu haben. Die Einleitungsverfügung wurde dem Beamten am 28.08.2007 mit Postzustellungsurkunde zugestellt (Bl. 25 EA). Nach Angaben des Beamten zu seinen Einnahmen und Ausgaben ordnete die Leiterin der Dienststelle Südwest mit Verfügung vom 15.10.2007 gemäß § 38 Abs. 2 BDG den Einbehalt von 10 % der monatlichen Dienstbezüge ab dem 01.12.2007 an (Bl. 33 EA).
Die Staatsanwaltschaft C-Stadt teilte mit Schreiben vom 16.07.2010 mit, dass ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen den Beamten mit dem Aktenzeichen 7740 Js 261336/08 bereits am 05.02.2009 vorläufig im Hinblick auf die im Verfahren 7730 Js 248644/10 WI zu erwartende Strafe gemäß § 154 StPO eingestellt wurde (Bl. 49 EA).
Durch Strafbefehl des Amtsgerichts C-Stadt vom 21.05.2012 im Verfahren 7730 Js 248644/10 WI, rechtskräftig seit 09.06.2012, wurde gegen den Beamten wegen eines Vergehens nach den §§ 266, 299 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten verhängt, deren Vollstreckung für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gleichzeitig wurde ihm im Bewährungsbeschluss auferlegt, binnen eines Jahres 150 Stunden gemeinnützige Arbeit nach Weisung der Gerichtshilfe zu leisten und innerhalb von 3 Monaten einen Betrag von 7.500,- Euro an die DB Station und Service AG zu zahlen (Bl. 65 f. EA).
Mit Beschluss der Staatsanwaltschaft C-Stadt vom 28.06.2012 wurde das Verfahren 7740 Js 261336/08 endgültig gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt (Bl. 71 EA).
Mit Verfügung vom 02.07.2012 setzte das A. das Disziplinarverfahren gegen den Beamten fort (Bl. 73 EA). Die im Strafverfahren ausweislich der Strafakten getroffenen tatsächlichen Feststellungen würden gemäß § 23 Abs. 2 BDG dem Disziplinarverfahren zugrunde gelegt. Gleichzeitig erhielt der Beamte Gelegenheit, sich abschließend zu äußern. Über das Recht, die Mitwirkung des besonderen Personalrats vor der Erhebung der Disziplinarklage zu beantragen, wurde der Beamte ebenfalls belehrt.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27.07.2012 teilte der Beamte mit, dass er im Jahr 2007 in vollem Umfang und wahrheitsgemäß gegenüber der Staatsanwaltschaft ausgesagt habe. Auf die dortigen Ausführungen beziehe er sich vollinhaltlich (Bl. 82 EA).
Die Leiterin der hatte zunächst mit Schriftsatz vom 22.08.2012, der am 24.08.2012 bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden einging, Disziplinarklage gegen den beklagten Beamten erhoben. Ihm wurde darin vorgeworfen, ein schweres Dienstvergehen dadurch begangen zu haben, dass er als Projektleiter der DB Projektbau GmbH Bestechungsgeld i.H.v. 5.075,- € netto für die Vergabe eines Auftrags angenommen habe. Der Sachverhalt sei Gegenstand des seit dem 09.06.2012 rechtskräftigen Strafbefehls. Dem Strafbefehl komme zwar gemäß § 23 Abs. 2 BDG keine Bindungswirkung für das Disziplinarverfahren zu; er könne aber der Entscheidung im Disziplinarverfahren ohne nochmalige Prüfung zugrundegelegt werden. Gegenüber den im Strafbefehl zur Sache getroffenen Feststellungen gebe es keine neuen Erkenntnisse. Der Beklagtenvertreter habe sich nicht zur Sache geäußert, sondern nur auf frühere, im Rahmen des Ermittlungsverfahrens getätigte Äußerungen verwiesen. Damit habe er die Richtigkeit der im Strafverfahren festgestellten Tatsachen nicht substantiiert angezweifelt. Bei dieser Sachlage verbleibe kein vernünftiger Zweifel an der Korrektheit der Feststellungen, so dass eine Beweisaufnahme entbehrlich erscheine.
Nach der mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarkammer am 05.02.2014 wurde der Klägerin durch Beschluss vom 07.02.2014 eine Frist von 6 Monaten gesetzt, um wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens und der Klageschrift zu beseitigen. Insbesondere wurde die fehlende Vernehmung des Zeugen E. im behördlichen Disziplinarverfahren gerügt (Bl. 286 GA).
Die Klägerin teilte mit Schriftsatz vom 16.05.2014 mit, dass der Zeuge E. die Aussage unter Hinweis auf § 55 StPO verweigere, und ersuchte die Disziplinarkammer gemäß § 25 Abs. 2 und 3 BDG um dessen Vernehmung.
Die Disziplinarkammer stellte durch Beschluss vom 18.03.2015 fest, dass die Verweigerung der Zeugenaussage durch den Zeugen E. rechtswidrig sei (Bl. 36 Akte 25 O 1475/14.WI.D). Die Zeugenvernehmung erfolgte sodann am 06.05.2015 zu den von der Klägerin vorgegebenen Fragen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift Bezug genommen (Bl. 66 Akte 25 O 1475/14.WI.D).
Mit Schriftsatz vom 11.05.2015, der am 18.05.2015 bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden eingegangen ist, hat die Klägerin eine neue Klageschrift vorgelegt, mit dem Ziel, den Beamten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen bzw. ihm nach Ruhestandseintritt am 01.12.2015 das Ruhegehalt abzuerkennen.
Dem Beklagten werde ein schweres Dienstvergehen vorgeworfen, das Gegenstand des seit dem 09.06.2012 rechtskräftigen Strafbefehls gewesen sei. Ihm sei demnach zur Last zu legen:
"Sie waren zur Tatzeit beurlaubter Beamter und bei der DB-Projektbau GmbH (F. in C-Stadt), einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG, angestellt. Als Projektleiter waren Sie für das Neubauprojekt ICE-Schnellbahntrasse Frankfurt am Main/Köln im Bereich Limburg zuständig. Im Zuge des Bauprojekts ergab sich aufgrund der Sicherheitsvorschriften für Bahnhöfe kurzfristig die Notwendigkeit, weitere Nottreppen im Bereich des Bahndammes anzulegen. Diese Nottreppen waren im ursprünglichen Auftrag an die G. noch nicht vorgesehen, und mussten daher zusätzlich beauftragt werden. Sie entschieden sich, hierzu keine erneute Ausschreibung vorzunehmen, sondern den Auftrag freihändig zu vergeben. Hierüber sprachen Sie auch mit dem gesondert verfolgten E.. Weiterhin teilten Sie dem gesondert verfolgten E. mit, dass Sie im Falle der Beauftragung einer Baufirma, welche von dem gesondert gefolgten E. benannt werden sollte, erwarteten, Schmiergeld in der Größenordnung von 5.000,- € bis 10.000,- € zu erhalten. Hiermit erklärte sich der gesondert verfolgte E. einverstanden. In der Folgezeit benannte der gesondert verfolgte E. Ihnen das Bauunternehmen D., welches absprachegemäß am 19.12.2002 den Auftrag für die Errichtung der Nottreppen zum Gesamtnettopreis von 136.642,72 € erhielt. Mit Datum vom 22.04.2003 stellten Sie dem gesondert verfolgten E. absprachegemäß eine Rechnung über 5.887,00 € brutto für in Wahrheit nicht erbrachte Beratungsleistungen, deren Begleichung der gesondert verfolgte E. veranlasste. Die Zahlung an Sie war, wie Ihnen bekannt war, in das Angebot der Firma D. bereits eingerechnet und dieses damit mindestens in Höhe der von Ihnen geforderten Zuwendung überhöht."
Nicht Gegenstand der vorliegenden Klage sei die Frage, wie das Verhalten des Beklagten strafrechtlich zu bewerten sei. Die Vernehmung des Zeugen E. im Wege der Amtshilfe durch das Verwaltungsgericht habe ergeben, dass er im Jahr 2003 oder 2004 dem Beklagten ein Angebot unterbreitet habe, das deutlich unter dem der Deutschen Bahn vorliegenden Angebot gelegen habe. Wenn er, der Zeuge, zum Zuge käme, bekäme der Beklagte eine "Provision". So sei es dann geschehen, als der Auftrag gekommen sei. Es sei nichts schriftlich fixiert worden, die Initiative sei von ihm, dem Zeugen, ausgegangen. Nachdem er erfahren habe, dass der Beklagte ein Ingenieurbüro betreibe, habe er den Vorschlag gemacht, die Rechnung über darin beschriebene, aber tatsächlich nicht erbrachte Leistungen an den Beklagten auszustellen. Er habe das Geld von der bauausführenden Firma D. aufgrund seiner Rechnung erhalten und aus diesem Betrag, der nicht gesondert ausgewiesen gewesen sei, an den Beklagten die vereinbarte Provision ausgezahlt.
Der Beklagte habe aufgrund dieses Sachverhalts gegen seine Pflichten gemäß §§ 71, 54 S. 3 i.V.m. § 77 Abs. 1 S. 2 BBG a.F. verstoßen. Nach § 54 S. 3 BBG a.F. müsse das Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Im Interesse der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes erfasse § 71 BBG, ebenso wie die hier maßgebliche Vorgängerregelung des § 70 BBG a.F., insbesondere das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken. Dies gelte auch für das außerdienstliche Verhalten des Beamten. Hier liege ein schweres außerdienstliches Dienstvergehen vor. Der Beklagte habe gegen seine Pflicht zu unparteiischer, gerechter und uneigennütziger Amtsführung verstoßen. Der Beklagte sei beurlaubt und im Rahmen eines Arbeitsvertrages tätig gewesen, weshalb er nicht als aktiver Beamter im Einsatz gewesen sei. Als Beamter im statusrechtlichen Sinne sei er aber in einem Bereich tätig gewesen, der nach außen noch vom Berufsbeamtentum mitgeprägt werde, nämlich bei der DB Projektbau GmbH. Werde in diesem Bereich auch nur der Anschein der Käuflichkeit erweckt, könne dies nicht anders bewertet werden, als wenn der Beklagte dieselbe berufliche Position als zugewiesener Beamter begleitet hätte. Zudem lasse sich hier trotz der Beurlaubung ein spezieller innerdienstlicher Bezug herstellen. Denn zum einen habe die Beurlaubung im dienstlichen Interesse gelegen, zum anderen sei der Beklagte seit dem Ende der Beurlaubung wieder der DB Projektbau GmbH gesetzlich zugewiesen und an sich zur Dienstleistung verpflichtet, wäre er nicht vorläufig dienstenthoben. Zudem habe sich die Straftat gegen die im Bundeseigentum befindliche DB AG gerichtet und sich damit zumindest mittelbar auch zum Nachteil des Staates ausgewirkt. Damit habe der Beklagte gegen seine außerdienstlichen Pflichten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen. Nach der Rechtsprechung sei die verbotene Annahme von Belohnungen und Geschenken insbesondere dann als besonders schwerwiegendes Dienstvergehen zu qualifizieren, wenn der Beamte bares Geld angenommen habe, was hier der Fall gewesen sei. Entsprechendes gelte für den weiteren Erschwerungsgrund der Vornahme einer Dienstleistung als Gegenleistung für die Annahme des Geldes. Weiter komme erschwerend hinzu, dass die Annahme des Geldes durch die quittierte Bezahlung einer in Wahrheit nicht erbrachten Leistung gezielt verschleiert worden sei. Anerkannte Milderungsgründe oder sonstige Umstände, die das Geschehen ausnahmsweise im günstigeren Licht erscheinen lassen könnten, seien nicht gegeben. Auch die Tatsache, dass die Initiative für die Geldzuwendung nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von dem Zeugen E. ausgegangen sei, könne den Beklagten nicht entlasten. Er hätte jegliches Ansinnen bezüglich einer solchen Transaktion von vornherein als mit seinen Beamtenpflichten nicht vereinbar ablehnen müssen. Mildernd wirke sich auch nicht der Umstand aus, dass dem Beklagten über den im Strafbefehl formulierten Tatvorwurf hinaus keine Erfüllung von Straftatbeständen nachgewiesen werden könne. Ungeachtet dessen, wie man das Verhalten des Beklagten strafrechtlich werte, bleibe es eine Tat mit korruptivem Charakter, mit der dieser massiv gegen die beamtenrechtliche Grundpflicht, keine Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf die berufliche Tätigkeit anzunehmen, verstoßen habe. Der Höhe nach sei die Annahme eines Betrages von 5.887,- € brutto als so erheblich einzustufen, dass von einer Geringfügigkeit nicht gesprochen werden könne. Es liege auch nicht nur die Annahme eines unberechtigten Geschenks vor, sondern dieses habe auch in einem unmittelbaren Kausalzusammenhang mit der Auftragsvergabe gestanden. Durch sein Verhalten habe der Beklagte die ihm nach §§ 54 S. 2 und 3 sowie 70 S. 1 BBG a.F. obliegenden Pflichten in sehr schwerwiegender Weise vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft verletzt. Zwar spreche für den Beklagten, dass er zuvor strafrechtlich und disziplinarrechtlich unbelastet gewesen sei und seine dienstlichen Beurteilungen im guten bis sehr guten Bereich gelegen hätten. Auch sein ehrenamtliches Engagement sei positiv zu würdigen. Zu bedenken sei auch, dass der Beamte am 01.12.2015 altersbedingt in den Ruhestand träte, was sich jedoch entlastend nicht auswirken könne. Das Dienstvergehen sei von ganz erheblichem Gewicht und mache eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich.
Die Klägerin beantragt,
dem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt abzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Aberkennung des Ruhegehalts zu erkennen.
Zur Begründung trägt er vor, die Klageschrift sei nach wie vor mangelbehaftet.
Eine gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG erforderliche Darstellung liege nicht vor, da lediglich ein pauschaler Hinweis auf einen Strafbefehl ohne Aktenzeichenangabe gegeben werde, dessen Inhalt nur rudimentär zitiert werde. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 BDG lägen nicht vor, weil kein Urteil gegen den beklagten Beamten vorliege. Auch die Voraussetzungen, die es der Klägerin ersparen könnten, ordnungsgemäßen Sachvortrag zu liefern, seien nicht gegeben. Nach § 57 Abs. 2 BDG könnten die in einem anderen Verfahren getroffenen Feststellungen seitens des Gerichts nur dann ohne erneute Prüfung zugrunde gelegt werden, wenn die Richtigkeit nicht im gerichtlichen Disziplinarverfahren substantiiert angezweifelt werde.
Ein weiterer Mangel sei, dass das behördliche Schreiben vom 02.07.2012 keinen konkreten Inhalt habe. Der Sachverhalt aus dem Jahre 2002/2003, um den es vorliegend nur gehen könne, sei von dem Beklagten in der Vernehmung am 10.05.2007 im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren umfassend und zutreffend geschildert worden. Die Angaben des Beklagten seien nicht in Zweifel gezogen worden. Soweit der Inhalt des Strafbefehls von diesen Angaben abweiche, seien die dortigen Angaben nicht zutreffend. Hierauf habe der Beklagte sowohl im Strafverfahren, aber auch in dem Zivilverfahren vor dem Landgericht C-Stadt (Az.: 2-13 O 336/10) unter Beweisantritt vorgetragen.
Aufgrund der Angaben des Beklagten am 10.05.2007 sei mit 2-jähriger Verspätung ein weiteres Ermittlungsverfahren mit dem Az.: 7740 Js 26133/08 WI zunächst vorläufig und weitere 3 Jahre danach endgültig gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden. Dieses zweite Ermittlungsverfahren erwähne die Klägerin nur deshalb, um den Beklagten als Mehrfachtäter inzident darzustellen. Tatsächlich hätte dieses zweite Verfahren eigentlich zwingend nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt werden müssen, was der Beklagte mit Schriftsatz vom 18.03.2011 gegenüber der Staatsanwaltschaft C-Stadt in dem Verfahren Az.: 7730 Js 248644/10 vorgetragen habe.
Die Klageschrift enthalte im Wesentlichen nur Allgemeinplätze, um die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu fordern. So formuliere sie, dass dies "in Zeiten einer allgemein steigenden Sensibilisierung für die besondere Sozialschädlichkeit von Korruptionsdelikten in besonderer Weise zu gelten" habe. Dies sei eine ausschließlich populistische und unjuristische Argumentation.
Die Darstellung des Lebenslaufes des Beklagten in der Klageschrift sei insoweit fehlerhaft, als dort die Ernennung zum Technischen Bundesbahnamtmann am 09.05.1978 fehle. Das kommunalpolitische Ehrenamtsengagement des Beklagten und sein Engagement in der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft seien gänzlich unberücksichtigt geblieben. Seit 1980 sei er Mitglied der DLRG, von 1982 bis 1986 sei er dort Schriftführer gewesen, danach bis 1990 stellvertretender Vorsitzender und anschließend bis 1999 Vorsitzender der DLRG Ortsgruppe. Von 1993 bis 1995 sei er stellvertretender Bezirksleiter des DLRG Bezirks H. gewesen und habe 1995 die Bezirksleitung übernommen. Seit 1990 vertrete er als Delegationsleiter für Hessen bei den Deutschen Meisterschaften der DLRG die Interessen der Stadt B-Stadt. Seit 2006 sei der Beklagte Vizepräsident des J. gewesen, seit 2008 deren Präsident. Seit Oktober 1990 sei der Beamte in das Beamtenverhältnis als Ehrenbeamter zum Ortsgerichtsschöffen des Ortsgerichts B-Stadt berufen worden, seit November 2004 zusätzlich zum stellvertretenden Ortsgerichtsvorsteher des Ortsgerichts B-Stadt III. Am 17.08.2000 sei dem Beklagten der Ehrenschild der Stadt B-Stadt verliehen worden. Am 16.09.2002 sei ihm der Ehrenbrief des Landes Hessen überreicht worden. Der Beamte sei bis auf den vorliegenden Sachverhalt strafrechtlich und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet.
Entsprechend der Aussage des Beklagten vom 10.05.2007 im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gehe es um einen Sachverhalt, nämlich eine Abrede aus dem Jahr 2003, die durch Stellung einer Scheinrechnung vom 22.04.2003 geendet habe. Die Sach- und Rechtslage sei auf der Grundlage der damals gültigen Vorschriften zu beurteilen, soweit die aktuellen gesetzlichen Regelungen nicht günstiger seien.
Das außerdienstliche Verhalten des Beklagten habe auch zu dem Zivilverfahren vor dem Landgericht C-Stadt mit dem Aktenzeichen 2-13 O 336/10 geführt. In diesem Verfahren habe die DB Station und Service AG gegen die Beklagten D., I. und B. einen Schadenersatzanspruch als Gesamtschuldner mit Klageschrift vom 30.12.2010 geltend gemacht. Das Verfahren sei durch einen Vergleichsabschluss am 12.04.2012 abgeschlossen worden. Die im dortigen Vergleich angebotene Zahlung des Beklagten in Höhe von 12.000,-- € sei geleistet worden.
Weiterhin habe das außerdienstliche Verhalten zu dem Strafverfahren vor dem Amtsgericht C-Stadt mit dem Aktenzeichen 7730 Js 248644/10 geführt, das mit Strafbefehl vom 21.05.2012 und einer Freiheitsstrafe von 6 Monate, ausgesetzt zur Bewährung, beendet worden sei. Der Beamte habe die im Bewährungsbeschluss auferlegte Zahlung von 7.500,-- € bereits erfüllt und sei im Begriff, die weitere Bewährungsauflage, 150 Stunden gemeinnützige Arbeit, zu erbringen.
Das nunmehr eingeleitete Verfahren sei das dritte Verfahren gegen den Beklagten.
Der Beklagte habe sich in den vorgenannten Verfahren, im Zivil-, wie auch im Strafverfahren, gegen die Behauptungen gewendet, er habe keine neue Ausschreibung vorgenommen, sondern selbst einen Auftrag freihändig vergeben, das Bauunternehmen D. habe absprachegemäß am 19.12.2002 den Auftrag für die Errichtung der Nottreppen erhalten und die Zahlung an ihn, sei - wie ihm bekannt gewesen sei - in das Angebot der Firma D. bereits eingerechnet und damit in mindestens der Höhe der von ihm geforderten Zuwendung überhöht gewesen.
Vielmehr sei es so gewesen, dass es nicht Aufgabe des Beklagten gewesen sei, eine Ausschreibung vorzunehmen, weshalb er dies auch nicht getan habe. Der Beklagte habe keinen Auftrag an die Firma D. vergeben, sondern der DB Konzerneinkauf. Der Beklagte habe nicht gewusst, dass die an ihn erfolgte Zahlung im Angebot der Firma D. bereits eingerechnet gewesen und deshalb dieses insofern überhöht gewesen sei. Die Firma D. habe diesen Auftrag über den DB Konzerneinkauf erhalten; er habe rund 100.000,-- € unter dem Angebot der Firma G. gelegen, die ursprünglich ein Angebot vorgelegt hatte, welches dem Beklagten als zu hoch erschienen war. Insoweit werde auf die Ausführungen im Verfahren 2-13 O 336/10, die dort mit Schriftsatz vom 16.05.2011 vorgetragen wurden, Bezug genommen und zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht, und zwar mit allen dort angegebenen Beweisantritten. Insbesondere ergebe sich, dass nicht der Beklagte den Auftrag vergeben habe, auch nicht freihändig. Da das Angebot der Firma G. erheblich über dem Angebot der letztendlich zum Zuge gekommenen Firma D. gelegen habe, sei es ebenso wenig selbstverständlich wie naheliegend gewesen, dass die an den Beklagten erfolgte Überweisung in dem Angebot der Firma D. bereits eingepreist gewesen sei.
Es bleibe also im Ergebnis das übrig, was der Beklagte am 10.05.2007 gegenüber der Staatsanwaltschaft in C-Stadt zu Protokoll gegeben habe. Die weiteren Verschärfungen, die im Strafbefehl wiedergegeben seien, und auf die die Klägerseite Wert lege, habe es nicht gegeben. Es handele sich daher bei der außerdienstlichen Verfehlung um ein Einmalereignis. Die beantragte Disziplinarmaßnahme stehe völlig außer Verhältnis zum Sachverhalt. Es liege ein außerdienstliches Fehlverhalten vor. Es sei keine Entgegennahme von Geld für die Vornahme einer Diensthandlung gewährt worden, da der Beklagte selbst eine Diensthandlung (freihändige Auftragsvergabe) nicht habe vornehmen können, wie dargelegt worden sei. Es könne sein, dass der im Strafverfahren verurteilte E. davon ausgegangen sei oder gedacht habe, der Beklagte könne einen Auftrag vergeben. Die Annahme des E. sei hier aber unmaßgeblich. Es bleibe somit die unbare Entgegennahme von Geld, quasi ein Geschenk oder eine Zuwendung, übrig. Jedenfalls habe diese unbare Zuwendung keine Diensthandlung, nämlich die Auftragsvergabe, ausgelöst oder eine solche durch den Beklagten auslösen können. Vorliegend sei kein Pflichtenverstoß gegeben, der sich zu einem wirtschaftlichen Nachteil des seinerzeitigen Arbeitgebers, der DB Service AG, ausgewirkt habe. Auch bei Annahme eines Pflichtenverstoßes gebe es in diesem Bereich keine Regelmaßnahmen. Vielmehr sei nach den besonderen Umständen des Einzelfalles die Pflichtverletzung zu bewerten und einzustufen. Vorliegend sei das Maß der Dienstbezogenheit äußerst beschränkt. Die DB Station und Service AG sei eine juristische Gesellschaft des Privatrechts, wobei es keine Rolle spiele, ob sie im Ergebnis dem Bund gehöre und damit im Eigentum des Staates stehe oder nicht.
Für eine beabsichtigte Disziplinarmaßnahme seien auch die Folgen für den Beklagten selbst als bemessungserheblich zu berücksichtigen. Er büße bereits seit 5 Jahren einen erheblichen Teil seiner Vergütung ein. Auch sei zu berücksichtigen, dass die bereits erfolgten außerdienstlichen Konsequenzen, wie die Beendigung des Strafverfahrens mit Geldauflage und Bewährungsverpflichtungen sowie das beendete Zivilverfahren, aufgrund ihrer erheblichen Belastungen mildernd zu Gunsten des Beklagten zu berücksichtigen seien. Weiterhin sei die Dauer des Disziplinarverfahrens zu berücksichtigen. Bereits bei Einleitung des Disziplinarverfahrens am 24.08.2007 seien alle entscheidungserheblichen Umstände bekannt gewesen. Insbesondere sei das Protokoll über die Aussage des Beklagten vor der Staatsanwaltschaft in C-Stadt vom 10.05.2007 bekannt gewesen. Hierauf habe die Klägerseite mit Gehaltskürzung und Beurlaubung reagiert. Von einer Entfernung aus dem Dienst sei keine Rede gewesen. Es liege eine unangemessene Verfahrensverzögerung vor, die im Ergebnis auch eine niedrigere Maßnahmenart rechtfertige. Eine Aussetzung nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BDG sei überhaupt nicht notwendig gewesen. Von daher sei es völlig unangemessen und außer Verhältnis stehend, nach über 5 Jahren denselben Sachverhalt mit der Entfernung aus dem Dienst beantworten zu wollen.
Das Persönlichkeitsbild des Beklagten sei durch seine bisherigen Leistung und Führung geprägt, insbesondere durch seine Unbescholtenheit vor der fraglichen Einmaltat, aber auch danach. Es handele sich um eine einmalige, situationsbedingte und wesensfremde Tat. Außerdem könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine erzieherische Wirkung allein schon von der Aufdeckung der Tat ausgegangen sei. Alle Verfahren hätten jahrelang gedauert und ohne jedes verzögernde Zutun des Beklagten, der von Anfang an kooperativ und offen im Jahr 2007 die maßgeblichen Sachverhalte dargelegt habe. Die Klägerseite habe zu keiner Zeit den Beschleunigungsgrundsatz beachtet.
Ergänzend bringt der Beklagte vor, er bagatellisiere in keiner Weise sein Verhalten. Er weise darauf hin, dass es die unterschiedlichsten Gründe gebe, einen Strafbefehl zu akzeptieren. Dies seien beispielsweise eine unendliche lange Verfahrensdauer oder eine erheblich finanzielle Belastung, die ein Fortführen des Strafverfahrens nach sich ziehen könne. Mutmaßungen darüber, warum sich der Beklagte zum Akzeptieren des Strafbefehles entschieden habe, stehe der Gegenseite nicht zu. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass die Qualität eines Strafbefehls nicht mit der eines Urteils verglichen werden könne. Weiterhin sei zu bemerken, dass § 41 Abs. 1 Nr. 2 BBG nicht einschlägig sein könne, weil der zu beurteilende Sachverhalt sich im Jahr 2003 ereignet habe. Die Vorschrift über den Verlust der Beamtenrechte nach § 41 BBG gelte in der vorliegenden Form erst seit dem Jahre 2009. Ein Sachverhalt, der 2003 stattgefunden habe, könne nicht aufgrund eines Gesetzes sanktioniert werden, das erst im Jahr 2009 zur Geltung gekommen sei.
Die neue Klageschrift vom 11.05.2015 sei weitgehend identisch mit den bisherigen Darlegungen der Klägerseite. Weshalb diese weitestgehend unzutreffend seien, sei bereits vorgetragen worden, weshalb auf die Schriftsätze vom 07.09.2012 und 24.10.2012 sowie 07.01.2013 verwiesen werde. Den wesentlichen Mängeln, die im Beschluss vom 07.02.2014 aufgeführt worden seien, sei die Klägerseite in keiner Weise nachgegangen. Diese seien nach wie vor vorhanden. Die Vernehmung des Zeugen E. sei vergleichsweise unergiebig gewesen, weil er nichts anderes ausgesagt habe als das, was schon seit Jahren in den Akten stehe. Es bleibe daher dabei, dass das klägerische Vorbringen die Klageanträge nicht rechtfertigen könne und gemäß dem Beschluss vom 07.02.2014 nach wie vor erhebliche Mängel festzustellen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte 25 O 1475/15.WI.D sowie der vorgelegten Behördenakten (1 Band Personalakten des BEV, 1 Band Personalakten DB Projektbau GmbH, 1 Ausdruck der elektronischen Personalakten des BEV, 1 Hefter Ermittlungsakte, 1 Ordner mit Kopien aus der Akte der Staatsanwaltschaft C-Stadt zum Verfahren 7740 Js 261336/08, 1 Ordner mit Kopien aus den Akten der Staatsanwaltschaft C-Stadt zum Verfahren 7730 Js 247157/06 WI), sowie auf 2 Ordner mit Kopien der Akten der Staatsanwaltschaft C-Stadt zum Verfahren 7730 Js 248644/10, auf eine CD-ROM der Staatsanwaltschaft C-Stadt zum Verfahren 252896/10 (7730 Js 2219992/06) und 2 Bände Akten des Landgerichts C-Stadt zum Verfahren 2-13 O 336/06 Bezug genommen. Sie waren sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung. | |
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Die Klägerin begehrt
(noch)
die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen
Voraussetzungen für das Merkzeichen „RF“.
Randnummer
2
Die am xxxxx 1938 geborene Klägerin stellte im September 2018 einen Erstantrag nach dem Schwerbehindertenrecht, mit dem sie insbesondere die Feststellung der Merkzeichen „B“, „aG“ und „RF“ beantragte. Hierzu gab sie u.a. an, unter einer Abnutzung der Gelenke und einem operierten Bandscheibenschaden zu leiden. Dem Antrag beigefügt waren vier Arztbriefe über Behandlungen im A. Klinikum H. wegen einer Schädelprellung nach einem Verkehrsunfall, eines Bandscheibenvorfall LW4/5 links, einer Nasenbeinprellung nach einem Sturz in der Häuslichkeit sowie einer Urosepsis. Außerdem teilte die Klägerin mit, dass bei ihr von der Pflegeversicherung der Pflegegrad 3 anerkannt worden sei.
Randnummer
3
Die Beklagte forderte ergänzend einen Befundbericht von Dr. Ö. sowie das Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit an. Aus dem von Herrn B. erstatteten Pflegegutachten vom 17. August 2018 ergab sich, dass die Klägerin wegen ihrer Hüftkopfnekrose das rechte Bein nicht belasten dürfe. Die Rumpfstabilität sei jedoch erhalten und sie könne aufrecht im Rollstuhl oder WC-Stuhl sitzen. Zu den außerhäuslichen Aktivitäten wurde ausgeführt, dass die Klägerin ihren Wohnbereich mit Unterstützung verlassen und auch öffentliche Verkehrsmittel mit personeller Hilfe nutzen könne. Das Mitfahren in einem Kraftfahrzeug sei hingegen nicht möglich, da ein Liegendtransport oder Transport im Rollstuhl notwendig sei. Die Klägerin könne auch noch an kulturellen, religiösen oder sportlichen Veranstaltungen sowie sonstigen Freizeitaktivitäten teilnehmen, jedoch ebenfalls nur mit unterstützender Begleitung.
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4
Nach der Auswertung der Befunde durch den versorgungsärztlichen Dienst stellte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Januar 2019 einen Grad der Behinderung
(GdB)
von 60 sowie das Merkzeichen „G“ fest. Hierbei berücksichtigte sie eine Funktionsstörung beider Hüftgelenke mit einem Teil-GdB von 50 und eine Funktionsstörung der Wirbelsäule
(operierter Bandscheibenvorfall)
mit einem Teil-GdB von 20. Die Feststellung der Merkzeichen „B“, „aG“ und „RF“ lehnte die Beklagte ab, da deren Voraussetzungen nicht vorlägen.
Randnummer
5
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 4. Februar 2019 Widerspruch ein und führte aus, dass sie sowohl den Behindertenausweis als auch die Freifahrkarte und die Genehmigung, den Behindertenparkplatz vor dem Arzthaus benutzen zu dürfen, nicht mehr benötige, da sie ihre Wohnung kaum noch verlasse. Da sie nicht mehr an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könne, stehe ihr jedoch das Merkzeichen „RF“ zu. So habe sie ihre Wohnung seit der Antragstellung nur einmal verlassen, um mithilfe von 2 Personen und eines Rollstuhls einen Zahnarzt aufzusuchen. Einen Bus könne sie nur mit Rollstuhl und Hilfsperson benutzen, dies sei jedoch zu umständlich. Sie sei auch nicht in der Lage, in einen Pkw zu steigen oder diesen zu verlassen, auch nicht mit fremder Hilfe.
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6
Die Beklagte beauftragte daher Dr. K., die Klägerin in ihrer Häuslichkeit zu untersuchen. Dieser traf die Klägerin bei seiner Untersuchung am 23. April 2019 im Wohnzimmer in Tageskleidung in einem Sessel sitzend an. Sie habe sich dann schwerfällig erhoben und sei langsam und etwas unsicher am Rollator in den Flur gegangen, um nach ihrem Personalausweis zu suchen. An Beschwerden habe die Klägerin Schmerzen im Rücken, die in die Beine ziehen, eine Harninkontinenz und eine schnelle Erschöpfbarkeit angegeben. Zum Untersuchungsbefund teilte Dr. K. mit, dass die Klägerin ohne Hilfe Aufstehen, Stehen und Gehen konnte. Die angegebene Harndranginkontinenz habe sich über den gesamten Untersuchungszeitraum nicht gezeigt. Dr. K. bewertete die Hüftkopfnekrose sowie die aktivierte Coxarthrose links mit einem Teil-GdB von 60 und die Funktionsstörung der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 20. Insgesamt schlug er einen GdB von 70 vor. Da eine begleitende Sicherung beim Gehen notwendig sei, empfahl er außerdem die Anerkennung des Merkzeichens „B“.
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7
Dementsprechend stellte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2019 ab Antragstellung einen GdB von 70 mit den Merkzeichen „G“ und „B“ fest. Die Feststellung der Merkzeichen „aG“ und „RF“ lehnte sie weiterhin ab, da die Klägerin nach den vorliegenden Befunden nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehöre.
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8
Mit ihrer am 13. Mai 2019 vor dem Sozialgericht Hamburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren zunächst auf Feststellung des Merkzeichens „RF“ weiterverfolgt. Zusätzlich hat sie dann die Auffassung vertreten, dass die Harninkontinenz einen GdB von 80 rechtfertigen würde. Dies hat sie damit begründet, dass sie insbesondere aufgrund ihrer Inkontinenz öffentliche Veranstaltungen nicht mehr besuchen könne. Da sie ein behindertengerechtes WC benötige und dieses recht häufig aufsuchen müsse, sei es für sie zu aufwendig, ihre Wohnung zu verlassen. Zudem könne man ihre Anwesenheit auch anderen Gästen nicht zumuten. Die Klägerin hat zur Unterstützung ihres Vortrags ein ärztliches Attest von Dr. Ö. vom 14. Mai 2019 vorgelegt, in dem dieser darum bat, sie von der Ausweispflicht zu befreien, da sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Beigefügt war außerdem die daraufhin ausgestellte Bescheinigung über die Befreiung von der Ausweispflicht vom 21. Mai 2019.
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9
Die Beklagte hat sich zur Begründung auf den Akteninhalt und die in den angefochtenen
Bescheiden dargelegten Gründe bezogen. Das Klagevorbringen sei nicht geeignet, eine günstigere Beurteilung zu rechtfertigen. Bei der Klägerin sei weder durch die vorliegenden Befundberichte noch durch die Untersuchung des ärztlichen Dienstes des Versorgungsamtes nachgewiesen, dass eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht erfolgen könne.
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10
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von Dr. Ö. angefordert und die Klägerin gebeten mitzuteilen, welcher Arzt Angaben zum Ausmaß der Inkontinenz machen könne. Die Klägerin hat daraufhin eine Bescheinigung der Krankenkasse über aufsaugendes Inkontinenzmaterial übersandt und erneut darauf hingewiesen, dass sie Arztbesuche nur mit einem Krankenwagen durchführen könne.
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11
Am 20. Februar 2020 hat das Sozialgericht die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört und darauf hingewiesen, dass mit einer Abweisung der Klage gerechnet werden müsse, da weder eine Inkontinenz noch die dauerhafte Notwendigkeit, einen Rollstuhl zu benutzen, für die Feststellung des begehrten Merkzeichens „RF“ genüge.
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12
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14. April 2020 abgewiesen. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens „RF“ nicht. Sie sei nicht in dem geforderten Umfang seh- oder hörbeeinträchtigt und habe (derzeit) weder einen GdB von wenigstens 80 noch sei sie wegen ihres Leidens dauerhaft von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen. Das Sozialgericht hat seine Einschätzung mit den im Verwaltungsverfahren eingeholten Pflegegutachten begründet. Die Klägerin sei danach zwar in ihrer Mobilität deutlich eingeschränkt, aber gleichwohl in der Lage, mit einer Hilfsperson und einem Rollstuhl die Wohnung zu verlassen. Dass sie auf einen Transport angewiesen sei, bedeute jedoch nicht, dass sie dauerhaft von allen öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen sei. Zum einen könnte sie mithilfe ihres Rollstuhles und einer Begleitperson an Veranstaltungen in ihrem näheren räumlichen Umfeld teilnehmen. Zum anderen spreche auch nach den vorliegenden Befunden und Untersuchungsergebnissen nichts dagegen, dass sie zusammen mit einer Hilfsperson den öffentlichen Nahverkehr nutzt, auch wenn sie selbst diese Möglichkeit nicht wahrnehme, weil es ihr zu umständlich erscheine. Auch eine mögliche Harninkontinenz ändere hieran nichts. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes seien Behinderte, die an einer Harninkontinenz mit unwillkürlichem Harnabgang leiden, nicht allein aus diesem Grunde gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Ihnen sei es zuzumuten, Windelhosen zu benutzen, die den Harn ohne Geruchsbelästigung für die Umwelt für die Dauer von zwei Stunden aufnehmen könnten.
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13
Gegen den am 17. April 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin, vertreten durch ihren Ehemann, am 20. April 2020 Berufung eingelegt und nochmals auf das vorgelegte Attest des behandelnden Hausarztes verwiesen, wonach die Klägerin nicht mehr am öffentlichen Leben teilnehmen könne. Es sei unverständlich, wieso das Attest ignoriert worden sei, die Klägerin leide trotz Einnahme von Schmerzmitteln an starken Schmerzen und könne ihr Bett nicht mehr verlassen. Außerdem sei aufgrund der Harninkontinenz ein GdB von 80 angemessen.
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14
Die Klägerin beantragt sinngemäß nach ihrem schriftlichen Vorbringen und einem Teilanerkenntnis der Beklagten durch Bescheid vom 1. Oktober 2020,
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15
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 14. April 2020 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2019 in Gestalt des Gegenstandsbescheides vom 1. Oktober 2020 dahingehend abzuändern, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen „RF“ festgestellt werden.
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16
Die Beklagte beantragt,
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17
die Berufung zurückzuweisen.
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18
Die Beklagte hat auf das angefochtene Urteil verwiesen.
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19
Das Berufungsgericht hat ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin W. ist in seinem Gutachten vom 4. September 2020 nach Untersuchung der Klägerin am 17. August 2020 zu dem Ergebnis gelangt, dass zumindest ab dem Zeitpunkt der Untersuchung aufgrund der gravierenden und zahlreichen Erkrankungen
(komplexe Gangsstörung, Herzleistungsminderung, Gefäßerkrankung der Beine, relative Harninkontinenz, Wirbelsäulenschaden mit schweren funktionellen Auswirkungen auf die Hals- und Lendenwirbelsäule, schwere Hüftgelenksarthrose, ausgeprägte Senk- und Spreizfüße)
ein Gesamt-GdB von 100 angemessen sei, die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens „RF“ jedoch nicht vorliegen würden. Die Klägerin erfülle zwar die Voraussetzungen mit einem GdB von mindestens 80, sei jedoch aufgrund ihrer Leiden nicht daran gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Die Klägerin sei mit ihren schweren Bewegungsstörungen in der Lage mithilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln zum Beispiel einem Rollstuhl an derartigen Veranstaltungen teilzunehmen. Das Merkzeichen könne nur vergeben werden, wenn öffentliche Veranstaltungen auch mit Hilfsperson und Hilfsmittel nicht mehr besucht werden können. Das sei bei der Klägerin nicht der Fall. Auch im Hinblick auf die relative Harninkontinenz würden die Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Inkontinenz könne mit Hilfe von Vorlagen, die dreimal täglich gewechselt werden, und einer Windelhose versorgt werden.
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20
Mit Schriftsatz vom 29. September 2020 hat die Beklagte angekündigt, umgehend einen Neufeststellungsbescheid mit dem vom gerichtlichen Gutachter vorgeschlagenen GdB von 100 und den Merkzeichen „B“, „G“ und „aG“ zu erteilen. Dieser Bescheid ist am 1. Oktober 2020 mit Wirkung für die Zeit ab 17. August 2020 erlassen worden und die Beklagte hat am 7. Oktober 2020 ein Teilanerkenntnis abgegeben.
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21
Der Ehemann der Klägerin hat unterdessen ausgeführt, dass ein Verlassen des Hauses für seine Ehefrau unmöglich sei, weshalb sie an Veranstaltungen selbstverständlich nicht mehr teilnehmen könnte. Es sei nur möglich, sie mithilfe eines Krankentransportes zu befördern. Selbst das habe in der Vergangenheit teilweise gar nicht oder nur sehr schwer bewerkstelligt werden können. Dies habe er dem Sachverständigen anlässlich der Untersuchung auch mitgeteilt. Insofern sei nicht nachzuvollziehen, dass dieser die Voraussetzungen für das Merkzeichen „RF“ abgelehnt habe. Das Gerichtsgutachten stünde auch im Widerspruch zu den Gutachten, die von der Pflegekasse eingeholt worden seien.
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22
Nach Anforderung von Pflegeunterlagen der Pflegeversicherung hat das Gericht eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen W. veranlasst. Dieser hat am 30. Oktober 2020 dargelegt, dass er in vollem Umfang an den Feststellungen seines Sachverständigengutachtens festhalte und noch einmal auf die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ verwiesen. Dabei komme es nicht auf die individuelle Wohnsituation des behinderten Menschen an, sondern darauf, ob er objektiv gehindert sei, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. So sei es nicht von Belang, ob kein Rollstuhl vorhanden sei oder gegebenenfalls keine Hilfspersonen, die den behinderten Menschen transportieren können. Gleiches gelte, wenn sich die Wohnung sehr weit entfernt von öffentlichen Veranstaltungen befinde. Der von der Pflegekasse ermittelte Pflegegrad sei nicht relevant für die Beantwortung der Frage, ob auch mit Hilfspersonen eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen möglich sei.
Randnummer
23
Der Ehemann der Klägerin hat unterdessen eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes seiner Ehefrau mitgeteilt. Die Schmerzen seien größer geworden und es sei schwierig, sie zu mobilisieren, auch mit einem Rollstuhl. Darüber hinaus sei der Sachverständige Arzt, jedoch kein Jurist. Grundgedanke des Gesetzes sei es, Personen zu begünstigen, die in der Realität nicht mehr an Veranstaltungen teilnehmen könnten, was bei seiner Frau der Fall sei.
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24
Das Gericht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass losgelöst von der individuellen Wohnsituation maßgeblich sei, ob theoretisch mithilfe von technischen Hilfsmitteln wie einem Rollstuhl und Hilfspersonen ein Transport zu einer Veranstaltung und die Teilnahme an der Veranstaltung möglich sei, hiervon sei nach dem Sachverständigengutachten auszugehen.
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Der Ehemann der Klägerin hat darauf erwidert, dass grundsätzlich jede Person ins Krankenhaus befördert werden könne und somit transportfähig sei.
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26
Darüber hinaus ist ein aktuelles Pflegegutachten auf der Basis einer Untersuchung am 18. Dezember 2020 vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung
(MDK)
vorgelegt worden. Hier ist der Pflegegrad 4 seit dem 1. November 2020 festgestellt worden. Unter anderem geht aus dem Gutachten hervor, dass ein aufrechtes Sitzen möglich sei und die Versicherte tagsüber auch mehrere Stunden im Rollstuhl verbringe, sich aber mangels Kraft nur wenige Meter fortbewegen könne.
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Das Gericht hat die Klägerin noch einmal darauf hingewiesen, dass selbst aus dem vorgelegten Gutachten des MDK hervorgehe, dass die Klägerin nicht bettlägerig sei und sich gegebenenfalls eine längere Zeiten Rollstuhl aufhalten könne. Daher sei es ihr theoretisch möglich, an Veranstaltungen teilzunehmen. Mit Beschluss vom 12. Januar 2021 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
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28
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
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29
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben. | |
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 11. Dezember 2018 und der Bescheid des Beklagten vom 3. Juli 2013 für den Zeitraum Dezember 2009 und Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. November 2013 werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger 15 % seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Der Kläger und Berufungskläger (im Weiteren: Kläger) wendet sich gegen drei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten und Berufungsbeklagten (im Weiteren: Beklagter), mit denen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit von Dezember 2009 bis Januar 2010, April bis Oktober 2010 und März 2011 zurückgefordert werden.
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2
Der 1954 geborene Kläger bezog vom Beklagten seit 2006 durchgängig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er bewohnte alleine eine Mietwohnung in der A-Straße in D. Die Gesamtmiete betrug ab Juni 2009 monatlich 346,53 €, wovon 212,03 € auf die Grundmiete zzgl. 17 € Modernisierungszuschlag Bad, 52,50 € auf die kalten Betriebskosten und 65 € auf die Heizungs- und Warmwasserkosten entfielen. Die Warmwasserbereitung erfolgte zentral. Der Beklagte hatte die Kosten der Unterkunft (KdU) bereits seit April 2007 auf den von ihm als angemessen erachteten Wert (270 €) begrenzt.
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3
Mit Bescheid vom 26. August 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 vorläufig Leistungen der Grundsicherung in Höhe von monatlich 681,50 € und begründete die Vorläufigkeit mit der nicht feststehenden Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens. Auf Aufforderung des Beklagten vom gleichen Tag reichte der Kläger am 31. August 2009 die Verdienstbescheinigung für Mai 2009 über einen Aushilfslohn von 100 € sowie das Kündigungsschreiben der S. GmbH, wonach das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2009 gekündigt wurde, ein.
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4
Am 11. November und 28. Dezember 2009 erhielt der Kläger eine Gutschrift über jeweils 500 € auf sein Konto bei der Sparkasse H. (Kontonummer 1374XXXX). Der Kläger teilte dem Beklagten die Zahlungen nicht mit.
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5
Am 3. Februar 2010 verstarb der Stiefvater des Klägers.
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6
Im Weiterbewilligungsantrag vom 22. Februar 2010 gab der Kläger an, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse hätten sich nicht geändert. Mit Bescheid vom 4. März 2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2010 Leistungen der Grundsicherung in Höhe von monatlich 681,50 €. In der Folgezeit reichte der Kläger eine Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin H. vom 6. April 2010 über seine Arbeitsunfähigkeit vom 6. bis 23. April 2010 ein.
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Am 6. April 2010 erhielt der Kläger eine Gutschrift über 5.000 € auf sein Konto bei der Sparkasse H.
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Im Weiterbewilligungsantrag vom 16. August 2010 gab der Kläger an, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse hätten sich nicht geändert. Mit Bescheid vom 2. September 2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 Leistungen der Grundsicherung in Höhe von monatlich 681,50 €. Mit Änderungsbescheid vom 14. September 2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den genannten Zeitraum aufgrund der Neuberechnung der KdU Leistungen in Höhe von monatlich 687,53 €. Mit Bescheid vom 26. März 2011 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung auf monatlich 692,53 € (Änderung Regelsatzhöhe).
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Am 7. Februar 2011 erhielt der Kläger eine Gutschrift über 185 € auf sein Konto bei der Sparkasse H..
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Mit Schreiben vom 19. Juli 2012 teilte der Beklagte dem Kläger mit, ihm sei bekannt geworden, der Kläger habe Verfügungsgewalt über das Konto 004010XXXX bei der Stadtsparkasse D. und von diesem Konto seien diverse Überweisungen auf das klägerische Konto bei der Sparkasse H. erfolgt. Mit Schreiben vom 7. August 2012 teilte der anwaltlich vertretene Kläger mit, das Konto bei der Stadtsparkasse D. gehöre seiner Mutter. Seit dem Tod seines Stiefvaters sei ihm die Verfügungsgewalt darüber eingeräumt worden. Bei den Überweisungen vom 11. November und 28. Dezember 2009 habe es sich um Geschenke seiner Eltern gehandelt. Bei der Überweisung von 5.000 € am 6. April 2010 habe es sich um eine Zahlung nach dem Willen des verstorbenen Stiefvaters gehandelt. Diese sei als Aufwandsentschädigung für seine seit 2006 erfolgten Fahrdienste und sonstige Erkenntlichkeiten erfolgt. Am 7. Februar 2011 habe ihm seine Mutter 185 € überwiesen, damit er seine bestellten Winterreifen habe bezahlen können. Mit Schreiben vom 19. Februar 2013 teilte der Kläger weiter mit, er habe sich vom 9. bis 22. April 2010 im Urlaub im Ausland befunden. Bei Zahlung der 5.000 € habe es sich nicht um eine Erbschaft gehandelt. Vielmehr sei ihm das Geld als Entschädigung für finanzielle Aufwände gezahlt worden. In einer beigefügten Erklärung bestätigte seine Mutter, nach Ableben ihres Mannes seien 5.000 € an ihren Sohn für dessen finanziellen Aufwand während seines beruflichen Aufenthalts in den alten Bundesländern und für Fahrten mit dem krebserkrankten Vater zur Chemotherapie rückerstattet worden.
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Mit Schreiben vom 16. April 2013 hörte der Beklagte den Kläger wegen zu Unrecht bezogener Leistungen in der Zeit von Dezember 2009 bis März 2011 an. Der Kläger habe einmalige Einnahmen erzielt, die zum Wegfall der Hilfebedürftigkeit im Folgemonat geführt hätten. Die einmalige Einnahme von 5.000 € sei auf einen Zeitraum von sechs Monaten aufgeteilt worden, beginnend ab Mai 2010. Er habe einen Nachweis über seine Ortsabwesenheit vom 9. bis 22. April 2010 eingereicht. Dies habe er dem Beklagten zum damaligen Zeitpunkt nicht mitgeteilt. Er sei seiner Verpflichtung, alle Änderungen seiner Verhältnisse mitzuteilen, zumindest grob fahrlässig nicht rechtzeitig nachgekommen. Es ergebe sich eine Überzahlung von insgesamt 6.703,69 €.
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Mit Bescheid vom 3. Juli 2013 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung vom 26. August 2009 für die Monate Dezember 2009 und Januar 2010 teilweise in Höhe von je 470 € gestützt auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) auf und forderte vom Kläger die Erstattung der zu Unrecht erbrachten Leistungen von 940 € nach § 50 SGB X. Er begründete dies mit den am 11. November und 28. Dezember 2009 erhaltenen Zahlungen von jeweils 500 €, die der Kläger zumindest grob fahrlässig nicht rechtzeitig angegeben habe. Zudem habe er Einkommen erzielt, das zur Minderung seines Anspruchs geführt habe.
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Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag hob der Beklagte die Leistungsbewilligung vom 4. März 2010 für den Monat April 2010 in Höhe von 404,32 € und für die Zeit von Mai bis September 2010 in Höhe von je 866,39 € auf und forderte vom Kläger die Erstattung von insgesamt 4.736,27 €. Er begründete dies mit der Zahlung von 5.000 € am 6. April 2010, die als einmalige Einnahme auf sechs Monate verteilt berücksichtigt werde. Außerdem sei der Kläger vom 9. bis 22. April 2010 ortsabwesend gewesen. Er sei seiner Verpflichtung, alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, zumindest grob fahrlässig nicht rechtzeitig nachgekommen. Zudem habe er Einkommen erzielt, das zur Minderung seines Anspruchs geführt habe.
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14
Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag hob der Beklagte die Leistungsbewilligungen vom 2. und 14. September 2010 und vom 26. März 2011 für Oktober 2010 in Höhe von 872,42 € und für März 2011 in Höhe von 155 € auf und forderte vom Kläger die Erstattung von insgesamt 1.027,42 €. Er begründete dies mit der Zahlung vom 6. April 2010 von 5.000 €, die als einmalige Einnahme auf sechs Monate verteilt, im Oktober 2010 anteilig berücksichtigt werde und mit der Zahlung von 185 € am 7. Februar 2011. Der Kläger habe die Änderung seiner Verhältnisse wenigstens grob fahrlässig nicht rechtzeitig mitgeteilt. Zudem habe er Einkommen erzielt, das zur Minderung seines Anspruchs geführt habe.
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Den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 1. August 2013 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2013 zurück: Der Kläger habe nachträglich Einkommen erzielt, das zur Minderung seines Leistungsanspruchs geführt habe. Bei den Überweisungen handele es sich um einmalige Einnahmen, welche jeweils ab Folgemonat nach Zufluss zu berücksichtigen seien. „Für die Monate Dezember 2009 und Januar 2010 errechne sich folgender monatlicher Leistungsanspruch: … Anspruch Arbeitslosengeld II 211,50 € Abweichend hiervon wurden tatsächlich die eingangs genannten Leistungen bewilligt (685,21 €), so dass sich eine monatliche Überzahlung in Höhe von 470 € (insgesamt für Dezember 2009 und Januar 2010 940,00 €) errechnet.“
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Die dem Kläger am 6. April 2010 zugeflossene einmalige Einnahme von 5.000 € sei auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag (833,33 € ab Mai 2010 abzgl. Versicherungspauschale) zu berücksichtigen. Für den Zeitraum vom 9. bis 22. April 2010 sei der Kläger nicht genehmigt ortsabwesend gewesen. Für diesen Zeitraum seien keine Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Für den Zeitraum der ungenehmigten Ortsabwesenheit seien die anteiligen Zahlungen des Beklagten für die Krankenversicherung von 58,82 €, die Pflegeversicherung von 8,42 € sowie die Rentenversicherung von 19,04 € aufzuheben gewesen. Die Gesamtüberzahlung für April betrage 404,32 €. Für die Monate Mai bis September 2010 errechne sich eine Überzahlung von je 681,50 € (ursprünglicher Leistungsbetrag) zzgl. gewährter Beiträge für die Rentenversicherung (40,80 €), die Krankenversicherung (126,05 €) sowie die Pflegeversicherung (18,04 €). Hier trat nachträglich eine Änderung in den Verhältnissen des Klägers ein. Für die Monate Oktober 2010 und März 2011 sei die Bewilligungsentscheidung von Anfang an rechtswidrig gewesen. Der Kläger habe pflichtwidrig die Änderung seiner Verhältnisse nicht mitgeteilt, obwohl er wusste oder hätte wissen müssen, dass er zur Anzeige dieser Änderung verpflichtet gewesen sei.
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Dagegen hat der Kläger am 20. Dezember 2013 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben und sein Vorbringen wiederholt.
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Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11. Dezember 2018 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die ursprünglichen Leistungsbewilligungen seien aufgrund der grob fahrlässig nicht mitgeteilten Einnahmen bzw. Ortsabwesenheit in dem vom Beklagten errechneten Umfang aufzuheben bzw. zurückzunehmen gewesen und der Kläger habe das zu Unrecht erhaltene Arbeitslosengeld II (Alg II) zu erstatten. Durch die Zahlungen von je 500 € nach Bekanntgabe der Bewilligung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X seien wesentliche Veränderungen in den Einkommensverhältnissen eingetreten. Sie überstiegen bei Weitem den damals für einmalige Einnahmen geltenden Bagatellwert von 50 €. Da die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vorlägen, sei nicht entscheidend, ob der Kläger wesentliche Änderungen nicht mitgeteilt habe. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass sich der Kläger vom 9. bis 22. April 2010 nicht im orts- und zeitnahen Bereich aufgehalten habe. Dies habe die Inaugenscheinnahme der Reisepasskopie mit Ein- und Ausreisestempeln ergeben. Ein Aufenthalt im Ausland bedeute das Verlassen des Nahbereichs, von dem aus der Leistungsberechtigte erforderlichenfalls in der Lage wäre, den Beklagten täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen. Der Kläger habe die Information und die Einholung der Zustimmung zumindest grob fahrlässig unterlassen und habe erkennen können, dass während der Ortsabwesenheit kein Anspruch auf Alg II bestanden habe. Die teilweise Aufhebung ab Oktober 2010 stütze sich auf § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III).
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Der Kläger hat gegen das ihm am 19. Dezember 2018 zugestellte Urteil am 17. Januar 2019 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt, sein bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend vorgetragen, die Zahlung der 185 € seiner Mutter unterliege der Zweckbindung für den Erwerb von Winterreifen. Zudem dürfe sich die Rückforderung nicht auf gezahlte Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge erstrecken.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 11. Dezember 2018 und die Bescheide des Beklagten vom 3. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. November 2013 aufzuheben.
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22
Der Beklagte beantragt,
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23
die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
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Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 29. April 2022 hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aufhebung und Erstattung der Leistungen für Dezember 2009 und Januar 2010 aufgrund der zuvor lediglich vorläufig bewilligten Leistungen für diese Zeit bestehen. Hierauf hat der Beklagte unter Bezugnahme auf Kommentarliteratur mit Schreiben vom 4. Mai 2022 erwidert, mit dem Wegfall des Entscheidungshindernisses (Mitteilung des Klägers, dass im Bewilligungszeitraum kein Einkommen erzielt wurde) habe sich der vorläufige Bescheid vom 26. August 2009 automatisch in einen endgültigen Geldleistungsverwaltungsakt umgewandelt. Eine Neuverbescheidung sei daher nicht erforderlich gewesen. Zudem enthalte der Widerspruchsbescheid vom 19. November 2013 eine endgültige Leistungsfestsetzung, da hier die Leistungsansprüche für die Monate Dezember 2009 und Januar 2010 beziffert worden seien.
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Mit Schriftsätzen vom 14. und 16. Juni 2022 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. | |
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Mai 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen. | Randnummer
1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von Erwerbsminderungsrente.
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2
Die am ... 1970 geborene Klägerin unterzog sich im April 2013 nach Bandscheibenvorfällen in den Segmenten L4/5 und L5/S1 einer mikrochirurgischen Sequesterektomie. Im Anschluss nahm sie im Mai 2013 eine stationäre und ab Ende Mai bis November 2013 eine teilstationäre medizinische Rehabilitation im R. wahr, unterbrochen durch einen weiteren stationären Aufenthalt im A. im Juni 2013. Diagnostiziert wurden eine Lumboischialgie linksseitig
(ICD-10: M54.4)
, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode
(ICD-10: F33.1)
, ein Bandscheibenvorfall
(ICD-10: M51.2)
, eine sonstige näher bezeichnete Hypothyreose
(ICD-10: E03.8)
sowie eine sonstige Lordose
(ICD-10: M40.40)
. Die Klägerin wurde aus der Rehabilitationsmaßnahme als arbeitsunfähig entlassen. Bei der abschließenden Untersuchung und auch schon zuvor bewegte sie sich nach den Ausführungen im Entlassungsbericht harmonisch und offensichtlich ohne größere Schmerzen. Nach Einschätzung der Ärzte könne die Klägerin bei fortgesetzter muskulärer Stabilisierung und Wirbelsäulenaufrichtung ihren bisherigen Beruf als Reinigungskraft weiter ausüben. Sie sei in der Lage, sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittelschwere Tätigkeiten im Gehen, Stehen und Sitzen ausüben, wobei Tätigkeiten mit Wirbelsäulenzwangshaltung, z.B. Überkopfarbeiten oder Vorhaltetätigkeiten, aufgrund der multisegmentalen lumbalen Bandscheibenschäden und dem Zustand nach der Operation sowie der massiven Wirbelsäulenfehlhaltung vermieden werden sollten. Eine psychosomatische Rehabilitation wurde empfohlen.
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3
Bereits im Juli 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Erwerbsminderungsrente. Den Antrag begründete sie mit Rückenschmerzen in der Lendenwirbelsäule und Halswirbelsäule, ständigen Kopfschmerzen, Migräne, Knieschmerzen und Depressionen. Zudem leide sie an niedrigem Blutdruck und Blutmangel, einer Schilddrüsenunterfunktion sowie Kreislaufstörungen. Die in der Vergangenheit genossenen Behandlungen hätten keinen Erfolg gehabt.
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4
Im Januar 2014 befand sich die Klägerin erneut sechs Tage im A.. Aufgrund der stattgehabten mediolateralen Bandscheibenprotrusionen in den Segmenten L5/S1 und L2/3 erfolgte linksseitig eine weitere Sequesterektomie. Postoperativ bestand weiterhin eine ausstrahlende Schmerzsymptomatik. Die Rückenschmerzsymptomatik zeigte sich dagegen rückläufig.
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5
Im Entlassungsbericht der sich im Februar 2014 im Klinikum B2 anschließenden dreiwöchigen stationären medizinischen Rehabilitation wurde eine sonstige näher bezeichnete Bandscheibenverlagerung
(ICD-10: M51.2)
, eine leichte depressive Episode
(ICD-10: F 32.0)
und sonstige näher bezeichnete Zustände nach chirurgischen Eingriffen
(ICD-10: Z98.8)
diagnostiziert. Die Klägerin wurde regulär, aber als arbeitsunfähig entlassen. Ihre zuletzt verrichtete Tätigkeit als Reinigungskraft könne sie nur noch unter drei Stunden ausüben. Bei weiterem positivem Heilungsverlauf sei die Klägerin in der Lage, sechs Stunden und mehr täglich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im zeitweisen Stehen sowie überwiegenden Gehen und Sitzen in Tages-, Früh- und Nachtschicht auszuüben. Sie könne indes keine schweren Lasten heben, tragen oder bewegen. Auch sollten das Heben, Tragen und Bewegen von mittelschweren Lasten vermieden werden. Tätigkeiten mit häufiger einseitiger Körperhaltung sowie mit häufigem Bücken seien nicht möglich, ebenso wenig häufige Überkopfarbeiten und Arbeiten in der Vorhalte.
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6
Nach Beiziehung eines für die Bundesagentur für Arbeit erstellten Gutachtens, welchem zufolge das Leistungsvermögen der Klägerin aufgrund der durchgeführten Operation voraussichtlich länger als sechs Monate, aber nicht auf Dauer aufgehoben sei, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erwerbsminderungsrente unter Wiederholung der im Entlassungsbericht genannten qualitativen Leistungseinschränkungen mit Bescheid vom 25. März 2014 ab. Die Klägerin sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein.
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7
Hiergegen legte die Klägerin am 11. April 2014 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie ausführte, bereits zweimal an der Bandscheibe operiert worden zu sein. Eventuell werde eine weitere Operation erfolgen müssen. Sie leide an Depressionen, Migräne, Schilddrüsenunterfunktion, Blutmangel und niedrigem Blutdruck. 2005 sei sie an der Schulter operiert worden. Sie können zurzeit nicht lange gehen, lange stehen und lange sitzen und sich nicht bücken.
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8
Nach Einholung einer Stellungnahme des sozialmedizinischen Dienstes
(Dr. F.)
wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2014 zurück. Es hätten sich auch unter Berücksichtigung des Gutachtens für die Bundesagentur für Arbeit keine neuen medizinischen Aspekte ergeben, welche die bisherigen Ergebnisse der ärztlichen Untersuchungen widerlegen könnten.
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9
Am 5. November 2014 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Hamburg. Sie trug vor, seit der durchgeführten Operationen nur noch 5-10 Minuten sitzen zu können. Trotz der Probleme mache die Klägerin Rehabilitationssport. Sie gehe auch zum Schwimmen. Probleme würden die Knie bereiten. Sie könne sich nicht bücken, weshalb sie eine Zange zum Aufheben von Gegenständen vom Boden benötige. Außerdem könne sie sich nicht ohne Hilfsmittel anziehen oder die Badewanne benutzen. Zudem leide sie unter erheblichen psychischen Problemen.
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10
Das Gericht holte zunächst Befund- und Behandlungsberichte der die Klägerin behandelnden Ärzt:innen sowie die Krankenakten des A. und des R. ein
(Bl. 33 ff. der Gerichtsakte)
.
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Während des laufenden Klageverfahrens erfolgte im November 2016 eine nochmalige stationäre Behandlung der Klägerin mit einer Versteifungsoperation im Segment L5/S1. Im Entlassungsbericht vom 23. Januar 2017 betreffend die sich anschließende Rehabilitationsmaßnahme in der Mühlenberg Klinik in Bad Malente
(Bl. 64 ff. der Verwaltungsakte der Beklagten [medizinischer Teil])
wurde ausgeführt, die Klägerin könne bei angenommenem positivem Verlauf nach sechs Monaten leichte Arbeiten überwiegend sitzend, zeitweise gehend und stehende mit weiteren qualitativen Einschränkungen verrichten.
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Das Sozialgericht erhob anschließend Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. vom 13. April 2018. Dieser diagnostizierte bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, mittelgradige depressive Episode
(ICD-10: F33.1)
, eine Agoraphobie mit Panikstörung
(ICD-10: F40.01)
, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren
(ICD-10: F45.41)
bei Postdiskotomiesyndrom lumbosakral mit pseudoradikulärer Ausstrahlung nach links sowie Migräne
(ICD-10: G43.1)
. Davon ausgehend, sei die Klägerin in der Lage, täglich sechs Stunden und mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein, wobei die Klägerin leichte körperliche Arbeiten einfacher geistiger Art mit geringer Verantwortung, die auch ihrem Ausbildungs- und Kenntnisstand entsprächen, in geschlossenen Räumen zu ebener Erde, nicht aber auf Leitern oder Gerüsten, verrichten könne. Tätigkeiten sollten möglichst sitzend und mit einer Möglichkeit zum Wechsel der Körperhaltung ausgeübt werden. Tätigkeiten in körperlichen Zwangshaltungen, einhergehend mit gebückter, hockender und kauernder Körperhaltung sowie Tätigkeiten mit häufigem Heben und Tragen von Gegenständen seien zu vermeiden. Ebenso zu vermeiden seien Arbeiten unter besonderem Zeitdruck und Nachtarbeit. Die Wegefähigkeit der Klägerin sei gegeben. Die Agoraphobie, einhergehend mit Panikstörung, verhindere die Wegefähigkeit nicht, weil der Ausprägungsgrad der Angsterkrankung nicht so gravierend sei. Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung könne die Klägerin aus psychiatrisch-neurologischer Sicht überwinden. Eine Besserung des Gesundheitszustandes sei nicht unwahrscheinlich.
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Des Weiteren erhob das Gericht Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, Sozialmedizin und Sportmedizin Dr. S1 vom 14. November 2018. Die Sachverständige kam nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 5. November 2018 zu dem Ergebnis, dass das Leistungsvermögen auf dem orthopädischen Fachgebiet durch eine verminderte Belastbarkeit der Lendenwirbelsäule nach erstmaliger Bandscheibenoperation in den beiden unteren lumbalen Etagen, der Rezidiv-Bandscheiben-Operation L5/S1 nach spinaler Dekompression und Neurolyse L5/S1 links sowie letztendlich der lumbosakralen Versteifungsoperation beeinträchtigt sei. Die Klägerin könne keine schweren oder mittelschweren körperlichen Arbeiten mehr verrichten. Das Leistungsvermögen sei auf körperliche Arbeiten mit durchschnittlichen Gewichtsbelastung von 8-10 kg herabgesunken. Aufgrund der wiederkehrenden, auch in die Beine ausstrahlenden Beschwerden solle die Klägerin keine Tätigkeiten im dauerhaften Stehen oder Gehen ausführen. Möglich seien aber überwiegend sitzende Tätigkeiten mit gelegentlichem Wechsel in gehende und stehende Arbeitspositionen. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen und Überkopfarbeiten. Gegen das gelegentliche Ablegen eines leichteren Gegenstandes auf ein höhergelegenes Regal, insbesondere mit dem linken Arm, bestünden keine Einwendungen. Die Klägerin könne nicht auf Leitern und Gerüsten oder an gefährdenden Arbeitsplätzen unter Absturzgefahr arbeiten. Häufiges Treppensteigen, Gehen auf unebenem, rutschigem, vibrierendem oder schwankendem Untergrund und Ganzkörpervibrationen seien auszuschließen. Prophylaktisch solle keine Exposition mit Atemwegsreizstoffen erfolgen. Gegen Lärmexpositionen sei nichts einzuwenden. Aufgrund der psychischen Minderbelastbarkeit seien nur Tätigkeiten einfacher geistiger Art und Verantwortung ohne besondere Anforderungen an die Ein-, Umstellungs-, Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit zumutbar. Besonders stressbelastende Arbeiten seien auszuschließen, u.a. Akkord- und Fließbandarbeiten sowie Tätigkeiten in Nacht- und Wechselschicht. Tätigkeiten mit Eigen- und Fremdgefährdung oder auch an laufenden Maschinen seien auszuschließen. Die Klägerin solle nicht dauerhaft unter Witterungseinflüssen
(Kälte, Nässe, Zugluft)
arbeiten müssen. Leidensgerechte Tätigkeiten könne die Klägerin sechs Stunden täglich und länger ausführen. Ihre Wegefähigkeit sei erhalten. Es bestehe keine Aussicht, dass die Gesundheitsstörungen auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet in absehbarem Zeitraum gebessert werden könnten.
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Nach Bewilligung einer weiteren stationären medizinischen Rehabilitation befand sich die Klägerin im Zeitraum 3. Juni 2019 bis 15. Juli 2019 den S. Kliniken, wo die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode
(ICD-10 F33.1)
, undifferenzierte Somatisierungsstörung
(ICD-10: F45.1)
eine kombinierte und andere Persönlichkeitsstörung
(ICD-10: F61)
, 3-fach Sequestrektomie
(ICD-10: Z98.8)
, Lumboischialgie
(ICD-10: M54.4)
sowie Radikulopathie
(ICD-10: M54.19)
, Tinnitus
(ICD-10: H93.1)
sowie anamnestisch Gonarthrose
(ICD-10: M17.9)
gestellt wurden. Unter den genannten Umständen bestünden Einschränkungen für den zuletzt ausgeübten Beruf. Diesen könne sie nur noch unter drei Stunden täglich verrichten. Auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe eine Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden. Die Klägerin präsentiere weiterhin belastungsabhängige Rückenschmerzen mit Lumboischialgie links, vor allem nach längerem Sitzen, Liegen, Gehen und Stehen.
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Im Oktober 2019 befand sich die Klägerin erneut in stationärer Behandlung im M.. Diagnostiziert wurde dort eine beginnende Anschlussinstabilität nach Spondylodese L5/S1 sowie ein Harnwegsinfekt. Eine Schmerztherapie und eine Facettengelenksinfiltration L3/4 hätten nur eine leichte Befundverbesserung gebracht. Eine Mobilisation sei indes gelungen. Bereits bei der Aufnahme habe die Klägerin sich mühelos ausziehen und die Untersuchungsliege besteigen können. Empfohlen wurde eine fortgesetzte Mobilisierung unter physiotherapeutischer Anleitung und bedarfsgerechter Reduktion der Schmerzmittel im Verlauf.
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Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. Mai 2020 ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die Kammer schloss sich den Darlegungen der medizinischen Sachverständigen Dr. N. und Dr. S1 an. Weitergehende Einschränkungen des Leistungsvermögens der Klägerin ergäben sich nicht aus dem ärztlichen Entlassungsbericht der S. Kliniken. Im Vordergrund stehe eine körperliche Problematik. Der Entlassungsbericht bestätige die Sachverständigen in ihrer Einschätzung. Auch aus dem Entlassungsbericht des M.es folge keine Aufhebung des Leistungsvermögens. Die Computertomografie der Lendenwirbelsäule habe keine Entzündungen, Lockerungen oder degenerative Veränderungen gezeigt. Der zuletzt eingereichte Bericht des M.es enthalte keine Befunde. Aus ihm werde etwa nicht deutlich, dass ärztlicherseits beobachtet worden sei, dass die Klägerin einen Rollator zur Fortbewegung benötige und ihr das Ersteigen von Treppen kaum möglich sei. Die von Dr. E. zuletzt festgestellte Enuresis nocturna habe keine Auswirkung auf das Leistungsvermögen der Klägerin. Der Arbeitsmarkt stelle sich für die Klägerin nicht als verschlossen dar. Es liege weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor. Die Wegefähigkeit der Klägerin sei nicht aufgehoben.
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Gegen den ihr am 26. Mai 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26. Juni 2020 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, ihr Gesundheitszustand habe sich nach den Begutachtungen durch die medizinischen Sachverständigen verschlechtert. Bei ihr sei ein Grad der Behinderung
(im Folgenden: GdB)
von 50 festgestellt worden. Seit Januar 2020 bestehe Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe 2.
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Die Klägerin beantragt,
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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Mai 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Gegenüber den im sozialgerichtlichen Verfahren erstellten Sachverständigengutachten seien während der medizinischen Rehabilitation keine wesentlich neuen Befunde erhoben worden. Es sei lediglich eine andere sozialmedizinische Einordnung erfolgt. Auch aus dem Bericht des M.es ergäben sich keine neuen sozialmedizinischen Aspekte. Der GdB sei bei der Prüfung einer Erwerbsminderung ohne Bedeutung.
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Das Gericht hat Befund- und Behandlungsberichte der die Klägerin behandelnden Ärzt:innen Dr. E.
(Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie)
, Dr. Y.
(Psychiatrie und Psychotherapie)
, Dr. B3
(Orthopädie und Rheumatologie)
und Dr. I.
(Allgemeinmedizin, Innere Medizin)
eingeholt
(Bl. 342 ff. der Gerichtsakte)
.
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Des Weiteren hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Dr. B1. Dieser diagnostizierte nach ambulanter Untersuchung der Klägerin in seinem Sachverständigengutachten vom 23. Juni 2021
(Bl. 449 ff. der Gerichtsakte)
Restbeschwerden nach dreifacher lumbaler Bandscheibenoperation zwischen 2013 und 2016 sowie ein multiples Körperschmerzsyndrom mit deutlich psychogener Ausgestaltung. Die Gegenüberstellung der medizinischen Befunde und daraus abgeleiteten sozialmedizinischen Leistungsbeurteilungen bis 2018 sowie der Erkenntnisse des psychosomatischen Reha-Verfahrens in B. im Jahr 2019 ließen keine Befundverschlechterung erkennen, sondern führten lediglich zu einer abweichenden Interpretation. Die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung könne nicht bestätigt werden. Möglich seien der Klägerin körperlich leichte Tätigkeiten mit einfacher geistiger Beanspruchung und geringer Verantwortung, wobei Körperzwangshaltungen auszuschließen seien. Möglich seien vorzugsweise sitzende Tätigkeiten. Tätigkeiten, die ausschließlich oder überwiegend mit Tragen, Heben und Bewegen von Lasten über 3 kg ohne mechanische Hilfsmittel erfolgten, seien hingegen nicht möglich. Auch Tätigkeiten unter permanentem Zeitdruck oder Akkordbedingungen kämen nicht infrage. Im dringenden Interesse einer geregelten Lebensführung verböten sich Schicht- und Nachtarbeit. Witterungseinflüsse seien auszuschließen. Tätigkeiten an gefährdenden Arbeitsplätzen kämen nicht infrage. Zusätzliche Pausen und persönliche oder technische Arbeitshilfen seien nicht erforderlich. Gesundheitlich zumutbare Arbeiten im vorgenannten Sinne könnten regelmäßig vollschichtig arbeitstäglich durchgeführt werden. Die einer Arbeitsleistung entgegenstehenden Hemmungen beruhten nicht auf einer schwerwiegenden neurotischen Störung oder einer anderen maßgeblichen psychischen Fehlhaltung von Krankheitswert und könnten mit zumutbarer Willensanspannung überwunden werden. Die Leistungsbeurteilung der S. Klinik sei nicht haltbar. Erforderlich sei eine orthopädisch-chirurgische Begutachtung.
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Dieser Anregung folgend hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durch den Facharzt für Orthopädie Dr. D. vom 16. März 2022
(Bl. 516 ff. der Gerichtsakte)
. Dieser stellte bei der Klägerin nach ambulanter Untersuchung am 20. August 2021 und unter Berücksichtigung der bis 27. Januar 2022 vorgelegten medizinischen Unterlagen Beeinträchtigungen aufgrund einer Lendenwirbelsäulenproblematik fest, die zu drei Lendenwirbelsäulenoperationen mit schlussendlicher Versteifung im Segment L5/S1 geführt hätten. Es ergäben sich daraus Einschränkungen für mittelschwere und schwere körperliche Tätigkeiten. Arbeiten könnten noch – auch nachts – im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeführt werden, wobei ständig gehende und stehende Tätigkeiten zu vermeiden seien. Die Tätigkeiten sollten zu ebener Erde in geschlossenen Räumen und nicht unter Einfluss von Witterung vorgenommen werden. Tätigkeiten mit ausschließlich oder überwiegendem Tragen, Heben und Bücken sollten gemieden werden. Auszuschließen seien Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten oder an sonst gefährdenden Arbeitsplätzen. Zusätzliche Pausen oder Arbeitshilfen seien aber nicht notwendig. Gesundheitlich zumutbare Tätigkeiten könnten noch vollschichtig ausgeübt werden. Die Wegefähigkeit der Klägerin sei erhalten. Es bestehe keine Aussicht, dass die Einschränkungen wieder behoben werden könnten, auch nicht durch medizinische Rehabilitation. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.
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Mit Beschluss vom 19. September 2022 hat der Senat die Berufung auf den Berichterstatter übertragen, der gemeinsam mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind. | |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben sich keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. | Randnummer
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Der Kläger bezieht Sozialhilfe und begehrt die Bewilligung eines Mehrbedarfs als Schwerbehinderter auch für die Zeit vor Ausstellung des entsprechenden Schwerbehindertenausweises.
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Mit Abhilfebescheid vom 25.07.2010 stellte das Versorgungsamt A-Stadt für den Kläger fest, dass in seiner Person die Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ vorliegen und der Grad seiner Behinderung 100 beträgt. Und darüber hinaus stellte es fest, dass die vorstehenden Festsetzungen ab Dezember 2008 zutreffen. Auf den Bescheid insbesondere hinsichtlich der Begründung der bei dem Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen wird Bezug genommen. Daraufhin wurde dem Kläger vom Versorgungsamt unter dem 02. Juli 2010 auch ein entsprechender Schwerbehindertenausweis ausgestellt.
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Nach Vorlage dieses Schwerbehindertenausweises am 05. Juli 2010 bei der Behörde für Soziale Arbeit der Beklagten bewilligte diese mit Leistungsbescheid vom 06. Juli 2010 mit Wirkung ab 01. Juli 2010 bis zum 30.04.2011 einen Mehrbedarf als Schwerbehinderter in Höhe von 61,03 Euro monatlich.
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Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger einen Anspruch auf Berücksichtigung des Mehrbedarfs ab dem Zeitpunkt geltend, ab dem bei ihm die Voraussetzungen für die Annahme einer Schwerbehinderung vorlagen, mithin also für die Zeit ab Dezember 2008.
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5
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2012 wies die Beklagte den hiergegen eingelegten Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wird darin ausgeführt, dass die Anspruchsvoraussetzungen für den pauschalierten Mehrbedarf nicht vor Ausstellung des entsprechenden Schwerbehindertenausweises eintreten könnten und verwies insoweit auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 10.11.2011; Az.: B 8 SO 12/10 R).
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Am 23.02.2012 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben.
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7
Er weist darauf hin, dass die im Widerspruchsbescheid zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts von November 2011 noch auf der bis zum 06.12.2006 geltenden Fassung des § 30 SGB XII beruhe, nach der in der Tat der Besitz eines Schwerbehindertenausweises als Anspruchsvoraussetzung normiert gewesen sei. Die ab dem 07.12.2006 geltende neue Fassung des § 30 SGB XII stelle aber nicht mehr allein auf den Zeitpunkt der Vorlage des Schwerbehindertenausweises ab.
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Zudem sei die erhebliche Behinderung des Klägers bereits bei der Beklagten zuvor aktenkundig gewesen.
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9
Die in dem Bescheid des Versorgungsamtes enthaltene Festlegung des Eintritts der Behinderung finde auch bereits steuerrechtliche Berücksichtigung.
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10
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 06.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2012 im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB XII für die Zeit vom 01.12.2008 bis zum 30.06.2010 einen Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 1 SGB XII in Höhe von 17 % der maßgeblichen Regelbedarfsstufe zu gewähren.
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11
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor, dass es ihr vor dem 05.07.2010 nicht bekannt gewesen sei, dass der Kläger einen Antrag auf Zuerkennung einer Schwerbehinderung bzw. des Merkzeichens „G“ gestellt hat bzw. insoweit ein Klageverfahren angestrengt hatte. Einem Sozialhilfeträger sei nicht zuzumuten, dass er die Notwendigkeit einer Leistung erahne. So bestehe auch kein Anspruch auf eine nachträgliche Gewährung von höheren Leistungen der Hilfe zur Pflege, wenn einer Person von der Pflegekasse nachträglich eine höhere Pflegestufe zuerkannt wurde, der Sozialhilfeträger hiervon aber nichts wusste. Es sei Aufgabe des Leistungsbeziehers, mögliche Mehraufwendungen, die eine abweichende Festsetzung der Regelleistung rechtfertigen könnten, auch der Behörde gegenüber substantiiert vorzutragen und nachzuweisen. Erst dann könne der Leistungsträger überhaupt eine mögliche Übernahme der Kosten prüfen.
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13
Mit der Novellierung sei es dem Gesetzgeber darum gegangen, lediglich die zeitliche Differenz zwischen Erlass des Bescheides einerseits und der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises daraufhin andererseits einzuebnen. Eine Einbeziehung auch der Begründung des Bescheides als Wille des Gesetzgebers sei der Gesetzesbegründung in der Bundestagsdrucksache 16/2711, Seite 11 Nr. 8, nicht zu entnehmen.
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14
Auf das Protokoll des Erörterungstermins vor den Vorsitzenden der Kammer vom 24. Juli 2013 wird Bezug genommen.
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15
Die Beteiligten haben sich dabei mit einer Kammerentscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. | |
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. Juni 2015 aufgehoben, soweit das Sozialgericht die Bescheide vom 7. und 22. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2012 auch für die Zeit vom 2. März 2011 bis 8. November 2011 und vom 24. Januar bis 31. März 2012aufgehoben hat. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Klage- und Berufungsverfahren zu tragen. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen. | Die Beteiligten streiten über die teilweise Aufhebung einer Rentenbewilligung sowie die Rückforderung zu viel gezahlter Rentenbeträge.
Die 1954 geborene Klägerin arbeitete seit April 1978 als Arzthelferin. Im Dezember 2008 beantragte sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Dem entsprach die Beklagte mit Bescheid vom 19. Mai 2009 und gewährte der Klägerin Rente wegen
teilweiser
Erwerbsminderung ab 1. Januar 2009. Die Klägerin verdiente in der Zeit von März 2011 bis Oktober 2011 1.500,70 Euro monatlich. Für die Zeit vom 1. bis 8. November 2011 erhielt sie wegen der Gewährung von Weihnachtsgeld ein Gehalt in Höhe von 1.826,07 Euro (Bl. 442 der Rentenakte). Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wurde im gesamten Zeitraum von März 2011 bis März 2012 gezahlt. Ab 28. September 2011 war die Klägerin arbeitsunfähig und bezog Krankengeld vom 9. November 2011 bis 23. Januar 2012. Zum 31. Januar 2012 beendete sie ihre Berufstätigkeit, die sie in einem Umfang von vier Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche ausgeübt hatte.
Im Februar 2011 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen
voller
Erwerbsminderung. Während des Rentenverfahrens überprüfte die Beklagte die Rentenberechtigung für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und berechnete die Rente der Klägerin ab 1. Dezember 2010 neu (Neuberechnungsbescheid vom 4. Mai 2011, der nach Rücknahme des Widerspruchs bindend geworden war). Mit Bescheid vom 21. Juni 2011 lehnte die Beklagte zunächst den Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin half die Beklagte mit Bescheid vom 3. Februar 2012 ab. Sie bewilligte der Klägerin anstelle der bisherigen Rente eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. März 2011. Es ergab sich eine Nachzahlung für die Zeit vom 1. März 2011 bis 31. März 2012 in Höhe von 6.671,26 Euro.
Unter dem 7. Juni 2012 (Bl. 487 der Rentenakte) erteilte die Beklagte der Klägerin einen Bescheid über die Abrechnung der Rentennachzahlung und Rückforderung. Sie hob den Bescheid vom 4. Mai 2011 hinsichtlich des Zahlungsanspruchs für die Zeit ab 2. März 2011 bis 31. März 2012 nach § 48 Sozialgesetzbuch X (SGB X) auf. Dabei stützte sich die Beklagte konkret auf die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Der Zahlungsanspruch auf die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung sei für die Zeit, für die ein Anspruch auf die neu bewilligte Rente bestehe, entfallen (Zeit von März 2011 bis März 2012) Die Beklagte errechnete eine Überzahlung in Höhe von 5.097,94 Euro. Aus dem Rentennachzahlungsbetrag sei zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs der Barmer GEK für die Zeit vom 9. November 2011 bis 23. Januar 2012 ein Betrag in Höhe von 1 658,78 Euro und an die Klägerin ein Betrag in Höhe von 1 776,35 Euro überwiesen worden. Der zur Verfügung stehende Nachzahlungsbetrag vermindere sich auf 3.236,13 Euro (Bl. 486 der Rentenakte). Den überzahlten Betrag habe die Beklagte mit der Nachzahlung verrechnet. Die restliche Überzahlung betrage somit noch 1.861,81 Euro, der von der Klägerin zurückzuzahlen sei.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2012 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin wegen voller Erwerbsminderung ab 1. März 2012 neu.
Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 7. Juni 2012 wies die Beklagte mit Bescheid vom 13. September 2012 zurück. Die mit Bescheid vom 3. Februar 2012 bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung stelle Einkommen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X dar. Damit seien die Aufhebungsvoraussetzungen für die Vergangenheit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gegeben. Ein atypischer Fall, der eine Ermessensentscheidung erforderlich mache, läge nicht vor. Die Aufhebung für die Vergangenheit sei deshalb uneingeschränkt vorzunehmen.
Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 12. Oktober 2012 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt. Sie vertrat die Auffassung, dass sie sich nach der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung durch den Abzug des Krankengeldes schlechter stelle, als sie beim vorherigen Zustand - teilweise Erwerbsminderung plus Krankengeld – gestanden habe, und bat um Überprüfung.
Demgegenüber trug die Beklagte vor, die zuständige Krankenkasse habe ihren aufgrund der rückwirkenden Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung entstandenen Erstattungsanspruch zutreffend auf der Grundlage des Bruttokrankengeldes beziffert. Die Erstattung an die Krankenkasse im Rahmen des § 103 SGB X sei nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X bestünden in Höhe des erfüllten Erstattungsanspruchs der Krankenkasse Zahlungsansprüche der Rentenberechtigten gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund folglich nicht mehr. Eine Erstattung nach § 26 Abs. 2 SGB IV der aufgrund des Krankengeldbezuges gezahlten Rentenversicherungsbeiträge sei nicht möglich.
Mit Urteil vom 22. Juni 2015 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2012 auf. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Sozialgericht aus, die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X lägen nicht vor. Der Bescheid vom 4. Mai 2011 über die Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung sei ein Dauerverwaltungsakt und bei seinem Erlass rechtmäßig gewesen. Im Mai 2011 habe die Klägerin nur einen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gehabt. Durch die nachträgliche Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung liege eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vor, weil diese Rente zum Wegfall der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung geführt habe und die Beklagte den Bewilligungsbescheid über die teilweise Erwerbsminderungsrente unter geänderten Verhältnissen nicht mit unverändertem Inhalt habe erlassen dürfen. Bei konkurrierenden Rentenansprüchen blieben beide Rentenansprüche dem Grunde nach bestehen, nach § 89 SGB VI entfalle der Zahlungsanspruch der niedrigeren Rente. Der Beginn des Anrechnungszeitpunkts von Einkommen gelte als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse. Erst ab Dezember 2011 stelle die Zahlung der vollen Erwerbsminderungsrente anstelle der teilweisen Erwerbsminderungsrente Einkommen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X dar. Ob die von der Beklagten gegenüber der Krankenkasse beglichenen Erstattungsansprüche in vollem Umfang zur Fiktion des § 107 Abs. 1 SGB X geführt hätten, könne offen bleiben, da die angegriffenen Bescheide aus anderem Grund aufzuheben gewesen seien. Hinsichtlich des Zeitraums bis November 2011 liege schon keine Einkommenserzielung vor, denn die Rente wegen voller Erwerbsminderung bis einschließlich November 2011 sei nicht höher gewesen als die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, so dass sich die Bewilligung der vollen Erwerbsminderungsrente auf den Auszahlungsanspruch der Höhe nach nicht ausgewirkt habe. Der Bescheid vom 4. Mai 2011 habe daher erst ab 1. Dezember 2011 aufgehoben werden dürfen. Für den Zeitraum davor sei aus Sicht des Gerichts für die Aufhebung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei nachträglicher Bewilligung einer, was den Auszahlungsbetrag angehe, jedenfalls nicht höheren Rente wegen voller Erwerbsminderung kein Aufhebungstatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X erfüllt.
Der angegriffene Verwaltungsakt sei wegen Ermessensnichtgebrauch aufzuheben. Vorliegend sei ein atypischer Fall gegeben. Ein mitwirkendes Fehlverhalten der Beklagten, das zu der Überzahlung beigetragen habe, liege darin, dass die Klägerin im Zusammenhang mit der Bewilligung einer vollen Erwerbsminderungsrente nicht darauf hingewiesen worden sei, dass eine Überzahlung eintreten könne, die vom Versicherten zu ersetzen sei. Zur Wahrung ihres Wahlrechts habe die Klägerin bei der Bewilligung der vollen Erwerbsminderungsrente darauf hingewiesen werden müssen, dass es bis zur Abrechnung der Rentennachzahlung ratsam sein könne, Widerspruch gegen den Bescheid über die Bewilligung einer vollen Erwerbsminderungsrente einzulegen, und dass ihr die Befugnis zustehe, den Rentenbeginn auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Diese Beratungspflicht folge aus Sicht des Gerichts aus § 14 SGB I.
Mit ihrer am 18. September 2015 eingelegten Berufung richtet sich die Beklagte gegen das ihr am 20. August 2015 zugestellte Urteil. Zur Begründung der Berufung hat die Beklagte vorgetragen, sie halte das angefochtene Urteil für nicht zutreffend. Die Klägerin habe nach Erlass des Bescheides über die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung Einkommen in Form der Rente wegen voller Erwerbsminderung erhalten, das zum vollständigen Wegfall des Zahlungsanspruchs auf die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung geführt habe. Die Aufhebung könne vollständig auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützt werden, da die Rente wegen voller Erwerbsminderung im genannten Zeitraum genauso hoch gewesen sei wie die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Dies ergebe sich aus der Vorschrift des § 89 SGB VI. Für die Zeit vom 1. März 2011 bis 30. November 2011 habe die Klägerin keinen finanziellen Nachteil erlitten, da die Zahlungsansprüche im Wesentlichen gleich gewesen seien. Für die Zeit ab 1. Dezember 2011 sei das Gericht davon ausgegangen, dass ein atypischer Fall vorliege, der die Ausübung von Ermessen erforderlich gemacht habe. Hierbei habe sich das Gericht auf einen Fehler der Beklagten bezogen. Ein Beratungsmangel werde von der Beklagten jedoch nicht gesehen. Hierbei bezieht sich die Beklagte auf ein Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. März 2014 (S 12 R 1385/12). Ferner bezieht sich die Beklagte auf Urteile und Gerichtsbescheide verschiedener Sozialgerichte, insbesondere des Sozialgerichts Kassel, des Sozialgerichts Aachen sowie dies Sozialgerichts Konstanz, des Sozialgerichts Augsburg, die sie in Kopie vorgelegt hat.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. Juni 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hat sich trotz Erinnerung im Berufungsverfahren nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Rentenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen. | |
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.794,01 EUR (in Worten: Eintausendsiebenhundertvierundneunzig und 01/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus
250,00 EUR (in Worten: Zweihundertfünfzig und 00/100 Euro) seit dem 01. August 2006,
250,00 EUR (in Worten: Zweihundertfünfzig und 00/100 Euro) seit dem 01. September 2006,
105,82 EUR (in Worten: Hundertfünf und 82/100 Euro) seit dem 01. Dezember 2006,
173,16 EUR (in Worten: Hundertdreiundsiebzig und 16/100 Euro) seit dem 01. Januar 2007,
48,10 EUR (in Worten: Achtundvierzig und 10/100 Euro) seit dem 01. Februar 2007 und aus
966,93 EUR (in Worten: Neunhundertsechsundsechzig und 93/100 Euro) seit dem 01. April 2007
zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.794,01 EUR festgesetzt.
Die Berufung wird nicht zugelassen, soweit sie nicht ohnehin gesetzlich zugelassen ist. | Randnummer
1
Die Klägerin war bei der Beklagten, die ein Pflegeheim betreibt, aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 27. März 2006 ab dem 15. April 2006 als Pflegeassistentin tätig. Der Arbeitsvertrag war befristet abgeschlossen bis zum 15. Oktober 2007 und endete vorzeitig aufgrund Kündigung der Beklagten zum 30. April 2007. In § 16 enthält der schriftliche Arbeitsvertrag folgende Klausel:
"§ 16 Vereinbarung zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat
Die im Anhang befindliche Vereinbarung (gültig ab dem 01.10.2005) ist Gegenstand des Arbeitsvertrages und wird von dem Arbeitnehmer akzeptiert."
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2
Wegen des weiteren Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf die Kopie desselben (Bl. 14-19 d. A.) verwiesen.
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3
Die Beklagte nahm von dem Gehalt der Klägerin in Höhe von 1.250,00 Euro brutto Kürzungen vor. Im Juli 2006 kürzte die Beklagte das Gehalt der Klägerin um 250,00 Euro brutto. Im August 2006 erfolgte eine Gehaltskürzung in Höhe von 250,00 Euro brutto. Im November 2006 erfolgte eine Gehaltskürzung in Höhe von 105,82 Euro brutto. Im Dezember 2006 erfolgte eine Gehaltskürzung in Höhe von 173,16 Euro brutto. Im Januar 2007 erfolgte eine Gehaltskürzung in Höhe von 48,10 Euro brutto. Im April 2007 erfolgte eine Gehaltskürzung in Höhe von 966,93 Euro brutto. Die Klägerin ist der Ansicht, die Gehaltskürzungen seien unberechtigt. Die Klägerin behauptet, sie habe jeden Tag dokumentiert, was sie gemacht habe.
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4
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.794,01 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 250,00 Euro seit dem 01. August 2006, aus 250,00 Euro seit dem 01. September 2006, aus 105,82 Euro seit dem 01. Dezember 2006, aus 173,16 Euro seit dem 01. Januar 2007, aus 48,10 Euro seit dem 01. Februar 2007 und aus 966,93 Euro seit dem 01. April 2007 zu zahlen.
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5
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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6
Die Beklagte ist der Ansicht, die jeweiligen Abzüge seien gerechtfertigt. Die Beklagte meint, die Ansprüche der Klägerin seien bereits gemäß § 15 des schriftlichen Arbeitsvertrages verfallen. Die Beklagte meint darüber hinaus, sie sei zum Lohnabzug berechtigt gewesen. Dem Arbeitsvertrag sei die Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat beigefügt gewesen. Danach sei die Beklagte berechtigt gewesen, das Gehalt zu kürzen. Die Vereinbarung zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat enthält u. a. folgende Regelung:
"Ab dem 01. Oktober 2005 erhält jeder Mitarbeiter als Minimum 80 % seines Grundgehaltes. Um das jeweilige Grundgehalt von 100 % zu erreichen, wird die Differenz von 20 % nach bestimmten Kriterien definiert.
...
Bonuswerte dienen nur zur Verrechnung, werden nicht bei einem Wert über dem Grundgehalt ausgezahlt! Werte die in einem Monat über der 20 %-Grenze liegen werden mit in den darauffolgenden Monat übernommen. Bei Beschäftigungsende wird eine Gesamtverrechnung vorgenommen. In diesem Fall wäre eine Auszahlung des Grundgehaltes unter 80 % möglich."
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7
Wegen des weiteren Inhalts der Vereinbarung wird auf die Kopie derselben (Bl. 48-51 d. A.) und insbesondere Bl. 50 u. 51 d. A. verwiesen.
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Die Beklagte behauptet, Basis der Vereinbarung zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat sei die Einführung einer sog. Dokumentationskontrolle gewesen. Sinn und Zweck des Regelungswerkes sei seinerzeit gewesen, dass die Beklagte über die Krankenkassen auch nur das abrechnen könne, was von den Mitarbeitern tatsächlich an Pflege dokumentiert werde und Grundlage für die Abrechnung bei den Krankenkassen bilde. Da die einzelnen Mitarbeiter es vor dieser Vereinbarung aufgrund ihres Festgehaltes nicht für notwendig erachtet hätten, eine ordentliche und vollständige Dokumentation der Pflegeleistungen durchzuführen, die Basis für die Abrechnung der Beklagten mit den jeweiligen Krankenkassen seien, habe die Beklagte das Regelungswerk entwickelt, um so eine Motivation der Mitarbeiter zur vollständigen und umfassenden Dokumentation der von ihnen verrichteten Tätigkeiten zu erzielen. Die Abzüge der Klägerin resultierten aus einem jeweiligen Leistungsminus, so dass das Gehalt der Klägerin bis zur 20 %-Grenze habe gekürzt werden dürfen. Im letzten Abrechnungsmonat sei die Beklagte berechtigterweise über die 20 %-Grenze gegangen.
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9
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalte der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen. | |
Die Erschließungsbeitrags-Vorausleistungsbescheide vom 13. November 2009 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen. | Randnummer
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Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf einen Erschließungsbeitrag.
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Die Kläger sind Eheleute und Eigentümer des Grundstücks Gemarkung B. N., Flur ..., Flurstück ... Das 206 qm große, bebaute Grundstück grenzt im Norden an die Straße Am J..
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3
Die Bezeichnung Am J. erhielt die Straße spätestens 1955. Sie beginnt im Westen an der Einmündung der U.-Straße und setzt sich Richtung Osten bis zur damaligen Gemarkungsgrenze H. und von dort weiter in der Gemarkung H. fort. Früher mündete die Straße Am J. in die Verlängerung der F.-Straße. Heute setzt sich die Straße Am J. an der Kreuzung mit der F.-Straße und der I.-Straße Richtung Nordosten in einer R.-Straße fort, die nach etwa 250 m wieder auf die I.-Straße trifft. Der zuletzt genannte Teil der Straße Am J. wurde im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan „I.-Straße“ der Stadt B. N. hergestellt und ist nicht Gegenstand der streitgegenständlichen Maßnahme.
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Die ehemalige Gemarkungsgrenze durch die Straße Am J. verlief schräg an den östlichen Grenzen der heutigen Parzellen 353 und 393. Die Straße selbst war bereits vor 1850 als sog. „Karrenweg“ vorhanden und bildete wegen seiner Höhenlage eine Umgehung der Ahr-Überschwemmungsgebiete und eine Verbindung von N. nach H. sowie eine Anbindung an die entsprechenden Ahrbrücken. Nach Auskunft des Landesamtes für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz vom 17. November 2008 handelte es sich bei dem Verbindungsweg zwischen B. N. (J.) und H. ehemals um einen sog. „II-A-Weg“. Darunter wurden „Unterhaltene Fahrwege mit fester Fahrbahn – grobes Pflaster, Stein- und weiterer Schüttung – ohne besonderen Unterbau“ gefasst.
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5
Sowohl in N. als auch in H. erfolgte bereits Ende des 19. Jahrhunderts (N.) bzw. ab den 1920er Jahren (H.) eine vereinzelte Bebauung an dem hier betroffenen Teil der Straße Am J. zwischen dem F.-Weg und der F.-Straße. Im Bereich der Gemarkung H. erfolgte bis 1959 eine beidseitige Bebauung mit insgesamt 7 Häusern auf einer Straßenlänge von etwa 100 m. Auf dem deutlichen längeren Straßenabschnitt in der Gemarkung N. von etwa 680 m wurden bis 1960 insgesamt 13 Häuser errichtet. In den 1960er Jahren wurden dort weitere 7 Häuser gebaut.
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Mit dem Vierten Landesgesetz über die Verwaltungsvereinfachung im Lande Rheinland-Pfalz vom 10. Januar 1969 (GVBl. 1969, S. 5), in Kraft getreten am 7. Juni 1969, wurden unter anderem die Stadt B. N. und die Gemeinde H. aufgelöst und die Stadt B. N. als Rechtsnachfolgerin der aufgelösten Gebietskörperschaften gebildet.
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7
Zwischen 1973 und 1984 wurde in der Straße Am J. in drei Abschnitten ein Kanal eingezogen. Ebenso wurden Gullys gesetzt. Im Bereich H. erfolgte diese Verlegung erst 1984, beginnend in der Nähe der ehemaligen Gemarkungsgrenze. Für diese Maßnahmen wurden auf Grundlage einer Kostenspaltung und einer Abschnittsbildung Teilerschließungsbeiträge erhoben, die auf den 26. November 1973, 9. Januar 1976 und 15. Juli 1985 datieren.
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Mit Beschluss des Stadtrates der Beklagten vom 18. Dezember 2008 wurde entschieden, Straßenbauarbeiten für die erstmalige Herstellung der Straße Am J. vom F.-Weg bis zur F.-Straße auf Grundlage der Entwurfsplanung des Büros für Ingenieur- und Tiefbau GmbH B. aus B. N. ausführen zu lassen. Unter dem 14. September 2009 beschloss der Stadtrat Vorausleistungen in Höhe von 80 v.H. des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags zu erheben.
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Mit getrennten Vorausleistungsbescheiden vom 13. November 2009 wurden die Kläger unter Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung der Miteigentümer jeweils zu einer Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag in Höhe von 4.707,51 € herangezogen. Auf Grundlage eines geschätzten beitragsfähigen Aufwands in Höhe von 1.708.052,26 € wurde abzüglich des städtischen Anteils in Höhe von 10 v.H. der zu verteilende Aufwand von 1.537.247,30 € auf eine beitragspflichtige Gesamtfläche von 69.960,57 qm verteilt. Von dem danach errechnete Beitragssatz von 21,973053 €/qm wurden 80 v.H. als Vorausleistung, also 17,578442 €/qm als Beitragssatz zugrunde gelegt. Die beitragspflichtige Fläche der Kläger betrug auf Grundlage der Grundstückfläche von 206 qm zuzüglich einer Vervielfachung von 1,3 für 2 Vollgeschosse insgesamt 267,80 qm.
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Die Prozessbevollmächtigten der Kläger legten mit Schreiben vom 27. November 2009, eingegangen bei der Beklagten am 2. Dezember 2009, jeweils Widerspruch gegen die Vorausleistungsbescheide ein. Insgesamt vertreten die Prozessbevollmächtigten 85 Widerspruchsführer. Die Beteiligten haben sich darauf verständigt, das vorliegende Verfahren sowie das Parallelverfahren 4 K 937/10.KO als Musterverfahren zu führen und die übrigen Verfahren dem Kreisrechtsausschuss nicht vorzulegen.
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Über die Widersprüche ist bislang nicht entschieden.
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Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2010, eingegangen bei Gericht am 26. Juli 2010, hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger Klage erhoben. Er trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, dass für die vorgenommenen Maßnahmen keine Erschließungsbeiträge und dementsprechend keine Vorausleistungen hierauf erhoben werden könnten. Die Straße Am J. sei bereits vor dem 30. Juni 1961 im erschließungsbeitragsrechtlichen Sinne hergestellt gewesen, so dass es sich vorliegend gemäß § 242 BauGB nicht um eine beitragspflichtige Erschließungs- sondern allenfalls um eine Ausbaumaßnahme handle. Die Straße Am J. habe hinsichtlich des Fahrbahnbelages, der Fahrbahnbreite und der Straßenentwässerung bereits vor 1961 den damals einschlägigen Herstellungsmerkmalen entsprochen. Sie habe dem innerörtlichen Verkehr gedient und sei bereits damals zum Anbau bestimmt gewesen. So seien auch bereits vor 1961 eine Reihe von Baugenehmigungen für die Straße Am J. erteilt worden. Zur Stütze seines Vortrags legt der Prozessbevollmächtigte mehrere Auszüge aus Polizeiverordnungen, Ortsstatuten, Protokollbüchern und historischen Texten bzw. Chroniken vor. Darüber hinaus werden Kopien historischer Aufnahmen vorgelegt.
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Der Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragt,
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die Erschließungsbeitrags-Vorausleistungsbescheide der Beklagten vom 13. November 2009 aufzuheben,
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, die Straße Am J. sei nicht bereits vor 1961 fertiggestellt gewesen und habe auch unter Geltung der späteren Erschließungsbeitragssatzungen zu keinem Zeitpunkt die erforderlichen Herstellungsmerkmale erfüllt. So hält der Prozessbevollmächtigte der Beklagten bereits das Bestehen einer funktionstüchtigen Straße für zweifelhaft. Jedenfalls fehle es vor 1961 an der erforderlichen Anbaubestimmung. Es habe lediglich eine lückenhafte Bebauung bestanden und die Baugenehmigungen seien als Ausnahmegenehmigungen ergangen. Von daher fehle es an einer systematischen Anbaubestimmung. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass sich die jeweiligen Ortsstatuten die Herstellungsmerkmale der Polizeiverordnungen zu Eigen gemacht hätten. Die danach erforderlichen Herstellungsmerkmale, insbesondere eine funktionsfähige Straßenentwässerung und Straßenbeleuchtung sowie Gehwege, habe die Straße Am J. nicht aufgewiesen. Auch auf Grundlage der späteren Erschließungsbeitragssatzungen könne nicht von einer endgültig hergestellten Erschließungsanlage ausgegangen werden. Auch hier fehle es an den genannten Einrichtungen wie Entwässerung, Straßenbeleuchtung und angelegten Gehwegen, wobei insbesondere zu berücksichtigen sei, dass die entsprechende Einrichtung nicht nur teilweise, sondern auf der gesamten Verkehrsanlage funktionstüchtig vorhanden sein müsse. Die ab 1973 errichtete Entwässerung sei nicht ausreichend, um eine funktionstüchtige Straßenentwässerung für die gesamte Verkehrsanlage zu begründen, da hiermit zwar auch Gullys gesetzt worden seien, der geregelte Abfluss des Straßenoberflächenwasser jedoch noch nicht für die gesamte Verkehrsanlage gewährleistet gewesen sei. Letztlich erfordere eine endgültige Herstellung neben den Herstellungsmerkmalen auch eine Errichtung im Umfang der gemeindlichen Planung. Diese werde vorliegend bereits seit 1965 in einer einheitlichen Planung der Beklagten betrieben, welche über die Jahre immer wieder modifiziert und angepasst worden sei und erst durch die nunmehr durchgeführte Maßnahme ihren Abschluss gefunden habe. Dementsprechend habe die Straße Am J. zwischenzeitlich zu keinem Zeitpunkt den Planungsvorstellungen der Beklagten entsprochen.
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Der Beklagten wurde hinsichtlich der Vorlage weiterer Unterlagen zur Entwässerungssituation der Straße Am J. vor der hier abgerechneten Maßnahme ein Schriftsatznachlass gewährt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschrift, den Inhalt der zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten, die Verwaltungsakten der Beklagten (1 Ordner), die mit Schriftsatz vom 26. Januar 2011 vorgelegten Bauakten sowie 2 Bebauungspläne Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. |