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Einstellungen verschiedener Bevölkerungsgruppen zur Demokratie | Datenreport 2021 | bpb.de | In Tabelle 2 sind die Einstellungen zum Funktionieren der Demokratie in Deutschland nach Geschlecht, Alter, beruflicher Stellung, ideologischer Orientierung (links-rechts) und Parteipräferenz aufgeschlüsselt. Sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland zeigen sich einige auffällige Abweichungen vom Durchschnitt. Erstens waren die Arbeitslosen sowohl in West- als auch in Ostdeutschland weniger zufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie als der jeweilige Bevölkerungsdurchschnitt. Bemerkenswert ist zweitens, welch ein geringer Anteil der Anhängerinnen und Anhänger der Alternative für Deutschland (AfD) zufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie war. Im Westen waren das 2018 lediglich 28 % und im Osten gerade einmal 4 %. Das zeigt, dass das demokratiekritische Potenzial in Deutschland vor allem bei den Anhängerinnen und Anhängern der AfD lokalisiert werden kann. Auch Anhängerinnen und Anhänger der Partei Die Linke wiesen unterdurchschnittliche Zufriedenheitswerte auf (58 % im Westen und 44 % im Osten). Drittens wiesen insbesondere in Ostdeutschland ideologisch rechtsorientierte Bürgerinnen und Bürger eine geringere Demokratiezufriedenheit auf. Auffällig ist die Ähnlichkeit zwischen den verschiedenen Altersgruppen in Ostdeutschland. Es wurde erwartet, dass insbesondere die nachwachsenden Generationen vom neuen demokratischen System geprägt werden und eine positivere Haltung zu diesem System ausbilden. Diese positiven Sozialisationseffekte haben sich bei der Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie bislang kaum eingestellt.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in Ost und West sowohl die Arbeitslosen als auch die Anhängerinnen und Anhänger der Partei Die Linke der Demokratie in Deutschland vergleichsweise kritisch gegenüberstehen. Bedenklich ist vor allem die geringe Demokratiezufriedenheit bei den Anhängerinnen und Anhängern der AfD. | Article | Anne-Kathrin Stroppe, Marlene Mauk | 2021-06-23T00:00:00 | 2021-03-26T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/datenreport-2021/politische-und-gesellschaftliche-partizipation/330226/einstellungen-verschiedener-bevoelkerungsgruppen-zur-demokratie/ | In Tabelle 2 sind die Einstellungen zum Funktionieren der Demokratie in Deutschland nach Geschlecht, Alter, beruflicher Stellung, ideologischer Orientierung (links-rechts) und Parteipräferenz aufgeschlüsselt. Sowohl in Ost- als auch in Westdeutschlan | [
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Analyse: Perspektiven der Agrarforschung in der Ukraine – eine Reflexion am Beispiel der Nationalen Akademie der Agrarwissenschaften | Ukraine-Analysen | bpb.de | Zusammenfassung
Der ukrainische Reformprozess des Forschungs- und Innovationsystems wurde im Zuge der Maidan-Revolution verschiedentlich adressiert, macht aber nur langsame Fortschritte. Weiterhin leidet die öffentliche Forschungslandschaft, die in der Ukraine nach wie vor schwerpunktmäßig an den Akademien der Wissenschaften etabliert ist, unter finanziellen und strukturellen Problemen. Dieser Beitrag illustriert am Beispiel der Nationalen Akademie der Agrarwissenschaften (NAAS) wesentliche Problembereiche. Besonders problematisch erscheinen die mangelnde Internationalisierung, kaum international sichtbare Forschungsleistungen, Defizite in der methodischen und theoretischen Ausbildung der Forschenden sowie ein Missverhältnis von Aufgabenumfang und Personalbestand in Relation zur Finanzierung. Lösungen sind aktuell nicht in Sicht.
Forschungs- und Innovationslandschaft in der Ukraine
Parallel zum stockend verlaufenden Reformprozess leidet die ukrainische Forschungslandschaft unter strukturellen Problemen. Gemessen an der Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen im Bereich Agrar- und Biowissenschaften liegt die Ukraine nach dem "Scimago Journal & Country Rank" (SJC) der wissenschaftlichen Zitationsdatenbank "Scopus" für das Jahr 2019 weltweit auf Rang 51 und damit im oberen Drittel. Was zunächst aus produktiver Sicht als gutes Ergebnis erscheint, relativiert sich bei Betrachtung der absoluten Anzahl an Publikationen. Im Jahr 2019 etwa wurden in diesem Forschungsbereich 774 zitierfähige Publikationen veröffentlicht. Dem stehen für Deutschland 11.414 Publikationen gegenüber. In agrarspezifischeren Bereichen, wie etwa dem Pflanzenbau, finden sich für die Ukraine nur 68 (Deutschland 1.155) oder im Bereich der Bodenwissenschaften nur 34 (Deutschland 964) Publikationen. Die Diskrepanz wird noch größer, wenn neben der reinen Publikationsanzahl auch die Publikationsqualität berücksichtigt wird. Diese wird üblicherweise anhand von Zitationen beurteilt, welche ein Hinweis auf die Wahrnehmung und Resonanz der veröffentlichten Forschung sind. So wurden die im Jahr 2018 erschienenen ukrainischen Beiträge im Bereich Agrar- und Biowissenschaften bislang im Durchschnitt 1,77-mal zitiert, deutsche Veröffentlichungen dagegen bereits 3,92-mal.
Nun könnte man die unterschiedlichen Forschungsleistungen damit erklären, dass Deutschland mehr Einwohner hat und die Forschungseinrichtungen besser ausgestattet sind. Allerdings gibt es in der ukrainischen Agrarforschung eine erhebliche Anzahl agrarwissenschaftlicher Einrichtungen mit einem teilweise enorm hohen Personalbestand. So weist die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) für die ukrainischen Agrarwissenschaften im Jahr 2018 etwa 3.462 wissenschaftliche Vollzeitäquivalente aus (Tabelle 1). Für die Agrarwissenschaften in Deutschland wurden für das Jahr 2003 vom Wissenschaftsrat insgesamt etwa 5.150 Vollzeitäquivalente ausgewiesen, das Personal an Fachhochschulen und Landesforschungseinrichtungen eingerechnet. Auch wenn sich der Personalbestand in Deutschland zwischenzeitlich erhöht haben dürfte, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Publikationsleistungen je Vollzeitäquivalent größenbereinigt im Durchschnitt mindestens um den Faktor 10 unterscheiden, bei den Zitationszahlen sogar mehr als um den Faktor 20.
Während in Deutschland die FuE-Intensität, also der Anteil der Bruttoinlandsausgaben im gesamten Bereich Forschung und Entwicklung (FuE), von 2,2 Prozent im Jahr 1997 auf 3,1 Prozent (entspricht knapp 105 Milliarden Euro) im Jahr 2018 angestiegen ist, sank die Forschungsintensität in der Ukraine im selben Zeitraum von 1,2 Prozent auf 0,5 Prozent (entspricht circa 527 Millionen Euro) (Grafik 1). Schaut man auf die FuE-Intensität in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, so wird deutlich, dass diese in den Agrarwissenschaften überproportional rückläufig ist (Tabelle 2). Gemessen in Vollzeitäquivalenten hat sich die Anzahl der ukrainischen Forschenden insgesamt von 61.858 (2009) auf 41.713 (2018) um knapp ein Drittel reduziert. Ebenfalls rückläufig ist die Entwicklung bei den Agrarwissenschaften (Tabelle 1). Allerdings verläuft dieser personelle Rückgang weniger schnell als der der effektiven Forschungsmittel. Dies deutet darauf hin, dass die verfügbaren Mittel für die Bezahlung und Ausstattung je Forschenden nicht mit anderen Sektoren Schritt halten können und sich die Arbeitsbedingungen verschlechtert haben.
In der Ukraine ist die öffentliche Forschung vornehmlich an den Akademien der Wissenschaften angesiedelt, während die Hochschulen sich vor allem auf die Lehre fokussieren. In den letzten Jahren sind Verschiebungen in dieser Aufgabenteilung zu beobachten. Forschungsaktivitäten werden mitunter an die Universitäten verlagert bzw. Kooperationen zwischen Akademien und Hochschulen intensiviert. Die Akademien sind dem ukrainischen Ministerkabinett unterstellt und haben weitgehende Gestaltungsfreiheit hinsichtlich ihrer fachlichen Ausrichtung. Das Akademiesystem der Ukraine umfasst neben der 1918 gegründeten Nationalen Akademie der Wissenschaften (NAS), verschiedene kleinere sektorale Akademien, darunter die 1931 gegründete Nationale Akademie der Agrarwissenschaften (NAAS).
Zur Ausgangssituation der Nationalen Akademie der Agrarwissenschaften
Die NAAS der Ukraine erscheint nach wie vor stark von den institutionellen Bedingungen der sozialistischen Zeit vor 1991 geprägt. In dieser Zeit hat die Vorgängerorganisation der NAAS eine herausragende und anerkannte Rolle in der wissenschaftlichen und informationstechnischen Begleitung der Agrarproduktion gespielt. Infolge des Zusammenbruchs des sozialistischen Systems haben sich institutionelle Rahmenbedingungen des Agrarsektors wie auch der Agrarforschung jedoch radikal geändert. Zum Vergleich: In Deutschland wurden im Zuge der Wiedervereinigung die DDR-Akademien aufgelöst. Nur die wettbewerbsfähigen Einheiten wurden in die bestehende Wissenschaftslandschaft eingegliedert, von denen einige Einrichtungen später in sogenannte "Blaue-Liste-Institute" umgewandelt wurden und heute Teil der Leibniz-Gemeinschaft sind.
Der Auftrag der NAAS besteht darin, die Entwicklung des Agrarsektors der Ukraine wissenschaftlich zu begleiten. Dieser Auftrag umfasst ein breites Spektrum von Teilaufgaben und reicht von grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung, wissenschaftlichen Infrastrukturaufgaben (z. B. Genbanken oder die Bereitstellung von Saatgut), über den Wissenstransfer bis hin zur Nachwuchsförderung und Forschungskoordination. Die NAAS hat eine beträchtliche Personalausstattung. Laut eines Berichts der Nationalen Akademie der Agrarwissenschaften der Ukraine von 2019 waren im Jahr 2018 in ihren wissenschaftlichen Einrichtungen insgesamt 7.100 Personen beschäftigt. Davon gehörten 3.587 Mitarbeiter zum wissenschaftlichen Personal, darunter 404 Doktoren, die nach deutschen Maßstäben als habilitiert gelten würden und 1.494 Kandidaten, die in Deutschland als promoviert bezeichnet werden würden (Khodakiwska 2019).
Die Altersstruktur der NAAS lässt sich demzufolge als fortgeschritten bezeichnen, nur knapp 37 Prozent des wissenschaftlichen Personals war im Jahr 2018 in der Altersklasse "bis 40 Jahre" eingruppiert. Zugleich wird in dem genannten Bericht ein massives finanzielles Defizit an staatlicher Finanzierung beklagt. In den Jahren 2016 bis 2018 wären nur 50 Prozent der Finanzmittel zur Finanzierung der vom Staat bestellten Forschungsarbeiten ausgezahlt worden, 2019 waren es etwa 335 Millionen ukrainische Hrywnja (UAH) (entspricht rund 10 Millionen Euro). Andererseits verfügt die NAAS über ein beträchtliches Immobilienvermögen, das insbesondere Landbesitz umfasst.
Dem Bericht von 2019 zufolge habe im Zuge der jüngeren Reformprozesse die NAAS zudem auf die gestiegenen politischen Anforderungen an Forschungseinrichtungen reagiert. Dazu gehöre beispielsweise die Erstellung von Forschungsplänen und deren Begutachtung, eine regere Publikationstätigkeit und Einwerbung von Drittmitteln, eine verstärkte internationale Vernetzung und Dokumentation wissenschaftlicher Leistungen oder die Etablierung von wissenschaftlichen Beiräten. Darüber hinaus seien im Jahr 2019 alle Einrichtungen der NAAS nach ihren Leistungen der zurückliegenden Jahre und nach ihrem wissenschaftlichen Potenzial begutachtet worden. Im Ergebnis wurden 17 wissenschaftliche Einrichtungen in die erste (höchste) Qualifikationsgruppe, 38 Einrichtungen in die zweite Qualifikationsgruppe und die übrigen in die dritte Qualifikationsgruppe eingestuft. Wissenschaftliche Einrichtungen der ersten Qualifikationsgruppe erhalten diese Attestierung für fünf Jahre und haben für diesen Zeitraum auch Anspruch auf staatliche Finanzierung. Wissenschaftliche Einrichtungen der zweiten Qualifikationsgruppe erhalten eine dreijährige Attestierung mit staatlicher Finanzzusage, während der Attestierungszeitraum und die Finanzierung für Einrichtungen der dritten Gruppe nur zwei Jahre betragen.
Die sehr positiv klingenden Evaluierungsergebnisse überraschen angesichts der dargestellten strukturellen und finanziellen Schwierigkeiten der ukrainischen Forschungslandschaft. Das gilt nicht zuletzt auch angesichts des beträchtlichen wissenschaftlichen Personalbestands. Nachfolgend wird daher die gegenwärtige Situation der NAAS mit Blick auf internationale Standards und Entwicklungstendenzen aus einer Außenperspektive eingeordnet und diskutiert.
Entwicklungsherausforderungen und Reformbedarfe
Integration in die internationale Wissensgemeinschaft
Laut der erwähnten Studie von 2019 haben jährlich etwa 30 bis 40 Angehörige der NAAS die Möglichkeit zur Vertiefung der wissenschaftlichen Kenntnisse durch Forschungsaufenthalte im Ausland. Das entspricht einem Anteil von etwa einem Prozent des wissenschaftlichen Personals. An internationalen Foren und Konferenzen würden jährlich etwa 150 Personen teilnehmen, also etwa vier Prozent des wissenschaftlichen Personals. Geht man davon aus, dass diese Zahlen auch für andere Jahre gelten, lässt sich vermuten, dass ein Großteil des wissenschaftlichen Personals der NAAS keine Auslandserfahrungen besitzt.
Ursachen der geringen internationalen Vernetzung dürften vor allem in mangelnden Englischkenntnissen liegen, aber auch in der in Relation zur Beschäftigtenzahl schlechten Finanzausstattung, die etwa Reisen zu Konferenzen erschwert. Dies führt zum einen dazu, dass viele Forschungsleistungen der NAAS im Ausland unbekannt bleiben. Zum anderen bleibt damit auch der Stand der internationalen Forschung vielen bzw. den meisten Forschenden der NAAS weitgehend unbekannt. Damit wäre die NAAS von der Entwicklung der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft entkoppelt und kann daher kaum ihrer Aufgabe nachkommen, die Integration der ukrainischen Agrarwissenschaft in die internationale Forschungsgemeinschaft zu fördern.
Forschungsleistungen
Auswertungen in internationalen Publikationsdatenbanken wie "Google Scholar", "ResearchGate", "Scopus" und teilweise auch die Auswertungen des "Web of Science" zeigen, dass von den Angehörigen der NAAS aktiv publiziert wird. Teilweise finden sich etwa in "Google Scholar" sogar auf den ersten Blick beeindruckende Publikationslisten und Zitationszahlen von Angehörigen der Einrichtungen. Bei näherer Betrachtung fällt jedoch auf, dass laut "Google Scholar" vielzitierte Artikel selten englischsprachig sind. Die Veröffentlichungen erscheinen fast ausschließlich in Zeitschriften, die nicht oder kaum international anerkannt sind. Eine Suche nach Publikationen im "Web of Science" ergab für die NAAS lediglich 81 Zeitschriftenartikel, die seit 2010 veröffentlicht wurden. Davon sind alleine 31 in der Springer-Zeitschrift "Cytology and Genetics" veröffentlicht, die einen für die Disziplin recht niedrigen Impact Faktor von 0,475 (2019) hat. (Der Impact Faktor gibt an, wie oft die Artikel einer Zeitschrift durchschnittlich pro Jahr in anderen wissenschaftlichen Publikationen zitiert werden.) Zudem besteht das Herausgebergremium dieser Zeitschrift zum Großteil aus Angehörigen der Nationalen Akademie der Wissenschaften (NAS). Viele der in dieser Zeitschrift von NAAS Forschenden veröffentlichten Artikel weisen federführend Autoren aus, die Angehörige der NAS sind. Dies erweckt den Eindruck, dass dort viele institutseigene Publikationen erscheinen, was wiederum Fragen nach einer unabhängigen Begutachtung aufwirft. Viele der übrigen im "Web of Science" gelisteten NAAS Publikationen erschien darüber hinaus in anderen niedrig-rangigen Zeitschriften aus Russland, der Türkei oder Indien.
Wissenschaftliche Qualitätssicherung
Für einige Teilbereiche der NAAS, wie der Agrarökonomie, finden sich Publikationen lediglich außerhalb des "Web of Science" und sind teilweise in der Literaturdatenbank "Scopus" gelistet. Obwohl auch "Scopus" grundsätzlich eine Qualitätssicherung voraussetzt, weisen hier stichprobenartig durch den Erstautor geprüfte agrarökonomische Beiträge Defizite und Probleme auf, die ausdrücklich nicht nur für Forschende der NAAS, sondern für große Teile der Agrarökonomie in der Ukraine sowie in Osteuropa typisch sind. Dies betrifft insbesondere die mangelnde Aufbereitung der internationalen Literatur oder die mangelnde Nutzung moderner Theorien und wissenschaftlicher Methoden, die dem internationalen Forschungsstand entsprechen. Häufig beschränken sich die Beiträge auf deskriptive Darstellungen, bei deren Analyse und Interpretation teilweise Theorie durch Ideologie ersetzt scheint. Die Tatsache, dass derartige Artikel dennoch veröffentlicht werden, wirft Fragen zur erforderlichen Qualitätssicherung auf. Diese Fragen betreffen etwa die Ernsthaftigkeit der Begutachtungsverfahren der Zeitschriften, bei denen diese Beiträge eingereicht und publiziert wurden. So wurden in jüngerer Zeit in einer Reihe von Transformations- und Schwellenländern erhebliche Anteile der Publikationen in Zeitschriften veröffentlicht, die zwar in "Scopus" gelistet sind oder gelistet wurden, die aber dennoch zur Kategorie sogenannter "Potentially Predatory Journals" gezählt werden sollten. Darunter versteht man wissenschaftliche Zeitschriften, die fälschlich vorgeben, dass sie ein anerkanntes und strenges Begutachtungssystem besitzen. Die Begutachtung erfolgt nur oberflächlich. Über die Veröffentlichung entscheidet primär die Bereitschaft zur Zahlung einer Gebühr, die damit begründet wird, dass diese Zeitschriften offen zugänglich sind und es entsprechend keine Lizenzeinnahmen gäbe. Tatsächlich werden die Zeitschriften aufgrund mangelnder Qualität kaum gelesen und sind eher eine Art Geschäftsmodell, das den bestehenden Publikationsdruck ausnutzt.
Möchte die ukrainische Agrarforschung diesem Problem entgehen bzw. rechtzeitig gegensteuern, wäre einerseits seitens der verantwortlichen Forschenden, vor allem aber bei Forschungseinrichtungen wie der NAAS, verstärkt darauf zu achten, dass Einreichungen ausschließlich in solchen Zeitschriften erfolgen, bei denen die Begutachtung ernsthaft und mit ausreichend qualifizierter Expertise durchgeführt wird. Dies schließt mit ein, dass bei Beförderungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geprüft wird, ob deren maßgebliche Publikationen in tatsächlich hochwertigen Zeitschriften erschienen sind. Ein zweiter wesentlicher Aspekt der Qualitätssicherung betrifft die Qualifizierung der Forschenden. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden vor allem dadurch gewonnen, weil die Forschenden in der Lage sind, geeignete theoretische und methodische Ansätze zu nutzen, um interessante Hypothesen zu entwickeln, gute Daten zu sammeln und diese angemessen auszuwerten. Fehlen diese Kompetenzen, dann ist das Spektrum der Möglichkeiten des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns eingeschränkt. Wenn Theorie und Methoden fehlerhaft angewandt werden besteht die Gefahr, dass problematische Ergebnisse generiert werden. Wenn eine selbstkritische und qualifizierte Eigenkontrolle durch die Forschenden, einschließlich ihrer Arbeitsgruppenleitung, nicht gewährleistet ist, fehlt ein wichtiger Baustein der Qualitätssicherung. Fehlende Kenntnisse der internationalen Literatur, einschließlich der nötigen Theorie- und Methodenkenntnisse führen zudem zu einer Ressourcenverschwendung dadurch, dass den Forschenden nicht bekannt ist, dass ihre Forschung gar nicht originär ist.
Qualifizierung und Personalentwicklung
Wie auch in anderen Forschungseinrichtungen der Ukraine sind die Einkommen der NAAS Mitarbeitenden sehr niedrig und der Abstand zu anderen Wirtschaftsbereichen wächst. Verantwortlich für diese Entwicklung ist, dass der Personalbestand in keinem angemessenen Verhältnis zum Budget der jeweiligen Einrichtung steht. Im Jahr 2019 lag der durchschnittliche Monatslohn des wissenschaftlichen Personals der NAAS lediglich bei 4.928 UAH (circa 160 Euro), während er in der Landwirtschaft bereits bei 7.166 UAH lag. Diese ungünstige Einkommenslage in der öffentlich finanzierten Forschung in Verbindung mit der Altersverteilung lässt bezweifeln, dass eine leistungsfördernde Personalentwicklung möglich ist. Für erfolgversprechende Rekrutierungen von Nachwuchskräften fehlen wettbewerbsfähige Gehaltsniveaus. Erschwerend kommt hinzu, dass die oben dargestellten Defizite in der Internationalisierung, bei den wissenschaftlichen Leistungen sowie auch bei der Qualitätssicherung es kaum ermöglichen, dass eine erfolgreiche Personalentwicklung im Rahmen der eigenen Nachwuchsförderung erfolgen kann. Entsprechend ist auch zu hinterfragen, ob die NAAS vor diesem Hintergrund ihren Aufgaben in der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses angemessen nachkommen kann.
Ressourcennutzung
Nicht nur wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung, sondern insbesondere auch wegen ihres Grundbesitzes ist die NAAS mit zunehmenden Legitimationsproblemen konfrontiert. Die NAAS verfügt Schätzungen zufolge über Grundbesitz im Umfang von 464,7 Tsd. Hektar. Hierzu gehören 365 Tsd. Hektar Ackerland, darunter Versuchsfelder im Umfang von 98,7 Tsd. Hektar, Futterfläche für die Tierproduktion im Umfang von 61,5 Tsd. Hektar sowie Flächen für die Saatguterzeugung im Umfang von 117,1 Tsd. Hektar. Es ist schwer vorstellbar, wie eine Ackerfläche von fast 100.000 Hektar – das entspricht etwa 140.000 Fußballfeldern – systematisch für Anbauversuche genutzt werden kann und wenn ja, warum diese Versuche bei dem Umfang nicht weltweit bekannt sind. Analog stellt sich die Frage, für welche Mengen an Tieren für Forschungszwecke eine Futterfläche von über 60.000 Hektar benötigt wird. Und auch mit Blick auf die Saatgutvermehrung ist zwar nachvollziehbar, dass die Landwirtschaft der Ukraine in erheblichen Umfang Saatgut benötigt, jedoch ist unklar, inwieweit das Saatgut der Akademie wettbewerbsfähig gegenüber ausländischen Sorten ist und ob dieses idealerweise in einer staatlichen Einrichtung erzeugt werden sollte. Diese Fragen sind einerseits bedeutsam mit Blick darauf, dass wiederholt Korruptionsvorwürfe in den Medien gegen die Leitung der NAAS aufgetaucht sind. Andererseits sind die Nutzungskosten von Ackerland in der Ukraine in den vergangenen 10 Jahren in Form gestiegener Pachtpreise an guten Standorten auf etwa 100 Euro je Hektar und teilweise sogar mehr angestiegen. Die Überlassung des Ackerlandes kostet den ukrainischen Staat mittlerweile jährlich grob geschätzt wohl etwa 25 bis 30 Millionen Euro bzw. 750 bis 900 Millionen UAH. Deren Nutzung sollte erhebliche Eigeneinnahmen ermöglichen.
Fazit
Die ukrainische Agrarforschung steht vor gewaltigen Herausforderungen. Die politischen Vorgaben einer stärkeren Orientierung in Richtung international ausgerichteter Publikationen und Evaluierungen der Forschungseinrichtungen können allerdings nur fruchten, wenn zugleich eine dafür angemessene Qualitätssicherung betrieben wird. Ansonsten sind diese gutgemeinten Maßnahmen ein Einfallstor für Korruption und die Erbringung von Pseudoleistungen, die eine vermeintliche Legitimität der Strukturen schaffen und letztlich überfällige Reformen und Anpassungen eher behindern. Allerdings ist die Politik auch gefordert, die Ziele der Forschungspolitik offen zu legen und dabei die Ziele den vorhandenen finanziellen Mitteln anzupassen. Dabei ist es dringend erforderlich, Qualität über Quantität zu stellen.
Wesentliche Herausforderung von Forschungseinrichtungen wie der NAAS ist eine Umkehr in der Personalpolitik. Die derzeitigen Gehaltsstrukturen und Arbeitsbedingungen erlauben keine gute wissenschaftliche Praxis. Die dringend benötigten qualifizierten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen lassen sich unter diesen Bedingungen weder von außen gewinnen, noch können sie aus dem eigenen Nachwuchs generiert und rekrutiert werden. Bei den gegebenen finanziellen Rahmenbedingungen wäre dringend erforderlich, Größe und Aufgabenspektrum der Einrichtung den Möglichkeiten anzupassen, was zweifellos zu sozialen Härten führen würde. Eine derart einschneidende Reform erfordert Transparenz ebenso wie ein Management, dass seine Legitimität sowohl auf Kompetenz als auch auf Integrität aufbauen kann.
IAMO ist Mitglied der Durchführungsarbeitsgemeinschaft des bilateralen Kooperationsprojekts "Deutsch-Ukrainischer Agrarpolitischer Dialog" (APD), welches vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) finanziert wird. Der hier vorgestellte Beitrag basiert auf Experteneinsätzen im Rahmen des APD. Die Autoren danken darüber hinaus Herrn Dr. Taras Gagalyuk und Herrn Prof. Vladislav Valentinov.
Literatur/Lesetipps
Balmann, A. (2020): Deutsche Erfahrungen bei der Gestaltung einer effizienten Agrarforschung – Handlungsoptionen für die Ukraine, Deutsch-Ukrainischer Agrarpolitischer Dialog (APD) (Hrsg.), Agrarpolitischer Bericht, 6, 2020, Externer Link: https://www.apd-ukraine.de/images/2020/APD_Berichte_2020/06_NAAW_Balmann/Bericht_Balmann_Reformen_der_NAAW_deu.pdf
Khodakiwska, O. (2019): Die Nationale Akademie der Agrarwissenschaften der Ukraine – Struktur, Aufgaben und Reform, Deutsch-Ukrainischer Agrarpolitischer Dialog (APD) (Hrsg.), Agrarpolitischer Bericht, 10, 2019, Externer Link: https://www.apd-ukraine.de/images/2019/Agrarpolitische_Berichte/Khodakiwska_NAAN/Bericht_Khodakivska_NAAW_2019_DE.pdf
Savina, T., Sterligov, I. (2020): Prevalence of Potentially Predatory Publishing in Scopus on the Country Level, Externer Link: https://arxiv.org/pdf/2003.08283.pdfWissenschaftsrat (2006): Empfehlungen zur Entwicklung der Agrarwissenschaften in Deutschland im Kontext benachbarter Fächer (Gartenbau-, Forst- und Ernährungswissenschaften). Drs. 7618-06
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2020-12-18T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/324738/analyse-perspektiven-der-agrarforschung-in-der-ukraine-eine-reflexion-am-beispiel-der-nationalen-akademie-der-agrarwissenschaften/ | Der ukrainische Reformprozess des Forschungs- und Innovationsystems wurde im Zuge der Maidan-Revolution verschiedentlich adressiert, macht aber nur langsame Fortschritte. Lösungen sind aktuell nicht in Sicht. | [
"Ukraine-Analyse"
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Kurz und bündig: Die GRÜNEN | Parteien in Deutschland | bpb.de | BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (GRÜNE) waren bis zur Entstehung der AfD die erfolgreichste Neugründung einer Partei in der Geschichte der Bundesrepublik. Seit den 1980er-Jahren konnten sie sich neben Union, SPD und FDP als vierte Kraft im Parteiensystem dauerhaft etablieren. Dabei gelang es ihnen in den 1990er-Jahren, die FDP vom dritten Platz zu verdrängen. Auf der Landesebene bildeten die Grünen 1985 in Hessen die erste rot-grüne Koalition, die zum Vorbild für zahlreiche weitere Regierungsbeteiligungen und ihre siebenjährige Regierungszeit (1998 bis 2005) im Bund wurde. Ab 2008 begannen sie sich auch für Koalitionen mit der CDU zu öffnen und dadurch eine Scharnierfunktion bei der Regierungsbildung einzunehmen. Landeten die Grünen bei der Bundestagswahl 2017 noch auf Platz sechs, gelang es ihnen seit Ende 2018, nicht nur sämtliche Oppositionsparteien, sondern auch die SPD als bisher zweitstärkste Kraft in bundesweiten Umfragen zu überflügeln. Bei der Bundestagswahl 2021 blieb ihr Rekordergebnis von 14,8 Prozent hinter den Erwartungen zurück. Es reichte aber aus, um die Grünen zum zweiten Mal in die Regierung zu bringen, wo sie mit Annalena Baerbock als Außenministerin und Robert Habeck als Wirtschafts- und Klimaschutzminister seither wichtige Schlüsselressorts besetzen.
Geschichte
Die Grünen sind ein Produkt der Neuen Sozialen Bewegungen, die sich in den 1970er-Jahren aus Protest gegen die wachsende Umweltzerstörung, die Nutzung der Kernenergie und die atomare Hochrüstung gebildet hatten. Weitere Wurzeln liegen in der Studentenbewegung und der DDR-Bürgerrechtsbewegung. Seit Mitte der 1970er-Jahre waren in vielen Bundesländern grüne und sogenannte bunte Listen entstanden. Diese schlossen sich 1979 vor der Europawahl zur Wählergruppe "Sonstige Politische Vereinigung DIE GRÜNEN" zusammen. Am 12./13. Januar 1980 wurde daraus die bundesweite Partei "Die Grünen". 1993 vereinten sich die Grünen mit dem ostdeutschen Bündnis 90 und nennen sich seitdem offiziell: "Bündnis 90/Die Grünen".
In den 1980er-Jahren war die Entwicklung der neuen Partei von heftigen Richtungskämpfen begleitet. Die konservativ-bürgerlichen Vertreter, die mit zu ihrem Gründungsspektrum gehört hatten, kehrten den Grünen schon zu Beginn der 1980er-Jahre den Rücken. Im Zentrum der anschließenden Auseinandersetzungen stand die Frage einer möglichen Regierungsbeteiligung, die von den gemäßigt linken "Realpolitikern" ("Realos") prinzipiell angestrebt und von den radikal-linken "Fundamentalisten" ("Fundis") ebenso entschieden abgelehnt wurde. Bis 1991 sollte sich die realpolitische Linie dabei soweit durchsetzen, dass ein Großteil der fundamentalistischen Kräfte die Grünen verließ.
Interner Link: Hier finden Sie einen ausführlichen Text zu den Etappen der Parteigeschichte der Grünen.
Programm
Programmatisch drückte sich die Entradikalisierung darin aus, dass die Grünen von systemfeindlichen Positionen Abstand nahmen. Sie akzeptierten die parlamentarische Demokratie vorbehaltlos und strebten nicht mehr nach der Überwindung der kapitalistischen bzw. marktwirtschaftlichen Ordnung, sondern nach deren ökologischer Reform. Die hierzu entwickelten Konzepte (Förderung erneuerbarer Energien, Atomausstieg, Agrarwende, Umbau des Steuersystems) leiteten ihr eigenes Regierungshandeln und bewirkten zugleich, dass sich die anderen Parteien für die Umweltschutzziele öffneten. Entgegen ihrer pazifistischen Tradition stimmten die Grünen später auch den Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu.
Interner Link: Hier finden Sie einen ausführlichen Text zur Programmatik der Grünen.
Wahlergebnisse und Wählerschaft
Eine programmatische Herausforderung für die Partei stellt die veränderte Zusammensetzung ihrer Wählerschaft dar. Einerseits bewegen sich die Wähler, die den Grünen schon vor dreißig Jahren die Stimme gaben und ihnen seither treu geblieben sind, heute in überwiegend privilegierten Lebensumständen, sodass sie durch allzu linke Positionen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik abgeschreckt werden könnten. Andererseits gelingt es den Grünen weiterhin, in der Gruppe der Jungwähler überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen. Traditionell starken Zuspruch finden sie bei den Frauen.
Interner Link: Hier finden Sie einen ausführlichen Text zu den Wahlergebnissen und der Wählerschaft der Grünen.
Organisation
Gescheitert ist der Versuch der Grünen, eine basisdemokratische Alternative zu den "Altparteien" zu entwickeln. Mit der Trennung von Amt und Mandat und dem Prinzip der Doppelspitze hat sich die Partei dennoch manche Eigenarten bewahrt. Ob sich diese mit den Notwendigkeiten politischer Führung vereinbaren lassen, wird unterschiedlich bewertet. Die ideologischen Strömungen, die das Innenleben der Grünen in den 1980er-Jahren prägten, haben an Bedeutung stark eingebüßt. Fundamentalistische Positionen sind heute kaum noch vertreten. Auch deshalb zeichnet sich die Partei durch eine vergleichsweise hohe personelle und inhaltliche Geschlossenheit aus, die durch den Unmut vieler jüngerer Mitglieder und Aktivisten über die ihrer Ansicht nach unzulängliche Klimaschutzpolitik inzwischen allerdings bedroht ist.
Interner Link: Hier finden Sie einen ausführlichen Text zur Organisation der Grünen.
Quellen / Literatur
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| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2023-02-10T00:00:00 | 2011-11-17T00:00:00 | 2023-02-10T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/parteien/parteien-in-deutschland/gruene/42149/kurz-und-buendig-die-gruenen/ | DIE GRÜNEN sind aus dem Protest gegen Umweltzerstörung, die Nutzung der Kernenergie und die atomare Hochrüstung entstanden. 1983 gelang der Partei erstmals der Einzug in den Bundestag. | [
"Die Grünen",
"Grüne",
"Bündnis90/Die Grünen"
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Literaturhinweise und Internetadressen | USA – Geschichte, Wirtschaft, Gesellschaft | bpb.de | Adams, Willi Paul: Die USA im 20. Jahrhundert 2. Aufl. / aktualisiert und um einen Nachtr. zur Bibliographie erg. von Manfred Berg, München 2008, 302 Seiten Atkinson, Robert u. a.: Worse Than The Great Depression: What Experts Are Missing About American Manufacturing Decline Washington, D.C.: The Information Technology & Innovation Foundation, März 2012, Externer Link: www2.itif.org/2012-american-manufacturing-decline.pdf Behringer, Jan / Kowall, Nikolaus: Außenhandel der USA. 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Das Heft zum American Way of Life Braml, Josef: Der amerikanische Patient – Was der drohende Kollaps der USA für die Welt bedeutet (bpb-Schriftenreihe Bd. 1237), München 2012, 222 Seiten Czempiel, Ernst-Otto: Weltpolitik im Umbruch. Die Pax Americana, der Terrorismus und die Zukunft der internationalen Beziehungen München 2003, 229 Seiten Depkat, Volker: Geschichte Nordamerikas: eine Einführung Köln 2008, 341 Seiten Dippel, Horst: Geschichte der USA Dippel, Horst: Geschichte der USA Dröge, Susanne / Westphal, Kirsten: Schiefergas für ein besseres Klima? Berlin Juli 2013 (SWP-Aktuell 44/2013), Externer Link: www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2013A44_dge_wep.pdf Eichengreen, Barry: Exorbitant Privilege: The Rise And Fall Of The Dollar And The Future Of The International Monetary System New York 2011, 240 Seiten Etges, Andreas und Fluck, Winfried (Hg.): American Dream? 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Dossier: USA Externer Link: http://www.bpb.de/internationales/amerika/usa/
fluter: Wo soll´s denn hingehen? - Das USA-Heft Interner Link: http://www.bpb.de/shop/zeitschriften/fluter/34599/
Ursachen der Finanzkrise: Ein Blick in die USA http://www.bpb.de/politik/wirtschaft/finanzmaerkte/135463/ursachen-der-finanzkrise
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Zugang zu Primärquellenmaterial und Unterrichtseinheiten zur amerikanischen Geschichte Externer Link: http://www.historymatters.gmu.edu/
Informationsangebot zum amerikanischen Bürgerkrieg Externer Link: http://www.sunsite.utk.edu/civil-war/warweb.html
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Peterson Institute for International Economics Externer Link: http://www.piie.com
http://www.loc.gov/index.html Externer Link: http://www.loc.gov/index.html | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-12-07T00:00:00 | 2014-03-20T00:00:00 | 2021-12-07T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/usa-geschichte-wirtschaft-gesellschaft-268/181070/literaturhinweise-und-internetadressen/ | [
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Die Zukunft des Lokaljournalismus ist crossmedial | Presse | bpb.de | Beim 16. Forum Lokaljournalismus diskutieren rund 120 leitende Redakteure deutscher Lokal- und Regionalzeitungen vom 23. bis 25. Januar in Konstanz über erfolgreiche Geschäftsmodelle in der crossmedialen Welt sowie über Anforderungen und Aufgaben für die Journalisten der Zukunft. Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb und der SÜDKURIER bieten unter dem Titel "Lesen, hören, sehen – Die Zukunft des Lokaljournalismus ist crossmedial" ein außergewöhnliches Programm mit Experten aus journalistischer Praxis, Wissenschaft und Politik. Ein besonderes Highlight ist die feierliche Verleihung des ersten "jugenddrehscheibe-Preises" auf der Bodensee-Insel Mainau.
Die digitale Revolution ist da. Niemals zuvor waren mehr Menschen online. Sie schreiben in Weblogs und Enzyklopädien, sind als Bürger-Reporter unterwegs und filtern sich individuell ihre Nachrichten aus dem Netz. "Die Leser und Nutzer wollen Medien nicht länger nur konsumieren, sondern Teil der Kommunikation sein", sagt Thomas Satinsky, Chefredakteur des SÜDKURIERS. Deshalb beschäftigt sich das Forum mit den entscheidenden Fragen: Braucht die Gesellschaft noch professionelle Journalisten? Welche Ausbildung und Weiterbildung sind wichtig für die Redakteure der Zukunft? Wo positionieren sich die Lokal- und Regionalzeitungen erfolgreich in der multimedialen Welt?
"Die politische Berichterstattung bekommt im Informationswust eine immer wichtigere Rolle. Unabhängige Recherche, Analyse und Meinung sind die Stärken der Tageszeitung. Qualität ist der Schlüssel zum Erfolg", sagt Thomas Krüger, Präsident der bpb. Diese hat das Thema "Politik neu denken" in den Fokus ihres Lokaljournalistenprogramms gerückt. Erfahrene Praktiker diskutieren in Konstanz, wie Qualität in der Politikberichterstattung - gerade in Lokal- und Regionalzeitungen - gesichert werden kann.
Das Forum Lokaljournalismus ist das Netzwerktreffen für Redakteure lokaler und regionaler Tageszeitungen im Rahmen des Lokaljournalisten-Programms der bpb. Einmal im Jahr lädt die bpb in Zusammenarbeit mit dem "Projektteam Lokaljournalisten" interessierte Redakteure ein, um über lokaljournalistische Themen und Umsetzungsstrategien zu diskutieren.
Weitere Informationen unter: www.bpb.de/veranstaltungen/X00PC8
Die Pressemitteilung als Interner Link: PDF-Version (83 KB) Kontakt
Bundeszentrale für politische Bildung Berthold L. Flöper Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0) 228- 99 515-558 Fax +49 (0) 228-99 515-498 E-Mail Link: Berthold.Floeper@bpb.bund.de Interner Link: www.bpb.de/lokaljournalistenprogramm Pressekontakt
Bundeszentrale für politische Bildung Raul Gersson Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-284 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: presse@bpb.de | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2011-12-23T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/50475/die-zukunft-des-lokaljournalismus-ist-crossmedial/ | Beim 16. Forum Lokaljournalismus diskutieren rund 120 leitende Redakteure deutscher Lokal- und Regionalzeitungen vom 23. bis 25. Januar in Konstanz über erfolgreiche Geschäftsmodelle in der crossmedialen Welt sowie über Anforderungen und Aufgaben für | [
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1. April 1957: Einzug der ersten Wehrpflichtigen | bpb.de | Guten Morgen!
Am 1. April 1957 zogen die ersten Wehrpflichtigen in die Kasernen der Bundeswehr. 54 Jahre später wird die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt. Ein Blick zurück und auf die Situation heute.
Rückblick
Mit dem Inkrafttreten der Pariser Verträge im Mai 1955 wurde die BRD ein weitgehend souveräner Staat und Mitglied der NATO. Sie verpflichtete sich, internationale Verteidigungsaufgaben zu übernehmen. Dafür brauchte sie eine Armee. Im Juli 1956 verabschiedete der Bundestag das Wehrpflichtgesetz. Nur ein Jahr später zogen die ersten 10.000 Wehrpflichtigen in die Kasernen ein. 1977 erreichte die Zahl der Wehrdienstleistenden mit 250.000 ihren Höchststand, 2008 lag sie nur noch bei 60.000. 2011 wurde die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt – und die Bundeswehr zur Freiwilligenarmee.
Wehrpflicht und Wehrdienst heute
Das Wehrpflichtgesetz sieht zwar weiterhin eine grundsätzliche Wehrpflicht dt. Männer ab 18 Jahre vor (§ 1 WPflG), beschränkt die Pflicht zum Wehrdienst aber auf den Spannungs- oder Verteidigungsfall. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung (Art. 4 Abs . 3 GG) besteht aber auch dann – und gilt auch für aktive Soldat/-innen, die aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigern können. Seit 2011 gibt es statt der Wehrpflicht den Freiwilligen Wehrdienst ab 17 Jahre, der von 7 bis 23 Monate frei gewählt werden kann und den derzeit 8.710 junge Männer und Frauen ableisten.
Aktuelle Debatte
Bis auf die AfD lehnen alle Parteien die Wiedereinführung einer allgemeinen Wehrpflicht ab. Seit 2018 wird aber immer wieder über eine "allgemeine Dienstpflicht" diskutiert. Junge Menschen sollen ein Jahr Dienst an der Gesellschaft leisten, z. B. in gemeinnützigen Vereinen oder eben der Bundeswehr. Der Vorschlag wird aktuell aber nur von wenigen Politiker/-innen unterstützt. Stattdessen werden mehr Investitionen in Personal der Bundeswehr gefordert.
Mehr zu Geschichte der Wehrpflicht erfährst Du hier: Externer Link: https://kurz.bpb.de/dtdp1094
Viele Grüße Deine bpb Online-Redaktion | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2023-01-30T00:00:00 | 2022-04-01T00:00:00 | 2023-01-30T00:00:00 | https://www.bpb.de/kurz-knapp/taegliche-dosis-politik/506882/1-april-1957-einzug-der-ersten-wehrpflichtigen/ | Am 1. April 1957 zogen die ersten Wehrpflichtigen in die Kasernen der Bundeswehr. 54 Jahre später wird die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt. Ein Blick zurück und auf die Situation heute. | [
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Migration und Kriminalität – Erfahrungen und neuere Entwicklungen | Innere Sicherheit | bpb.de | Inhalt:
Interner Link: 1. Einleitung Interner Link: 2. Deutsche und Ausländer in Kriminalstatistiken Interner Link: 3. Unterschiedliche Kriminalisierungswahrscheinlichkeit? Interner Link: 4. Unterschiede nach Deliktsbereichen Interner Link: 5. Jugendkriminalität Interner Link: 6. Flüchtlinge und Kriminalität Interner Link: 7. Fazit
Kurz und KnappMigration und Kriminalität
Auch unter Migranten wird nur ein kleiner Teil straffällig. Allerdings fallen Migranten(-nachkommen) insgesamt häufiger mit Straftaten auf als Nichtmigranten. Die Unterschiede sind z.T. mit einer unterschiedlichen Alters- und Geschlechtszusammensetzung sowie mit belastenden Lebensumständen und -erfahrungen in einigen Zuwandergruppen zu erklären.
Erwachsene Migranten mit Aussicht auf Zugang zum Arbeitsmarkt fallen allgemein recht selten mit Straftaten auf.
Bei Gewaltdelikten von Geflüchteten spielen unter anderem Konflikte in Gemeinschaftsunterkünften, geringe soziale Bindungen, Belastungen durch die prekäre Lebenssituation sowie mögliche frühere Gewalterfahrungen eine Rolle.
Unter jungen Menschen aus bereits länger ansässigen Migrantenfamilien war die Kriminalitätshäufigkeit zuletzt, wie auch bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund, deutlich rückläufig.
1. Einleitung
Von Migranten verübte Straftaten erfahren in Zeiten hoher Zuwanderung eine große öffentliche Aufmerksamkeit. Kriminalität, das heißt der Verstoß gegen zentrale soziale Normen, gilt häufig als Inbegriff von Integrationsproblemen. Generelle Verunsicherungen, die zum Beispiel von sozialem Wandel, globalen Ungleichheiten, ökonomischen Krisen, Kriegen und Konflikten in Nachbarregionen sowie von dadurch bedingten Migrationsprozessen ausgelöst werden, erhalten durch Berichte über von Zuwanderern verübte Straftaten einen konkreter fassbaren Bezugspunkt. Bei alledem sind bestimmte Formen der Zuwanderung, insbesondere die Fluchtmigration, für die Zuwanderer zunächst einmal mit dem erheblichen Risiko verbunden, selbst Opfer einer Straftat zu werden. Dies beginnt bei repressiven und brutalen Regimen und (Bürger-)Kriegsparteien in den Herkunftsländern und kann sich während der Flucht in Transitländern mit finanzieller Ausbeutung, Gewalt und sexuellen Übergriffen durch Schlepper, Sicherheitskräfte oder in Flüchtlingslagern fortsetzen. In den Aufnahmeländern können Zuwanderer zudem fremdenfeindlichen Anfeindungen und Übergriffen ausgesetzt sein.
In den Aufnahmegesellschaften wird der Blick hingegen in erster Linie auf Kriminalität als von Zuwanderern ausgehende mögliche Folge von Zuwanderung gerichtet. Dies lässt sich auch im Zusammenhang mit dem Zuzug einer außergewöhnlich hohen Zahl an Asylsuchenden im Jahr 2015 und zu Beginn des Jahres 2016 wieder beobachten. Über Straftaten, an denen Flüchtlinge und Migranten beteiligt sind, wird besonders intensiv berichtet, und sie bestärken Bedenken, inwiefern die Zuwanderungsprozesse zu bewältigen sind. Daneben artikulieren sich Sorgen vor einem Rückgang der gesellschaftlichen Akzeptanz und des Engagements für Flüchtlinge. Keineswegs neu ist der Umstand, dass politische Akteure im In- und Ausland das emotional besetzte Thema Kriminalität zum Schüren von Ängsten und Ressentiments gegenüber Migranten nutzen und das verzerrte Bild eines Landes zeichnen, in dem beständig immer mehr Straftaten verübt werden. Bei diesen Akteuren steht das Thema Kriminalität im Mittelpunkt einer allgemeinen Krisen- und Notstandsrhetorik – auch, um damit Forderungen nach immer harscheren Maßnahmen der Migrationsabwehr zu untermauern. In letzter Zeit hat sich in diesem Zusammenhang, nicht zuletzt durch neue Kommunikationsformen im Internet, ein regelrechter Kampf um die Deutungshoheit über seit jeher in hohem Maße interpretationsbedürftige offizielle Kriminalstatistiken entwickelt.
In dieser besonderen Gemengelage lohnt ein Blick auf klassische und neuere Befunde aus wissenschaftlichen Untersuchungen zu Zusammenhängen zwischen Migration und Kriminalität. Anders als teilweise unterstellt, ist dieses Thema keineswegs wissenschaftlich tabuisiert, sondern im In- und Ausland seit Jahrzehnten Gegenstand kriminologischer Studien und Debatten. Die Antworten auf Fragen nach der Auswirkung von Zuwanderungsprozessen auf das Kriminalitätsgeschehen, nach der Kriminalitätsbeteiligung von Migranten sowie nach entsprechenden Ursachen sind jedoch komplex. Denn Migrationsprozesse, Zuwanderergruppen und Aufnahmebedingungen in den Ankunftsländern sind ebenso vielfältig wie Formen strafbaren Verhaltens; es gibt weder "die Migranten", noch "die Kriminalität". Gleichwohl lassen sich aus der Forschung und aus aktuellen Eindrücken aus Kriminalstatistiken bestimmte Grundmuster und Tendenzen erkennen.
2. Deutsche und Ausländer in Kriminalstatistiken
Insgesamt betrachtet sind Migranten in westeuropäischen Gesellschaften unter den polizeilich erfassten Tatverdächtigen, den gerichtlich Verurteilten und den Strafgefangenen überrepräsentiert. In vielen Ländern, so auch in Deutschland, lässt sich die Registrierungshäufigkeit von Migranten allerdings nicht direkt aus Kriminalstatistiken ablesen, da darin meist nicht das Geburtsland erfasst wird. Es lassen sich jedoch zumindest Aussagen zur Registrierungshäufigkeit der ausländischen Bevölkerung treffen. Dabei ist aber im Blick zu behalten, dass diese Gruppe nicht mit der Migrantenbevölkerung identisch ist: 2018 hatten bundesweit 38% der im Ausland Geborenen (etwa als (Spät-)Aussiedler oder eingebürgerte Arbeitsmigranten) die deutsche Staatsangehörigkeit (Schaubild 1). Unter den im Inland geborenen Nachkommen von Migranten gilt dies für die große Mehrzahl (75%). Nicht alle Migranten(-nachkommen) sind also Ausländer.
Auch unter Migranten wird nur ein kleiner Teil straffällig. Allerdings fallen Migranten(-nachkommen) insgesamt häufiger mit Straftaten auf als Nichtmigranten. Die Unterschiede sind z.T. mit einer unterschiedlichen Alters- und Geschlechtszusammensetzung sowie mit belastenden Lebensumständen und -erfahrungen in einigen Zuwandergruppen zu erklären.
Erwachsene Migranten mit Aussicht auf Zugang zum Arbeitsmarkt fallen allgemein recht selten mit Straftaten auf.
Bei Gewaltdelikten von Geflüchteten spielen unter anderem Konflikte in Gemeinschaftsunterkünften, geringe soziale Bindungen, Belastungen durch die prekäre Lebenssituation sowie mögliche frühere Gewalterfahrungen eine Rolle.
Unter jungen Menschen aus bereits länger ansässigen Migrantenfamilien war die Kriminalitätshäufigkeit zuletzt, wie auch bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund, deutlich rückläufig.
Zudem finden sich unter den ausländischen Tatverdächtigen (neben nicht eingebürgerten Migranten oder Nachkommen von Migranten) auch Menschen, die sich etwa als Touristen, Durchreisende oder gezielt zur Begehung von Straftaten nur vorübergehend in Deutschland aufhalten und hier wegen einer Straftat aufgefallen sind. Es handelt sich also auch nicht bei allen tatverdächtigen Ausländern, die in den Kriminalstatistiken erfasst sind, um im Inland lebende (und in der hiesigen Bevölkerungsstatistik erfasste) Menschen mit eigener oder elterlicher Migrationsgeschichte (s. im Überblick Schaubild 2).
Bei den "nichtmigrantischen" ausländischen Tatverdächtigen geht es durchaus um eine relevante Gruppe. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik hatten im Jahr 2019 insgesamt 11,8% der ermittelten ausländischen Tatverdächtigen (ohne ausländerrechtliche Verstöße wie Einreise und Aufenthalt ohne erforderliches Visum oder Aufenthaltstitel) ihren Wohnsitz im Ausland. Bei weiteren 12% konnte die Polizei keinen (festen) Wohnsitz ermitteln. All dies betrifft vor allem Diebstahlsdelikte. Bei Kfz-Diebstählen betrug der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen mit Wohnsitz im Ausland an allen ausländischen Tatverdächtigen sogar 36,4%. Die häufig vorgenommene pauschale Gegenüberstellung des Gesamtanteils aller ausländischen Tatverdächtigen (alle Delikte ohne ausländerrechtliche Verstöße 2019: 30,4%) mit dem Anteil der Ausländer in der bei den Meldeämtern registrierten Bevölkerung (2019: ca. 12,5%) ergibt deshalb ein unzutreffendes, überhöhtes Bild der Registrierungshäufigkeit von hier lebenden Ausländern.
Im längerfristigen Trend unterlag der Ausländeranteil an allen Tatverdächtigen erheblichen Schwankungen, die eng mit jeweils neuen armuts- oder kriegsfluchtbedingten Zuwanderungsprozessen und zum Teil auch mit Veränderungen bei grenzüberschreitenden Diebstahlsdelikten zusammenhingen. Mit der deutlichen Zunahme der Zuwanderung nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes und mit dem Ausbruch der Jugoslawienkriege ist der Ausländeranteil unter den Tatverdächtigen ab Ende der 1980er Jahre erheblich angestiegen und hat Anfang der 1990er Jahre einen Höchststand erreicht (s. Schaubild 3). Nach 1993 ist der Anteil dann jedoch wieder kontinuierlich zurückgegangen und erreichte bis 2008 mit 20% (Diebstahlsdelikte) bzw. 23,5% (Gewaltdelikte) in etwa den Wert von 1987. Seit 2008 hat die Zahl der Zuwanderer wieder stark zugenommen, ablesbar etwa an einer erheblich gestiegenen Zahl der ausländischen Bevölkerung (von 6,7 Mio. auf zuletzt mehr als 10 Mio. Einwohner/-innen). Dadurch, und durch die sinkenden Tatverdächtigenzahlen unter Deutschen in dieser Phase, ist der Ausländeranteil zuletzt wieder stark angestiegen und lag 2019 bei 38,0% (Diebstahlsdelikte) bzw. 37,5% (Gewaltdelikte). Der Anstieg des Ausländeranteils unter den Tatverdächtigen bedeutet deshalb nicht, dass sich die relative Registrierungshäufigkeit der ausländischen Bevölkerung in dieser Zeit insgesamt wesentlich erhöht hätte. Es ist also nicht so, dass "die Ausländer" pro Kopf insgesamt häufiger wegen Straftaten erfasst würden als noch vor zehn Jahren. Für die bereits länger ansässige ausländische Bevölkerung ergaben sich zuletzt vielmehr, ebenso wie in der deutschen Bevölkerung, eher rückläufige Tendenzen.
Genauere Berechnungen zur Registrierungshäufigkeit in der ausländischen Wohnbevölkerung legen nahe, dass die Gesamt-Tatverdächtigenanteile (mit etablierteren und neu zugewanderten Ausländern) über die Jahre relativ konstant geblieben sind. Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik des Landes Berlin wurden 2019 beispielsweise 2,4% der dort als wohnhaft gemeldeten deutschen Staatsangehörigen wegen einer Straftat (ohne ausländerrechtliche Verstöße) polizeilich registriert, von den in Berlin gemeldeten ausländischen Staatsangehörigen waren es insgesamt 4,6%. Eine Sonderauswertung in Schleswig-Holstein hat für die dort wohnhaften Deutschen im Jahr 2016 eine Registrierungsquote von 1,8% ergeben, die der ausländischen Wohnbevölkerung lag dort bei 4,2%. Ähnliche Relationen wurden bereits für das Jahr 2006 in Bayern ermittelt: In der deutschen Bevölkerung lag der Tatverdächtigenanteil bei 2%, in der dortigen ausländischen Bevölkerung ergab sich damals ein Wert von 4%.
Nicht berücksichtigt sind bei solchen Gesamtvergleichen zum Teil erhebliche soziodemografische Unterschiede zwischen den betrachteten Gruppen. Ein gewisser Teil der häufigeren Registrierung von Ausländern ist schlicht darauf zurückzuführen, dass diese Bevölkerungsgruppe anteilig mehr junge Männer (und zum Beispiel weniger Frauen im Seniorenalter) aufweist als die deutsche Bevölkerung. Bei Männern im Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter sind in allen Gesellschaften und zu allen Zeiten die höchsten Kriminalitätsraten zu beobachten. Besonders bedeutsam ist dieser Umstand bei der Einordnung der Registrierungshäufigkeit von in den letzten Jahren zugezogenen Asylsuchenden, unter denen sich erheblich mehr Männer in einem "kriminologisch relevanten" Alter befanden als in der Gesamtbevölkerung (s. Abschnitt 6).
3. Unterschiedliche Kriminalisierungswahrscheinlichkeit?
Von Bedeutung ist schließlich noch ein weiterer grundlegender Aspekt. Offizielle Kriminalstatistiken bilden nur einen Teil aller strafbaren Verhaltensweisen ab. Erfasst werden die Vorkommnisse, die der Polizei und Justiz (vor allem durch Anzeigen, zu einem kleineren Teil durch proaktive Tätigkeit der Behörden) bekannt geworden sind und von den Instanzen zum Zeitpunkt der statistischen Erfassung (bei der Polizei bei Abgabe der Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft) als (wahrscheinlich) strafbar beurteilt worden sind (sogenanntes Hellfeld der Kriminalität). Ein Vergleich der "tatsächlichen" Kriminalitätsbeteiligung verschiedener sozialer Gruppen (zum Beispiel jüngere und ältere, ärmere und reichere oder zugewanderte und nicht zugewanderte Menschen) auf Basis offizieller Statistiken setzt daher voraus, dass die Wahrscheinlichkeit, dass strafbares Verhalten entdeckt, angezeigt und offiziell registriert wird sowie anschließend zu einer Verurteilung führt, in den entsprechenden Gruppen annähernd gleich hoch ist. Davon ist jedoch nicht immer ohne Weiteres auszugehen.
Im Zusammenhang mit Migration haben Befragungsstudien zum Beispiel gezeigt, dass die Entscheidung eines jugendlichen Opfers einer Gewalttat, Strafanzeige zu erstatten, neben vielen anderen Faktoren (wie der Tatschwere oder der persönlichen Bekanntschaft mit dem Täter) auch davon abhängt, ob der Täter als "fremd" wahrgenommen wird. Für Minderheitenangehörige kann sich daraus insgesamt eine erhöhte Wahrscheinlichkeit ergeben, wegen einer Straftat angezeigt zu werden. Umgekehrt bleibt im Blick zu behalten, dass strafbares Verhalten innerhalb vergleichsweise abgeschlossener Milieus, die es (auch) unter Migranten zum Teil gibt, besonders selten nach außen dringt.
Inwieweit Menschen ausländischer Herkunft zudem häufiger polizeilich kontrolliert werden, wurde bislang in Deutschland recht wenig untersucht. Bekannt gewordene Fälle und europaweite Befragungen unter Minderheitenangehörigen deuten indes darauf hin, dass es zuweilen zu Personenkontrollen kommt, die sich primär auf äußerliche Merkmale stützen (Racial/Ethnic Profiling). Dabei spielen auch gesetzliche Vorschriften eine Rolle, die anlass- und verdachtsunabhängige Kontrollen etwa im Zugverkehr zur Feststellung illegaler Einreisen ermöglichen.
Im Hinblick auf Entscheidungen von Staatsanwaltschaften und Gerichten gibt es insgesamt keine ganz einheitlichen Befunde bezüglich einer möglichen Benachteiligung von Ausländern und Migranten. Eine neuere Studie ergab allerdings Hinweise auf eine etwas härtere Strafzumessung gegenüber ausländischen Angeklagten, vor allem solchen aus Nicht-EU-Staaten. Die Unterschiede waren 2010 aber geringer als noch im Jahr 1998. Seit Langem ist zudem erkennbar, dass bei ausländischen Beschuldigten eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass während des Strafverfahrens Untersuchungshaft angeordnet wird, da hier erheblich häufiger Fluchtgefahr angenommen wird.
Auf den verschiedenen Ebenen von Anzeigeerstattung, polizeilicher Arbeit und justiziellen Entscheidungen gibt es somit durchaus Hinweise auf Verzerrungen zu Lasten von Ausländern bzw. Migranten. Nichtsdestoweniger ist alles in allem nicht davon auszugehen, dass unterschiedliche Registrierungshäufigkeiten allein mit divergierenden Anzeigehäufigkeiten, intensiveren polizeilichen Kontrollen oder auch Unterschieden in der Strafzumessung zu erklären sind.
4. Unterschiede nach Deliktsbereichen
Die Gesamtregistrierungshäufigkeit und der Gesamttatverdächtigenanteil von Ausländern sind für sich genommen wenig aussagekräftig. Dies beruht zum einen auf dem bereits angeführten Umstand, dass viele Migranten(-nachkommen) keine Ausländer und manche ausländischen Tatverdächtigen keine Migranten sind. Neue Zuwanderungsprozesse, gegenwärtig beispielsweise von syrischen Flüchtlingen, lassen sich durch das Merkmal der Staatsangehörigkeit jedoch noch vergleichsweise gut abbilden. Hinzu kommt aber, dass Migranten, ebenso wie Nichtmigranten, keine homogene Gruppe sind. Die dahinterstehenden Zuwanderungsprozesse und damit verbundenen Lebenslagen sind höchst vielfältig. Dementsprechend ist auch mit Bezug auf Kriminalität, die es ebenfalls in sehr unterschiedlichen Facetten gibt, zu differenzieren.
So hat sich im In- und Ausland wiederholt gezeigt, dass Migranten der ersten Generation, das heißt Menschen, die selbst im Erwachsenenalter zugewandert sind, regelmäßig nicht besonders häufig mit Straftaten auffallen. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Chance auf Zugang zum Arbeitsmarkt besteht. In Deutschland war dies beispielsweise bei den sogenannten Gastarbeitern und später etwa auch für im Erwachsenenalter zugewanderte (Spät-)Aussiedler zu beobachten. Angesichts zunächst oft geringer sozialer Bindungen und Teilhabe mag ein solches Ergebnis möglicherweise etwas überraschend erscheinen. Erklärt wird es häufig damit, dass in diesen Fällen oft eine hohe Motivation besteht, Fuß zu fassen und das Migrationsvorhaben nicht durch Straftaten zu gefährden. Zugleich ist das Alter relevant. Denn die in vielen Fällen durchaus einschneidende Migrationserfahrung vollzieht sich in einem Lebensalter, in dem die Persönlichkeitsentwicklung und die Normsozialisation bereits im Wesentlichen stattgefunden haben. Ein "Einstieg in die Kriminalität" erst in der dritten oder gar vierten Lebensdekade ist nach Erkenntnissen der kriminologischen Verlaufsforschung generell wenig wahrscheinlich.
Diebstahlsdelikte
Bei einer genaueren Betrachtung und Unterscheidung nach Deliktsbereichen und Herkunftsländern ist in Westeuropa gegenwärtig zu erkennen, dass Migranten aus sogenannten westlichen Ländern (das heißt vor allem aus anderen "EU 12"-Ländern) über viele Deliktsbereiche hinweg häufig vergleichsweise niedrige Registrierungsraten aufweisen. Ähnliches gilt, bei Diebstahlsdelikten, beispielsweise auch für die ehemaligen Arbeitsmigranten ("Gastarbeiter") und deren Nachkommen. Andere Gruppen werden hingegen überdurchschnittlich häufig wegen Diebstählen registriert. Gründe für höhere Tatverdächtigenanteile etwa unter Zuwanderern aus Balkanstaaten bei Diebstahlsdelikten sind vor allem ein massives Wohlstandsgefälle zwischen Südost- und Westeuropa, instabile gesellschaftliche Verhältnisse und erheblich marginalisierte Bevölkerungsgruppen in den Herkunftsländern, prekäre Lebensverhältnisse und ungünstige Perspektiven mancher Zuwanderer in Westeuropa sowie zum Teil grenzüberschreitend tätige Bandenstrukturen. Bis 2015 war die Zahl der Tatverdächtigen aus Balkanstaaten (ohne EU) bei Diebstahlsdelikten deutlich angestiegen (Schaubild 4). Mit dem erheblichen Rückgang der Zuwanderung aus dieser Region ist sie aktuell allerdings wieder stark rückläufig. Etwas zurückgegangen ist zuletzt auch wieder die absolute Zahl der rumänischen Tatverdächtigen, die mit der erheblichen Neuzuwanderung aus diesem Land seit Mitte der 2000er Jahre ebenfalls angestiegen war. In all diesen Fällen ist im Übrigen zu bedenken: Es zeigen sich zwar überdurchschnittliche Diebstahls-Registrierungsraten, gleichwohl darf natürlich nicht verallgemeinert werden. Der jeweils deutlich überwiegende Teil der Betroffenen fällt nicht durch Diebstähle oder andere Straftaten auf. So betrug die Zahl der wegen Diebstahls registrierten rumänischen Tatverdächtigen 2019 rund 23.800 (wovon ein gewisser Teil nicht in Deutschland gemeldet gewesen sein dürfte) – dies bei insgesamt knapp 750.000 rumänischen Staatsangehörigen, die Ende 2019 im Ausländerzentralregister als hier wohnhaft erfasst waren.
Mit dem Zuzug von Zuwanderern aus nordafrikanischen Staaten hatte die Zahl der wegen Diebstahls Tatverdächtigen aus diesen Ländern seit 2012 in besonders starkem Maße zugenommen. Aus der Entwicklung der absoluten Tatverdächtigenzahlen ist erkennbar, dass ein (nicht präzise prozentual bezifferbarer) Teil der jungen männlichen Neuzuwanderer aus Nordafrika recht bald an Diebstählen und anderen Delikten beteiligt war, um damit Einnahmen zu erzielen. Auch für diese Gruppe, bei der manche bereits vor ihrer Einreise straffällig waren, und die sowohl in den Herkunftsländern als auch in Europa ungünstige Perspektiven hat, ist jedoch seit 2017 ein deutlich rückläufiger Trend zu beobachten. Bei dem in Schaubild 4 ebenfalls erkennbaren Anstieg der absoluten Tatverdächtigenzahl bei Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisenländern wie Syrien, Afghanistan und Irak ist schließlich zu berücksichtigen, dass diese in Relation zu ihrer stark gestiegenen Bevölkerungszahl bislang vergleichsweise selten wegen Diebstahlsdelikten registriert worden sind.
Gewaltdelikte
Mit Blick auf Gewaltdelikte ergeben sich zum Teil etwas andere Muster. Hinweise auf eine erhöhte Gewaltbelastung finden sich in westeuropäischen Aufnahmegesellschaften insbesondere bei männlichen Jugendlichen aus Einwandererfamilien, das heißt in der zweiten Migrantengeneration. In Deutschland war dies anhand von Kriminalstatistiken und Befragungsstudien etwa bei "Gastarbeiter"-Nachkommen sowie bei im Kindes- oder Jugendalter "mitgenommenen" jungen männlichen Spätaussiedlern zu erkennen. Aber auch in der ersten Generation der Zuwanderer sind teilweise erhöhte Gewaltrisiken zu beobachten.
Bezüglich der Ursachen sind zunächst einmal bei einigen Migrantengruppen vermehrt anzutreffende belastende Lebensumstände sowie Bildungsunterschiede in den Blick zu nehmen. Darüber hinaus wird darauf verwiesen, dass die Herkunft aus stärker patriarchalisch geprägten Gesellschaften mit geringer entwickeltem staatlichem Gewaltmonopol gewaltsames Verhalten von Männern zusätzlich begünstigen kann. Die Reichweite solcher Einflüsse wird kontrovers diskutiert, wobei Einigkeit darüber besteht, dass sich Pauschalurteile und einseitige Erklärungen verbieten. Gewalt, zumal in schwereren Formen, betrifft auch unter Migranten nur eine kleine Minderheit, und sie kommt natürlich auch unter Nichtmigranten vor. Insgesamt ist interkulturell von einer weitgehenden Ähnlichkeit zentraler Verbotsnormen (Stehlen, Töten, Rauben etc.) auszugehen, die große Mehrzahl der tatsächlich verübten Delikte ist also im Herkunfts- und im Aufnahmeland gleichermaßen strafbar. Zudem ist zu bedenken, dass auch die Herkunftsgesellschaften kulturell heterogen sind. Überdies sind traditionelle Geschlechterrollenbilder nicht pauschal mit Gewaltbereitschaft gleichzusetzen. Gleichwohl ist erkennbar, dass Vorstellungen männlicher Dominanz, die in manchen Zuwanderergruppen weiter verbreitet sind als in der Gesamtbevölkerung, gewaltsames Verhalten in bestimmten Situationen zusätzlich begünstigen können. Unterschiede in der Gewalthäufigkeit zwischen Migranten und Nichtmigranten sind Studien zufolge zuweilen , aber nicht immer vollständig durch ungünstigere Lebensverhältnisse zu erklären, was Raum lässt für ergänzende "herkunftsbezogene" Erklärungen. Insbesondere soweit es um Gewaltdelikte geht, die mit der Verteidigung der eigenen oder familiären "Ehre" begründet werden, sind solche Einflüsse plausibel.
5. Jugendkriminalität
Was Delinquenzrisiken im Jugendalter betrifft, so waren in den vergangenen Jahrzehnten in vielen westeuropäischen Aufnahmegesellschaften bei jugendlichen Migranten oder Nachkommen von Migranten tendenziell erhöhte Belastungen zu erkennen. Wiederholte und schwere Straffälligkeit betreffen allerdings auch unter Jugendlichen aus Migrantenfamilien nur einen kleinen Teil. Erhöhte Täteranteile sind bei alledem nicht auf ein bestimmtes Herkunftsland oder eine einzelne religiöse Gruppe beschränkt. Als direkte Erklärungsfaktoren lassen sich – wie auch bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund – die Zugehörigkeit zu devianten Freundeskreisen sowie, teilweise dadurch bestärkt, eine geringe Normbindung ausmachen. Beides wird durch ein Aufwachsen unter den Bedingungen sozialer Randständigkeit befördert. So ist beispielsweise ein "Code of the Street" länder- und kulturenübergreifend vermehrt bei marginalisierten jungen Männern (gegebenenfalls aus benachteiligten Stadtvierteln) zu beobachten. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass durch ein Zurschaustellen von Gewaltbereitschaft eigene Stärke und Durchsetzungsfähigkeit demonstriert werden sollen, um so Selbstwert und Anerkennung in der Gruppe zu erlangen. Marginalisierungswahrnehmungen können aus geringeren ökonomischen Ressourcen und ungünstigeren Bildungs- und Berufsperspektiven resultieren. Solche Umstände sind, als Hintergrundfaktoren, bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund grundsätzlich ebenso von Bedeutung wie bei Jugendlichen aus Einwandererfamilien. Darüber hinaus können bei Jugendlichen ausländischer Herkunft individuelle und innerfamiliäre Schwierigkeiten der Eingewöhnung in eine neue kulturelle Umgebung sowie Ausgrenzungserfahrungen das Gefühl des Nichtdazugehörens verstärken und so dazu beitragen, abweichende Normorientierungen, Selbstbilder und Lebenswege zu fördern. Zusätzliche Risiken können sich Forschungsbefunden zufolge aus in manchen Migrantenfamilien in besonderem Maße eingeschränkten Möglichkeiten der elterlichen Aufsicht sowie aus tradierten Männlichkeitsbildern und gewaltsamen Erziehungsstilen ergeben. In den letzten Jahren war zu erkennen, dass die Verbreitung von Kriminalität nicht nur bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund, sondern auch bei (in der Regel bereits im Inland geborenen oder seit Längerem hier lebenden) Jugendlichen aus Migrantenfamilien zum Teil erheblich zurückgegangen ist (s. Schaubild 5). So ist etwa nach wiederholten Befragungsstudien des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen der Anteil der 15-jährigen mit Migrationshintergrund, die angegeben haben, im Vorjahr mindestens eine Körperverletzung begangen zu haben, zwischen 2007/08 und 2015 von 16,5% auf 7,3% gesunken. In einigen regionalen Untersuchungen hatte sich für die dritte Generation der Gastarbeiternachkommen bereits Mitte der 2000er Jahre eine Annäherung der Gewaltrisiken gezeigt, etwa in Duisburg; eine wesentliche Rolle spielt dabei eine verbesserte Bildungsteilhabe. Ein deutlich rückläufiger Trend ließ sich zuletzt auch aus der bundesweiten Polizeilichen Kriminalstatistik ablesen. Jugendliche türkischer Herkunft, die vor dem Jahr 2000 (das heißt vor dem Inkrafttreten des reformierten Staatsangehörigkeitsrechts) geboren wurden, besaßen mehrheitlich noch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Die anhand von Daten der Kriminalstatistik und des Ausländerzentralregisters jedenfalls näherungsweise ermittelbare Registrierungshäufigkeit von Jugendlichen mit türkischer Staatsangehörigkeit besaß deshalb bis zum Jahr 2014 noch eine vergleichsweise hohe Aussagekraft. Der Anteil der wegen eines Gewaltdeliktes registrierten männlichen türkischen Jugendlichen ist danach zwischen 2007 und 2014 von rund 6% auf etwa 2,5% zurückgegangen.
6. Flüchtlinge und Kriminalität
Insbesondere durch den außergewöhnlich hohen Zuzug von Asylsuchenden in den Jahren 2015 und 2016 hat die Zahl der in Deutschland lebenden Schutzsuchenden (einschließlich anerkannter und abgelehnter Asylbewerber) zuletzt erheblich zugenommen und ist zwischen 2012 und Ende 2018 von 550.000 auf knapp 1,8 Mio. angestiegen.
Befunde aus aktuell durchgeführten wissenschaftlichen Studien zu Kriminalitätsrisiken unter Geflüchteten stehen derzeit noch überwiegend aus. Bewertungen beziehen sich bislang in erster Linie auf Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik, die einer genaueren Einordnung bedürfen. So lässt sich der politisch aufgeladene "Flüchtlings"-Begriff nur bedingt durch kriminalstatistische Erfassungskategorien abbilden. Die Polizeibehörden greifen in diesem Zusammenhang seit 2015 auf die bereits etablierten Tatverdächtigen-Kategorien von Asylbewerbern, Kontingentflüchtlingen, Geduldeten und illegal Aufhältigen zurück, die in den Jahresberichten und in neu geschaffenen Lagebildern nun zusammenfassend als "Zuwanderer" bezeichnet werden. Seit 2016 (in der bundesweiten Statistik seit 2017) werden zusätzlich anerkannte Flüchtlinge zu den tatverdächtigen "Zuwanderern" gezählt; zuvor waren diese nicht gesondert erfasst worden und gingen in eine große Restkategorie "Ausländer mit sonstigem legalen Aufenthalt" ein. Gezählt werden nicht nur im jeweiligen Erfassungsjahr neu zugewanderte Personen, sondern auch Migranten, die sich bereits seit Längerem mit entsprechendem Aufenthaltsanlass (bspw. in einem Asylverfahren, als Geduldete oder als anerkannte Flüchtlinge) im Inland aufhalten.
Der von den Behörden gewählte, recht weite Begriff "Zuwanderer" erfasst also nicht alle zugewanderten Tatverdächtigen, etwa nicht Migranten aus EU-Staaten oder Personen aus Drittstaaten, die sich mit Aufenthaltstitel beispielsweise zur Arbeitsaufnahme in Deutschland aufhalten. Umgekehrt sind unter den tatverdächtigen "Zuwanderern" aber auch nicht ausschließlich Schutzsuchende. Noch nicht ausreichend untersucht ist in diesem Zusammenhang, in welchem Maße die Zuordnung von Tatverdächtigen zu den entsprechenden Aufenthaltsanlässen in der polizeilichen Praxis zuverlässig erfolgt, und inwiefern es möglicherweise zu Doppelerfassungen etwa aufgrund von Namensfehlerhebungen kommt. Darüber hinaus lassen sich bei "Zuwanderern" nicht ohne Weiteres präzise relative Registrierungshäufigkeiten angeben, da die hierzu erforderlichen Bevölkerungszahlen gerade in Phasen hohen Zuzugs (etwa im Laufe des Jahres 2015) stark schwanken und weiterhin vergleichsweise ungenau sind. Insbesondere die Zahl der Menschen, die sich illegal im Land aufhalten, kann naturgemäß nicht genau beziffert werden.
Nichtsdestoweniger lassen sich anhand der Zahlen der Kriminalstatistik gewisse Grundtendenzen für die offiziell erfasste Kriminalität ablesen. So ist zu erkennen, dass Delikte von neu zugezogenen Flüchtlingen eng mit deren limitierten Lebensumständen zusammenhängen. Das Deliktsspektrum ist gegenwärtig, wie auch schon im Rahmen des Flüchtlingszuzugs in den 1990er Jahren, stark durch meist leichtere Diebstähle, Fahren ohne Fahrschein, aber auch durch Körperverletzungsdelikte geprägt (s. für das Jahr 2019 Tabelle 1). Gewalt- und Sexualdelikte
Bei Gewaltdelikten ergibt sich aus Kriminalstatistiken einiger Bundesländer, dass es dabei in den Jahren 2015 und 2016 häufig um Auseinandersetzungen in Gemeinschaftsunterkünften ging. Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg hat beispielsweise angegeben, dass im Jahr 2016 bei rund 60% aller Flüchtlingen zugeordneten Körperverletzungsdelikte eine Flüchtlingsunterkunft als Tatörtlichkeit erfasst worden ist. Dass ein beengtes Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Aufenthaltsperspektive, darunter überdurchschnittlich oft jungen Männern, in einer durch Ungewissheit über die Zukunft, unstrukturierte Tagesabläufe und eingeschränkte Autonomie geprägten Lebenssituation ohne ausreichende Privatsphäre zu Konflikten führt, ist leicht absehbar. Häufig entzünden sich solche Auseinandersetzungen an alltäglichen Fragen des Zusammenlebens, zum Teil spielen dabei auch ethnische und religiöse Abgrenzungen eine Rolle. Auch soweit es außerhalb von Flüchtlingsunterkünften zu Gewaltdelikten kommt, dürften Belastungen durch die Flucht und die aktuelle Lebenssituation, Frustrationserfahrungen, fehlende Beschäftigung und geringe Alltagsstruktur, frühere Gewalterfahrungen, Gruppendynamiken und eine fehlende soziale Kontrolle durch die Familie von wesentlicher Bedeutung sein. Künftige Studienergebnisse werden hierzu ein genaueres Bild ergeben können.
Besonders stark wahrgenommen werden in diesem Zusammenhang schwerste Gewaltverbrechen, die allgemein, aber natürlich auch unter Flüchtlingen sehr selten vorkommen. Die Gesamtentwicklung etwa bei Kapitaldelikten war in den letzten 20 Jahren deutlich rückläufig. So wurden insgesamt zuletzt rund ein Drittel weniger Fälle eines vollendeten Tötungsdeliktes (Mord und Totschlag) registriert als zur Jahrtausendwende (Schaubild 6). Im Berichtsjahr 2019 ist in 43 von insgesamt 494 polizeilich aufgeklärten Fällen mindestens ein "Zuwanderer" als Tatverdächtiger ermittelt worden.
Was Sexualdelikte betrifft, so sind die registrierten Fallzahlen seit dem Jahr 2017 infolge der im November 2016 in Kraft getretenen weitreichenden Gesetzesänderungen in diesem Bereich nicht ohne Weiteres mit denen der Vorjahre vergleichbar; es sind nun Verhaltensweisen (als Sexualdelikt) strafbar, bei denen dies zuvor nicht der Fall war. Auch das Anzeigeverhalten kann durch die intensiven öffentlichen Debatten verstärkt worden sein. Der Anteil tatverdächtiger "Zuwanderer" an allen Tatverdächtigen bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (gesamt) betrug im Jahr 2019 10,4%, bei Vergewaltigung, schwerer sexueller Nötigung und sexuellem Übergriff im besonders schweren Fall 15,2%. Die Entwicklung der Fallzahlen war in diesem Bereich in den letzten 20 Jahren insgesamt eher stabil, teilweise auch deutlich rückläufig. Dies gilt etwa für die bis 2017 gesondert als "überfallartig" klassifizierten Vergewaltigungs- bzw. schweren sexuellen Nötigungsdelikte (2000: 2.493 Fälle, 2017: 1.068 Fälle, mit einer zwischenzeitlichen Zunahme auf 1.357 Fälle 2016 infolge der Übergriffe in der Silvesternacht 2015/16). Bei diesen Delikten ist der Anteil von Ausländern/Flüchtlingen klar überdurchschnittlich. Gleichwohl fällt natürlich auch unter allen Ausländern/Flüchtlingen nur ein äußerst kleiner Teil mit schweren "überfallartigen" Sexualdelikten auf (absolute Zahl ausländischer Tatverdächtiger als "Einzeltäter" 2017: 265; aus Gruppen: 55). Bei alledem ist zu bedenken, dass die Mehrzahl der Sexualdelikte nicht überfallartig durch einen fremden Täter geschehen, sondern im sozialen Nahbereich verübt werden und – bei Einheimischen wie bei Flüchtlingen – im häuslichen/privaten Umfeld bzw. wohl auch in Gemeinschaftsunterkünften ein vergleichsweise großes Dunkelfeld besteht. Entwicklungen von 2015 bis 2019
Insgesamt sind die absolute wie auch die relative Zahl der polizeilich registrierten Straftaten – bei Letzterer geht es um die aussagekräftigere sogenannte Kriminalitätshäufigkeitsziffer (KHZ) der Straftaten pro 100.000 Einwohner – in den letzten Jahren kaum angestiegen, in vielen Deliktsbereichen (Diebstahl, Raub) war sie sogar weiter rückläufig. Das zuweilen gezeichnete Bild einer mit dem Flüchtlingszuzug einhergehenden dramatischen Kriminalitätsentwicklung wird durch diese Zahlen nicht gestützt. Dessen ungeachtet haben die Zahl und der Anteil der Delikte, bei denen mindestens ein "Zuwanderer" als Tatverdächtiger erfasst worden ist, im Einklang mit der starken Zunahme des Zuzugs von Asylsuchenden bis zum Jahr 2016 kontinuierlich zugenommen. Ab 2017 ist die absolute Tatverdächtigenzahl bei "Zuwanderern" im Bereich von Diebstahlsdelikten wieder deutlich unter die Zahl von 2015 zurückgegangen, bei Gewaltdelikten deutet sich mit dem Berichtsjahr 2019 ein rückläufiger Trend an (s. Schaubild 7). Da Tatverdächtige mit Flüchtlingsanerkennung bis zum Jahr 2016 noch nicht gesondert erfasst wurden und diese bis dahin deshalb nicht in die Gesamtzahl der tatverdächtigen "Zuwanderer" eingingen, sind die Zahlen der Jahre 2017, 2018 und 2019 mit denen der Vorjahre allerdings nicht ganz vergleichbar. Die absoluten Tatverdächtigenzahlen sind hier zuletzt zurückgegangen, obwohl die zugrundeliegende Bevölkerungsgruppe durch weiteren Zuzug und eine Erweiterung der polizeistatistischen Definition weiter angewachsen ist.
Auffällig ist, dass anerkannte Flüchtlinge bislang sehr selten als Tatverdächtige registriert worden sind. Auch wenn hier genauere Analysen, auch zur Zuverlässigkeit der Erfassung in dieser neu eingeführten Erhebungskategorie, noch ausstehen, so steht dies durchaus im Einklang mit ausländischen Befunden, und es findet in ersten eingehenderen deutschen Analysen zur Bedeutung des Aufenthaltsstatus für Kriminalitätsrisiken Bestätigung. Eine vergleichsweise geringe(re) Belastung anerkannter Flüchtlinge erscheint theoretisch plausibel, schließlich geht es dabei doch um diejenigen, deren Lebenssituation sich tendenziell verbessert hat und deren Perspektiven vergleichsweise günstig sind.
Insgesamt werden "Zuwanderer" häufiger als Tatverdächtige registriert, als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. 2019 stellten sie 8% der Tatverdächtigen (ohne ausländerrechtliche Verstöße). Der Bevölkerungsanteil kann allerdings nur grob (auf gut 2%) geschätzt werden, insbesondere die Gesamtzahl der sich illegal im Land aufhaltenden Ausländer kann naturgemäß nicht genau beziffert werden. Die größere Registrierungshäufigkeit ist zu einem gewissen Teil – aber nach bisherigen Eindrücken nicht nur – darauf zurückzuführen, dass die "Zuwanderer"-Population einen deutlich höheren Anteil junger Männer in einem allgemein "kriminalitätsrelevanten" Alter aufweist als die Gesamtbevölkerung. Zum Vergleich: Unter allen Asylerstantragstellern der Jahre 2015 und 2016 waren 34% Männer im Alter von 16 bis 29 Jahren, in der deutschen Bevölkerung lag deren Anteil Ende 2015 bei 7,8%. Auch eine gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöhte Sichtbarkeit von Straftaten aufgrund einer nicht verfestigten Lebenssituation und dem Aufenthalt in Gemeinschaftsunterkünften kann in bestimmten Konstellationen eine Rolle spielen. Insgesamt gibt es unter Flüchtlingen, wie auch in der Gesamtbevölkerung, einen kleinen Teil von Hochbelasteten, während die große Mehrheit nicht straffällig wird.
Unterschiede nach Herkunftsländern
Bei alledem sind zum Teil deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Herkunftsgruppen zu erkennen. Kriegsflüchtlinge aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan fallen relativ betrachtet bislang vergleichsweise selten durch Straftaten zur Erzielung von Einnahmen (Diebstähle, Raub oder Drogenhandel) auf. Hier haben junge Zuwanderer aus nordafrikanischen Ländern, aber zum Teil auch aus bestimmten Subsahara-Staaten, bei zuletzt allerdings teilweise wieder deutlich rückläufigen Tatverdächtigenzahlen, weiterhin die höchsten Anteile. Auch unter den Mehrfachauffälligen sind diese Gruppen tendenziell stärker vertreten. Plausible Erklärungen hierfür beziehen sich auf soziodemografische Unterschiede in der Zusammensetzung der verschiedenen Herkunftsgruppen, aber auch auf für viele junge Zuwanderer etwa aus Nordafrika gering ausgeprägte Perspektiven, einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu erlangen, der einen Zugang etwa zu Integrationskursen und zum regulären Arbeitsmarkt ermöglicht. Manche mehrfach Straffällige waren Berichten von Praktikern zufolge bereits vor ihrer Zuwanderung an Straftaten beteiligt und sind für Polizei, Justiz und Sozialarbeiter nach aktuellen Eindrücken nur schwer erreichbar – auch, weil sie wenig zu verlieren haben. Es bleibt abzuwarten, inwieweit Maßnahmen zur Förderung der Rücknahme der Betroffenen durch die Herkunftsländer, aber auch Hilfsangebote zur Reintegration Wirkungen erzielen, und sich die zuletzt beobachtbare rückläufige Tendenz etwa bei der Zahl der nordafrikanischen Tatverdächtigen in den kommenden Jahren fortsetzt.
Bei Flüchtlingen mit Bleibeperspektive ist es wichtig, lange Phasen der Statusunsicherheit, Passivität sowie gewaltbegünstigende Formen der Unterbringung so weit es geht zu vermeiden. Möglichst schnell sollten Kontakte zur Gesellschaft und Zugänge zum Arbeitsmarkt gefördert werden. Mit Blick auf die Kinder spielen Kindertagesstätten und Schulen eine Schlüsselrolle, werden hier doch Teilhabechancen sowie eine Bindung an die Gesellschaft und deren Werte und Normen vermittelt.
Bei Zuwanderern mit unterstellter geringer Bleibeperspektive könnte es sich als problematisch erweisen, diese aus migrationspolitischen Erwägungen (Abschreckung unerwünschter Zuwanderung) von Integrationsmöglichkeiten völlig auszuschließen. Ein Teil wird in die Herkunftsländer zurückkehren, bei manchen wird sich der Aufenthalt jedoch nach früheren Erfahrungen verstetigen. Ein langer Aufenthalt in separierten Unterkünften, Kettenduldungen und ein Ausschluss etwa vom Arbeitsmarkt können dann ein langfristiges Leben am Rande der Gesellschaft befördern. So hat Studien zufolge bei manchen kurdischen und palästinensischen Zuwanderern aus libanesischen Flüchtlingslagern in einigen deutschen Großstädten neben dem spezifischen soziokulturellen "Gepäck" von bereits ausgeprägten patriarchalen, familial-kollektivistischen Orientierungen die restriktive Flüchtlingsintegrationspolitik der 1980er und 1990er Jahre – mit lange Zeit ungesichertem Aufenthaltsstatus, Ausbildungs- und Arbeitsverboten in der Erwartung der baldigen Rückkehr – zur Entwicklung und Vertiefung von Clanstrukturen und Kriminalität (Drogenhandel, Schutzgelderpressung) beigetragen.
7. Fazit
Eine einfache Formel für Zusammenhänge zwischen Migration und Kriminalität gibt es nicht. Zu vielfältig sind die damit verbundenen Lebenslagen und Kriminalitätsphänomene. Der alleinige Blick auf Ausländeranteile in den Kriminalstatistiken verwischt diese Erkenntnis eher, als dass er etwas erhellt. Insgesamt zeigen sich in Kriminalstatistiken und Befragungsstudien tendenziell erhöhte Anteilswerte unter Migranten. Bei näherem Hinsehen geht es dabei je nach Deliktsbereich um nach Aufenthaltsstatus, Einwanderungszeitpunkt, sozialer Teilhabe, Herkunft und demografischer Zusammensetzung unterschiedliche, mitunter kleine Teilgruppen. Erhöhte Risiken hängen häufig mit limitierten und belastenden Lebensumständen und -erfahrungen zusammen. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei der Zugang zum Arbeitsmarkt. Schwere und wiederholte Straffälligkeit betrifft auch unter Migranten und deren Nachkommen nur eine kleine Minderheit.
Mit Blick auf die etablierte Migrantenbevölkerung, etwa die "Gastarbeiter" und deren Nachkommen oder die in den 1990er Jahren zugewanderten (Spät-)Aussiedler, waren zuletzt zum Teil deutlich rückläufige Tendenzen erkennbar. Mit dem in jüngerer Zeit erfolgten hohen Zuzug von Flüchtlingen, darunter vielen allein eingereisten jüngeren Männern mit teilweise ungünstigen Perspektiven und individuellen Vorbelastungen, stellen sich zum Teil neue Herausforderungen. Generell gilt es bei neu zugewanderten Flüchtlingen, gewaltbegünstigende Formen der Unterbringung, Phasen der Statusunsicherheit und Separierung von der Gesellschaft möglichst zu vermeiden bzw. kurz zu halten. Die flüchtlingsrechtlichen Veränderungen, die in den letzten Jahren einen früheren Zugang zu Integrationskursen oder zum Arbeitsmarkt ermöglicht haben, dürften auch kriminologisch vorteilhaft sein. Als risikoreich kann sich ein migrationspolitisch motivierter Ausschluss mancher Zuwanderergruppen von Integrationsmöglichkeiten und -angeboten erweisen. Bei Kindern aus Zuwandererfamilien sind Anerkennungserlebnisse und Perspektiven, die vor allem mit der Bildungsteilhabe verknüpft sind, von zentraler Bedeutung. Das große zivilgesellschaftliche Engagement leistet hier wichtige Beiträge, nichtsdestoweniger sind die Bildungseinrichtungen so weit wie möglich angemessen auszustatten.
S. hierzu Bauman 2016, Die Angst vor den anderen. Ein Essay über Migration und Panikmache. Berlin.
S. zur Diskussion um mögliche Zusammenhänge zwischen allgemeinen sozialen Ängsten und Kriminalitätsfurcht Hirtenlehner/Groß/Meinert 2016, Fremdenfeindlichkeit, Straflust und Furcht vor Kriminalität. In: Soziale Probleme 27, S. 17-47.
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Hestermann 2019, Wie häufig nennen Medien…, Externer Link: https://mediendienst-integration.de/fileadmin_Expertise_Hestermann_Herkunft_von_Tatverdaechtigen_in_den_Medien.pdf
Zur selektiven Darstellung des Kriminalitätsgeschehens in Pressemitteilungen der AfD s. Hestermann/Hoven 2019, Kriminalität in Deutschland im Spiegel von Pressemitteilungen der Alternative für Deutschland (AfD). In: KriPoZ 4 (3), S. 127-139.
S. für einen Überblick bspw. Walburg 2019, Migration und Kriminalität – komplexe Zusammenhänge und differenzierte Befunde. In: Journal für Strafrecht 6 (2), S. 102-108; internationale Befunde finden sich etwa bei Bucerius/Tonry 2014, The Oxford Handbook of Ethnicity, Crime, and Immigration; Pickering/Ham 2015, The Routledge Handbook on Crime and International Migration; Melossi 2015, Crime, punishment and migration. London;
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Bundeskriminalamt 2019, Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Standardtabelle 29; Externer Link: https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik/PKS2018/Standardtabellen/standardtabellenTatverdaechtige.html;jsessionid=345E24507DD37EBD7C50CBF00AD46C73.live0611?nn=108686
S. hierzu Statistisches Bundesamt 2019, Fachserie 1 Reihe 2 - Ausländische Bevölkerung 2018. Wiesbaden; Externer Link: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/Publikationen/Downloads-Migration/auslaend-bevoelkerung-2010200187004.pdf?__blob=publicationFile
Errechnet wird jeweils die Registrierungshäufigkeit der gemeldeten Bevölkerung ab acht Jahren.
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S. bspw. Oberverwaltungsgericht Koblenz, Pressemitteilung 14/2016, Urteil vom 21. April 2016 (Aktenzeichen 7 A 11108/14.OVG).
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S. zu Jugendkriminalität allgemein Heinz 2016, Jugendkriminalität – Zahlen und Fakten (Interner Link: http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/gangsterlaeufer/203562/zahlen-und-fakten?p=all).
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Im Blick zu behalten sind auch hier etwas größere Ungenauigkeiten bezüglich der entsprechenden Bevölkerungszahl.
S. hierzu Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 276 vom 18. Juli 2019; Externer Link: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/07/PD19_276_12521.html.
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S. hierzu Christ/Meininghaus/Röing 2017, "All Day Waiting". Konflikte in Unterkünften für Geflüchtete. Externer Link: https://www.bicc.de/uploads/tx_bicctools/BICC_WP_3_2017_web.pdf.
S. hierzu insbesondere Bannenberg/Eifert/Herden 2019, Kriminalität von Zuwanderern. Strafgefangene und Untersuchungsgefangene nach Jugendstrafrecht in Hessen. In: Kriminalistik 73 (1), S. 23-30.
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Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik, Grundtabelle 01; zu den Übergriffen in der Silvesternacht 2015/16 in Köln und einigen anderen Städten, s. Bundeskriminalamt 2016, Abschlussbericht der Bund-Länder-Projektgruppe "Silvester". Wiesbaden. S. zum Ganzen auch Hörnle 2018, Taten nach § 177 StGB in der Polizeilichen Kriminalstatistik. Zusammenhänge mit Zuwanderung. In: Kriminalpolitische Zeitschrift 3 (4), S. 218-223.
Leerkes/Engbersen/Snel/de Boom 2018, Civic stratification and crime. A comparison of asylum migrants with different legal statuses. In: Crime, Law and Social Change 69 (1), S. 41-66.
Glaubitz/Bliesener 2019, Flüchtlingskriminalität – Die Bedeutung des Aufenthaltsstatus für die kriminelle Auffälligkeit. Eine Untersuchung der Deliktsbelastung von Geflüchteten in den Jahren 2013 bis 2016. In: Neue Kriminalpolitik 31 (2), S. 142-162.
Bundeskriminalamt 2019, Kriminalität im Kontext von Zuwanderung. Bundeslagebild 2018. Wiesbaden.
S. zum Ganzen Zillinger 2016, "Nafri" als Symbol für die Flüchtlingskrise? Marokkanische Perspektiven auf Migration. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 66 (33-34), S. 47-52 (Interner Link: http://www.bpb.de/apuz/232427/nafri-als-symbol-fuer-die-fluechtlingskrise-marokkanische-perspektiven-auf-migration?p=all).
S., auf Grundlage niederländischer Befunde, Engbersen et al. 2015, No time to lose: from reception to integration of asylum migrants. WRR-Policy Brief 4 (Externer Link: https://english.wrr.nl/publications/policy-briefs/2016/02/16/no-time-to-lose-from-reception-to-integration-of-asylum-migrants).
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| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-02-10T00:00:00 | 2019-12-06T00:00:00 | 2022-02-10T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/innere-sicherheit/dossier-innere-sicherheit/301624/migration-und-kriminalitaet-erfahrungen-und-neuere-entwicklungen/ | Von Migranten verübte Straftaten erfahren in Zeiten hoher Zuwanderung eine große öffentliche Aufmerksamkeit. Ein differenzierter Blick auf aktuelle Kriminalstatistiken und Studien zeigt, dass es keine einfache Formel für Zusammenhänge zwischen Migrat | [
"Migration und Kriminalität",
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"Kriminalität",
"Migranten",
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"Polizeiliche Kriminalstatistik",
"Delinquenz",
"Gewaltdelikte",
"Sexualdelikte",
"Straftaten",
"Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung",
"Tatverdächtige"
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Wahlberechtigte (2009) | Bundestagswahlen | bpb.de | Fakten
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren bei der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 insgesamt etwa 62,2 Millionen Deutsche wahlberechtigt. Davon waren 32,2 Millionen Frauen und 30,0 Millionen Männer. Bei den Altersgruppen war die Gruppe der 40- bis 49-Jährigen mit 12,8 Millionen Wahlberechtigten am stärksten vertreten, gefolgt von der Gruppe der Wahlberechtigten, die 70 Jahre oder älter waren (11,4 Millionen). Die Gruppe der 70-Jährigen und Älteren hatte zudem den höchsten Frauenanteil unter den Altersgruppen (60,5 Prozent).
Zu allen Wahlberechtigten bei der Bundestagswahl 2009 gehörten auch etwa 3,5 Millionen Personen, die seit der letzten Bundestagswahl volljährig geworden sind: 1,7 Millionen Frauen und 1,8 Millionen Männer hatten bis zum Wahltag das achtzehnte Lebensjahr vollendet und konnten erstmals bei einer Bundestagswahl ihre Stimme abgeben.
Wahlberechtigt bei Bundestagswahlen sind deutsche Staatsbürger im Sinne des Grundgesetzes, die 18 Jahre oder älter sind und seit mindestens drei Monaten ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Deutsche, die im Ausland wohnen, können jedoch ihre Stimme per Briefwahl abgeben. Unter bestimmten Umständen kann einzelnen Bürgerinnen oder Bürgern durch richterlichen Beschluss die Wahlberechtigung aberkannt werden.
Datenquelle
Externer Link: Der Bundeswahlleiter. | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2012-01-18T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/bundestagswahlen/zuf-btw-2009/55601/wahlberechtigte-2009/ | Bei der Bundestagswahl 2009 waren in keiner Altersgruppe mehr Wahlberechtigte als bei den 40- bis 49-Jährigen: 6,5 Millionen Männer und 6,3 Millionen Frauen. | [
"Zahlen und Fakten",
"Deutschland",
"Wahlen",
"Bundestagswahl 2009",
"Wahlberechtigung"
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Kölle. Oder: Der schlechte Ruf der Hölle. Einblicke in die kölsche Seele - Essay | Köln | bpb.de | Spätestens seit dem Einsturz des Stadtarchivs 2009 und den Vorfällen vor dem Bahnhof in der Silvesternacht 2015/16 steht Köln weltweit für zwei Begriffe: Inkompetenz und sexuelle Übergriffe. Köln ist so etwas wie Lothar Matthäus als Stadt. Seit dieser Kränkung versuchen die Ordnungskräfte der Stadt Köln geradezu manisch, alles und jedes irgendwie in den Griff zu bekommen. Widersprüche
Kurioses Beispiel ist das sogenannte Wegbier. Der Begriff umschreibt die Flasche Bier, die man auf dem Weg zu einer Party oder auch zur Arbeit trinkt. In anderen Bier-Regionen sagt man auch blumig "Fuß-Pils". Der Hintergrund: Viele junge Leute können sich häufigen Kneipenbesuch nicht leisten. Sie kaufen sich günstiges Flaschenbier, das sie auf den Wegen und Plätzen trinken. Das wurde zu einer öffentlichen Feierkultur – allabendlich. Das führt vor allem im Sommer zu einer zwanglosen Atmosphäre im öffentlichen Raum: Wenig Arbeit, viele Feste, dat is doch immer noch dat Beste!
Der Brüsseler Platz im belgischen Viertel ist das Eldorado des Wegbiers. Trotz des erbitterten Widerstands der Anwohner und dilettantischer Maßnahmen des Ordnungsamtes treffen sich hier bei gutem Wetter Tausende Kölner zum fröhlichen Quatschen und Trinken. Denn im Rheinland hat das Sprechen einen Wert an sich, unabhängig vom Inhalt. Der Rheinländer hört nicht zu. Er redet lieber selbst. Die Preußen waren oft verzweifelt über ihre Rheinprovinz, ein Machthaber soll damals in Köln mit folgenden Worten resigniert haben: "Du kannst sie nicht regieren, sie hören nicht zu!"
Heute aber will die Stadt Köln selbst die preußische Strenge vergangener Tage in den Schatten stellen. Im Herbst 2016 debattierte man im Stadtrat über eine neue Stadtordnung. Paragraf 11a will das Alkohol-Trinken hundert Meter um Schulen und Kindergärten verbieten. Eine kommunale Schnapsidee! Das wird sich in Köln nicht durchsetzen. Das wäre die Härte, auch für so manches Lehrerzimmer. Am Brüsseler Platz gab es bereits die erste Demo: "Freiheit dem Wegbier in Köln".
Außerdem soll Straßenkunst um den Kölner Dom verboten werden und Straßenmusik nur noch 20 Minuten lang erlaubt sein. Das sind fast schlimmere Zustände als in Singapur. Von Hamburg bis München beneidet man die Kölner um ihre Lebensfreude, ihre Toleranz und ihre Lockerheit. Gleichzeitig wird in Köln etwa das Rauchverbot strenger umgesetzt als anderswo – und nun noch diese drohenden Verbote für Kreidemaler, Jongleure und Musikanten. Woher kommt dieser Widerspruch in der Kölner Seele?
Ich kann es mir nur so erklären: Im zweiten Weltkrieg haben die Briten Köln so lange bombardiert, bis nichts mehr funktioniert hat. Und dann haben Sie uns geholfen, eine Stadtverwaltung aufzubauen, damit das auch so bleibt. Das desaströse Versagen der Kölner Verwaltung insgesamt führt nun zu einer nahezu preußischen Strenge, die im Widerspruch zum Lebensgefühl der Rheinländer steht. Die Abkürzung AvO zeigt das: Es sind die "Arschlöcher vom Ordnungsamt". Diesen Fachterminus habe ich selbst überprüft. Mein Freund Alex wollte auf dem Parkplatz vor seiner Crêperie in der Kölner Südstadt eine Außengastronomie beantragen, was dort prinzipiell möglich ist. Er wollte dies jedoch nicht konventionell mit den üblichen Stühlen auf der Parkfläche machen, sondern mit seiner Renault Estafette, einem Oldtimer. Da können die Leute auf der niedrigen Ladefläche sitzen, die mit darauf gestellten Bänken und Tischen vom Schreiner dazu einlädt. Habe er, so Alex, schon mal in Berlin gesehen und das Ganze mit einem Parkticket mal unverbindlich getestet, gerade die jungen Leute fänden das super. Hippe Idee, aber wir sind in Köln! Ich sag: "Jung, ich jeh für Dich zum Amp. Gib mir Zeichnung, Plan und Foto." Ich dahin, den Umschlag kaum ausgepackt herrschte mich eine alte preußische Gouvernante an: "Das geht nicht!!!" Ich sag: "Genau so hab ich mir dat hier vorgestellt. Ich bin doch Ihr Kunde, wieso bekomm ich eigentlich keinen Kaffee angeboten?" – "Der Antrag kostet 500 Euro und ich muss Sie warnen, dass das keinerlei Aussicht auf Erfolg hat. Und wenn das jeder machen würde, dann stünde da ein Auto neben dem andern." "Ja", sag ich, "genau wie jetzt auch".
Soviel Dummheit wie bei den AvO gibt es in keinem Tierpark. Hier wird jede Eigeninitiative im Keim erstickt. "Wenn Sie einmal mit der Stadt Köln zusammengearbeitet haben, kapieren Sie, warum das mit der DDR nicht funktionieren konnte", konterte ich. Auf dem Flur sortierte ich dann meine Zettel und hörte durch die geschlossene Bürotür das Fluchen des Amtsschimmels: "So ein Arschloch!" Ich mache die Tür wieder auf: "Das ist aber nett, wie Sie über Ihre Kunden reden!" Damit brachte ich die Furie in Verlegenheit. "Ja äh, damit ist ein Kollege gemeint." Aha! Wenn die sich schon untereinander so nennen, ist es also amtlich abgesegnet, was die Kölner auf der Straße sagen: "die Arschlöcher vom Ordnungsamt!" Mehr Lommerzheim wagen
Dabei ist man hier eigentlich stolz auf Improvisiertes: Komikerin Carolin Kebekus definiert es auf einer Bierreklame: "Köln ist wie backstage. Nicht geleckt, aber authentisch". Beispiele dafür findet man: eine abgeranzte Kaschemme, die Wände seit Jahrzehnten nicht renoviert, prähistorische Stromleitungen und Methusalems muffiges Mobiljahr. "Ja, so ist er, der Lommerzheim", höre ich zustimmend, jene Kultkneipe in Köln-Deutz, die die Kölner Band Miljö zum Synonym für die wahre Stadt erhebt: "Su lang beim Lommi die Lichter noch brennen, so lang stirbt der Kölner nicht aus!"
Doch während ich diese Zeilen tippe, sitze ich gar nicht in Köln, sondern im Berliner Neukölln in einem der üblichen Szenelokale. Niemand käme an der Spree auf die Idee, darüber ein Lied zu schreiben, hier sind solche Pinten die Norm. In Berlin ist es etwas Besonderes, wenn man mal eine Kneipe findet, in der die Wände nicht völlig unrenoviert sind und man sich nicht auf alten Autositzen vom Schrottplatz oder Sesseln vom Sperrmüll fläzt. Hier räkeln sich die Gäste sogar auf abenteuerlich zusammengezimmerten Hochbetten. Gegen diese kruden Kultstätten der Berliner ist der Kölner Lommerzheim ein Edelschuppen der Spitzengastronomie.
"So coole Kneipen wie in Berlin findet man in Köln einfach nicht." Meine Tochter schwört auf Berlin, und immer wenn ich sie dort besuche, zeigt sie mir ihre neuesten Entdeckungen. Natürlich machen geringere Mieten solch experimentelle Läden leichter möglich. Doch das ist nicht der einzige Grund für diese facettenreiche Vielfalt. Solche schillernde Blüten fantasievoller Gastronomie würde das Kölner Ordnungsamt sofort schließen. Die peniblen Fürsten der Kölner Verwaltung verstehen nicht den geringsten Spaß, bringen alle meine befreundeten Wirte regelmäßig zur Verzweiflung und mischen sich in jede Kleinigkeit ein. "Pingelig zu Lasten der Bürger" beschreibt Peter Pauls im "Kölner Stadt-Anzeiger" die Verwaltung treffend.
So konnte vermutlich der ursprüngliche Lommerzheim nach den Kriegswirren nur deshalb so notdürftig zusammengenagelt eröffnen, weil das Ordnungsamt noch völlig zerbombt in Schutt und Asche lag und anders als jetzt keinerlei Schaden anrichten konnte. Ob Bomber Harris dieses Amt mit modernem Zielgerät heute ohne Kollateralschäden noch einmal zerlegen könnte? Nach dem 20. Kölsch im Lommi würde man womöglich auf den Trichter kommen, dass dies einen Versuch wert sei.
Denn was macht man sonst mit diesen in kölscher Selbstbesoffenheit wuchernden Geschwüren der Stadt? Entlassen kann man verstrahlte Beamte ja leider nicht. Im Sinne kölscher Lebensfreude müsste man diese arroganten Spielverderber alle totkitzeln. Damit wäre viel Sand aus dem Getriebe Kölns verschwunden und man müsste nicht mehr den Lommerzheim als Museum einer vergangenen Epoche bewundern. Frei nach Berlins ehemaligem regierenden Bürgermeister Willy Brandt hoffe ich hier am Rhein auf Besserung: "Mehr Lommerzheim wagen". Doch während Köln schon fast die autoritäre Regelwut der SED für sich entdeckt, hat Berlin die DDR heldenhaft überwunden und ist heute die viel rheinischere Stadt! Und das nicht nur, was die Kneipen angeht. Was sind der Hubschrauberlandeplatz am Kalkberg, der Opernbau und das Wahldebakel gegen den Berliner Flughafen? (Klaus Wowereit sucht übrigens einen neuen Job. Er ist als Projektleiter beim Kölner U-Bahnbau im Gespräch.) Ambiguitätstoleranz und Dreifaltigkeit
Aber Köln ist nicht voll Panne, denn die AvO sind nicht überall. Immer schon zeigte Kölle am Rhing seine rheinische Seele, wenn die preußisch-pingeligen Ordnungskräfte in den Seilen hingen. Die Kölner Box-Legende Peter Müller schlug einst den Berliner Ringrichter Max Pippow k.o., nachdem dieser ihn wegen Klammerns ermahnte und ihn dabei einen "Zigeuner" nannte. "Da han ich ihn usjeknock." Eine lebenslange Sperre war die Folge. Doch – glückliches Köln – nach zehn Monaten wurde diese wieder aufgehoben. Wegen seiner gebückten Kampfhaltung hieß der fünffache Deutsche Meister in Köln nur "dä Aap" ("der Affe"). Die Familie von Müllers Aap hatte in Köln-Zollstock einen Gemüseladen, und meine Mutter ging dort einkaufen. Ich mochte kein Gemüse, aber es war schön, in diesem Viertel aufzuwachsen. Doch was den Kölner ausmacht, erfuhr ich damals nicht von Müllers Aap. Ausgerechnet ein alter Schwarzweißfilm mit Heinz Rühmann eröffnete mir die Seele des Kölners: "Stelle m’r uns mal janz dumm", sagt Professor Bömmel in "Die Feuerzangenbowle". Die Schüler sabotieren die Lehranstalt mit einem Schild: "Wegen Bauarbeiten geschlossen." Der empörte Lehrkörper ruft wütend nach strengen Sanktionen, ist außer sich und berät aufgebracht, was nun zu tun sei. Bömmel bleibt entspannt und hat die richtige Antwort: "nix".
Ambiguitätstoleranz – vom lateinischen ambiguus (zweifelhaft) – nennen Wissenschaftler die Fähigkeit, Dinge auszuhalten, die nicht so sind, wie sie der eigenen Meinung nach sein sollten. Die meisten Rheinländer kennen das Wort nicht, die Fähigkeit sehr wohl. Dass diese im Rheinland eigentlich stärker ausgeprägt ist als etwa in Preußen, beweist folgende Geschichte: Mein Freund, der Autor Dietmar Jacobs, reiste mit seinen beiden Töchtern, zwei und sechs Jahre alt, nach Berlin. Doch bereits die kurze Taxifahrt vom Bahnhof ins Hotel scheiterte: "Nee, die Kleene kann ick nich mitnehmen. Die brauch ’ne Schaale." Das zweite Taxi in der Schlange war ebenfalls tabu: "Ick hab keenen Sitz für die Kleene, dat jeht nich." Dem dritten Taxifahrer versicherte der Vater, dass er das Kind anschnallen werde und die Verantwortung übernähme: "Nee, uff keenen Fall. Det is jejen det Jesetz." Keiner der zehn Berliner Taxen nahm sich des gestressten Trios an, sie mussten die Strecke zu Fuß bewältigen. Zurück in Köln stiegen die drei am Hauptbahnhof ins Taxi. Der Fahrer drehte sich grinsend um und meinte im breitesten Kölsch: "Für normal darf ich üch jo janit metnemme – ävver et hilf jo nix, de Pänz müsse jo no huss", lachte und fuhr los. Der Kölner Taxifahrer akzeptierte, dass die Kinder nicht so saßen, wie es sein sollte. Einen größeren Kontrast zum Kölner Ordnungsamt kann man sich kaum vorstellen.
Womöglich ist diese Ambiguitätstoleranz historisch gewachsen. Im Rheinland hat das Kollaborieren mit dem Feind meist Vorteile gebracht. Die Westfalen haben den Feind, die Römer, zwar zurückgeschlagen, so wie es sein sollte. Doch was hatten sie davon? Keine römischen Errungenschaften wie Wasserleitung, Dampfbad, Kultur und Christentum. Stattdessen weiter Tier- und Menschenopfer. Im Rheinland zeugen die Knochen der elftausend Jungfrauen, die Gebeine der Heiligen Drei Könige im Kölner Dom davon, dass die römische Hochkultur hier auf besonders fruchtbaren Boden fiel. Der Reliquienhandel hat Köln reich und zum Rom des Nordens gemacht, und den zeitlichen Vorsprung konnten die erst später christianisierten Westfalen nicht mehr aufholen.
Köln ist zuallererst mal römisch und dann erst katholisch. Das Katholische kommt im Rheinland so sehr an zweiter Stelle, dass man es im Grunde weglassen kann. So erlebt man am Rhein die Heilige Dreifaltigkeit – Vater, Sohn und Heiliger Geist –, entstanden aus der römischen Trias – Jupiter, Juno und Minerva – in vielen Facetten: Karneval, Kirche, Klüngel oder im privaten Bereich "Suffe, Poppe, Kaate kloppe". Das lässt sich schwerlich übersetzen. Das ist Latein, ergänzt es doch das römische Duo Brot und Spiele um eine erotische Komponente.
So ist der rheinische Humor das philosophische Chassis der Ambiguitätstoleranz. Humor erfordert ein Gefühl des Spielerischen, die Freude an Widersprüchen. Religionen sind voller Widersprüche. Deshalb holt sich die Dreifaltigkeit des rheinischen Frohsinns – Prinz, Bauer und Jungfrau – ihren Segen im Kölner Dom ab. Die Religion segnet den Humor, oder ist es umgekehrt? Ist es nicht vielmehr der Humor, der hier die Religion segnet? Zeigt uns die Welt doch täglich, dass Religion ohne Humor brandgefährlich ist. Humor enthält eine Mischung von Elementen, die nicht zusammenpassen. Humor erfordert aber auch die Fähigkeit, Unsicherheit zu ertragen. Er bedroht die Autorität. Professor Bömmel in "Die Feuerzangenbowle" untergräbt gar seine eigene Autorität: "Wenn Ihr jetzt nit wisst, wie en Dampfmaschin jeht, könnt Ihr dat im Buch nachlesen. Et steht überhaupt alles im Buch, wat ich erzähle!" Will sagen: Im Grunde ist er völlig überflüssig.
Zusätzlich gehört zum Lachen ein Verlust der Selbstkontrolle und der Selbstdisziplin. All diese Elemente aber sind genaue Gegenpole zum Fundamentalismus. Dessen Anhänger schätzen ernste Tätigkeiten mehr als Spielereien, Sicherheit mehr als Unsinniges, Autorität mehr als Chaos. So haben auch die Taxifahrer im preußischen Berlin die Sicherheit und die Autorität des Gesetzgebers an oberste Stelle gerückt und dafür die Humanität geopfert. Autoritärer Traum
Genau das passiert nun auch in Köln. Die berühmte Silvesternacht scheint das liberale Köln ein Stück autoritärer zu machen und spiegelt damit auf kleinstem Raum eine Entwicklung wider, die wir auf dem gesamten Globus beobachten können. Der Historiker Philipp Blom glaubt gar, dass man die Welt heute nicht mehr in rechts und links einteilen könne. Aus seiner Sicht teilt sich die Welt in zwei neue Lager: Ein Teil der Welt träumt den liberalen Traum, ein anderer den autoritären Traum. Der liberale Traum thematisiert die Menschenrechte und die Freiheit. Er hat seinen Ursprung in der Aufklärung, sieht die Welt individualistisch und vor allem pluralistisch. So wie das liberale Köln: Jede Jeck is anders.
Der autoritäre Traum hingegen ist so alt wie die Welt, aber er lebt immer wieder neu auf. So wie jetzt, wenn viele Menschen nicht oder nicht mehr an die Demokratie glauben. Der autoritäre Traum sucht nach starken Führern und einfachen Antworten, zu denen die langsame, kompromissbereite Demokratie nicht fähig sei. Der autoritäre Traum wütet gegen die Dekadenz der liberalen Lebensweise und der "unnatürlichen sexuellen Ausschweifungen", so Blom. Der autoritäre Traum verbindet Donald Trump in den USA mit Wladimir Putin in Russland und Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei; ebenso Marine Le Pen in Frankreich mit Jarosław Kaczyński in Polen und Viktor Orbán in Ungarn. Und auch Pegida und AfD haben in dem Punkt mit den Kämpfern des sogenannten Islamischen Staates und den Salafisten mehr gemein, als ihnen lieb ist. Sie alle erliegen dem autoritären Traum, propagieren die Reinheit der Völker, sehen Frauen in traditionellen Rollen und verteufeln immer die Homosexualität. Das ist der Lackmustest, daran können sie ihn festmachen. Der autoritäre Traum mag durchaus attraktiv sein für viele, denen Freiheit Angst macht und zu kompliziert ist. "Donald Trump sorgt dafür, dass wir nicht alle schwul werden." Dafür sorgt in Köln keiner.
Aber jetzt, wo die neokapitalistische und marktradikale FDP keine Rolle mehr spielt, kann man das Wort liberal auch wieder lustvoll in den Mund nehmen – vor allem, um sich vom autoritären Traum abzugrenzen. Aber der wird es in Zukunft schwer haben: Denn er achtet Fremde, solange sie in der Fremde bleiben. Er will Fortpflanzung nur innerhalb der eigenen Kultur. Vor 80 Jahren sprach man noch von Rasse, so Blom. Doch das ist Schnee von gestern. Wegen der Klimaerwärmung werden sich nach Schätzungen der Internationalen Organisation für Migration bis 2050 nochmal 200 Millionen Menschen auf den Weg machen müssen, weil sie in ihrer Heimat sonst verdursten oder durch die ansteigenden Meeresspiegel ersaufen. Der liberale Traum ist eben auch für die Klimakatastrophe verantwortlich. Jeder von uns war dabei. Da haben wir alle mitgemacht. Und dann kommt nicht nur der Afrikaner, sogar der Holländer. Der kann das Wasser nicht mehr halten und wird bei uns um Asyl bitten.
Der Holländer? Da fragen sich viele, brauchen wir nicht doch eine Obergrenze? Nein, denn in Zukunft wird das kölsche "Jede Jeck is anders" ergänzt durch ein neues Motto: "Jede Jeck is von woanders." Was wir jetzt Flüchtlingskrise nennen, ist keine Krise, das ist ein Praktikum – eine Fingerübung in der Turnhalle. Damit wir Integrations-Profis sind, wenn die Klimaflüchtlinge kommen. Und sie werden kommen, das kann auch die AfD nicht verhindern. Das Land, das am geschmeidigsten integriert, hat am Ende die besten Chancen. Und wir werden immer besser! Allein schon deshalb, damit wir uns später nicht so blamieren wie der Kölner Busfahrer, der neulich einen Afrikaner an der Haltestelle sah: "Oh, Bimbo will Busfahren?" – "Ja" – "Wo will Bimbo denn hin?" – "Krankenhaus"– "Oh, Bimbo krank?" – "Näh Chefarzt".
Dennoch sagen viele, im Rheinland sei die Toleranz gegenüber Fremden vielleicht etwas größer als in anderen Teilen der Republik. Wenn, dann liegt das wohl vor allem daran, dass man hier gelernt hat, das Positive im Fremden zu erkennen und davon zu lernen. In Köln lebten wir vor 2000 Jahren rechts und links des Rheins als Germanenstämme auf sehr niedrigem Niveau. Wenn wir mal mussten, haben wir ein Loch in die Erde gegraben und darin unseren Darm entleert. Damit waren wir zufrieden. Doch dann kam der Römer aus der Fremde und schlug vor: Wir bauen jetzt Klos und leiten unsere Exkremente mit Rohren in den Rhein. Da waren die Germanen auch erst dagegen, weil das so anders war. Aber dann haben die irgendwann kapiert: Das ist super. Für das ganze Rheinland! Die Kölner haben gerufen: "Toll! Unsere Kacke fließt von uns weg den Rhein runter." Und in Düsseldorf haben sie gerufen: "Das Rheinwasser verändert seine Farbe. Da brauen wir Bier draus!" Kölsches Othering
Dieser Witz mag platt sein, doch zeigt er: Die Angst vor dem Fremden erzeugt immer die Abgrenzung der eigenen Gruppe gegen eine andere. Jede Gruppe hält sich selbst und die eigenen Rituale für richtig und am besten. Jeder Ort und jede Ethnie glaubt, sie selbst sei die beste, was sie macht sei normal, und das Fremde sei unnormal. Deshalb besingen die Menschen die "Schönheit" ihrer Heimat. Es gibt Lieder über Kufstein "die Perle Tirols", ganz Paris "ist ein Theater", Bochum "dein Herz ist aus Stahl", sogar das Westfalenland "ist wieder außer Rand und Band". Das Besondere in Köln: Hier gibt es nur solche Lieder!
Nicht nur die etablierten Kapellen De Räuber über De Paveier bis zu De Höhner besingen den Dom, den FC, den "Rhing", und die Kölsche "han em Häzze Sunnesching". Auch die ganz jungen Bands von Kasalla bis Cat Balou bedienen dieses Muster kölscher Selbstbesoffenheit mit großem Erfolg und viel Charme, dem man sich kaum entziehen kann. Am Ende singt jeder mit und stimmt sogar den Höhnern zu: "Kölle, du bes e Jeföhl!"
Die positive Identität mag helfen, in der Globalisierung zu bestehen. Schließlich bringen fremde Kulturen oft Denkweisen und Rituale mit, die anders sind. In Neuseeland gibt es zum Beispiel Kulturen wie die Maori, da sind alle Mädchen schon mit zwölf Jahren tätowiert. Das kommt uns komisch vor. Bei uns ist das erst mit 14. Oder es gibt in Südostasien Völker, da treffen sich die Männer, die keinen Sex mehr haben, in speziellen Männerhäusern. Das gibt’s bei uns auch. Aber hier heißt das "OBI". Gerade von Afrika haben viele hier ganz falsche Vorstellungen. Die denken, da gibt es Kannibalen, die ihre Verwandten essen. Und das macht uns Angst. Andererseits isst man in Norddeutschland Labskaus. Und ich glaube, da schmecken meine Verwandten besser.
Die Psychoanalyse sagt ja, dass Fremdenangst von der Angst vor dem Fremden in der eigenen Seele kommt. Insofern berührt die Silvesternacht in Köln jeden zutiefst und wühlt einiges auf. Der autoritäre Traum macht sich hemmungslos Luft, auch auf den Internetseiten von Brings und Kasalla, die sich einem Shitstorm ausgesetzt sahen, weil sie sich für Ausländer und gegen Rechts einsetzen. Zeitweise mussten Sie ihre Homepages schließen. Der Rassismus ist in der vermeintlichen Mitte auch dieser Stadt angekommen. Erstaunlich aber bleibt, dass Menschen mit solchen Ressentiments die Songs dieser Musiker so toll finden, deren politische Gesinnung doch eindeutig links von der Mitte verortet ist. Sogar Rechtsradikale weilen unter ihren Fans.
Könnte es vielleicht sein, dass die Lobeshymnen "op Kölle, du ming Stadt am Ring" denen so munden, die Kölle über alles lieben, weil sie "Deutschland, Deutschland über alles" nicht mehr singen dürfen? Machen wir uns nichts vor: Kölschtümelei hat eine offene Flanke zum rechten Rand. Sowohl die rechtsextreme Partei Pro Köln als auch die AfD werben auf Plakaten mit Mundart-Slogans wie "Damit uns Kölle kölsch bliev".
Dass die kölschen Bands ihre Stadt schön finden, sei ihnen unbenommen. Aber muss man sie schön färben? Schließlich war das nicht immer so. Die bekanntesten kölschen Lieder wie "Mer losse d’r Dom in Kölle" oder "In unserem Veedel" von den Bläck Fööss waren auch eine Kritik an der Stadtsanierung und an der Spaltung der Stadt. Der Song "Kristallnaach" von BAP steht für sich und sogar bei De Höhner fand man früher mal Kritik, zum Beispiel an der Situation der Migranten: "Wann jeiht für mich der Himmel wieder op?" Köln ist eben nicht "E Jeföhl" und "super tolerant" und "nemp jeden an de Hand", wie Tommy Engel so gerne singt. Hier gibt es vermutlich genauso viel rechtsextremes Gedankengut in der Bevölkerung wie in anderen Städten. Nur will man es oft nicht wahrhaben im kölschen Biotop, wo jeder Jeck anders ist und jeder Kölsch spricht. Dabei können die meisten kein Kölsch, und was ist daran schlimm? Denn die, die kein Kölsch sprechen sind die wahren Kölner. Die Zugezogenen, die "Imis", die kein "kölsch Bloot" haben, wie T-Shirts es in Frakturschrift propagieren. Denn die sind nicht einfach nach ihrer Geburt hier hängen geblieben, die haben sich bewusst für diese Stadt entschieden. Für dieses Biotop für Bekloppte.
"Hüsjer Sträßjer Jässjer" – ja, es stimmt: "Mer han der Dom, d’r Ring un im kölsche Häzze Sunnesching." Und so klingt auch der Soundtrack der meisten kölschen Lieder: "Mer sinn wie mer sinn, un so wie mer sinn, simmer perfekt." Mit viel Fleiß könnte das in der Mischung mit den vielen Zugereisten vielleicht gelingen.
Mein Kollege Erwin Grosche aus Paderborn schrieb einst einen Satz, der im Positiven wie im Negativen eigentlich für jede Stadt gilt: "Der schlechte Ruf der Hölle liegt nicht an dem Ort. Sondern an den Leuten dort." | Article | , Jürgen Becker | 2021-12-07T00:00:00 | 2017-01-02T00:00:00 | 2021-12-07T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/239694/koelle-oder-der-schlechte-ruf-der-hoelle-einblicke-in-die-koelsche-seele-essay/ | Spätestens seit dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln 2009 und den Vorfällen vor dem Bahnhof in der Silvesternacht 2015/16 versuchen die Ordnungskräfte der Stadt geradezu manisch, alles und jedes irgendwie in den Griff zu bekommen. | [
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Flüchtlingsrecht: Der internationale Rahmen | Deutsche Asylpolitik und EU-Flüchtlingsschutz im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems | bpb.de | Flüchtlinge unterscheiden sich von sonstigen internationalen Migranten (wie z.B. Arbeitsmigranten, die in der Regel freiwillig in ein anderes Land wandern) dadurch, dass ihre Migration aufgrund von Konflikten oder Verfolgung erzwungen ist. In der Realität sind diese Kategorien nicht immer trennscharf, häufig sind die Migrationsmotive vielfältig. Dennoch ist es aus Sicht von Staaten notwendig, zwischen Schutzbedürftigen und "normalen" Migranten zu unterscheiden. Dabei wird nicht jede unfreiwillige Wanderung – etwa wenn diese durch Armut oder Klimaveränderungen ausgelöst wird – von der internationalen Staatengemeinschaft als schutzrelevant anerkannt. Wer in welche Kategorie von Migranten fällt, ist dabei immer auch ein Ergebnis politischer Aushandlungsprozesse.
Generell obliegt Staaten das Recht, zu entscheiden, wer Zugang zum nationalen Territorium erhält und wem unter welchen Bedingungen Schutz gewährt wird. Eingeschränkt ist die Souveränität der Staaten jedoch durch das internationale Flüchtlingsrecht. Dieses entstand als Reaktion auf die Erfahrungen der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts, die Millionen internationaler Flüchtlinge hervorgebracht haben. Am 10. Dezember 1948 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. In Artikel 14 heißt es: "Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen." Aus dem Recht, Asyl zu suchen, folgt aber kein automatisches Recht, Asyl zu erhalten. Zwei Jahre später, am 14. Dezember 1950, schuf die Generalversammlung das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR), der von da an für internationale Flüchtlinge zuständig sein sollte. Laut seinem Mandat soll der UNHCR internationale Aktionen zum Schutz von Flüchtlingen koordinieren und sicherstellen, dass die Menschenrechte von Flüchtlingen respektiert werden und dass Flüchtlinge das Recht haben, Asyl zu suchen.
Das nach dem Zweiten Weltkrieg stetig weiterentwickelte internationale Flüchtlingsrecht basiert im Wesentlichen auf der am 28. Juli 1951 unterzeichneten (und 1954 in Kraft getretenen) Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Wichtigste Inhalte der Konvention sind die Definition des Flüchtlingsbegriffs und das Non-Refoulement-Prinzip, d.h. das Verbot der Zurückweisung in ein Gebiet, in dem einem Flüchtling Verfolgung droht (GFK Art. 33). In Europa leitet sich dieses auch aus Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK, in Kraft seit dem 3.9.1953) ab: "Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden." In Artikel 1a(2) der GFK wird der Flüchtlingsbegriff definiert: "Ein Flüchtling ist eine Person mit der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung". Diese Definition bezog sich zunächst nur auf Flüchtlinge in Europa und auf Ereignisse vor dem 1. Januar 1951. Mit dem Protokoll von New York wurde 1967 die zeitliche und geographische Begrenzung der GFK aufgehoben. Sie erhielt damit universelle Gültigkeit. Bis heute haben über 140 Staaten die Konvention bzw. das Protokoll unterzeichnet, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland (1953) sowie sämtliche Mitgliedstaaten der EU.
Die damaligen Festlegungen der GFK wirken bis in die Gegenwart. So ist das Flüchtlingsrecht bis heute davon geprägt, dass Schutzsuchende ihre individuelle Verfolgung glaubhaft machen müssen. Im Laufe der Jahre hat sich die Interpretation der GFK jedoch schrittweise verändert, insbesondere wurde der Geltungsbereich der Konvention durch die Aufnahme von Verfolgung durch nicht-staatliche Akteure sowie von geschlechtsspezifischer Verfolgung erweitert. Neben diesen internationalen Vereinbarungen existieren in immer stärkerem Ausmaß europarechtliche Regelungen im Bereich der Asylpolitik (siehe Abschnitt Interner Link: "Flucht und Asyl als europäisiertes Politikfeld"). Zusätzlich verfügen vielen Staaten über nationale Regelungen und Schutzformen, in Deutschland beispielsweise Art. 16a des Grundgesetzes, der politisch Verfolgten Asylrecht einräumt.
Formen staatlicher Schutzgewährung
Asylverfahren
Es gibt vier zentrale Formen der humanitären Schutzgewährung. Die verschiedenen Formen der Schutzgewährung schließen einander dabei nicht aus, sondern ergänzen sich. Die in Deutschland bekannteste Form ist das Asylverfahren. Dieses setzt jedoch voraus, dass ein Schutzsuchender sein Herkunftsland aus eigener Kraft verlassen und über Drittstaaten nach Deutschland eingereist ist. Ein Asylantrag kann nämlich nur auf deutschem Territorium gestellt werden und nicht etwa in der deutschen Botschaft im Herkunftsland des Geflüchteten. Dieser Weg setzt in der Regel finanzielle Ressourcen voraus und ist aufgrund der meist irregulären Grenzüberschreitung, insbesondere bei einer Überquerung des Mittelmeers, mit erheblichen Risiken verbunden. Daher gelangt nur ein kleiner Teil der weltweit etwa 50 Millionen Schutzbedürftigen nach Europa und Deutschland (siehe Interner Link: Infobox "Schutzbedürftige weltweit"). Der weitaus größere Teil verbleibt in der Herkunftsregion, etwa in einem Nachbarland. Grundsätzlich kann in Deutschland ein Asylantrag bei jeder Behörde gestellt werden. Formal zuständig ist aber die im jeweiligen Bundesland liegende Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), an die die anderen Behörden gegebenenfalls weiterleiten. Nachdem der Asylantrag in Deutschland gestellt wurde, werden in einem individuellen Verfahren verschiedene Schutzansprüche geprüft: die Externer Link: grundgesetzliche Asylberechtigung nach Art. 16a GG, Externer Link: die Anerkennung als Flüchtling gemäß GFK, subsidiärer Schutz und Externer Link: Abschiebeverbote). Je nach Schutzstatus unterscheiden sich die daraus resultierenden Rechtsansprüche, etwa bezüglich der Aufenthaltsdauer und des Rechts auf Familiennachzug. Am weitreichendsten sind die Rechte von Asylberechtigen und anerkannten GFK-Flüchtlingen, die in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis von drei Jahren erhalten, während die übrigen Schutzberechtigten in der Regel einen Aufenthaltstitel für ein Jahr erhalten. In den letzten Jahren gab es aber eine Angleichung der Rechtsstellung von subsidiär geschützten Flüchtlingen. Ein Schutzstatus kann auch widerrufen werden, wenn die Fluchtursachen wegfallen, etwa, wenn ein Konflikt im Herkunftsland beendet wird. Asylbewerber, die keinen Schutzstatus zugesprochen bekommen, müssen rechtlich gesehen das Aufnahmeland wieder verlassen. In vielen Fällen geschieht dies jedoch nicht, da entweder eine Rückführung nicht möglich ist (z. B. weil keine gültigen Identitätspapiere vorliegen), abgelehnte Asylbewerber nicht auffindbar sind oder keine Transportmöglichkeiten existieren.
Kurz erklärtWas bedeutet "subsidiärer Schutz"?
Subsidiärer Schutz kann Personen gewährt werden, die nicht die Voraussetzungen des grundgesetzlichen Asylrechts oder der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen, denen im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland aber ein "ernsthafter Schaden" (Art. 15 der EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU ) droht. Dies ist der Fall, wenn dort mit: a) der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder b) Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung oder c) einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gerechnet werden muss.* * Externer Link: www.bamf.de/DE/Migration/AsylFluechtlinge/Subsidiaer/subsidiaer-node.html
Kontingente
Bei der Aufnahme von Schutzbedürftigen aus dem Ausland im Fall größerer Flüchtlingskrisen (z. B. Ex-Jugoslawien in den 1990er Jahren oder Syrien seit 2011) werden Flüchtlinge aus den Herkunftsregionen evakuiert oder es wird ihnen die eigenständige legale Einreise mit einem Visum ermöglicht. Hier werden in der Regel festgelegte Kontingente von Flüchtlingen aufgenommen. Es gibt keine individuelle Prüfung des Schutzbedarfs, es wird aber geprüft, ob die Person tatsächlich zu der aufzunehmenden Gruppe gehört und ob Ausschlusskriterien vorliegen (z. B. Beteiligung an Kriegsverbrechen). Die Aufnahme ist häufig temporär angelegt.
Resettlement
Eine dritte Form der Schutzgewährung von Industriestaaten ist das Resettlement (Neuansiedlung). Hier werden besonders schutzbedürftige Personen, die bereits in einen anderen Staat geflohen sind, dort aber keine Aufenthaltsperspektive haben und auch in absehbarer Zeit nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können, in einen dritten Staat umgesiedelt. Das Programm wird vom UNHCR koordiniert und umfasste für das Jahr 2015 planmäßig rund 127.000 Plätze weltweit. Demgegenüber steht laut UNHCR ein Bedarf an Plätzen für rund 958.000 Personen. Die Aufnahme ist in der Regel dauerhaft. Sowohl temporäre Aufnahmeprogramme als auch Resettlement haben den Vorteil, dass Flüchtlinge sicher einreisen können. Zudem werden auch besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aus Krisenregionen aufgenommen, die nicht über die nötigen Ressourcen verfügen, um selbst in ein europäisches Land zu reisen, um dort Asyl zu beantragen. Ferner werden Erstzufluchtstaaten in Konfliktregionen entlastet, die durch große Flüchtlingszahlen überfordert sind.
Regionale Schutzprogramme
Eine vierte Form der Schutzgewährung sind die zum großen Teil von westlichen Industrieländern finanzierten regionalen Schutzprogramme in den Nachbarstaaten der Herkunftsländer, wo der größte Teil aller Flüchtlinge weltweit Zuflucht sucht. Eine Unterbringung in geografischer Nähe hat den Vorteil, dass sie in der Regel kostengünstiger erfolgen und damit einer größeren Zahl von Flüchtlingen geholfen werden kann. Außerdem können die Betroffenen nach dem Ende des fluchtauslösenden Konflikts schnell in ihre Heimat zurückkehren. Davon zu unterscheiden sind sogenannte Binnenflüchtlinge (auch Binnenvertriebene), die häufig in anderen Teilen ihres Herkunftslandes auf der Flucht sind. Sie erhalten in unterschiedlichem Ausmaß – je nach Sicherheitslage – Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft, z. B. in Form von Lebensmitteln oder medizinischer Versorgung.
Die beschriebenen Formen der Schutzgewährung können sich in der Praxis durchaus auf die gleichen Herkunftsgruppen beziehen, wie das Beispiel der syrischen Flüchtlinge zeigt: Von einer Bevölkerung von 21 Millionen vor Ausbruch des Bürgerkriegs Anfang 2011 waren bis Ende Mai 2015 etwa die Hälfte auf der Flucht: Ca. 7,6 Millionen waren Binnenvertriebene, rund vier Millionen haben Zuflucht in den Nachbarstaaten gesucht. Etwas mehr als 250.000 Syrer haben seit Ausbruch des Konflikts individuell Asylanträge in der EU gestellt, zum großen Teil in Deutschland und Schweden. Etwa 50.000 Personen wurde durch humanitäre Aufnahmeprogramme – temporär oder dauerhaft – Schutz gewährt.
Dieser Text ist Teil des Kurzdossiers Interner Link: Deutsche Asylpolitik und EU-Flüchtlingsschutz im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems.
Subsidiärer Schutz kann Personen gewährt werden, die nicht die Voraussetzungen des grundgesetzlichen Asylrechts oder der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen, denen im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland aber ein "ernsthafter Schaden" (Art. 15 der EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU ) droht. Dies ist der Fall, wenn dort mit: a) der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder b) Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung oder c) einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gerechnet werden muss.* * Externer Link: www.bamf.de/DE/Migration/AsylFluechtlinge/Subsidiaer/subsidiaer-node.html
Kluth (2014), S. 2-3.
Hatton (2012).
Diese Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Daneben gibt es weitere Schutzformen, etwa die Verhängung eines Abschiebestopps für bereits im Land aufhältige aber rechtlich ausreisepflichtige Personen.
Für einen Überblick über die unterschiedlichen Schutzformen und die damit verbundenen Rechte siehe Parusel (2010).
Widerrufsprüfungen sind im deutschen Recht gemäß § 73 Abs. 2a AsylverfG zwingend spätestens nach Ablauf von drei Jahren ab letztinstanzlicher Entscheidung durchzuführen.
UNHCR (2014d), S. 9.
Eigene Berechnung auf Basis von Daten von Eurostat; Externer Link: www.resettlement.eu/news/crisis-syria (Zugriff: 2.2.2015).
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-11-19T00:00:00 | 2015-06-02T00:00:00 | 2021-11-19T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/migration-integration/kurzdossiers/207695/fluechtlingsrecht-der-internationale-rahmen/ | Weltweit steigt die Zahl der Flüchtlinge. Auch in Deutschland werden immer mehr Asylanträge gestellt. Asylsystem und Asylpolitik stehen vor großen Herausforderungen, die es zu lösen gilt. Wie auch andere Nationalstaaten ist Deutschland dabei an grund | [
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Modulare Produktionsprozesse | teamGLOBAL | bpb.de |
Produktionsprozesse sind oft über den ganzen Globus verteilt. Foto: EC (© Mediathek der EU-Kommission )
Produktionsprozesse können heute aufgegliedert und in beliebigen Regionen des Globus angesiedelt werden, um wirtschaftliche Vorteile zu nutzen, die sich aus unterschiedlichen Kosten, der Verfügbarkeit von Produktionsfaktoren und einem günstigen Investitionsklima ergeben. Einzelteile können mühelos in die ganze Welt verschickt und nach Belieben montiert werden. Die Revolution des Kommunikationswesens (Computer, Internet, Email, Satellitentechnik etc.) hat die Koordinierung und Steuerung solcher Systeme breit gestreuter Produktion möglich gemacht. Ihre Anzahl ist in den letzten drei Jahrzehnten rasant gestiegen. Die grenzüberschreitende Natur der Güterproduktion – vor allem der zunehmende Handel innerhalb von Unternehmensgruppen mit Komponenten und Zwischenerzeugnissen – sind ebenso bedeutsam wie die Zunahme des Handelsvolumens selbst. Die Möglichkeit zur modularen Produktion war eine wichtige Voraussetzung für die Ausbreitung multinationaler Unternehmen (MNU), die in mehreren Ländern Aktivitäten unterhalten.
Transaktionskosten? oder Worin liegt die Stärke der MNU? Ronald Coase, Nobelpreisträger für Ökonomie, entdeckte die Bedeutung der Transaktionskosten. Gemeint sind damit alle Anstrengungen rund um den wirtschaftlichen Austausch: Alternativen suchen, Informationen besorgen, eine Entscheidung treffen, die Transaktion tatsächlich abwickeln. Beim Kauf eines Hauses sind diese Kosten hoch, beim Gang durch den Supermarkt niedrig, aber sie fallen immer an. Coase erklärte mit ihnen die Existenz von Unternehmen. Eigentlich, so beginnt die Überlegung, könnte der Markt alle wirtschaftlichen Tätigkeiten der Menschen koordinieren; braucht jemand eine Arbeitsleistung, kauft er sie sich; jeder ist selbstständig. Doch das wäre extrem teuer, weil die Vertragspartner jede Leistung einzeln verabreden und überwachen müssten. Unternehmen fassen diesen Austausch zusammen und standardisieren ihn mittels Informations- und Kontrollsystemen. Trotz kostenträchtiger Verwaltung sind sie vergleichsweise effizient. Umso mehr dürfte dies für Unternehmen zutreffen, die grenzüberschreitende Produktionsabläufe koordinieren. Quelle: Uwe Jean Heuser (2000), Das Unbehagen im Kapitalismus. Die neue Wirtschaft und ihre Folgen, Berlin Verlag
Produktionsprozesse sind oft über den ganzen Globus verteilt. Foto: EC (© Mediathek der EU-Kommission )
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2012-02-26T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/die-bpb/partner/teamglobal/67297/modulare-produktionsprozesse/ | Die Revolution der Kommunikationstechnologie machte in Verbindung mit drastisch gesunkenen Transportkosten breit gestreute, auf viele Länder verteilte Produktions- und Dienstleistungsunternehmen technisch und wirtschaftlich möglich. | [
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Digitale Formate in der Lehrerbildung: Social Lab | Kulturelle Bildung | bpb.de | Tobias Hasenberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität zu Köln, stellte didaktische und methodische Ansätze des Social Labs der „Zukunftsstrategie Lehrer*innenbildung“ mit digitalen Formaten vor. Das Team entwickelt und erprobt neue Formate, die Theorie und Praxis des Lehrens und Lernens in einem oder mehreren der drei gesellschaftswissenschaftlichen Fächer verzahnen. Räumlicher Bezugspunkt der Formate ist dabei stets der Stadtraum Köln. Im Stadtraum – seit jeher ein Labor gesellschaftlicher Dynamiken – spiegeln sich soziale Prozesse, die die drei Fächer auf je eigene Art aufgreifen. Je nach didaktischem Zuschnitt kann der Stadtraum so zum Lehr- und Lern-raum werden.
Ein Schwerpunkt des Social Labs liegt auf Formaten, die Lehramts-Studierende befähigen, Fachun-terricht reflektiert mit digitalen Tools gestalten zu können. Sie werden unterstützt, Unterrichtsset-tings zu entwerfen, in denen nicht nur mit digitalen Tools gelernt wird, sondern auch die Facetten einer Welt der Digitalität reflektiert werden können.
Hasenberg stellte dabei heraus, dass es um einen pragmatischen Zugriff auf digitale Tools gehe, die es den Lehrkräften ermöglichen, ohne tiefergehende Programmierkenntnisse digitale Lehr-Lern-Medien für den Unterricht selbst zu gestalten: „In einem aktuellen Projekt reichern wir zum Bei-spiel Schulbuchseiten mit Augmented Reality an, um politische Debatten im Klassenzimmer zeitna-her und kontroverser diskutierbar zu machen“, so Hasenberg. Bei einem früheren Projekt (mit der „sk stiftung jugend + medie“) hätten Studierende mit Schülerinnen und Schülern über das Thema „Smart City“ diskutiert, dazu digital gestützt Spuren in der Stadt analysiert und die Befunde via Augmented Reality (AR) visualisiert. In den Seminaren des Social Labs planen, realisieren und re-flektieren Studierende Exkursionen im Stadtraum, für die sie selbst digitalen Content erstellen. Nicht zuletzt gestaltet das Social-Lab-Team auch selbst digitalen Content für den Einsatz auf Ex-kursionen mit Schülerinnen und Schülern. „Hierbei setzen wir vor allem auf Audio, etwa indem wir im Sinne der Augmented Reality (AR) Häuser oder Plätze zum Sprechen bringen“, so Hasenberg. So kann zum Beispiel die Geschichte von Orten sehr nahe erfahren werden. „Dies kann den Blick der Schüler/-innen in reizreicher städtischer Umgebung fokussieren.“ Er sieht eine große Chance für den Einsatz digitaler Tools mit fachlichem Content bei Exkursionen. Sie könnten ermöglichen, Wahrgenommenes zu kontextualisieren, Befunde Anderer – z.B. durch GPS-Marker – reflektierbar sowie Zukunftsansichten diskutierbar zu machen. Einen großen Vorteil sieht Hasenberg darin, dass Teilnehmende bzw. Schülerinnen und Schüler sich durch AR ins Stadtbild einschreiben könnten, ohne dass etwa Fassaden leiden müssten oder andere bauliche Veränderungen nötig wären. Es seien faktische Manipulationen möglich, ohne aber tatsächlich in die analoge Welt einzugreifen.
Qualitätskriterien
Als Kriterien für die Qualität von Projekten in solch analog-digital verschränkten Räumen nennt Hasenberg zum Beispiel eine „Kollaborations- oder Werkstattästhetik“ (in Abgrenzung zu perfekt gestalteten Hochglanz-Formaten großer Anbieter). Diese solle zeigen, dass mehrere Leute zusam-mengearbeitet haben, sie sollen Hürden zum Mitmachen senken und Nutzerinnen und Nutzer motivieren, sich selbst, z.B. mit Verbesserungen oder alternativen Ideen, einzubringen. Auch die Frage einer „Impuls-Aura“ des Lern-Settings findet Hasenberg wichtig: Wie provokant und heraus-fordernd ist das, was dargestellt wird? Regt es zum Denken oder Handeln an? Hier sieht Hasenberg ein besonderes Potential in der Verschränkung sozialwissenschaftlicher Fächer mit den gestalteri-schen Mitteln der kulturellen Bildung. Außerdem müsse ein qualitätsvolles Format, das digitale und analoge Räume miteinander verschränkt, eine gewisse Komplexitätspotenz haben: Regt es dazu an, sich mit Komplexität auseinanderzusetzen, und ermöglicht es dabei gleichzeitig, in verschiede-nen Komplexitätsgraden zugänglich zu sein? Es gebe nun mal keine einfachen Lösungen, dies müs-se Studierenden sowie Schülerinnen und Schülern veranschaulicht werden, und sie müssten neu-gierig auf vielschichtige Perspektiven und Erklärungsansätze gemacht werden, so Hasenberg.
Die Arbeit der Social Labs wird im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert.
Weitere Informationen: Externer Link: https://zus.uni-koeln.de/cl_social_labs.html | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2021-06-11T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/lernen/kulturelle-bildung/334791/digitale-formate-in-der-lehrerbildung-social-lab/ | Wie sieht guter Schulunterricht in Sozialwissenschaft, Geschichte und Geographie im 21. Jahrhun-dert aus? Und wie kann der universitäre Teil der Ausbildung angehende Lehrkräfte dazu befähigen? Diesen Fragen geht das Social Lab der „Zukunftsstrategie | [
"politische Bildung",
"Historische Bildung",
"sozialwissenschaftliche Bildung",
"Interdisziplinarität"
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Analyse: Ukraine vs. Russland vor dem Internationalen Gerichtshof: Juristische Argumente und politische Erwartungen | Ukraine-Analysen | bpb.de | Zusammenfassung
Im Fall Ukraine gegen Russland, der derzeit am Internationalen Gerichtshof (IGH) anhängig ist, geht es um mutmaßliche Verletzungen zweier UN-Konventionen – der Konvention zur Beseitigung von Rassendiskriminierung und der Konvention gegen die Finanzierung des Terrorismus. Beide Konventionen besagen, dass Streitigkeiten darüber vor dem höchsten UN-Gericht ausgetragen werden können, wenn politische Verhandlungen im Vorfeld gescheitert sind. Bei den öffentlichen Anhörungen zur Anordnung sogenannter einstweiliger Maßnahmen legten beide Parteien ihre Argumente dar, die voraussichtlich auch die Grundlage ihrer Argumentationslinien im Hauptverfahren sein werden. Bisher unterstützte der IGH teilweise die Forderung der Ukraine, einstweilige Maßnahmen gegen Rassendiskriminierung auf der Halbinsel Krim zu ergreifen, wies jedoch die Forderungen in Bezug auf die Konvention gegen die Finanzierung des Terrorismus zurück.
Einleitung
Seit dem Beginn der ukrainisch-russischen Auseinandersetzungen um die Krim und den Donbass hat die Ukraine eine Reihe von Versuchen unternommen, diese Konflikte auf eine juristische Ebene zu rücken. Bereits 2014 reichte die Ukraine beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Beschwerde gegen Russland wegen mutmaßlichen Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention ein. Später wurden weitere internationale juristische Gremien eingeschaltet. Darunter der Internationale Gerichtshof (IGH) und das Ad-hoc-Schiedsgericht für Seerecht, das nach Anlage VII der UN-Seerechtskonvention (UNCLOS) einberufen wurde. Zudem wurden Schiedsgerichtsverfahren im Investitionsschutzrecht zur Anhörung von Klagen öffentlicher und privater Unternehmen der Ukraine gegen die Russische Föderation initiiert.
Solche juristischen Schritte sind eine übliche Reaktion auf staatliches Vorgehen, das von der klagenden Partei als Völkerrechtsverstoß angesehen wird. Die Klagen vor internationalen Gerichten sind Ausdruck juristischer "Interpretationskonflikte" um die Auslegung von Regeln und Prinzipien des Völkerrechts, auch "Lawfare" genannt. Obwohl die von der Ukraine an unterschiedlichen Gerichten eingereichten Klagen den Status der Halbinsel Krim und der okkupierten Territorien in den ukrainischen Gebieten Donezk und Luhansk nicht betreffen, hoffen sowohl die Ukraine als auch Russland, die internationale Rechtsprechung für die Stärkung ihrer eigenen Rechtspositionen nutzen zu können.
Im Falle der anhängigen Klage der Ukraine gegen Russland vor dem IGH, die im Januar 2017 eingereicht wurde, geht es um die mutmaßlichen Verstöße gegen zwei internationale Konventionen. Beide Konventionen, auf die sich die Ukraine beruft, lassen zu, dass Klagen ohne vorherige Zustimmung Russlands vor dem Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen verhandelt werden können: das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD) sowie das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus (ICSFT). Erstgenannte wurde durch die UdSSR ohne einen Vorbehalt gegen Streitbeilegungsverfahren vor dem IGH ratifiziert (interessanterweise hatte gerade die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik einen solchen Vorbehalt vorgebracht). Im Falle der zweitgenannten Konvention verzichtete Russland auf die Erklärung eines Vorbehalts, die die Gerichtbarkeit des IGH ausgeschlossen hätte.
Mit der Klage gegen Russland vor dem IGH will die Ukraine erreichen, dass den auf der Krim lebenden Tataren und Ukrainern Zugang zu Bildung in ihren Muttersprachen sowie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheiten garantiert werden. Sie sollen außerdem vor unrechtmäßigen Entführungen und Verhaftungen geschützt werden. Zudem möchte die Ukraine verhindern, dass Russland in den besetzten Gebieten Donezk und Luhansk bewaffnete Rebellen finanziert, die sie als terroristisch einstuft.
Eine Entscheidung des IGH, die den Forderungen der Ukraine (zumindest teilweise) nachkommt, so die Annahme, könnte die ukrainische Position bei den Verhandlungen mit westlichen Partnern über weitere Russlandsanktionen stärken. Außerdem könnte sie auch als Grundlage für künftige politische Verhandlungen mit der Russischen Föderation über die Konfliktbeilegung und den Rückzug Russlands aus ukrainischen Territorien dienen.
Auch Russland hofft, Vorteile aus dem Gerichtsverfahren ziehen zu können – obwohl der Prozess gegen russischen Willen initiiert wurde. So würde ein Gerichtsurteil zugunsten Russlands den Status quo der russischen Krim- und Donbasspolitik festigen. Außerdem könnte es den Weg für die Aufhebung westlicher Sanktionen ebnen. Innenpolitisch könnte die russische Regierung eine solche Entscheidung als Beweis dafür nutzen, dass die internationale Gemeinschaft die russische Sichtweise auf die Krim- und Donbass-Situation teilt – was das Ansehen der russischen Führung positiv beeinflussen würde.
Es ist wichtig an dieser Stelle festzuhalten, dass eine Abweisung der Klage durch den IGH im Hauptverfahren aufgrund unzureichender Zuständigkeit oder einer engen Auslegung der Kernbegriffe der beiden Konventionen für Russland ebenfalls vorteilhaft wäre. Die Abweisung der Klage oder die Entscheidung über die Nichtanwendbarkeit einer der beiden Konventionen wäre für Russland gleichbedeutend mit einem Sieg und würde die internationale und mediale Position der russischen Regierung stärken. Ähnlich verlief es bereits 2008, als nach dem russisch-georgischen Krieg eine Klage Georgiens gegen Russland abgewiesen wurde. Damals hielt der IGH die Voraussetzungen für ein Gerichtsverfahren für nicht gegeben, weil Georgien den von der Rassendiskriminierungskonvention vorgeschriebenen Verhandlungsweg im Vorfeld der Klage nicht eingehalten und ausgeschöpft habe. Diese Entscheidung wurde von Russland als eindeutiger Sieg interpretiert.
In ihrer Klageschrift an den IGH (vom 16. Januar 2017) forderte die Ukraine zunächst die Anordnung einstweiliger Maßnahmen gegen Russland. Der IGH entscheidet über eine solche Anordnung während des Gerichtsverfahrens und vor dem endgültigen Rechtsspruch. Ziel von einstweiligen Maßnahmen ist es, einer Schädigung der Interessen einer der beiden Streitparteien während des Prozesses vorzubeugen. Die Anordnung einstweiliger Maßnahmen könnte aus ukrainischer Perspektive schnell politische Dividenden bringen: Anstatt des jahrelangen Wartens auf ein endgültiges Urteil des IGH, könnte die Ukraine kurzfristig verhängte Maßnahmen für innenpolitische Zwecke nutzen.
Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD)
Die Klage der Ukraine auf Grundlage des Abkommens gegen Rassendiskriminierung stützt sich im Wesentlichen auf die folgenden Argumente:
Nach der Durchführung des international nicht anerkannten Referendums auf der Halbinsel Krim am 16. März 2014 habe Russland zur Entstehung einer Atmosphäre der Einschüchterung und Intoleranz beigetragen, die primär gegen die ukrainische und tatarische Bevölkerung gerichtet sei.In dieser Atmosphäre fänden politisch und kulturell motivierte Verfolgungen statt; wichtige kulturelle Veranstaltungen würden verboten, Angehörige ethnischer Minderheiten verschwänden spurlos oder würden ermordet, es gebe illegale Durchsuchungen und Festnahmen und die Arbeit ukrainisch- und tatarischsprachiger Medien und Schulen würde verhindert.Illustriert werden diese Vorwürfe anhand folgender Beispiele: 2016 sei der Medschlis des krimtatarischen Volkes [das repräsentative Organ der Krimtataren – Anm. d. Red.] unter dem Vorwurf des Extremismus verboten worden, seinen Anführern werde die Einreise auf die Halbinsel verwehrt. Schulunterricht auf Ukrainisch und Krimtatarisch werde massiv eingeschränkt: Während im Jahr 2013 noch 12.500 Schülerinnen und Schüler Ukrainisch gelernt hätten, seien es 2016 nur noch 1.000 gewesen. Zudem seien vom ukrainischen Bildungsministerium approbierte Lehrbücher in der krimtatarischen Sprache verboten worden – alternative Lehrmaterialien würden nicht angeboten. An tatarischen religiösen Schulen fänden Durchsuchungen statt – um angeblich extremistische Literatur sicherzustellen. Viele Ukrainer und Krimtataren, darunter wichtige Figuren des öffentlichen Lebens, seien entführt oder festgenommen worden; für die ukrainische und tatarische Kommunen bedeutsame Medien (z. B. die Zeitschrift "Krymska switlyzja", das "Zentrum für journalistische Recherchen" und der Fernsehkanal "ATR") würden bei ihrer Arbeit behindert. Kundgebungen an ukrainischen und krimtatarischen Festtagen seien verboten worden – wie am 201. Geburtstag des ukrainischen Schriftstellers Taras Schewtschenko, dem 70. Jahrestag der Deportation der Krimtataren ("Sürgün") und dem Internationalen Tag der Menschenrechte. Viele Ukrainer und Krimtataren seien gezwungen worden, von der Krim auf das ukrainische Festland zu fliehen: Während im Jahr 2011 noch 243.400 Tataren auf der Halbinsel gelebt hätten, wären es laut dem russischen Zensus 2014 nur noch 42.254.Die Berichte und Resolutionen regionaler und internationaler Organisationen sollen die Objektivität der ukrainischen Vorwürfe untermauern. Diese Berichte dokumentieren die Vorkommnisse, auf die die Ukraine in ihrer Klageschrift verweist.Die Ukraine sieht in den Einschränkungen der Rechte von Ukrainern und Krimtataren einen Verstoß gegen Artikel 2 bis 5 der Konvention gegen Rassendiskriminierung. Diese Artikel verpflichten Staaten dazu, Rassendiskriminierung zu verurteilen und zu verhindern, öffentliche Aufrufe zu Rassendiskriminierung zu verbieten und grundlegende Menschenrechte zu garantieren.
In Reaktion auf die von der ukrainischen Seite vorgelegte Klageschrift formulierte die Russische Föderation ihre Rechtsposition. In seiner Replik versuchte Russland zu demonstrieren, dass sich die Situation auf der Halbinsel seit dem von der Ukraine als "Beginn der Okkupation" bezeichneten Zeitpunkt nicht verändert habe und es keine Diskriminierung gegen Ukrainer und Tataren gebe. Zudem wollte Russland die Anhörung vor dem IGH verhindern, indem es auf prozedurale Fehler verwies, die der Ukraine bei der Initiierung des Prozesses angeblich unterlaufen seien. Im Vordergrund der russischen Argumentation steht der Vorwurf, die Ukraine wolle durch die IGH-Klage Russlands Souveränität über die Krim in Frage stellen – und nicht Russland für Verstöße gegen die Konventionen zur Verantwortung ziehen. Ohne das beidseitige Einverständnis Russlands und der Ukraine kann der IGH nicht über die Souveränität über die Krim entscheiden. Deswegen zielte Russland darauf ab, bzgl. der ukrainischen juristischen Position und politischen Motivation Skepsis zu sähen. Das internationale Team von Völkerrechtlerinnen und Völkerrechtlern, das Russland vertritt, wollte dieses Ziel mithilfe folgender Argumente erreichen:
Vor 2014 hätte die Ukraine jahrzehntelang die krimtatarische Bevölkerung auf der Krim diskriminiert. Heute würden noch – entgegen den Aussagen der Ukraine – 277.336 Tataren, inklusive Krimtataren, und 344.515 Ukrainer auf der Halbinsel leben. Dass sich die Zahlen so deutlich von denen der Ukraine unterscheiden, liege daran, dass die Ukraine die Daten aus dem russischen Zensus falsch zitiert hätte: Während Russland sich auf die Gesamtzahl der Tataren, Krimtataren miteingerechnet, beziehe, habe die Ukraine nur die Anzahl derer Tataren, deren Muttersprache nicht Krimtatarisch war, genannt [Die offiziellen Daten sind abrufbar unter: Externer Link: http://crimea.gks.ru/wps/wcm/connect/rosstat_ts/crimea/resources/1f72198049859f4b9205f22d12c3261e/pub-04-01.pdf – Anm. d. Red.].Die Resolutionen und Berichte internationaler Organisationen könnten nicht als objektive Beweise dienen, da diese Organisationen die Krim nicht als Teil von Russland anerkennen würden.Der Medschlis des krimtatarischen Volkes sei nicht das einzige repräsentative Organ der Krimtataren. Es gebe auch andere, und zwar solche, die die "Änderung des Status’ der Krim" anerkennen und unterstützen würden – etwa das Taurische Muftiat. Der Medschlis hingegen sei eine nicht registrierte, reaktionäre und gefährliche Vereinigung.Trotz der ukrainischen Behauptung, ihre Bürgerinnen und Bürger auf der Krim schützen zu wollen, hätte sich die Ukraine nach dem dritten bilateralen Treffen geweigert, an weiteren Verhandlungen in Bezug auf die Klage teilzunehmen. Für die Verhandlungen selbst hätte die Ukraine nur einige Stunden statt Tage Zeit eingeräumt. Dass die Ukraine sich nicht an den UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung gewandt hätte, könnte als Beweis dafür interpretiert werden, dass die Ukraine den Streit nicht auf dem Verhandlungsweg beilegen möchte.Ein Diskriminierungsmotiv, welches für die Feststellung von Rassendiskriminierung notwendig ist, sei nicht vorhanden. Die ukrainische und die tatarische Bevölkerung würde auf der Krim nicht anders behandelt als russische Bürger.
Das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus (ICSFT)
Aus juristischer Sicht wiesen die Positionen bezüglich der Rassendiskriminierungskonvention nur geringe Unterschiede auf. Grundsätzlich ging es um divergierende Interpretationen der Faktenlage und der Situation auf der Krim. Es überrascht deshalb kaum, dass die Debatten über die Rassendiskriminierungskonvention schneller verliefen als die über die Konvention gegen Finanzierung des Terrorismus. Hier lagen nicht nur die Interpretationen der Faktenlage weit auseinander, sondern auch die Auslegungen der Konventionsnormen, die für die Bewertung der Ereignisse in der Ostukraine von unmittelbarer Bedeutung sind.
Die Kernargumente der ukrainischen Seite lauteten wie folgt:
Wenigstens einzelne Taten der bewaffneten Rebellen im Osten der Ukraine könnten als Terrorakte bezeichnet werden. Dazu zählten unter anderem: der Abschuss des MH-17-Passagierflugzeugs, der Beschuss von Wohngebieten in der Stadt Mariupol, der Beschuss eines Busses voller Zivilisten in der Nähe der Stadt Wolnowacha sowie Bombenanschläge in außerhalb der Konfliktzone liegenden Städten (Charkiw, Odessa und andere).Die Russische Föderation unterstütze die Rebellen mit Waffen und Munition sowie finanziell. Das sei mit Terrorismusfinanzierung gleichzusetzen. Das ICSFT fordere Staaten zwar dazu auf, gegen Terrorismusfinanzierung vorzugehen, sehe aber keine Strafe für die unmittelbare Finanzierung von Terrorgruppen durch die Staaten selbst vor. Eine solche Sichtweise sei paradox – dabei stützt sich die Ukraine auf das IGH-Urteil zum Völkermord in Bosnien von 2007 (Fall Bosnien und Herzegowina gegen das damalige Jugoslawien). Russland solle nicht nur zur Rechenschaft gezogen werden für Verstöße gegen seine Verpflichtung, Terrorismusfinanzierung zu bekämpfen, sondern auch für die Finanzierung des Terrorismus.Dass internationale Akteure die Kampfhandlungen in der Ostukraine als bewaffneten Konflikt einstufen, schließe die Anwendung der Terrorismusfinanzierungkonvention nicht aus, denn es könnten zwei Rechtsregime parallel angewandt werden: das Humanitäre Völkerrecht (Kriegsrecht) sowie die Normen der Konvention zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung. Davon sei auch explizit in Artikel 2 Abs. 1 der Konvention die Rede, der Terrorismus u. a. als eine Handlung definiert, "die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die in einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll". Damit sei die Anwendung der Konvention in bello ("im Kriege") vorgesehen.Die Ukraine verwendet einen weiten Terrorismusbegriff: Der Vorsatz für einen terroristischen Akt müsse nicht direkt vorhanden sein, um einen Terrorakt als solchen einzustufen. So würde im Fall des Abschusses von MH-17 die Tatsache genügen, dass mit schweren Waffen in einer Zone ziviler Luftfahrt geschossen worden sei, um unter die Terrorismusdefinition des Montreal-Abkommens zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt zu fallen. Der im Montreal-Abkommen verwendete Terrorismusbegriff sei Teil der ICSFT-Terrorismusdefinition.
Die Russische Föderation widerspricht den Punkten der Ukraine und argumentiert:
Im Osten der Ukraine finde ein bewaffneter Konflikt statt – dies hätten internationale Organisationen mehrfach betont. Wenn man sich daran orientiere, müssten die Genfer Konventionen angewandt werden – nicht die Terrorismusfinanzierungkonvention. Die Verwendung der Begriffe "Terrorismus" und "Terroristen" durch die Ukraine seien der Versuch, die bewaffneten Rebellen zu stigmatisieren. Zudem resultierten laut Berichten von internationalen Organisationen die meisten zivilen Opfer aus wahllosem Artilleriebeschuss, der zuvor noch nie als Terrorakt qualifiziert worden sei.Die Terrorismusfinanzierungkonvention enthalte lediglich die Forderung, gegen die Finanzierung von Terrorismus durch Privat- und Rechtspersonen vorzugehen. Hier verweist Russland ebenfalls auf das IGH-Urteil im Fall Bosnien und Herzegowina gegen Jugoslawien, präsentiert aber eine andere Interpretation bzgl. des Rechtsspruchs und dessen (Nicht-)Anwendbarkeit auf den ukrainisch-russischen Rechtsstreit.Für die Qualifizierung einer Handlung als "terroristisch" müsse ein direkter Vorsatz vorliegen. Dafür müsste nachgewiesen werden, dass die Handlungen mit dem Vorsatz durchgeführt würden, den Tod oder schwere Körperverletzungen von Zivilpersonen herbeizuführen, eine Bevölkerungsgruppe einzuschüchtern oder eine Regierung beziehungsweise eine internationale Organisation zum Handeln zu nötigen. Die Ukraine habe die Existenz solcher Motive nicht beweisen können.Die Finanzierung von Terrorismus bestünde laut Artikel 2 Abs. 1 in der Bereitstellung von finanziellen Mitteln in der Absicht oder im Wissen, dass diese zur Begehung von den in der Konvention gelisteten Taten verwendet werden sollen. Das bedeutet, dass auch hier ein Vorsatz derjenigen, die solche Mittel zur Verfügung stellten, nachgewiesen werden müsse. Auch das sei der Ukraine nicht gelungen.Nichtsdestotrotz sei Russland bereit, mit der ukrainischen Seite zusammenzuarbeiten und antworte regelmäßig auf Kooperationsanfragen bei Untersuchungen von Straftaten. Im Gegensatz dazu habe die Ukraine während der vorausgegangenen Verhandlungen keine Kooperationsbereitschaft gezeigt. Das könne als Unwillen interpretiert werden, die Streitigkeiten über den Verhandlungsweg bona fide (in gutem Glauben) beizulegen. Darüber hinaus könnten laut Artikel 24 die Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Konvention auf Verlangen einer der Streitparteien an ein Schiedsgericht überwiesen werden. Dass die Ukraine in Bezug auf das Schiedsverfahren keinen Willen zur Kooperation gezeigt habe, könne als Beweis dafür dienen, dass sie an der Beilegung des Streits auf dem Verhandlungsweg kein ernsthaftes Interesse gehabt habe.
Die Anordnung des IGH: Wessen Argumente waren überzeugender?
In seiner Anordnung einstweiliger Maßnahmen vom April 2017 stellte der IGH prima facie (bis auf Widerruf) seine Zuständigkeit in Bezug auf beide Konventionen fest. Das Gericht bestätigte einstweilen, dass die Antidiskriminierungskonvention und die Terrorismusfinanzierungkonvention im ukrainisch-russischen Fall anwendbar seien. Zudem sah der IGH keine prozeduralen Hindernisse zur Anhörung des Falls. Die Abwesenheit einer Klage im UN-Antidiskriminierungsausschuss, langwieriger Verhandlungen oder eines Schiedsverfahrens würde ein Gerichtsverfahren im IGH nicht ausschließen.
Der IGH unterstützte im Großen und Ganzen die Argumentation der Ukraine in Bezug auf die Rassendiskriminierungskonvention und ordnete einstweilige Maßnahmen an: Russland soll Verstöße gegen die Versammlungsfreiheit der Krimtaren, einschließlich des Medschlis’, einstellen und das Recht auf Unterricht in ukrainischer Sprache garantieren. Im Falle eines Verstoßes gegen die Anordnung einstweiliger Maßnahmen stünde der Ukraine ein Recht auf Reparationen zu. Zudem würde in der finalen Entscheidung, wie sie auch ausfallen würde, auf Verstöße Russlands gegen die Anordnung einstweiliger Maßnahmen hingewiesen. Weder der IGH noch die Ukraine verfügen jedoch über harte Druckmittel, um Russland zur Erfüllung der angeordneten Maßnahmen zu zwingen.
Gleichzeitig wies der IGH die ukrainische Forderung nach einstweiligen Maßnahmen in Bezug auf die Konvention gegen Terrorismusfinanzierung zurück. Das Gericht merkte an, dass es der Ukraine nicht gelungen sei, den Vorsatz oder die Kenntnis darüber nachzuweisen, dass die den bewaffneten Kämpfern zur Verfügung gestellten Mittel zur Durchführung von Terroranschlägen verwendet werden sollten. Es seien auch nur unzureichende Beweise vorgelegt worden, um die Angriffe auf Zivilisten als Einschüchterung der Bevölkerung oder Nötigung einer Regierung oder internationalen Organisation zu einem Handeln oder Unterlassen einzuordnen.
Der ukrainischen Regierung sowie internationalen Organisationen zufolge, habe sich Russland nicht an die vom IGH angeordneten einstweiligen Maßnahmen gehalten. Im Juni 2018 reichte die Ukraine ihre Hauptklage ein; am 12. September 2018 stellte Russland jedoch die Zuständigkeit des IGH und die Zulässigkeit des Verfahrens an sich in Frage. Nun kann die Ukraine bis zum 14. Januar 2019 Einspruch einlegen. Über den Fortgang des Verfahrens wird danach entschieden.
Mit Sicherheit lässt sich derzeit nur sagen, dass der Prozess wohl voraussichtlich Jahre dauern wird. In Bezug auf die Positionen der Streitparteien lässt sich anmerken, dass in der Frage der Rassendiskriminierung die Argumente der Ukraine stärker erscheinen, wobei in Bezug auf die Konvention gegen Terrorismusfinanzierung Russlands Argumentation überzeugender wirkt. Ein solches "Kräfteverhältnis" impliziert, dass beide Seiten zumindest schon jetzt teilweise die politischen Ziele erreichen konnten, die sie sich vor Beginn des Prozesses gesetzt hatten.
Übersetzung aus dem Ukrainischen: Evgeniya Bakalova
Lesetipps:
Vincent-Joel Proulx: ‘Terrorism’ at the World Court: Ukraine v Russia as an Opportunity for Greater Guidance on Relevant Obligations? 17. April 2017, Externer Link: https://www.ejiltalk.org/terrorism-at-the-world-court-ukraine-v-russia-as-an-opportunity-for-greater-guidance-on-relevant-obligations/Kimberly Trapp: Ukraine v Russia (Provisional Measures): State ‘Terrorism’ and IHL, 2. Mai 2017, Externer Link: https://www.ejiltalk.org/ukraine-v-russia-provisional-measures-state-terrorism-and-ihl/Iryna Marchuk: Ukraine Takes Russia to the International Court of Justice: Will It Work? 26. Janur 2017, Externer Link: https://www.ejiltalk.org/ukraine-takes-russia-to-the-international-court-of-justice-will-it-work/
Nützliche Links:
International Court of Justice: Order of 17 September 2018. Fixing of time-limit: Written statement of observations and submissions on the preliminary objections, 17. September 2018, Externer Link: https://www.icj-cij.org/files/case-related/166/166-20180917-ORD-01-00-EN.pdfInternational Court of Justice: Order of 12 May 2017. Fixing of time-limits: Memorial and Counter-Memorial, 12. Mai 2017, Externer Link: https://www.icj-cij.org/files/case-related/166/166-20170512-ORD-01-00-EN.pdfInternational Court of Justice: Order of 19 April 2017. Request for the indication of Provisional Measures, 19. April 2017, Externer Link: https://www.icj-cij.org/files/case-related/166/166-20170419-ORD-01-00-EN.pdfInternational Court of Justice: Verbatim record 2017/4, 9. März 2017, Externer Link: https://www.icj-cij.org/files/case-related/166/166-20170309-ORA-01-00-BI.pdfInternational Court of Justice: Verbatim record 2017/3, 8. März 2017, Externer Link: https://www.icj-cij.org/files/case-related/166/166-20170308-ORA-03-00-BI.pdfInternational Court of Justice: Verbatim record 2017/2, 7. März 2017, Externer Link: https://www.icj-cij.org/files/case-related/166/166-20170307-ORA-02-00-BI.pdfInternational Court of Justice: Verbatim record 2017/1, 6. März 2017, Externer Link: https://www.icj-cij.org/files/case-related/166/166-20170306-ORA-01-00-BI.pdfInternational Court of Justice: Application instituting proceedings, 16. Januar 2017, Externer Link: https://www.icj-cij.org/files/case-related/166/19314.pdfDeputy Foreign Minister of Ukraine: Request for the indication of provisional measures of protection submitted by Ukraine, 16. Januar 2017, Externer Link: https://www.icj-cij.org/files/case-related/166/19316.pdf
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2018-11-09T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/279918/analyse-ukraine-vs-russland-vor-dem-internationalen-gerichtshof-juristische-argumente-und-politische-erwartungen/ | Vor dem Internationalen Gerichtshof stehen sich die Ukraine und Russland gegenüber. Der Streitpunkt: die mutmaßliche Verletzung von zwei UN-Konventionen. Diese Analyse gibt einen Überblick über die Argumente der Parteien sowie die damit verbundenen p | [
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Die Wahl des US-Präsidenten | einfach POLITIK | bpb.de |
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Am 8. November 2016 haben die Amerikaner einen neuen Präsidenten gewählt.
Donald Trump wurde der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Er regiert vom Weißen Haus aus. Im Januar 2017 zog der neue Präsident dort ein. Bei der Wahl des US-Präsidenten ist folgendes passiert: Eine andere Bewerberin hat mehr Stimmen bekommen als Donald Trump. Mehr Amerikaner haben die Bewerberin Hillary Clinton gewählt. Trotzdem hat Donald Trump die Wahl gewonnen. Warum ist das so? Wie funktioniert eigentlich die Präsidentschaftswahl in den USA?
Inhalt
Interner Link: Wer hatte die Chance, US-Präsident oder US-Präsidentin zu werden?
Interner Link: Wie wurde der US-Präsident gewählt?
Interner Link: Die Wahl wurde auf der ganzen Welt mit Spannung verfolgt. Was waren die Gründe dafür?
Interner Link: Der Präsident der USA kann viel bestimmen
Wer hatte die Chance, US-Präsident oder US-Präsidentin zu werden?
Alle vier Jahre wird in den USA der Präsident oder die Präsidentin gewählt. Nur dann hatte bisher ein Bewerber (Kandidat) eine Chance, Präsident zu werden: Wenn eine der beiden großen Parteien ihn vorgeschlagen hat. Die großen Parteien sind: die Demokratische Partei und die Republikanische Partei.
Der gewählte US-Präsident Donald Trump bei seiner Rede in der Wahlnacht. (© picture-alliance/AP)
Die Anhänger der großen Parteien stimmen ab, wer Kandidat werden soll. Diese Abstimmungen heißen: Vorwahlen. Die Vorwahlen entscheiden, wer Kandidat für die Wahl zum Präsidenten werden soll. In den Vorwahlen wurden gewählt: Als Kandidat der Republikanischen Partei: Donald Trump. Als Kandidatin der Demokratischen Partei: Hillary Clinton. In einem Wahlkampf haben die Kandidaten für sich geworben. Zum Beispiel durch Reden in Hallen oder im Fernsehen. Der Wahlkampf war hart: Es gab Beschuldigungen und Beleidigungen. In Europa wurde vor allem Donald Trump dafür kritisiert, was er im Wahlkampf gesagt hat. Am 8. November war es so weit: Die Amerikaner haben gewählt. Nachfolger von Präsident Barack Obama wird: Donald Trump. Der Kandidat der Republikaner hat die Wahl mit 62.212.752 Stimmen gewonnen. Demokratin Hillary Clinton hatte über zwei Millionen Stimmen mehr gewonnen. Trotzdem hat sie die Wahl verloren. "Wie kann das sein?" fragen Sie sich jetzt vielleicht. Der Grund dafür ist das komplizierte Wahlsystem in den USA. Wie wurde der US-Präsident gewählt?
So funktioniert die Wahl zum Präsidenten: Die USA besteht aus 50 Bundesstaaten. Jeder Bundesstaat hat nach dem Gesetz eine bestimmte Zahl an "Wahlmänner". Große Bundesstaaten haben mehr als kleine. Die Wahlmänner haben nur eine Aufgabe: Den Präsidenten der USA zu wählen. Dies geschieht am 2. Mittwoch im Dezember.
Wählerin bei den Vorwahlen in Ohio 2012. (© picture-alliance/dpa)
Vorher, im November, stimmen die Bürger der USA darüber ab, wen Wahlmänner ihres Bundesstaates zum Präsidenten wählen sollen. Die Wahlmänner stimmen für den Kandidaten, der von den Bürgern aus ihrem Staat, die meisten Stimmen bekommen hat. Im Bundesstaat Kalifornien gibt es zum Beispiel 55 Wahlmänner. Alle 55 Wahlmänner stimmen für einen Kandidaten. Sie stimmen für den Kandidaten, der von den Bürgern Kaliforniens die meisten Stimmen bekommen hat. Egal ist, wie viele Stimmen der Kandidat mehr bekommen hat. Egal ist, ob er nur 10 Stimmen mehr bekommen hat oder ob er 1 Millionen Stimmen mehr bekommen hat. Sein Gegner bekommt keine einzige Stimme der Wahlmänner! In den anderen Bundesstaaten ist dies auch so (mit zwei Ausnahmen). Wenn das in mehreren Bundesstaaten passiert, kann es sein, dass ein Kandidat insgesamt im Land mehr Wählerstimmen bekommen hat, jedoch weniger Wahlmännerstimmen. Und nur diese entscheiden, wer US-Präsident wird! Bei der Wahl am 8. November ist genau das passiert: Donald Trump hat die Wahl gewonnen, obwohl er weniger Stimmen als Hillary Clinton bekommen hat. Bei der Wahl von George W. Bush im Jahr 2000 ist das schon mal geschehen. Donald Trump zieht also im Januar 2017 als neuer US-Präsident in das Weiße Haus ein.
Die Wahl wurde auf der ganzen Welt mit Spannung verfolgt. Was waren die Gründe dafür?
Hillary Clinton und Donald Trump bei ihrer zweiten TV-Debatte (© picture-alliance/AP)
Die USA sind eine Weltmacht. Welche Politik die USA machen, was sie sagen und tun, ist für die Länder der Welt wichtig. Weil die USA wirtschaftlich und militärisch stark sind. Wirtschaftliche Stärke: In der USA gibt es viele Firmen, die Waren herstellen und verkaufen. Große US-Firmen sind in der ganzen Welt tätig. Zum Beispiel Microsoft oder Coca-Cola. Die USA sind auch ein großer Markt. In den USA gibt es viele Menschen und Firmen, die etwas einkaufen können. Auch Waren von Firmen aus Deutschland. Oder aus anderen Ländern. Die USA verkaufen und kaufen viele Waren. Wenn die USA bestimmen, dass ihre Regeln für das Kaufen und Verkaufen sich ändern, können andere Länder reicher oder ärmer werden. Zum Beispiel weil sie in den USA mehr oder weniger verkaufen können. Militärische Stärke: Die USA haben eine besonders große Armee. Sie haben ungefähr 1,4 Millionen Soldaten und viele und moderne Panzer, Kriegsschiffe und Flugzeuge. In vielen Ländern gibt es Soldaten der USA. Die USA hat deshalb mehr Möglichkeiten, Flugzeuge oder Soldaten dorthin zu schicken, wo Konflikte oder Kriege sind.
Der Präsident der USA kann viel bestimmen
Barack Obama, US-Präsident von 2009 - 2017 mit Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Pressekonferenz (© picture-alliance, Sven Simon)
Der Präsident der USA kann viel entscheiden. Darüber was die USA sagen und tun. Deshalb ist wichtig, wer Präsident oder Präsidentin wird. Auch für die anderen Länder der Erde. In der Politik der USA hat der Präsident viel zu bestimmen. Dies zeigt ein Vergleich zwischen dem US-Präsidenten und der deutschen Bundeskanzlerin:
In einer eigenen Wahl entscheidet das Volk der USA darüber: Wer soll Präsident oder Präsidentin der USA werden? In Deutschland wählt der Bundestag die Bundeskanzlerin. Vorher sprechen die im Bundestag vertretenen Parteien darüber, wer gewählt werden soll. Der Bundestag kann die Bundeskanzlerin auch abwählen. Und eine neue wählen. Das können die Parlamente in den USA so nicht.
Der US-Präsident ist Oberbefehlshaber der Armee. Er kann bestimmen wo das Militär eingesetzt wird. In Deutschland muss der Bundestag einem Einsatz zustimmen.
Wenn die Parlamente ein Gesetz beschließen, kann der Präsident ein Veto einlegen. Veto heißt: ein Gesetz verhindern oder verzögern. Die Bundeskanzlerin kann das nicht. Aber dies passiert auch häufig: Die Vorschläge des US-Präsidenten für ein Gesetz, werden von den Parlamenten abgelehnt.
Interner Link: Wer hatte die Chance, US-Präsident oder US-Präsidentin zu werden?
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Der gewählte US-Präsident Donald Trump bei seiner Rede in der Wahlnacht. (© picture-alliance/AP)
Wählerin bei den Vorwahlen in Ohio 2012. (© picture-alliance/dpa)
Hillary Clinton und Donald Trump bei ihrer zweiten TV-Debatte (© picture-alliance/AP)
Barack Obama, US-Präsident von 2009 - 2017 mit Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Pressekonferenz (© picture-alliance, Sven Simon)
| Article | Wolfram Hilpert | 2019-03-05T00:00:00 | 2016-05-13T00:00:00 | 2019-03-05T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/politisches-system/politik-einfach-fuer-alle/227813/die-wahl-des-us-praesidenten/ | Am 8. November haben die Amerikaner einen neuen Präsidenten gewählt: Donald Trump. Er bekam weniger Stimmen als seine Gegnerin, trotzdem hat er die Wahl gewonnen. Wie kann das sein? | [
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Partei der Humanisten | Landtagswahl Saarland 2022 | bpb.de |
Partei der Humanisten.
Die "Partei der Humanisten" (Die Humanisten) gibt es seit dem Jahr 2014. Sie bezeichnet sich selbst als "rational im Handeln, liberal im Herzen und fortschrittlich im Denken". Gesellschaftliche Normen sollen sich ausschließlich aus einer "kritisch-rationalen und wissenschaftlich fundierten Auseinandersetzung mit der Realität" ergeben. Dogmen und Ideologien werden abgelehnt. Die Partei setzt zur Entfaltung des Menschen auf Bildung, Wissenschaft und moderne Technologien. Ein zentrales Anliegen der Partei ist darüber hinaus die strikte Trennung von Staat und Kirche (Säkularismus). Ihre Positionen erarbeiten Die Humanisten nach eigener Darstellung fortlaufend ergebnisoffen und nach wissenschaftlichen Methoden. Im Saarland traten Die Humanisten bisher erst einmal zu einer Wahl an, und zwar bei der Wahl zum Europäischen Parlament 2019 (0,1 Prozent). Der saarländische Landesverband der Partei wurde erst wenige Monate vor der Landtagswahl, im November 2021, gegründet.
Fakten zur Partei
Gründungsjahr Landesverband: 2021* Landesvorsitz: Fabian Grünewald* Mitgliederzahl im Saarland: 21* Wahlergebnis 2017: keine Teilnahme
* nach Angaben der Partei
Die Humanisten haben bisher kein Landtagswahlprogramm vorgelegt. Auf Nachfrage gibt die Partei jedoch an, die Universität des Saarlandes als Volluniversität erhalten zu wollen und sich für die Erneuerung der Gebäude und Studentenwohnheime einsetzen zu wollen. Als säkulare Partei machen sich Die Humanisten im Saarland zudem dafür stark, dass kirchliche Sonderrechte abgeschafft und der konfessionelle Religionsunterricht durch einen allgemeinen Ethik-Unterricht ersetzt werden soll. Deutschland soll nach dem Willen des Landesverbandes von Die Humanisten ein Bedingungsloses Grundeinkommen einführen und schnellstmöglich klimaneutral werden. Um das letztgenannte Ziel zu erreichen, sollen die noch laufenden Kernkraftwerke am Netz bleiben.
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Gründungsjahr Landesverband: 2021* Landesvorsitz: Fabian Grünewald* Mitgliederzahl im Saarland: 21* Wahlergebnis 2017: keine Teilnahme
* nach Angaben der Partei
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-02-23T00:00:00 | 2022-02-18T00:00:00 | 2022-02-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/parteien/wer-steht-zur-wahl/saarland-2022/505350/partei-der-humanisten/ | Die Humanisten wurden 2014 gegründet. Zentrale Anliegen der Partei sind die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Realität sowie die strikte Trennung von Staat und Kirche. | [
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Energiepolitische Interessen in Zentralasien | "Achse des Bösen"? | bpb.de | Einleitung
Der 11. September 2001 hat neben Afghanistan dessen südöstliches Umfeld, Pakistan, und das nordwestliche Zentralasien ins öffentliche Blickfeld gerückt. In Zentralasien geschahen Veränderungen, die vor den einschneidenden Ereignissen an diesem Tag undenkbar gewesen wären. Insbesondere wurden im Einvernehmen mit Russland usbekische Militärbasen der U. S.-Luftwaffe als Stützpunkte geöffnet. Hat damit Russland aus höheren Erwägungen im "great game" um diesen Raum den USA Gewinne zugespielt? Haben die USA sich dafür mit einer Gegengabe erkenntlich gezeigt?
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Geht es dabei "nur" um eine Anti-Terror-Aktion oder um mehr? Immer wieder werden die Energieressourcen des Raumes als das eigentliche Motiv amerikanischer und natürlich auch anderer Mächte Interessen vermutet. Diesen Ressourcen haftet etwas Geheimnisvolles, fast Mystisches an. Dabei sind die wesentlichen Daten und Ereignisse nicht verborgen. Nur sind die Zusammenhänge, wie so häufig in der internationalen Politik, komplex und nicht nur nicht ausreichend, sondern mit dem Vergleich zu dem von Rudyard Kipling für das ausgehende 19. Jahrhundert geprägten Begriff des "great game" eher auf eine falsche Fährte führend beschrieben. In der Tat gibt es Zusammenhänge zwischen der Anti-Terror-Aktion in Afghanistan und weltwirtschaftlichen Interessen, genauer gesagt, der Weltölversorgung, doch sind diese Zusammenhänge anders zu erklären als mit dem Kampf früherer Jahrhunderte um Einflusszonen in der Region. I. Verteilung der Ölreserven
Um die Bedeutung der zentralasiatischen Energiereserven zu verstehen, bedarf es zunächst einer Beschreibung der globalen Versorgung getrennt nach Öl und Erdgas. Tabelle 1 listet die westlichen Verbrauchsregionen und ihre wichtigsten Versorger auf. Dabei fällt das Auseinanderklaffen der Anteile bei Reserven, Produktion und Verbrauch auf. Die USA und Kanada zum Beispiel verfügen über 3,5 % der gesicherten Weltölreserven, produzieren aber 14 % der Weltproduktion und konsumieren 28 %. Aus der Diskrepanz von Reserven und Produktion ergibt sich eine statistische Lebensdauer der Reserven, als Quotient aus Reserven und Produktion (R/P-Quotient), in Höhe von 9,5 Jahren. Aus der Diskrepanz zwischen Produktion und Verbrauch folgt die heutige Importabhängigkeit von ca. 50 %. Bei Europa liegt der R/P-Quotient noch niedriger, nämlich bei 7,5 Jahren, die Importabhängigkeit bei ca. 60 %. Russland, der drittgrößte Produzent, zweitgrößte Exporteur der Welt und wichtigste Lieferaant für Deutschland verfügt über einen R/P-Faktor in Höhe von 20 Jahren, dagegen die OPEC, deren Anteil an den Weltreserven 78 % beträgt, über einen von 72 Jahren. Noch höher liegt dieser Faktor bei der Golf-OPEC, fünf Staaten, die zusammen 63 % der gesicherten Weltreserven halten und über einen R/P-Faktor von 89 Jahren verfügen.
Diese Zahlen sagen nicht nur etwas über derzeitige, sondern auch über künftige Relationen zwischen Nettoimporteuren und Nettoexporteuren aus. Generell bedeuten sie, erstens, dass die Reserven der westlichen Industrieländer bald zur Neige gehen. Sie sagen nicht, dass in diesen Ländern in zehn Jahren kein Öl mehr produziert wird - Neuerschließungen in beschränkten Mengen sind möglich, und der Rückgang der Produktion wird in kleineren Schritten erfolgen - wohl aber, dass die Produktion in zehn Jahren drastisch unter der heutigen liegen wird, also selbst bei stagnierendem Ölverbrauch der Import anwachsen wird. Zweitens besagen sie, dass Russland, der größte Konkurrent der OPEC, aufgrund seiner begrenzten Reserven ebenfalls über keinen vergleichbar langen Atem verfügt wie die OPEC. In Kenntnis dieser Konstellation hat die OPEC im März 1999 zum ersten Mal nach 13 Jahren versucht, über Mengenbegrenzungen den Weltmarktpreis anzuheben, und anders als in den achtziger Jahren, als noch potente Wettbewerber die Angebotslücken füllen konnten, hat es diesmal funktioniert und die gewaltigen Preissprünge der Jahrtausendwende ausgelöst. In dem Bewusstsein, dass sie langfristig über den längeren Hebel verfügt, hat die OPEC dann 2001 einen für die Weltwirtschaft verträglichen Preiskorridor von 22 bis 28 US-Dollar pro Fass eingeführt, in dessen Schranken sich der Preis bis zum 11. September hielt. Der abrupte Rückgang der Nachfrage nach diesem Datum, hat dann den Preis nach unten gedrückt. Die Fakten sprechen aber dafür, dass - sobald die Welt-Konjunktur wieder anspringt - die OPEC den Ölpreis wieder diktieren kann.
Tabelle 2 weist darauf hin, dass der Anteil der OPEC an der Weltölversorgung, welcher in den neunziger Jahren langsam gestiegen ist, in den folgenden zwei Jahrzehnten noch verstärkt wachsen wird.
Interessant ist dabei, dass das gesamte Wachstum der Weltmarktanteile (von 40 % auf 54 %, also 14 %), und sogar noch mehr, im Mittleren Osten bereitgestellt werden muss. Dieser wird 15 % Wachstum übernehmen, sodass die Anteile der Rest-OPEC an der Weltversorgung von 14 % auf 13 % absinken werden. Selbst wenn diese Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) einen beträchtlichen Unsicherheitsfaktor aufweisen, so bringen sie doch die Tendenz einer gewaltigen Machtverschiebung bei der Weltversorgung mit Öl zugunsten von fünf Anrainer-Staaten am Golf zum Ausdruck. Die politische Stabilität dieser fünf Staaten wird jedoch nicht als hoch eingeschätzt. Vielmehr bietet die Möglichkeit der Destabilisierung eines dieser Staaten mehr Anlass zur Besorgnis um die Weltölversorgung als isolierte Machtverschiebungen in Zentralasien und Afghanistan. 1973 hat eine Reduzierung des Weltangebots um 4 % ausgereicht, um nicht nur die größte Krise der Weltwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern auch langfristige Strukturveränderungen auszulösen. In diesem Sinne bildet eine Bedrohung der Stabilität des Golfraumes, die von einem in Afghanistan oder Zentralasien konzentrierten Netzwerk ausgehen kann, das für die Weltwirtschaft kritischste Problem. II. Verteilung der Erdgasreserven
Erdgas ist ein Energieträger, der im Verbrauch gegenüber dem Öl manche Vorteile aufweist, so ist er umweltfreundlicher, weil emissionsärmer. Auch liegt der globale R/P-Faktor, also die gesicherten Reserven geteilt durch die derzeitige jährliche Produktion, mit 62 Jahren wesentlich über der bei Öl (38 Jahre). Deshalb weist Erdgas weltweit ein höheres Nachfragewachstum auf als Öl. Doch lässt sich Öl nur beschränkt durch Erdgas substituieren. Neben den unterschiedlichen Verbrauchseigenschaften unterscheiden sich die beiden Energieträger sehr bei der erforderlichen Verteilungsstruktur. Während Öl über längere Strecken ganz überwiegend mit Tankern transportiert wird und neben dem Transport durch Pipelines auch Eisenbahn- und Lastkraftwagen-Transporte möglich sind, beschränken sich die Transportmöglichkeiten bei Erdgas in der Regel auf Pipelines, die vom Produzenten bis zum Endverbraucher vernetzt sind. Dadurch ist eine aufwändigere und zugleich weniger flexible Transportinfrastruktur erforderlich. Da Pipeline-Transporte wiederum nur über eine Strecke von maximal 6 000 km rentabel sind, gibt es nicht wie bei Öl einen Weltmarkt, sondern nur globale Teilmärkte, und wegen der investitionsintensiven Infrastruktur begrenzt sich der Verbrauch weitgehend auf Industriestaaten.
Tabelle 3 führt die Hauptproduzenten- und -verbraucherregionen auf. Hierbei zeigt sich erstens, dass anders als beim Öl, dessen Weltreserven zu zwei Dritteln am Golf angesiedelt sind, zwei dominante Regionen existieren, nämlich Russland und der politisch nicht einheitliche, geographisch und geologisch jedoch dicht beieinander liegende südkaspische und Golf-Raum. Zusammen verfügen diese beiden Regionen über 80 % der gesicherten Weltreserven. Zweitens fällt auf, dass die R/P-Faktoren noch weiter auseinander fallen als bei Öl. Während dieser Faktor bei Nordamerika neun Jahre beträgt, liegt er bei der reservereichsten Region, der südkaspischen/Golfregion, bei mehr als 200 Jahren. Letzteres liegt daran, dass angesichts der Regionalisierung der Märkte für diese Region bisher kein Zugang zu einem potenten Absatzmarkt besteht, sodass, anders als dies für die wichtigsten Ölproduzenten gilt, die tatsächliche Produktion weit unter der möglichen liegt.
In der Tabelle 4 bietet die Internationale Energieagentur eine Prognose bis 2020 auf der Basis von 1995 für Produktion und Verbrauch in den von ihr identifizierten neun Teilmärkten an.
Als die drei größten Regionen bei Produktion und Verbrauch erweisen sich im Jahr 1995 Nordamerika, OECD Europa und die Transformationsländer (in diesem Fall die GUS-Staaten). Auch bis 2020 werden diese drei Regionen entsprechend der IEA-Schätzung die größten Verbraucher sein, doch auf der Produzenten-Seite wird Europa sowohl von Süd- und Ostasien wie vom Mittleren Osten überholt werden. Wie Tabelle 5 zeigt, wird allerdings Süd- und Ostasien trotz des beträchtlichen Produktionswachstums vom Netto-Exporteur (Produktion minus Verbrauch) zum -Importeur werden, während dem Mittleren Osten als Nettoexporteur eine drastisch wachsende Bedeutung zukommen wird.
Tabelle 5 macht darüber hinaus besonders deutlich, dass die Region OECD-Europa bereits jetzt der mit Abstand weltgrößte Netto-Importeur ist und diese Rolle ausbauen wird. Das heißt, Europa importiert schon jetzt mehr Erdgas als alle anderen Regionen der Welt zusammen; im Jahr 2020 wird die Menge fast viermal so groß sein. Darin liegt ein beträchtliches Abhängigkeitsrisiko, aber auch eine Chance, den weltweit einzigen internationalen Wettbewerbsmarkt aufzubauen, auf dem sich ein freier Preis aufgrund eines Wettbewerbs auf der Angebots- und Nachfrageseite herausbildet. Voraussetzung ist, dass alle großen Anbieter, d. h. Afrika, Russland und die südkaspische/Golfregion, Zugang zu dem europäischen Markt bekommen. Anders lässt sich das Versorgungsproblem Europas rein arithmetisch nicht lösen. Doch verfügt die südkaspische/Golfregion bisher über keinen Zugang zum europäischen Markt, es sei denn, es würden postsowjetische Pipelines in Anspruch genommen. III. Die Bedeutung der zentralasiatischen Energieressourcen
Über den tatsächlichen Energieressourcen Zentralasiens liegt immer noch ein Schleier der Ungewissheit, der die Fantasien anregt. Es gibt für die Erdöl- und Erdgasreserven jedoch Ober- und Untergrenzen, innerhalb derer die tatsächlichen Werte mit hoher Wahrscheinlichkeit liegen. Diese werden von Jan Kalicki wie in Tabelle 6 angegeben.
Damit ist die Spanne zwischen gesicherten und möglichen Reserven zwar wesentlich größer als in der viel besser erkundeten benachbarten Golfregion, doch zeigt es zugleich, dass die kaspische/zentralasiatische Region mit Sicherheit nicht die energiepolitische Bedeutung hat wie die des Persischen Golfes.
Die Internationale Energieagentur schätzt für die drei wichtigsten Energieproduzenten - das westkaspische Aserbaidschan wird hier der weiteren zentralasiatischen Region hinzugerechnet - folgende Produktionszahlen bei Öl (Tabelle 7) und Erdgas (Tabelle 8)
Die Ölproduktion dieser drei Staaten könnte ab dem Jahr 2015 4 % bis 5 % der Weltproduktion erreichen. Dies bedeutet einen für die Weltversorgung und den Ölpreis durchaus signifikanten Beitrag, doch stellt dieser bestenfalls ein Zehntel der am Golf erwarteten Ölproduktion dar. Usbekistan wird vermutlich ebenfalls beträchtliche Wachstumsraten bei seiner Ölproduktion aufweisen, doch wird erwartet, dass der Verbrauch ähnlich wachsen wird und deshalb keine nennenswerten Mengen für den Export bereitstehen. Für alle übrigen Staaten zwischen dem Bosporus und der chinesischen Grenze gilt, dass keine Ölreserven bekannt sind oder vermutet werden, die von irgendwelcher internationaler Bedeutung wären. Dies trifft insbesondere auch für Afghanistan zu.
Die Erdgasproduktion in den kommenden 20 Jahren ist viel weniger gesichert zu beschreiben, weil angesichts der infrastrukturellen Voraussetzungen unklar ist, auf welchen Absatzmarkt das Erdgas dieser Region transportiert werden kann. Viel stärker als bei Öl, das einem funktionierenden Weltmarkt zugeführt werden kann, hängt also die Erdgas-Produktion von dem technisch realisierbaren Absatz ab. Die IEA-Schätzung geht von einem Beitrag von 5 % bis 6 % zum Weltverbrauch aus, doch ließen die Produktionsmöglichkeiten auch einen höheren Anteil zu. IV. Veränderte Regeln im Interessenspiel der äußeren Mächte
Die kaspische/zentralasiatische Region beherbergt ein Energiepotenzial, das in seiner Größenordnung das der Nordsee übertrifft und nach der Golfregion das größte Wachstumspotenzial für Öl- und Gasproduktion darstellt. Dadurch werden die "great game"-Assoziationen geweckt. Doch lassen Überlegungen hierzu häufig außer Acht, dass sich im Zeitalter der Globalisierung gegenüber dem seinerzeitigen des Imperialismus und seinen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein reichenden Ausläufern die Spielregeln verändert haben. Die multinationalen Ölunternehmen, welche die Erschließung der Energiereserven betreiben, sind weder Instrument von Regierungen, noch sind Regierungen die Exekutiven von Interessen der Ölfirmen. Vielmehr hat sich gerade in dieser Region durch die Schaffung internationaler Konsortien, welche alle großen Projekte durchführen, in fast exemplarischer Weise die Trennung von wirtschaftlichen und politischen Interessen herausgebildet. Diese Konsortien, denen in der Regel amerikanische, europäische und russische Ölfirmen angehören und die anteilmäßig so zusammengesetzt sind, dass keiner dieser Gruppen die Anteilsmehrheit zufällt, haben nur das gemeinsame Interesse eines langfristig profitablen Projektes und damit einer Immunisierung gegen politische Einflüsse, die als ineffizient betrachtet werden, wenn geopolitische Interessen, also Einflusszonen zugunsten des einen und zulasten eines anderen Staates, geschaffen werden sollen. Dagegen sind die Konsortien durchaus in dem Sinne an politischer Einflussnahme interessiert, dass allgemeingültige Rahmenbedingungen, zum Beispiel im Sinne des 1998 in Kraft getretenen Energiechartavertrages, vereinbart werden. Solche Abkommen tragen zur Kalkulierbarkeit des unternehmerischen Risikos bei und wirken geopolitischen Machtspielen entgegen. V. Die amerikanischen Interessen
Das amerikanische Interesse an der kaspischen/zentralasiatischen Region manifestiert sich nicht in dem Bedarf, über die Energie der Region zu verfügen, und nur sehr eingeschränkt in der Unterstützung amerikanischer Energiefirmen. In den ersten beiden Jahren nach Auflösung der Sowjetunion (1992/93) hat die US-Regierung durchaus die russische Philosophie des "Nahen Auslandes", die gerade auch auf diese Region angewandt wurde, akzeptiert. Erst die Erkenntnis, dass Iran in eine sich neu bildende Infrastruktur einbezogen werden könnte, hat die Alarmglocken in Washington läuten lassen. Sowohl Kasachstan, das 1993 mit der amerikanischen Firma Chevron einen Vertrag zur Erschließung des Tengiz-Feldes, am Nordostufer des Kaspischen Meeres, abgeschlossen hat, wie auch Aserbaidschan, dessen "Jahrhundertgeschäft" ein Vertrag mit elf internationalen Ölfirmen (20. September 1994), zur Erschließung von drei Offshore-Feldern führen sollte, haben mit Iran Absichtserklärungen ausgetauscht, das neu erschlossene Öl mittels einer Pipeline durch Iran zum Persischen Golf zu leiten. Beträchtliche diplomatische Anstrengungen des Weißen Hauses haben dazu geführt, dass der kasachische Präsident Nasarbajev zugesagt hat, die Pipeline nach Süden nicht zu bauen, und der aserbaidschanische Präsident Aliev Präsident Clintons Vorschlag akzeptiert hat, zunächst die kleineren Mengen des "early oil" in zwei auszubauenden Pipelines zu dem georgischen Schwarzmeerhafen Supsa und dem russischen Hafen Novorossiisk zu leiten und die Entscheidung für die Hauptexport-Pipeline um mehrere Jahre zu verschieben.
Während diese Lösung für den Transport des aserbaidschanischen Öls bisher ausreichte, kam der Erschließungsplan des Tengiz-Feldes in große Bedrängnis. Denn die Untersagung des Transports des erschlossenen Öls nach Süden brachte Russland in eine Monopolposition als Transitland zum offenen Meer und damit zum Weltmarkt. Russland aber ließ sich viel Zeit, dem bereits 1992 gegründeten Caspian Pipeline Consortium (CPC), dessen Anteile sich auf die Staaten Russland, Kasachstan und Oman verteilten, den Bau einer Pipeline zuzugestehen. Zum einen sah Russland in dem Tengiz-Öl eine Konkurrenz für das eigene Exportangebot, zum anderen war Moskau verärgert, dass Kasachstan keine russische Ölfirma an der Erschließung des Tengiz-Feldes beteiligt hatte. Doch ab Mitte der neunziger Jahre zeichnete sich in der russischen Strategie eine Kurskorrektur ab, die auf das Betreiben der größten russischen Ölfirma Lukoil und des russischen Energieministeriums zurückging. Moskau erkannte, dass es mit herkömmlichen machtpolitischen Instrumenten zwar Entwicklungen blockieren, von diesen jedoch nicht profitieren konnte. Ein Ergebnis dieser Kurskorrektur war die Zustimmung zu der von amerikanischer Seite angestrebten (Teil-) Privatisierung der CPC-Anteile. 50 % dieser Anteile wurden 1997 an amerikanische, europäische und russische Ölfirmen vergeben. Das Konsortium erhielt ein neues Management, die Pipeline von Tengiz zum russischen Schwarzmeerhafen mit einer außerordentlich großen Transportkapazität von anfangs 28, später 64 Millionen Tonnen pro Jahr wurde gebaut und 2001 in Betrieb genommen.
Im Erdgassektor konnte die US-Regierung nicht verhindern, dass Turkmenistan, welches 1990 als Republik der Sowjetunion noch 90 Milliarden Kubikmeter Erdgas produzierte und mit diesem Produktionspotenzial zu wirtschaftlichem Wohlstand gelangen wollte, in der Absicht eine Pipeline nach Iran baute und 1997 in Betrieb nahm, längerfristig die Türkei via Iran mit Erdgas beliefern zu können. Doch auf Druck der US-Regierung hat die Türkei ihr Interesse, über eine solche Route turkmenisches und iranisches Gas zu beziehen, zurückgestellt, wodurch der rasch wachsende türkische Gasmarkt praktisch zu 100 % von russischen Lieferungen abhängig wurde. Um die Lieferung von turkmenischem Gas unter Umgehung iranischen Territoriums dennoch zu ermöglichen, hat die US-Regierung die Erstellung einer Machbarkeitsstudie für den Bau einer transkaspischen Erdgasleitung in Auftrag gegeben, die turkmenisches Gas durch das Kaspische Meer nach Aserbaidschan und von dort über Georgien in die Türkei liefern sollte. Eine solche Pipeline hat jedoch auf absehbare Zeit aus mindestens zwei Gründen keine Chance, verwirklicht zu werden: Erstens sind der Rechtsstatus des Kaspischen Meeres und damit die Hoheitsrechte weiterhin ungeklärt. Unter diesen Umständen wird schwerlich ein privater Investor zu finden sein, der eine Pipeline gegen den Protest der Anrainer Russland und Iran durch das Kaspische Meer bauen wird. Zweitens hat sich Turkmenistans Präsident Nijasov entschlossen, entgegen seiner seit Auflösung der Sowjetunion betriebenen Unabhängigkeitspolitik gegenüber Russland, dem russischen Angebot zuzustimmen, wachsende Mengen über das postsowjetische Pipeline-Netz zu transportieren, um damit endlich eine Exportoption zu erhalten, denn die Erdgasproduktion ist in den neunziger Jahren wegen fehlender Absatzmöglichkeiten von 90 Millionen auf 17 Milliarden Kubikmeter (1997) zurückgegangen. Die Vereinbarung mit Russland war offensichtlich an die Verpflichtung gebunden, einer transkaspischen Pipeline mindestens so lange nicht zuzustimmen, bis der Rechtsstatus des Kaspischen Meeres geklärt ist.
Auch die mögliche Pipeline-Infrastruktur von Zentralasien in Richtung Südosten hat die US-Regierung zu beeinflussen versucht. Um zu vermeiden, dass eine Erdgas- oder Erdöl-Pipeline von Turkmenistan via Iran nach Pakistan gebaut wird, haben die USA Verhandlungen zwischen den Staaten Turkmenistan und Pakistan sowie den Investoren Unocal (USA) und Delta (Saudi Arabien) begünstigt, die am 23. Juli 1997 zum Abschluss eines Vertrages in Islamabad geführt haben. Entsprechend diesem Vertrag hätten die Investoren ab Dezember 1998 eine Pipeline von Dauletabad (Turkmenistan) durch Afghanistan nach Multan (Pakistan) bauen sollen. Aus diesem Projekt haben sich die Investoren 1998 zurückgezogen, da die politische Situation in Afghanistan längst keine ausreichende politische Stabilität mehr bot. Möglicherweise wird dieses Vorhaben nach einer Stabilisierung des Landes wieder aufgenommen, doch bedarf es noch einer längeren Phase der Vertrauensbildung, bis private Investoren das Risiko einer solchen Investition zu tragen bereit sein werden.
Die USA waren bisher mit der Politik der Isolation Irans relativ erfolgreich. Weniger glücklich agierten sie mit ihrer aktiven Politik zum Bau einer Öl-Pipeline von Baku über Georgien zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan. Trotz mehrfacher, von den Staatspräsidenten der betroffenen Länder unterzeichneten Abkommen - zum Beispiel auf dem OSZE-Gipfel im November 1999 in Istanbul - ist die Finanzierung der auf 50 Millionen Jahrestonnen geplanten Pipeline bisher ungeklärt und kein Termin für den ersten Spatenstich festgelegt, während die über Russland führende, größer dimensionierte Pipeline bereits ihren Betrieb aufgenommen hat. Die USA haben - wie Russland - erfahren müssen, dass politische Instrumente ausreichen können, Entwicklungen in einer dynamischen Region zu verhindern, dass aber die Gestaltung einer neuen Infrastruktur nur mit und nicht gegen die im Zeitalter der Globalisierung gültigen Spielregeln zu beeinflussen ist. VI. Die Interessen Russlands
Die russische Außenpolitik ließ sich nach Auflösung der Sowjetunion zunächst davon leiten, dass die Erschließung kaspischer Energieressourcen und deren Transport zum Herzstück der neu gegründeten Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) entwickelt werden kann. Den Rechtsstatus des Kaspischen Meeres wollte Russland als ein von Moskau dominiertes Kondominium gestalten. Umso stärker wirkte der Schock im russischen Außenministerium, als sich Aserbaidschan unilateral über diese Position, aber auch über die Ungeklärtheit des Rechtsstatus hinwegsetzte und mit dem "Jahrhundertvertrag" 1994 ein Konsortium internationaler Ölfirmen unter der Führung von BP mit der Erschließung von drei Offshore-Feldern beauftragte. Pikanterweise gehörte dem Konsortium mit Unterstützung des russischen Energieministeriums auch Lukoil (10 %-Anteil) an. Dennoch protestierte das Außenministerium mit Unterstützung Präsident Jelzins bei den Vereinten Nationen gegen diesen angeblichen Völkerrechtsbruch. Schon bald setzten sich jedoch in der russischen Politik die Interessen durch, die eine Beteiligung russischer Unternehmen und Regionen an Erschließung und Transport der Energie nach internationalen Spielregeln befürworteten. 1995 stimmte Russland dem amerikanischen Vorschlag zu, das in Baku verfügbare Öl in den ersten Jahren über zwei kleine Pipelines - eine über Georgien, die andere über Russland - zu leiten. Für Hauptexport bot Russland den Bau einer Pipeline mit größerer Kapazität von Baku nach Novorossiisk an.
1997 erfolgte die russische Zustimmung zur Teilprivatisierung des CPC-Konsortiums, das Eigentümer der inzwischen fertig gestellten Pipeline über russisches Territorium ist. Ende 1996 bot Russland bei einem Treffen der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres in Ashgabat an, an Stelle der reinen Kondominium-Regelung für das Kaspische Meer eine 45-Meilen-Küstenzone national zuzuordnen und nur die Mitte des Meeres sowie das Wasser (Schiffahrt, Ökologie) gemeinsam zu verwalten. Damit wären praktisch alle bekannten Offshore-Ressourcen unter nationale Hoheit gefallen. Aserbaidschan stimmte dennoch diesem Vorschlag nicht zu. Russland bewegte sich weiter in Richtung auf eine sektorale Teilung und unterzeichnete 1998 ein entsprechendes Abkommen mit Kasachstan zur Festlegung der gemeinsamen Offshore-Grenze, das Kasachstan die gesamten Ressourcen des Kaspischen Schelfes zusprach. Inzwischen ist Russland fast gänzlich auf die Linie Aserbaidschans eingeschwenkt. Nun weigerte sich Iran, einer Aufteilung des Kaspischen Meeres nach dem Äquidistanzprinzip zuzustimmen. Vielmehr besteht Iran entweder auf der Kondominiumlösung oder auf einer Aufteilung zu fünf gleichen Teilen. Dem können weder Aserbaidschan noch Turkmenistan zustimmen. Obwohl also die Eigentumsverhältnisse weiterhin ungeklärt sind, findet die Offshore-Erschließung mit der Ausnahme von Streitfällen zwischen Aserbaidschan einerseits und Turkmenistan und Iran andererseits, wegen der ungeklärten Grenzziehung, statt. Bezüglich des Wassermanagements sind die Zuständigkeiten jedoch ungeklärt.
Beim Transport von Erdgas aus der Region scheint Russland ebenfalls durch eine Änderung seiner Politik im Jahr 2001 einen Punktgewinn errungen zu haben. Nach Auflösung der Sowjetunion sperrte Russland das postsowjetische Pipeline-Netz für den Transport turkmenischen Gases nach Europa, um sich eines Konkurrenten zu entledigen. Nur begrenzte Mengen durfte Turkmenistan an die für ihre Zahlungssäumnisse bekannte Ukraine liefern. Inzwischen ist Russland bewusst geworden, dass die eigene Erdgasproduktion, die zwischen 1990 und 2000 um 9 % gesunken ist, nicht mehr zur Deckung des europäischen Bedarfs ausreicht. So hat sie Turkmenistan angeboten, zunehmend bis zu 80 Milliarden Kubikmeter Erdgas zu einer für Russland ergiebigen Transitgebühr nach Europa zu transportieren. Damit kann Russland nicht nur mit Transiteinnahmen rechnen, sondern auch seine Position als Haupterdgaslieferant Europas bestärken.
Russland musste seine ursprünglichen geopolitischen Positionen zwar aufgeben, doch warf es diesen Ballast gerne ab, denn dadurch entwickelten sich die Dinge weitgehend zugunsten russischer Interessen: Die mit Abstand größte Pipeline zum Transport kaspischen Öls führt durch Russland. Im Erdgasbereich steigen die Chancen, dass Russland Haupttransitland wird. Begünstigt wurden diese Erfolge dadurch, dass die USA Iran als Konkurrenten ausschalteten. Doch konnte Russland diese Position nur erreichen, indem es, anders als die USA, sich zunehmend auf eine Interessenpolitik beschränkte, die sich mit ökonomischer Effizienz in Einklang befand. Die Ausnahme bildet immer noch der Konflikt in Tschetschenien und Daghestan. Es werden sich nämlich keine Investoren finden lassen, welche die Hauptexport-Pipeline von Baku durch diese Region nach Novorossiisk bauen werden, woran Russland gelegen ist. Ohne politische Konflikte böte diese Route durchaus eine wettbewerbsfähige Option. VII. Die Interessen Irans und der Türkei
Iran und die Türkei sind ungleiche Konkurrenten bei den Bemühungen um die Transportinfrastruktur von Zentralasien zum offenen Meer. Ungleich sind sie deshalb, weil die USA Iran mit Sanktionen belegen und die Türkei als Mittelmacht in der Region aufzubauen versuchen. In der Tat ist es Iran bisher nicht gelungen, sich in größerem Umfang mit den kaspischen/zentralasiatischen Staaten zu vernetzen. Zwar wurde 1996 eine erste Eisenbahnlinie, die Iran mit seinem Nachbarn Turkmenistan verbindet, eingeweiht. Doch die damit verbundenen Hoffnungen auf eine intensive wirtschaftliche Verknüpfung des mittelöstlichen mit dem zentralasiatischen Raum erfüllten sich nicht. Die Erdgas-Pipeline, die zwischen Turkmenistan und Iran gebaut und 1996 in Betrieb genommen wurde, kann nur Erdgas zwischen zwei Staaten transportieren, die beide mehr produzieren als sie verbrauchen und gerne mehr Erdgas exportieren würden.
Noch weniger trifft eine infrastrukturelle Vernetzung mit Zentralasien für die Türkei zu. Sie setzt zu sehr auf das wirtschaftlich fragwürdige Projekt der Öl-Pipeline von Baku nach Ceyhan. Dabei gelang es trotz mehrerer Anläufe um eine konstruktive Kaukasus- und Zentralasien-Politik der Türkei weder, auf die Lösung des zwischen Armenien und Aserbaidschan schwelenden Konflikts um Nagorny Karabach positiv einzuwirken, womit ihr der geographisch direkte Weg zu den Turkstaaten westlich und östlich des Kaspischen Meeres verbaut ist, noch ist es ihr gelungen, eine funktionsfähige Transportlinie für Öl oder Erdgas aus diesem Raum aufzubauen. Unter den drei Nachbarn Armenien, Georgien, Iran, die als Brücke nach Zentralasien dienen können, besteht allenfalls zu Georgien ein kooperatives Verhältnis, doch Georgien leidet unter einer Vielzahl innerer Konflikte, die seine Verlässlichkeit als Partner für Infrastrukturmaßnahmen infrage stellen. Während Iran insbesondere durch die US-Sanktionen in seiner Vernetzung mit Zentralasien behindert ist, leidet die Türkei vor allem unter der Unfähigkeit, historisch gewachsene Konflikte in und mit seinen nordöstlichen Nachbarn zugunsten einer kooperativen Entwicklung aufzuarbeiten und zu lösen. Dadurch bleibt die aufgrund ethnischer Gemeinsamkeiten nahe liegende engere Zusammenarbeit mit den Turkstaaten Zentralasiens ebenso weitgehend ungenutzt wie die Möglichkeit einer Diversifizierung der türkischen Energieversorgung und schließlich auch die Chance, zum wichtigsten Transitland für eine Erdgasleitung vom südkaspischen Raum nach Europa zu werden. VIII. Die Interessen Europas
Europa ist in Zentralasien bisher nicht als eine Macht mit geopolitischen Interessen in Erscheinung getreten. Dennoch gibt es besondere Beziehungen. Die EU ist der größte Geber an Entwicklungshilfe in der Region. Sie hat mit allen Staaten Zentralasiens Partnerschafts- und Kooperationsabkommen abgeschlossen, wenngleich diese mangels Ratifikation nicht alle in Kraft getreten sind. Sie hat die Europäische Energiecharta initiiert, die in dem Energiechartavertrag mündete, dem alle zentralasiatischen Staaten angehören und der die Spielregeln für internationale Investitionen und Transport im Energiesektor festlegt. Die wichtigsten Konsortien zur Ölerschließung werden von Ölunternehmen aus EU-Staaten angeführt. Die EU-Programme TRACECA und INOGATE unterstützen den Aufbau einer länderübergreifenden regionalen Infrastruktur.
Dennoch hat sich die EU gegenüber konkreten Infrastrukturentscheidungen neutral verhalten. Dabei müsste sie mehr als andere Akteure daran interessiert sein, dass die Versorgungslinien für Öl und Erdgas nach Europa führen. In ihrem Grünbuch bringt die EU die erwartete Versorgungslücke bei beiden Energieträgern aufgrund der zur Neige gehenden eigenen Produktionspotenziale deutlich zum Ausdruck. Doch mangels klarer Kompetenz muss die EU-Kommission gegenüber den EU-Mitgliedstaaten sehr vorsichtig taktieren, wenn es um die Entwicklung einer Energieversorgungsstrategie geht. Die Mitgliedsstaaten wiederum sind weit davon entfernt, eine solche Strategie zu entwickeln. Hier besteht also ein Zuständigkeitsvakuum, über das erst langsam politisches Bewusstsein geschaffen wird. Dabei ist Europa der natürliche Absatzmarkt sowohl für das kaspische/zentralasiatische Öl wie für das Erdgas. Die Region liegt zwischen noch energiereicheren Regionen im Norden und Süden, und ein Export nach Osten ist technisch schwierig und ökonomisch zu riskant, als dass Investoren derzeit bereit wären, die notwendige Infrastruktur zu errichten. Wird die Energie nach Westen geliefert, so bieten sich die Türkei und Europa als Abnehmer an. Für Nordamerika ist ein Transport des Erdgases zu weit, und das Öl wird billiger vom Golf von Hafen zu Hafen transportiert.
Eine europäische Strategie müsste einerseits auf die Pipelineführung bis zum Schwarzen Meer Einfluss nehmen und andererseits die europäische Anbindung von den Häfen Burgas (Bulgarien), Konstanza (Rumänien), und/oder Odessa (Ukraine) per Pipeline organisieren. Erste Schritte sind erfolgt, insbesondere hat die Ukraine eine Verbindungspipeline von Odessa zu der auf sowjetische Zeiten zurückgehenden Freundschafts-Pipeline geschaffen, doch das Ganze ist bisher Stückwerk. Brüssel hat sich bisher nicht dazu geäußert, welche Infrastruktur es den Investoren empfiehlt und gegebenenfalls politisch absichert.
Eine Erdgas-Pipeline vom südkaspischen Raum, in welche turkmenisches, iranisches und aserbaidschanisches Gas fließen könnte, via Türkei und Südosteuropa zum mitteleuropäischen Pipeline-Netz könnte nicht nur die in dem EU-Grünbuch beschriebene Versorgungslücke schließen, sie würde auch Südosteuropa in das somit flächendeckende Netz einbinden, und sie böte die Möglichkeit eines Wettbewerbsmarktes in Europa, womit der Übergang von dem im Erdgasbereich bisher gängigen bilateralen Monopol zwischen Produzenten und Verbrauchern mit Preisanbindung an den Ölpreis zu einem wirklichen Markt geschaffen werden könnte. Anders als die in der zentralasiatischen Region immer noch präsenten geopolitischen Interessenwahrnehmungen könnte Europa mit dieser Region eine Partnerschaft eingehen, welche europäische Interessen mit wirtschaftlicher Entwicklung in der Region verbindet, bei der es keine Verlierer gibt. IX. Schlussfolgerungen
Das Problem der Energieversorgung wird mit zur Neige gehenden Reserven in Nordamerika und Europa wieder ein höheres Gewicht in der Politik westlicher Industrieländer gewinnen. Damit steigt auch die Krisenanfälligkeit und deren Nutzungsmöglichkeit durch Terrorismus. Während jedoch für die USA - und noch mehr für die Staaten Ost- und Südasiens - die besondere Aufmerksamkeit dem Ölfluss vom Persischen Golf zu den Verbrauchermärkten gilt und hierbei die Anfälligkeit für Terrorismus und Staatszusammenbrüche im Auge behalten werden muss, fällt Afghanistan allenfalls als Transitalternative zu Iran und Zentralasien insgesamt eine Bedeutung niedrigerer Ordnung zu. Die Einhaltung der vom amerikanischen Kongress im August 2001 um fünf Jahre erneuerten Iran-Sanktionen wird von der Bush-Administration anders als von der Clinton-Regierung nur als eine Pflichtübung gesehen. Konzentrierte sich in der Vergangenheit die US-Politik in der Region auf die Isolation Irans, so hat diese Rolle nunmehr die Terrorismus-Bekämpfung übernommen. Dass dabei die Interessen des bisherigen Partners Türkei auf der Strecke bleiben könnten, wird in Kauf genommen. Für Europa böte sich dagegen eine Chance, in der Region eigene Versorgungsinteressen wahrzunehmen und dabei zugleich einen effizienten Entwicklungsbeitrag zu leisten. Doch leider sind die europäischen Strukturen bisher nicht dahingehend ausgelegt, dass solche strategischen Interessen auch mit angemessenem Engagement umgesetzt werden.
Vgl. Georg Watzlawek, USA geben Russland im Pipeline-Poker am Kaspischen Meer freie Hand, in: Handelsblatt vom 4. 12. 2001, S. 6.
Vgl. Neil MacFarlane, Amerikanische Politik in Zentralasien und im Transkaukasus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B43 - 44/98, S. 4.
Vgl. Amy Myers Jaffe/Obert A. Manning, The Myth of the Caspian "Great Game": The Real Geopolitics of Energy, in: Survival, 40 (Winter 1998 - 99) 4, S. 112 - 129.
Vgl. Abraham S. Becker, Russia and Caspian Oil: Moscow Loses Control, in: Post-Soviet Affairs, (2000) 16, S. 91 - 132.
Vgl. Guive Mirfenderski, A Diplomatic History of the Caspian Sea, Palgrave - New York 2001, S. 193.
Vgl. Wall Street Journal vom 3. 8. 2001, S. 1.
Vgl. Europäische Kommission, Grünbuch - Die Sicherheit der Energieversorgung der Union, Brüssel 2001.
| Article | Müller, Friedemann | 2021-12-07T00:00:00 | 2011-10-04T00:00:00 | 2021-12-07T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/27096/energiepolitische-interessen-in-zentralasien/ | Zentralasien ist nach dem 11. September 2001 wieder stärker ins internationale Blickfeld gerückt. Dies liegt vor allem an der Einbindung dieser Region in die Anti-Terror-Koalition. | [
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Arbeitslosenquoten nach Bildungsstand | Europa | bpb.de | Der Bildungsstand der Erwerbsbevölkerung beeinflusst maßgeblich das Arbeitslosigkeitsrisiko. Das gilt sowohl für die Europäische Union insgesamt als auch für jeden einzelnen Mitgliedstaat sowie für weitere Staaten Europas. EU-weit waren im Jahr 2017 lediglich 4,5 Prozent der Erwerbsbevölkerung mit hohem Bildungsstand arbeitslos. Bei der Erwerbsbevölkerung mit niedrigem Bildungsstand waren es hingegen 14,8 Prozent. Besonders problematisch ist dabei, dass sich der Abstand zwischen den Bildungsschichten seit 2005 stetig vergrößert hat.
Fakten
Im Jahr 2017 lag die Arbeitslosenquote der Europäischen Union (EU) bei 7,6 Prozent. Wird die Erwerbsbevölkerung nach dem höchsten erreichten Bildungsstand unterschieden, zeigt sich, dass die Arbeitslosenquote in erheblichem Maße durch den Bildungsabschluss beeinflusst wird. EU-weit waren im Jahr 2017 lediglich 4,5 Prozent der Erwerbsbevölkerung mit einem hohen Bildungsstand arbeitslos (Bildungsstand nach der Klassifikation ISCED – International Standard Classification of Education). Bei der Erwerbsbevölkerung mit einem mittleren Bildungsstand waren es im selben Jahr 6,9 Prozent. Schließlich lag die Arbeitslosenquote der Erwerbsbevölkerung mit niedrigem Bildungsstand bei 14,8 Prozent. Das Risiko, im Jahr 2017 von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein, war demnach bei einem niedrigen Bildungsstand mehr als dreimal so hoch wie bei einem hohen Bildungsstand (Faktor 3,3).
In allen Jahren von 2005 bis 2017 war EU-weit die Erwerbsbevölkerung mit einem niedrigen Bildungsstand am stärksten von Arbeitslosigkeit betroffen. Auffällig ist, dass sich der Abstand zwischen den Bildungsschichten stetig vergrößert: 2005 war die Arbeitslosenquote der Erwerbsbevölkerung mit einem niedrigen Bildungsstand 2,4-mal so hoch wie die Quote der Erwerbsbevölkerung mit einem hohen Bildungsstand. 2010 war sie 2,9-mal und 2015 schon 3,1-mal höher.
In allen Mitgliedstaaten der EU – und auch in Island, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Montenegro, Norwegen und der Schweiz – war das Risiko, im Jahr 2017 arbeitslos gewesen zu sein, bei der Erwerbsbevölkerung mit einem niedrigen Bildungsstand größer als bei der Erwerbsbevölkerung mit einem hohen Bildungsstand. Mit einer Ausnahme (Dänemark) war in diesen Ländern auch die Arbeitslosenquote bei mittlerem Bildungsstand höher als bei hohem Bildungsstand.
In lediglich zwei der 34 Staaten, für die Eurostat Daten bereitstellt, war die Arbeitslosenquote der Erwerbsbevölkerung mit niedrigem Bildungsstand niedriger als die Quote der Erwerbsbevölkerung mit mittlerem Bildungsstand. Während die beiden Quoten in Portugal mit 9,8 und 9,9 Prozent fast gleich hoch waren, weicht die Türkei klar von den anderen Staaten ab: Hier lag die Arbeitslosenquote der Erwerbsbevölkerung mit mittlerem bzw. hohem Bildungsstand bei 12,5 bzw. 12,4 Prozent, die Quote der Erwerbsbevölkerung mit niedrigem Bildungsstand betrug hingegen nur 9,6 Prozent.
In keinem der hier betrachteten Staaten ist der Einfluss des Bildungsstandes auf die Arbeitslosenquote höher als in Tschechien. Im Jahr 2017 war die Arbeitslosenquote der Erwerbsbevölkerung mit einem niedrigen Bildungsstand 8,7-mal höher als die Quote der Erwerbsbevölkerung mit einem hohen Bildungsstand (13,1 gegenüber 1,5 Prozent). Stärker als in anderen Ländern war der Zusammenhang zwischen Bildung und Arbeitslosigkeit im selben Jahr auch in Litauen (Faktor 7,2), der Slowakei (7,1), Ungarn (6,9), Bulgarien (6,0), Polen (5,1), Lettland und Deutschland (4,8). Weniger stark ausgeprägt war der Zusammenhang in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und Zypern (Faktor 1,4), Griechenland und Portugal (1,5), Dänemark (1,9) sowie in Montenegro (2,0).
Begriffe, methodische Anmerkungen oder Lesehilfen
Informationen zum Thema Erwerbstätigenquoten nach Bildungsstand erhalten Sie Interner Link: hier...
Die Arbeitslosenquote entspricht dem prozentualen Anteil der Arbeitslosen an der Erwerbsbevölkerung. Die Erwerbsbevölkerung setzt sich aus den Erwerbstätigen und den Arbeitslosen zusammen. Zu den Arbeitslosen zählen hier alle Personen von 15 bis unter 75 Jahren,
die während der Bezugswoche ohne Arbeit waren,die innerhalb der letzten vier Wochen aktiv eine Beschäftigung gesucht haben unddie sofort bzw. innerhalb von zwei Wochen eine Beschäftigung aufnehmen könnten.
Erwerbstätige sind alle Personen im Alter von mindestens 15 Jahren, die in der Bezugswoche (der EU-Arbeitskräfteerhebung) gegen Entgelt oder zur Gewinnerzielung mindestens eine Stunde gearbeitet haben sowie alle Personen, die nur vorübergehend von ihrer Arbeit abwesend sind (z.B. aufgrund von Krankheit oder Urlaub).
Quellen / Literatur
Eurostat: Online-Datenbank: Arbeitslosenquote nach Bildungsstand (Stand: 07/2018)
Eurostat: Online-Datenbank: Arbeitslosenquote nach Bildungsstand (Stand: 07/2018)
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-01-14T00:00:00 | 2012-02-29T00:00:00 | 2022-01-14T00:00:00 | https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/europa/70612/arbeitslosenquoten-nach-bildungsstand/ | Der Bildungsstand der Erwerbsbevölkerung beeinflusst maßgeblich das Arbeitslosigkeitsrisiko. Das gilt sowohl für die Europäische Union insgesamt als auch für jeden einzelnen Mitgliedstaat. | [
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Fußball als Diskriminierungsagent | Bundesliga: Spielfeld der Gesellschaft | bpb.de | Die gesellschaftlichen Hintergründe
Bei Diskriminierungen im Fußballstadion handelt es sich keinesfalls um ein reines Fußball- oder Sportphänomen, wenngleich der Fußball Konstellationen aufweist, die solche Verhaltensweisen begünstigen (siehe unten). Vielmehr wird aus einem gesellschaftlichen Vorrat geschöpft, der Diskriminierungs- und Ausgrenzungsmechanismen bereithält, denn Gesellschaft findet sich – wenn auch in abgeänderter Form – im Stadion wieder. Deshalb ist es zunächst sinnvoll, Diskriminierungen gesellschaftlich einzuordnen, um einen Überblick über die Phänomene zu erhalten. Erst dann bietet sich eine Diskussion der Bedeutung von Diskriminierung für den Fußball unter Berücksichtigung historischer Gesichtspunkte an.
Bereits der Blick auf die etymologische Herkunft des Begriffs zeigt, dass Diskriminierungen eine Distinktionsfunktion übernehmen: Diskriminierung stammt vom lateinischen Wort "discriminare“ ab, was so viel wie "absondern“ und "trennen“ bedeutet. Ursprünglich wertneutral verwendet, ist der Begriff heute negativ belegt. Diskriminierungen können entweder einzelne Personen oder Gruppen herabwürdigen und dabei ganz unterschiedliche Formen annehmen. Sie müssen nicht zwangsläufig offen artikuliert werden oder sich gar in feindseliges, gewalttätiges Handeln niederschlagen, wie wir es im Rechtsextremismus erleben, sondern können genauso Teil menschlicher Einstellungen sein. In diesem Beitrag spielen Einstellungen allerdings nur bedingt eine Rolle.
Adressaten diskriminierender Herabsetzungen sind sowohl Personen beziehungsweise Gruppen anderer ethnisch-kultureller Herkunft als auch Angehörige der eigenen ethnisch-kulturellen Gruppe. So tauchen neben sehr bekannten Diskriminierungsmustern wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus auch solche auf, mit denen zum Beispiel Homosexuelle (Homophobie), Frauen (Sexismus) oder Behinderte (Abwertung von Behinderten) ausgegrenzt werden. Ausgehend von der sozialen Ungleichheit der Menschen im Hinblick auf Status, Herkunft, Aufstiegschancen etc. können gesellschaftliche Verschiebungen (zum Beispiel Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, Zunahme des Konkurrenzkampfes) zu Verschärfungen solcher Ungleichheiten führen. In der Folge kann die Ideologie der Ungleichwertigkeit als Bewertungs- und Hierarchisierungsinstrument „eine Legitimationsfunktion für Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt" gegenüber schwachen Gruppen übernehmen. Menschen werden demnach zum Beispiel im Hinblick auf ihre kulturelle und religiöse Herkunft oder wirtschaftliche Nützlichkeit bewertet.
Die gesellschaftliche Sensibilität für derlei Diskriminierungen hat sich in den vergangenen Jahren erheblich erhöht und wird darüber hinaus durch rechtliche Maßnahmen begleitet. Im Jahr 2006 wurde beispielsweise die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingerichtet und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (umgangssprachlich: Antidiskriminierungsgesetz) verabschiedet. Offene Diskriminierungen sind daher nicht nur gesellschaftlich weitestgehend unerwünscht, sondern werden auch gesetzlich verfolgt. Zudem haben sich in der Gesellschaft wesentlich liberalere Umgangsformen mit Blick auf Minderheiten etabliert, sodass heutzutage beispielsweise homosexuelle Spitzenpolitiker oder solche mit Migrationshintergrund vielfach akzeptiert werden. Ebenso haben Untersuchungen zur institutionellen Diskriminierung (vor allem in Schulen) zu einer Diskussion über die Benachteiligung verschiedener Bevölkerungsgruppen in institutionellen Kontexten geführt.
Studien zeigen allerdings, dass diskriminierende Einstellungen in verschiedenen Bevölkerungsschichten durchaus vorhanden sind – wenngleich in unterschiedlichem Maße. So wies die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, im Frühjahr 2012 darauf hin, dass beispielsweise Rassismus nicht zu einem reinen Randphänomen verklärt werden sollte, da er auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft auftaucht.
"Rassismus ist kein Randphänomen"
Studien zeigen hingegen, dass diskriminierende Einstellungen in verschiedenen Bevölkerungsschichten durchaus vorhanden sind – wenngleich in unterschiedlichem Maße. So wies die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, im Frühjahr 2012 darauf hin, dass beispielsweise Rassismus nicht zu einem reinen Randphänomen verklärt werden sollte, da er auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft auftaucht.
Quelle: Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2012
So gibt es in verschiedenen Gesellschaftsgruppen – nicht nur in radikalen Szenen – zumindest eine erhebliche Skepsis gegenüber Zuwanderern und Zuwanderinnen sowie damit verbunden eine Diskriminierung. Dies belegen die Proteste des islamkritischen Pegida-Bündnisses in verschiedenen Städten Deutschlands. Aber auch die massiv gestiegene Anzahl der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte (z. B. Brandanschläge) im Jahr 2015 geben Anlass zur Sorge. Die Flüchtlingsbewegungen aus Kriegs- und Notstandsgebieten stellen nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa eine nicht nur politische, sondern auch gesellschaftliche Herausforderung dar, entlang derer sich erhebliche Konflikte entzünden.
Von diesen Vorgängen ist auch der Fußball nicht unberührt. Insbesondere die sogenannte HoGeSa-Bewegung (Hooligans gegen Salafisten) ist gegenwärtig darum bemüht, die Konflikte um Zuwanderung (z. B. Schüren von Ängsten vor ''Islamisierung“) mit dem Fußball zu verbinden. Doch auch losgelöst von der extremen HoGeSa-Gruppierung taucht in gesellschaftlichen Debatten immer wieder das Fußballstadion als idealer Nährboden für Beleidigungen, Diskriminierungen und Feindseligkeiten von und gegenüber Minderheiten auf. Insbesondere das fußballspezifische Setting hat einen begünstigenden Einfluss auf Ausgrenzungen und Abwertungen. Es lohnt deshalb, dieses Setting zu betrachten, um die Rolle des Fußballs im Kontext von Diskriminierungen zu verstehen.
Fußball als bipolares Konfliktsystem
Kontrahenten auf dem Platz. (© imago/MIS)
Wie viele Sportarten ist der Fußball durch das Aufeinandertreffen zweier konkurrierender Mannschaften gekennzeichnet, für die es vor allem um eines geht: den Sieg. Schon den Kinder- und Jugendabteilungen vieler Amateurvereine ist dieses System immanent. Siege verschaffen Erfolgserlebnisse und Ehre, Niederlagen hingegen bedeuten Frust und Enttäuschung. Diese Erfahrungen werden unterschiedlich verarbeitet und können sich in Aggressionen, Gewalt und Diskriminierungen niederschlagen.
Verschärft hat sich diese Bipolarität in den vergangenen fast 50 Jahren seit der Gründung der Fußball-Bundesliga im Jahre 1963, in denen der Fußballsport eine beispiellose Professionalisierung und Kommerzialisierung erlebt hat. Waren noch in den Vorkriegs- und unmittelbaren Nachkriegsjahren Sieg oder Niederlage nicht existenziell bedeutsam, hat sich dies erheblich verändert. Heute können im Bundesligafußball Siege große finanzielle Gewinne einbringen und Niederlagen schwere Verluste bescheren, die Vereine an den Rand des Abgrunds führen können. Gerade auch in den europäischen Wettbewerben wie der Champions League werden enorme Summen umgesetzt und Einnahmen getätigt. Kurzum: Im Fußball – vor allem im Profibereich – zählt nur der Sieg. Der Konflikt zwischen zwei Mannschaften ist daher in der Struktur des Spiels verankert. Entsprechend ruppig sind mitunter die Umgangsweisen auf dem Spielfeld. Es wird gekämpft, gefoult, gebrüllt und beleidigt – alles im Dienste des Erfolgs der eigenen Mannschaft und der Niederlage des Gegners. Damit passt sich der Fußball dem vorherrschenenden Wettbewerbs/Konkurrenz-Modell des Marktes im Kapitalismus an, wo Leistungs- und Erfolgsorientierung bedeutsame Eigenschaften sind, um sich im Konkurrenzkampf zu behaupten.
Der Wechsel des Schalker Torwarts Manuel Neuer zum FC Bayern löste bei den Fans beider Vereine starke Kritik aus. (© imago/Kolvenbach)
Die aus der bipolaren Kategorisierung resultierenden Konflikte finden sich nicht nur auf dem Platz, sondern auch auf den Zuschauerrängen. Dort treffen die jeweiligen Anhänger im Rahmen des sportspezifischen Settings aufeinander und unterstützen ihre Mannschaft. Die Bipolarität begünstigt im Besonderen die Ausbildung von Feindbildern, die mancherorts derart tief verankert sind, dass von "Hassgegner" oder "Erzfeind" gesprochen wird. Dass es sich dabei nicht nur um inhaltsleere Worthülsen handelt, zeigen zum einen Zuschauerausschreitungen rivalisierender Vereine. Zum anderen werden Sprechchöre und Gesänge eingesetzt, um den Gegner zu attackieren. Derlei Artikulationen haben einen Vorteil: Sie sind – im Gegensatz zu dem für körperliche Auseinandersetzungen benötigten, unmittelbaren Gegner sowie der erforderlichen Körperkraft – immer verfügbar und schaffen klare Orientierungen. Durch solche Gesänge wird das Freund-Feind-Schema verstärkt, das in ''Wir'' und ''Die'' einteilt. Es entsteht eine klare Interaktionsordnung zwischen den Fans auf den Rängen.
Der sogenannten "Theorie der sozialen Identität" zufolge entwickeln sich Ingroups und Outgroups, wodurch sich Fangruppen eindeutig voneinander abzugrenzen versuchen. Indem sich Menschen einer Gruppe zuordnen und diese Mitgliedschaft verinnerlichen, dokumentieren sie interne Homogenität (Zusammenhalt, Zugehörigkeit) bei externer Heterogenität (Abgrenzung nach außen): Fußballfans bilden aufgrund der Zugehörigkeit zu ihrer Fangruppe eine soziale Identität aus, die über Intergruppen-Vergleiche mit anderen Gruppen eine selbstwertsteigernde, ordnungsstiftende Funktion übernehmen kann. Heftige Beleidigungen und mitunter Diskriminierungen sind probate Instrumente, um gegnerische Fangruppen oder Spieler wirksam abzuwerten und gleichzeitig die eigene Gruppe aufzuwerten. Dabei ist die Intensität, mit der Abwertungen vorgetragen und Feindbilder tradiert werden, nicht immer gleich gewesen. Obwohl es im Fußball eine Abwertungstradition gibt, unterliegen Formen und Inhalte solcher Äußerungen gesellschaftlichen Entwicklungen, denen sich der Fußball nicht entziehen kann.
Das Fußballstadion als Ort devianter (von der Norm abweichender) Gruppen
Mit Hetzparolen, rechtsradikalen Spruchbändern und ausländerfeindlichen Gesängen eröffneten Skinheads aus Braunschweig am 04.08.1985 die Saison der 2. Fußball-Bundesliga in Osnabrück. Braunschweig und Osnabrück trennten sich 3:3 unentschieden. (© picture-alliance/dpa)
Noch bis in die späten 1980er- beziehungsweise Anfänge der 1990er-Jahre hinein waren die Fankurven der Fußballstadien Orte mit eigenen, zumeist proletarisch-männlich geprägten subkulturellen Wert- und Normsystemen. Dies wirkte sich in Kombination mit teils wenig einladenden Stadien auch auf die Attraktivität aus: Zuschauerschnitte zwischen 10.000 und 15.000 waren keine Seltenheit, manche Spiele der Bundesliga wurden nur von wenigen Tausend Zuschauern besucht. Daneben war das Interesse der Medien im Vergleich zu heute geringer: Live-Schaltungen wurden überwiegend im Radio gesendet und durch Spieltagszusammenfassungen im Fernsehen ergänzt. Fürtjes weist in diesem Kontext jedoch darauf hin, dass es – auf das gesamte Stadionpublikum bezogen – zu keiner Zeit eine proletarische Prägung der Fans gab, wenn die Sozialstruktur der Stadionbesucherinnen und -besucher mit der Struktur der Gesamtgesellschaft verglichen wird.
Doch gerade in den 1980er- und frühen 1990er-Jahren haftete den deutschen Fußballfans allerdings ein negatives, abweichendes Image an, was unter anderem an den damals dominanten Fankulturen lag. Nicht zuletzt trugen die Kuttenfans, die auch als Fußballproletarier galten und Gewalt gegenüber je nach Anlass nicht abgeneigt waren, sowie die erlebnisorientierten Hooligans maßgeblich dazu bei, das Stadion als Ort für abweichende Verhaltensweisen zu etablieren. Die Sicherheitskontrollen in den Stadien bewegten sich zudem auf einem wesentlich niedrigeren Niveau als heute. Ausschreitungen zwischen Zuschauenden waren zu dieser Zeit keine Seltenheit und fanden bereits im Stadion beziehungsweise in dessen direktem Umfeld statt, was in der heutigen Zeit aufgrund der ausgeprägten Überwachung, bei der Kameras sogar einzelne Personen im Fanblock identifizieren können, kaum mehr möglich ist.
Insbesondere in den 1980er-Jahren gab es darüber hinaus erhebliche rechtsextremistische Organisationsversuche in der Hooliganszene, die jedoch nicht dauerhaft und nur vereinzelt von Erfolg gekrönt waren Einige der Hooligangruppen aus dieser Zeit existieren auch heute noch und sind teilweise im Zusammenhang mit den HoGeSa-Demonstrationen aufgetreten.
Allerdings zeigten sich zahlreiche Fußballfans in dieser Zeit anfällig für Diskriminierungen und Feindseligkeiten. Rechte Symbolik, rassistische und andere menschenfeindliche Beleidigungen sowie ein martialisch-aggressives Männlichkeitsgebaren gehörten zum festen Bild des Fanblocks. Demokratischen, liberalen Fangruppen gelang es damals kaum, Einfluss auf die Fankurven zu nehmen. Nicht übersehen werden darf außerdem der Zeitgeist: Offene Diskriminierungen waren auch gesellschaftlich nicht in dem Maße geächtet und tabuisiert, wie das heute vermehrt der Fall ist. Da sich auch die Sportverbände in diesen Jahren verhältnismäßig wenig um das Thema kümmerten, war es denn nicht weiter verwunderlich, dass sich menschenfeindliche Abwertungen in den Stadien etablieren konnten. Schließlich nahm die Öffentlichkeit nur begrenzt Kenntnis von den Geschehnissen in den Fußballstadien, da das Interesse am Fußball sowie an seinen Fans noch nicht die heutigen Dimensionen erreicht hatte. Denn die Berichterstattung in den Medien damaliger Zeiten kann im Vergleich zur Berichterstattung im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert als überschaubar und entschleunigt eingestuft werden.
Gegen Ende der 1980er-Jahre und zu Beginn der 1990er-Jahre rückte jedoch die Diskussion über den diskriminierenden und rechtsextremen Charakter des Fußballs u.a. sowohl durch den in Deutschland um sich greifenden Hooliganismus als auch durch die Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in verschiedenen Städten der Bundesrepublik verbreitet auf die Tagesordnung der Sportart.
Der Wandel seit den 1990er-Jahren
1993: Fußballkinder der Eintracht aus Frankfurt unterstützen die Kampagne 'Mein Freund ist Ausländer'. (© imago/Claus Bergmann)
1992 reagierte der Deutsche Fußball-Bund e. V. (DFB) auf die rechtsextremen Pogrome in dieser Zeit und startete die Kampagne Externer Link: Friedlich miteinander – Mein Freund ist Ausländer. Am dritten Spieltag der Saison 2012/13 liefen in Gedenken an die Anschlagsserie zu Beginn der 1990er-Jahre erstmals seit 1992 alle Mannschaften der Bundesliga mit einem gemeinsamen Trikotdruck auf. Sie stellten damit den Bezug zur Aktion "Friedlich miteinander – Mein Freund ist Ausländer" her. Dieses Mal lautete die Aufschrift: "Geh Deinen Weg".
In diesen Zeitraum fiel ebenfalls die Erarbeitung des Nationalen Konzepts Sport und Sicherheit (NKSS) durch verschiedene Ministerien (z. B. Inneres, Frauen und Jugend) und Institutionen (z. B. DFB, Deutscher Sportbund) sowie die damit in Verbindung stehende Einrichtung von sozialpädagogischen Fanprojekten, die unter anderem mit dem Abbau extremistischer Orientierungen beauftragt wurden. Die Verabschiedung des NKSS geschah auch unter dem Eindruck der zuvor genannten rechtsextremistischen Mobilisierungsversuche in der Hooliganszene gepaart mit der Katastrophe im Brüsseler Heysel-Stadion 1985. Politik und Sport wurden sich übergreifend ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für den Fußball bewusst. Schon in den 1980er-Jahren wurden erste sozialwissenschaftlich begleitete sozialpädagogisch-professionelle Fanprojekte (zum Beispiel in Bremen, Bielefeld) gegründet, die wichtige Grundsteine für die Soziale Arbeit mit Fußballfans legten. Allerdings gelangen eine Institutionalisierung und breite Anerkennung von Fanprojekten erst mithilfe des NKSS.
QuellentextZiele der Arbeit von Fanprojekten
Eindämmung von Gewalt; Arbeit im Präventivbereich, z.B. Hinführung zu gewaltfreier Konfliktlösung im Rahmen von Selbstregulierungsmechanismen mit der Perspektive Gewaltverhinderung; Abbau extremistischer Orientierungen (Vorurteile; Feindbilder, Ausländerfeindlichkeit) sowie delinquenter oder Delinquenz begünstigender Verhaltensweisen;
Steigerung von Selbstwertgefühl und Verhaltenssicherheit bei jugendlichen Fußballanhängern; Stabilisierung von Gleichaltrigengruppen; Schaffung eines Klimas, in dem gesellschaftliche Institutionen zu mehr Engagement für Jugendliche bewegt werden können; Rückbindung jugendlicher Fußballanhänger an ihre Vereine.
Quelle: Arbeitsgruppe Nationales Konzept Sport und Sicherheit
Neben diesen institutionellen Bemühungen waren es vor allem die Fans selbst, die das Thema Diskriminierung problematisierten. Durch die Gründung von Bündnissen, wie zum Beispiel: Externer Link: Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF); Externer Link: Football Against Racism in Europe (FARE) sowie Fandachverbänden gelang es den Fans, sich als eine Stimme zu präsentieren und eigene Vorstellungen in die Debatte einzubringen. Die Beschäftigung mit Diskriminierungen stand ganz oben auf der Agenda. In einigen Stadien formierten sich beispielsweise "Fans gegen rechts" oder "Fans gegen Rassismus" und bezogen auf diesem Wege Stellung.
Am 22.10.05 wurde in Hannover zum Spiel gegen Werder Bremen die bis dahin in einem Bundesligastadion einmalige Bande mit der Aussage: "96-Fans gegen Rassismus" eingeweiht. (© imago/Eisenhuth)
Hinzu gesellten sich Verschiebungen in der Zusammensetzung des Stadionpublikums und damit einhergehend der Sozialstruktur, wodurch neue Norm- und Wertesysteme in die Stadien transportiert wurden. Fürtjes erklärt dies unter Rückgriff auf Ulrich Beck mit Veränderungen in der gesamten gesellschaftlichen Sozialstruktur. Die bis heute anhaltende gesellschaftliche Bildungsexpansion macht vor den Stadientoren nicht Halt, sondern schlägt sich auch in den Kurven und auf den Tribünen der Arenen nieder.
QuellentextVerbürgerlichung des Fußballpublikums
Beck (1986) spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Fahrstuhleffekt“. Aus struktursoziologischer Perspektive können vor allem die Prozesse der Tertiärisierung – ein Prozess, der die Veränderung der Produktionsstruktur von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft beschreibt und sowohl in England als auch in Deutschland bereits in den 1970er Jahren zu einer bürgerlich dominierten Berufsstruktur führte.
(Geißler, 2002; Lash & Urry, 1987) – die bis heute andauernde Bildungsexpansion und die kollektive Wohlstandssteigerung genannt werden. Als Wirkungsmechanismus zur Erklärung des sozialen Aufstiegs des Fußballpublikums fungiert daher die inter- und intragenerationelle soziale Aufstiegsmobilität in postmodernen Gesellschaften.
Das Mehr an statushöheren Fußballfans und das Weniger an unterklassigen Fußballfans erklärt sich folglich dadurch, dass zusätzlich zu den in mittleren und oberen Schichten sozialisierten Fußballfans viele derer, die heute im hochprofessionellen Dienstleistungssektor tätig sind und entsprechend über einen höheren Bildungsabschluss verfügen, noch in großen Teilen in Arbeiterhaushalten zum Fußball sozialisiert wurden und die Profiteure der voranschreitenden Bildungsexpansion waren. In der Verbürgerlichung des Fußballpublikums spiegelt sich sozusagen abbildhaft die Verbürgerlichung der Gesellschaft im Zuge des Wandels von der Industrie- zur postmodernen Gesellschaft wider.
Quelle: Oliver Fürtjes (2013, S. 35), Externer Link: Sport und Gesellschaft
In der Folge dieser Entwicklungen verloren sowohl die Hooligans als auch die Kutten ihre Vormachtstellung in den Fankurven. In dieses entstehende Vakuum stieß etwa Mitte/Ende der 1990er Jahre die Ultra-Bewegung und schickte sich an, die Kurven nachhaltig zu verändern.
Die Medien erkannten das Potenzial des Fußballs und leisteten mit einer Ausweitung ihrer Berichterstattungen in den 1990er-Jahren einen bemerkenswerten Beitrag zur Popularitätssteigerung sowie Verbreitung und Kommerzialisierung der Sportart. Nicht von ungefähr sind Fußball-Großereignisse wie die Welt- oder Europameisterschaften auch Medien-Großereignisse und werden entsprechend durch Medien vermarktet. Veranstaltungen wie das Public Viewing oder sogenanntes „Rudel-Gucken“ sind nicht zuletzt durch den bewusst konstruierten Event-Charakter auch für solche Menschen eine Attraktion, die mit Fußball sonst vielleicht keine Berührungspunkte besitzen. Wenngleich etwa Fürtjes zurecht darauf hinweist, dass die Medien in den 1990er Jahren das Expansionspotenzial genutzt haben, tragen sie umgekehrt gleichwohl auch zur Attraktivitätssteigerung und Aufwertung des Sports bei.
QuellentextErlebnisorientierung in der Gesellschaft
Die Medienunternehmen haben die TV-Rechte nicht erworben, um den Fußballsport in allen Schichten gesellschaftsfähig zu machen, sondern weil sie davon ausgehen konnten, dass der Fußball bereits auf eine breite gesellschaftliche Akzeptanz stieß und insofern mit entsprechend hohen Einschaltquoten zu rechnen war. Vor allem die Pay-TV-Sender in England und Deutschland betraten zu Beginn der 1990er Jahre den Fußballmarkt im Wissen um ein bereits vorhandenes zahlungskräftiges Klientel.
Allein diese skizzenhaften Anmerkungen machen deutlich, dass von einem umgekehrten Kausalitätszusammenhang ausgegangen werden muss. Da der Fußball schon immer auch in den wohlhabenden Schichten auf großes Interesse stieß, konnte sich die Vermarktungsdynamik und Mediatisierung des Fußballs überhaupt erst vollziehen.
Quelle: Oliver Fürtjes (2013, S. 48), Externer Link: Sport und Gesellschaft
Fussballpublikum in den 1990er Jahren (© imago/Norbert Schmidt)
Parallel dazu bekam der deutsche Fußball durch große internationale Erfolge der Vereinsmannschaften und der Nationalelf sowie den Erhalt der Fußballweltmeisterschaft 2006 einen sportlichen Schub. Die Zuschauerzahlen stiegen an und explodierten zu Beginn des 21. Jahrhunderts regelrecht.
Die Öffentlichkeit begann sich vermehrt für Fußball zu interessieren bzw. begann, ihrem schon vorhandenen Interesse Ausdruck zu verleihen, indem sie die Spiele im Stadion verfolgten. Vielerorts wurden trist anmutende Betonschüsseln durch moderne, multifunktionale und vermarktungsgerechte Arenen ersetzt, aus denen ein nicht unerheblicher Teil der Stehplätze verschwand (z.B. indem die damals beliebten und günstigen „Stehplätze Gegengerade“ in lukrative Sitzplätze auf der Gegentribüne umgewandelt wurden) und die stattdessen Familienblöcke sowie umfangreiche Serviceangebote bereithielten.
Das Fußballstadion war damit nicht länger Ort jugendkultureller Begegnungen und abweichender Verhaltensweisen, sondern sprach fortan vielfältige Bevölkerungsschichten und gesellschaftliche Gruppen an. Der Fußball war nicht nur in der Mitte der Gesellschaft angekommen, der Stadionbesuch war zu einer attraktiven Freizeitgestaltung avanciert. Gleichfalls änderte sich das "Gesicht" vieler Mannschaften: Spieler mit Migrationshintergrund sind seit Jahren keine Seltenheit mehr, was auch die Zusammensetzung der deutschen Frauen-Nationalmannschaft und der deutschen Nationalmannschaft dokumentiert.
Vor diesem Hintergrund setzte sich bei Vereinen und Verbänden die Erkenntnis durch, dass Diskriminierungen und ein feindseliges Klima dieser Bedeutungsexpansion eher im Wege standen. Die ursprünglich von den Fans vorangetriebene Anti-Diskriminierungsarbeit wurde ein zentrales Ziel der verbandlichen Arbeit. Fanclubs, die sich z. B. für Belange homosexueller Fans stark machen, gibt es heute in vielen Städten, wenngleich sie nicht überall gleichermaßen anerkannt bzw. erfolgreich sind. Ebenso gibt es eine Professionalisierung in der Betreuung behinderter Fans, die mittlerweile in den Vereinen des Profifußballs eine ernstzunehmende Aufgabe darstellt (z. B. kümmern sich eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Ehrenamtliche als Behindertenbeauftragte der Vereine um die Belange gehandicapter Fans).
Fußball heute: Ein ambivalentes Bild
Mit Gründung der Anti-Diskriminierungs-AG versuchen Ultragruppen des SV Werder, ein breiteres Öffentlichkeitsbild zu schaffen und die Menschen für dieses schwierige Thema zu sensibilisieren. Dem vorangegangen war u.a. ein schwerer Überfall von rechten Hooligans auf Bremer Ultras 2007. (© imago/Schmidbauer)
Diese Darstellungen deuten darauf hin, dass sich die gesellschaftliche Bildungsexpansion (Erhöhung des Bildungsniveaus) ebenfalls im Fußballstadion vollzogen hat. Die aktiven Fankulturen des 21. Jahrhunderts unterscheiden sich in erheblichem Ausmaß von den oben skizzierten Fans der 1980er- und 1990er-Jahre.
Vor allen Dingen sind die Ultras zu nennen, die maßgeblich zu einer gemeinschaftlichen Politisierung und Aktivierung der Fußballfans beigetragen haben. (Sport-)Politische Positionen, die Verteidigung von Fanrechten und ein breites soziales Engagement sind Merkmale dieser Fankultur. Viele Gruppen wenden sich aktiv gegen Diskriminierungen und haben teilweise eigene Aktionsbündnisse gebildet. Nicht nur die Ultras, sondern auch Supporter-Klubs, Fandachverbände und Andere leisten einen wichtigen Beitrag auf diesem Feld. Ebenso sind Regulierungsmechanismen bei den Fans im Hinblick auf Diskriminierungen zu beobachten.
An verschiedenen Standorten wurden bereits mehrfach Personen, die diskriminierende Haltungen im Fanblock kundtaten oder der rechtsextremen Szene zuzuordnen waren, von anderen Fans des Stadions verwiesen. Dahinter verbirgt sich eine sehr aktuelle Botschaft: Derartige Regelverletzungen werden von vielen Zuschauern nicht mehr gewünscht. Stattdessen werden abweichende Vorgänge sowohl von den Fans als auch von der Öffentlichkeit aufgegriffen, thematisiert und gegebenenfalls skandalisiert.
Im Zuge der aktuellen Flüchtlingsdiskussion und des aufgeheizten Klimas haben sich Fangruppen verschiedener Vereine der Thematik angenommen und Stellung für ein offenes, demokratisches Klima gegenüber Zuwanderern bezogen. Neben Choreographien wurden Gelder gesammelt oder Fußballturniere gemeinsam mit Flüchtlingen durchgeführt (Externer Link: z. B. haben Fans von Borussia Dortmund ein Turnier organisiert). Die feindselige Rhetorik von HoGeSa ist offenbar vielfach nicht auf fruchtbaren Boden gefallen bzw. ist in der Fan-Öffentlichkeit kaum sichtbar (beispielsweise gibt es kaum Fahnen oder Solidaritätsbekundungen). Große Teile aktiver Fangruppen (zum Beispiel Ultras) distanzieren sich von Hogesa. Das ist ein gutes Signal, wenngleich die Gefahren einer verdeckten Agitation nicht unterschätzt werden dürfen, zumal auch junge Fans an den HoGeSa-Demonstrationen teilgenommen haben. Fußball und Gesellschaft sind gefordert, sich mit dem Phänomen zu befassen. Auch einige Vereine haben Externer Link: Flüchtlinge in ihr Stadion eingeladen, um ihnen den Besuch eines Fußballspiels und damit ein freudiges, alternatives Erlebnis in einer für sie krisenhaften Lebenslage zu ermöglichen.
Solidarität innerhalb von Fankurven kann zum Abbau von Diskriminierungen im Stadion beitragen: Zum Jubiläum des schwul-lesbischen Fanklubs "Meenzelmänner" verwandelten die Fans des FSV Mainz die Ränge des Fußballstadions in eine riesengroße Regenbogenfahne. (© imago/Eibner)
Dass Migranten, Frauen oder Homosexuelle heute vielerorts nicht mehr mit offenen, kollektiven Anfeindungen zu rechnen haben, ist nicht zuletzt auf die Bemühungen der aktiven Fans zurückzuführen. Kritisch begleitet wurde und wird diese Entwicklung durch die zuvor skizzierten sozialpädagogischen Fanprojekte, "weil sie seit Jahren die positiven Kräfte der Fankultur betonen und insbesondere die jüngeren Fans durch vielfältige kreative Aktivitäten im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung sensibilisieren".
Inspiriert durch diese Bemühungen intensivierten die Verbände und Vereine die Auseinandersetzung mit der Diskriminierungsproblematik – dafür ist ihnen trotz aller Kritik Respekt entgegen zu bringen. Gerade Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und jüngst Homophobie sind drei Phänomene, die sehr oft Bestandteil von Aufklärungskampagnen der Verbände und Vereine waren und sind. Ebenso wurden an vielen Standorten Stadionordnungen verabschiedet, die Diskriminierungen untersagen. Wobei fraglich ist, inwiefern Stadionordnungen einerseits bekannt sind und andererseits von Fans, die Feindseligkeiten offen vortragen, überhaupt geachtet werden .
Als Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass sich in den deutschen Bundesligastadien sehr viel zum Positiven gewendet hat und zumindest offene, kollektive Artikulationen von Diskriminierungen – dies zeigen auch eigene Daten zur Interaktion von Fußballfans an – weitestgehend nicht zum Standardrepertoire gehören. Wenn Diskriminierungen formuliert werden, handelt es sich überwiegend um individuelle Äußerungen von Einzelpersonen und Minderheiten.
Allerdings – und dies ist ein wesentlicher Unterschied – sagt all das wenig über die Existenz feindseliger Einstellungsmuster aus, die aus Gründen sozialer Erwünschtheit nicht in der Öffentlichkeit kundgetan werden. Aber schon dieser Umstand ist ein Fortschritt, denn er deutet die dürftige Akzeptanz von Diskriminierungen an. Zu diskriminierenden Einstellungen im Fußball gibt es kaum gesicherte empirische Daten, sodass Aussagen über die Ausprägung etc. spekulativ sind.
Die Liberalisierung der Stadionatmosphäre ist nur die eine Seite der Medaille. Dem entgegen steht das eingangs dargestellte bipolare Schema des Fußballspiels. Dieses den Fußball strukturierende Muster wird weiterhin eine prägende Bedeutung einnehmen. Die Differenzierung in eine Eigen- und eine Fremdgruppe ist grundlegend und funktional, denn je nach Spielsituation und -konstellation gehören Schmähungen des Gegners zu wirksamen und identitätsstiftenden Kommunikationsformen.
Die Spielsituation ist deshalb so bedeutsam, weil durch sie die Interaktion zwischen Spielfeld auf der einen und den Fans auf der anderen Seite beeinflusst wird. Zumeist in brisanten Momenten, zum Beispiel durch eine Schiedsrichterentscheidung oder ein Foulspiel ausgelöst, kommt diese Interaktion in Gang.
Hinzu gesellt sich die Spielkonstellation: Tradierte Rivalitäten zwischen Vereinen, die mitunter mythisch überhöht werden, vereinfachen die Herausschälung von Eigen- und Fremdgruppe. Zudem zeigt die Gewaltforschung, dass gerade einförmige, homogene Gruppen, die in den Fankurven zu finden sind, sich in hohem Maße abgrenzen. Gruppennormen können handlungsleitend werden und gesellschaftliche Normsysteme überlagern. Sind dann noch Mobilisierungsexperten mit anerkannter Autorität wie zum Beispiel die Vorsänger der Ultras vor Ort, kann die Stimmung eine negative Dynamik annehmen und heftigen Beleidigungen den Weg ebnen.
Fluchen, stampfen, trinken: Fußball als Ort, an dem der alltägliche, "ganze kleine Hass abgelassen werden kann".
(© picture alliance/fStop )
Das Klima kann als rau und feindselig eingestuft werden, wenn Akteure auf dem Feld oder die gegnerischen Fans in Form aggressiver Ausdrucksform kollektiv als "Hurensöhne" und "Arschlöcher" tituliert sowie geschlossen die Mittelfinger gezeigt werden oder das "Blut des Gegners" gefordert wird.
Pilz und seine Mitautoren sprechen von einer "Beschimpfungs- und Provokationskultur". Solche teils bedenklichen Ausfälle mit Hetzcharakter sind fester Bestandteil der Fankommunikation. und besitzen einen offenkundig sexistischen Unterton. Ob nun die Mütter der Adressaten der Beleidigung (meist gegnerische Fans oder ein Spieler) oder die Adressaten selbst herabgesetzt werden sollen, ist vor diesem Hintergrund zweitrangig.
Das Stadion stellt demnach immer noch – wenn auch nicht mehr in dem Maße wie vor 15 oder 20 Jahren – einen spezifischen Raum dar, in dem Beleidigungen bis zu einem bestimmten Grade unsanktioniert vorgebracht werden können. Im Übrigen sind diese Wogendynamiken und Kategorisierungen keinesfalls nur in den Fankurven zu finden: Wer den Blick über die Geraden schweifen lässt, wird auch dort empört aufspringende und aggressiv schimpfende Menschen finden. Der Unterschied ist die Gruppenkonstellation in den Fankurven, die Zuspitzungen und Radikalisierungsprozesse beschleunigen kann.
Außerdem lassen sich gegenwärtig in vereinzelten Fanszenen der oberen Ligen – nicht nur in der Bundesliga – Verflechtungen mit rechten Gruppen beziehungsweise zumindest unklare Haltungen gegenüber diesen beobachten. Ein derartiges Umfeld bietet Diskriminierungen natürlich einen Resonanzboden. In diesem Zusammenhang kommt es an einigen Fußball-Standorten seit Jahren zu Konflikten zwischen rechten und linken Fangruppen, teilweise unter Einbezug alter Hooligangruppen. Ein Teil der Konflikte, bei denen es um die politische Deutungshoheit im Stadion bzw. in der Fankurve geht, ist von gewalthaltigen Auseinandersetzungen der verfeindeten Gruppen begleitet worden. Diese Verbindungen werden vom Fußballumfeld aber nicht unkommentiert hingenommen, sondern sind Bestandteile öffentlicher Diskussionen.
Problematisch gestaltet sich in diesem Kontext ferner die "männerdominierte […] Milieukultur inklusive überhöhter Männlichkeitsideale" , die sich ebenfalls überliefert hat und auch bei den modernen Fanszenen wie den Ultras deutlich zutage tritt. So mutet der dunkle Klamottenchic gepaart mit der Erstürmung der Zäune oder dem auch bei Minusgraden vorgenommenen Entblößen der Oberkörper martialisch und animalisch an. In diesen mehr oder weniger exklusiv maskulinen Handlungen werden Gleichsetzungen von Kraft, Aggressivität und Männlichkeit sichtbar.
In solchen Ausdrucksformen wird zusätzlich eine Geschlechterhierarchie in der Interaktion evident, in der das weibliche Geschlecht eher eine untergeordnete Rolle spielt. Dies schlägt sich auch in der Interaktionsstruktur nieder. Die Gesänge werden i. d. R. von Männern „gemacht“. Die Vorsänger der Ultras sind nach eigenem Kenntnisstand durchweg Männer und sie geben vor, welche Artikulationen akzeptabel sind und welche nicht. Die Interaktionsdominanz in den Fankurven ist somit eine männliche Dominanz.
Solche Muster dienen – wenngleich Frauen im Ergebnis der Forschungserkenntnisse des Autorsvon den genannten Huren-/Hurensohn-Gesängen absehend, selten kollektiven Feindseligkeiten ausgesetzt sind – eher einer Abgrenzung denn einer Integration von Menschen anderen Geschlechts, anderer geschlechtlicher Orientierung oder anderen Männlichkeitsentwürfen. Diese Überbetonung einer martialisch-aggressiven Männlichkeit kann daher zu latenten Diskriminierungen homosexueller Fans und Frauen führen, indem von diesem Typus abweichende Fanidentitäten mehr oder weniger bewusst marginalisiert werden. Darüber hinaus zeigen eigene Daten, dass manche Gruppen, auch Ultragruppen, exklusiv männlich sind bzw. sich schwer tun, dem weiblichen Geschlecht Zugang zur Gruppe zu gewähren. Denn auch die Homogenität des eigenen Geschlechts und der eigenen geschlechtlichen Orientierung verbinden – gegebenenfalls durch Ausgrenzung Anderer.
Die Problematik in den unteren Ligen
Die zunehmende Vermarktung sowie gesellschaftliche Integration des Fußballs hat neben anderen Entwicklungen für die Etablierung einer Kontrollkultur in den Stadien der Bundesligen gesorgt. Abweichendes Verhalten wird dort kaum noch geduldet und häufig von Gerichten oder den Vereinen mit teils drastischen Strafen wie Stadionverboten oder Zuschauerausschlüssen geahndet.
Daneben wird mittlerweile verstärkt auf Diskriminierungen geachtet, die in vielen Stadien nicht mehr ohne Sanktionsgefahr seitens anderer Fans oder der Sicherheitskräfte vorgetragen werden können. In den Ligen unterhalb der Bundesliga, hauptsächlich unterhalb der Profiligen, verhält sich die Situation anders. Die Sicherheitsvorkehrungen sind ebenso wie das gesellschaftliche Interesse geringer, sodass sich an einigen Standorten problematische Fanszenen etablieren konnten. An diesen Orten ist nicht zuletzt die soziale Kontrolle durch Mitfans schwächer ausgeprägt, was abweichende Verhaltensweisen begünstigt.
Die unteren Ligen, besonders die Amateurklassen, stellen daher im Vergleich zur Bundesliga ein ideales Rekrutierungsfeld für rechtsextreme Gruppierungen dar. Je tiefer die Liga, desto handfester wird das Konflikt- und Diskriminierungspotenzial. In den niedrigklassigen Amateurligen wie beispielsweise Kreis- oder Bezirksligen lässt sich sogar die in den Profiligen nur noch selten offen zutage tretende Ethnisierung von Rivalitäten und Konflikten beobachten: Betroffen sind keineswegs nur die Zuschauer, sondern auch die Spieler und Schiedsrichter, wie wir in Studien zu Sportgerichtsurteilen empirisch feststellen konnten.
Auch Thaya Vester berichtet im Rahmen einer jüngeren Studie über Gewaltvorkommnisse und Diskriminierungen im Amateurfußball. Dabei stellen die Schiedsrichter eine zentrale Opfergruppe dar. Zudem sind Konflikte häufig von fremdenfeindlichen oder rassistischen Beleidigungen begleitet, die eine Eskalation der Auseinandersetzung beschleunigen.
Kritische Distanz und notwendige Analysen
Eine männlich geprägte Milieukultur und das "Wir-und-Die Anderen" - Schema des Fussballs können Andockpunkte für menschenfeindliche Einstellungen bilden. (© imago/Action Pictures)
Wenngleich Diskriminierungen in Bundesligastadien heutzutage verhältnismäßig selten kollektiv geäußert werden, sich Fangruppen und Aktionsbündnisse dagegen engagieren, sind die vorgestellten Kommunikations- und Umgangsformen diskussionswürdig. Durch den rasanten gesellschaftlichen Aufstieg des Fußballs gepaart mit einer umfassenden medialen Berichterstattung sowie einer modernen Sicherheitsarchitektur ist das Stadion nicht mehr einfach ein Paralleluniversum mit subkulturellem Normen- und Wertesystem in den Fankurven. Im 21. Jahrhundert strömen wöchentlich Hunderttausende Fans in die deutschen Profistadien, der Stadionbesuch ist enorm attraktiv – gerade auch für junge Menschen.
Die Fanszenen, vor allem die Ultras, betreiben entsprechend gezielt Nachwuchsarbeit und übernehmen durch ihre hohe Attraktivität für junge Menschen eine wichtige Sozialisationsfunktion im Sinne einer Peer Group-Sozialisation. Dabei verlaufen Sozialisationsprozesse in Peer Groups nicht immer gesellschaftskonform, da es sich nicht um professionelle Sozialisationsinstanzen mit einem Erziehungsauftrag handelt. Risiken liegen etwa in der Überbetonung von Gruppennormen, wenn diese höher gewertet werden als gesellschaftlich anerkannte Regeln, und der De-Individualisierung, d. h. der Unterordnung des Einzelnen unter die Gruppe. Problematisch ist das immer dann, wenn sich eine Kultur der Abwertung in Fangruppen etabliert; Abwertungen und Beleidigungen also als etwas Selbstverständliches und dem Fußball zugehörig aufgefasst werden. Deshalb sind solche Gruppenlogiken und -dynamiken stets zu berücksichtigen, wenn über Diskriminierungen im Fußballfankontext gesprochen wird. .
Gesellschaftliche Normen und Werte werden auch im Fußballstadion ausgehandelt. Fußball lernt nicht nur von der Gesellschaft, er kann vielmehr selbst ein Vorbild für Gesellschaft sein. Insofern erscheint es legitim, grundlegende Fragen nach der Angemessenheit von Fankommunikation zu stellen: Welche Äußerungen sind noch akzeptabel, welche befeuern Ausgrenzungen und Feindseligkeit? Sind heftige Beleidigungen und Bedrohungen von Spielern, anderen Fans usw. hinnehmbar und mit der Struktur des Fußballs begründbar? Der Blick ist ebenfalls auf die Empfängerinnen und Empfänger zu richten: Wie gehen sie (z. B. Schiedsrichter) mit solchen Anfeindungen um?
Aufgrund seiner enormen Popularität ist der Fußball darüber hinaus anfällig für Unterwanderungsversuche rechtsextremer, gewaltbereiter Gruppen. Die HoGeSa-Bewegung knüpft unmittelbar an den Fußball an, Teile der Gruppe rekrutieren sich aus dem Fanumfeld. In Zeiten erheblicher gesellschaftlicher Konflikte etwa um Zuwanderungen oder islamistische Terroranschläge ist erhöhte Sensibilität von allen Akteurinnen und Akteuren für politische Mobilisierungsversuche gefragt.
Parallel dazu ist es ratsam, die eindimensionalen Schemata des Fußballs zu überdenken (zum Beispiel indem der Austausch zwischen Fangruppen sowie die Entwicklung einer bunten Fankultur gefördert werden), die nicht nur Abwertungen erleichtern, sondern Radikalisierungsprozesse beschleunigen können. Dies setzt den Fußball einer ständigen latenten Gefahr aus, "umzukippen". Starke Fanszenen und Fanprojekte sowie motivierte Vereine und Verbände sind deshalb wichtig – nicht zuletzt mit dem Fokus auf junge Fußballfans.
Im Hinblick auf Jugendliche zeigt die Forschung, dass abweichendes Verhalten normaler Bestandteil jugendlichen Aufwachsens ist; nur selten resultieren daraus tatsächlich stabile kriminelle Karrieren im Erwachsenenalter. Junge Menschen suchen Räume, in denen sie sich auch abseits gesellschaftlicher Vorgaben ausprobieren können. Jugendliches Aufwachsen vollständig zu regulieren und zu normieren, unterbindet letztlich eine autonome Entwicklung des Individuums. Notwendig sind deshalb in diesem Kontext eine gute Begleitung und Beratung, die Jugendliche aber auch eigene Erfahrungen sammeln lassen.
Besondere Aufmerksamkeit sollte ferner den Vorgängen im Amateurfußball geschenkt werden. Dort fehlen häufig die notwendigen Strukturen, um der Diskriminierungsproblematik beizukommen. Aufgrund der geringen medialen und gesellschaftlichen Beachtung besteht das Risiko, dass sich engagierte liberale, demokratische Fans beziehungsweise Fangruppen und Vereine alleingelassen fühlen. Es liegt auch an den Verbänden, den Unterbau des deutschen Fußballs nicht abdriften zu lassen. Die sogenannte „Zukunftsstrategie Amateurfußball“ des Deutschen Fußball-Bundes ist deshalb ein wichtiges Signal.
Um solche Fragen und Themen angemessen zu behandeln, ist überdies eine sozialwissenschaftliche Forschung notwendig, die empirisch und theoretisch gehaltvolle Untersuchungen zum Gegenstand "Fußball" vorlegt. An diesen Studien – vor allem im Hinblick auf Diskriminierung – mangelt es jedoch, sodass nur wenige schlüssige und fundierte Konzepte zur Beantwortung obiger und weiterer Fragen existieren.
Abschließend lässt sich festhalten, dass Ausgrenzung im Allgemeinen und Diskriminierungen im Speziellen im Bundesligafußball ein Thema waren, sind und bleiben. Allerdings haben sich Veränderungen ergeben und Gewichtungen verschoben. Es ist wichtig – nicht nur im Fußball –, ein aufmerksamer Beobachter von Interaktionsprozessen zu sein, auf Probleme hinzuweisen und diese klar zu benennen. Wenig hilfreich hingegen sind die stete Aktualisierung alter Forschungsergebnisse und überholter Zustände sowie die Generalisierung von Einzelfällen, um damit die Diskriminierungsanfälligkeit des Fußballs zu untermauern und Vorwürfe an Fußballfans zu legitimieren.
Wenn in manchen Medien zu lesen und zu hören ist, welche Diskriminierungen im Stadion zum Standardrepertoire gehören, dann wird dem Eindruck Vorschub geleistet, dass abweichendes Verhalten eine unveränderliche Konstante im Fußball ist. Dabei muss zur Kenntnis genommen werden, dass sich viel bewegt hat, angestoßen sowohl von den Fans selbst als auch von den Institutionen des Fußballs. Fruchtbare Debatten werden sonst ideologisch überlagert. Stattdessen laufen wir Gefahr, Mythen zu produzieren und zu nähren, deren empirischer Gehalt zweifelhaft ist. Der deutsche Fußball weist sicherlich in vielerlei Hinsicht traditionelle, teils antiquierte und vor allem überaus fragwürdige Strukturen und Umgangsformen auf. Zu begrüßen ist deshalb eine reflektierte, differenzierte Thematisierung, die von seriösen wissenschaftlichen Analysen begleitet wird.
Studien zeigen hingegen, dass diskriminierende Einstellungen in verschiedenen Bevölkerungsschichten durchaus vorhanden sind – wenngleich in unterschiedlichem Maße. So wies die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, im Frühjahr 2012 darauf hin, dass beispielsweise Rassismus nicht zu einem reinen Randphänomen verklärt werden sollte, da er auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft auftaucht.
Quelle: Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2012
Kontrahenten auf dem Platz. (© imago/MIS)
Der Wechsel des Schalker Torwarts Manuel Neuer zum FC Bayern löste bei den Fans beider Vereine starke Kritik aus. (© imago/Kolvenbach)
Mit Hetzparolen, rechtsradikalen Spruchbändern und ausländerfeindlichen Gesängen eröffneten Skinheads aus Braunschweig am 04.08.1985 die Saison der 2. Fußball-Bundesliga in Osnabrück. Braunschweig und Osnabrück trennten sich 3:3 unentschieden. (© picture-alliance/dpa)
1993: Fußballkinder der Eintracht aus Frankfurt unterstützen die Kampagne 'Mein Freund ist Ausländer'. (© imago/Claus Bergmann)
Eindämmung von Gewalt; Arbeit im Präventivbereich, z.B. Hinführung zu gewaltfreier Konfliktlösung im Rahmen von Selbstregulierungsmechanismen mit der Perspektive Gewaltverhinderung; Abbau extremistischer Orientierungen (Vorurteile; Feindbilder, Ausländerfeindlichkeit) sowie delinquenter oder Delinquenz begünstigender Verhaltensweisen;
Steigerung von Selbstwertgefühl und Verhaltenssicherheit bei jugendlichen Fußballanhängern; Stabilisierung von Gleichaltrigengruppen; Schaffung eines Klimas, in dem gesellschaftliche Institutionen zu mehr Engagement für Jugendliche bewegt werden können; Rückbindung jugendlicher Fußballanhänger an ihre Vereine.
Quelle: Arbeitsgruppe Nationales Konzept Sport und Sicherheit
Am 22.10.05 wurde in Hannover zum Spiel gegen Werder Bremen die bis dahin in einem Bundesligastadion einmalige Bande mit der Aussage: "96-Fans gegen Rassismus" eingeweiht. (© imago/Eisenhuth)
Beck (1986) spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Fahrstuhleffekt“. Aus struktursoziologischer Perspektive können vor allem die Prozesse der Tertiärisierung – ein Prozess, der die Veränderung der Produktionsstruktur von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft beschreibt und sowohl in England als auch in Deutschland bereits in den 1970er Jahren zu einer bürgerlich dominierten Berufsstruktur führte.
(Geißler, 2002; Lash & Urry, 1987) – die bis heute andauernde Bildungsexpansion und die kollektive Wohlstandssteigerung genannt werden. Als Wirkungsmechanismus zur Erklärung des sozialen Aufstiegs des Fußballpublikums fungiert daher die inter- und intragenerationelle soziale Aufstiegsmobilität in postmodernen Gesellschaften.
Das Mehr an statushöheren Fußballfans und das Weniger an unterklassigen Fußballfans erklärt sich folglich dadurch, dass zusätzlich zu den in mittleren und oberen Schichten sozialisierten Fußballfans viele derer, die heute im hochprofessionellen Dienstleistungssektor tätig sind und entsprechend über einen höheren Bildungsabschluss verfügen, noch in großen Teilen in Arbeiterhaushalten zum Fußball sozialisiert wurden und die Profiteure der voranschreitenden Bildungsexpansion waren. In der Verbürgerlichung des Fußballpublikums spiegelt sich sozusagen abbildhaft die Verbürgerlichung der Gesellschaft im Zuge des Wandels von der Industrie- zur postmodernen Gesellschaft wider.
Quelle: Oliver Fürtjes (2013, S. 35), Externer Link: Sport und Gesellschaft
Die Medienunternehmen haben die TV-Rechte nicht erworben, um den Fußballsport in allen Schichten gesellschaftsfähig zu machen, sondern weil sie davon ausgehen konnten, dass der Fußball bereits auf eine breite gesellschaftliche Akzeptanz stieß und insofern mit entsprechend hohen Einschaltquoten zu rechnen war. Vor allem die Pay-TV-Sender in England und Deutschland betraten zu Beginn der 1990er Jahre den Fußballmarkt im Wissen um ein bereits vorhandenes zahlungskräftiges Klientel.
Allein diese skizzenhaften Anmerkungen machen deutlich, dass von einem umgekehrten Kausalitätszusammenhang ausgegangen werden muss. Da der Fußball schon immer auch in den wohlhabenden Schichten auf großes Interesse stieß, konnte sich die Vermarktungsdynamik und Mediatisierung des Fußballs überhaupt erst vollziehen.
Quelle: Oliver Fürtjes (2013, S. 48), Externer Link: Sport und Gesellschaft
Fussballpublikum in den 1990er Jahren (© imago/Norbert Schmidt)
Mit Gründung der Anti-Diskriminierungs-AG versuchen Ultragruppen des SV Werder, ein breiteres Öffentlichkeitsbild zu schaffen und die Menschen für dieses schwierige Thema zu sensibilisieren. Dem vorangegangen war u.a. ein schwerer Überfall von rechten Hooligans auf Bremer Ultras 2007. (© imago/Schmidbauer)
Solidarität innerhalb von Fankurven kann zum Abbau von Diskriminierungen im Stadion beitragen: Zum Jubiläum des schwul-lesbischen Fanklubs "Meenzelmänner" verwandelten die Fans des FSV Mainz die Ränge des Fußballstadions in eine riesengroße Regenbogenfahne. (© imago/Eibner)
Fluchen, stampfen, trinken: Fußball als Ort, an dem der alltägliche, "ganze kleine Hass abgelassen werden kann".
(© picture alliance/fStop )
Eine männlich geprägte Milieukultur und das "Wir-und-Die Anderen" - Schema des Fussballs können Andockpunkte für menschenfeindliche Einstellungen bilden. (© imago/Action Pictures)
Quellen / Literatur
Materialien zum Thema
Interner Link: Broschüre der Koordinierungsstelle Fanprojekte: „Unsre Kurve: Kein Platz für Rassismus!“ Interner Link: Arbeitsgruppe Nationales Konzept Sport und Sicherheit (Ergebnisbericht Düsseldorf, Dezember 1992) Interner Link: DFB: "10-Punkte-Katalog gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" Interner Link: DFB: "Gegen Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Fußballstadien" Interner Link: Broschüre der Koordinierungsstelle Fanprojekte: „Unsre Kurve: Kein Platz für Rassismus!“ Interner Link: DFB-Informationsbroschüre: "Fussball und Homosexualität" Interner Link: Deutsches Jugendinstitut, Glaser/Elverich (Hg.): "Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im Fußball - Erfahrungen und Perspektiven der Prävention" Interner Link: Broschüre: "11 Fragen nach 90 Minuten“ zum ersten bundesweiten Kongress (2008): "Vereine stark machen – Was tun gegen Diskriminierung im Fußballverein?" Interner Link: Gunter A. Pilz: "Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung im Fußballumfeld – Herausforderungen für die Prävention" Interner Link: Tanja Walther: "Kick it Out – Homophobie im Fußball", hg.: European Gay and Lesbian Sport Federation (EGLSF) Interner Link: Michael Gabriel, Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS): "Eine Fankurve ohne Nazis und Rassisten – Möglichkeiten und Grenzen der sozialpädagogischen Fanprojekte" Interner Link: Berliner Fussball-Verband e.V (Hg.): "Rote Karte für Homophobie" (Leitfaden für Vereine im Berliner Fußball-Verband e.V.) Interner Link: Berliner Fussball-Verband e.V. (Hg.): "Rote Karte für Homophobie" (Leitfaden für Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen im Berliner Fußball-Verband e.V) Interner Link: Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) (Hg.): "Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball"
Initiativen und Netzwerke
Das Externer Link: Bündnis Aktiver Fußball-Fans (BAFF) ist ein seit 1993 bestehender vereinsübergreifender Zusammenschluss von über 200 Einzelmitgliedern und vielen Faninstitutionen (Inis, Mags, Projekte, Fanclubs, etc.). BAFF ist Teil des europäischen Netzwerks FARE (Football Against Racism in Europe), deren Fangruppen u.a. die „Mondiali Antirazzisti" in Italien oder die englische Video-Aktion „Show Racism the Red Card" organisieren. Externer Link: Am Ball bleiben – Fußball gegen Rassismus und Diskriminierung. Eine Initiative der Deutschen Sportjugend 2001 wurde die Ausstellung Externer Link: Tatort Stadion vom Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF) entwickelt und seitdem an fast zweihundert Orten gezeigt. Die Ausstellung leistete Pionierarbeit, indem sie Diskriminierung beim Fußball thematisierte. Externer Link: FARE: Fußball gegen Rassismus in Europa Externer Link: Flutlicht – Verein für antirassistische Fußballkultur 'Netz gegen Nazis': Externer Link: Verweise zu rechtsextremistischen Vorfällen u.ä. im Fußball Die Externer Link: Mondiali Antirazzisti, die antirassistische Fan-Weltmeisterschaft ist eine Veranstaltung, die 1997 vom Progetto Ultra-UISP Emilia Romagna in Zusammenarbeit mit Istoreco, dem Institut für die Geschichte des Widerstands der Reggio Emilia (gegen die nationalsozialistische Herrschaft in Italien) ins Leben gerufen wurde. Mit dem Slogan „Für Fußball – Gegen Rassismus und Diskriminierung“ hat sich die Externer Link: Bunte Kurve, eine Faninitiative im Umfeld der Vereine FC Sachsen und BSG Chemie Leipzig, der Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit verschrieben. Im Zentrum steht die fortführende Arbeit für Toleranz und gegen jegliche Form der Diskriminierung. Diese soll sich nicht nur auf die Leutzscher Vereine und Fußball beschränken, sondern auch außerhalb des Stadions integrativ wirken. Homophobie entgegenwirken möchte die Aktion Externer Link: Fussballfans gegen Homophobie (FfgH) Die Abteilung Aktive Fans des Fußballvereins Tennis Borussia Berlin schickt hierfür in Kooperation mit dem Projekt Soccer Sound des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg ein Banner auf die Reise zu Vereinen, in Fankurven und zu Fußballprojekten in ganz Deutschland. Externer Link: Queer Football Fanclubs (QFF)ist ein Netzwerk europäischer schwul-lesbischer Fußball Fanklubs, die zur Fußball Weltmeisterschaft 2006 von den schwul-lesbischen Fanklubs aus Berlin, Stuttgart und Dortmund gegründet wurde. Es werden jährlich zwei Konferenzen abgehalten. Die Vereinigung arbeitet unter anderem mit dem Bündnis aktiver Fußballfans, der FARE, der European Gay and Lesbian Federation und dem Deutschen Fußball Bund zusammen und ist Mitglied bei Football Supporters Europe (FSE). Externer Link: F_in Netzwerk Frauen im Fußballist ein internationaler Zusammenschluss von weiblichen Fans, Fanprojekt-Mitarbeiterinnen, Wissenschaftlerinnen und Journalistinnen, der sich auch gegen Sexismus und Diskriminierung im Fußball engagiert. Das Projekt Externer Link: Respect Gaymes wurde im Jahr 2005 ins Leben gerufen und dient der Begegnung zwischen homosexuellen und heterosexuellen Menschen, die sonst keinerlei Berührungspunkte haben. Das Ziel des Projekts ist es, Vorurteile abzubauen und Respekt und Toleranz zu fördern. Die erste Säule ist die Aufklärungsarbeit an Schulen und in Jugendzentren. Die zweite Säule ist das Sport- und Kulturevent Respect Gaymes. Zum Aufwärmen gibt es im Frühjahr die Respect Nights. Fachtage Externer Link: VEREINE STARK MACHEN – für Vielfalt im Fußball: Seit 2011 finden in regelmäßigem Abstand Fachtage statt, organisiert vom Berliner Fussball-Verband e.V., dem Bündnis für Demokratie und Toleranz, der Landeskommission Berlin gegen Gewalt und dem Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg. In verschiedenen Workshops geben Aktive und Fachleute u.a. Handlungsempfehlungen zu den Themen Homophobie im Fussball und Gewaltprävention. Die Externer Link: EGLSF - European Gay & Lesbian Sport Federation ist ein Verband, der offen für schwule, lesbische, heterosexuelle und gemischte Sportvereine und –organisationen eintritt. Zur Zeit vereint dieses Netzwerk mehr als 10.000 Mitglieder in über 100 Organisationen und Sportvereinen. Eine der zentralen Aufgaben der EGLSF ist die Vergabe der EuroGames, den europäischen LGBT Meisterschaften.
Materialien
Interner Link: Broschüre der Koordinierungsstelle Fanprojekte: „Unsre Kurve: Kein Platz für Rassismus!“ Interner Link: Arbeitsgruppe Nationales Konzept Sport und Sicherheit (Ergebnisbericht Düsseldorf, Dezember 1992) Interner Link: DFB: "10-Punkte-Katalog gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" Interner Link: DFB: "Gegen Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Fußballstadien" Interner Link: Broschüre der Koordinierungsstelle Fanprojekte: „Unsre Kurve: Kein Platz für Rassismus!“ Interner Link: DFB-Informationsbroschüre: "Fussball und Homosexualität" Interner Link: Deutsches Jugendinstitut, Glaser/Elverich (Hg.): "Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im Fußball - Erfahrungen und Perspektiven der Prävention" Interner Link: Broschüre: "11 Fragen nach 90 Minuten“ zum ersten bundesweiten Kongress (2008): "Vereine stark machen – Was tun gegen Diskriminierung im Fußballverein?" Interner Link: Gunter A. Pilz: "Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung im Fußballumfeld – Herausforderungen für die Prävention" Interner Link: Tanja Walther: "Kick it Out – Homophobie im Fußball", hg.: European Gay and Lesbian Sport Federation (EGLSF) Interner Link: Michael Gabriel, Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS): "Eine Fankurve ohne Nazis und Rassisten – Möglichkeiten und Grenzen der sozialpädagogischen Fanprojekte" Interner Link: Berliner Fussball-Verband e.V (Hg.): "Rote Karte für Homophobie" (Leitfaden für Vereine im Berliner Fußball-Verband e.V.) Interner Link: Berliner Fussball-Verband e.V. (Hg.): "Rote Karte für Homophobie" (Leitfaden für Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen im Berliner Fußball-Verband e.V) Interner Link: Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) (Hg.): "Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball"
Initiativen und Netzwerke
Das Externer Link: Bündnis Aktiver Fußball-Fans (BAFF) ist ein seit 1993 bestehender vereinsübergreifender Zusammenschluss von über 200 Einzelmitgliedern und vielen Faninstitutionen (Inis, Mags, Projekte, Fanclubs, etc.). BAFF ist Teil des europäischen Netzwerks FARE (Football Against Racism in Europe), deren Fangruppen u.a. die „Mondiali Antirazzisti" in Italien oder die englische Video-Aktion „Show Racism the Red Card" organisieren.
Externer Link: Am Ball bleiben – Fußball gegen Rassismus und Diskriminierung. Eine Initiative der Deutschen Sportjugend
2001 wurde die Ausstellung Externer Link: Tatort Stadion vom Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF) entwickelt und seitdem an fast zweihundert Orten gezeigt. Die Ausstellung leistete Pionierarbeit, indem sie Diskriminierung beim Fußball thematisierte.
Externer Link: FARE: Fußball gegen Rassismus in Europa
Externer Link: Flutlicht – Verein für antirassistische Fußballkultur
'Netz gegen Nazis': Externer Link: Verweise zu rechtsextremistischen Vorfällen u.ä. im Fußball
Die Externer Link: Mondiali Antirazzisti, die antirassistische Fan-Weltmeisterschaft ist eine Veranstaltung, die 1997 vom Progetto Ultra-UISP Emilia Romagna in Zusammenarbeit mit Istoreco, dem Institut für die Geschichte des Widerstands der Reggio Emilia (gegen die nationalsozialistische Herrschaft in Italien) ins Leben gerufen wurde.
Mit dem Slogan „Für Fußball – Gegen Rassismus und Diskriminierung“ hat sich die Externer Link: Bunte Kurve, eine Faninitiative im Umfeld der Vereine FC Sachsen und BSG Chemie Leipzig, der Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit verschrieben. Im Zentrum steht die fortführende Arbeit für Toleranz und gegen jegliche Form der Diskriminierung. Diese soll sich nicht nur auf die Leutzscher Vereine und Fußball beschränken, sondern auch außerhalb des Stadions integrativ wirken.
Homophobie entgegenwirken möchte die Aktion Externer Link: Fussballfans gegen Homophobie (FfgH) Die Abteilung Aktive Fans des Fußballvereins Tennis Borussia Berlin schickt hierfür in Kooperation mit dem Projekt Soccer Sound des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg ein Banner auf die Reise zu Vereinen, in Fankurven und zu Fußballprojekten in ganz Deutschland.
Externer Link: Queer Football Fanclubs (QFF)ist ein Netzwerk europäischer schwul-lesbischer Fußball Fanklubs, die zur Fußball Weltmeisterschaft 2006 von den schwul-lesbischen Fanklubs aus Berlin, Stuttgart und Dortmund gegründet wurde. Es werden jährlich zwei Konferenzen abgehalten. Die Vereinigung arbeitet unter anderem mit dem Bündnis aktiver Fußballfans, der FARE, der European Gay and Lesbian Federation und dem Deutschen Fußball Bund zusammen und ist Mitglied bei Football Supporters Europe (FSE).
Externer Link: F_in Netzwerk Frauen im Fußballist ein internationaler Zusammenschluss von weiblichen Fans, Fanprojekt-Mitarbeiterinnen, Wissenschaftlerinnen und Journalistinnen, der sich auch gegen Sexismus und Diskriminierung im Fußball engagiert.
Das Projekt Externer Link: Respect Gaymes wurde im Jahr 2005 ins Leben gerufen und dient der Begegnung zwischen homosexuellen und heterosexuellen Menschen, die sonst keinerlei Berührungspunkte haben. Das Ziel des Projekts ist es, Vorurteile abzubauen und Respekt und Toleranz zu fördern. Die erste Säule ist die Aufklärungsarbeit an Schulen und in Jugendzentren. Die zweite Säule ist das Sport- und Kulturevent Respect Gaymes. Zum Aufwärmen gibt es im Frühjahr die Respect Nights.
Fachtage Externer Link: VEREINE STARK MACHEN – für Vielfalt im Fußball: Seit 2011 finden in regelmäßigem Abstand Fachtage statt, organisiert vom Berliner Fussball-Verband e.V., dem Bündnis für Demokratie und Toleranz, der Landeskommission Berlin gegen Gewalt und dem Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg. In verschiedenen Workshops geben Aktive und Fachleute u.a. Handlungsempfehlungen zu den Themen Homophobie im Fussball und Gewaltprävention.
Die Externer Link: EGLSF - European Gay & Lesbian Sport Federation ist ein Verband, der offen für schwule, lesbische, heterosexuelle und gemischte Sportvereine und –organisationen eintritt. Zur Zeit vereint dieses Netzwerk mehr als 10.000 Mitglieder in über 100 Organisationen und Sportvereinen. Eine der zentralen Aufgaben der EGLSF ist die Vergabe der EuroGames, den europäischen LGBT Meisterschaften.
Literatur
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Beck, Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main
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Bourdieu, Pierre (2005): Was heißt sprechen? Zur Ökonomie des sprachlichen Tauschs. Wien
Connell, Robert W. (2006): Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten. 3. Aufl., Wiesbaden
Degele, Nina (2013): Fußball verbindet – durch Ausgrenzung. Wiesbaden
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Durkheim, Emile (1981): Die elementaren Formen des religiösen Lebens. Frankfurt am Main
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Gabriel, Michael (2008): Eine Fankurve ohne Nazis und Rassisten – Möglichkeiten und Grenzen der sozialpädagogischen Fan-Projekte. In: Glaser, Michaela/Elverich, Gabi (Hrsg.): Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im Fußball. Halle, S. 35 - 52
Gabriel, Michael/Wagner, Gerd (2012): Eine Fankurve ohne Nazis und Rassisten – Möglichkeiten und Grenzen der sozialpädagogischen Fanprojekte. In: Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) bei der Deutschen Sportjugend/Interkultureller Rat in Deutschland e. V. (Hrsg.): Unsre Kurve – kein Platz für Rassismus. Die Arbeit der Fanprojekte gegen Rassismus. Frankfurt am Main/Darmstadt, S. 6 - 11
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Heitmeyer, Wilhelm (2008): Die Ideologie der Ungleichwertigkeit. Der Kern der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. In: ders. (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 6, Frankfurt am Main, S. 36 - 44
Heitmeyer, Wilhelm (2010): Deutsche Zustände. Folge 19. Frankfurt am Main
Heitmeyer, Wilhelm (2012): Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF) in einem entsicherten Jahrzehnt. In: ders. (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 10, Frankfurt am Main, S. 15 - 41
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Mikos, Lothar (2009): Fernsehsport zwischen Repräsentation und Inszenierung – Das Beispiel. In: Willems, Herbert (Hrsg.): Theatralisierung der Gesellschaft. Band 2: Medientheatralität und Medientheatralisierung. Wiesbaden, S. 137 - 156
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Externer Link: Pilz, Gunter A./Behn, Sabine/Harzer, Erika/Lynen von Berg, Heinz/Selmer, Nicole (2009): Rechtsextremismus im Sport in Deutschland und im internationalen Vergleich. Köln
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Zick, Andreas (2005): Die Konflikttheorie der Theorie der sozialen Identität. 3. Aufl. In: Bonacker, Torsten (Hrsg.): Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien. Eine Einführung. Wiesbaden, S. 409 - 426
Zick, Andreas (2010): Achtung Menschenfeindlichkeit – Vorurteile innerhalb und außerhalb der Sportplätze. In: Ribler, Angelika/Pulter, Astrid (Hrsg.): Konfliktmanagement im Fußball. Frankfurt am Main, S. 19 - 24
Zick, Andreas/Hövermann, Andreas/Müller, Michael (2010a): Der Özil-Effekt. Eine Studie zu den Einstellungen der Deutschen zur kulturellen Vielfalt, Afrika und zur nationalen Identität rund um die WM 2010 URL: Externer Link: http://www.uni-bielefeld.de/ikg/zick/WM_Studie_Zick%20et%20al%20_2010__Bericht_.pdf (Zugriff am 23.08.2012)
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Zick, Andreas/Hövermann, Andreas/Krause, Daniela (2012): Die Abwertung von Ungleichwertigen. Erklärung und Prüfung eines erweiterten Syndroms der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. In: Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 10, Frankfurt am Main, S. 64 - 86 Zinn, Alexander (2005): Szenarien der Homophobie. Apologeten und Vollstrecker. In: Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 3, Frankfurt am Main, S. 207 - 219
Zwanziger, Theo (2006): Chancen und Grenzen der Integration im Fußball. In: Forum Migration, 4: S. 4
Materialien zum Thema
Interner Link: Broschüre der Koordinierungsstelle Fanprojekte: „Unsre Kurve: Kein Platz für Rassismus!“ Interner Link: Arbeitsgruppe Nationales Konzept Sport und Sicherheit (Ergebnisbericht Düsseldorf, Dezember 1992) Interner Link: DFB: "10-Punkte-Katalog gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" Interner Link: DFB: "Gegen Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Fußballstadien" Interner Link: Broschüre der Koordinierungsstelle Fanprojekte: „Unsre Kurve: Kein Platz für Rassismus!“ Interner Link: DFB-Informationsbroschüre: "Fussball und Homosexualität" Interner Link: Deutsches Jugendinstitut, Glaser/Elverich (Hg.): "Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im Fußball - Erfahrungen und Perspektiven der Prävention" Interner Link: Broschüre: "11 Fragen nach 90 Minuten“ zum ersten bundesweiten Kongress (2008): "Vereine stark machen – Was tun gegen Diskriminierung im Fußballverein?" Interner Link: Gunter A. Pilz: "Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung im Fußballumfeld – Herausforderungen für die Prävention" Interner Link: Tanja Walther: "Kick it Out – Homophobie im Fußball", hg.: European Gay and Lesbian Sport Federation (EGLSF) Interner Link: Michael Gabriel, Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS): "Eine Fankurve ohne Nazis und Rassisten – Möglichkeiten und Grenzen der sozialpädagogischen Fanprojekte" Interner Link: Berliner Fussball-Verband e.V (Hg.): "Rote Karte für Homophobie" (Leitfaden für Vereine im Berliner Fußball-Verband e.V.) Interner Link: Berliner Fussball-Verband e.V. (Hg.): "Rote Karte für Homophobie" (Leitfaden für Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen im Berliner Fußball-Verband e.V) Interner Link: Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) (Hg.): "Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball"
Initiativen und Netzwerke
Das Externer Link: Bündnis Aktiver Fußball-Fans (BAFF) ist ein seit 1993 bestehender vereinsübergreifender Zusammenschluss von über 200 Einzelmitgliedern und vielen Faninstitutionen (Inis, Mags, Projekte, Fanclubs, etc.). BAFF ist Teil des europäischen Netzwerks FARE (Football Against Racism in Europe), deren Fangruppen u.a. die „Mondiali Antirazzisti" in Italien oder die englische Video-Aktion „Show Racism the Red Card" organisieren. Externer Link: Am Ball bleiben – Fußball gegen Rassismus und Diskriminierung. Eine Initiative der Deutschen Sportjugend 2001 wurde die Ausstellung Externer Link: Tatort Stadion vom Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF) entwickelt und seitdem an fast zweihundert Orten gezeigt. Die Ausstellung leistete Pionierarbeit, indem sie Diskriminierung beim Fußball thematisierte. Externer Link: FARE: Fußball gegen Rassismus in Europa Externer Link: Flutlicht – Verein für antirassistische Fußballkultur 'Netz gegen Nazis': Externer Link: Verweise zu rechtsextremistischen Vorfällen u.ä. im Fußball Die Externer Link: Mondiali Antirazzisti, die antirassistische Fan-Weltmeisterschaft ist eine Veranstaltung, die 1997 vom Progetto Ultra-UISP Emilia Romagna in Zusammenarbeit mit Istoreco, dem Institut für die Geschichte des Widerstands der Reggio Emilia (gegen die nationalsozialistische Herrschaft in Italien) ins Leben gerufen wurde. Mit dem Slogan „Für Fußball – Gegen Rassismus und Diskriminierung“ hat sich die Externer Link: Bunte Kurve, eine Faninitiative im Umfeld der Vereine FC Sachsen und BSG Chemie Leipzig, der Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit verschrieben. Im Zentrum steht die fortführende Arbeit für Toleranz und gegen jegliche Form der Diskriminierung. Diese soll sich nicht nur auf die Leutzscher Vereine und Fußball beschränken, sondern auch außerhalb des Stadions integrativ wirken. Homophobie entgegenwirken möchte die Aktion Externer Link: Fussballfans gegen Homophobie (FfgH) Die Abteilung Aktive Fans des Fußballvereins Tennis Borussia Berlin schickt hierfür in Kooperation mit dem Projekt Soccer Sound des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg ein Banner auf die Reise zu Vereinen, in Fankurven und zu Fußballprojekten in ganz Deutschland. Externer Link: Queer Football Fanclubs (QFF)ist ein Netzwerk europäischer schwul-lesbischer Fußball Fanklubs, die zur Fußball Weltmeisterschaft 2006 von den schwul-lesbischen Fanklubs aus Berlin, Stuttgart und Dortmund gegründet wurde. Es werden jährlich zwei Konferenzen abgehalten. Die Vereinigung arbeitet unter anderem mit dem Bündnis aktiver Fußballfans, der FARE, der European Gay and Lesbian Federation und dem Deutschen Fußball Bund zusammen und ist Mitglied bei Football Supporters Europe (FSE). Externer Link: F_in Netzwerk Frauen im Fußballist ein internationaler Zusammenschluss von weiblichen Fans, Fanprojekt-Mitarbeiterinnen, Wissenschaftlerinnen und Journalistinnen, der sich auch gegen Sexismus und Diskriminierung im Fußball engagiert. Das Projekt Externer Link: Respect Gaymes wurde im Jahr 2005 ins Leben gerufen und dient der Begegnung zwischen homosexuellen und heterosexuellen Menschen, die sonst keinerlei Berührungspunkte haben. Das Ziel des Projekts ist es, Vorurteile abzubauen und Respekt und Toleranz zu fördern. Die erste Säule ist die Aufklärungsarbeit an Schulen und in Jugendzentren. Die zweite Säule ist das Sport- und Kulturevent Respect Gaymes. Zum Aufwärmen gibt es im Frühjahr die Respect Nights. Fachtage Externer Link: VEREINE STARK MACHEN – für Vielfalt im Fußball: Seit 2011 finden in regelmäßigem Abstand Fachtage statt, organisiert vom Berliner Fussball-Verband e.V., dem Bündnis für Demokratie und Toleranz, der Landeskommission Berlin gegen Gewalt und dem Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg. In verschiedenen Workshops geben Aktive und Fachleute u.a. Handlungsempfehlungen zu den Themen Homophobie im Fussball und Gewaltprävention. Die Externer Link: EGLSF - European Gay & Lesbian Sport Federation ist ein Verband, der offen für schwule, lesbische, heterosexuelle und gemischte Sportvereine und –organisationen eintritt. Zur Zeit vereint dieses Netzwerk mehr als 10.000 Mitglieder in über 100 Organisationen und Sportvereinen. Eine der zentralen Aufgaben der EGLSF ist die Vergabe der EuroGames, den europäischen LGBT Meisterschaften.
Materialien
Interner Link: Broschüre der Koordinierungsstelle Fanprojekte: „Unsre Kurve: Kein Platz für Rassismus!“ Interner Link: Arbeitsgruppe Nationales Konzept Sport und Sicherheit (Ergebnisbericht Düsseldorf, Dezember 1992) Interner Link: DFB: "10-Punkte-Katalog gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" Interner Link: DFB: "Gegen Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Fußballstadien" Interner Link: Broschüre der Koordinierungsstelle Fanprojekte: „Unsre Kurve: Kein Platz für Rassismus!“ Interner Link: DFB-Informationsbroschüre: "Fussball und Homosexualität" Interner Link: Deutsches Jugendinstitut, Glaser/Elverich (Hg.): "Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im Fußball - Erfahrungen und Perspektiven der Prävention" Interner Link: Broschüre: "11 Fragen nach 90 Minuten“ zum ersten bundesweiten Kongress (2008): "Vereine stark machen – Was tun gegen Diskriminierung im Fußballverein?" Interner Link: Gunter A. Pilz: "Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung im Fußballumfeld – Herausforderungen für die Prävention" Interner Link: Tanja Walther: "Kick it Out – Homophobie im Fußball", hg.: European Gay and Lesbian Sport Federation (EGLSF) Interner Link: Michael Gabriel, Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS): "Eine Fankurve ohne Nazis und Rassisten – Möglichkeiten und Grenzen der sozialpädagogischen Fanprojekte" Interner Link: Berliner Fussball-Verband e.V (Hg.): "Rote Karte für Homophobie" (Leitfaden für Vereine im Berliner Fußball-Verband e.V.) Interner Link: Berliner Fussball-Verband e.V. (Hg.): "Rote Karte für Homophobie" (Leitfaden für Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen im Berliner Fußball-Verband e.V) Interner Link: Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) (Hg.): "Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball"
Initiativen und Netzwerke
Das Externer Link: Bündnis Aktiver Fußball-Fans (BAFF) ist ein seit 1993 bestehender vereinsübergreifender Zusammenschluss von über 200 Einzelmitgliedern und vielen Faninstitutionen (Inis, Mags, Projekte, Fanclubs, etc.). BAFF ist Teil des europäischen Netzwerks FARE (Football Against Racism in Europe), deren Fangruppen u.a. die „Mondiali Antirazzisti" in Italien oder die englische Video-Aktion „Show Racism the Red Card" organisieren.
Externer Link: Am Ball bleiben – Fußball gegen Rassismus und Diskriminierung. Eine Initiative der Deutschen Sportjugend
2001 wurde die Ausstellung Externer Link: Tatort Stadion vom Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF) entwickelt und seitdem an fast zweihundert Orten gezeigt. Die Ausstellung leistete Pionierarbeit, indem sie Diskriminierung beim Fußball thematisierte.
Externer Link: FARE: Fußball gegen Rassismus in Europa
Externer Link: Flutlicht – Verein für antirassistische Fußballkultur
'Netz gegen Nazis': Externer Link: Verweise zu rechtsextremistischen Vorfällen u.ä. im Fußball
Die Externer Link: Mondiali Antirazzisti, die antirassistische Fan-Weltmeisterschaft ist eine Veranstaltung, die 1997 vom Progetto Ultra-UISP Emilia Romagna in Zusammenarbeit mit Istoreco, dem Institut für die Geschichte des Widerstands der Reggio Emilia (gegen die nationalsozialistische Herrschaft in Italien) ins Leben gerufen wurde.
Mit dem Slogan „Für Fußball – Gegen Rassismus und Diskriminierung“ hat sich die Externer Link: Bunte Kurve, eine Faninitiative im Umfeld der Vereine FC Sachsen und BSG Chemie Leipzig, der Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit verschrieben. Im Zentrum steht die fortführende Arbeit für Toleranz und gegen jegliche Form der Diskriminierung. Diese soll sich nicht nur auf die Leutzscher Vereine und Fußball beschränken, sondern auch außerhalb des Stadions integrativ wirken.
Homophobie entgegenwirken möchte die Aktion Externer Link: Fussballfans gegen Homophobie (FfgH) Die Abteilung Aktive Fans des Fußballvereins Tennis Borussia Berlin schickt hierfür in Kooperation mit dem Projekt Soccer Sound des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg ein Banner auf die Reise zu Vereinen, in Fankurven und zu Fußballprojekten in ganz Deutschland.
Externer Link: Queer Football Fanclubs (QFF)ist ein Netzwerk europäischer schwul-lesbischer Fußball Fanklubs, die zur Fußball Weltmeisterschaft 2006 von den schwul-lesbischen Fanklubs aus Berlin, Stuttgart und Dortmund gegründet wurde. Es werden jährlich zwei Konferenzen abgehalten. Die Vereinigung arbeitet unter anderem mit dem Bündnis aktiver Fußballfans, der FARE, der European Gay and Lesbian Federation und dem Deutschen Fußball Bund zusammen und ist Mitglied bei Football Supporters Europe (FSE).
Externer Link: F_in Netzwerk Frauen im Fußballist ein internationaler Zusammenschluss von weiblichen Fans, Fanprojekt-Mitarbeiterinnen, Wissenschaftlerinnen und Journalistinnen, der sich auch gegen Sexismus und Diskriminierung im Fußball engagiert.
Das Projekt Externer Link: Respect Gaymes wurde im Jahr 2005 ins Leben gerufen und dient der Begegnung zwischen homosexuellen und heterosexuellen Menschen, die sonst keinerlei Berührungspunkte haben. Das Ziel des Projekts ist es, Vorurteile abzubauen und Respekt und Toleranz zu fördern. Die erste Säule ist die Aufklärungsarbeit an Schulen und in Jugendzentren. Die zweite Säule ist das Sport- und Kulturevent Respect Gaymes. Zum Aufwärmen gibt es im Frühjahr die Respect Nights.
Fachtage Externer Link: VEREINE STARK MACHEN – für Vielfalt im Fußball: Seit 2011 finden in regelmäßigem Abstand Fachtage statt, organisiert vom Berliner Fussball-Verband e.V., dem Bündnis für Demokratie und Toleranz, der Landeskommission Berlin gegen Gewalt und dem Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg. In verschiedenen Workshops geben Aktive und Fachleute u.a. Handlungsempfehlungen zu den Themen Homophobie im Fussball und Gewaltprävention.
Die Externer Link: EGLSF - European Gay & Lesbian Sport Federation ist ein Verband, der offen für schwule, lesbische, heterosexuelle und gemischte Sportvereine und –organisationen eintritt. Zur Zeit vereint dieses Netzwerk mehr als 10.000 Mitglieder in über 100 Organisationen und Sportvereinen. Eine der zentralen Aufgaben der EGLSF ist die Vergabe der EuroGames, den europäischen LGBT Meisterschaften.
Literatur
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Zwanziger, Theo (2006): Chancen und Grenzen der Integration im Fußball. In: Forum Migration, 4: S. 4
vgl. Kämper 1999, S. 666
Diese sehr umfassende Diskriminierungs-Typologie geht auf die Bielefelder Längsschnitt-Studie zur "Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit" zurück, in deren Rahmen die Abwertung von schwachen Gruppen empirisch untersucht und Zusammenhänge zwischen den einzelnen Abwertungselementen aufgezeigt wurden (vgl. Heitmeyer 2005, S. 18; Zick et al.u. a. 2012, S. 65 ff.). Die theoretische Basis der Studie bildet die Ideologie der Ungleichwertigkeit (vgl. Heitmeyer 2008).
vgl. Heitmeyer 2008
ebd. 2008, S. 38 und 41 ff.
Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt gesetzlicher Regelungen. In den einzelnen Bundesländern gibt es z. B. zum Beispiel Landesgleichstellungsgesetze. Handlungsleitend für diese Gesetze ist der Artikel 3 des Grundgesetzes.
siehe dazu zum Beispiel Zinn 2005, S. 207. Prominente Beispiele sind der derzeitige verstorbene ehemalige Bundesaußenminister Guido Westerwelle oder der Vorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir.
vgl. zum Beispiel Gomolla/Radtke 2009
zum Beispiel Heitmeyer 2010
vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2012
Externer Link: vgl. tagesschau.de 2016
vgl. Heitmeyer u a. 2010
vgl. Pilz u. a. 2006, S. 135 ff.; Winands 2015a, S. 221ff.
Vgl. dazu Interner Link: Zick in diesem Dossier
vgl. Winands 2015a, S. 128ff.
Vgl. Tajfel/Turner 1986; Zick 2005
Vgl. Heitmeyer u. a., 2010, S. 160
Ein exakter Zeitpunkt lässt sich kaum bestimmen.
Subkultur bezeichnet die sozialen, kulturellen etc. Eigenarten bestimmter gesellschaftlicher (Sub- oder Teil-)Gruppen, wie sie je nach Geschlechts-, Alters-, Berufs-, ethnischer, religiöser oder sozialer Zugehörigkeit gesucht werden. Die Ausbildung von neuen (und ggf. die Auflösung alter) Subkulturen ist charakteristisch für moderne pluralistische Gesellschaften.
Vgl. Becker/Pilz 1988, S. 33 ff.; Farin 2006, S. 136; Heitmeyer/Peter 1988
Die Internetseite Externer Link: www.weltfussball.de bietet einen Überblick über den Zuschauerzuspruch bei Einzelspielen sowie über die durchschnittlichen Zuschauerzahlen der einzelnen Spielzeiten der Fußballbundesliga.
Im Jahr 1991 nahm der Bezahlsender Premiere die wöchentliche Live-Berichterstattung eines Spiels der Fußballbundesliga auf.
Externer Link: vgl. Fürtjes, Gentrifizierung des Stadionpublikums seit den 1990er Jahren? Fußball und der Mythos vom Proletariersport (2013)
Vgl. Pilz 2005, S. 6; Gabriel 2008, S. 38
Vgl. Pilz 2005, S. 6 f.; Heitmeyer/Peter 1988, S. 30 ff.
Vgl. Heitmeyer/Peter 1988, S. 86; Heitmeyer u. a. 2010, S. 160; Gabriel 2008, S. 41
Vgl. Gabriel 2008, S. 40 ff.
Vgl. Zwanziger 2006
Vgl. Deutsche Sportjugend 1992
Im Rahmen des Endspiels um den Europapokal der Landesmeister 1985 im Brüsseler Heysel-Stadion (heute: König Baudouin-Stadion) zwischen Liverpool und Juventus stürmten englische Anhänger einen überwiegend mit Juventus-Fans besetzten Block. Dabei kamen 39 Menschen ums Leben, mehr als 400 wurden verletzt.
Siehe zu den Anfängen und Grundlagen der Fanprojekte in Bremen sowie Bielefeld u.a. Göbbel 1986; Hafke 2006; Lütkemeier/Peter 1987 sowie Heitmeyer/Peter 1988
Siehe exemplarisch für Fanzusammenschlüsse und deren Arbeit den Artikel von Externer Link: Dembowski, Gerd (2008): Zur Rolle von Fußballfans im Engagement gegen Rassismus und Diskriminierung. In: Glaser, Michaela/Elverich, Gabi (Hrsg.): Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im Fußball. Halle, S. 53 - 62
Vgl. Gabriel 2008, S. 39 f.
vgl. Fürtjes 2013, S. 35
vgl. zu den Ultras Pilz u. a. 2006, Gabler 2011; außerdem: s. u.
Vgl. zum Beispiel Bausenwein 2006, S. 492 ff.; Mikos 2003, S. 47 und 2009, S. 143
vgl. Fürtjes 2013, S. 48
www.weltfussball.de bietet einen Überblick über den Zuschauerzuspruch bei Einzelspielen sowei über die durchschnittlichen Zuschauerzahlen der einzelnen Spielzeiten der Fussball-Bundesliga.
Vgl. Beck 1986
Vgl. Gabriel 2008, S. 38 ff.
Vgl. Heitmeyer u. a. 2010, S. 160; Pilz u. a. 2006, S. 70 ff.
Vgl. zum Beispiel Pilz u. a. 2009, S. 83
Ein Beispiel aus der Spielzeit 2011/12 ist die Präsentation eines homophoben Banners im Dortmunder Stadion. Das Banner wurde zum einen von anderen Fans heruntergerissen. Es ist jedoch unklar, ob die Sichtbehinderung oder die Aufschrift der Anlass war. Zum anderen wurde dieser Vorgang in unterschiedlichen Medien, in Fanforen sowie von der Vereinsführung öffentlich problematisiert. Wenngleich sich Homophobie gezeigt hat, so dokumentieren die breiten Reaktionen ebenso den mangelnden Rückhalt solcher Äußerungen.
vgl. hierzu: http://www.faszination-fankurve.de/index.php?head=%E2%80%8Bweitere-fangruppen-distanzieren-sich-von-hogesa&folder=sites&site=news_detail&news_id=8226&gal_id=458&bild_nr=26
Gabriel/Wagner 2012, S. 7
Siehe zum Beispiel die Kampagne "Zeig Rassismus die Rote Karte", Externer Link: http://www.theredcard.de
vgl- Winands 2015a
Bewusst wird der Begriff "weitestgehend“ verwendet, da absolute Aussagen in dem komplexen empirischen Feld des Fußballstadions schwierig sind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es durchaus Fanszenen und -gruppen gibt, in denen diskriminierende Äußerungen regelmäßig und kollektiv vorgetragen werden.
Vgl. Gabriel/Wagner 2012, S. 7; Pilz u. a. 2006, S. 328
Vgl. Kühnel/Matuschek 1995
Vgl. Winands 2015a, S. 109ff.; Hüttermann 2010, S. 100 f.; Durkheim 1981, S. 289 f.; zur Autorität von Sprechern zum Beispiel Bourdieu 2005
Die Verwendung der Begriffe "Hure" oder "Hurensohn" ist ein Sonderfall: Diese schwerwiegende Beleidigung kann als sexistische Diskriminierung aufgefasst werden.
vgl. Pilz u.a. 2009, S. 85
Zur vertiefenden Lektüre in Bezug auf sogenannte Hasssprache siehe Herrmann u. a. 2007.
Unter einer Milieukultur versteht man die Regeln, Normen, Gebräuche u. Ä. (Kultur), die ein soziales Umfeld (Milieu) kennzeichnen.
Heitmeyer u. a. 2010, S. 160
vgl. Winands 2015a, S. 202
vgl. dazu auch Sülzle 2011; Degele 2013
vgl. Winands 2015)
Vgl. Connell 2006
vgl. Kathöfer/Kotthaus 2013, S. 142ff.
vgl. Degele 2013
Vgl. Pilz u. a. 2009, S. 83 ff.
Vgl. Dembowski 2007, S. 220 ff.
Vgl. Geisler/Gerster 2009, S. 199
Vgl. dazu Zick 2010; Zick u. a. 2010b; Scherer/Winands 2010
vgl. Kromer 2014
vgl. Vester 2013
vgl. Winands 2015b, S. 500ff.
vgl. weiterführend z. B. Scherr 2010, S. 82; Heyer 2010, S. 418
vgl. Boers et al. 2006
| Article | Martin Winands | 2022-01-19T00:00:00 | 2013-03-14T00:00:00 | 2022-01-19T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/sport/bundesliga/156634/fussball-als-diskriminierungsagent/ | Fan-Initiativen haben maßgeblich zu einer gemeinschaftlichen Positionierung gegen Diskriminierung im Fussball beigetragen. Warum bleiben kritische Äußerungen im Stadion immer noch ein Thema und welche Rolle spielt das männlich geprägte Freund-Feind-S | [
"Fußball",
"Diskriminierung",
"Ausgrenzung",
"Rassismus",
"Fremdenfeindlichkeit",
"Antisemitismus",
"Homophobie",
"sexismus",
"Antidiskriminierungsgesetz"
] | 118 |
Hoffnung | Wir waren so frei... | bpb.de |
Familienfoto vor der Ausreise in Berlin-Prenzlauer Berg (Marion T. Externer Link: www.unterricht.wir-waren-so-frei.de) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Später war besonders auch die Demokratisierungsbewegung der Umbruchszeit von der Hoffnung getragen, freie Verhältnisse und eine Partizipation der Bevölkerung an der gesellschaftlichen Ausgestaltung zu erreichen. Hinzu kam der Wunsch mancher nach einem wiedervereinigten Deutschland.
Die Wünsche und Hoffnungen der Menschen waren vielfältig und teils divergent. Auch in der Bundesrepublik Deutschland gab es verschiedene Stimmungslagen und Sichtweisen auf die Ereignisse. In dem Internetarchiv Externer Link: www.wir-waren-so-frei.de lassen sich viele Fotos von Amateuren finden, die unmittelbar und ungestellt die Stimmungslagen der Menschen zur Umbruchszeit widerspiegeln.
Familienfoto vor der Ausreise in Berlin-Prenzlauer Berg (Marion T. Externer Link: www.unterricht.wir-waren-so-frei.de) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Unterrichtsmaterial und Leitfaden
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-02-02T00:00:00 | 2017-12-13T00:00:00 | 2022-02-02T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/wir-waren-so-frei/261609/hoffnung/ | Die Hoffnung auf ein besseres Leben in Demokratie, mit Reise- und Meinungsfreiheit, aber auch mit mehr Wohlstand, veranlasste bereits vor der Umbruchszeit zahlreiche DDR-Bürger, aus dem Staat zu fliehen oder aber unter besonderen Bedingungen offiziel | [
"Wir waren so frei",
"Hoffnung"
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Der Symbolische Interaktionismus | Wie bin ich geworden, wer ich bin? - Seinen Weg finden nach Flucht, Vertreibung und Krisen | bpb.de | Diesen dynamischen Aspekten des Werdens von Gesellschaft versuchte der US-amerikanische Sozialwissenschaftler und Sozialphilosoph George Herbert Mead (1863-1931) in seinem Hauptwerk "Geist, Identität und Gesellschaft" gegenüber dem Behaviorismus schon früh zum Ausdruck zu bringen. Rollen werden daher nicht mehr nur als Verhalten durch Drill and Practice antrainiert, sondern sinnhaft vermittelt. Dies geschieht nach Mead in der Weise, das der Akteur sich selbst aus der Sicht des anderen betrachtet und reflektiert, welche Reaktion sein Verhalten in seinem Gegenüber auslösen wird. Er selbst sieht sich als Objekt aus der Sicht des anderen an.
Schon das Kind lernt nach Mead in Spiel- und Wettkampfsituationen, das konkrete Verhalten der anderen zu antizipieren und mit dem regelgerechten Verhalten – dem "verallgemeinerten Anderen" in Beziehung zu setzen, was er am Beispiel des Baseballspiels zeigt. Ein Spieler könne nur dann handeln, wenn er die Regeln, Aufgaben und Handlungen aller Mitspieler und auch seine eigene Rolle kenne. Auch alle anderen Spieler müssen dies mit seinem Verhalten tun können, damit das Baseballspiel überhaupt möglich ist. Dieser "Generalisierte Andere" stellt nicht nur das dynamische Regelsystem innerhalb eines Wettkampfes dar, sondern ist nach Mead typische für die Funktionsweise von Normen in der Gesellschaft. Durch die wechselseitige Orientierung an eben diesem Generalisierten Anderen kommt es zu einer sozialen Strukturierung des Selbst, das nach Mead aus drei Teilen besteht: ME, I und SELF. Die objektivierten Haltungen der anderen bilden das organisierte ME, es enthält die Normen und Ansprüche der Gesellschaft an den Akteur. Die Instanz des I dient der Selbstbehauptung, in ihm werden eigene Ansprüche und Gefühle artikuliert. Das Selbst (SELF) versucht, die Ansprüche von ME und I in ein gewisses Gleichgewicht zu bringen. So wird die These von Mead verständlich, dass das Individuum seine Identität durch die Interaktion mit anderen Individuen entwickelt, dabei selbst eine wichtige Aufgabe einnimmt und gesellschaftliche Restriktionen verändern kann.
Die zentralen Gedanken von G. H. Mead hat sein Schüler, der US-Soziologe Herbert Blumer (1900 bis 1987) systematisiert und den Begriff des Symbolischen Interaktionismus geprägt. Entsprechend heißt sein erste Grundsatz: Beziehungen haben Bedeutung. (vgl. Blumer 1973) Das Bild vom handelnden Menschen als einer Marionette, wie das die Rollentheorie nahelegt, täuscht darüber hinweg, dass die Fäden, an denen der Mensch hängt, nicht in allen Bereichen so klar definiert sind, wie es scheint. Soziale Wirklichkeit gleicht nur in bestimmten Bereichen der Mechanik eines Räderwerkes, in dem ein Rad ins andere greift. Vielmehr sind die Erwartungen der anderen (z.B. von wichtigen Bezugspersonen) wie Symbole zu verstehen, haben daher immer eine Bedeutung, werden von Ego und Alter immer interpretiert und so ins interne Handlungsprogramm übersetzt. Wenn Eltern von ihren Kindern erwarten, dass sie pünktlich nach Hause kommen, dann muss die Botschaft (Erwartung) von Ego und Alter halbwegs einheitlich verstanden (wann genau?) und von Alter auch beachtet werden und was zu tun ist, wenn es mit der Zeit knapp wird oder Unvorhergesehenes dazwischenkommt (Rückruf per Handy). Die Akteure lernen, da die Bedeutungen unterschiedliche Interpretationsspielräume lassen, mit den Unterschärfen von Erwartungen und Normen situationsbezogen und sozial sinnvoll umzugehen (Ambiguitätstoleranz).
Eltern sehen, dass sie mit ihren Kindern im Gespräch bleiben müssen, denn sie stehen in Konkurrenz zu den Wirklichkeitsdeutungen all der anderen Akteure (Freunde, Klassenkameraden, Schule, Unterricht, Medien etc.). Das Besondere an sozialen Situationen ist, dass sie nicht wie physikalische Tatsachen unabhängig von den Akteuren feststehen, sondern gerade über und durch die Akteure erst geschaffen werden. Dies kommt in dem nach ihrem "Erfinder" genannten Thomas-Theorem zum Ausdruck: "Wenn Menschen Situationen als real definieren, sind sie in ihren Konsequenzen real." Dies kann als ein Grundsatz der Soziologie angesehen werden und ist auf viele Vorgänge und Regeln übertragbar, die unseren Alltag gestalten und regulieren. Auch im Bereich der Ökonomie funktioniert soziale Wirklichkeit auf diese Weise: Wenn über eine Bank, die in sich gut aufgestellt ist, das Gerücht verbreitet wird, sie drohe, zahlungsunfähig zu werden, holen die Kunden ihre Guthaben von ihren Konten und die Bank wird tatsächlich zahlungsunfähig (self-fulfilling prophecy). Von hier aus wird auch deutlich: Wenn der Gesprächsfaden zwischen den Eltern und Kindern mehr und mehr einschläft oder gar abbricht, weil die Kinder mehr und mehr in ihre Welt eintauchen und z.B. Neue Medien für ihre Kommunikation nutzen, entstehen unterschiedliche soziale Welten. Verständigung wird schwierig, ohne dass dies am bösen Willen der Akteure liegt. Eine Pflege der Beziehungen macht dauerhafte Verständigung erforderlich.
Der zweite Satz von Blumer lautet: Beziehungen zwischen Ego und Alter werden dann und in dem Maße zu sozialen Beziehungen, wenn Ego und Alter bereit sind, wechselseitig die Erwartungen (Perspektiven) der anderen zu übernehmen und anzubieten. Vom Fußballspiel ist dieser Gedanke der Interaktion geläufig im Bild des Doppelpass-Spiels: Spieler 1 gibt den Ball an Spieler 2 in der Erwartung, dass Spieler 2 ihn zur Umgehung des Gegners wieder in den Lauf von Spieler 1 zurückspielt und Spieler 1 dann freies Schussfeld aufs Tor hat. Ein eingespieltes Team kann diese Form von Interaktion perfektionieren und auch dritte Spieler noch mit einbinden und daraus dann einen "Kreisel" machen. Im sozialen Alltag entsteht durch wechselseitige Verhaltensangebote soziale Wirklichkeit - auch role-Taking und role-making genannt. Vor diesem Hintergrund lässt sich der für die Gestaltung sozialer Beziehung wichtige Grundsatz der Reversibilität gut verdeutlichen: Wenn ich von dir erwarte, dass du fair mit mir umgehst, kannst du das auch von mir erwarten.
Die dritte zentrale Einsicht, die der Symbolische Interaktionismus über die soziale Wirklichkeit vermittelt, ist die von der Gestaltbarkeit sozialer Beziehungen, von der Plastizität der sozialen Realität. Rollen, Normen, Verhaltensweisen, Interaktionen sind gestaltbar und verändern sich. Dieser Aspekt ist besonders wichtig für das Verständnis von abweichendem Verhalten, wie dies entsteht und wie man damit umgehen kann. Das Beispiel, wie die Sozialisation ("Produktion") von guten und schlechten Schülern in der Schule vor sich geht und häufig als Ergebnis sozialer Beziehungen (Etikettierungen) angesehen werden kann, verdeutlicht den plastischen Charakter von sozialer Wirklichkeit und den Gegensatz zum Behaviorismus.
Dem Thomas-Theorem folgend gewinnt der Sozialwissenschaftler eine hohe Sensibilität dafür zu untersuchen, was die Akteure jeweils aus ihrer subjektiven Sicht als soziale Wirklichkeit ansehen und was nicht. Aber innerhalb dieses Konzeptes gibt es dann keine Möglichkeit mehr, zwischen Lüge und Wahrheit, Propaganda und Information, Richtig und Falsch zu unterscheiden. Alles, was für wahr gehalten wird, wird im Rahmen dieses Konzeptes als "wahre" Aussage angesehen. Denn es ist von vorrangigem Interesse zu analysieren, wie es gelingt, soziale Wirklichkeit zu inszenieren und zu konstruieren. "Die gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit" – so der zutreffende Titel des Klassikers von Berger/Luckmann – ist das zentrale Thema. Der soziologische Betrachter versucht zu analysieren, dass und wie sich die Definition der Situation z.B. des Mächtigeren (Ohnmächtigeren?) durchsetzt, ohne jeweils auf ihren Realitätsgehalt hin überprüft worden zu sein. Eine Basis für eine Kritik der sozialen Situation, welche Krisenlösungen z.B. akzeptabel bzw. inakzeptabel (inhuman) sind, ergibt sich innerhalb dieses Konzeptes nicht.
Außerhalb der empirischen Wissenschaften und innerhalb der Alltagswelt der Akteure gibt es durchaus Möglichkeiten, diese Orientierungslücke zu schließen. Die meisten Menschen wissen, was moralisch ist und was nicht, was gut und was verwerflich ist, auch wenn sie nicht genau sagen können, warum. So ist in fast allen Kulturen der Welt die Goldene Regel bekannt und wird als Grundlage für humanes Denken und faires Handeln auch schon von Kindern anerkannt: "Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu!" Diese Regel nutzt die Fähigkeit des Menschen zur Perspektivenübernahme und fordert ihn auf, sein Handeln auf Fairness hin zu überprüfen. Systematisch hat der Philosoph I. Kant sich mit der Grundlegung der Moral beschäftigt, die Fähigkeit des Menschen zur Perspektivenübernahme, die in der Goldenen Regel schon verlangt wird, verallgemeinert und in die Form eines Kategorischen Imperativs gebracht, der so heißt, weil er unabhängig von empirischen Bedingungen und Erkenntnissen Allgemeingültigkeit beansprucht, also kategorisch gilt. | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-05-16T00:00:00 | 2017-01-16T00:00:00 | 2022-05-16T00:00:00 | https://www.bpb.de/lernen/angebote/grafstat/krise-und-sozialisation/240818/der-symbolische-interaktionismus/ | Rollen entstehen in Gesellschaften und für Gesellschaften – umso mehr, je dynamischer sich Gesellschaften verändern. Aber wie entstehen Rollen? Woher kommen sie? Wie verändern sie sich? | [
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Im Praxistest: Why Poverty: Geld für die Welt - Bob Geldof & Bono | bpb.de | Gerade kurz vor Weihnachten taucht das Thema "Spenden" vermehrt in den Medien und auf den Straßen auf. Insbesondere Afrika wird gern als Adressat von Spenden genommen. Afrika als armer Kontinent, geplagt von Hunger. Afrika wird oft mehr als Land, denn als Kontinent gesehen, inklusive zahlreicher Klischeebilder. Darüber hinaus ist das Entwicklungszusammenarbeit ein Thema, welches durchaus ebenfalls kritisch beleuchtet wird und werden muss: welche Möglichkeiten und Strategien gibt es und welche helfen tatsächlich? Wie kann etwas getan werden, ohne noch mehr Probleme zu verursachen? Diese Rezension bezieht sich auf den Dokumentarfilm "Geld für die Welt – Bob Geldof & Bono" und das dazugehörige Unterrichtsmaterial.
Aufbau des Materials
Das Material ist für Schülerinnen und Schüler ab 15 Jahre und ist sowohl auf dem Gymnasium, als auch auf der Sekundarschule einsetzbar. Es gibt unterschiedliches Material zu fünf verschiedenen Aspekten: Acht Begriffe zum Film, Stars für Afrika – ein runder Tisch, Afrika – Bilder, Kritik an Bob Geldof & Bono sowie Strategien gegen Armut. Die Schülerinnen und Schüler werden auf unterschiedlichen methodischen Wegen (Quiz, Rollenspiel etc.) angeregt, sich in die Aspekte einzuarbeiten. Sie werden insbesondere dazu ermutigt bzw. darin unterstützt, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Jeder Impuls bietet Arbeitsaufträge und bereits ausformuliertes Material, inklusive weiterführenden Links. Das Material ist für den Schulunterricht konzipiert und soll auch im schulischen Alltag anwendbar sein. Der zeitliche Rahmen für die einzelne Impulse fängt bei einer Doppelstunde (90 Minuten) an, umfasst aber in der Regel mehr als das.
Anregungen für den Unterricht
Alle fünf Themenbereiche sind problemlos im Unterricht einsetzbar und sehr schülerorientiert. Je nach Zeit und Leistungsniveau der Gruppe können die Themen so eingesetzt werden, wie sie sind, oder noch weiter vertieft werden. Es bietet sich insbesondere an, einige Themen miteinander zu verknüpfen oder aufeinander aufbauen zu lassen:
Beginnen könnte man die Unterrichtseinheit mit dem Impuls Afrika-Bilder. Hier sollen Vorurteile und Klischeebilder, die wir oft von Afrika haben, analysiert und hinterfragt werden. Dieses Thema sollte vor dem Schauen der Dokumentation besprochen werden, damit die Schülerinnen und Schüler für die anschließenden Fragen sensibilisiert sind: Welche Bilder von "Afrika" werden im Film gezeigt? Warum werden diese Bilder für die Kampagnen verwendet? Was will man damit erreichen? Was ist die Kritik, die im Film geäußert wird?
Diese Fragen können im Anschluss ausgewertet und diskutiert werden. Hier könnte der Geschichts- und Politikunterricht gut mit Deutsch oder Kunst verknüpft werden, da Sprache/Werbung/Bilder dort ebenfalls im Unterricht thematisiert werden. Nach der Besprechung der Fragen kann direkt mit dem Impuls "Kritik" begonnen werden. Hier wird nun der Aspekt der Entwicklungshilfe und des Spendens (Charity) aufgegriffen und beurteilt. Nach einigen Einstiegsfragen kann die Lerngruppe in Gruppen aufgeteilt werden. Die Gruppen erhalten Zitate mit deren Hilfe sie das Thema kritisch diskutieren sollen: Welche Kritik wird zum Ausdruck gebracht? Was könnte die Gegenseite dazu sagen? Stimmen wir dieser Kritik zu?
Die Zitate stellen einen guten Einstieg in den Impuls "Stars für Afrika – ein runder Tisch" dar. Hier bereiten sich die Schülerinnen und Schüler auf ein Rollenspiel vor, in dem diskutiert wird, ob ein Charity-Konzert organisiert werden soll. Die Rollen sind bereits erarbeitet. Die Schülerinnen und Schüler sollten sich nun vertiefend mit dem Thema Spenden und Kritik auseinandersetzen, um gut in ihren Rollen argumentieren zu können. Im Anschluss wird das Rollenspiel reflektiert und ein eigenes Urteil formuliert. Gerade in stärkeren Lerngruppen können hier größere bzw. tiefergehende Recherche- und Vorbereitungsaufträge gegeben werden.
Als Abschluss könnten sich die Schülerinnen und Schüler nochmal mit der Vielfalt Afrikas beschäftigen, um an den Einstieg der kleinen Einheit anzuknüpfen, aber diesem nun ein realeres Bild entgegenzusetzen. Hier bietet es sich an, die Klasse in kleinen Gruppen oder zu zweit aufzuteilen und die Schülerinnen und Schüler einen kurzen Steckbrief, beispielsweise, zu einem afrikanischen Land ausarbeiten zu lassen. Die Steckbriefe können für alle kopiert, als Vorträge oder als Galerierundgang im Unterricht vorgestellt werden. Im Anschluss kann gemeinsam das Quiz aus dem Material gespielt werden. Die Schülerinnen und Schüler können hierfür auch gut eigene Fragen ergänzen.
Zugriff:
https://www.bpb.de/mediathek/236023/geld-fuer-die-welt | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2019-11-18T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/lernen/angebote/rezensionen/300585/im-praxistest-why-poverty-geld-fuer-die-welt-bob-geldof-bono/ | Gerade kurz vor Weihnachten taucht das Thema "Spenden" vermehrt in den Medien und auf den Straßen auf. Insbesondere Afrika wird gern als Adressat von Spenden genommen. Afrika als armer Kontinent, geplagt von Hunger. Afrika wird oft mehr als Land, den | [
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FAQ: Häufig gestellte Fragen zu Islamismus und Radikalisierung | Infodienst Radikalisierungsprävention | bpb.de |
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1. Islamismus & islamistische Gruppierungen
1.1 Was ist Islamismus?
Mit dem Begriff "Islamismus" wird eine bestimmte Ideologie bezeichnet, die das Ziel umfasst, eine ausschließlich religiös legitimierte und auf ihrer Interpretation des Islams basierende Gesellschafts-, Rechts- und Staatsordnung zu errichten. Es gibt unterschiedliche islamistische Gruppen, die dieses Ziel verfolgen. Sie unterscheiden sich unter anderem darin, wie vehement sie ihre Forderungen äußern, und darin, mit welchen Mitteln sie ihre Ziele erreichen möchten (Interner Link: siehe Abschnitt 1.7: Wie sieht die islamistische Szene in Deutschland aus?).
Was darüber hinaus unter Islamismus konkret zu verstehen ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Eine einheitliche, verbindliche Definition existiert nicht. Das liegt daran, dass verschiedene Akteure aus Wissenschaft, Sicherheitsbehörden und Präventionsarbeit unterschiedliche Perspektiven und Interessen haben. Eine nützliche Definition aus der Wissenschaft liefert der Islamwissenschaftler Tilman Seidensticker. Demnach handelt es sich beim Islamismus um "Bestrebungen zur Umgestaltung von Gesellschaft, Kultur, Staat oder Politik anhand von Werten und Normen, die als islamisch angesehen werden." Die angestrebte religiös legitimierte Gesellschaftsordnung sei zudem "antidemokratisch verfasst", betonen viele Fachleute, beispielsweise Hazim Fouad und Behnam Said.
Dagegen bezeichnet das Bundesamt für Verfassungsschutz Islamismus als "eine Form des politischen Extremismus. Unter Berufung auf den Islam zielt der Islamismus auf die teilweise oder vollständige Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ab." Die Definitionen überschneiden sich in der Beschreibung der Zielsetzung des Islamismus, sie unterscheiden sich jedoch in der Akzentuierung.
Die Debatte über den Begriff hat neben "Islamismus" eine Reihe von konkurrierenden Begrifflichkeiten hervorgebracht, wie "islamischer Fundamentalismus" oder "politischer Islam". Diese werden oft synonym oder alternativ zum Begriff Islamismus gebraucht. In jüngster Zeit hat sich "Islamismus" als Sammelbegriff weitgehend durchgesetzt.
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Islamismus, Salafismus, Dschihadismus. Hintergründe zur Historie und Begriffsbestimmung (Hazim Fouad, Behnam Said, 2020) Interner Link: Was ist eigentlich unter "politischem Islam" zu verstehen? (Christian Meier, 2021) Interner Link: Hintergrundinfos zu Islamismus & Salafismus Kostenfreie Broschüren, Handreichungen & Online-Portale (Redaktion Infodienst Radikalisierungsprävention, 2022)
Ausführliche Informationen auf bpb.de
Interner Link: Dossier Islamismus
Videos:
Interner Link: Was heißt Islamismus? (Video, 10 Minuten, Bundeszentrale für politische Bildung, 2016) Externer Link: "Frieden und Gewalt" aus der Reihe "Vielfalt des Islam"(Video, 15 Minuten, SWR)
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1.2 Was ist der Unterschied zwischen Islamismus und Salafismus?
In den letzten Jahren hat neben dem Begriff "Islamismus" insbesondere der des "Salafismus" die Debatten geprägt. Salafismus kann als eine Teilströmung im Islamismus verstanden werden. Salafismus wiederum ist selbst ein Oberbegriff für verschiedene Strömungen, die auf dem sunnitischen Islam basieren.
Die Anhängerinnen und Anhänger des Salafismus verbindet ein ähnlicher Zugang zur Religion: ein buchstabengläubiges Verständnis des Koran und der Überlieferungen des Propheten Mohammed. Außerdem versuchen sie sich nach der Lebensweise der ersten Generationen von Muslimen zu richten.
Der Begriff "Salafismus" ist eine Fremdbezeichnung, die von Sicherheitsbehörden geprägt wurde. Er ist abgeleitet vom arabischen Begriff "Salafiyya". So wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert eine islamische Reformbewegung bezeichnet, die sich an der islamischen Frühzeit orientierte. Der Begriff wiederum geht zurück auf den arabischen Ausdruck "as-salaf as-salih", was übersetzt werden kann mit "die rechtschaffenen Altvorderen". Anhängerinnen und Anhänger salafistischer Gruppen bezeichnen sich in der Regel selbst nicht als Salafisten, sondern schlicht als "Muslime", die nach den Vorschriften des vermeintlich "wahren Islams" leben.
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Salafismus – was ist das überhaupt? (Armin Pfahl-Traughber, 2015) Interner Link: Die salafistische Szene in Deutschland (Ulrich Kraetzer, 2018)
Ausführliche Informationen auf bpb.de
Interner Link: Salafismus – Ideologie der Moderne(Info aktuell, 2018) Interner Link: Die Salafiyya – eine kritische Betrachtung (Marwan Abou-Taam, 2012)
Publikationen im Shop der bpb
Salafismus und Dschihadismus in Deutschland. Ursachen, Dynamiken, Handlungsempfehlungen (Janusz Biene, Christopher Daase, Julian Junk, Harald Müller, 2018)
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1.3 Was unterscheidet verschiedene islamistische Gruppierungen?
Der Sammelbegriff Islamismus umfasst ein sehr breites Spektrum unterschiedlicher Gruppierungen. In der Literatur wird dem Begriff Islamismus häufig ein Attribut hinzugefügt, wie beispielsweise moderat, gemäßigt, puristisch, militant, extremistisch, gewaltbereit oder dschihadistisch. Durch diese Bezeichnungen wird jeweils nur ein Aspekt hervorgehoben. Dies kann zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen.
Zielführender kann es sein, islamistische Strömungen und Gruppierungen entsprechend ihrer Ziele und Forderungen sowie der Wahl ihrer Mittel und Strategien zu kategorisieren (Interner Link: siehe Abschnitt 1.6: Was kennzeichnet islamistisches Denken und Handeln?).
Bei der Wahl der Mittel spielt die Haltung zu Gewalt eine zentrale Rolle: Wird Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Ziele als legitim betrachtet oder abgelehnt?
So gibt es Gruppen mit einem reformistischen Ansatz. Sie versuchen mit friedlichen Mitteln eine nach ihren Vorstellungen islamische Gestaltung der Gesellschaft von unten nach oben zu erreichen ("Gang durch die Institutionen"), um die Macht zu erlangen. Zu ihren Mitteln gehören Missionierung (arabisch: da'wa), Bildung, karitatives Handeln oder politische Partizipation. Die Mehrheit islamistischer Gruppen – insbesondere in westlichen Gesellschaften – verfolgt einen reformistischen Ansatz (Interner Link: siehe Abschnitt 1.4: Was ist "legalistischer" Islamismus?).
Andere, wie beispielsweise dschihadistische Gruppen, verfolgen einen revolutionären Ansatz. Sie betrachten Gewalt als legitimes Mittel, um die Macht zu erobern. Anschließend wollen sie von oben eine islamisch verfasste Gesellschafts-, Rechts- und Staatsordnung durchsetzen.
Zwischen den Kategorien gibt es manchmal fließende Übergänge. So sind die Aussagen mancher Akteure zum Thema Gewalt oft doppeldeutig. Und es kann vorkommen, dass bestimmte Gruppen Gewalt für sich selbst nachdrücklich ablehnen, aber die Gewalt anderer Gruppen rechtfertigen oder implizit zu Gewalt aufrufen.
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Islamismus, Salafismus, Dschihadismus. Hintergründe zur Historie und Begriffsbestimmung (Hazim Fouad, Behnam Said, 2020) Interner Link: "Legalistischer Islamismus" als Herausforderung für die Prävention. Was tun, wenn Gewalt nicht das Problem ist? (Thomas Schmidinger, 2020)
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1.4 Was ist "legalistischer" Islamismus?
Islamistische Gruppen werden dem "legalistischen" Islamismus zugerechnet, wenn sie ihre Ziele ohne Gewalt, mit politischen Mitteln und unter Nutzung der Möglichkeiten des Rechtsstaates ("Gang durch die Institutionen") verfolgen. "Legalistisch" bedeutet also zweierlei: Einerseits, dass diese Akteure gesetzeskonform (legal) operieren; andererseits, dass sie die Möglichkeiten des Rechtsstaates nutzen, um zum Beispiel durch Gerichtsverfahren die eigenen Positionen einzufordern und festzuschreiben.
Der Begriff wird in jüngster Zeit zunehmend in den Medien und im öffentlichen Diskurs verwendet, oft als Synonym für gewaltlosen Islamismus. Seit den frühen 2000er-Jahren kursiert der Begriff vor allem in Sicherheitskreisen.
Gruppierungen, die als Vertreter des legalistischen Islamismus gelten, versuchen Diskurse in ihrem Sinne zu beeinflussen, um das eigene Islamverständnis als verbindlich zu erklären und gesellschaftlich zu verankern. Dazu gehört, dass sie demokratieskeptische beziehungsweise demokratiefeindliche Haltungen verbreiten.
Ziel islamistischer Gruppen ist generell, eine neue Staats-, Rechts- und Gesellschaftsordnung zu schaffen, in der ihr eigenes Islamverständnis absolut und allein verbindlich sein soll (Interner Link: siehe Abschnitt 1.1: Was ist Islamismus?). Das bedeutet letztendlich, dass die Gruppierungen die freiheitlich-demokratische Grundordnung aushöhlen wollen.
Damit ist "legalistischer" Islamismus, auch wenn er keine gewaltsamen Mittel anwendet, eine Herausforderung für den demokratischen Rechtsstaat sowie für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Zusammenleben.
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Interner Link: "Legalistischer Islamismus" als Herausforderung für die Prävention. Was tun, wenn Gewalt nicht das Problem ist? (Thomas Schmidinger, 2020) Interner Link: Was ist eigentlich unter "politischem Islam" zu verstehen? (Christian Meier, 2021)
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1.5 Was ist "politischer Islam"?
Mit dem Begriff "politischer Islam" werden sehr unterschiedliche Aktivitäten bezeichnet. Die Wortverbindung wurde bereits im vergangenen Jahrhundert im deutschen Sprachraum verwendet – wie auch im Englischen und im Arabischen, wo "al Islam al siyasi" seit mehreren Jahrzehnten geläufig ist. Allerdings wurde der Ausdruck hierzulande besonders popularisiert, sowohl in der Literatur als auch im Journalismus.
Während der Begriff früher weitgehend synonym mit "Islamismus" eingesetzt wurde, hat – mutmaßlich seit etwa einem halben Jahrzehnt und vielleicht im Zusammenhang mit dem Zuzug von Geflüchteten insbesondere aus Syrien und dem Irak im Jahr 2015 – eine Bedeutungsverschiebung eingesetzt. "Politischer Islam" wird inzwischen meist deutlich fokussierter verwendet: als Phänomen, das maßgeblich Deutschland und Europa betrifft. Und das oft mit den Aktivitäten institutionell organisierter Muslime zusammenhängt – der sogenannten Islamverbände.
Kritik an der Verwendung des Begriffs zielt vor allem auf die mangelnde oder mangelhafte Definition dessen, was "politischer Islam" sein soll. Stattdessen würden Muslime unter einen "Generalverdacht" gestellt, heißt es etwa. Es handele sich um einen "Kampfbegriff", um eine Projektionsfläche für Feinbilder und muslimfeindliche Ängste.
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Interner Link: Was ist eigentlich unter "politischem Islam" zu verstehen? (Christian Meier, 2021)
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1.6 Was kennzeichnet islamistisches Denken und Handeln?
Islamistische Gruppen weisen in ihrer Ideologie, ihren Aktionsformen und ihren Zielen starke Ähnlichkeiten auf, da sie ideologisch oft von denselben Denkern geprägt sind. Sie unterscheiden sich jedoch häufig durch den Grad der Kompromisslosigkeit und Vehemenz, mit der sie ihre Anliegen artikulieren und einfordern.
Zu den wichtigsten Vorbildern vieler Gruppen zählen insbesondere die Vordenker der ägyptischen Muslimbruderschaft, Hasan al-Banna (1906-49), Sayyid Qutb (1906-66) und Abd al-Qadir Auda (gest. 1954) sowie der pakistanische Denker Abu l-A'la Maududi (1903-79). Dies zeigt, dass sich islamistische Akteure zwar gerne auf verklärte Altvordere beziehen, die Ideologie aber erst im 20. Jahrhundert entwickelt wurde. Deren Werke und Wirken beeinflussen verschiedene islamistische Gruppierungen weltweit.
Islamistische Gruppierungen streben die Errichtung eines Staats- und Gesellschaftsmodells an, das auf ihrem Islamverständnis basiert. Die zentralen Charakteristika dieses Modells sind:
Interner Link: (1) Islam als allumfassendes System und Ordnung Interner Link: (2) Einführung der Scharia als göttliche und einzige, unantastbare und umfassende Quelle des Rechts Interner Link: (3) Absolutheitsanspruch Interner Link: (4) Idealisierung der Frühzeit des Islams als Gegenentwurf zu westlichen Staats- und Gesellschaftsmodellen Interner Link: (5) Demokratiedistanz (Demokratieablehnung oder zumindest -skepsis) und Ablehnung der Volkssouveränität Interner Link: (6) Mangel an Pluralität und Toleranz gegenüber Andersdenkenden und anderen Lebensentwürfen Interner Link: (7) Dichotomes Weltbild: Wir-Ihr- beziehungsweise Gut-/Böse-Denken Interner Link: (8) Alleinvertretungsanspruch für alle Musliminnen und Muslime Interner Link: (9) Verwischen der Grenze von Islam und Islamismus
Im Detail heißt das:
(1) Islam als allumfassendes System und Ordnung
Für alle islamistischen Gruppen ist ihr jeweiliges Islamverständnis Bezugs- und Ausgangspunkt des eigenen gesellschaftspolitischen Denkens und Handelns. Aus ihrer Sicht bildet der Islam ein allumfassendes System und eine Ordnung (arabisch: nizam), die alle gesellschaftlichen Bereiche, Staat, Recht, Politik und die persönliche Lebensführung vollkommen durchdringt. Diese Ordnung beruhe auf göttlicher Weisung, die in normativen Texten, wie Koran und Prophetentradition (Sunna) zum Ausdruck komme.
(2) Einführung der Scharia
Islamistische Gruppen fordern die umfassende Einführung der Scharia. Als göttliche Ordnung soll die Scharia alleinige Quelle des Rechts sein, und ihre Prinzipien sollen Staat und Gesellschaft umfassend prägen. Sie wird als ein unantastbares und universell gültiges Rechts- und Normengefüge betrachtet (Ethik, Moral und Recht). Aufgabe eines Herrschers in einem darauf aufbauenden "islamischen Staat" ist es, diese Normen und Gesetze gottgefällig einzufordern, zu kontrollieren und (notfalls repressiv) durchzusetzen. Die Scharia selbst leitet sich aus der Auslegung religiöser Texte ab – ihr Verständnis unterliegt also Interpretationen und Wandel.
(3) Absolutheitsanspruch
Islamistische Gruppen sind davon überzeugt, der einzig wahren Auslegung des Islams zu folgen. Aus Sicht der Islamistinnen und Islamisten kann nur der Islam, verstanden als politische Ideologie, Stabilität und Gerechtigkeit garantieren und vielfältige soziale Probleme beheben ("Der Islam ist die Lösung"). Dabei wird die eigene Lesart des Islams mit einem Absolutheitsanspruch formuliert.
(4) Gegenentwurf zu westlichen Staats- und Gesellschaftsmodellen
Somit ist ein islamistischer Staats- und Gesellschaftsentwurf häufig ein Gegenentwurf zu westlichen Staats- und Gesellschaftsmodellen und insbesondere ein Alternativkonzept zum säkularen Staat. Er wird häufig sehr bewusst als ein solcher Gegenentwurf inszeniert. Dabei wird begrifflich auf islamische Traditionen zurückgegriffen und auf eine idealisierte Frühzeit des Islams verwiesen, die als Vorbild für das eigene Handeln dient.
(5) Ablehnung der Demokratie
Diese Vorstellungen sind nicht nur auf das endgültige Ziel einer islamisch basierten politischen und gesellschaftlichen Ordnung ausgerichtet, sondern prägen auch das Verhältnis islamistischer Gruppen zum Rechtsstaat und Gesellschaft in Deutschland.
Unabhängig vom eigenen Verhältnis zu Gewalt lehnen sie häufig – implizit oder explizit – Demokratie ab oder zeigen zumindest demokratieferne beziehungsweise -skeptische Haltungen. Das Konzept der Volkssouveränität wird abgelehnt, da nach Auffassung dieser Gruppen Gott alleiniger Souverän, also absoluter Gesetzgeber ist (arabisch: hakimiyya). Dem angeblich "göttlich basierten" Recht einer von Gott vorgegebenen, unantastbaren islamischen Ordnung wird oft polemisch-abschätzig das "menschengemachte Gesetz" westlicher Gesellschaften gegenübergestellt.
In wenigen Fällen haben islamistische Denker den Versuch unternommen, demokratische Prinzipien mit authentisch islamischen Konzepten und Begriffen zu besetzen und zusammenzudenken. Diese Konzepte sind aber oft theoretisch und intellektuelle Positionen, die für die Mehrzahl islamistischer Gruppierungen und die Debatten keine Rolle spielen.
(6) Mangel an Toleranz gegenüber Andersdenkenden
Diese demokratiefeindlichen oder -skeptischen Haltungen sind ebenso von einem (weitgehenden) Fehlen von Toleranz und einem Verständnis von Pluralität gekennzeichnet. Das bedeutet, dass in dem angestrebten islamisch basierten Staats- und Gesellschaftsmodell Gruppen mit abweichenden ideologischen Orientierungen und Haltungen, aber auch individuelle Lebensentwürfe (sexuelle Orientierung, Bekenntnislosigkeit etc.) nicht akzeptiert oder sogar unterdrückt oder verfolgt werden.
In den meisten Staatsentwürfen haben folglich oppositionelle Gruppen politisch wie gesellschaftlich keinen Platz. Solche Ideologien der Ungleichwertigkeit prägen auch das Denken und Verhalten des einzelnen Individuums oder islamistischer Gruppen. Sie zeigen sich unter anderem in der vehementen Ablehnung und Abwertung von Homosexualität, Bekenntnislosigkeit, Konversion von Musliminnen und Muslimen zu einer anderen Religion, abweichenden Islamverständnissen oder politischen Orientierungen.
(7) Dichotomes Weltbild
Eng verbunden mit diesem Mangel an Ambiguitätstoleranz sind islamistische Vorstellungen durch ein dichotomes Weltbild geprägt. Typisch ist die Annahme, dass die Welt zweigeteilt ist: Auf der einen Seite "der Islam", der "das Gute", "Wahrheit" und "Gerechtigkeit" verkörpert, und auf der anderen Seite "das Böse", das häufig mit "dem Westen" gleichgesetzt wird. Für manche Gruppen befinden sich beide Seiten demnach in einem ständigen Kampf, der bis zum Ende der Welt dauert. Musliminnen und Muslime mit anderem Islamverständnis oder Bekenntnislose gelten entweder als nicht hinreichend aufgeklärt, als "Heuchler", "Abtrünnige" oder für mache Gruppen sogar als "Ungläubige" (arabisch: takfir).
Für das gesellschaftliche Zusammenleben in Deutschland bedeutet diese dichotome Weltsicht, dass islamistische Akteure real existierende Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen von Musliminnen und Muslimen betonen und instrumentalisieren. Sie suggerieren, dass Musliminnen und Muslime systematisch durch den Staat unterdrückt würden, nicht gleichberechtigt Teil der Gesellschaft sein könnten und ein Zusammenleben entsprechend nicht möglich sei. Einige islamistische Akteure mahnen deshalb eine besondere Loyalität und Solidarität gegenüber der eigenen Gruppe und eine kritische Distanz zur "Mehrheitsgesellschaft" an (Prinzip des al-wala' wal-bara').
(8) Alleinvertretungsanspruch für alle Musliminnen und Muslime
Der Absolutheitsanspruch des eigenen Islamverständnisses und die Abwertung Andersdenkender zeigt sich ebenso im Alleinvertretungsanspruch für alle Musliminnen und Muslime, den islamistische Gruppen erheben. Ihr Islamverständnis entspricht aus ihrer Sicht dem "wahren" und "reinen" Islam der Frühzeit und entsprechend verfügen sie über die notwendige Autorität, im Namen aller Musliminnen und Muslime zu sprechen.
(9) Verwischen der Grenze von Islam und Islamismus
Gleichzeitig versuchen sie – ähnlich wie rechtspopulistische Akteure – die Grenzen zwischen Islam und Islamismus zu verwischen (Gleichsetzungsstrategie), um an ihnen geübte Kritik als grundsätzliche Ablehnung des Islams und Diskriminierung aller Musliminnen und Muslime und "Islam- bzw. Muslimfeindlichkeit" umzudeuten (Opfernarrativ). Gerade bei der Auseinandersetzung mit islamistischen Gruppen ist eine klare Trennung der Begriffe Islam und Islamismus deshalb unbedingt nötig.
Für Millionen von Musliminnen und Muslimen auf der ganzen Welt ist der Islam ihre Religion, die vielfältig gedeutet und gelebt wird. Extremistische Interpretationen des Islams werden von der überwiegenden Mehrheit der Musliminnen und Muslime abgelehnt und entsprechen nicht ihrem Islamverständnis.
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Islamismus, Salafismus, Dschihadismus. Hintergründe zur Historie und Begriffsbestimmung (Hazim Fouad, Behnam Said, 2020) Interner Link: Innermuslimische Salafismuskritik (Hazim Fouad, 2020)
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1.7 Wie sieht die islamistische Szene in Deutschland aus?
Die islamistische Szene in Deutschland umfasst laut Bundesamt für Verfassungsschutz 28.290 Personen (Stand Juni 2022). Sie fasst sehr unterschiedliche Gruppen, die sich verschiedenen Strömungen zuordnen lassen. Sie unterscheiden sich zum Beispiel in ihren Zielsetzungen, Aktionsformen, ideologischen Haltungen und ihrem Verhältnis zu Gewalt. Das Spektrum reicht von gewaltlos agierenden Gruppen des sogenannten legalistischen Islamismus bis hin zur salafistischen Szene und zu gewaltbereiten Gruppen.
Die wichtigsten Zahlen finden Sie in diesem Beitrag: Interner Link: Zahlen zur islamistischen Szene in Deutschland.
Die große Mehrheit islamistischer Gruppen in Deutschland gehört der Strömung des sogenannten legalistischen Islamismus an. Das bedeutet, dass von ihnen zwar nicht die Gefahr terroristischer Anschläge ausgeht. Jedoch versuchen sie Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu nehmen. Sie verfolgen dabei mit gewaltfreien Mitteln eine Agenda, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage stellt, demokratiefeindliche Haltungen befördert oder zumindest eine Herausforderung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Zusammenleben darstellt (Interner Link: siehe Abschnitt 1.1: Was ist Islamismus? und Interner Link: Abschnitt 1.4: Was ist "legalistischer" Islamismus?).
Die folgende Übersicht nennt relevante Gruppen beziehungsweise Strömungen:
Interner Link: (1) Islamismus mit Bezug zur Türkei Interner Link: (2) Übergangsbereich zum türkischen Rechtsextremismus Interner Link: (3) Islamismus mit Bezug zu arabischen Staaten Interner Link: (4) Transnationaler Islamismus Interner Link: (5) Salafistische Szene
(1) Islamismus mit Bezug zur Türkei
Aufgrund des großen Anteils türkeistämmiger Musliminnen und Muslime in Deutschland spielen Organisationen mit Türkei-Bezug eine wichtige Rolle.
Die mit Abstand größte bildet die Millî Görüş-Bewegung (dt. "Nationale Sicht"), zu der eine Reihe von Vereinigungen gehören. Deren größte und wichtigste ist die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e. V. (IGMG) mit Sitz in Köln (Interner Link: ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention).
AKP-nahe Gruppen: Die türkische Partei AKP selbst hat keinen eigenen Moscheeverband in Europa gegründet, AKP-Anhängerinnen und -Anhänger sind vor allem in den Moscheen der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e. V. (DİTİB) aktiv. DİTİB ist der größte sunnitisch-islamische Moscheeverband in Deutschland. Seit der Machtübernahme der AKP unter Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei ist die DİTİB zunehmend unter deren Kontrolle geraten (Interner Link: ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention).
Gülen-Bewegung: Neben der Millî Görüş-Bewegung und den AKP-nahen Gruppen zählt die Gülen-Bewegung zu den bedeutendsten Strömungen des legalistischen Islamismus, die Bezug zur Türkei haben. Die Gründer ist der in den USA im Exil lebende Fethullah Gülen (Interner Link: ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention).
Furkan-Gemeinschaft: In Deutschland agiert die Gruppe seit 2018 in Hamburg als Verein "Jugend, Bildung und Soziales e. V.", verwendet den Namen Furkan jedoch für ihre Online-Aktivitäten. Ihr Ziel ist eine vermeintliche Rückkehr zu einer "Islamischen Zivilisation". Dafür sei der Gruppe zufolge ein islamischer Staat (Kalifat) mit einer Scharia-basierten Rechtsordnung nötig (Interner Link: ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention).
(2) Graubereich zum türkischen Rechtsextremismus
In der türkeistämmigen Diaspora existieren außerdem Organisationen, die im Graubereich zwischen legalistischem Islamismus und türkischem Rechtsextremismus zu verorten sind.
Graue Wölfe ("Ülkücü"-Bewegung): 1993 spaltete sich in der Türkei die Große Einheitspartei (Büyük Birlik Partisi, BBP) von der rechtsextremen Nationalen Bewegungspartei (Milliyetçi Hareket Partisi, MHP) ab. Ihre Anhängerinnen und Anhänger sind in Europa unter dem Namen Graue Wölfe bekannt, eigentlich ist dies jedoch der Name ihrer Jugendorganisation. Eine weitere national-islamistische Abspaltung der Grauen Wölfe ist die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e. V. (Avrupa Türk-İslam Birliği, ATİB).
Zwar ist die Bewegung bemüht, nach außen gesetzeskonform aufzutreten, allerdings demonstrieren gerade Anhängerinnen und Anhänger der "Ülkücü"-Bewegung auf Veranstaltungen und in sozialen Medien eine demokratiefeindliche Ideologie und Überlegenheitsvorstellungen, weshalb ATİB vom Verfassungsschutz beobachtet wird (Interner Link: ausführliche Infos auf bpb.de).
(3) Islamismus mit Bezug zu arabischen Staaten
Muslimbruderschaft: Die Muslimbruderschaft gilt als die größte und bekannteste Organisation, quasi als "Mutterorganisation", des legalistischen Islamismus. Sie wurde 1928 in Ägypten gegründet und besitzt Ableger in zahlreichen Staaten.
In Deutschland werden die Muslimbrüder und ihre Vereine bereits seit den 1970er-Jahren von den Sicherheitsbehörden nachrichtendienstlich beobachtet. Obwohl die Anhängerschaft dieser Strömung in Deutschland sehr viel kleiner ist als die der großen Türkei-orientierten Organisationen des legalistischen Islamismus, haben einzelne Vertreter dieser Strömung großen Einfluss. Sie versuchen oft, den Diskurs um den Islam in Europa zu dominieren und ihre Positionen zu normalisieren (Interner Link: ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention).
Die Hizbollah ("Partei Gottes"): Die vom Iran unterstützte Bewegung beziehungsweise Partei wurde im Libanon gegründet und ist dort eine legale Partei, die über konfessionelle Grenzen hinweg durchaus als politisch bündnisfähig angesehen wird. Allerdings unterhält sie zugleich einen bewaffneten Arm. In Deutschland wurde die Hizbollah im Jahr 2020 verboten. Aufgrund der Konfessionalisierung vieler Konflikte im Nahen Osten stehen sich die Anhängerinnen und Anhänger der schiitischen Hizbollah und sunnitische Islamistinnen und Islamisten oft feindlich gegenüber (Interner Link: ausführliche Informationen auf bpb.de).
(4) Transnationaler Islamismus
Neben den Gruppen mit einem eindeutigen Bezug zu den Herkunftsregionen von Musliminnen und Muslimen existieren im Spektrum des Islamismus auch Gruppen, die sich selbst als explizit transnational verstehen, und die ethnisch und sprachlich sehr divers sind.
Die Hizb ut-Tahrir (HuT, "Partei der Befreiung") ist die bedeutendste dieser Gruppen. Sie wurde 1953 gegründet. Sie strebt die Errichtung eines weltweiten Kalifats an. Die Partei rekrutiert vor allem unter Studierenden und gebildeten jungen Musliminnen und Muslimen. Sie hat z. B. Ableger in Dänemark, den Niederlanden, Österreich und Großbritannien, das als Zentrum der Gruppe in Europa bezeichnet werden kann.
In Deutschland wurde die HuT 2003 verboten, dennoch existiert die Organisation in der Illegalität weiter. Sie hat in den letzten Jahren immer wieder neue Projekte und Vereine unter verschiedenen Namen gegründet. Am bekanntesten sind "Realität Islam" oder "Generation Islam". Beide Projekte richten sich vorgeblich gegen die Diskriminierung von Musliminnen und Muslimen und ermöglichen damit einen niedrigschwelligen Einstieg für Jugendliche mit Diskriminierungserfahrungen in das Umfeld der Bewegung (Interner Link: ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention).
(5) Salafistische Szene
Die salafistische Szene war viele Jahre lang die am schnellsten wachsende Strömung des Islamismus in Deutschland. Im Jahr 2011 lag der salafistische Personenkreis noch schätzungsweise bei rund 3.800 Personen und wuchs auf 12.150 Personen im Jahr 2020. Im Jahr 2021 war die Zahl der Salafisten zum ersten Mal rückläufig und liegt laut Bundesamt für Verfassungsschutz bundesweit bei rund 11.900 Personen (Stand Juli 2022). Besonders starke und aktive salafistische Strukturen existieren in einigen Ballungsräumen (insbesondere in Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen und NRW).
Fachleute unterscheiden verschiedene Strömungen salafistischer Gruppen, wobei nur eine davon als gewaltbereit gilt – die sogenannten Dschihadisten. Zur Zahl der gewaltbereiten Salafisten macht das Bundesamt für Verfassungsschutz keine Angaben. Die Grenzen zwischen den Strömungen der salafistischen Szene sind fließend und die Mehrzahl der Szeneangehörigen zählt laut Sicherheitsbehörden zum sogenannten politischen Salafismus.
Salafistische Gruppierungen
In Anlehnung an Ergebnisse der Forschung von Quintan Wiktorowicz werden folgende salafistische Gruppierungen hinsichtlich ihrer Handlungsstile unterschieden :
I. Puristischer Salafismus
Die Akteure des puristischen Salafismus stellen allein auf die individuelle Frömmigkeit ab, welche erhöht und erweitert werden soll. Dabei geht es nicht um eine gesellschaftliche Dimension. Vielmehr beschränkt man sich darauf, den jeweiligen Gläubigen in Richtung der eigenen Islam-Interpretation zu festigen. Anhänger des puristischen Salafismus agieren in der Regel nicht öffentlich, und man kann auch keine politischen Aktivitäten konstatieren.
II. Politischer Salafismus
In Bezug auf die Gesellschaft vertreten die Anhängerinnen und Anhänger eines "Politischen Salafismus" eine andere Auffassung. Sie fordern sowohl gegenüber anderen Muslimen als auch Nicht-Muslimen aktiv und offensiv die Ausrichtung und Umorientierung der Gesellschaft und des Staates im Sinne ihrer Deutung des Islams. Die Formulierung "Politischer Salafismus" darf in diesem Kontext aber nicht dahingehend falsch verstanden werden, dass sich seine Akteure demokratischer Instrumente wie etwa Volksentscheiden oder Wahlen bedienen. Denn säkulare Beteiligungsformen an politischen Prozessen akzeptieren Vertreter des politischen Salafismus – auch aus strategischen Gründen – eigentlich nicht.
Die Anhängerinnen und Anhänger des politischen Salafismus konzentrieren sich auf "Missionierung" und rufen nicht offen zu Gewalt auf. Teilweise sprechen sie sich sogar gegen Gewalt aus, allerdings billigen manche diese auch implizit oder fungieren als Vorfeldorganisationen für dschihadistische Gruppen. Ebenso haben sich manche Szeneangehörige, die zunächst dem nicht-gewaltbereiten Spektrum zuzurechnen waren, zu dschihadistischen Salafistinnen und Salafisten radikalisiert.
III. Dschihadistischer Salafismus
In der Frage der Gewaltanwendung unterscheidet sich der "Politische" vom "Terroristischen Salafismus", der auch als Dschihadistischer Salafismus bezeichnet wird. Dessen Anhängerinnen und Anhänger sehen in der Anwendung von Gewalt ein legitimes Mittel, um die eigenen politischen und religiösen Auffassungen soziale Realität werden zu lassen. Auch die Anhänger anderer Strömungen im Islam gelten als Abweichler oder Verräter. Körperliche Gewalt gegen sie – bis hin zu Tötungen – gilt als legitim.
Zugehörigkeit zur salafistischen Szene
Allerdings ist die Zugehörigkeit zur salafistischen Szene nicht leicht zu definieren, weil es sehr unterschiedliche Gruppen gibt und keine einheitliche Organisation. Zudem bezeichnen sich Angehörige der Szene in der Regel nicht selbst als Salafistinnen und Salafisten. Die ermittelten Zahlen beruhen auf Zuordnungen durch die Behörden. In den vergangenen Jahren stand besonders Salafismus im Fokus der Öffentlichkeit und der Begriff hat andere Phänomene überlagert. Salafismus kann als eine Strömung innerhalb des Sammelbegriffs Islamismus verstanden werden. Daher ist jeder Salafist ein Islamist, aber nicht jeder Islamist auch Salafist (Interner Link: ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention).
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Islamismus, Salafismus, Dschihadismus. Hintergründe zur Historie und Begriffsbestimmung (Hazim Fouad, Behnam Said, 2020) Interner Link: "Legalistischer Islamismus" als Herausforderung für die Prävention. Was tun, wenn Gewalt nicht das Problem ist? (Thomas Schmidinger, 2020) Interner Link: "Die Hizb ut-Tahrir in Deutschland. Herausforderungen und Ansätze der Präventionsarbeit (Hanna Baron, 2021) Interner Link: Salafismus – Was ist das überhaupt? (Armin Pfahl-Traughber, 2015) Interner Link: Die salafistische Szene in Deutschland (Ulrich Kraetzer, 2018)
Ausführliche Informationen auf bpb.de
Interner Link: Dossier Islamismus
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1.8 Wie viele islamistische Gefährder gibt es?
Als Gefährder gelten Personen, von denen die Sicherheitsbehörden annehmen, dass sie politische Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen könnten. "Relevante Personen" sind nach der Definition des Bundesinnenministeriums Personen im Umfeld von Gefährdern, die "bereit sind, bei der Vorbereitung einer politisch motivierten Straftat von erheblicher Bedeutung logistisch zu helfen oder zu unterstützen".
Gewaltbereite Islamistinnen und Islamisten gehören zahlenmäßig einer Minderheit im islamistischen Spektrum in Deutschland an. Die Zahl der sogenannten islamistischen Gefährderinnen und Gefährder beläuft sich laut Bundeskriminalamt auf 551 Personen, hinzu kommen 526 "relevante Personen" (Stand Januar 2022).
Ausführliche Informationen auf bpb.de:
Interner Link: "Gefährder" (Daniela Hunold und Jan Raudszus, 2020)
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2. Gründe für Radikalisierung & Radikalisierung erkennen
2.1 Warum schließen sich junge Menschen extremistischen Gruppen an?
Eine Radikalisierung kann von Person zu Person unterschiedlich verlaufen – auch wenn viele Radikalisierungsverläufe Ähnlichkeiten aufweisen. Die meisten Fachleute gehen daher davon aus, dass es unmöglich ist, Radikalisierung mit einem einzigen Modell zu erklären, das auf alle Fälle anwendbar ist.
Jedoch gehen die Erklärungsansätze in der Regel davon aus, dass bei Radikalisierung verschiedene Faktoren wirken müssen. Diese lassen zum einen die extremistische Bewegung als attraktiv erscheinen (sogenannte Pull-Faktoren) und verstärken zum anderen die Bereitschaft einer Person, sich dem Extremismus zuzuwenden und sich von der Gesellschaft abzuwenden (Push-Faktoren). Die Faktoren sind unabhängig von der Form des Extremismus und betreffen beispielsweise auch die Hinwendung zum Rechtsextremismus. Dabei lassen sich in den meisten Erklärungsansätzen drei Elemente ausmachen:
Erfahrung von Unmut, Unzufriedenheit und Konflikt: Die Betroffenen haben Erfahrungen gemacht, aufgrund derer sie bereit sind, mit radikalem Gedankengut und Wertvorstellungen zu experimentieren. Übernahme einer extremistischen Ideologie: Die Funktion einer extremistischen Ideologie besteht vor allem darin, einen Schuldigen für die eigene Situation zu identifizieren, eine Lösung bereitzustellen und zum Engagement in einer bestimmten Gruppe oder für eine bestimmte Idee zu motivieren. (Im Fall mancher islamistischen Gruppen wird meist pauschal "der Westen" als Schuldiger identifiziert und als Lösung wird ein "Gottesstaat", also eine islamisch basierte Ordnung, angestrebt.) Einbindung in Sozial- und Gruppenprozesse: Gruppendruck, -loyalität und soziale Bindungen innerhalb der Gruppe sowie die propagierte Distanzierung von der Mehrheitsgesellschaft fördern die Bereitschaft zu Aktionen.
Dass Unmut, Ideologie und Gruppenprozesse eine wichtige Rolle spielen, ist unumstritten. Unklar ist, wie wichtig diese Elemente jeweils sind und in welcher Reihenfolge sie bei einem Radikalisierungsprozess auftreten.
Warum sich eine konkrete Person radikalen Ideologien zuwendet, erschließt sich häufig, wenn man ihre individuelle Entwicklung und ihre Erfahrungen betrachtet, berichten Fachleute aus der Beratungspraxis und Distanzierungsarbeit.
Demnach spielen in vielen Fällen eine Krisenerfahrung oder ein Erlebnis des Scheiterns eine zentrale Rolle. Ebenso können Diskriminierungserfahrungen einen Einfluss haben. Insbesondere können bei Jugendlichen auch alterstypische Entwicklungsprozesse bedeutsam sein – die Ablösung von der Familie, soziale Neuorientierung sowie die Entwicklung einer eigenen Identität, auch in Bezug auf politische Fragen.
Fachleute aus der Beratungspraxis betonen zudem, dass in unsicheren Lebensphasen (z. B. aufgrund von Sinn- und Identitätskrisen) manche Angebote extremistischer Gruppen attraktiv wirken können. Sie können unter anderem Folgendes bieten:
Identitätsstiftung und Geborgenheit, Sinngebung nach einem bisher eher schwierigen Lebensweg, Erhöhung des Selbstwertgefühls durch den Anspruch, eine exklusive Wahrheit zu besitzen und einer Avantgarde anzugehören; dies mündet häufig in einem Überlegenheitsgefühl gegenüber anderen (z. B. Musliminnen und Muslimen mit anderem Islamverständnis), Klare Orientierung durch strikte Unterscheidung zwischen "gut" und "böse" bzw. "richtig" und "falsch" sowie durch charismatische Autoritäten, Mitwirken am "Kampf" für Gerechtigkeit für angeblich verfolgte bzw. bedrohte Gruppen, Zugehörigkeit zu einer starken, erfolgreichen Gemeinschaft oder Bewegung, Hoffnung auf Neustart und Reinigung von Sünden im bisherigen Leben, die Möglichkeit, aufgestauten Hass durch Gewalthandlungen zu kompensieren und dies mithilfe einer Ideologie legitimieren zu können (z. B. durch "religiöse" Begründungen, Verweis auf das prophetische Vorbild).
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Junge Menschen und gewaltorientierter Islamismus – Forschungsbefunde zu Hinwendungs- und Radikalisierungsfaktoren (Maruta Herding, Joachim Langner & Michaela Glaser, 2015) Interner Link: Diskriminierung und Radikalisierung: Zwei Seiten einer Medaille!? (Stefan E. Hößl, 2019) Interner Link: Psychosoziale Aspekte von Radikalität und Extremismus (Winnie Phla & Rebecca Friedmann, 2019) Interner Link: Wie sich zwei Teenager radikalisierten. Über das Buch "Zwei Schwestern" von Åsne Seierstad (Interview, 2018)
Ausführliche Informationen auf bpb.de
Interner Link: Radikalisierung, Deradikalisierung und Extremismus (Peter Neumann, 2013)
Video & Audio
Interner Link: Radikalisierung von Muslimen (Video, 19 Minuten, Dossier Islamismus) Interner Link: "Bilals Weg in den Terror" (Audio, 5 x 30 Minuten, NDR Kultur)
Publikationen im Shop der bpb
Interner Link: "Sie haben keinen Plan B." Radikalisierung, Ausreise, Rückkehr (Jana Kärgel (Hg.), 2017)
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2.2 Wie kann man eine Radikalisierung erkennen?
Fachleute betonen, dass jeder Fall einer möglichen Radikalisierung sorgfältig und individuell betrachtet werden muss. Demnach sind Checklisten wenig hilfreich, um einen Fall abschließend beurteilen zu können. Dennoch gibt es einige Verhaltensweisen und Äußerlichkeiten, die auf eine Hinwendung zu islamistischen Gruppen hindeuten können.
WICHTIG: All diese Merkmale können Hinweise auf Ideologisierungen oder Radikalisierungen sein, müssen es aber nicht. Einzelne Merkmale müssen nicht problematisch sein und dürfen nicht zu pauschalen Verurteilungen führen. Keines dieser Anzeichen allein bedeutet zwangsläufig, dass sich eine Person radikalisiert. Grundsätzlich gilt im Umgang mit religiös begründetem Verhalten zunächst, dass die Vielfalt unserer Gesellschaft vielfältige Lebensweisen mit sich bringt, die ein legitimer Ausdruck gelebter Religiosität sind.
Bei einer auffälligen Häufung bestimmter Verhaltensänderungen und Haltungen ist allerdings möglicherweise Wachsamkeit geboten. Besonders aufmerksam sollte man sein, wenn Jugendliche deutlich mit ihrer gewohnten Lebensweise brechen, sich auffällig verändern und dafür religiöse Gründe anführen.
Anzeichen für eine Radikalisierung könnten sein, wenn der oder die Betroffene
sich aus bisherigen Beziehungen zu Freunden und Familie zurückzieht oder von ihnen ebenfalls die Hinwendung zur Religion verlangt, bisherigen Hobbys nicht mehr nachgeht, neben der eigenen Überzeugung keine anderen Meinungen duldet (Absolutheits- oder Wahrheitsanspruch) und einer dichotomen Weltsicht mit klaren Feindbildern und Opfernarrativen anhängt ("wir gegen die", "gut gegen böse", "Muslime als Opfer des Westens"), häufig islamistische Predigten oder Online-Medien aus der Szene konsumiert oder verbreitet oder wenn andere Menschen aufgrund ihrer Lebensweise abgewertet werden (z. B. bei Homosexualität, abweichender Glaubensauffassung oder wenn es um die Verschleierung von Frauen oder eine strikte Geschlechtertrennung geht). Dieses dichotome Denken kann sich oft durch das Propagieren von Solidarität mit der eigenen Gruppe und sozialer Distanz gegenüber anderen muslimischen Gruppen und der Mehrheitsgesellschaft äußern. Ferner kann es hierbei zu demokratieskeptischen oder -feindlichen Äußerungen oder der Ablehnung des Rechtsstaats ("menschengemachtes Gesetz") kommen und zu dem Bestreben, andere von diesen Haltungen zu überzeugen.
Jedoch müssen auffällige Veränderungen nicht unbedingt Ausdruck einer problematischen Entwicklung sein. Vielmehr muss die individuelle Lebenssituation in Betracht gezogen werden. Zudem verweisen Fachleute darauf, dass Jugendliche immer neue Rollen erproben und Provokation eine alterstypische Erscheinung sein kann.
Bei der Einschätzung von Fällen helfen verschiedene Beratungsstellen. Regionale Ansprechpartner finden sich in der Interner Link: Datenbank des Infodienstes. Bundesweit leistet die Externer Link: Beratungsstelle Radikalisierung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Erstberatung und vermittelt gegebenenfalls eine längerfristige Beratung vor Ort. Sie ist erreichbar unter der Telefonnummer 0911 / 943 43 43.
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Islamistische Radikalisierung bei Jugendlichen erkennen (Interview mit Philip Mohamed Al-khazan von der Beratungsstelle Legato über Anzeichen für eine Radikalisierung, 2022) Interner Link: Diskutieren mit radikalisierten Schülerinnen und Schülern(Kurt Edler, 2016)
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2.3 Wann gilt jemand als "radikal" oder "extremistisch"?
Die Begriffe "radikal" und "extremistisch" werden häufig verwendet, aber es gibt keine allgemeingültige Definition dafür. Was als Extremismus gilt, ist in Politik, Gesellschaft und Wissenschaft umstritten.
Die Verfassungsschutzbehörden in Deutschland bezeichnen Personen und Gruppierungen als extremistisch, die sich gegen die "freiheitlich demokratische Grundordnung" wenden. Demnach gilt es als extremistisch, den demokratischen Verfassungsstaat und seine grundlegenden Werte, seine Normen und Regeln abzulehnen. Grundlage für die Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden in Deutschland ist die Einstufung als "extremistisch".
Extremistisch muss nicht gleichbedeutend mit gewaltbereit sein. Zwar tendieren Extremistinnen und Extremisten dazu, Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele zu legitimieren, zu unterstützen oder selbst auszuführen. Aber es existieren auch Strömungen, deren Ziel die Abschaffung der Demokratie ist, die dabei aber gewaltfreie Strategien verfolgen (Interner Link: siehe Abschnitt 1.4: Was ist "legalistischer" Islamismus?).
Radikale Auffassungen dagegen müssen nicht zwangsläufig als extremistisch im Sinne des Verfassungsschutzes gelten. Als radikal werden in der Regel überspitzte Denk- und Handlungsweisen bezeichnet, die auf grundlegende Veränderungen der Gesellschaft zielen. Nicht in jedem Fall schließt dies ein, die Grundprinzipien der Verfassung zu beseitigen. Was als radikal gilt, ist relativ und abhängig von gesellschaftlichen Entwicklungen, Normen und Diskursen.
Die Radikalisierungsprävention und Distanzierungsarbeit in Deutschland zielen auf Gruppen und Personen, die sich extremistischen Positionen zuwenden oder diese bereits vertreten.
Mehrere Aspekte islamistischer Ideologie stehen im Widerspruch zu demokratischen Prinzipien: Ihr zufolge steht eine angeblich von Gott vorgegebene, unantastbare Ordnung über den "menschengemachten Gesetzen". Demnach können gewählte Repräsentantinnen und Repräsentanten und ihre Körperschaften keine legitimen Gesetzgeber sein, sondern die Gesetzgebung schöpft sich ausschließlich aus Ihrer Interpretation der religiösen Schriften Koran und Prophetenüberlieferung. Auch der politische Meinungsstreit und der gesellschaftliche Pluralismus sind unter dieser Voraussetzung ausgeschlossen, ebenso die Unabhängigkeit der Gerichte.
Für viele Islamistinnen und Islamisten gelten zudem andersgläubige Menschen oder Menschen mit abweichenden Vorstellungen (auch Musliminnen und Muslime mit einem anderen Islamverständnis) als "Ungläubige" (arabisch: kuffar), was in der Praxis mit einer klaren Abwertung dieser Gruppen und damit einer Ungleichwertigkeit von Menschen einhergeht (Interner Link: siehe Abschnitt 1.1: Was ist Islamismus?).
Ausführliche Informationen auf bpb.de
Interner Link: Radikalisierung, Deradikalisierung und Extremismus (Peter Neumann, 2013)
2.4 Was hat der Islam mit Radikalisierung und Extremismus zu tun?
Jeder islamistisch motivierte Terroranschlag – vor allem in Europa – löst eine Diskussion darüber aus, welche Rolle "der Islam" bei der Radikalisierung von Personen oder Gruppen spielt. Die Frage ist weiterhin umstritten. Das Phänomen des Islamismus sollte allerdings in seiner gesamten Breite betrachtet werden und nicht ausschließlich auf Gewaltaspekte fokussieren (Interner Link: siehe Abschnitt 1.1: Was ist Islamismus?).
Klar ist, dass viele islamistische Gruppen und Attentäter behaupten, im Namen des Islams zu handeln. Weil sie selbst die Religion als Begründung für ihre Handlungen anführen, bezeichnen Fachleute dies als religiös begründeten Extremismus (Interner Link: siehe Abschnitt 2.3: Wann gilt jemand als "radikal" oder "extremistisch"?).
Jedoch gibt es kein einheitliches Verständnis des Islams, und nur eine kleine Minderheit der gläubigen Musliminnen und Muslime vertritt extremistische Interpretationen. Das Islamverständnis dieser Gruppen weicht erheblich vom Islamverständnis der Mehrheit der Musliminnen und Muslime ab. Insbesondere dschihadistische Gewalt wird von der großen Mehrheit von ihnen verurteilt. Zudem sind Opfer dschihadistischer Gewalt mehrheitlich selbst Musliminnen und Muslime.
Zur Rolle der Religion als Faktor der Radikalisierung gibt es unterschiedliche Annahmen in der wissenschaftlichen Diskussion. Sie lassen sich folgendermaßen zuspitzen: Auf der einen Seite wird das Phänomen als "Radikalisierung des Islams" interpretiert, auf der anderen Seite als "Islamisierung der Radikalität". Prominente Vertreter dieser unterschiedlichen Sichtweisen sind die französischen Wissenschaftler Gilles Kepel und Olivier Roy.
Bei der ersten Sichtweise, welche von Gilles Kepel vertreten wird, wird davon ausgegangen, dass seit einiger Zeit eine "Radikalisierung des Islams" stattfindet. Damit ist gemeint, dass sich Menschen aus muslimischen Milieus zunehmend radikalen Interpretationen des Islams zuwenden. Demnach haben dschihadistische Gruppen und deren Gewalt ihren Ursprung in diesen Milieus. Auch Kepel sieht jedoch keineswegs den Islam als ursprünglichen Faktor der Radikalisierung an, sondern die jahrzehntelange soziale Vernachlässigung muslimischer Einwandererstadtteile in seiner Heimat Frankreich.
Bei der "Islamisierung der Radikalität" – die Sichtweise, welche von Olivier Roy vertreten wird – geht es um die Annahme, dass Jugendliche die Religion als ein Mittel zur Konfrontation betrachten. Sie suchen demnach den Bruch mit der Elterngeneration und der Mehrheitsgesellschaft. Sie seien frustriert und würden die Werte der Gesellschaft bedingungslos ablehnen. Als Argument für diese Annahme wird vor allem angeführt, dass eine Einwanderungsbiografie zu Brüchen in der Identität und zu Entwurzelung führe. Diese Entwurzelung begünstige die (individuelle) Annahme einer abstrakten Idee des Islams, der von seinen lokalen Kulturen gelöst ist. Radikalität sei demnach schon immer in den Gesellschaften vorhanden gewesen. Doch während sie sich vor einigen Jahrzehnten unter anderem im Marxismus äußerte, habe diese Funktion zunehmend die Religion übernommen. Dabei spiele ebenso die Einflussnahme ausländischer Akteure auf die muslimische Diaspora in Europa eine Rolle, wie auch Social Media und Fernsehkonsum aus den Herkunftsländern.
Unabhängig davon, welcher der beiden Interpretationen man sich anschließt, haben im Laufe des letzten Jahrzehnts sozial-konservative Lesarten des Islams innerhalb der muslimischen Gemeinschaft insgesamt an Bedeutung gewonnen. Mit diesen geht teilweise eine Abwertung von Menschen außerhalb der eigenen Gruppe einher.
Bei der Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist eine Trennschärfe zwischen muslimischer Religiosität – auch wenn diese teils sehr konservativ gelebt wird – und islamistischen Bewegungen grundlegend wichtig. Gerade diese klare Unterscheidung versuchen Islamistinnen und Islamisten zu verwischen durch Diskursverschiebungen und einen Alleinvertretungsanspruch aller Musliminnen und Muslime. Damit wollen sie die eigenen Haltungen und Positionen normalisieren und weiter in den muslimischen Mainstream verschieben.
Abgesehen von der Rolle der Religion geht die Forschung davon aus, dass viele weitere Faktoren bei einer Radikalisierung mitwirken können (Interner Link: siehe Abschnitt 2.1: Warum schließen sich junge Menschen extremistischen Gruppen an?).
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Junge Dschihadisten im WhatsApp-Chat: Welche Rolle spielt die Religion? (Michael Kiefer, 2017) Interner Link: Junge Menschen und gewaltorientierter Islamismus – Forschungsbefunde zu Hinwendungs- und Radikalisierungsfaktoren (Maruta Herding, Joachim Langner & Michaela Glaser, 2015)
Ausführliche Informationen auf bpb.de
Interner Link: Salafismus in Deutschland (Bernd Ridwan Bauknecht, 2018) Interner Link: Die Wurzeln des Terrorismus in Frankreich (Interview mit Gilles Kepel, 2016)
Video & Audio
Interner Link: Radikalisierung von Muslimen (Video, 19 Minuten, Dossier Islamismus) Interner Link: "Bilals Weg in den Terror" (Audio, 5 x 30 Minuten, NDR Kultur)
Publikationen im Shop der bpb
Interner Link: "Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod" (Olivier Roy, 2018)
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3. Umgang mit Radikalisierung
3.1 Was kann man gegen Radikalisierung tun?
In der Praxis wird eine große Bandbreite von Maßnahmen angewandt, um die Hinwendung zu einer extremistischen Ideologie zu verhindern. Teilweise geht es auch darum, bereits radikalisierte Personen dazu zu bewegen, sich von extremistischen Gruppen zu lösen. Zusammenfassend werden diese Maßnahmen als Prävention bezeichnet.
Entscheidend ist, zu berücksichtigen, mit welcher Motivation sich junge Menschen extremistischen Gruppen zuwenden. In der Präventionsarbeit nimmt es großen Raum ein, zu analysieren, welche Aspekte für die Zielgruppe attraktiv sind. Denn die Gründe können sehr unterschiedlich sein (Interner Link: siehe Abschnitt 2.1 Warum schließen sich junge Menschen extremistischen Gruppen an?).
Bei der Prävention wird zwischen verschiedenen Ebenen unterschieden, je nachdem, um welche Personen oder Gruppen es geht und ob bereits Anzeichen einer Radikalisierung vorliegen.
1. Universelle Prävention: Demokratische Haltungen stärken
Die sogenannte primäre oder universelle Prävention richtet sich nicht an spezielle Zielgruppen, sondern an die Allgemeinheit. Sie spielt vor allem in Schule und Jugendarbeit eine Rolle. Primäre Prävention soll Jugendliche gegenüber Ideologien und extremistischen Gruppen und Ansprachen stärken. Sie soll demokratische Grundwerte, Vielfalt und Solidarität erlebbar machen und den jungen Menschen Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe in ihrem Umfeld aufzeigen. Dadurch stärkt primäre Prävention die Kompetenzen junger Menschen, extremistische Positionen zu hinterfragen, wenn sie mit diesen in Berührung kommen.
2. Präventionsarbeit mit gefährdeten Gruppen
Bei der sekundären Prävention beziehungsweise selektiven Prävention geht es um Maßnahmen, die sich an Zielgruppen richten, die Risikofaktoren aufweisen. Handlungsfelder sind zum Beispiel Schulen und Jugendarbeit in Stadtteilen, in denen Jugendliche mit den Ansprachen salafistischer Gruppierungen konfrontiert sind.
3. Distanzierungs- und Ausstiegsarbeit
Die Präventionsarbeit auf der dritten Ebene richtet sich an Personen, die sich bereits radikalisiert haben oder radikalisieren (tertiäre oder indizierte Prävention). Dies wird gelegentlich auch als Distanzierungs- oder Ausstiegsarbeit bezeichnet. Oft wird auch der Begriff Deradikalisierung verwendet. Dieser Begriff wird in der Wissenschaft und in der Präventionspraxis jedoch teilweise kritisch gesehen, da er suggeriert, dass mit einer einfachen Gegenmaßnahme der Prozess der Radikalisierung abrupt unterbrochen oder gar umgekehrt werden könnte.
Bei der Distanzierungsarbeit kann ein ganzes Bündel von Maßnahmen angewandt werden. Dazu gehören die Ansprache und Betreuung der Betroffenen durch Fachleute, Hilfestellungen für die Angehörigen und Fallkonferenzen. Wichtig ist dabei eine Vertrauensbasis. Denn es ist Teil der Erzählungen islamistischer Gruppen, dass sie von der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Die Betroffenen erwarten Ablehnung und Kritik; daher ist in der Beratung wertschätzende Beziehungsarbeit gefragt.
Im weiteren Verlauf geht es auch um sozialarbeiterisch-pädagogische Fragen, das heißt: um die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen und ihre Ressourcen. Ziel ist es, reale Perspektiven in der Gesellschaft aufzuzeigen. Teilhabe an der Gesellschaft muss attraktiver sein als Entfremdung und der Rückzug in die ideologisierte Gruppe.
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Radikalisierungsprävention in der Schule (Michael Kiefer, 2022) Interner Link: Zum Konzept der Prävention (Frank Greuel, 2020) Interner Link: Rubrik „Prävention & Politische Bildung im Infodienst Radikalisierungsprävention
Video
Interner Link: Strategien gegen Radikalisierung (Video, 20 Minuten, Bundeszentrale für politische Bildung)
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3.2 Was kann ich machen, wenn sich ein Freund, eine Freundin oder Angehörige islamistisch radikalisieren?
Falls sich eine Person in Ihrem Umfeld islamistisch radikalisiert, können Fachleute weiterhelfen. Sie können die Situation fachkundig einschätzen, Sie beraten und gegebenenfalls weitere Schritte einleiten. Bundesweit berät die Externer Link: Beratungsstelle Radikalisierung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, erreichbar unter der Telefonnummer 0911 943 43 43.
Darüber hinaus gibt es bundesweit weitere Beratungsangebote. Sie finden diese Angebote in der Interner Link: Datenbank des Infodienst Radikalisierungsprävention.
Fachleute betonen, dass es keine "Checklisten" für die Erkennung einer islamistischen Radikalisierung gibt, sondern dass jeder Fall sorgfältig und individuell betrachtet werden muss (Interner Link: siehe Abschnitt 2.2 Wie kann man eine Radikalisierung erkennen?).
Zudem raten sie, die Beziehung zu den Betroffenen möglichst nicht abzubrechen. Denn ein Zugang auf persönlicher Ebene und eine Vertrauensbasis können die Schlüssel dafür sein, dass Betroffene nicht in die islamistische Szene abrutschen beziehungsweise sich wieder aus dieser lösen. Entsprechende Gruppen dagegen versuchen oft darauf hinzuwirken, dass ihre Mitglieder die bestehenden Beziehungen abbrechen.
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Islamistische Radikalisierung bei Jugendlichen erkennen (Interview mit Philip Mohamed Al-khazan von der Beratungsstelle Legato über Anzeichen für eine Radikalisierung, 2022) Interner Link: Die Rolle der Angehörigen in der Radikalisierungsprävention (Interview mit Claudia Dantschke von der Beratungsstelle HAYAT, 2016) Interner Link: Datenbank des Infodienst Radikalisierungsprävention mit Beratungsstellen mit allen Bundesländern
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3.3 (Wann) Muss ich die Polizei oder Sicherheitsbehörden verständigen, wenn ich mit offenbar radikalisierten Personen zu tun habe?
Grundsätzlich gilt, dass Informationen über begangene oder bevorstehende Straftaten der Polizei gemeldet werden müssen. Die Polizei unterliegt dem Legalitätsprinzip. Dies bedeutet, dass jede dort gemeldete Information über eine Straftat per Gesetz strafrechtlich verfolgt werden muss. Das betrifft auch Straftaten, die nicht unmittelbar mit der Radikalisierung in Zusammenhang stehen, wie etwa Rauschgiftkonsum. Die Polizei hat dabei keinen Handlungsspielraum.
Anders ist dies beim Verfassungsschutz. Er ist nicht verpflichtet, jegliche Informationen zu möglichen Straftaten an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben. Die Verfassungsschutzbehörden der Länder und des Bundes nehmen Informationen über extremistische Strukturen entgegen und bieten umgekehrt dazu Beratung an. Im Falle einer vermeintlichen oder tatsächlichen Radikalisierung ist es in den meisten Fällen daher ratsam, zunächst die Beratungsstellen in den Bundesländern oder auf Bundesebene anzusprechen. Diese helfen auch weiter, wenn die meldende Person unsicher ist, ob sie sich an eine Sicherheitsbehörde wenden sollte oder dies sogar tun muss.
Regionale Ansprechpersonen finden Sie in der Interner Link: Datenbank des Infodienst Radikalisierungsprävention. Bundesweit berät die Externer Link: Beratungsstelle Radikalisierung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, erreichbar unter der Telefonnummer 0911 943 43 43.
Wenn Sie Kenntnis über eine mögliche Straftat haben und sich nicht sicher sind, ob Sie eine Ihnen nahestehende Person damit belasten, ist dringend dazu geraten, sich bereits vor der Kontaktaufnahme mit einer der oben genannten Stellen anwaltlich beraten zu lassen.
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Der rechtliche Rahmen für die Präventionspraxis (Gabor Subai, 2018) Interner Link: Zwischen Religionsfreiheit und möglicher Kindeswohlgefährdung (Nora Fritzsche, Anja Puneßen, 2017)
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4. Unterstützung & Fortbildung
4.1 Wo bekomme ich Beratung?
Eine Vielzahl von Initiativen und Beratungsstellen im gesamten Bundesgebiet berät Sie zu Islamismus, Salafismus und Radikalisierung; teilweise in mehreren Sprachen. Regionale Ansprechpersonen finden Sie in derInterner Link: Datenbank des Infodienst Radikalisierungsprävention. In der Datenbank finden Sie auch Projekte, die zu möglichen pädagogischen Maßnahmen beraten und diese auch anbieten. Die Datenbank wird laufend aktualisiert.
Bundesweit berät die Externer Link: Beratungsstelle Radikalisierung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, erreichbar unter der Telefonnummer 0911 943 43 43.
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Datenbank des Infodienst Radikalisierungsprävention mit Beratungsstellen mit allen Bundesländern
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4.2 Wo kann ich mich zu Themen wie Islam, Islamismus, Salafismus & Radikalisierungsprävention weiterbilden?
Der Infodienst Radikalisierungsprävention betreibt eine Datenbank mit Ansprechpersonen und Unterstützungsangeboten im gesamten Bundesgebiet. Es handelt sich unter anderem um pädagogische Initiativen oder Fachnetzwerke, die Weiterbildungen anbieten. Sie können in der Interner Link: Datenbank des Infodienst Radikalisierungsprävention unkompliziert nach für Sie passenden Angeboten suchen.
Wählen Sie unter Angebote "Fortbildungen und Trainings für Fachkräfte" sowie das entsprechende Bundesland. Die Datenbank wird laufend aktualisiert.
Im Newsletter des Infodienstes weisen wir außerdem regelmäßig auf Veranstaltungen und Fortbildungen hin. Sie können den Interner Link: Newsletter hier abonnieren. Fortbildungen (online und in Präsenz) sowie Fachtage finden Sie auch im Interner Link: Veranstaltungskalender des Infodienst Radikalisierungsprävention.
Informationen zum Thema bieten darüber hinaus eine Reihe von Veröffentlichungen der bpb, darunter der Interner Link: Infodienst Radikalisierungsprävention sowie das Externer Link: Dossier Islamismus auf bpb.de.
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Startseite des Infodienst Radikalisierungsprävention Interner Link: Datenbank des Infodienst Radikalisierungsprävention mit Angeboten zur Weiterbildung Interner Link: Newsletter des Infodienst Radikalisierungsprävention Interner Link: Veranstaltungskalender des Infodienst Radikalisierungsprävention
Ausführliche Informationen auf bpb.de
Externer Link: Dossier Islamismus
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5. Schule, Jugendarbeit & soziale Arbeit
5.1 Welche Materialien gibt es im Infodienst Radikalisierungsprävention für Schule & Jugendarbeit?
Handreichung: Schule und religiös begründeter Extremismus
Der Infodienst Radikalisierungsprävention hat eine Handreichung mit dem Titel Interner Link: "Schule und religiös begründeter Extremismus" erstellt. Sie soll Lehrkräften sowie Schulleitungen Orientierung bieten und damit die Grundlage für eine fachlich fundierte, qualifizierte Auseinandersetzung mit diesen Themen schaffen. Sie gibt erste Antworten auf häufige Fragen und vermittelt einen Überblick über aktuelle Publikationen und Materialien, die für die Schulpraxis relevant sind – ob als Hintergrundlektüre für Lehrkräfte oder zur konkreten Planung einer Unterrichtseinheit. Die Handreichung liefert auch für Fachkräfte der Jugendarbeit Hintergrundinformationen, pädagogische Hinweise und Materialien.
Infodienst für Schule & Jugendarbeit
Der Infodienst Radikalisierungsprävention hat relevante Hintergrundbeiträge und Materialien für verschiedene Berufsgruppen zusammengestellt:
Interner Link: Informationen für Sozialarbeiter, Sozialpädagoginnen, Erzieher, Streetworker, Beraterinnen und Betreuer Interner Link: Informationen für Lehrkräfte, Schulleitungen & Schulsozialarbeit
Materialien: Pädagogische Materialien, Video & Audio
Der Infodienst Radikalisierungsprävention hat Materialien zu Islamismus, Salafismus, Radikalisierung und Möglichkeiten der Prävention zusammengestellt:
Interner Link: Pädagogische Materialien Materialien für Sekundarstufe & Grundschule, Medien für den Unterricht sowie Hintergrundinfos für pädagogische Fachkräfte Interner Link: Dokus, Erklärvideos & Podcasts: Videos & Audios, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit Islamismus, Salafismus, Radikalisierung und Möglichkeiten der Prävention beschäftigen
Handreichung: Umgang mit Anschlägen
Die Beiträge der Infodienst-Handreichung Interner Link: „Terroranschläge, Schweigeminuten & religionskritische Karikaturen“ geben Tipps zum Umgang mit Terroranschlägen sowie mit Schweigeminuten in der Schule. Und sie geben Denkanstöße – beispielsweise zur Frage, ob es sinnvoll ist, mit den Mohammed-Karikaturen im Unterricht zu arbeiten. Eine Linkliste weist auf weitere Beiträge mit Hintergrundinformationen, auf Unterrichtsvorschläge und Medien für den Einsatz im Unterricht hin. Darunter befinden sich auch Materialien, die sich direkt an Kinder wenden.
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5.2 Wie können Schulen und Jugendarbeit Radikalisierung vorbeugen?
Schulen spielen bei der Radikalisierungsprävention eine wichtige Rolle. Die Schule ist der einzige soziale Ort, an dem alle jungen Menschen aufgrund der Schulpflicht über einen längeren Zeitraum beständig anzutreffen sind. Aber auch Fachkräfte der Jugendarbeit und der sozialen Arbeit können über ihren Kontakt mit Jugendlichen präventiv wirken. Schulen und Jugendarbeit können grundsätzlich auf verschiedenen Ebenen der Prävention tätig werden:
Universelle Prävention: Richtet sich gleichermaßen an alle Jugendlichen und soll diese für extremistische Ideologien unempfänglich machen Selektive Prävention: Richtet sich an Zielgruppen, die Risikofaktoren aufweisen
(Zu den Ebenen der Prävention siehe auch Abschnitt Interner Link: 3.2 Was kann man gegen Radikalisierung tun?)
Eine sehr große Bedeutung haben Schulen und Jugendarbeit bei der universellen Prävention. Dabei geht es weniger darum, etwas zu verhindern, sondern darum, demokratische Haltungen zu stärken. Ziel ist, Jugendliche für extremistische Ideologien unempfänglich zu machen. Sie sollen die notwendigen Kompetenzen erwerben, um die Positionen extremistischer Gruppen zu hinterfragen und sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen. Diese Ziele finden sich in ähnlichen Formulierungen in den Schulgesetzen der Länder. Wichtig ist außerdem, dass Themen wie antimuslimischer Rassismus, Antisemitismus oder Homofeindlichkeit mit den Jugendlichen diskutiert werden. Dies sensibilisiert sie für Ausprägungen verschiedener Ideologien der Ungleichwertigkeit und Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit.
Auch bei der selektiven Prävention können Schulen und Jugendarbeit eine Rolle spielen. Handlungsfelder sind zum Beispiel Schulen und Jugendarbeit in Stadtteilen, in denen Jugendliche mit Ansprachen durch islamistische Gruppierungen konfrontiert sind. Vor allem wirkt es attraktiv auf Jugendliche, dass islamistische Gruppen Gemeinschaft und Selbstwirksamkeitserfahrungen versprechen. Insbesondere die Jugendarbeit kann hier einen wichtigen Beitrag zur Prävention leisten, indem sie Alternativen anbietet, bei denen Jugendliche die gleichen Erfahrungen machen können.
Darüber hinaus können Fachkräfte aus Schule und Jugendarbeit auch dazu beitragen, eine mögliche Radikalisierung frühzeitig zu erkennen. Es gibt einige Verhaltensweisen und Äußerlichkeiten, die für eine Hinwendung zu salafistischen oder anderen islamistischen Gruppen sprechen können. Jedoch bedeutet keines dieser Anzeichen zwangsläufig, dass sich eine Person radikalisiert (siehe auch Abschnitt Interner Link: 2.2 Wie kann man eine Radikalisierung erkennen?). Fachkräfte sollten deshalb für vorurteilsfreie Arbeit sensibilisiert werden. Nicht selten sind erlebte Diskriminierung und Ausgrenzung ein Faktor dafür, dass sich Jugendliche radikalisieren.
Schulen und Jugendarbeit können auch einbezogen werden, wenn Fachleute aus speziellen Beratungsstellen mit bereits radikalisierten Personen arbeiten. Die Fachleute koordinieren die Ansprache und Betreuung der Betroffenen. Dabei wird in der Regel das Umfeld einbezogen und das Vorgehen mit wichtigen Bezugspersonen wie Lehrkräften sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern abgestimmt (siehe auch Abschnitt Interner Link: 3.2 Was kann man gegen Radikalisierung tun?).
Umgekehrt ist es sinnvoll, wenn Schulen und Jugendarbeit im Fall einer vermuteten Radikalisierung von Jugendlichen die Expertise bestehender Beratungsstellen nutzen, um professionell und unaufgeregt agieren zu können (siehe auch Abschnitt Interner Link: 4.1 Wo bekomme ich Beratung? und Abschnitt Interner Link: 4.2 Wo kann ich mich weiterbilden?).
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Handreichung: Schule und religiös begründeter Extremismus Hintergrundwissen, Handlungsoptionen und Materialien für die pädagogische Praxis im Überblick (Infodienst Radikalisierungsprävention, 2021) Interner Link: Radikalisierungsprävention in der Schule (Michael Kiefer, 2022) Interner Link: "Schulen sollten nicht alles alleine machen" (Interview mit Kurt Edler, 2015) Interner Link: Ansätze der Prävention mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen (Götz Nordbruch, 2015) Interner Link: Islamistische Radikalisierung bei Jugendlichen erkennen (Interview mit Philip Mohamed Al-khazan von der Beratungsstelle Legato über Anzeichen für eine Radikalisierung, 2022)
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5.3 Was kann ich tun, wenn ich das Gefühl habe, dass sich ein Jugendliche oder ein Jugendlicher radikalisiert?
Bei auffälligen Verhaltensweisen sollte stets eine professionelle pädagogische Herangehensweise gewahrt werden, auch bei einer vermuteten Radikalisierung. Dabei sollten sich Schulen und Einrichtungen der Jugendarbeit um eine fachkundige Einschätzung der Situation bemühen. Gegebenenfalls kann im Rahmen der jeweils geltenden Verfahrensregeln weitere Unterstützung hinzugezogen werden.
Fachleute betonen, dass es keine "Checklisten" für die Erkennung einer Radikalisierung gibt, sondern dass jeder Fall sorgfältig und individuell betrachtet werden muss (siehe auch Abschnitt Interner Link: 2.2 Wie kann man eine Radikalisierung erkennen?).
Ein erster Schritt kann sein, das Verhalten in angemessener Form direkt anzusprechen. Bei provokanten und problematischen Äußerungen kann es ratsam sein, von religiösen Aspekten zu abstrahieren und die Situation aus pädagogischer Sicht zu betrachten. Dazu gehört, auch auf mögliche Motive der Jugendlichen für das Verhalten zu achten.
Mögliche Sorgen der Jugendlichen sollten in jedem Fall ernst genommen werden. Echtes Interesse an dem, was die Jugendlichen beschäftigt, und eine wohlwollende Neugierde können eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Beziehungsarbeit sein.
Fachleute raten, die Beziehung zu den Betroffenen möglichst nicht abzubrechen. Denn ein Zugang auf persönlicher Ebene und eine Vertrauensbasis können die Schlüssel dafür sein, dass Betroffene nicht in die islamistische Szene abrutschen beziehungsweise sich wieder aus dieser lösen. Entsprechende Gruppen dagegen versuchen oft darauf hinzuwirken, dass ihre Mitglieder die bestehenden Beziehungen abbrechen.
Bei der Einschätzung von möglichen islamistischen Radikalisierungsfällen können die Beratungsstellen helfen. Regionale Ansprechpartner finden sich in der Interner Link: Datenbank des Infodienst Radikalisierungsprävention. Bundesweit berät die Externer Link: Beratungsstelle Radikalisierung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, erreichbar unter der Telefonnummer 0911 943 43 43.
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Islamistische Radikalisierung bei Jugendlichen erkennen (Interview mit Philip Mohamed Al-khazan von der Beratungsstelle Legato über Anzeichen für eine Radikalisierung, 2022) Interner Link: "Konfrontative Religionsbekundung"?! Konjunktur eines Begriffs und Möglichkeiten der pädagogischen Bearbeitung (Götz Nordbruch, 2022) Interner Link: Diskutieren mit radikalisierten Schülerinnen und Schülern (Kurt Edler, 2016) Interner Link: Datenbank des Infodienst Radikalisierungsprävention mit Beratungsstellen mit allen Bundesländern
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5.4 Eine Jugendliche oder ein Jugendlicher redet öfter vom Dschihad. Wie finde ich heraus, ob mehr dahintersteckt?
Es gibt einige Verhaltensweisen und Äußerlichkeiten, die für eine Hinwendung zu salafistischen oder anderen islamistischen Gruppen sprechen können. Aber keines dieser Anzeichen allein bedeutet zwangsläufig, dass sich eine Person radikalisiert.
Für eine Hinwendung zu islamistischen Gruppen kann die Verwendung typischer Argumentationsmuster sprechen ("Der Westen gegen die Muslime", politisches Geschehen oder historische Ereignisse religiös und/oder monokausal deuten). Fachleute betonen jedoch, dass für die Beurteilung eines Falles "Checklisten" nicht ausreichen, sondern dass jeder Fall sorgfältig und individuell betrachtet werden muss (siehe auch Abschnitt Interner Link: 2.2 Wie kann man eine Radikalisierung erkennen?).
Bei provokanten und problematischen Aussagen von Jugendlichen sollte zunächst das Gespräch gesucht werden. Oft empfiehlt es sich, den Jugendlichen nach einer Schulstunde oder Gruppenaktivität auf die Aussage anzusprechen. In keinem Fall sollten Äußerungen dieser Art einfach stehen gelassen werden.
Bei Aussagen, die andere Jugendliche angreifen und die auf eine konfrontative Religionsausübung hindeuten, sollte man hellhörig sein. Eine pädagogische Intervention ist hier in jedem Fall angezeigt. Zudem ist es wichtig hinzuschauen, ob die oder der Jugendliche neben den problematischen Aussagen auch andere Veränderungen im Verhalten zeigt, Propagandamaterial verteilt oder versucht, andere Jugendliche zu missionieren.
Bei auffälligen Verhaltensweisen sollte stets eine professionelle pädagogische Herangehensweise gewahrt werden, auch bei einer vermuteten Radikalisierung. Mögliche Sorgen der Jugendlichen sollten in jedem Fall ernst genommen werden.
Im Fall einer vermuteten islamistischen Radikalisierung sollten sich Schulen um eine fachkundige Einschätzung der Situation bemühen. Dabei können die Beratungsstellen helfen. Regionale Ansprechpartner finden sich in der Interner Link: Datenbank des Infodienst Radikalisierungsprävention. In der Datenbank finden sich zudem Ansprechpartner, die speziell zu möglichen pädagogischen Maßnahmen beraten und Unterstützung anbieten.
Bundesweit berät die Externer Link: Beratungsstelle Radikalisierung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, erreichbar unter der Telefonnummer 0911 943 43 43.
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Islamistische Radikalisierung bei Jugendlichen erkennen (Interview mit Philip Mohamed Al-khazan von der Beratungsstelle Legato über Anzeichen für eine Radikalisierung, 2022) Interner Link: "Konfrontative Religionsbekundung"?! Konjunktur eines Begriffs und Möglichkeiten der pädagogischen Bearbeitung (Götz Nordbruch, 2022) Interner Link: Diskutieren mit radikalisierten Schülerinnen und Schülern (Kurt Edler, 2016) Interner Link: Datenbank des Infodienst Radikalisierungsprävention mit Beratungsstellen mit allen Bundesländern
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5.5 Eine Jugendliche oder ein Jugendlicher trägt plötzlich betont religiöse Kleidung. Wie soll ich damit umgehen?
Das Tragen eines Kopftuches ist nicht per se ein Zeichen für eine Radikalisierung. Auch auffällige Veränderungen können Ausdruck einer unproblematischen Entwicklung der eigenen Identität sein. Dazu gehören auch Äußerlichkeiten, die zum Beispiel mit der salafistischen Szene in Verbindung gebracht werden, wie zum Beispiel das plötzliche Tragen eines Bartes.
Grundsätzlich gilt im Umgang mit religiös begründetem Verhalten, dass sich pädagogische Fachkräfte in der Schule und Jugendarbeit darüber bewusst sein sollten, dass die Vielfalt unserer Gesellschaft vielfältige Lebensweisen mit sich bringt. Wenn zum Beispiel Jugendliche lediglich das Fasten einhalten möchten oder sich offen zu ihrem Glauben bekennen, ist dies allein ein legitimer Ausdruck gelebter Religiosität.
Verhaltensänderungen können jedoch auch auf schwerwiegende Veränderungen im Leben beziehungsweise in der Familie hinweisen. Schwere Lebenskrisen wiederum können auch ein Faktor für eine mögliche Radikalisierung sein (siehe auch Abschnitt Interner Link: 2.2 Wie kann man eine Radikalisierung erkennen?).
In jedem Fall gilt es, professionell pädagogisch zu handeln. Ein erster Schritt kann es sein, das Verhalten in angemessener Form direkt anzusprechen. Ein wertschätzender und vorurteilsfreier Umgang ist hierbei angezeigt. Keinesfalls sollten Fachkräfte abwertend oder urteilend über die religiöse Kleidung der Jugendlichen oder des Jugendlichen sprechen.
Das Tragen religiöser Kleidung ist zunächst eine persönliche Entscheidung und schulrechtlich nur dann relevant, wenn beispielsweise eine Gesichtsverhüllung die Identifizierung der Person unmöglich macht. Hier kann sich die Leitung auf das Hausrecht berufen.
Im Zweifel sollten sich Fachkräfte zunächst um eine fachkundige Einschätzung der Situation bemühen. Dabei können Beratungsstellen helfen. Regionale Ansprechpartner finden sich in der Interner Link: Datenbank des Infodienst Radikalisierungsprävention. In der Datenbank finden sich zudem Ansprechpartner, die speziell zu möglichen pädagogischen Maßnahmen beraten und Unterstützung anbieten.
Bundesweit berät die Externer Link: Beratungsstelle Radikalisierung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, erreichbar unter der Telefonnummer 0911 943 43 43.
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Islamistische Radikalisierung bei Jugendlichen erkennen (Interview mit Philip Mohamed Al-khazan von der Beratungsstelle Legato über Anzeichen für eine Radikalisierung, 2022) Interner Link: "Konfrontative Religionsbekundung"?! Konjunktur eines Begriffs und Möglichkeiten der pädagogischen Bearbeitung (Götz Nordbruch, 2022) Interner Link: Umgehen mit Kindern aus salafistisch geprägten Familien – Handlungsempfehlungen für pädagogische Fachkräfte (Kim Lisa Becker, Tobias Meilicke, 2019) Interner Link: Datenbank des Infodienst Radikalisierungsprävention mit Beratungsstellen mit allen Bundesländern
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5.6 Muss ich mich mit dem Islam auskennen, wenn ich mit islamistischen Argumenten konfrontiert werde?
Grundsätzlich gilt im Umgang mit religiös begründetem Verhalten, dass sich pädagogische Fachkräfte in der Schule und Jugendarbeit darüber bewusst sein sollten, dass die Vielfalt unserer Gesellschaft vielfältige Lebensweisen mit sich bringt. Wenn zum Beispiel Jugendliche lediglich das Fasten einhalten möchten oder sich offen zu ihrem Glauben bekennen, ist dies allein ein legitimer Ausdruck gelebter Religiosität (siehe auch Abschnitt Interner Link: 2.2 Wie kann man eine Radikalisierung erkennen?).
Wenn Jugendliche jedoch provokante Positionen zu Politik und Gesellschaft äußern und dies mit der Religion begründen, kann das zu Verunsicherung führen. Um in einer solchen Situation angemessen reagieren zu können, sind ein reflektierter pädagogischer Umgang mit Religion sowie grundlegende Kenntnisse zu typischen Argumenten der islamistischen Szene hilfreich.
Dagegen gibt es auch religiös begründete Verhaltensweisen, die nicht mit den Prinzipien des Zusammenlebens in der Demokratie vereinbar sind. Zum Beispiel, wenn Jugendliche andere wegen ihres Lebenswandels bedrängen und zum Beispiel von Mädchen verlangen, ein Kopftuch zu tragen; oder wenn sie auf strikter Geschlechtertrennung bestehen. Auch vereinfachende, religiöse Deutungen von gesellschaftlichen Fragen oder des politischen Geschehens können ein Problem darstellen. Häufig geht es dabei unter anderem um den Rassismus der Mehrheitsgesellschaft oder den Nahostkonflikt.
Fachleute aus der Präventionsarbeit raten bei provokanten und problematischen Äußerungen dazu, zunächst das Gespräch zu suchen. Eine pädagogische Intervention ist hier in jedem Fall angezeigt. Dabei ist es ratsam, von religiösen Aspekten der Verhaltensweisen zu abstrahieren und die Situation aus pädagogischer Sicht zu betrachten. Dazu gehört im Fall von Provokationen, auch auf mögliche Motive der Jugendlichen für das Verhalten zu achten.
Um typische Argumente und Propaganda aus der islamistischen Szene einschätzen zu können, kann es zudem hilfreich sein, den Hintergrund grundsätzlich einordnen zu können.
So wird mit dem Begriff "Islamismus" ein bestimmtes Verständnis des Islams bezeichnet, wenn dieses Verständnis das Ziel umfasst, eine ausschließlich religiös legitimierte Gesellschafts-, Rechts- und Staatsordnung zu errichten. Dazu gehört die Annahme, dass die angestrebte Gesellschaftsordnung auf göttlicher Weisung beruht, die in Texten wie Koran und Prophetentradition (Sunna) zum Ausdruck gebracht worden sei. Das Konzept der Demokratie passt mit der Vorstellung einer von Gott vorgegebenen, unantastbaren Ordnung nicht zusammen.
In einer solchen Gesellschaftsordnung haben außerdem abweichende politische Einstellungen oder individuelle Lebensentwürfe keinen Platz. Verbunden mit dem Mangel an Toleranz ist die Annahme, dass die Welt zweigeteilt sei: Auf der einen Seite "der Islam", der "das Gute", "Wahrheit" und "Gerechtigkeit" verkörpert, auf der anderen Seite "das Böse", das häufig mit "dem Westen" gleichgesetzt wird (siehe Abschnitt Interner Link: 1.6 Was kennzeichnet islamistisches Denken und Handeln?).
Vor diesem Hintergrund sind viele religiös begründete, problematische Äußerungen von Jugendlichen auch ohne tiefergehende Kenntnisse des Islams verständlich. Was an diesen Äußerungen problematisch ist, lässt sich häufig benennen als Vereinfachung von komplexen Zusammenhängen, dualistisches Weltbild, Abwertung Andersdenkender oder Andersgläubiger, Ausgrenzung anderer oder Aufwertung und Überhöhung der eigenen Position. Dies sind problematische Aspekte, die mit Mitteln der Pädagogik adressiert werden können.
Dagegen sind viele Fachkräfte aus der Präventionsarbeit skeptisch gegenüber dem Ansatz, islamistischen Positionen mit anderen Auslegungen des Islams zu begegnen oder zu versuchen, diese mit anderslautenden Zitaten aus religiösen Schriften zu widerlegen. Denn islamistische Gruppen behaupten, der einzig wahren Auslegung des Islams zu folgen. Alle anderen gelten als "Ungläubige".
Ausführliche Informationen im Infodienst Radikalisierungsprävention
Interner Link: Handreichung: Schule und religiös begründeter Extremismus Hintergrundwissen, Handlungsoptionen und Materialien für die pädagogische Praxis im Überblick (Infodienst Radikalisierungsprävention, 2021) Interner Link: Diskutieren mit radikalisierten Schülerinnen und Schülern (Kurt Edler, 2016) Interner Link: Umgehen mit Kindern aus salafistisch geprägten Familien Handlungsempfehlungen für pädagogische Fachkräfte im Schulkontext (Kim Lisa Becker & Tobias Meilicke, 2019) Interner Link: "Konfrontative Religionsbekundung"?! Konjunktur eines Begriffs und Möglichkeiten der pädagogischen Bearbeitung (Götz Nordbruch, 2022)
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Infodienst RadikalisierungspräventionMehr Infos zu Radikalisierung, Prävention & Islamismus
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Seidensticker, Tilman (2014): Islamismus. Geschichte, Vordenker, Organisationen, München, S. 9.
Fouad, Hazim/Said, Behnam (2020): Interner Link: Islamismus, Salafismus, Dschihadismus. Hintergründe zur Historie und Begriffsbestimmung. Auf: bpb.de, Abruf am 23.5.2022.
Bundesamt für Verfassungsschutz (2019): Verfassungsschutzbericht 2018, S. 172.
Dieser Textabschnitt beruht teilweise auf dem o. g. Beitrag von Fouad/Said. Zur Begriffsentstehung und -vielfalt siehe auch Christian Meier (2021): Interner Link: Was ist eigentlich unter "politischem Islam" zu verstehen? Auf: bpb.de, Abruf am 23.5.2022.
Im heutigen Verständnis ist Salafismus zweierlei. Es ist eine Ideologie, die sich als Legitimation auf den Islam beruft. Und es ist eine religionstheoretisch eigenständige Bewegung innerhalb der islamischen Tradition. Der Salafismus weist eine eigene ideengeschichtliche Traditionslinie auf, die in der Geschichte in Teilen unabhängig von islamistischen Akteuren war. Allerdings gibt es spätestens seit dem 20. Jahrhundert vermehrt Überlappungen und diverse Anleihen, so dass die salafistische Strömung unter dem Sammelbegriff Islamismus gefasst werden kann.
Dieser Text basiert auf Christian Meier (2021): Interner Link: Was ist eigentlich unter "politischem Islam" zu verstehen? Auf: bpb.de, Abruf am 26.7.2022.
Takfir bedeutet, andere Musliminnen und Muslime zu "Ungläubigen" (arabisch: kafir, Plural: kuffar) zu erklären beziehungsweise sie der Apostasie, dem Abfall vom Glauben, zu beschuldigen.
Dieser Textabschnitt beruht teilweise auf dem o. g. Beitrag von Fouad/Said (2020) und Gudrun Krämer (2011): Demokratie im Islam. Der Kampf für Toleranz und Freiheit in der arabischen Welt, München: C.H.Beck.
Bundesministerium des Innern und für Heimat (2022): Externer Link: Verfassungsschutzbericht 2021, S. 196. Auf: verfassungsschutz.de, Abruf am 24.8.2022.
Dieser Textabschnitt beruht teilweise auf dem Beitrag von Thomas Schmidinger (2020): Interner Link: "Legalistischer Islamismus" als Herausforderung für die Prävention. Was tun, wenn Gewalt nicht das Problem ist? Auf: bpb.de, Abruf am 23.5.2022.
Bundesministerium des Innern und für Heimat (2022): Externer Link: Verfassungsschutzbericht 2021, S. 221. Auf: verfassungsschutz.de, Abruf am 24.8.2022.
Bundesministerium des Innern und für Heimat (2022): Externer Link: Verfassungsschutzbericht 2021, S. 189. Auf: verfassungsschutz.de, Abruf am 24.8.2022.
Die Beschreibung der Gruppierungen ist entnommen aus Interner Link: Armin Pfahl-Traughber (2015): Salafismus – Was ist das überhaupt? Auf: bpb.de, Abruf am 23.6.2022.
Deutscher Bundestag: Externer Link: Drucksache 20/1572. Auf: dserver.bundestag.de, Abruf am 23.6.2022.
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2023-06-07T00:00:00 | 2018-12-14T00:00:00 | 2023-06-07T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/infodienst/282574/faq-haeufig-gestellte-fragen-zu-islamismus-und-radikalisierung/ | Warum schließen sich Menschen extremistischen Gruppen an? Was kann man dagegen tun? Und hat der Islam etwas mit Extremismus zu tun? Hier finden Sie Antworten zu häufig gestellten Fragen. | [
"Infodienst Radikalisierungsprävention",
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Das Internet der Dinge in der Bildungspraxis | Hackathon: Selbstbestimmt leben in der vernetzten Gesellschaft | bpb.de |
Für einen schnellen Überblick: 0:06 - Welche Rolle spielt das Internet der Dinge in Ihrem Arbeitskontext? 1:07 - Wie vermitteln Sie Lernenden das Internet der Dinge? 2:22 - Wie kann das Internet der Dinge für die politische Bildung nutzbar gemacht werden? 3:02 - Was sind Ihrer Meinung nach die kritischen Aspekte im Bereich IoT? 3:32 - Wie können wir uns souverän in einer vernetzen Gesellschaft bewegen?
Hintergrundinformationen zum Interview
Das Interview wurde im Rahmen des Interner Link: Hackathons der Werkstatt "Selbstbestimmt leben in der vernetzten Gesellschaft" am 26. und 27. November 2016 in Berlin aufgezeichnet. Der Hackathon ging der Frage nach, welchen Beitrag vernetzte Technologien für die politische Bildung leisten können. Die Teilgebenden aus verschiedenen Fachrichtungen entwickelten gemeinsam Prototypen zu dieser Fragestellung. Tobias Thiel war Teil der Gruppe Protestroboter und arbeitete mit am Prototyp "Marvin". Mehr Informationen zu den entstandenen Prototypen Interner Link: finden Sie hier.
Das Interview wurde im Rahmen des Interner Link: Hackathons der Werkstatt "Selbstbestimmt leben in der vernetzten Gesellschaft" am 26. und 27. November 2016 in Berlin aufgezeichnet. Der Hackathon ging der Frage nach, welchen Beitrag vernetzte Technologien für die politische Bildung leisten können. Die Teilgebenden aus verschiedenen Fachrichtungen entwickelten gemeinsam Prototypen zu dieser Fragestellung. Tobias Thiel war Teil der Gruppe Protestroboter und arbeitete mit am Prototyp "Marvin". Mehr Informationen zu den entstandenen Prototypen Interner Link: finden Sie hier.
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-02-02T00:00:00 | 2016-12-19T00:00:00 | 2022-02-02T00:00:00 | https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/239297/das-internet-der-dinge-in-der-bildungspraxis/ | Das Internet der Dinge ist unsichtbar, allgegenwärtig, autonom – und damit schwer zu fassen. Aber es birgt viel Potenzial, auch im Bildungsbereich. Tobias Thiel ist Referent für politische Jugendbildung an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt e. | [
"Tobias Thiel",
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"Anfangs galt Demokratie noch als Elitenprojekt" | Politische Bildung | bpb.de | Herr Frei, Herr Schanetzky, wie gut ist die Nachkriegsgeschichte der politischen Bildung in Deutschland erforscht?
Norbert Frei – In einem engeren institutionengeschichtlichen Sinne liegt einiges vor, für die Bundeszentrale für politische Bildung ist dabei in erster Linie die Arbeit von Gudrun Hentges zu nennen. Aber wir wissen immer noch verhältnismäßig wenig über die Motivationen der Akteure im Feld der politischen Bildung, kaum etwas über ihre praktische Arbeit und fast gar nichts über die Wirkung und Bedeutung dieser Initiativen – wobei Letzteres methodisch allerdings auch nur schwer in den Griff zu kriegen ist.
Ihr Forschungsprojekt trägt den Titel "Politische Bildung. Ideen und Praktiken der Demokratisierung nach 1945". Warum haben Sie sich dazu entschieden, den Titel breiter zu formulieren und nicht nur auf die Bundeszentrale für Heimatdienst und die spätere Bundeszentrale für politische Bildung zuzuschneiden?
Norbert Frei – Wir wollen tatsächlich weg von einer isolierten Betrachtung der Institutionen der politischen Bildung, wir wollen das Thema in den gesellschafts- und ideengeschichtlichen Zusammenhang stellen, in den es aus unserer Sicht gehört: also in die Geschichte der Demokratiebegründung in der jungen Bundesrepublik. Da sind, so glauben wir, noch manche Entdeckungen zu machen und Zusammenhänge herzustellen, die bisher nur wenig beachtet wurden – etwa im Sinne einer Erfahrungsverarbeitung der Geschichte der Weimarer Republik, die doch von einer ganzen Reihe von Persönlichkeiten aus Politik, Medien und Kultur vorangetrieben wurde, aber auch hinsichtlich der materiellen und ideellen Unterstützung durch die westlichen Alliierten.
Tim Schanetzky – Und wir wollen neben der Institutionenforschung die konkrete Praxis der politischen Bildung und auch ihre Inhalte nicht zu kurz kommen lassen. Deshalb schauen wir uns zwei regionale Kontexte genauer an. In West-Berlin gab es eine besondere Konstellation schon durch die symbolische Bedeutung der Stadt im Kalten Krieg und durch den ganz alltäglichen Umgang mit der Systemalternative. Und in Baden-Württemberg verwiesen die Akteure immer wieder auf die liberale Demokratietradition. Wir glauben, dass wir das Thema nur so in seiner ganzen Breite fassen können. Um nur ein Beispiel zu nennen: In Baden-Württemberg war politische Bildung nicht nur das, was in Stuttgart erdacht oder von Politikwissenschaftlern wie Theodor Eschenburg in Tübingen oder Arnold Bergstraesser in Freiburg dafür erklärt wurde. Sondern dazu gehörte auch das Engagement von Praktikern wie dem Grafikdesigner Otl Aicher und seiner Frau Inge Aicher-Scholl. Deren intellektuelle Suchbewegungen führten in Ulm zunächst zur Gründung einer Volkshochschule und dann zum Versuch, das Bauhaus – angepasst an neue Bedingungen – wiederaufleben zu lassen.
Wie genau sieht Ihr Forschungsprojekt aus?
Tim Schanetzky – Wir haben uns im vorigen Jahr mit einem Konzeptpapier auf eine Ausschreibung der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien beworben. Das Projekt wird von dort aus bis Ende 2020 gefördert, und es umfasst drei Einzelstudien. Diese schauen aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf die Zeit von 1945 bis Mitte der 1970er Jahre. Wir untersuchen die Geschichte der Bundeszentrale, fragen daneben aber auch, welche Bedeutung die politische Bildung für wissenschaftliche Disziplinen wie die Politikwissenschaft und die entstehende Zeitgeschichtsschreibung hatte. Im Mittelpunkt des Projekts steht damit ausdrücklich jener Bereich der politischen Bildung, der Erwachsene ansprechen will. Das schließt wichtige Aspekte aus, etwa den Schulunterricht, die Lehrplangestaltung und die entsprechende politische Koordinierung in der Kultusministerkonferenz. Letzteres wird aber ein Arbeitsschwerpunkt von Till Kössler und Phillip Wagner an der Universität Halle-Wittenberg sein – wir sind also nicht die einzigen Zeithistoriker, denen entsprechende Forschungslücken aufgefallen sind.
Welche Ergebnisse erwarten Sie und wo könnten Überraschungen liegen?
Norbert Frei – In vielen Forschungsprojekten zur NS-Vergangenheit von Ministerien, Behörden und Parlamenten ist konstatiert worden, dass es doch nach wie vor erklärungsbedürftig sei, wie es der jungen Bundesrepublik ungeachtet aller personellen Kontinuität so rasch gelingen konnte, stabile demokratische Verhältnisse zu etablieren. Wir gehen davon aus, dass politische Bildung ein Bereich ist, in dem diese komplizierten Aushandlungs- und Umdeutungsprozesse nicht nur greifbar werden, sondern dass hier die Akteure noch am ehesten gezwungen gewesen sind, darüber zu reflektieren, was Demokratie ist und wie eine demokratische Ordnung gelingen kann. Das unterscheidet die Erforschung der politischen Bildung von der sogenannten Behördenforschung, weil im Alltagsgeschäft von Spitzenbeamten nur höchst selten überhaupt Gelegenheit für solche Reflexionen war. Wenn es uns gelingen sollte, diesen intellektuellen Selbstfindungsprozess zu rekonstruieren und gleichzeitig deutlich zu machen, mit welchen Praktiken er verknüpft war, wie er in internationale Strömungen eingebettet war – dann wäre schon viel gewonnen.
Tim Schanetzky – Besonders interessiert uns ja auch die Umbruchszeit der 1960er und 1970er Jahre. Hier kommt vieles zusammen: Über die Geschichte der Institutionen in dieser Zeit ist bis dato noch gar nicht geforscht worden. Daneben sind viele Deutungen im Umlauf, die vor allem eine große Geschichte von Emanzipation, Professionalisierung und innerer Demokratisierung erzählen. Dafür spricht sicher sehr viel. Aber es handelt sich eben auch um eine Erzählung, die maßgeblich von den damaligen Akteuren mitgeprägt worden ist. Nach aller Erfahrung kann quellengestützte Forschung in einem solchen Zusammenhang zu produktiven Überraschungen führen.
Endzeitpunkt Ihres Forschungszeitraums ist der "Beutelsbacher Konsens" im Jahr 1976. War dies der Moment, in dem sich die politische Bildung in der BRD konsolidiert hat und der Streit über die inhaltliche und methodische Ausrichtung beigelegt oder zumindest eingehegt wurde?
Tim Schanetzky – Für uns ist dies zunächst einmal ein ganz pragmatisch gesetzter Endpunkt für unseren Untersuchungszeitraum, weil sich die Akteure damals auf professionelle Mindeststandards der politischen Bildung verständigt haben, die bis heute anerkannt sind. Das bedeutet aber nicht, dass danach nicht weiter um Inhalte und Bedeutung der politischen Bildung gerungen worden wäre: Es bleibt ja bis in die Gegenwart bei einem instrumentellen Verhältnis der Politik zur politischen Bildung – im Alltagsgeschäft ist die Bildungsarbeit offenbar nichts, mit dem sich politisches Renommee ernten ließe, aber in Krisenzeiten steht sie plötzlich ganz im Zentrum der Aufmerksamkeit. Das war 1959/1960 so, als die sogenannte "Schmierwelle" die internationale Öffentlichkeit auf den westdeutschen Antisemitismus aufmerksam machte …
Norbert Frei – … und es ist noch heute so, wenn man die hektischen Reaktionen auf zweistellige AfD-Wahlergebnisse und Pegida-Demonstrationen, etwa in Sachsen, betrachtet.
Die Gründung der bpb erfolgte ja nicht aus dem Nichts, sie wurde angekündigt als Nachfolger der Reichszentrale für Heimatdienst. Welche Rolle spielt in Ihrem Forschungsprojekt die Zeit vor 1945?
Norbert Frei – Auch hier ist das Reizvolle, dass die politische Bildung mit diesen Bezügen auf die Zeit vor 1933 gerade keine Ausnahme ist. Ganz gleich, ob bei den sich neu gründenden Parteien, in den Medien oder beim Verfassungskonvent in Herrenchiemsee: Überall wird an diese Erfahrung angeknüpft, personell und ideell, und als Vergleichshorizont bleibt Weimar auch weit über die Anfangsjahre der zweiten Republik hinaus immer präsent.
Tim Schanetzky – Der Historiker Sebastian Ullrich hat das einmal treffend den "Weimar-Komplex" genannt. Dass es dabei auch darum ging, positive Demokratietradition zu stiften und den NS-Staat gewissermaßen als "Betriebsunfall" abzutun, wird uns ebenso interessieren wie wir natürlich den individuellen Erfahrungshintergrund der Akteure immer im Blick behalten müssen. Letzteres schließt die Wahrnehmung der Weimarer Zeit ebenso ein wie das "Dritte Reich", aber eben auch die Erfahrung des Exils und jener Aufbrüche und Experimente, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit vielerorts möglich waren.
Inwiefern sehen Sie "intellektuelle und personelle Kontinuitätslinien zum Nationalsozialismus", von denen in Herrn Gütles Beitrag in dieser Ausgabe die Rede ist?
Tim Schanetzky – Nach allem, was wir bisher über das Leitungspersonal der Bundeszentrale wissen, spielte die Wiederverwendung früherer NSDAP-Mitglieder dort eine geringere Rolle als in anderen Bundesbehörden. Mit "intellektueller Kontinuität" ist wohl auch nicht gemeint, dass die Inhalte der politischen Bildungsarbeit überwiegend in nationalsozialistischen Denkfiguren wurzelten. Aber es ist doch mit Händen zu greifen, dass die Idee der Propaganda im Kontext des Kalten Krieges noch lange aktuell blieb. Heute scheinen uns Propaganda und politische Bildung kaum mehr miteinander vereinbar zu sein – jedenfalls wenn man von der Idee ausgeht, dass politische Bildung selbstständige und kritische Bürger adressieren möchte. Aber anfangs galt Demokratie eben noch als eine Art Elitenprojekt, entsprechend staatsgläubig präsentierten sich zunächst auch viele Akteure der politischen Bildung. In Baden-Württemberg beispielsweise hieß der Verein, aus dem später die dortige Landeszentrale hervorgehen sollte, ganz programmatisch "Der Bürger im Staat".
In den vergangenen Jahren wurde und wird viel geforscht zur Vergangenheit deutscher Behörden. Auch Sie, Herr Frei, haben auf diesem Feld gearbeitet. Mit welchem Ziel und zu welchem Nutzen sollten wir uns heute noch mit der Institutionengeschichte der frühen Bundesrepublik beschäftigen?
Norbert Frei – In den letzten zehn, zwölf Jahren – die Unabhängige Historikerkommission zur Geschichte des Auswärtigen Amts nahm 2006 ihre Arbeit auf – ist in der Tat eine Menge passiert, und man kann sich kaum vorstellen, dass dies noch lange in dieser Intensität weitergeht. Zwar sind zuletzt noch große Projekte in Gang gesetzt worden, darunter Geschichte der Bundesbank, des Bundeskanzleramts und der Treuhandanstalt. Aber das geht inzwischen zum Teil schon über "Behördenforschung" im engeren Sinn hinaus. Dass es überhaupt zu dieser Konjunktur kam, erklärt sich nicht zuletzt aus der Genese der zeitgeschichtlichen Bundesrepublik-Erforschung: Die begann in den siebziger und achtziger Jahren ja noch in der Gegenwart der Zeitgenossen der NS-Zeit – und machte um Fragen nach personellen und institutionellen Kontinuitäten folglich einen diskreten Bogen. Insofern war und ist die "Behördenforschung" auch ein Stück nachgetragene historisch-politische Selbstaufklärung der deutschen Gesellschaft.
Denken Sie, dass sich aus der Vergangenheit der politischen Bildung und deren Erforschung Schlüsse für die Gegenwart ziehen lassen?
Norbert Frei – Gewiss sind viele Formen und Ansätze der politischen Bildung nach 1945 auf die Gegenwart eines Landes, das inzwischen eine siebzigjährige Demokratiegeschichte aufweist, nicht einfach übertragbar; vieles waren doch sehr spezifische Herausforderungen, die sich aus der Notwendigkeit der Verwandlung der Volksgenossen der NS-Zeit in die Bürger der Bundesrepublik ergaben. Aber Demokratieerziehung ist eine permanente Aufgabe, und dafür kann es nicht schaden, ein bisschen mehr darüber zu wissen, wie dies nach 1945 gelungen ist – nicht ohne Schwierigkeiten und Rückschläge, aufs Ganze gesehen jedoch relativ zügig. Das heißt freilich nicht, dass ich glaube, die Rezepte von damals ließen sich einfach auf die heutigen, vielleicht sogar größeren Herausforderungen – man denke nur an die Macht der sozialen Medien – übertragen. Das Interview führte Christina Lotter im Februar 2018 per E-Mail. | Article | , Norbert Frei | , Tim Schanetzky | 2022-02-17T00:00:00 | 2018-03-20T00:00:00 | 2022-02-17T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/266586/anfangs-galt-demokratie-noch-als-elitenprojekt/ | In ihrem neuen Projekt erforschen die Historiker Norbert Frei und Tim Schanetzky die Geschichte der politischen Bildung nach 1945 in Deutschland. Ein Interview. | [
"Demokratisierung",
"Reeducation",
"politische Bildung",
"Institutionengeschichte"
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Grundprobleme der Vergütung ärztlicher Leistungen | Gesundheitspolitik | bpb.de | Vertiefende Hintergrundinformationen
Dieses Lernobjekt bietet vertiefende Informationen zur Vergütung ambulanter ärztlicher Leistungen. Die Ausführungen setzen bei den Lesenden die Kenntnis der Grundlagen des gegenwärtigen Vergütungssystems in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) voraus, die in dem Lernobjekt "Interner Link: Ambulante ärztliche Versorgung" vermittelt werden.
Verwandte Lerntour
Interner Link: Ambulante ärztliche Versorgung Teil 3: Vergütung vertragsärztlicher Leistungen
Geht man vom Wohl des Patienten aus, sollte ein Vergütungssystem für den Arzt einen finanziellen Anreiz schaffen, Art und Umfang seiner Leistungen am Versorgungsbedarf des Patienten auszurichten. Dies bedeutet auch, dass es ausdrücklich keine Anreize enthalten sollte, sich nicht am Wohl des Patienten, sondern an anderen Zielen, zu orientieren. Außerdem sollte ein Vergütungssystem das Honorar leistungsgerecht unter den Ärzten verteilen. Grundformen der Vergütung ärztlicher Leistungen
Die ärztliche Versorgung kann nach unterschiedlichen Kriterien vergütet werden. Es lassen sich vier Hauptformen unterschieden:
Die Vergütung nach der Menge der erbrachten Leistungen (Einzelleistungsvergütung) Die Vergütung nach der Zahl der bei einem Arzt eingeschriebenen Patienten (Kopfpauschale) Die Vergütung nach der Zahl der aufgetretenen Behandlungsfälle (Fallpauschale) Die Vergütung nach der Dauer der Arbeitszeit (Gehalt).
Jede dieser Grundformen lässt sich ausdifferenzieren. So können z.B. bei einer Fallpauschale, die den Behandlungsbedarf zunächst nicht berücksichtigt, zusätzlich Diagnose- oder Altersmerkmale aufgenommen werden. Auch andere Vergütungskriterien, wie etwa die Qualifikation des Arztes oder der Erfolg der ärztlichen Behandlung, können hinzutreten. Darüber hinaus lassen sich die genannten Hauptformen der Vergütung auch miteinander kombinieren. So können z.B. bei einer Einzelleistungsvergütung bestimmte Leistungen ausgegliedert, zusammengefasst und pauschal vergütet werden.
Die verschiedenen Vergütungsformen setzen unterschiedliche finanzielle Anreize für die Leistungserbringung .
Interner Link: Ambulante ärztliche Versorgung Teil 3: Vergütung vertragsärztlicher Leistungen
Vergütungsformen werden mit der Erwartung eingesetzt, dass sich die ärztliche Leistungserbringung nicht nur von medizinischen Kriterien, sondern auch von ökonomischen Zielen leiten lässt. Mit der Entscheidung für eine bestimmte Vergütungsform (bzw. deren Kombinationen) sollen die Ärzte dazu veranlasst werden, Art und Umfang ihrer Leistungen an den gesundheitspolitischen Zielen auszurichten. Ärzte müssen diesen Anreizen nicht unbedingt folgen. Ärztliche Handlungsnormen oder ärztliche Sozialisation, die Furcht vor einer Abwanderung von Patienten oder einem Ansehensverlust im Kollegenkreis können sie veranlassen, sich anders zu verhalten, als es ihr finanzielles Interesse nahe legt. Wissenschaftliche Untersuchungen und vielfältige Erfahrungen zeigen aber, dass sie trotzdem eine Wirkung auf die ärztliche Behandlungsweise bzw. das ärztliche Abrechnungsverhalten haben .
Die jeweiligen Vergütungsformen sind mit unterschiedlichen Interessen von Kostenträgern und Ärzten verknüpft. Sie verteilen das Morbiditätsrisiko (siehe Lerntour "Interner Link: Vergütung vertragsärztlicher Leistungen") in unterschiedlicher Weise auf diese Akteure: Die Einzelleistungsvergütung verlagert das Risiko aufwendiger Behandlungen auf die Krankenkassen, pauschalierte Vergütungsformen auf die Leistungserbringer. Vergütungsformen in der ambulanten Versorgung können auch die Leistungserbringung anderer Einrichtungen, insbesondere des stationären Sektors, beeinflussen.
Einzelleistungsvergütung
Bei der Einzelleistungsvergütung hängt die Höhe des individuellen Arzthonorars von der Menge seiner Leistungen ab. Handelt der Arzt ökonomisch rational, wird er versuchen, die Zahl der Behandlungsfälle sowie die Leistungsmenge je Patient und je Zeiteinheit so weit wie möglich zu erhöhen. Gleichzeitig wird er dazu neigen, bevorzugt solche Leistungen zu erbringen, bei denen das Verhältnis von Aufwand (Kosten, Arbeitszeit) einerseits und Honorar andererseits möglichst günstig ausfällt. Die Einzelleistungsvergütung begünstigt somit eine medizinisch nicht notwendige Mengenausweitung, insbesondere die Ausweitung technisch-apparativer Diagnoseleistungen, und die Erhöhung des Patientendurchlaufs ("Fünf-Minuten-Medizin") – Merkmale, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben. Außerdem schwächt sie das Interesse des Arztes an einer wirksamen Prävention. Allerdings ist es bei Anwendung der Einzelleistungsvergütung am wenigsten wahrscheinlich, dass der Arzt Krankheiten, die im Entstehen begriffen sind, übersieht.
Kopfpauschale
Eine Kopfpauschale koppelt das ärztliche Honorar an die Zahl der eingeschriebenen Patienten. Der Arzt wird bestrebt sein, diese Zahl zu erhöhen. Weil die Höhe der Pauschale unabhängig vom Behandlungsaufwand ist, kann der Arzt seine Einnahmen in dem Maße steigern, wie es ihm gelingt, die durchschnittlichen Behandlungskosten je eingeschriebenem Versicherten zu senken. Daraus erwächst erstens die Gefahr einer Unterversorgung von Patienten. Entstehende Krankheiten können in der Tendenz leichter übersehen oder nicht angemessen behandelt werden. Zweitens steigt in diesem Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit, dass Ärzte Patienten mit einem überdurchschnittlichen Behandlungsbedarf an andere Versorgungseinrichtungen (Krankenhaus, niedergelassene Kollegen) weiterverschieben. Drittens erhalten sie einen Anreiz, Risikoselektion zu betreiben, also – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – die Einschreibung behandlungsaufwendiger Patienten zu vermeiden. Allerdings kann die Kopfpauschale auch das Interesse an einer wirksamen Krankheitsprävention wecken, da der Arzt auch für jene Patienten honoriert wird, die ihn nicht zur Behandlung aufsuchen. Weitere Probleme können erwachsen, wenn – wie dies mitunter geschieht – sich die Kopfpauschale nicht nur auf die selbst erbrachten Leistungen des Arztes bezieht, sondern auch noch veranlasste Leistungen (z.B. Arzneimittel oder Krankenhausbehandlung einschließt). Im letzteren Fall wandelt sich der Arzt zum verantwortlichen Manager der gesamten Patientenversorgung. Die Steuerungsprobleme drohen sich dann auch auf die veranlassten Leistungen auszuweiten.
Fallpauschale
Die Fallpauschale schafft den Anreiz, die Zahl der Behandlungsfälle je Zeiteinheit zu erhöhen. Da die Vergütung unabhängig vom Behandlungsaufwand ist, hängt, wie bei der Kopfpauschale, die Höhe der Einnahmen von der Fähigkeit ab, die Behandlungszeiten und -kosten zu verringern. Somit sind bei der Fallpauschale die für die Kopfpauschale typischen Risiken verbunden. Insofern geht auch von der Fallpauschale der Anreiz zu einer – auch medizinisch nicht indizierten – Mengenbegrenzung aus. Allerdings ist bei einer Fallpauschale das Interesse an einer wirksamen Prävention geringer als bei einer Kopfpauschale, weil die Vergütung nur fällig wird, wenn der Patient mindestens einmal pro Zeiteinheit – in der Regel einem Quartal – den Arzt aufsucht.
Gehalt
Bei der Vergütung mit einem Gehalt sind die Einnahmen des Arztes abhängig von seiner Arbeitszeit. Art und Umfang der Leistungen, aber auch die Zahl der Behandlungsfälle oder der eingeschriebenen Patienten spielen keine Rolle. Einen finanziellen Anreiz zu einer besonders engagierten Patientenversorgung hätte er nicht. Allerdings würde er auch nicht von einer Unter- oder Überversorgung es Patienten profitieren. Die Motivation zu einer angemessenen Versorgung würde nur aus einer empfundenen Verpflichtung gegenüber dem Patienten und der ärztlichen Aufgabe erwachsen. Die Vergütung mit einem festen Gehalt spielt in der ambulanten Versorgung im deutschen Gesundheitswesen eine geringe, mit der Zunahme der Zahl von angestellten Ärzten in der vertragsärztlichen Versorgung aber wachsende Rolle.
Verwandte LerntourAmbulante ärztliche Versorgung Teil 1: Strukturen und Versorgungsformen
Interner Link: Zur Lerntour
Ausgabenobergrenzen: Budgets und Regelleistungsvolumina
Jenseits dieser Grundformen der Honorierung werden in der Gesundheitspolitik zur Kostendämpfung häufig Ausgabenobergrenzen eingesetzt. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Budgets und Regelleistungsvolumina. Budgets ("Ausgabendeckel") stellen eine strikte Ausgabengrenze dar. Sie spielten in den Jahren nach 1993 eine sehr große Rolle, als mit dem Gesundheitsstrukturgesetz in zahlreichen Sektoren und bei einzelnen Leistungserbringern eine Budgetierung eingeführt wurde. Regelleistungsvolumina orientieren sich an Durchschnittswerten. Hier können – manchmal gekoppelt an bestimmte Voraussetzungen – Leistungen auch jenseits der Obergrenze abgerechnet werden, in der Regel zu einem niedrigeren Preis ("Abstaffelungen"). Hier ist der Deckel also ein Stück weit offen. Regelleistungsvolumina sind unter dem Gesichtspunkt der Kostendämpfung im Vergleich zu Budgets damit das weichere Steuerungsinstrument (siehe Lerntour: "Ambulante ärztliche Versorgung, Teil 3: Interner Link: Vergütung vertragsärztlicher Leistungen").
Verwandte LerntourAmbulante ärztliche Versorgung Teil 3: Vergütung vertragsärztlicher Leistungen
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Steuerungsprobleme des Vergütungssystems
Die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen war in den vergangenen Jahrzehnten eine Dauerbaustelle. Die zahlreichen Reformen haben vermutlich dazu beitragen, dass die offenkundigen Fehlsteuerungen bei der Vergütung von Ärzten eingedämmt wurden konnten. Mit der Einführung einer morbiditätsbezogenen Gesamtvergütung bietet sich die Möglichkeit, dass das Vergütungssystem hilft, das Leistungsgeschehen stärker am Behandlungsbedarf der Versicherten auszurichten. Dennoch bleiben erhebliche Steuerungsprobleme bei der vertragsärztlichen Vergütung bestehen. Einige von ihnen resultieren aus der Anwendung finanzieller Anreize auf gesundheitsbezogene Leistungen: Der Einsatz finanzieller Anreize beruht auf der Erwartung, dass Ärzte sich bei der Behandlung an diesen Anreizen orientieren. Anderenfalls wäre ihre Anwendung überflüssig. Die Erfahrungen mit den Auswirkungen neuer Leistungsbewertungen auf das Leistungsgeschehen zeigen denn auch, dass finanzielle Anreize in der Tat eine Steuerungsfunktion haben. Probleme für die Versorgung können primär dann entstehen, wenn das finanzielle Interesse des Arztes nicht mit dem Behandlungsbedarf des Patienten zusammenfällt. In diesem Fall kann der Arzt seinem finanziellen Interesse den Vorzug geben. Auch intelligente Steuerungssysteme sind kaum in der Lage, derartige Konstellationen und Reaktionen zu verhindern. Der Arzt befindet sich im Behandlungsprozess in einer starken Position, weil er mit der Definitionsmacht über den Behandlungsbedarf ausgestattet ist. Er hat einen Informations- und Wissensvorsprung sowohl gegenüber dem Patienten als auch gegenüber dem Kostenträger. Dies bietet ihm vielfältige Möglichkeiten, sich bei der Behandlung auch an den eigenen Interessen zu orientieren. Insbesondere trifft dies auf die ambulante Versorgung zu tun, denn hier gibt der hohe Anteil diffuser Beschwerden in vielen Fällen keinen zwingenden Behandlungsablauf vor. Die Folgen des Auseinanderfallens von finanziellen Anreizen und individuellem Versorgungsbedarf können für den Patienten sehr unterschiedlich sein. Folgende Auswirkungen sind denkbar:
eine Vorenthaltung notwendiger medizinischer Leistungen, insbesondere bei Budgets oder Pauschalvergütungen; eine Überversorgung, die vor allem bei einer Einzelleistungsvergütung wahrscheinlich ist, insbesondere wenn kein Ausgabendeckel existiert; die zeitliche Verschiebung von Behandlungen (z.B. eine Wiedereinbestellung im nächsten Quartal, um einen neuen Behandlungsfall auszulösen) oder deren institutionelle Verschiebung (z.B. eine Überweisung an Kollegen, um die Überschreitung von Ausgabengrenzen zu vermeiden).
Untersuchungen deuten darauf hin, dass derartige Verhaltensweisen keine Ausnahmen sind, allerdings lassen sich über ihre Verbreitung keine verlässlichen Aussagen machen . Ärzte könnten dann immun gegen solche Verhaltensweisen sein, wenn sie ihrer Verpflichtung gegenüber den Patienten absolute Priorität einräumen würden. Allerdings dürfte eine solche Haltung nicht sonderlich weit verbreitet sein – diesen Eindruck vermitteln zumindest viele Erfahrungen mit dem ärztlichen Leistungsgeschehen in der GKV, das ärztliche Leistungsgeschehen im Bereich der privaten Krankenversicherung und die aktuellen Erfahrungen im Umgang mit individuellen Gesundheitsleistungen. Vielleicht kann man dies auch nicht wirklich erwarten, denkt man an die angesichts der Allgegenwart und Stärke finanzieller Anreize in der medizinischen Versorgung. Der Kern des Problems liegt eher in der Struktur der Anreize als in den ärztlichen Reaktionen auf diese Anreize. Freilich kann diese Feststellung ärztliches Fehlverhalten nicht entschuldigen. Die möglichen Konflikte zwischen finanziellen Interessen und Patientenwohl haben den Gesetzgeber und die gemeinsame Selbstverwaltung in den zurückliegenden Jahren veranlasst, nach und nach ein engmaschiges Vorschriftenwerk zu schaffen, das diverse Instrumente zur Kontrolle des ärztlichen Leistungsgeschehens enthält. Auf diese Weise sollen wahrgenommene Fehlanreize finanzieller Steuerungsinstrumente üblicherweise korrigiert und antizipierte Fehlanreize vermieden oder zumindest eingeschränkt werden. Allerdings haben diese Vorschriften ihrerseits Anlass für neue Ausweichreaktionen gegeben. Auf diese Weise entsteht eine Bürokratisierungsspirale, die insbesondere von Ärzten und Ärzteverbänden lautstark beklagt wird. Eine solche flankierende Re-Regulierung ist freilich unvermeidlich, wenn die politischen Entscheidungsträger schon auf finanzielle Anreize in der Leistungserbringung setzen. Ob die betreffenden Instrumente tatsächlich geeignet sind, ihre Zwecke zu erfüllen, sei an dieser Stelle dahingestellt. Angesichts dieser komplexen Problematik ist der bedenkenswerte Vorschlag unterbreitet worden, Ärzte auf Gehaltsbasis zu vergüten und auf diese Weise die ärztliche Behandlung von finanziellen Anreizen zu entkoppeln. Der Charme eines solchen Modells bestünde darin, dass er dem Arzt Gelegenheit geben würde, sich ganz dem Patienten und seinem Versorgungsbedarf zu widmen. Allerdings würde auch dieser Vorschlag nicht das Problem aus der Welt schaffen, in welchem Umfang Ressourcen für die Krankenversorgung bereitgestellt werden sollen. Zudem wäre die Umsetzung dieses Vorschlags nicht ohne weitreichende Veränderungen in der Organisation des Gesundheitssystems möglich.
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Richtige Antwort: b) nach der Zahl der eingeschriebenen Patienten
Richtige Antwort: d) Einzelleistungsvergütung
Richtige Antwort: c) Fallpauschale
Richtige Antwort: b) Kopfpauschale
Richtige Antwort: b) Die Budgetierung ist eine weichere Form der Ausgabenbegrenzung als das Regelleistungsvolumen.
Richtige Antwort: a) das Vorziehen einer Behandlung in das aktuelle Quartal
Richtige Antwort: b) nach der Zahl der eingeschriebenen Patienten
Richtige Antwort: d) Einzelleistungsvergütung
Richtige Antwort: c) Fallpauschale
Richtige Antwort: b) Kopfpauschale
Richtige Antwort: b) Die Budgetierung ist eine weichere Form der Ausgabenbegrenzung als das Regelleistungsvolumen.
Richtige Antwort: a) das Vorziehen einer Behandlung in das aktuelle Quartal
Zusammenfassung
Ärztliche Leistungen können in unterschiedlicher Weise vergütet werden. Die wichtigsten Vergütungsformen sind die Einzelleistungsvergütung, die Kopfpauschale, die Fallpauschale und das Gehalt. Von diesen Vergütungsformen gehen unterschiedliche finanzielle Anreize für die ärztliche Leistungserbringung aus. Die Einzelleistungsvergütung schafft einen Anreiz zur Mengenausweitung und begünstigt eine Überversorgung; allerdings ist es hier wenig wahrscheinlich, dass entstehende Krankheiten übersehen werden. Pauschale Vergütungsformen schaffen einen Anreiz zur Mengenbegrenzung und begünstigen eine Unterversorgung. Beim Gehalt wirken auf den Arzt keine individuellen Anreize für bestimmte Behandlungsentscheidungen. Die verschiedenen Vergütungsformen verteilen das Morbiditätsrisiko in unterschiedlicher Weise auf Kostenträger und Ärzteschaft.
Darüber hinaus setzt der Gesetzgeber zumeist Ausgabenobergrenzen ein, die die Gesamtmenge der Leistungen beschränken sollen. Die wichtigsten Formen der Ausgabenobergrenze sind das (striktere) Budget und das (weichere) Regelleistungsvolumen.
Gefahren für eine angemessene Patientenversorgung können sich vor allem dort ergeben, wo das finanzielle Interesse des Arztes und das Patientenwohl nicht zusammenfallen. Über- und Unterversorgung sowie die zeitliche und institutionelle Verschiebung von Behandlungsleistungen können die Folge sein. Solche Verhaltensweisen lassen sich in der Versorgungsrealität feststellen, allerdings lassen sich kaum valide Aussagen über ihre Verbreitung machen.
Der Gesetzgeber und die gemeinsame Selbstverwaltung haben in der jüngeren Vergangenheit ein dichtes Vorschriftenwerk erlassen, das unerwünschten Verhaltensweisen von Ärzten entgegenwirken soll. Ärztliche Ausweichreaktionen und neue Vorschriften sind eine Folge dieser Entwicklung. Wenn die Gesundheitspolitik schon auf finanzielle Anreize setzt, ist eine politische Re-Regulierung unvermeidbar. Der Vorschlag, Ärzte auf der Basis eines Gehalts zu vergüten, hätte den Charme, dass auf dem einzelnen Arzt keine finanziellen Handlungsanreize lasten würden. Die Umsetzung eines solchen Konzepts würde aber weitreichende Veränderungen in der Organisation des Gesundheitssystems voraussetzen.
Quellen / Literatur
Abholz, Heinz-Harald (1992): Wie soll man das bezahlen? – Ein Vergleich ärztlicher Honorierungssysteme. Arbeit und Sozialpolitik 46 (5-6): 18-25.
Braun, Bernard (2000): Rationierung und Vertrauensverlust im Gesundheitswesen – Folgen eines fahrlässigen Umgangs mit budgetierten Mitteln?, St. Augustin: Asgard.
Reinhardt, Uwe; Sandier, Simone; Schneider, Markus (1986): Die Wirkungen von Vergütungssystemen auf die Einkommen der Ärzte, die Preise und auf die Struktur ärztlicher Leistungen im internationalen Vergleich, Augsburg: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung.
Rosenbrock, Rolf/Gerlinger, Thomas (2014): Gesundheitspolitik. Eine systematische Einführung, 3., vollst. überarb. Aufl., Bern: Verlag Hans Huber.
Schulenburg, Johann-Matthias Graf von der (1981): Systeme der Honorierung frei praktizierender Ärzte und ihre Allokationswirkungen, Tübingen: J.C.B. Mohr.
Thiemeyer, Theo (1970): Sozialpolitische und ökonomische Probleme ärztlicher Honorargestaltung. Sozialer Fortschritt 19 (3): 101-108.
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Braun, Bernard (2000): Rationierung und Vertrauensverlust im Gesundheitswesen – Folgen eines fahrlässigen Umgangs mit budgetierten Mitteln?, St. Augustin: Asgard.
Reinhardt, Uwe; Sandier, Simone; Schneider, Markus (1986): Die Wirkungen von Vergütungssystemen auf die Einkommen der Ärzte, die Preise und auf die Struktur ärztlicher Leistungen im internationalen Vergleich, Augsburg: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung.
Rosenbrock, Rolf/Gerlinger, Thomas (2014): Gesundheitspolitik. Eine systematische Einführung, 3., vollst. überarb. Aufl., Bern: Verlag Hans Huber.
Schulenburg, Johann-Matthias Graf von der (1981): Systeme der Honorierung frei praktizierender Ärzte und ihre Allokationswirkungen, Tübingen: J.C.B. Mohr.
Thiemeyer, Theo (1970): Sozialpolitische und ökonomische Probleme ärztlicher Honorargestaltung. Sozialer Fortschritt 19 (3): 101-108.
Z.B. Thiemeyer 1970; von der Schulenburg 1981; Reinhardt/Sandier/Schneider 1986; Abholz 1992.
Z.B. von der Schulenburg 1981.
Z.B. Braun 2000.
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-01-14T00:00:00 | 2017-07-07T00:00:00 | 2022-01-14T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/gesundheit/gesundheitspolitik/252093/grundprobleme-der-verguetung-aerztlicher-leistungen/ | Die Antwort auf die Frage, wie die Leistung von Ärzten am besten vergütet werden können, ist sehr umstritten und abhängig von den Interessen der beteiligten Akteure. | [
"ärztliche Vergütung",
"vertragsärztliche Leistungen"
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Dokumentation: Parlamentswahlen 2014: Internationale Reaktionen | Ukraine-Analysen | bpb.de | EU: Joint statement on the parliamentary elections in Ukraine by President of the European Council Herman Van Rompuy and President of the European Commission José Manuel Barroso (27.10.2014)
The EU welcomes the holding yesterday of parliamentary elections in Ukraine. We take good note of the OSCE/ODIHR’s preliminary assessment that they marked an important step in Ukraine’s aspirations to consolidate democratic elections in line with its international commitments. This was a victory of the people of Ukraine and of democracy. The electoral mandate given by the Ukrainian people must now be implemented.
We look forward to the early formation of a new Government. On the basis of the outcome of the elections a broad national consensus should be sought in view of intensifying much needed political and economic reforms in Ukraine. A reinvigorated reform process, including the launching of a country-wide national dialogue, will be crucial in view of Ukraine’s political association and economic integration with the EU and to consolidate Ukraine’s unity and internal cohesion. We look forward to working closely together with the new Verkhovna Rada and the future new government to assist in these endeavours.
We reiterate the importance that the upcoming early local elections in Donbas later this year will be held under Ukrainian law and will serve the same goal of de-escalation and focusing on reforms through an inclusive dialogue between the Ukrainian Government and democratically elected representatives.
Quelle: Externer Link: http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/ec/145481.pdf
U.S.: Statement by the President on Parliamentary Elections in Ukraine (27.10.2014)
On behalf of the American people, I congratulate the people of Ukraine on holding successful parliamentary elections on October 26. Despite a challenging security environment in certain regions, millions of Ukrainians turned out across the country to cast their ballots in an orderly and peaceful manner. I commend the Government of Ukraine for the conduct of the campaign and election day vote, which international monitoring organizations assess to have been largely in line with international standards.
At the same time, it is clear that Russian authorities occupying Crimea and Russian-backed separatists in parts of eastern Ukraine prevented many Ukrainian citizens from exercising their democratic rights to participate in national elections and cast their votes. I call on Russia to ensure that its proxies in eastern Ukraine allow voters in the parts of Donetsk and Luhansk subject to the Special Status Law to choose their representatives in legitimate local elections on December 7, in keeping with the agreement that Russia and separatist representatives signed in Minsk, Belarus, on September 5, 2014. The United States will not recognize any election held in separatist-held areas that does not comport with Ukrainian law and is not held with the express consent and under the authority of the Ukrainian government.
Yesterday’s parliamentary vote represents another important milestone in Ukraine’s democratic development. We look forward to the convening of the new parliament and the quick formation of a strong, inclusive government. The United States stands ready to support the choices of the Ukrainian people and Ukraine’s new government as it enacts and implements the reforms necessary to promote further democratic development, strengthen the rule of law, and foster economic stability and growth in Ukraine. The United States also will continue to support Ukraine’s sovereignty and territorial integrity as it works toward a peaceful resolution of the conflict in the east and a return of Crimea, and will stand with its people as they seek to build a more secure, prosperous, and democratic future.
Quelle: Externer Link: http://www.whitehouse.gov/the-press-office/2014/10/27/statement-president-parliamentary-elections-ukraine
Russian Federation: Foreign Minister Sergey Lavrov’s interview with Life News television and Izvestia daily, Moscow, 27 October 2014
Question: Ukraine has just held parliamentary elections. Does Moscow recognise them?
Sergey Lavrov: The elections are being monitored by observers, including OSCE observers, and there are Russian representatives among them. This time, Russia’s Federal Assembly did not send a separate observer team to the elections, so we will wait for the conclusions of the international OSCE team.
The elections seem to be valid, though not in every part of Ukraine. I think Russia will recognise their results as it is critically important for Ukraine to obtain, at long last, a leadership that will not engage in petty infighting and drag the country from east to west and back again, but one that will address real Ukrainian problems. Ukraine needs a government that will think how the nation should regain unity. It needs a government to guarantee an equal status to all Ukrainian citizens irrespective of the language they speak and political convictions they have. No one should be victimised on political and other grounds, as has been the case until recently. (…)
Quelle: http://www.mid.ru/brp_4.nsf/0/EF40A589BC597EE9C3257D7F00386A2C
OSCE: Elections in Ukraine another step towards stabilization, says CiO, calling for enhanced efforts to implement Minsk commitments
BERN, 27 October 2014—Didier Burkhalter, Swiss Foreign Minister and OSCE Chairperson-in-Office, congratulated Ukrainians for taking part in the early elections of the parliamentary assembly. Taking good note of the preliminary findings of the International Election Observation Mission that these elections marked an important step in Ukraine’s aspirations to consolidate democratic elections in line with its international commitments, he thanked the election observation mission of the OSCE Office for Democratic Institutions and Human Rights (OSCE/ODIHR) and the observation delegation of the OSCE Parliamentary Assembly as well as other international institutions for their engagement. He added that he regretted the fact that in Crimea and some districts of eastern Ukraine, which are currently not under the control of the Ukrainian authorities, Ukrainian citizens could not exercise their voters rights.
Holding these parliamentary elections was another crucial step for stabilizing the situation in Ukraine, Burkhalter said. The Protocol and Memorandum signed in Minsk on September 5 and September 19 respectively remained the indispensable basis for a sustainable solution of the crisis. He urged all stakeholders to fully implement the commitments under these documents, in particular with regard to the respect of the cease-fire and to an effective control of the border area between Ukraine and the Russian Federation. The Trilateral Contact Group should convene without delay to as to advance implementation of these commitments, the CiO proposed.
Burkhalter expressed concerns about reports on a deepening social and economic crisis in the area of conflict and said that any of these issues could effectively be addressed only in cooperation with legitimate representatives of local communities. Local elections in that area must therefore be held in full accordance with the Minsk protocol and with Ukrainian legislation.
The OSCE was continuing to work at all levels to assist the Ukrainian government in its efforts to further de-escalate the situation, Burkhalter said. The expansion of the OSCE Special Monitoring Mission to Ukraine (SMM) to 500 monitors, including more than 300 monitors in eastern parts of Ukraine, was ongoing, Burkhalter added. He pointed out that the speed of this expansion depended on available monitors and equipment, on sufficient funding, and on safe access to the relevant areas. The OSCE was grateful for the more than 150 qualified candidatures since Minsk, he said, adding that the SMM will need further qualified monitors in the weeks and months ahead. The CiO also called on participating and partner States to help close the SMM funding gap until March 2015 of €40.0 Mio in order to enable the SMM to fully and sustainably live up to its tasks.
Burkhalter took positive note of the successful integration into the SMM of civilian unmanned aerial vehicles (UAVs) operating under the authority and direction of the SMM. He expressed his expectation that this complementary aerial information-gathering possibility would support the SMM in fulfilling its mandate regarding the monitoring of the security situation in Ukraine. Following the offers made by France, Germany, Italy, Ukraine and the Russian Federation to put military UAVs and related personnel at the OSCE’s disposal too, rapid and intensive consultations on the modalities of the use of such UAVs had been launched in Vienna, Burkhalter said. A spirit of pragmatism and cooperation by all parties would be indispensable for consensus on this matter to emerge rapidly, he concluded.
Quelle: Externer Link: http://www.osce.org/cio/126075 | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2014-11-25T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/196773/dokumentation-parlamentswahlen-2014-internationale-reaktionen/ | Nicht nur innerhalb der Ukraine wurden die Parlamentswahlen 2014 erwartet - auch andere Akteure reagierten mit Pressemeldungen auf die Wahlen: EU, OSZE, Russland und USA. | [
"Parlamentswahlen 2014",
"Ukraine",
"Deutschland"
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Editorial | Jahrestage, Gedenktage, Jubiläen | bpb.de | Jahrestage seien wie "Flächenbombardements", schrieb der Politologe Ivan Krastev in dieser Zeitschrift anlässlich des 100. Jahrestages der Russischen Revolution. Ihnen entkommen weder die Geschichtswissenschaften noch die historisch-politische Bildung. In diesem Jahr haben wir mit Themenheften bereits der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz und des Kriegsendes sowie der Entstehung der Vereinten Nationen vor 75 Jahren gedacht und, etwas vorzeitig, den 30. Jahrestag der Deutschen Einheit begangen. Wir nutzen auch weniger etablierte Jahrestage, zuletzt 5 Jahre "Wir schaffen das" oder im vergangenen Jahr 70 Jahre Simone de Beauvoirs "Das andere Geschlecht". Bei zwei Anlässen haben wir aus politisch-bildnerischen Überlegungen heraus das Jahr vor dem Jahr besprochen ("Vorkrieg 1913", "1967").
Kritik an der "Jubiläumitis" (Marko Demantowsky), an "Zeitgeschichte als Jubiläumsreigen" (Martin Sabrow) wird immer wieder geäußert. Ein Ausstieg aus dem Jahrestagskarussell scheint aber nur schwer möglich und ist, je nach Anlass, auch nicht wünschenswert. Denn Jahrestage versprechen planbare Öffentlichkeit für historisches Wissen und bieten, insbesondere als institutionalisierte Gedenktage, Staat und Gesellschaft Gelegenheit, innezuhalten. Ob damit stets historischer Erkenntnisgewinn und eine gründliche Selbstbefragung einhergehen, mag hingegen bezweifelt werden.
Um die unerwünschten Folgen einer "Jahrestagisierung" abzumildern, gilt es, Routinen bis hin zur Erstarrung beim Begehen der immergleichen Gedenktage und Jubiläen vorzubeugen. So wird etwa vorgeschlagen, den Kanon der Jahrestage zu erweitern, um marginalisierter Geschichte Raum zu geben. Dass das auch jenseits von einzelnen Tagen möglich ist, zeigen etwa der Black History Month oder der Queer History Month, die in einigen Städten stattfinden. Schließlich lässt sich zu jeder Zeit, an jedem Tag, in jedem Monat oder Jahr, fragen, für welche aktuellen Debatten und Probleme sich ein vertiefter Blick in die Geschichte lohnen könnte. | Article | Anne Seibring | 2021-12-07T00:00:00 | 2020-08-05T00:00:00 | 2021-12-07T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/313626/editorial/ | [
"Aus Politik und Zeitgeschichte",
"Editorial"
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Robert Bosch Stiftung | Europe 14|14 | bpb.de | The Robert Bosch Stiftung is one of the major German foundations associated with a private company. It holds 92 percent of the share capital of the Robert Bosch GmbH. Established in 1964, it represents the philanthropic endeavors of Robert Bosch (1861-1942) and works predominantly in the fields of science, health, international relations, education, society, and culture.
In Stuttgart, the Foundation maintains the Robert Bosch Hospital, the Dr. Margarete Fischer-Bosch Institute for Clinical Pharmacology, and the Institute for the History of Medicine. Between 1964 and 2012, the Foundation has made available 1.2 billion euros for projects. In 2012, approximately 69 million euros were spent on project funding.
Externer Link: www.bosch-stiftung.de | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2014-01-03T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/veranstaltungen/reihen/histocon/175839/robert-bosch-stiftung/ | The Robert Bosch Stiftung is one of the major German foundations associated with a private company. It holds 92 percent of the share capital of the Robert Bosch GmbH. Established in 1964, it represents the philanthropic endeavors of Robert Bosch (1 | [
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Welcher Anteil der jungen Erwachsenen je Bundesland nimmt ein Studium auf? (1995-2008) | Bildung | bpb.de | Zeitgleich zum Interner Link: Anstieg der Hochschulzugangsberechtigtenquote ist in allen Bundesländern der Anteil junger Menschen gestiegen, die binnen drei Jahren nach Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung ein Studium aufnehmen – dies ist der Zeitraum, in dem der weit größte Teil der Hochschulzugangsberechtigten eines Jahrgangs zu studieren beginnt: Von den 18- bis 21- Jährigen im Jahr 2000 hatte nur in vier Bundesländern mehr als ein Viertel die Hochschulreife erlangt und anschließend innerhalb von drei Jahren ein Studium aufgenommen, nämlich in Baden-Württemberg, Bremen, Hessen und das Saarland. Nur acht Jahre später lag diese sogenannte Studienanfängerquote bereits in 14 Bundesländern bei über 25 Prozent, in 8 Bundesländern sogar bei über 30 Prozent. | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-01-11T00:00:00 | 2014-08-21T00:00:00 | 2022-01-11T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/190348/welcher-anteil-der-jungen-erwachsenen-je-bundesland-nimmt-ein-studium-auf-1995-2008/ | Anteil der 18- bis unter 21-Jährigen, die im jeweiligen Jahr eine Hochschulzugangsberechtigung erlangt und spätestens nach 3 Jahren ein Studium aufgenommen haben | [
"Studium"
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Asylentscheidungen und Klagen | Zahlen zu Asyl in Deutschland | bpb.de |
Hinweis: Fluchtzuwanderung aus der Ukraine
Die Antragszahlen zu Asyl des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erfassen im Jahr 2022 und 2023 nur einen Teil der tatsächlichen Fluchtzuwanderung nach Deutschland. Dies gilt auch für die meisten Grafiken in diesem Angebot.
In Folge des russischen Angriffskriegs auf die gesamte Ukraine am 24. Februar 2022 sind mehrere Millionen Menschen aus der Ukraine nach Europa geflüchtet. Im deutschen Ausländerzentralregister waren Anfang April 2023 Externer Link: mehr als eine Million Schutzsuchende aus der Ukraine registriert. Mit dem Interner Link: Inkraftsetzen der sogenannten EU-Massenzustromrichtlinie im Februar 2022 können ukrainische Staatsangehörige unbürokratisch einen vorübergehenden Aufenthaltstitel in EU-Staaten erhalten und müssen dafür kein Asylverfahren durchlaufen. Sie dürfen arbeiten und erhalten Zugang zu Sozialhilfe, medizinischer Versorgung und zum Bildungssystem.
Die große Mehrheit der ukrainischen Schutzsuchenden stellt keinen Asylantrag und wird damit nicht von den Zahlen des BAMF erfasst. 2022 stellten laut Externer Link: Asylgeschäftsstatistik 705 ukrainische Staatsangehörige einen Erstantrag auf Asyl, 2023 waren es Externer Link: bis Ende April 160 Anträge.
Wie viele Asylanträge sind erfolgreich?
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entscheidet über jeden Asylantrag nach einer inhaltlichen Prüfung. Zu diesen sogenannten Sachentscheidungen gehören die Anerkennung der Rechtstellung als Flüchtling (nach Externer Link: Art. 16 a GG und Externer Link: § 3 Asylgesetz (AsylG)), die Gewährung von subsidiärem Schutz (nach Externer Link: § 4 AsylG, siehe Infobox) oder die Ablehnung des Asylantrags. Wird ein Antrag abgelehnt, prüft das BAMF ob ein Abschiebungsverbot vorliegt, weil bspw. eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Antragstellers im Herkunftsland besteht.
Kurz erklärtWas bedeutet "subsidiärer Schutz"?
Subsidiärer Schutz kann Personen gewährt werden, die nicht die Voraussetzungen des grundgesetzlichen Asylrechts oder der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen, denen im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland aber ein "ernsthafter Schaden" (Art. 15 der EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU ) droht. Dies ist der Fall, wenn dort mit: a) der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder b) Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung oder c) einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gerechnet werden muss.* * Externer Link: www.bamf.de/DE/Migration/AsylFluechtlinge/Subsidiaer/subsidiaer-node.html
Bei bestimmten Verfahren findet keine inhaltliche Prüfung statt, hier trifft das BAMF eine formelle Entscheidung zur sonstigen Verfahrenserledigung z.B. auf Verfahrenseinstellung, wenn ein Asylbewerber seinen Antrag zurückzieht, oder wenn nach dem sogenannten Interner Link: Dublinverfahren ein anderer europäischer Staat für den Asylsuchenden zuständig ist.
Die Antragszahlen zu Asyl des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erfassen im Jahr 2022 und 2023 nur einen Teil der tatsächlichen Fluchtzuwanderung nach Deutschland. Dies gilt auch für die meisten Grafiken in diesem Angebot.
In Folge des russischen Angriffskriegs auf die gesamte Ukraine am 24. Februar 2022 sind mehrere Millionen Menschen aus der Ukraine nach Europa geflüchtet. Im deutschen Ausländerzentralregister waren Anfang April 2023 Externer Link: mehr als eine Million Schutzsuchende aus der Ukraine registriert. Mit dem Interner Link: Inkraftsetzen der sogenannten EU-Massenzustromrichtlinie im Februar 2022 können ukrainische Staatsangehörige unbürokratisch einen vorübergehenden Aufenthaltstitel in EU-Staaten erhalten und müssen dafür kein Asylverfahren durchlaufen. Sie dürfen arbeiten und erhalten Zugang zu Sozialhilfe, medizinischer Versorgung und zum Bildungssystem.
Die große Mehrheit der ukrainischen Schutzsuchenden stellt keinen Asylantrag und wird damit nicht von den Zahlen des BAMF erfasst. 2022 stellten laut Externer Link: Asylgeschäftsstatistik 705 ukrainische Staatsangehörige einen Erstantrag auf Asyl, 2023 waren es Externer Link: bis Ende April 160 Anträge.
Subsidiärer Schutz kann Personen gewährt werden, die nicht die Voraussetzungen des grundgesetzlichen Asylrechts oder der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen, denen im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland aber ein "ernsthafter Schaden" (Art. 15 der EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU ) droht. Dies ist der Fall, wenn dort mit: a) der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder b) Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung oder c) einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gerechnet werden muss.* * Externer Link: www.bamf.de/DE/Migration/AsylFluechtlinge/Subsidiaer/subsidiaer-node.html
Die Quote der positiv beschiedenen Asylanträge (Anerkennung als Flüchtling, subsidiärer Schutz, Abschiebeverbot), die sogenannte Gesamtschutzquote für Flüchtlinge, liegt im laufenden Jahr 2023 bei 52,1 Prozent. Im Jahr 2022 lag sie bei 56,2 Prozent, 2021 bei 39,9 Prozent, 2020 bei 43,1 Prozent, 2019 bei 38,2 Prozent und 2018 bei 35 Prozent.
Wie viele Asylverfahren bearbeitet das BAMF?
Beim BAMF waren lange Zeit monatlich mehr Erst- und Folgeanträge gestellt worden, als die Behörde im selben Zeitraum bearbeiten und entscheiden konnte. Die Summe der beim BAMF anhängigen, also noch nicht entschiedenen Verfahren war daher seit Jahren angestiegen. 2016 bekam die Behörde deutlich mehr Personal, um Asylanträge schneller abzuarbeiten.
Seit Oktober 2016 gehen die beim BAMF anhängigen Verfahren zurück. Im Jahr 2022 hat die Behörde über Asylverfahren von 228.673 Personen entschieden. Im laufenden Jahr 2023 sind es bislang 86.490 Entscheidungen. Damit waren Ende März 2023 beim BAMF Verfahren von 168.944 Personen anhängig.
Wie oft wird gegen Asylentscheidungen geklagt?
Das BAMF hat 2015 bis 2017 über knapp zwei Millionen Asylverfahren entschieden, alleine fast 700.000 im Jahr 2016 – so viel wie nie zuvor. In Folge dessen nahm auch die Externer Link: absolute Zahl der Klagen gegen Entscheidungen des Bundesamts zu. So stieg die Zahl der Klagen von 37.414 im Jahr 2013 auf 300.237 im Jahr 2017. 2018 wurden rund 116.000 Entscheidungen beklagt, 2019 waren es rund 91.000, 2020 etwas mehr als 65.000.
Im Jahr 2021 wurden Externer Link: rund 57.500 Entscheidungen des BAMF beklagt. Die Klagequote (also der Anteil der beklagten Asylentscheidungen an ihrer Gesamtheit) lag somit bei 38,4 Prozent. Damit bewegte sie sich auf einem deutlich niedrigeren Niveau als in den Vorjahren: 2020 lag die Klagequote gegen Entscheidungen des Bundesamts bei 45,1 Prozenz, 2019 bei 49,5 Prozent, 2018 bei 53,6 Prozent, 2017 bei 49,8 Prozent. Im Jahr 2013 hatten 46,2 Prozent der Antragsteller gegen ihren Bescheid geklagt.
Betrachtet man nur abgelehnte Asylanträge lag die Klagequote durchgängig höher, sank aber zuletzt deutlich: 2021 lag sie bei 57,2 Prozent, 2020 noch bei 73,3 Prozent.
Weitere Zahlen zu Asyl in Deutschland
Interner Link: Asylanträge und Asylsuchende Interner Link: Demografie von Asylsuchenden Interner Link: Abschiebungen Interner Link: Asylbedingte Kosten und Ausgaben
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2023-05-09T00:00:00 | 2018-03-02T00:00:00 | 2023-05-09T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/migration-integration/zahlen-zu-asyl/265711/asylentscheidungen-und-klagen/ | Wie viele Anträge, die beim BAMF gestellt werden, sind erfolgreich? Gegen wie viele Entscheidungen des BAMF wird geklagt und wie erfolgreich sind diese Klagen? | [
"Flucht",
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Veranstaltungskalender | Infodienst Radikalisierungsprävention | bpb.de |
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Übersicht
Zu den Termindetails gelangen Sie, indem Sie auf den Titel der Veranstaltung klicken.
August
Interner Link: Online-Fortbildung: Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Netz begegnen31. Juli 2023 bis 18. Dezember 2023, online Center for Education on Online Prevention in Social Networks (CEOPS) Interner Link: Politik- und Pressegespräch: Strukturelle Faktoren von Radikalisierung14. August 2023, Berlin & online Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus (BAG RelEx) Interner Link: Online-Seminar: Plan P.-Digital – Wie kann Jugendhilfe und Radikalisierungsprävention im Online-Bereich aussehen?24. August 2023, online Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Nordrhein-Westfalen e. V. (AJS)
September
Interner Link: Netzwerktreffen: Extremistische Einstellungen staatlich Handelnder – Analyse und Präventionsmöglichkeiten4. September 2023, Düsseldorf CoRE NRW Interner Link: BarCamp Islamismusprävention 4. bis 6. September 2023, Leipzig Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Online-Workshop: Wie argumentieren extremistische Online-"Prediger"? Themen, Thesen und Formate auf Social Media12. September 2023, online Kompetenznetzwerk "Islamistischer Extremismus" (KN:IX) & Violence Prevention Network (VPN) Interner Link: Fortbildung: Umgang mit antimuslimischem Rassismus in der pädagogischen Arbeit13. September 2023, Berlin ufuq.de Interner Link: Radikalisierung als Bewältigungsstrategie. Prävention zwischen struktureller und individueller Ebene20. bis 21. September 2023, Frankfurt am Main Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus (BAG RelEx) Interner Link: Fortbildung: Gaming als Chance für die Prävention28. bis 29. September 2023, Berlin cultures interactive e. V.
Oktober
Interner Link: Fortbildung: Mädchen*spezifische Prävention im islamisch begründeten Extremismus04. und 18. Oktober 2023, Berlin cultures interactive e. V. Interner Link: Fachtag: Jugendlich, digital, radikal? Islamismus im Netz zwischen Subkultur und Popkultur19. Oktober 2023, Berlin Violence Prevention Network (VPN)
November
Interner Link: Workshop: Extremistinnen und Terroristinnen. Rollen, Funktion und Bedeutung von Frauen in Extremismus und Terrorismus9. bis 10. November 2023, Berlin Hochschule Fresenius Interner Link: Weiterbildung: MasterClass "Präventionsfeld Islamismus" für Masterstudierende, Absolventinnen und AbsolventenNovember 2023 bis November 2024, Berlin/Köln/Erfurt und online Bundeszentrale für politische Bildung
Dezember
Interner Link: Hochschulzertifikat: Extremismus und Radikalisierung. Handlungskompetenz für die Bildungsarbeit mit jungen Menschen1. Dezember 2023 bis 24. Februar 2024, online Pädagogische Hochschule Heidelberg
Februar 2024
Interner Link: Save the Date: MOTRA-K Jahreskonferenz 202428. und 29. Februar 2024, Wiesbaden Verbundprojekt MOTRA (Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung)
Infodienst RadikalisierungspräventionMehr Infos zu Radikalisierung, Prävention & Islamismus
Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten.
Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite
August
Online-Fortbildung: Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Netz begegnen
31. Juli 2023 bis 18. Dezember 2023, online
In der Online-Fortbildung des Center for Education on Online Prevention in Social Networks (CEOPS) geht es darum, Jugendliche und junge Erwachsene im Umgang mit extremistischer Ansprache in den sozialen Medien zu schulen. In den Lehrgängen wird zudem die Funktionslogik von sozialen Medien thematisiert und die allgemeine Medienkompetenz der Teilnehmenden verbessert. Mögliche Abläufe von Radikalisierungsprozessen sowie Grundlagen des Online Streetwork bekommen ebenfalls einen Raum in den Seminaren. Ziel ist es, eigene digitale Angebote der Demokratieförderung zu entwickeln und menschenfeindlichen Inhalten im Netz selbstbewusst entgegenzutreten.
Die Online-Fortbildung gibt es in drei Durchgängen:
31. Juli 2023 bis 16. Oktober 2023, immer montags & mittwochs von 16:00-17:30 Uhr 12. September 2023 bis 21. November 2023, immer dienstags & donnerstags von 11:00-12:30 Uhr 9. Oktober 2023 bis 18. Dezember 2023, immer montags & mittwochs von 16:00-17:30 Uhr
Termin: 31. Juli 2023 bis 18. Dezember 2023 Ort: online Veranstalter: Center for Education on Online Prevention in Social Networks (CEOPS) Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von CEOPS
Politik- und Pressegespräch: Strukturelle Faktoren von Radikalisierung
14. August 2023, Berlin & online
Was brauchen wir als Gesellschaft, um zunehmenden Polarisierungstendenzen zu begegnen? Was braucht es auf individueller und struktureller Ebene, um Menschen zu stärken, die anfällig sind für extremistische Ansprachen? Das diesjährige Politik- und Pressegespräch der BAG RelEx widmet sich den strukturellen Faktoren von Radikalisierung. Der Fokus liegt dabei auf möglichen Lösungsstrategien im politischen Handeln wie auch auf Ebene der zivilgesellschaftlichen Träger. Diese werden im Rahmen eines Impulsvortrags und einer Podiumsdiskussion erörtert. Im Anschluss bietet die Veranstaltung Raum für Rückfragen.
Das hybride Politik- und Pressegespräch richtet sich an Vertreter:innen aus Medien und Politik, an Fachkräfte sowie die breite Öffentlichkeit. Journalist:innen können sowohl vor Ort als auch online teilnehmen. Weitere Interessierte können der Veranstaltung online beiwohnen.
Termin: 14. August 2023, 18:00-19:30 Uhr Ort: Berlin-Wedding & online Veranstalter: BAG RelEx Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der BAG RelEx
Online-Seminar: Plan P.-Digital – Wie kann Jugendhilfe und Radikalisierungsprävention im Online-Bereich aussehen?
24. August 2023, online
Das Online-Seminar beschäftigt sich mit islamistischer Ansprache in den sozialen Medien. Dabei geht es vor allem darum, wie Staat und Zivilgesellschaft auf die damit einhergehenden Herausforderungen in der Radikalisierungsprävention reagieren können. Das Seminar liefert eine Einordnung zu Ansätzen der Präventionsarbeit und vermittelt Überblick über Projekte der digitalen Jugendarbeit. Im Anschluss werden mögliche Bedarfe in der Jugend- und Präventionsarbeit skizziert. Das Online-Seminar richtet sich an Teilnehmende des Plan P.-Netzwerks sowie Fachkräfte der Jugendhilfe, insbesondere aus den Bereichen des Erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes, der Jugendarbeit und der Sozialarbeit.
Termin: 24. August 2023, 10:00-13:00 Uhr Ort: online Veranstalter: Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Nordrhein-Westfalen e. V. (AJS) Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online bis zum 15. August möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der AJS
September
Netzwerktreffen: Extremistische Einstellungen staatlich Handelnder – Analyse und Präventionsmöglichkeiten
4. September 2023, Düsseldorf
In einer wehrhaften Demokratie stehen staatliche Institutionen vor der Aufgabe, immer wieder zu überprüfen, inwieweit sie selbst gegen antidemokratische und extremistische Einstellungen gefeit sind. Staatsbedienstete sind gegen die Verbreitung von extremistischen Einstellungs- und Vorurteilsmustern nicht immun. Aufmerksamkeit verdienen hier nicht nur Justiz, Polizei und Nachrichtendienste, sondern auch der Schul- und Erziehungssektor.
Die Frage für Forschung und Praxis ist, woher solche Einstellungen kommen, wie Gruppendynamiken entstehen, wie wir sie in Polizeien in mehreren Bundesländern gesehen haben, und wie diesen Entwicklungen präventiv begegnet werden kann. Darüber soll auf dem Netzwerktreffen intensiv diskutiert werden. Neben Vorträgen und Diskussionen gibt es ausreichend Zeit für Gespräche zur Vernetzung.
Termin: 4. September 2023, 9:30-17:00 Uhr Ort: Townhouse Düsseldorf, Bilker Straße 36, 40213 Düsseldorf Veranstalter: CoRE NRW Kosten: kostenfrei Anmeldung: E-Mail Link: per E-Mail bis zum 25. August unter Angabe des vollen Namens sowie der institutionellen Anbindung
Weitere Informationen in Kürze auf den Externer Link: Seiten von CoRE NRW
BarCamp Islamismusprävention
4. bis 6. September, Leipzig
Im September 2023 findet in Leipzig ein interaktives BarCamp der Bundeszentrale für politische Bildung zum Themenfeld Islamismus statt. Die Fachtagung bietet einen Raum für Akteurinnen und Akteure, die in der Radikalisierungsprävention und der politischen Bildung tätig sind, einmal innezuhalten, gemeinsam über die Entwicklungen zu reflektieren, sich über aktuelle Themen, Debatten aber auch die Belastung in der täglichen Arbeit auszutauschen und gleichzeitig Ideen, multiprofessionelle Perspektiven und neue Energie aufzutanken.
Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte aus dem Bereich der Präventionsarbeit und der politischen Bildung, Wissenschaftler/-innen und Multiplikator/-innen, die sich bereits intensiver mit dem Phänomen Islamismus und dem Feld der Islamismusprävention auseinandergesetzt haben oder in diesem arbeiten.
Auch das Team des Infodienst Radikalisierungsprävention wird auf der Tagung vertreten sein und freut sich, Sie dort zu begrüßen.
Termin: 4. bis 6. September 2023 Ort: Hyperion Hotel, Sachsenseite 7, 04109 Leipzig Veranstalter: Bundeszentrale für politische Bildung Kosten: Teilnahmegebühr ohne Übernachtung 50 Euro Anmeldung: Externer Link: online bis zum 21. August 2023 möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung
Online-Workshop: Wie argumentieren extremistische Online-"Prediger"? Themen, Thesen und Formate auf Social Media
12. September 2023, online
Mit welchen Argumenten verbreiten extremistische "Prediger" online ihre Botschaften? Welche Themen und vermeintliche Belege führen sie an? Welche Plattformen und Formate nutzen sie? Und wie gewinnen sie das Vertrauen von Jugendlichen?
Der Workshop beginnt mit einer Auswahl gängiger Phrasen, Aussagen und Argumente extremistischer Online-"Prediger". Im Anschluss diskutieren die Teilnehmenden gemeinsam über folgende Fragen: Welche Formate und Argumente sind bei Jugendlichen besonders wirksam? Welche Themen stehen in der praktischen Arbeit mit Jugendlichen im Vordergrund? Welche Fragestellungen scheinen für Jugendliche zentral zu sein, werden von extremistischen Online-Akteuren jedoch bewusst ausgeklammert?
Fachkräfte können vorab Beispiele und konkrete (anonymisierte) Fälle aus der eigenen Arbeit einreichen. Diese werden dann im Rahmen der Veranstaltung aufgegriffen.
Termin: 12. September 2023, 10:00-13:00 Uhr Ort: online Veranstalter: Kompetenznetzwerk "Islamistischer Extremismus" (KN:IX) & Violence Prevention Network (VPN) Kosten: kostenfrei Anmeldung: E-Mail Link: per E-Mail möglich bis zum 1. September 2023
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der IU Internationalen Hochschule
Fortbildung: Umgang mit antimuslimischem Rassismus in der pädagogischen Arbeit
13. September 2023, Berlin
Wie können Fachkräfte in der pädagogischen Arbeit auf antimuslimischem Rassismus reagieren und diesem entgegenwirken? Welche Rolle spielt die persönliche Haltung zu Religion? Wie können Betroffene von diskriminierenden oder rassistischen Äußerungen unterstützt und gestärkt werden? Diese und weitere Fragen stehen im Mittelpunkt der Fortbildung. Pädagogische Mitarbeitende aus Schule, Sozialarbeit und außerschulischer Bildungsarbeit sind eingeladen, daran teilzunehmen und Anregungen zum Umgang mit Religion, Resilienz und Rassismus für ihre Arbeit mitzunehmen.
Termin: 13. September 2023, 9:00-16:00 Uhr Ort: Räume der Landeszentrale für politische Bildung, Hardenbergstraße 22-24, 10623 Berlin Veranstalter: ufuq.de Kosten: kostenfrei Anmeldung: E-Mail Link: per E-Mail möglich bis zum 11. September
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq
Radikalisierung als Bewältigungsstrategie. Prävention zwischen struktureller und individueller Ebene
20. bis 21. September 2023, Frankfurt am Main
Inwiefern kann Radikalisierung beziehungsweise die Hinwendung zu extremistischen Ideologien und Gruppierungen auch als mögliche Bewältigungsstrategie angesichts struktureller gesamtgesellschaftlicher Problemlagen verstanden werden? Welche Implikationen ergeben sich hieraus für die Ausrichtung von Präventionsstrategien und -ansätzen? Welche stigmatisierenden Effekte birgt die Arbeit der Islamismusprävention? Diesen und weiteren Fragen widmet sich der Fachtag. Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte und Interessierte.
Termin: 20. bis 21. September 2023 Ort: Frankfurt am Main Veranstalter: Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus (BAG RelEx) Anmeldung: Externer Link: online bis 1. September möglich
Weitere Informationen zum Projekt auf den Externer Link: Seiten von BAG RelEx
Fortbildung: Gaming als Chance für die Prävention
28. bis 29. September 2023, Berlin
Wie lässt sich Gaming für die Präventionsarbeit nutzen und wie können Jugendliche darüber erreicht werden? Die Fortbildung beschäftigt sich mit diesen Fragen und zeigt auf, wie Menschenrechte, demokratische Haltungen und Medienkompetenz in diesem Bereich vermittelt werden können. Mit Hilfe des Spiels „Adamara“, das cultures interactive e. V. entwickelt hat, sollen die Teilnehmenden lernen, wie Jugendliche eigene Handlungsoptionen, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Lebenserfahrungen im Spiel verarbeiten können. Ziel ist es, ein Verständnis für die Gaming-spezifischen Anforderungen in der Präventionspraxis zu gewinnen. Die Fortbildung richtet sich an Fachkräfte aus der Jugend- und Sozialarbeit sowie der politischen Bildung.
Termin: 28. bis 29. September 2023 Ort: Tagen am Ufer, Ratiborstraße 14, 10999 Berlin-Kreuzberg Veranstalter: cultures interactive e. V. Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen zum Projekt auf den Externer Link: Seiten von cultures interactive e. V.
Oktober
Fortbildung: Mädchen*spezifische Prävention im islamisch begründeten Extremismus
4. und 18. Oktober 2023, Berlin
Wie prägen Gendervorstellungen den islamisch begründeten Extremismus? Welche Chancen bieten mädchen*spezifische Präventionsansätze? Und wie sehen erfolgreiche Strategien aus für den Umgang mit radikalisierungsgefährdeten Mädchen*? Diese Fragen stehen im Fokus der zweitägigen Fortbildung für Fachkräfte der Jugendarbeit in Berlin. Neben interaktiven Elementen werden auf der Veranstlatung aktuelle Forschungsergebnisse zu Mädchen* im Salafismus vorgestellt. Darüber hinaus lernen die Teilnehmenden, welche erfolgreichen Strategien es im Umgang mit radikalisierungsgefährdeten Mädchen gibt.
Termin: 4. und 18. Oktober 2023, jeweils von 17:00 – 20:00 Uhr Ort: Berlin Veranstalter: cultures interactive e. V. Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen zu Programm und Anmeldung auf den Externer Link: Seiten von cultures interactive e. V.
Fachtag: Jugendlich, digital, radikal? Islamismus im Netz zwischen Subkultur und Popkultur
19. Oktober 2023, Berlin
Bei diesem Fachtag im Rahmen des Projekts „Islam-ist“ geht es um die Frage, wie islamistische Akteur:innen digitale Räume nutzen, um junge Menschen zu beeinflussen und zu mobilisieren. Thematisch wird das Spannungsfeld zwischen Abgrenzung und Anpassung sowie radikaler Narrative und Verharmlosung ideologisierter Weltbilder bearbeitet. Ziel ist es, konkrete Konsequenzen für die Arbeit von Fachkräften herauszuarbeiten, um unterschiedlichen Ansprachestrategien zu begegnen, ohne dass junge Muslim:innen stigmatisiert werden. Der Fachtag teilt sich in Impulsvorträge, Workshops und Panels auf und lädt zum gemeinsamen Austausch ein.
Termin: 19. Oktober 2023, 9:30 – 17:30 Uhr Ort: Berlin, Alt-Reinickendorf Veranstalter: Violence Prevention Network (VPN) Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen zu Programm und Anmeldung auf den Externer Link: Seiten von VPN
November
Workshop: Extremistinnen und Terroristinnen. Rollen, Funktion und Bedeutung von Frauen in Extremismus und Terrorismus
9. bis 10. November 2023, Berlin
Welche Faktoren motivieren Frauen, sich einer terroristischen Organisation anzuschließen? Welche Funktionen und Rollen nehmen Frauen in den verschiedenen Phänomenbereichen ein? Diesen und weiteren Fragen widmet sich der zweitägige Workshop der Hochschule Fresenius. Die Veranstaltung richtet sich an Nachwuchswissenschaftler:innen des Themenfelds Extremismus und soll einen Rahmen schaffen, um eigene Forschungsprojekte mit Expert:innen zu besprechen. Hierfür sind die Teilnehmenden dazu eingeladen, eigene Abstracts einzureichen und bei Interesse einen Vortrag zu halten.
Termin: 9. bis 10. November 2023 Ort: Berlin Veranstalter: Hochschule Fresenius Kosten: kostenfrei Anmeldung: E-Mail Link: per Mail möglich
Weitere Informationen zu Programm und Anmeldung auf den Externer Link: Seiten der Hochschule Fresenius
Weiterbildung: MasterClass "Präventionsfeld Islamismus" für Masterstudierende, Absolventinnen und Absolventen
November 2023 bis November 2024, Berlin/Köln/Erfurt und online
Wie bedingen gesellschaftliche Konflikte Veränderungen innerhalb der islamistischen Szene? Welche Strategien, Inhalte und islamistischen Gruppierungen sind für die Präventionsarbeit in Deutschland relevant? Und wie gelingt der Berufseinstieg in dieses Arbeitsfeld? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich die MasterClass der Bundeszentrale für politische Bildung. Die Veranstaltung richtet sich an Masterstudierende sowie Absolventinnen und Absolventen mit Interesse an einer beruflichen Tätigkeit in der Islamismusprävention. In fünf Modulen erhalten sie einen Einblick in Theorien, Methoden und Praxis der Präventionsarbeit. Die Umsetzung der Module findet in Präsenz an verschiedenen Orten in Deutschland und online statt.
Termin: 17. November 2023 bis 8. November 2024, insgesamt fünf Module Ort: Berlin/Köln/Erfurt und online Veranstalter: Bundeszentrale für politische Bildung Kosten: 150 Euro Teilnahmegebühr. Reisekosten, Hotelkosten und Verpflegung werden übernommen. Bewerbung: Externer Link: online möglich bis zum 7. August. Nach Ablauf der Bewerbungsfrist findet eine Auswahl der Teilnehmenden durch die bpb statt. Die Teilnehmendenzahl ist auf 25 Personen begrenzt.
Weitere Informationen zur MasterClass auf den Interner Link: Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung
Dezember
Hochschulzertifikat: Extremismus und Radikalisierung. Handlungskompetenz für die Bildungsarbeit mit jungen Menschen
1. Dezember 2023 bis 24. Februar 2024, online
Wie können pädagogische Fachkräfte souverän reagieren, wenn sich junge Menschen demokratiefeindlich äußern? Wie kann man erkennen, ob jemand nur provozieren möchte oder tatsächlich eine extremistische Haltung entwickelt hat? Die sechstägige Online-Weiterbildung soll Pädagog:innen dazu befähigen, eine Radikalisierung zu erkennen und präventive Maßnahmen einzuleiten. Das Kontaktstudium besteht aus einer Verknüpfung von Theorie und Praxisbeispielen und bietet die Möglichkeit, sich mit Expert:innen aus verschiedenen Fachbereichen auszutauschen.
Die Weiterbildung richtet sich an Pädagog:innen, die mit jungen Menschen arbeiten. Sie findet an folgenden Terminen statt:
Freitag, 1. Dezember 2023, 16:30 – 20:00 Uhr Samstag, 2. Dezember 2023, 10:00 – 17:00 Uhr Freitag, 19. Januar 2024, 16:30 – 20:00 Uhr Samstag, 20. Januar 2024, 10:00 – 17:00 Uhr Freitag, 23. Februar 2024, 16:30 – 20:00 Uhr Samstag, 24. Februar 2024, 10:00 – 17:00 Uhr
Termin: 1. Dezember 2023 bis 24. Februar 2024 Ort: online Veranstalter: Pädagogische Hochschule Heidelberg Kosten: 490 Euro Anmeldung: Externer Link: online bis zum 15. Oktober möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der pädagogischen Hochschule Heidelberg
Februar 2024
Save the Date: MOTRA-K Jahreskonferenz 2024
28. und 29. Februar 2024, Wiesbaden
Auch im nächsten Jahr veranstaltet MOTRA wieder eine Jahreskonferenz. MOTRA (Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung) ist ein Forschungsverbund im Kontext der zivilen Sicherheitsforschung.
Im Mittelpunkt der Konferenz steht der disziplinübergreifende Austausch von Wissenschaft, Politik und Praxis zum aktuellen Radikalisierungsgeschehen in Deutschland. Dazu bietet die Veranstaltung ein vielfältiges Programm aus Beiträgen der Radikalisierungsforschung und Präventionspraxis zu einem jährlich wechselnden Schwerpunktthema. Fachkräfte sind dazu eingeladen, Forschungs- und Praxisprojekte zu diesem Thema einzureichen und auf der Konferenz zu präsentieren.
Der entsprechende Call for Papers sowie Informationen zum Schwerpunktthema und den Bewerbungs-, Teilnahme- und Anmeldemöglichkeiten werden in Kürze veröffentlicht.
Termin: 28. und 29. Februar 2024 Ort: Wiesbaden Veranstalter: Verbundprojekt MOTRA (Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung)
Weitere Informationen zu Programm und Anmeldung werden auf den Externer Link: Seiten von MOTRA bekannt gegeben.
Infodienst RadikalisierungspräventionMehr Infos zu Radikalisierung, Prävention & Islamismus
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| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2023-08-04T00:00:00 | 2016-01-18T00:00:00 | 2023-08-04T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/infodienst/218885/veranstaltungskalender/ | Veranstaltungshinweise und Fortbildungen aus dem Themenfeld Radikalisierung, Islamismus & Prävention | [
"Infodienst Salafismus",
"Termine"
] | 131 |
Neues bpb:magazin zur Bundestagswahl | Presse | bpb.de | Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb hat das neue bpb:magazin #19 zur Bundestagswahl 2021 veröffentlicht. Das Kundenmagazin ist kostenlos bestellbar unter Interner Link: www.bpb.de/magazin und auch als PDF verfügbar.
Unter dem Titel „Demnächst auch in Ihrem Briefkasten“ lädt das bpb:magazin dazu ein, sich schon vor dem Eintreffen der Wahlbenachrichtigung mit dem eigenen Standpunkt auseinanderzusetzen. Dafür ist das Heft durch drei Thesen strukturiert: „Ich gehe wählen“, „Mir ist im Großen und Ganzen klar, wie die Bundestagswahl funktioniert“ und „Die Unterschiede zwischen den Parteien sind mir bekannt“. Je nach Positionierung der Leser zu den Thesen, verweist das Heft auf passende Inhalte zur Bundestagswahl 2021.
Wir haben u.a. mit Prof. Dr. Armin Schäfer, Professor für Vergleichende Politikwissenschaft, und Dr. Deniz Nergiz, Leiterin der Geschäftsstelle des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats (BZI) über Repräsentanz im Bundestag gesprochen. Die Soziologin Dr. Anna-Katharina Meßmer und der Journalist Alexander Sängerlaub stellen im Interview vor, wie man seine Nachrichtenkompetenz verbessern kann. Darüber hinaus wird erklärt, wie die Bundestagwahl genau abläuft und wir geben Einblicke in die inhaltliche und technische Entwicklung des Wahl-Tools „Wahl-O-Mat“.
Mit den Fragen, was Menschen zum Wählen bewegt und warum sich viele entscheiden, nicht wählen zu gehen, beschäftigt sich der Podcast „Wer hat die Wahl?“, der ergänzend zum Heft erschienen ist. Hier kommen Menschen zu Wort, über die viel gesprochen wird, aber die selbst selten zu Wort kommen. Neue Folgen sind alle zwei Wochen verfügbar.
Das bpb:magazin ist das Kundenmagazin der bpb und erscheint in der Regel 2 mal jährlich zur Frankfurter und Leipziger Buchmesse. Es kann kostenlos abonniert werden unter Externer Link: www.bpb.de/76218 und auch in größeren Stückzahlen bestellt werden. Im Magazin befindet sich eine umfangreiche Backlist zu den Print- und Online-Angeboten der bpb und eine Bestellmöglichkeit für alle, die nicht digital bestellen können.
Pressemitteilung als Interner Link: PDF
Pressekontakt
Bundeszentrale für politische Bildung Stabsstelle Kommunikation Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-200 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: presse@bpb.de
Pressemitteilungen der bpb abonnieren/abbestellen: Interner Link: www.bpb.de/presseverteiler | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-09-30T00:00:00 | 2021-07-08T00:00:00 | 2021-09-30T00:00:00 | https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/336336/neues-bpb-magazin-zur-bundestagswahl/ | Interviews, Reportagen und eine Übersicht aller Print- und Online-Angebote / Ergänzender Podcast: „Wer hat die Wahl?“ | [
"bpb:magazin",
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] | 132 |
Chat mit Gül Pinar zum Thema Hate-Crime-Gesetze | Rechtsextremismus | bpb.de |
[View the story "#hatecrimeChat: bpb-TwitterChat zu Hate-Crime-Gesetzen" on Storify][View the story "#hatecrimeChat: bpb-TwitterChat zu Hate-Crime-Gesetzen" on Storify] | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2015-06-08T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/207929/chat-mit-guel-pinar-zum-thema-hate-crime-gesetze/ | Brauchen wir besondere Gesetze für Verbrechen, die zum Beispiel aus rassistischen Motiven begangen werden und eine ganze Gruppe von Menschen einschüchtern sollen? Beim TwitterChat konnten Interessierte via Hashtag #hatecrimeChat mit der Fachanwältin | [
"Hate Crimes",
"Hate-Crime-Gesetze",
"Hate-Crime-Gesetzgebung",
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"Hass",
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"Mord",
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Auf dem Weg in den Zusammenbruch (1982 bis 1990) | Geschichte der DDR | bpb.de |
Günter Schabowski (© AP)
Der Beginn des Niedergangs
Wachsende Unzufriedenheit
Vor allem in den staatlichen Betrieben wuchs die Unzufriedenheit. Es fehlte an technischen Ausrüstungen, Ersatzteilen und Rohstoffen, sodass sich die Stillstandszeiten der Maschinen häuften. Arbeitsorganisation und Arbeitsdisziplin waren miserabel und die Motivation der Beschäftigten näherte sich dem Nullpunkt. Es kam nun häufiger vor, dass Einkäufe von knappen Konsumgütern während der Arbeitszeit erledigt wurden. Immer öfter musste sich der Parteisekretär im Werk die Frage gefallen lassen, ob die Parteiführung überhaupt die reale Lage der Arbeiter kenne. Da sich viele Werke, wie zum Beispiel in der Chemieindustrie, in einem beklagenswerten Zustand befanden, häuften sich die Betriebsunfälle und Havarien. Im Chemiekombinat Bitterfeld herrschten Bedingungen, die die Gesundheit der Belegschaft akut gefährdeten. Die unkontrollierte Freisetzung von Schadstoffen und das Ignorieren von Grenzwerten belasteten die Umwelt. Dies führte zur Bildung von unabhängigen Natur- und Umweltschutzgruppen, insbesondere in den südlichen industriellen Ballungsgebieten der DDR.
Hinzu kam der Missmut über das nicht eingelöste Versprechen, im Gleichklang mit der internationalen Anerkennung der DDR die Reisefreiheit auszuweiten. In immer stärkerem Maße forderten DDR-Bürger ihr Recht auf Freizügigkeit, das die DDR-Führung mit der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 offiziell anerkannt hatte. Es stieg die Zahl derjenigen, die einen "Antrag auf ständige Ausreise" beim DDR-Innenministerium stellten. Hatten 1978 offiziell 11 287 Bürger eine Übersiedlung nach Westdeutschland bzw. West-Berlin beantragt; waren es 1984 schon 36 699. Daran konnten auch die Schikanen staatlicher Instanzen sowie örtlicher SED-Leitungen nichts ändern, die den Alltag vieler Ausreiseantragsteller erschwerten.
Darüber hinaus ließ ein Generationenkonflikt, der sich seit den 1970er Jahren in der DDR herausgebildet hatte, die Loyalität gegenüber dem SED-Staat und damit die innere Stabilität der Gesellschaft schwinden. Hatte die "Aufbaugeneration" noch fabelhafte soziale Aufstiegschancen erhalten, blieb der in der DDR aufgewachsenen Generation der Karriereweg oftmals versperrt. Die soziale Mobilität nahm rapide ab, die freie Berufswahl wurde insbesondere im akademischen Bereich zunehmend eingeschränkt. So wuchs unter den "in die DDR Hineingeborenen" die Unzufriedenheit darüber, dass die "Alten" ihren Lebensentwürfen im Weg standen. Auch aus beruflicher Perspektivlosigkeit entwickelten sich gesellschaftliche Konflikte, die dann im Herbst 1989 offen aufbrachen.
Im letzten Jahrzehnt der DDR waren jedoch nicht Verweigerung, Ausreise oder gar Widerstand die typischen Verhaltensmuster der großen Mehrheit. Insgesamt herrschte eher eine Mischung aus Mitwirkung und Distanz, aus symbolischer Teilnahme und Rückzug in private Nischen, die kleine Freiheiten oder Freiräume erlaubten. Unter den echten und vermeintlichen Zwängen zur Anpassung als Überlebensstrategie äußerte man sich privat anders als öffentlich – in den Parteien, Organisationen, im Kreis der Kollegen im Betrieb. Auf diese Weise entstand ein von Konformität geprägtes, fast kleinbürgerliches Milieu, in dem viele mit einem gewissen Stolz auf das materiell-sozial Erreichte blickten. Zugleich wuchs der Ärger darüber, dass die politische Führung der Bevölkerung noch immer elementare demokratische Grundrechte verweigerte. Wie viele Menschen sich letztlich aus Opportunismus oder Angst vor Repressionen mit den politischen Verhältnissen arrangierten, vermag niemand zu sagen. Man darf allerdings nicht das bis zuletzt aufrecht erhaltene Ausmaß an Repression übersehen, das Partei und Staat zur Verfolgung vermeintlicher oder tatsächlicher Gegner aufbrachten. Daneben gab es aber auch noch immer junge Menschen, die sich durch ihr Elternhaus, die Schule und Jugendorganisationen für die Idee des Sozialismus begeistern ließen. Doch auch ihnen fiel es zunehmend schwerer, ihre ganz persönlichen Erfahrungen im "realen Sozialismus" mit den Idealen einer sozial gerechten Gesellschaft in Übereinstimmung zu bringen.
Wirtschaftlicher Verfall
Die Wirtschaft der DDR stand Anfang der 1980er Jahre vor dem Zusammenbruch. Die Ziele des Fünfjahrplans 1981 bis 1985 konnten die Kombinate und volkseigenen Betriebe nicht erfüllen, sodass sie stillschweigend korrigiert werden mussten. Im Interesse des kurzfristigen Erfolges kürzte die Regierung den materiellen Aufwand und die Investitionen für die Forschung, wodurch die technologische Basis der Industrie immer mehr vernachlässigt wurde. Die steigenden Rohstoffkosten auf dem Weltmarkt mussten mit zusätzlichen Exporten vor allem von Konsumgütern, Maschinen und Ausrüstungen bezahlt werden. Diese wurden unter anderen Markennamen in den Versandhauskatalogen und Kaufhäusern Westdeutschlands zu Billigpreisen angeboten, während die eigene Bevölkerung auf sie verzichten musste.
Weiter verschärft wurde die Wirtschaftskrise durch den Umstand, dass sich die Erdöllieferungen aus der UdSSR, für die Preise unter Weltmarktniveau gezahlt wurden, von 1982 bis 1987 um insgesamt rund 13 Millionen Tonnen verringerten. Dies wirkte sich besonders auf den Export von Erdölprodukten aus, der noch bis Mitte der 1980er Jahre hohe Devisengewinne eingebracht hatte.
Drohende Zahlungsunfähigkeit
Allein innerbetriebliche Improvisationskunst und der westliche Devisentropf vermochten den wirtschaftlichen Verfall halbwegs aufzuhalten. Doch die ständig steigenden Kreditzinsen und Tilgungsraten ließen die Schuldenlast der DDR gegenüber dem Westen bis 1981 auf 23 Milliarden DM der Deutschen Bundesbank anwachsen. 1982 stand die DDR kurz davor, die Zahlungsunfähigkeit zu erklären und damit das Vertrauen des internationalen Geldmarktes zu verlieren. Rettung in der Not brachte 1983 ein Milliardenkredit bundesdeutscher Banken, den der staatliche Devisenbeschaffer und MfS-Offizier Alexander Schalck-Golodkowski mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß eingefädelt hatte.
Die Finanzspritze in Milliardenhöhe rettete zwar die Zahlungsfähigkeit der DDR und sorgte für wirtschaftliche Entspannung. Sie hatte aber auch einen von Strauß geforderten politischen Preis: Im Spätsommer 1983 begann für die Öffentlichkeit überraschend der Abbau der 1972 auf Weisung Honeckers installierten Selbstschussanlagen ("Tötungsautomaten") und der einst auf sowjetische Weisung verlegten Minen an der innerdeutschen Grenze. Ende 1984 waren die Selbstschussanlagen demontiert, Ende 1985 die Minen geräumt. Zugleich versprach die DDR Erleichterungen bei deutsch-deutschen Familienzusammenführungen.
Ost-West-Konfrontation
Im Verhältnis zwischen Washington und Moskau kam es in den 1980er Jahren zu einer drastischen Verschlechterung. Dazu trug der Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan im Dezember 1979 maßgeblich bei. Immer mehr trat politische und militärische Konfrontation an die Stelle der Entspannungspolitik. Mit der Stationierung sowjetischer atomarer Raketen mittlerer Reichweite (SS 20) in der DDR und der Tschechoslowakei erreichte der Warschauer Pakt eine militärtechnische Überlegenheit in Europa. Die NATO antwortete mit dem Brüsseler "Nachrüstungsbeschluss" vom Dezember 1979, der 1983 zur Stationierung moderner amerikanischer nuklearer Mittelstreckenraketen (Pershing-II, Cruise Missiles) in Westdeutschland führte. Begleitet wurde die weltpolitische Entwicklung durch krisenhafte wirtschaftliche Erscheinungen auf den Weltmärkten, innerhalb des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und nicht zuletzt in der Sowjetunion.
Dort litten die Menschen in den 1980er Jahren unter Missernten und großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, nicht zuletzt infolge des Rüstungswettlaufs mit den Vereinigten Staaten, und es war – nicht nur wirtschaftlich-technologische – Stagnation eingetreten, die auch Auswirkungen auf die anderen RGW-Länder hatte. Die Verhältnisse änderten sich auch nicht nach dem Tod des seit 1964 amtierenden Generalsekretärs der KPdSU, Leonid Breschnew, und in den kurzen Amtszeiten seiner Nachfolger Juri Andropow und Konstantin Tschernenko. Erst Michail Gorbatschow, der ab 11. März 1985 als Generalsekretär der KPdSU folgte, leitete angesichts der tief greifenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krise der Sowjetunion mit Glasnost und Perestroika ("Offenheit" und "Umgestaltung") Reformen ein.
Deutsch-deutsche Beziehungen
Im Schatten der deutlichen Verschlechterung der Ost-West-Beziehungen stand zu Beginn der 1980er Jahre auch das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Ungeachtet ihrer Loyalitätspflichten im jeweiligen Bündnis bemühten sich beide Seiten jedoch, die wechselseitigen Beziehungen nicht zu gefährden, die sie als "Sicherheitspartnerschaft" und "Verantwortungsgemeinschaft" begriffen. Für Honecker waren nicht zuletzt die wirtschaftlichen Verbindungen zur Bundesrepublik wichtig.
Im Dezember 1981 kam es zum mehrfach verschobenen Besuch von Bundeskanzler Helmut Schmidt in der DDR. Am Werbellinsee bei Berlin konnten allerdings nur einige kleinere Verbesserungen im deutsch-deutschen Verhältnis erzielt werden. Bereits 1979 war ein Energieabkommen zwischen der Bundesrepublik und der DDR unterzeichnet worden; in den 1980er Jahren wurde der Kreditrahmen ("Swing") im deutsch-deutschen Handel erweitert. Beim Besuch Honeckers im September 1987 in Bonn wurden drei weitere Abkommen geschlossen. Im Ausland wurde der Empfang Honeckers, den man in Bonn protokollarisch mit anderen ausländischen Gästen gleichen Ranges gleichstellte, als ein Sich-Abfinden mit der staatlichen Teilung verstanden. Staatsrechtlich machte die Bundesrepublik der DDR jedoch keine Zugeständnisse, eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR kam nicht in Frage.
Die Opposition formiert sich
Frieden schaffen ohne Waffen
In den 1980er Jahren führte die zunehmende Militarisierung des gesellschaftlichen Lebens, vor allem der Jugendlichen und Heranwachsenden, in der DDR zu immer stärkeren Protesten, die hauptsächlich unter dem Dach der evangelischen Kirche organisiert wurden. Angeregt durch die westdeutsche Protestbewegung gegen die Stationierung nuklearer Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik bildeten sich, angelehnt an Kirchengemeinden, örtliche Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen. Der Ost-Berliner Pfarrer Rainer Eppelmann initiierte zusammen mit dem Regimekritiker Robert Havemann den Aufruf "Berliner Appell – Frieden schaffen ohne Waffen". Den Slogan "Frieden schaffen ohne Waffen" trugen Jugendliche als Plakette auf ihrer Kleidung genauso wie einen von den evangelischen Kirchen in der DDR offiziell herausgegebenen Aufnäher, der die von der Sowjetunion den Vereinten Nationen geschenkte Plastik "Schwerter zu Pflugscharen" zeigte und auf die entsprechende Bibelstelle verwies. Die Staatsmacht reagierte in der gewohnten Weise: In Schulen, öffentlichen Einrichtungen und auf Straßen und Plätzen wurden Jugendliche zum Teil gewaltsam zum Entfernen dieses Symbols von ihrer Kleidung veranlasst. Im Februar 1982 wurde Eppelmann vorläufig festgenommen.
QuellentextOppositionelle im Schutzraum der Kirche
[...] [I]n den Kirchen waren weder polizeiliche Voranmeldungen nötig noch staatliche Einflußnahmen auf die Inhalte der angebotenen Themen möglich. Wenn Gemeindekirchenrat und Pfarrer ihr Einverständnis erklärten, konnte man kurzfristig Informations-Andachten, Fürbitten oder Mahnwachen ansetzen, denen regelmäßig Zeichen vorausgingen, die Kundige wohl zu deuten wußten. Zuerst traten paarweise sportliche und ordentlich frisierte junge Männer in der Umgebung der betroffenen Gebäude auf. Sie [...] standen betont unauffällig in Hausfluren und musterten aufmerksam die Vorübergehenden oder saßen in Personenkraftwagen [...] und beobachteten das Leben und Treiben auf der Straße. Gelegentlich tauchten Mannschaftswagen mit grün uniformierten Bereitschaftspolizisten und Hunden auf. [...]
Dann näherten sich grüppchenweise oder einzeln die erwarteten "feindlich-negativen Kräfte" und strebten der einladend geöffneten Kirchentür zu. Sie bevorzugten das Sechziger-Jahre-Outfit – lange Haare, Bärte, Nickelbrille, Stirnband, verwaschene Jeans, grüne Kutten, malerische Tücher und Umhängetaschen aus Jute, die Damen in flatterigen langen Kleidern in Schwarz – und pflegten sich zur Begrüßung zu umarmen und flüchtige Küßchen auszutauschen. Die Stasi fasste sie als Jugendliche mit "feindlich-dekadentem Äußeren" zusammen. [...]
Trotz ihres bewusst zur Schau getragenen "Andersseins" konnten die Kirchenbesucher eine gewisse Bravheit kaum verleugnen. [...] Auf den alten Fotos fallen der heilige Ernst und die sanfte Ent- schlossenheit der Kirchenbesucher auf. Es fehlte das Grell-Provozierende der westlichen Demo-Kultur. Niemand randalierte, niemand war "vermummt", kaum jemand trug Schilder, Fahnen oder Symbole vor sich her. [...] Die Veranstaltungsbesucher begegneten den aggressiven Kontrolleuren nach Möglichkeit betont friedlich, ging es ihnen doch um den Abbau von Feindbildern und die Überwindung von Haß [...].
[...] [Das] politische Gewicht, das die Oppositionsgruppen für einen kurzen historischen Moment erlangten, [darf] nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie bis in den Spätsommer 1989 hinein über keinen nennenswerten Anhang verfügten. Sie bewegten sich am Rande des normalen Alltags. Die große Mehrheit der Bevölkerung beachtete ihre Aktivitäten kaum und erfuhr von ihnen nur über die sehr zurückhaltende, distanzierte Berichterstattung der westlichen Medien. [...] Selbst bei großzügigster Rechnung handelte es sich dabei statistisch gesehen um einen zu vernachlässigenden Anteil von weniger als einem halben Promille der hauptstädtischen Gesamtbevölkerung. Zwei oder drei Dutzend Aktivisten trugen die Opposition über Jahre hinweg. Prominente Künstler, Schriftsteller oder Wissenschaftler fehlten [...] gänzlich [...].
[...] Das individuelle Aufbegehren ist inmitten einer Umwelt des alltäglichen Opportunismus der biographische Ausnahmezustand, für den die wenigen Oppositionellen einen ausgesprochen hohen Preis zahlten. Er bestand – jedenfalls für alle außerhalb des kirchlichen Dienstes Beschäftigten – im Verzicht auf bürgerliche Normalität, berufliches Fortkommen, familiäre Unbeschwertheit. Nach der Wende wurden die Folgen dieses Verzichts schmerzhaft deutlich.
Stefan Wolle, Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971-1989, 2, durchgesehene Auflage, Berlin 1999, S. 262 f.
Am 20. September 1982 veranstaltete der evangelische Pfarrer Christian Führer in der Nikolaikirche in Leipzig das erste montägliche Friedensgebet, "offen für alle". Die Montagsgebete wurden eine der Keimzellen der friedlichen Revolution von 1989. Allerdings konnten oder wollten sich nicht alle Kirchenleitungen im Interesse ihrer traditionellen Gemeindeglieder und ihrer Beziehungen zum SED-Staat mit den Aktionen der Friedens-, Umwelt- und Bürgerrechtsgruppen identifizieren. Das führte in den folgenden Jahren zu einer gewissen Emanzipation der aktivsten jungen Regimekritiker von der Kirche. So kam es im März 1986 zur Gründung der "Initiative Frieden und Menschenrechte" durch Bürgerrechtler wie Wolfgang Templin, Bärbel Bohley, Gerd und Ulrike Poppe sowie den Schriftsteller Lutz Rathenow.
Inhaltlich konzentrierten sich die meisten informellen Gruppen der 1980er Jahre auf Themen wie Menschenrechte und Pluralismus oder ließen sich von pazifistischen und ökologischen Ideen leiten. Es waren zunehmend nicht mehr nur kirchliche Kreise, die über Wehrdienstverweigerung und zivilen Friedensdienst, Ächtung von Kriegsspielzeug und die verheerenden Folgen der Umweltverschmutzung laut nachdachten. Die SED-Führung reagierte im Vergleich zu den 1950er Jahren mit subtilen Methoden: Kurzzeitige Verhaftungen, geheimdienstliche Observierungen, langjährige Haftstrafen und der Zwang zur Ausreise in den Westen sollten einschüchtern und psychisch zermürben. Inoffizielle Mitarbeiter (IM) des MfS wurden benutzt, um die Gruppenzusammenhänge zu schwächen und deren Aktionsfeld einzuschränken. Der geballten Staatsmacht gelang es jedoch nicht, die Formierung der DDR-Opposition zu verhindern.
Reformverweigerung
Als die Pläne des sowjetischen Partei- und Staatschefs Gorbatschow für die Umgestaltung und Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, für Perestroika und Glasnost, in der UdSSR im Januar 1987 in der DDR bekannt wurden, avancierte zum ersten Mal in der Geschichte der DDR ein Generalsekretär der KPdSU zum Hoffnungsträger breiter Kreise der DDR-Bevölkerung und auch vieler SED-Mitglieder. Sie erwarteten, dass die SED-Führung den Reformkurs Gorbatschows unterstützen und mitvollziehen würde. Doch das Politbüro blockte jeglichen Reformansatz vehement ab. In einem Interview mit dem DDR-Korrespondenten des Hamburger Magazins "stern" im April 1987, das vom SED-Zentralorgan nachgedruckt wurde, sagte das Politbüromitglied Kurt Hager: "Würden Sie, wenn Ihr Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?" Diese Äußerung verursachte in breiten Kreisen Enttäuschung und Wut.
Ausreisewelle
Während die regimekritischen Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen innerhalb der DDR die Gesellschaft reformieren wollten, sahen nun immer mehr Menschen nur in der Flucht und Übersiedlung in den Westen eine Möglichkeit, ihr Leben frei zu gestalten. Als im Mai 1989 Ungarn überraschend mit dem Abbau der Grenzbefestigungen zu Österreich begann und dies auch über die westlichen Fernsehsender in der DDR bekannt wurde, schwoll der Strom von Fluchtwilligen aus der DDR nach Ungarn an. In der Nacht zum 11. September 1989 öffnete Ungarn die Grenze für DDR-Bürger, und in wenigen Tagen waren bereits 15 000 in Österreich angekommen, die in die Bundesrepublik weiterreisten.
Während die Grenzen Ungarns geöffnet blieben, besetzten Bürger der DDR auch die Botschaft der Bundesrepublik in Prag, um ihre Ausreise zu erzwingen. Bis Ende September stieg die Zahl der Flüchtlinge auf dem Botschaftsgelände auf etwa 6000 Personen. Um Entlastung zu schaffen, ließ Honecker sie am 30. September mit Sonderzügen über das Territorium der DDR in die Bundesrepublik bringen. In der DDR versuchten Verzweifelte auf die Flüchtlingszüge aufzuspringen, während in Prag Massen neuer DDR-Flüchtlinge in die geräumte Bonner Botschaft strömten. Daraufhin wurde der pass- und visafreie Verkehr zwischen der DDR und der CSSR auf Honeckers Anordnung am 3. Oktober "zeitweilig" ausgesetzt, um die Ausreisewelle zu stoppen. Bei einer von Honecker angewiesenen zweiten Ausreiseaktion kam es am 4. Oktober in Dresden, als Flüchtlingszüge mit rund 10000 Menschen aus Prag den von Sicherheitskräften hermetisch abgeriegelten Hauptbahnhof passierten, zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und einer aufgebrachten Menschenmenge, darunter viele Fluchtwillige.
Organisierte Oppositionsbewegung
Im Sommer und Herbst 1989 traten regimekritische Gruppen mit Reformforderungen an die Öffentlichkeit. Ausgangspunkt einer breiten Oppositionsbewegung waren die Kommunalwahlen am 7. Mai 1989, die unbeeindruckt von den Änderungen der Wahlgesetze in der Sowjetunion, Ungarn und Polen in Form der Einheitswahl, ohne Auswahlmöglichkeiten zwischen mehreren Kandidaten, stattgefunden hatten. Die Wahlergebnisse waren wie schon in den Vorjahren manipuliert worden, doch diesmal hatten Angehörige von Friedens- und Umweltgruppen vielerorts die Auszählung der Ergebnisse in den Wahllokalen beobachtet und erhoben den Vorwurf der "Wahlfälschung". Die anschließenden zahlreichen Proteste und Eingaben an den Staatsratsvorsitzenden Honecker wurden von breiteren Bevölkerungskreisen bis hinein in die SED unterstützt und trugen dazu bei, die gesellschaftliche Isolation der oppositionellen Gruppen zu überwinden. Mit gestärktem Selbstvertrauen, mit neuen Initiativen und Organisationsformen stellten die Bürgerrechtler die Opposition auf ein breiteres Fundament.
Im Juli 1989 unterzeichneten die Theologen Markus Meckel und Martin Gutzeit den "Aufruf zur Bildung einer Initiativgruppe mit dem Ziel, eine sozialdemokratische Partei in der DDR ins Leben zu rufen". Am 7. Oktober gründeten 43 Personen im Pfarrhaus in Schwante (Brandenburg) die "Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP)". Anfang September 1989 wurden alle, "die an einer Umgestaltung unserer Gesellschaft mitwirken wollen", aufgerufen, Mitglieder des "Neuen Forums" zu werden. Den Gründungsaufruf unterzeichneten 30 Personen, unter ihnen Bärbel Bohley. In wenigen Tagen schlossen sich 4000 Menschen an. Mitte September 1989 trat als dritte Gruppe die "Bürgerbewegung Demokratie Jetzt" mit der Forderung nach einer friedlichen demokratischen Erneuerung der DDR an die Öffentlichkeit. Anfang Oktober konstituierte sich schließlich trotz massiver Behinderungen durch Polizei- und Staatssicherheitskräfte in Ost-Berlin die Reformbewegung "Demokratischer Aufbruch". Im Zentrum der Forderungen oppositioneller Bewegungen standen die Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, politische Reformen und unabhängige Wahlen.
QuellentextDer Gründungsaufruf des Neuen Forums
Anfang September 1989, auf dem Höhepunkt der Ausreisewelle, meldete sich erstmals in der Geschichte der DDR eine politische Opposition offen zu Wort, trat aus dem sowohl schützenden als auch einengenden Bereich der Kirche heraus und bekannte sich unmißverständlich zu ihrer Rolle. An den Schwarzen Brettern vieler Gemeinden hing ein Papier mit der Überschrift "Aufbruch 89 – Neues Forum" und verkündete folgendes:
"In unserem Lande ist die Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft offensichtlich gestört. Belege dafür sind die weitverbreitete Verdrossenheit bis hin zum Rückzug in die private Nische oder zur massenhaften Auswanderung. Fluchtbewegungen dieses Ausmaßes sind anderswo durch Not, Hunger und Gewalt verursacht. Davon kann bei uns keine Rede sein. Die gestörte Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft lähmt die schöpferischen Potenzen unserer Gesellschaft und behindert die Lösung der anstehenden lokalen und globalen Aufgaben. Wir verzetteln uns in übelgelaunter Passivität und hätten doch Wichtigeres zu tun für unser Leben, unser Land und die Menschheit. In Staat und Wirtschaft funktioniert der Interessenausgleich zwischen den Gruppen und Schichten nur mangelhaft. Auch die Kommunikation über die Situation und die Interessenlage ist gehemmt [...] Um all diese Widersprüche zu erkennen, Meinungen und Argumente dazu anzuhören und zu bewerten, allgemeine von Sonderinteressen zu unterscheiden, bedarf es eines demokratischen Dialogs über die Aufgaben des Rechtsstaates, der Wirtschaft und der Kultur. Über diese Fragen müssen wir in aller Öffentlichkeit, gemeinsam und im ganzen Land nachdenken und miteinander sprechen. Von der Bereitschaft und dem Wollen dazu wird es abhängen, ob wir in absehbarer Zeit Wege aus der gegenwärtigen krisenhaften Situation finden. Es kommt in der jetzigen gesellschaftlichen Entwicklung darauf an,
daß eine größere Anzahl von Menschen am gesellschaftlichen Reformprozeß mitwirkt, daß die vielfältigen Einzel- und Gruppenaktivitäten zu einem Gesamthandeln finden.
Wir bilden deshalb eine politische Plattform FÜR DIE GANZE DDR, die es den Menschen aus allen Berufen, Lebenskreisen, Parteien und Gruppen möglich macht, sich an der Diskussion und Bearbeitung lebenswichtiger Gesellschaftsprobleme in diesem Land zu beteiligen. Für eine solche übergreifende Initiative wählten wir den Namen NEUES FORUM [...] Allen Bestrebungen, denen das NEUE FORUM Ausdruck und Stimme verleihen will, liegt der Wunsch nach Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden sowie Schutz und Bewahrung der Natur zugrunde. Es ist dieser Impuls, den wir bei der kommenden Umgestaltung der Gesellschaft in allen Bereichen lebensvoll erfüllt wissen wollen. Wir rufen alle Bürger und Bürgerinnen der DDR, die an der Umgestaltung unserer Gesellschaft mitwirken wollen, auf, Mitglied des NEUEN FORUM zu werden. Die Zeit ist reif."
Die insgesamt 30 Unterschriften stammten sowohl von bekannten Oppositionellen als auch von bisher nicht öffentlich hervorgetretenen Personen. Bei der Lektüre des Textes fällt sein hoher Allgemeinheitsgrad auf. Weder enthielt er ein Bekenntnis zum Sozialismus – was Christa Wolf und Stephan Hermlin noch Ende des Monats als Begründung anführten, dem Aufruf nicht beizutreten – noch sprach er sich eindeutig für eine neue soziale Ordnung aus. Er bekannte sich nicht zum Fortbestand der DDR und forderte trotzdem nicht die deutsche Einheit. Alle wichtigen Fragen wollte er im Rahmen eines künftigen gesamtgesellschaftlichen Dialogs beantworten. Genau diese Offenheit verlieh dem Neuen Forum seine enorme Durchschlagskraft. Bei den Erstunterzeichnern klingelten Tag und Nacht die Telefone, immer mehr Menschen solidarisierten sich und überschritten die unsichtbare Grenze zwischen Angst und Engagement, die sie jahrzehntelang sorgfältig beachtet hatten, und mit jeder Unterschrift sank das persönliche Risiko. Es dauerte nicht lange, bis der Aufruf ohne Geheimniskrämerei in Betrieben und wissenschaftlichen Instituten kursierte und an öffentlichen Anschlagsbrettern erschien.
Stefan Wolle, Die heile Welt der Diktatur, Alltag und Herrschaft in der DDR 1971-1989, Bonn 1999, S. 310f.
Massenproteste
Die SED-Führung sah sich im Herbst 1989 nicht nur einer zunehmend breiter werdenden oppositionellen Bewegung gegenüber. Vor allem in Leipzig beteiligten sich nach den montäglichen Friedensgebeten in der Nikolaikirche trotz verstärkten Einsatzes von Polizei sowie Angehörigen der Staatssicherheit, trotz Festnahmen und Verurteilungen wegen "Zusammenrottung" immer mehr Menschen an Demonstrationen. Waren es zunächst Hunderte, die Reise-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit forderten, so gingen bald Tausende für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte auf die Straße. Bereits am 2. Oktober demonstrierten mehr als 20000 in der Leipziger Innenstadt. Am 9. Oktober 1989 waren es trotz angedrohter militärischer Gewalt durch aufmarschierende Sicherheitskräfte 70000 Menschen. Sie skandierten "Wir sind das Volk". Mehr als 120000 Menschen beteiligten sich dann am 16. Oktober in Leipzig an der bis dahin größten Demonstration für Reformen und demokratische Erneuerung in der DDR. Nach Friedensgebeten in den evangelischen Kirchen zogen sie, diesmal unbehelligt durch die Sicherheitskräfte, erstmals auch mit Transparenten und Plakaten in großer Zahl durch die Innenstadt. Auf diesen forderten sie "Freie Wahlen", "Pressefreiheit", "Meinungsfreiheit", "Neue Männer braucht das Land", "Die Mauer muß weg", "Ökologie statt Ökonomie", "Zivildienst ist ein Menschenrecht". Spätestens jetzt hatte begonnen, was als "friedliche Revolution" in der DDR in die Geschichte eingehen sollte.
Das Ende der SED-Herrschaft
Die Absetzung Honeckers
Honeckers Auftritt auf der offiziellen Feier zum 40. Jahrestag der Gründung der DDR im Berliner "Palast der Republik" am 6. Oktober 1989 zeigte vor allem einen alten Man, der nicht gewillt war, Veränderungen in Staat und Gesellschaft zuzulassen. Angesichts dieses Starrsinns und um die Macht der SED zu retten, zwang eine Mehrheit von Mitgliedern des SED-Politbüros Honecker, am 18. Oktober 1989 vor einem eilig einberufenen ZK-Plenum aus "gesundheitlichen Gründen" seinen Rücktritt zu erklären. Anschließend wählte das Zentralkomitee der Partei Egon Krenz zum neuen Parteichef. Er war seit 1983 Mitglied des Politbüros und galt als Kronprinz Honeckers. Am 24. Oktober 1989 wählte ihn die Volkskammer zum Vorsitzenden des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates der DDR.
Der Nachfolger Honeckers gab zwar mit seinem Begriff von der "Wende" zu verstehen, dass sich die SED-Führung nun um Kurskorrekturen bemühen würde. Eine wirkliche Demokratisierung der Gesellschaft und Reformen in Politik und Staat standen jedoch nicht auf der politischen Agenda. Die Menschen auf den Straßen der DDR aber forderten einen sofortigen und deutlichen Bruch mit der bisherigen Politik und denen, die für sie verantwortlich waren. So wurde die SED-Führung von den Ereignissen, die von einer breiten Bevölkerungsmehrheit bestimmt wurden, überrollt. Denn zur gleichen Zeit gingen die Demonstrationen im ganzen Land weiter, erfassten neben den Bezirks- und Großstädten auch Mittel- und Kleinstädte und nahmen an Teilnehmerzahlen und Intensität zu. An manchen Tagen demonstrierten in der gesamten DDR mehrere hunderttausend Menschen. Die meisten Teilnehmer verzeichneten die Montagsdemonstrationen in Leipzig, wo sich am 30. Oktober wieder rund 200000 beteiligten.
Öffnung der Grenze
Währenddessen hielt die Massenabwanderung von DDR-Bürgern weiter an. Nachdem die DDR den pass- und visafreien Verkehr mit der CSSR am 1. November wieder zugelassen hatte, setzte erneut der Ansturm von Ausreisewilligen auf die Bonner Botschaft in Prag ein. Am 3. November öffnete die CSSR ihre Grenze zur Bundesrepublik für DDR-Bürger, woraufhin allein vom 4. bis zum 6. November mehr als 23 500 Menschen die DDR über die CSSR verließen. Unter dem Druck der Ereignisse legte die Regierung der DDR am 9. November 1989 eine vorgezogene Ausreiseregelung vor, die bis zum Inkrafttreten eines neuen Reisegesetzes gelten sollte. Diese "zeitweilige Übergangsregelung für Reisen und ständige Ausreisen aus der DDR in das Ausland" bedeutete faktisch die Einführung der allgemeinen Reisefreiheit, die zuvor auf den Massendemonstrationen gefordert worden war. Als das Politbüromitglied Günter Schabowski dies während einer Pressekonferenz am frühen Abend des 9. November bekannt gegeben hatte, strömten hunderttausende Menschen noch in der Nacht zum 10. November über die offiziellen Grenzübergangsstellen in die Bundesrepublik und nach West-Berlin. Die Bilder der tanzenden Menschen auf der Berliner Mauer wurden im Ausland nicht nur als Ausdruck für den starken Veränderungswillen der Ostdeutschen wahrgenommen, sondern auch als Symbol für den Zusammenbruch des Sozialismus und das Ende des Kalten Krieges.
Quellentext9. November 1989: Tanz auf der Mauer
Der Werkzeugmacher Ralf Dickel, 34, aus dem Ost-Berliner Bezirk Prenzlauer Berg ist einer der ersten, die an jenem Donnerstag abend durch die Mauer kommen. Zuerst sehen wir nur seinen Kopf, den er neugierig um die Beton-Mauer reckt – wie jemand, der einen scheuen Blick in ein verbotenes Zimmer riskiert. Dann geht er zögernd ein paar Schritte weiter und schaut sich verstohlen um, als ob er fürchtet, doch noch an seinem grünen Parka zurückgehalten zu werden. Schließlich ist er da.
Am Grenzübergang Bornholmer Straße klatschen jetzt ein paar hundert West-Berliner Beifall, rufen, pfeifen und lassen Sektkorken knallen. Es ist genau 20.45 Uhr, Ralf Dickel reißt die Arme hoch und schreit: "Wahnsinn!"
Ein Wort, das in den nächsten Tagen millionenfach wiederholt werden wird: geflüstert, gestöhnt, gebrüllt, gesungen, geheult. Ein Wort, das wie kein anderes die neue Situation in Berlin und bald auch überall an der deutschen Grenze beschreibt: Fassungslosigkeit, Überraschung, Ungläubigkeit, Glück.
Als die Regierung der DDR die Grenzübergänge öffnet und Tag für Tag und Nacht für Nacht neue Breschen in den Beton der Berliner Mauer schlägt, taumelt die Stadt wie im Fieber. Am Kurfürstendamm liegen sich wildfremde Menschen weinend in den Armen, klatschen unzählige Hände auf die Dächer und Kühlerhauben der Trabants und Wartburgs, die mühsam durch die Spaliere der Schaulustigen kriechen.
Rund um die Gedächtniskirche steigt ein gigantisches Open-air-Spektakel, das rund um die Uhr von Zehntausenden Berlinern aus beiden Teilen der ehemaligen Reichshauptstadt gefeiert wird – mit Freibier und Erbsensuppe, mit Konfetti und Blumen. [...] [Z]wischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz [...] Menschen stehen dicht an dicht, mit erhobenen Armen, die Finger zum Victoryzeichen gespreizt. Sie sitzen in den Bäumen, tanzen auf der hier zwei Meter breiten Mauerkrone und singen "We shall overcome".
Hunderte machen sich mit Hämmern und Meißeln am Betonwall zu schaffen, biedere Familienväter aus Castrop-Rauxel und Günzburg, aufgeregte Hausfrauen aus Uelzen und Wanne-Eickel, die sich bei der brisanten Werkelei von ihrem halbwüchsigen Anhang ablichten lassen. Immer wieder wird skandiert: "Die Mauer muß weg."
Überflüssig ist sie jetzt ohnehin geworden. Von Donnerstag nacht bis Sonntag abend strömen weit über zwei Millionen DDR-Bürger in den Westteil der Stadt – um den Ansturm zu bewältigen, schlägt der SED-Staat zehn neue Übergänge in die Mauer. Die Besucher aus dem Osten haben das West-Berliner Stadtbild verändert: [...]
Aufregend sind jetzt [...] die Spaziergänge durch West-Berlin geworden. Der Dokumentarfilmer Carsten Krüger, 36, war tagelang mit mehreren Teams unterwegs und staunte: "Komisch, auf der Straße schauen sich die Leute wieder an." Das hat meist nur einen Grund: Man will herausfinden, wer hier Osti ist und wer nicht. [...]
Trotz der vielfältigen Behinderungen – total überfüllte U- und S-Bahn-Stationen, die vorübergehend geschlossen werden müssen, Lebensmittelgeschäfte, in denen kein Einkauf mehr möglich ist, für den Verkehr gesperrte Straßen und Plätze – behalten die West-Berliner ihre Ruhe. Der Regierende Bürgermeister Walter Momper, der mehr als die meisten anderen Politiker Fingerspitzengefühl und Gelassenheit beweist, bringt es auf den Punkt: "Das kriegen wir schon hin." [...]
Werner Lähme, 48, aus der Ost-Berliner Mellenseestraße hat vor so viel Entgegenkommen Respekt: "Ich staune, daß die West-Berliner das alles so verarbeiten können – wir wären damit wohl überfordert gewesen." Den Schlosser Heiko Spärling, 22, aus Neustrelitz treffen wir in der Einkaufsmeile Tauentzien. "Schön", sagt er, "daß nach so vielen Jahren Mauer noch so viel Zusammengehörigkeitsgefühl da ist."
Werner Mathes / Tilman Müller, Stern extra, Hamburg, Nr. 3/1989. In: Gisela Helwig (Hg.), Die letzten Jahre der DDR – Texte zum Alltagsleben, Köln 1990, S. 135ff.
Die Regierung Modrow
Bereits zwei Tage zuvor, am 7. November 1989, war der damals aus 44 Mitgliedern bestehende Ministerrat unter seinem Vorsitzenden Willi Stoph geschlossen zurückgetreten, blieb aber bis zur Wahl einer neuen Regierung geschäftsführend im Amt. Die Volkskammer bestimmte am 13. November Hans Modrow zum Vorsitzenden des Ministerrates und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung. Modrow, der bisher SED-Bezirkssekretär in Dresden gewesen war, galt als Reformer und Anhänger der Politik Gorbatschows. Kurz darauf gab Ministerpräsident Modrow seine Regierungserklärung ab und stellte seine Regierung vor. Dem neuen, erheblich verkleinerten Ministerrat gehörten jetzt 28 Mitglieder an. Die vier Koalitionspartner der SED – CDU, LDPD, NDPD, DBD – stellten zusammen elf Mitglieder. In seiner Regierungserklärung am 17. November versprach Modrow eine Wirtschafts-, Bildungs- und Verwaltungsreform sowie ein langfristig angelegtes Programm mit dem Ziel, Ökonomie und Ökologie in Übereinstimmung zu bringen.
Mit der Bildung der Regierung Modrow verlagerte sich die Macht in der DDR von der SED auf die Regierung, die sich jetzt nur noch der Volkskammer verantwortlich fühlte. Am 1. Dezember 1989 änderte die Volkskammer die Verfassung und strich den Passus über die führende Rolle der SED. Die Volkskammer war jedoch noch immer kein vom "Volk" frei gewähltes Parlament, sondern eine nach dem Willen der SED zusammengesetzte und nach einer von ihr inspirierten Einheitsliste beschickte Kammer. Umso mehr drängten die Menschen auf freie Wahlen.
Der Zerfall der SED
Im Herbst 1989 befand sich die SED selbst in einem rasanten Zerfallsprozess. Hatten der Partei noch Anfang des Jahres fast 2,3 Millionen Mitglieder angehört, häuften sich seit Oktober 1989 die Austritte: bis Ende Januar 1990 kehrten 907 480 Mitglieder und Kandidaten der Partei den Rücken. Am 3. Dezember traten Generalsekretär Krenz, das Politbüro und danach auch das Zentralkomitee geschlossen zurück. Am 6. Dezember erklärte Egon Krenz seinen Rücktritt als Vorsitzender des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates. Bei der Bevölkerung galt er als Vertreter der verhassten alten politischen Elite. Sein Nachfolger im Staatsrat wurde der LDPD-Vorsitzende Manfred Gerlach. Wenige Tage zuvor waren die Blockparteien aus dem "Demokratischen Block" ausgetreten, in dem sie über vier Jahrzehnte hinweg nahezu bedingungslos der SED gefolgt waren.
Die SED-Parteibasis traute Krenz auch nicht zu, die SED zu retten. Als zeitweilige Parteiführung wurde ein aus 25 Mitgliedern bestehender Arbeitsausschuss gebildet, der einen von der Basis geforderten außerordentlichen Parteitag vorbereiten sollte. Dieser fand schließlich in zwei Abschnitten am 8./9. und 16./17. Dezember 1989 in Berlin statt. Nachdem Regierungschef Modrow sich auf dem Parteitag strikt gegen eine von vielen Delegierten geforderte Auflösung der Partei gewandt hatte, entschied sich eine große Mehrheit für die Weiterexistenz. Parteivorsitzender wurde mit 95,3 Prozent der Stimmen der Rechtsanwalt Gregor Gysi. In einer außenpolitischen Entschließung sprach sich der Parteitag für eine "souveräne sozialistische DDR" aus. Die Partei strebe eine "Vertragsgemeinschaft" mit der Bundesrepublik an und sei offen für die Idee konföderativer Strukturen. Schließlich wurde die Umbenennung der Partei in "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands / Partei des demokratischen Sozialismus (SED/PDS)" beschlossen. Seit Januar 1990 trat die Partei dann nur noch als "Partei des demokratischen Sozialismus" (PDS) in Erscheinung.
Die Auseinandersetzung mit dem weltanschaulichen Erbe blieb eine Aufgabe, mit der sich die Partei noch auf Jahre hinaus beschäftigen musste, ohne sie jedoch zu bewältigen. Trotz heftiger innerparteilicher Diskussionen gelang es nicht, das Verhältnis zur alten SED hinsichtlich der Ideologie und des Personals gründlich und konsequent zu klären. Hartnäckig klammerte sich auch die neue Führung an ihr unrechtmäßig erworbenes Parteivermögen, mit dem sie die materielle Existenz der Partei sichern wollte. Erst im August 1998 konnte eine unabhängige Kommission ihren Abschlussbericht vorlegen, in dem sie die Höhe des sichergestellten ehemaligen SED-Vermögens mit 2,014 Milliarden DM bezifferte. Das von der Nachfolgerin der Treuhandanstalt, der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS), verwaltete Altvermögen der SED hatte aus Barmitteln und zahlreichen Immobilien bestanden. Es konnte nun nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages an die neuen Länder und Berlin ausgezahlt werden, soweit es nicht an früher Berechtigte zurückzugeben war.
Runder Tisch
Da bis zum Dezember 1989 die alten politischen Strukturen fortbestanden, mussten auf dem Weg zur Demokratie in der DDR neue Wege beschritten werden. Auf Einladung der Kirchen trat deshalb am 7. Dezember der paritätisch besetzte "Zentrale Runde Tisch" im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Berlin-Mitte zu seiner ersten Tagung zusammen. Unter der Gesprächsleitung von Kirchenvertretern trafen sich hier in den folgenden Monaten Vertreter von SED/PDS und der nach Eigenständigkeit strebenden Blockparteien mit Abgesandten der neu entstandenen oppositionellen Bürgerbewegungen. Es ging um einen grundsätzlichen Meinungsaustausch über die Situation in der DDR und Schritte zur Überwindung der Krise. Obwohl der "Runde Tisch" keine parlamentarische oder Regierungsfunktion ausüben konnte, existierte damit eine zweite quasi-parlamentarische Institution, die vor wichtigen Entscheidungen der Volkskammer mit eigenen Vorschlägen einbezogen wurde. Bereits auf der ersten Tagung sprachen sich die Teilnehmer für den 6. Mai 1990 als Termin für die ersten freien Wahlen in der DDR und für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung aus. Der im März 1990 vom "Runden Tisch" vorgelegte Entwurf einer neuen Verfassung spielte allerdings auf dem Weg zur deutschen Einheit keine Rolle mehr.
Von der friedlichen Revolution zur deutschen Einheit
Außenpolitische Rahmenbedingungen
Bereits zum Jahresende 1989 wurden die ersten Weichen gestellt, um die staatliche Einheit Deutschlands wiederherzustellen. Am 28. November hatte Bundeskanzler Helmut Kohl ein Zehnpunkteprogramm verkündet, das als Ziel der Politik der Bundesregierung die staatliche Einheit in konföderativen Strukturen nannte. Am 1. Februar 1990 legte Regierungschef Modrow auf einer Pressekonferenz in Ost-Berlin sein Konzept "Deutschland, einig Vaterland" vor. Eine endgültige Lösung der deutschen Frage könne nur in freier Selbstbestimmung der Deutschen in beiden Staaten erreicht werden, in Zusammenarbeit mit den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs und unter Berücksichtigung der Interessen aller europäischen Staaten. Fraglich war indes, wie die Sowjetunion und das westliche Bündnis auf die deutschlandpolitischen Initiativen reagieren würden.
Modrow hatte sich Ende Januar 1990 in Moskau vom sowjetischen Staats- und Parteichef Gorbatschow das Einverständnis zu seinem Plan einer Vereinigung der beiden deutschen Staaten geholt. Am 10. Februar erhielten auch Bundeskanzler Kohl und Außenminister Hans-Dietrich Genscher bei einem Besuch in Moskau das Einverständnis der UdSSR. Im Kreml war man zu der Einsicht gekommen, dass die Wiedervereinigung Deutschlands unvermeidlich sei. Im Gegenzug sicherte die Bundesrepublik dem ökonomisch schwer angeschlagenen Riesenreich Wirtschaftshilfe in erheblicher Größenordnung zu. Dementsprechend sah Bonn von nun an keinen Anlass mehr, der Regierung Modrow mit einer Milliardenhilfe unter die Arme zu greifen. Ein entsprechender Wunsch, der aus anhaltender finanzieller Zwangslage und drohender Zahlungsunfähigkeit der DDR resultierte, wurde auf dem deutsch-deutschen Gipfel am 13./14. Februar 1990 zurückgewiesen.
Auf der Seite des Westens befürworteten zunächst nur die USA die Vereinigungspläne, während Frankreich und Großbritannien sich gegen eine Veränderung des Status quo in Europa sträubten. Sie befürchteten, eine künftige Dominanz des wiedervereinigten Deutschlands könnte das europäische Gleichgewicht stören. Doch Ende Februar 1990 hatten auch London und Paris erkannt, dass der innere Einigungsprozess Deutschlands nicht aufzuhalten war , verlangten aber die Einbindung des vereinigten Deutschlands in die NATO, um ihren sicherheitspolitischen Interessen zu entsprechen. Während seiner Gespräche mit Bundeskanzler Kohl am 15. und 16. Juli 1990 in Moskau und in seinem Jagdhaus im Kaukasus gab Gorbatschow schließlich sein Einverständnis zur Mitgliedschaft des vereinten Deutschlands im westlichen Militärbündnis. Damit war der Weg frei für die sogenannten Zwei-plus-Vier-Verhandlungen zwischen den westlichen Bündnispartnern, der Sowjetunion und den Regierungschefs der DDR und der Bundesrepublik, in denen die konkreten Modalitäten der deutschen Einheit vereinbart wurden.
Die Volkskammerwahlen am 18. März 1990
Der Wahlkampf zu den ersten freien Wahlen in der DDR am 18. März 1990 machte die ungebremste Sogkraft der Bundesrepublik sichtbar. Die Stimmung in der Bevölkerung sprach inzwischen gegen eine reformierte DDR und für eine rasche Vereinigung mit dem westlichen Nachbarn. Deutlich wurde dies im Wandel der Losungen: Aus "Wir sind das Volk" wurde "Wir sind ein Volk". Die SPD, der Bund Freier Demokraten und vor allem das Wahlbündnis "Allianz für Deutschland", in dem sich die CDU mit der Deutschen Sozialen Union (DSU) und der Partei "Demokratischer Aufbruch" zusammengefunden hatte, konnten sich auf massive Wahlhilfe ihrer Partner in der Bundesrepublik stützen. So beherrschte die westliche Parteiprominenz weithin den Wahlkampf in der DDR.
Die Volkskammer-Wahlen 1990.
Die ersten freien Wahlen seit 1946 gewann das konservative Bündnis "Allianz für Deutschland" mit 47,8 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 93,4 Prozent eine später nie wieder erzielte Höhe. Die SPD kam auf knappe 22 Prozent – ein Ergebnis, das weit unter ihren Erwartungen lag. Die PDS erreichte als drittstärkste politische Kraft 16,3 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen. Die Liberalen erzielten etwas mehr als fünf Prozent. Enttäuschend war das Ergebnis für die Bürgerbewegungen "Neues Forum", "Initiative Frieden und Menschenrechte" und "Demokratie Jetzt", die sich im "Bündnis 90" zusammengeschlossen hatten: Sie kamen auf nur 2,9 Prozent. In der programmatisch vielschichtigen Bürgerbewegung glaubten nicht wenige noch immer an die Reformierbarkeit der DDR, was in der Bevölkerung allerdings nicht mehr populär war. Zudem waren sie im Wahlkampf beträchtlich benachteiligt, da ihnen im Unterschied zu den großen Parteien kein funktionierender Apparat (Presse, Gebäude, Druckereien) zur Verfügung stand. Die Parteien der "Allianz für Deutschland", die SPD und der Bund Freier Demokraten bildeten eine Koalitionsregierung unter Ministerpräsident Lothar de Maizière (CDU).
Währungs- und Wirtschaftsunion
Das Ergebnis der Volkskammerwahlen war ein eindeutiges Votum für die Vereinigung der DDR mit der Bundesrepublik. Die meisten politischen Gruppierungen waren auf den Einheitszug aufgesprungen. Kontrovers diskutiert wurden nur noch das Tempo der staatlichen Vereinigung und die Vorgehensweise. Die ungebremste Westwanderung verschärfte die Wirtschaftskrise in der DDR und diktierte das Tempo. Die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion am 1. Juli 1990, mit der die D-Mark im Osten Einzug hielt, galt in der Bevölkerung als ein erster Schritt hin zur deutschen Einheit. Am 18. Mai 1990 unterzeichneten die beiden deutschen Finanzminister einen Staatsvertrag, mit dem die Löhne und Gehälter im Kurs von 1:1 umgestellt wurden. Sparguthaben konnten gestaffelt bis zu einem Betrag von 2000 bis 6000 Mark in DM umgetauscht werden, darüber hinaus galt ein Umrechnungskurs von 2:1.
Der Abschluss von Staatsverträgen
Als am 6. Juli 1990 die Verhandlungen über den Einigungsvertrag begannen, ging es um Einzelheiten des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik nach Artikel 23 des Grundgesetzes. Die staatliche Vereinigung nach Artikel 146 GG fand in der DDR-Regierung, vor allem aber in der Bundesregierung keine Zustimmung, weil sie das Bonner Grundgesetz ungültig und somit die Ausarbeitung einer neuen Verfassung notwendig gemacht hätte. Für eine langwierige Verfassungsdebatte fehlte jedoch die Zeit. Zudem entschieden über die Bedingungen der deutschen Vereinigung nicht allein die DDR und die Bundesrepublik. Nicht nur aus Paris und London, vor allem aus Warschau kam die Forderung, dass ein vereintes Deutschland die bestehenden Grenzen in Europa anerkennen müsse. Das betraf insbesondere die Grenze zu Polen. Der Bundestag und die Volkskammer sicherten daher am 21. Juni 1990 in einer Entschließung die "Unverletzlichkeit" der polnischen Westgrenze, also der in Westdeutschland jahrzehntelang umstrittenen Oder-Neiße-Grenze, sowie die Achtung der Souveränität und der territorialen Integrität des östlichen Nachbarn uneingeschränkt zu.
Dieser Schritt machte nun endgültig den Weg für die internationale Zustimmung zur Wiedervereinigung Deutschlands frei. Nachdem die UdSSR der Zugehörigkeit des vereinigten Deutschlands zur NATO zugestimmt hatte, unterzeichneten Vertreter der DDR, der Bundesrepublik sowie Frankreichs, der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und der Sowjetunion am 12. September 1990 den Zwei-plus-Vier-Vertrag. Dieser Staatsvertrag beendete die Viermächte-Verantwortung in Bezug auf Berlin und "Deutschland als Ganzes", das vereinigte Deutschland erhielt seine staatliche Souveränität zurück. Im Zwei-Plus-Vier-Vertrag wurde darüber hinaus vereinbart, die Truppenstärke der deutschen Streitkräfte von 500000 auf 370000 Mann zu reduzieren und dauerhaft zu beschränken. Zudem verzichtete Deutschland auf die Herstellung, den Besitz von und die Verfügung über ABC-Waffen. Die Sowjetunion sicherte zu, ihre Truppen vom Gebiet der ehemaligen DDR bis spätestens 1994 abzuziehen, am 31. August 1994 verließen ihre letzten Militäreinheiten den Ostteil Deutschlands. Damit endete die seit 1945 währende sowjetische Militärpräsenz auf deutschem Boden.
In den deutsch-deutschen Verhandlungen ging alles ebenfalls sehr schnell. Am 31. August unterzeichneten Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und DDR-Staatssekretär Günther Krause den in nur acht Wochen ausgehandelten Einigungsvertrag, der die konkreten Bedingungen des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik regelte: Änderungen im Grundgesetz, Fragen der Rechtsangleichung in Ostdeutschland, der öffentlichen Verwaltung und des ostdeutschen Staatsvermögens sowie verschiedene Aspekte der Bereiche Arbeit, Soziales, Frauen und Kultur. Strittige Fragen wie etwa die Forderungen nach einer Verfassungsdiskussion, des künftigen Regierungssitzes des vereinten Deutschlands oder einer einheitlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs wurden vertagt. Zudem wurde das Prinzip "Rückgabe vor Entschädigung" vereinbart, mit dem die Enteignungen in der DDR nach 1949 rückgängig gemacht werden sollten. Hierfür mussten allerdings in einem komplizierten Prozess Vermögensfragen geklärt werden. Im Vorfeld des Einigungsvertrages hatte die Volkskammer bereits am 17. Juni das Treuhandgesetz verabschiedet. Die daraufhin eingerichtete Behörde, die der Aufsicht des Ministerpräsidenten unterstellt war, hatte den Auftrag, die in Staatshand befindlichen Betriebe, Grundstücke und Immobilien so rasch wie möglich in private Hand zu überführen. Am 20. September stimmten die beiden deutschen Parlamente dem Staatsvertrag mit großer Mehrheit zu.
Die deutsche Einheit
Noch vor der staatlichen Einheit hatten sich die DDR-Liberalen Mitte August mit der westdeutschen FDP vereinigt. Ende September vereinten sich die Sozialdemokraten und am 1. Oktober schlossen sich der "Demokratische Aufbruch" und die Bauernpartei der CDU an. Die Partei "Die Grünen" und das "Bündnis 90" einigten sich auf eine Zusammenarbeit bei der gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990. Verschiedene linke Gruppierungen verbanden sich mit der PDS.
Am 3. Oktober 1990 trat die DDR der Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 23 des Grundgesetzes bei. Damit hörte die DDR auf, als Staat zu existieren. Mit der staatlichen Einheit wurden für alle Bürgerinnen und Bürgern der neuen Bundesländer jene Forderungen erfüllt, mit denen die Menschen im Herbst 1989 auf die Straße gegangen waren: Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die Erfahrung, mit friedlichen Massenprotesten, politischer Courage und gesellschaftlichem Reformwillen die kommunistische Diktatur im Osten zu Fall gebracht zu haben, wirkt bis heute.
QuellentextEltern und Großeltern erinnern sich
[...] Eine Projektwoche liegt vor ihnen: "Schild und Schwert der Partei". Gemeinsam mit einer Lehrerin, mit Johannes Beleites, Studienleiter der Evangelischen Akademie Thüringen, und mit Matthias Wanitschke, Mitarbeiter der Landesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit, werden sich [25 Zehntklässler einer Regelschule aus einem kleinen Ort in Thüringen] über fünf Tage das Wirken der Stasi und die Mechanismen der SED-Diktatur erarbeiten.
Die Schüler, 15 oder 16 Jahre alt, [...] haben mit Menschen, die in der DDR gelebt haben, über die Erfahrungen mit dem MfS, der NVA und der Volkspolizei gesprochen. Die Jungen und Mädchen sollen jetzt ihre Interviewergebnisse vortragen. Die meisten haben ihre Großeltern und Eltern befragt. Ein Mädchen sagt, die DDR sei keine Diktatur gewesen: "Heute wird einem auch gesagt, was man machen muss."
Die meisten berichten aber, ihnen sei zu Hause geantwortet worden, die DDR sei "wohl mehr oder weniger eine Diktatur" gewesen. Allerdings kommt ihnen der Satz eher pflichtschuldig über die Lippen [...]. Die Schüler machen die verhaltene Kritik an der DDR aber sogleich wett: Die Kindheit dort, so hätten die daheim Befragten berichtet, sei doch schön gewesen, mit Schulspeisung, genug Kindergarten- und Arbeitsplätzen und dem guten Kinderprogramm des Fernsehens. Alles sei bestens organisiert gewesen. Weder die Reisefreiheit noch das Westfernsehen hätten ihnen gefehlt. Die Mutter sei gern zu den jungen Pionieren gegangen oder habe heute noch Freundinnen aus der FDJ. Von der Stasi hätten nur Einzelne etwas bemerkt.
Auch wenn die befragten Verwandten den Grenztruppen angehörten, und das waren nicht wenige, hatten sie angeblich keinen Kontakt zur Staatssicherheit. Die ehemaligen Angehörigen der "bewaffneten Organe" lobten ihren Kindern und Enkeln gegenüber die Solidarität und Kameradschaft in der Truppe. [...] Man habe zwar gewusst, dass man bespitzelt wird, aber man habe sich sicher und beschützt gefühlt. Konflikte mit dem SED-Staat waren offenbar die Ausnahme.
[...] Der Vater eines Jungen empfand die Schulungen des MfS während seines Militärdienstes als "schlecht". Wer bei der NVA seine Meinung sagte, habe 50 Mal den Fahneneid schreiben müssen. Das MfS habe ein Feindbild von den Verwandten im Westen vermittelt. [...] Julia erzählt von ihrem Vater, der nicht zur Wahl gehen wollte. Daraufhin sei der Bürgermeister zu ihnen ins Haus gekommen, aber der Vater sei trotzdem nicht gegangen. Alex' Mutter hatte Respekt vor der Volkspolizei und der Stasi. Die seien immer und überall gewesen, und immer habe die Mutter Angst gehabt. Schon als Kind habe sie zu Hause gelernt, nichts gegen den Staat zu sagen und in der Schule nicht preiszugeben, dass sie zu Hause West-Fernsehen schauten. Die Lehrerin offenbart den Schülern: "Ich habe eine Akte." Die Stasi beschattete sie beim Treffen mit West-Verwandtschaft am Hermsdorfer Autobahnkreuz und bescheinigte ihr, dass sie nicht zum Propagieren des Marxismus-Leninismus befähigt sei. [...]
Unter Anleitung der Tutoren nähern sich die Schüler der Frage, was die Stasi gewesen ist, und die Jungen, die am Morgen noch schüchtern waren, tauen auf. Die SED habe die Stasi gegründet, um ihre Macht zu sichern, sagt Toni. Philipp sagt, ohne Stasi hätte es Chaos gegeben, und Steven sagt, es wäre "nicht so geordnet gewesen, sondern es hätte Aufstände gegeben wie heute in Afrika". Christopher beschreibt, dass es in der DDR keine Gewaltenteilung gab, denn die Stasi habe im Gegensatz zu heutigen Geheimdiensten ermittelt, verhaftet und die Menschen eingesperrt [...].
Die andere Gruppe befasst sich [...] mit der Frage nach Tätern und Opfern in der DDR. Die Schüler haben einen Beitrag von Bummi, dem Bären, gelesen, in dem die SED als die große Familie gepriesen wird. Bummi ist eine Erfindung des Zentralrats der FDJ und bis heute der Titelheld einer Kinderzeitschrift. Bummi hat im Internet eine Fangemeinde, die sich zur Kindheit und Geborgenheit in der DDR bekennt. Auch alle Zehntklässler kennen den gelben Bären. Als Kontrast haben sie einen Text über die "Politisch ideologische Diversion" (PiD) gelesen, für deren Bekämpfung die Hauptabteilung XX des MfS zuständig war. Als PiD galt jede von der Linie der SED abweichende Einflussnahme auf die Meinungsbildung. [...]
Am zweiten Tag, dem Dienstag, arbeiten sich die Zehntklässler durch das Erfurter Archiv der Stasiunterlagenbehörde. Auf 1,4 Millionen Karteikarten wurden dort während 40 Jahren Sozialismus die Daten von 2,5 Millionen Menschen allein aus dem kleinen Bezirk Erfurt festgehalten. Die Schüler bereiten die Gespräche mit zwei Zeitzeugen vor. Michael Schlosser, ein damals 38 Jahre alter Kraftfahrzeugschlosser und Fuhrparkleiter des Fernsehstudios Dresden, ist 1983 von der Staatssicherheit verhaftet worden. Er erhielt vier Jahre und sechs Monate Haft wegen versuchter Republikflucht. Grit Angermann war im selben Jahr 18 Jahre alt, als sie Losungen wie "Neue Männer braucht das Land" oder "Anarchie" in Weimar auf Wände malte. Sie wurde zu sechs Monaten Haft wegen Rowdytums verurteilt. Sie gelangte sechs Wochen nach ihrer Haftentlassung in den Westen nach Kassel. Schlosser wurde freigekauft und zog nach Alzey. Die Schüler studieren die Akten und bereiten Fragen an die Zeitzeugen vor. Schlosser kommt am Mittwoch, Grit Angermann am Donnerstag. [...]
Am Freitag schließlich spielen die Schüler Szenen aus dem Alltag der DDR nach, in denen sie das, was sie sich die Woche über erarbeitet haben, noch einmal erleben. In der Schlussrunde am Ende der Woche sind die Schüler erstaunt, wie viel sie über die DDR und die Stasi als "Schild und Schwert der Partei" erfahren haben.
Claus Peter Müller, "Diktatur mit schöner Kindheit", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. März 2011
Am 14. Oktober 1990 fanden in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen Landtagswahlen statt. Nach der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990, aus der die CDU als stärkste Partei hervorging, wurde Helmut Kohl zum ersten Bundeskanzler des vereinten Deutschland gewählt.
Der mit der Einheit Deutschlands verbundene gesellschaftliche Umbruch veränderte die Lebenswelten der Ostdeutschen dramatisch. Für viele Menschen eröffneten sich dadurch neue Möglichkeiten der beruflichen und privaten Selbstentfaltung. Politische Gängelung, Gesinnungsterror und die Angst vor politischer Repression gehörten der Vergangenheit an. Der Einzug der westdeutschen Konsumwelt beendete auch die ostdeutsche Mangelwirtschaft. Doch zugeich mussten auch die Konsequenzen der Marktwirtschaft bewältigt werden, die insbesondere viele Arbeiter in den bislang staatlichen Betrieben überraschten. Millionen Beschäftigte in Wirtschaft und Verwaltung wurden arbeitslos, weil die privatisierten Betriebe den Übergang zur Marktwirtschaft nicht schafften oder große Staatsbetriebe geschlossen wurden.
Quellentext"Das Kollektiv war alles, der Einzelne nichts"
[...] G. A.: Mit welchen Gefühlen sind Sie in die Wiedervereinigung gegangen? Kowalzcuk: Mit Freude, aber auch mit Unsicherheit. Wir wussten ja nicht, was genau geschehen würde, welche konkreten Veränderungen auf uns zukommen. Aber natürlich überwog die Freude, dass die SED-Diktatur zu Ende ist. [...]
G. A.: Ihnen war die historische Bedeutung des Tages bewusst?
Kowalzcuk: Gar keine Frage, ja. Wobei die historisch bedeutsamen Ereignisse in den Monaten zuvor passiert waren: die Massenflucht, die Massendemonstrationen in Leipzig, der Fall der Mauer, die freien Wahlen in der DDR. Das sind die eigentlichen Wegmarken der Einheit. G. A.: Knapp elf Monate zuvor war die Mauer gefallen. Wie erinnern Sie sich daran?
Kowalzcuk: Es war ein Tag der Selbstbefreiung. Nicht der Staat öffnete die Mauer, die Bürger erzwangen den Durchbruch. Gerade viele Ost-Berliner hatten die Sehnsucht, einfach durch die Mauer zu fahren und zu schauen, was dahinter ist. Wir sind ja mit dem Westen im Kopf groß geworden. Ich wollte in die Plattenläden gehen, in die Buchhandlungen. Jeden Abend hörte ich im Radio, was auf der anderen Seite in den Clubs los war, oder den WestWetterbericht. Klingt seltsam, aber nun galt das West-Wetter auch für mich. [...] G. A.: Wie erinnern Sie sich an die DDR? Kowalzcuk: Für mich war dieser Staat von vorne bis hinten unerträglich. Die schönen Erlebnisse waren alle im familiären Bereich oder mit Freunden. Aber das System DDR? Da entdecke ich nichts, das man hätte bewahren sollen.
G. A.: Auch nicht Dinge wie die umfassende Kinderbetreuung?
Kowalzcuk: Wenn man in Kindergärten und Schulen ging, war es unerträglich. In den Kitas mussten die Kinder mit Kriegsspielzeug spielen, Disziplin und Ordnung, das Kollektiv waren alles, der Einzelne nichts. Das Ziel war, die Individualität der Kinder zu brechen. In der Schule ging das weiter. Permanent wurde vorgeschrieben, was man zu lesen hatte. Man musste ständig in militärähnlichen Formationen aufmarschieren. Es gab zahllose ideologische Tabuthemen. [...]
G. A.: Also gar nichts, was sich gelohnt hätte, ins vereinte Deutschland rüber zu retten?
Kowalzcuk: Nein. Ich bin froh, dass man mit der DDR Tabula Rasa gemacht hat. Man kann nicht aus einem Gesamtsystem einzelne Aspekte herausgreifen. Die Einzelteile bedingen einander.
G. A.: Können Sie die Debatte nachvollziehen, ob die DDR ein Unrechtsstaat war oder nicht?
Kowalzcuk: Ich reagiere ziemlich allergisch auf Versuche, die Verhältnisse in der DDR zu verniedlichen. Es gab nur 600 Rechtsanwälte für 17 Millionen Menschen. Wer das Land ohne Genehmigung verlassen wollte, wurde verhaftet oder erschossen. Das Recht konnte in der DDR jederzeit durch die herrschenden Kommunisten gebeugt werden. Willkür und Unrecht waren systembedingt. Wie kann man da nicht von einem Unrechtsstaat sprechen?
G. A.: Viele Ex-DDR-Bürger reagieren verletzt. Kowalzcuk: Politik, Publizistik und Wissenschaft haben es versäumt deutlich zu machen, dass, wenn man von einem Unrechtsstaat spricht, kein Urteil fällt über die Menschen, die in diesem System lebten. Viele DDR-Bürger fühlen sich durch den Begriff in ihrer Lebensbiografie entwertet und wehren sich dagegen. Dafür habe ich Verständnis. [...] G. A.: Sind sich Ost- und Westdeutsche nah, oder sind sie einander fremd geblieben?
Kowalzcuk: Es bestehen nach wie vor Unterschiede im Denken und Verhalten. Aber warum auch nicht? In einem großen Land wie der Bundesrepublik gibt es diese Unterschiede eben, zwischen Nord und Süd, Ost und West. Die Vielfalt ist doch das Kennzeichen einer offenen Gesellschaft. Ich bin froh, dass es sie gibt.
"Dieser Staat war unerträglich". Interview von Kai Pfundt mit Ilko-Sascha Kowalzcuk, Projektleiter bei der Stasiakten-Behörde in Berlin, in: Bonner General-Anzeiger Bonn vom 2./3. Oktober 2010
Mit der Aktion "Aufbau Ost" versuchte die Bundesregierung in den folgenden Jahren, in den neuen Bundesländern ein selbst tragendes wirtschaftliches Wachstum zu erreichen, die Abwanderung in den Westteil Deutschlands zu stoppen, die hohe Arbeitslosigkeit abzubauen und die Transferabhängigkeit zu reduzieren. Bis 1995 wurden allein 82 Milliarden DM aus dem Fonds Deutsche Einheit für den Wiederaufbau im Osten aufgewendet. Die Maßnahmen hatten jedoch nicht in allen Bereichen den gewünschten Erfolg. Im Westen rief die Höhe der Kosten der Einheit Unmut hervor. Im Osten verbreitete sich das Gefühl, als Deutsche "zweiter Klasse" angesehen zu werden. Auf diese Weise haben die Deutschen die vielfach beschworene innere Einheit auch zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung noch nicht erreicht. In den Köpfen vieler lebt die Erinnerung an das, was sie in den vierzig Jahren ihrer Trennung erlebten, fort. Um die Zukunft zu gestalten, bedarf es der Aufarbeitung der deutsch-deutschen Geschichte, die frei von neuen oder alten Legenden sein sollte.
QuellentextErinnerung und Identität
Erinnerungen an die Vergangenheit [...] legitimieren, motivieren und vereinen die Bevölkerung durch Geschichtsschreibung und "Gründungsmythen" oder Zeremonien, wie Gedenkstätten oder auch Jahrestage. [...]
Erinnerungen sind ebenfalls eng mit individueller Identität verknüpft. Die Geschichten, die wir über uns selbst erzählen, senden Botschaften aus über die Person, als die wir gesehen werden wollen. [...]
Das bedeutet auch, dass Erinnerungen, ob kollektiv oder individuell, in der Gegenwart geschaffen werden. Sie werden von sozialen, kulturellen und politischen Faktoren beeinflusst und unterliegen Machtkonstellationen. Dies betrifft zum Beispiel die Frage, wer Versionen der Vergangenheit kreieren und diese be- oder verurteilen darf. [...] Offizielle Versionen der Geschichtsschreibung geben vor, was als erinnerungswürdig gilt. Somit hängt nationale Geschichtsschreibung von den Zukunftsvisionen momentaner Führungseliten ab, das heißt von Regierungen, Amtsinhabern, Intellektuellen. Erinnerungen, kollektive und individuelle, werden meistens, wenn auch nicht immer, durch persönliche Erzählungen [...] geteilt. [...]
Maurice Halbwachs prägte den Begriff "kollektives Gedächtnis". Er argumentierte, dass intimste Erinnerungen an die weiter reichenden Erinnerungen einer Gruppe, ob Familie, Freundeskreis oder Nation, gebunden sind. Wir können nur erinnern, was von der Gruppe als legitim betrachtet wird, und versuchen, unsere Erfahrungen innerhalb des von der Gruppe vorgegebenen Rahmens zu verstehen. [...]
In "Umbruchsgesellschaften" bestehen besondere Probleme beim Umgang mit der Vergangenheit. Dies betrifft nicht nur Deutschland, sondern auch andere vormals sozialistische Länder. Mit dem Ende des Sozialismus und der Delegitimierung dieses Systems vollzog sich ein extremer Wertewandel. Die Menschen heute müssen ein anderes Wertmaß an die Vergangenheit anlegen. Entscheidungen, Taten, Lebensweisen, die in der sozialistischen Gesellschaft "normal" waren, werden in Rückschau auf den Kommunismus in ein kritisches und oft negatives Licht getaucht. [...] Dieser Vorgang erwies sich als äußerst kompliziert. Viele Werte, die jahrzehntelang eingeübt und tradiert wurden, bestehen weiterhin in der Gesellschaft und beeinflussen Wahrnehmung und Verhalten dieser Menschen. Darüber hinaus können individuelle Lebenserfahrungen nicht einfach uminterpretiert werden. Geschichten auf einmal nach neuem Raster zu erzählen oder damals völlig "normale" Erlebnisse in Frage zu stellen, ist schwer, wenn nicht gar unmöglich. Vor allem ist dies schwierig, wenn die Basis, auf der die Vergangenheit bewertet wird, noch umkämpft ist. [...] Der Begriff "Vergangenheitsbewältigung" entstand in der alten Bundesrepublik in Bezug auf den Umgang mit Nationalsozialismus und Judenverfolgung. Er umfasste eine Kombination von historischer Forschung, Gedenken und Trauerarbeit, in dem Versuch, dieses schwierige Kapitel zumindest zu "meistern". Mit der Wiedervereinigung wurde das Modell Vergangenheitsbewältigung auf die DDR übertragen. [...] In Bezug auf die DDR-Vergangenheit war der gängige Begriff nun "Vergangenheitsaufarbeitung". [...] Durch den Fokus auf den Diktaturcharakter des vergangenen Staates und durch die Parallelität des Umgangs mit der NS-Zeit akzentuierte die offizielle Geschichtsschreibung das Herrschaftssystem und die Opposition. Dieser Vorgang wiederum führte zu einem dichotomisierten Bild der DDR, mit Opfern auf der einen Seite und Tätern auf der anderen. [...] Mittlerweile ist der Terminus "Vergangenheitsaufarbeitung" im Osten Deutschlands allerdings belastet. Ähnlich wie die "Vereinigung durch Übernahme" durch die Bundesrepublik, wird "Aufarbeitung" als ein vom Westen gesteuerter Prozess gesehen, der über die individuell und kollektiv erlebte Vergangenheit zu richten scheint. Verbunden mit Erfahrungen der Abwertung ostdeutscher Kultur und persönlicher Errungenschaften im Vereinigungsprozess sowie dem realen Verlust von Arbeitsplätzen und radikaler Veränderung der Umgebung in allen Lebensbereichen, führte dies Mitte der neunziger Jahre zu Nostalgie und einer Art "Trotz-Identität". "Ostalgie" focht hierbei westdeutsche Hegemonie an und präsentierte ein alternatives "Deutsch-Sein". [...] Seit Mitte der neunziger Jahre scheint die trotzige "Ossi-Identität" aber einem subtileren Gefühl von "Zu-Hause-Sein" gewichen zu sein, was wiederum eine flexible Auseinandersetzung mit den "anderen" Deutschen zulässt. [...]
Anselma Gallinat, Sabine Kittel, "Zum Umgang mit der DDR-Vergangenheite heute", in: Thomas Großbölting (Hg.), Friedensstaat, Leseland, Sportnation?, Berlin 2003, S. 309 ff.
Günter Schabowski (© AP)
[...] [I]n den Kirchen waren weder polizeiliche Voranmeldungen nötig noch staatliche Einflußnahmen auf die Inhalte der angebotenen Themen möglich. Wenn Gemeindekirchenrat und Pfarrer ihr Einverständnis erklärten, konnte man kurzfristig Informations-Andachten, Fürbitten oder Mahnwachen ansetzen, denen regelmäßig Zeichen vorausgingen, die Kundige wohl zu deuten wußten. Zuerst traten paarweise sportliche und ordentlich frisierte junge Männer in der Umgebung der betroffenen Gebäude auf. Sie [...] standen betont unauffällig in Hausfluren und musterten aufmerksam die Vorübergehenden oder saßen in Personenkraftwagen [...] und beobachteten das Leben und Treiben auf der Straße. Gelegentlich tauchten Mannschaftswagen mit grün uniformierten Bereitschaftspolizisten und Hunden auf. [...]
Dann näherten sich grüppchenweise oder einzeln die erwarteten "feindlich-negativen Kräfte" und strebten der einladend geöffneten Kirchentür zu. Sie bevorzugten das Sechziger-Jahre-Outfit – lange Haare, Bärte, Nickelbrille, Stirnband, verwaschene Jeans, grüne Kutten, malerische Tücher und Umhängetaschen aus Jute, die Damen in flatterigen langen Kleidern in Schwarz – und pflegten sich zur Begrüßung zu umarmen und flüchtige Küßchen auszutauschen. Die Stasi fasste sie als Jugendliche mit "feindlich-dekadentem Äußeren" zusammen. [...]
Trotz ihres bewusst zur Schau getragenen "Andersseins" konnten die Kirchenbesucher eine gewisse Bravheit kaum verleugnen. [...] Auf den alten Fotos fallen der heilige Ernst und die sanfte Ent- schlossenheit der Kirchenbesucher auf. Es fehlte das Grell-Provozierende der westlichen Demo-Kultur. Niemand randalierte, niemand war "vermummt", kaum jemand trug Schilder, Fahnen oder Symbole vor sich her. [...] Die Veranstaltungsbesucher begegneten den aggressiven Kontrolleuren nach Möglichkeit betont friedlich, ging es ihnen doch um den Abbau von Feindbildern und die Überwindung von Haß [...].
[...] [Das] politische Gewicht, das die Oppositionsgruppen für einen kurzen historischen Moment erlangten, [darf] nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie bis in den Spätsommer 1989 hinein über keinen nennenswerten Anhang verfügten. Sie bewegten sich am Rande des normalen Alltags. Die große Mehrheit der Bevölkerung beachtete ihre Aktivitäten kaum und erfuhr von ihnen nur über die sehr zurückhaltende, distanzierte Berichterstattung der westlichen Medien. [...] Selbst bei großzügigster Rechnung handelte es sich dabei statistisch gesehen um einen zu vernachlässigenden Anteil von weniger als einem halben Promille der hauptstädtischen Gesamtbevölkerung. Zwei oder drei Dutzend Aktivisten trugen die Opposition über Jahre hinweg. Prominente Künstler, Schriftsteller oder Wissenschaftler fehlten [...] gänzlich [...].
[...] Das individuelle Aufbegehren ist inmitten einer Umwelt des alltäglichen Opportunismus der biographische Ausnahmezustand, für den die wenigen Oppositionellen einen ausgesprochen hohen Preis zahlten. Er bestand – jedenfalls für alle außerhalb des kirchlichen Dienstes Beschäftigten – im Verzicht auf bürgerliche Normalität, berufliches Fortkommen, familiäre Unbeschwertheit. Nach der Wende wurden die Folgen dieses Verzichts schmerzhaft deutlich.
Stefan Wolle, Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971-1989, 2, durchgesehene Auflage, Berlin 1999, S. 262 f.
Anfang September 1989, auf dem Höhepunkt der Ausreisewelle, meldete sich erstmals in der Geschichte der DDR eine politische Opposition offen zu Wort, trat aus dem sowohl schützenden als auch einengenden Bereich der Kirche heraus und bekannte sich unmißverständlich zu ihrer Rolle. An den Schwarzen Brettern vieler Gemeinden hing ein Papier mit der Überschrift "Aufbruch 89 – Neues Forum" und verkündete folgendes:
"In unserem Lande ist die Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft offensichtlich gestört. Belege dafür sind die weitverbreitete Verdrossenheit bis hin zum Rückzug in die private Nische oder zur massenhaften Auswanderung. Fluchtbewegungen dieses Ausmaßes sind anderswo durch Not, Hunger und Gewalt verursacht. Davon kann bei uns keine Rede sein. Die gestörte Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft lähmt die schöpferischen Potenzen unserer Gesellschaft und behindert die Lösung der anstehenden lokalen und globalen Aufgaben. Wir verzetteln uns in übelgelaunter Passivität und hätten doch Wichtigeres zu tun für unser Leben, unser Land und die Menschheit. In Staat und Wirtschaft funktioniert der Interessenausgleich zwischen den Gruppen und Schichten nur mangelhaft. Auch die Kommunikation über die Situation und die Interessenlage ist gehemmt [...] Um all diese Widersprüche zu erkennen, Meinungen und Argumente dazu anzuhören und zu bewerten, allgemeine von Sonderinteressen zu unterscheiden, bedarf es eines demokratischen Dialogs über die Aufgaben des Rechtsstaates, der Wirtschaft und der Kultur. Über diese Fragen müssen wir in aller Öffentlichkeit, gemeinsam und im ganzen Land nachdenken und miteinander sprechen. Von der Bereitschaft und dem Wollen dazu wird es abhängen, ob wir in absehbarer Zeit Wege aus der gegenwärtigen krisenhaften Situation finden. Es kommt in der jetzigen gesellschaftlichen Entwicklung darauf an,
daß eine größere Anzahl von Menschen am gesellschaftlichen Reformprozeß mitwirkt, daß die vielfältigen Einzel- und Gruppenaktivitäten zu einem Gesamthandeln finden.
Wir bilden deshalb eine politische Plattform FÜR DIE GANZE DDR, die es den Menschen aus allen Berufen, Lebenskreisen, Parteien und Gruppen möglich macht, sich an der Diskussion und Bearbeitung lebenswichtiger Gesellschaftsprobleme in diesem Land zu beteiligen. Für eine solche übergreifende Initiative wählten wir den Namen NEUES FORUM [...] Allen Bestrebungen, denen das NEUE FORUM Ausdruck und Stimme verleihen will, liegt der Wunsch nach Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden sowie Schutz und Bewahrung der Natur zugrunde. Es ist dieser Impuls, den wir bei der kommenden Umgestaltung der Gesellschaft in allen Bereichen lebensvoll erfüllt wissen wollen. Wir rufen alle Bürger und Bürgerinnen der DDR, die an der Umgestaltung unserer Gesellschaft mitwirken wollen, auf, Mitglied des NEUEN FORUM zu werden. Die Zeit ist reif."
Die insgesamt 30 Unterschriften stammten sowohl von bekannten Oppositionellen als auch von bisher nicht öffentlich hervorgetretenen Personen. Bei der Lektüre des Textes fällt sein hoher Allgemeinheitsgrad auf. Weder enthielt er ein Bekenntnis zum Sozialismus – was Christa Wolf und Stephan Hermlin noch Ende des Monats als Begründung anführten, dem Aufruf nicht beizutreten – noch sprach er sich eindeutig für eine neue soziale Ordnung aus. Er bekannte sich nicht zum Fortbestand der DDR und forderte trotzdem nicht die deutsche Einheit. Alle wichtigen Fragen wollte er im Rahmen eines künftigen gesamtgesellschaftlichen Dialogs beantworten. Genau diese Offenheit verlieh dem Neuen Forum seine enorme Durchschlagskraft. Bei den Erstunterzeichnern klingelten Tag und Nacht die Telefone, immer mehr Menschen solidarisierten sich und überschritten die unsichtbare Grenze zwischen Angst und Engagement, die sie jahrzehntelang sorgfältig beachtet hatten, und mit jeder Unterschrift sank das persönliche Risiko. Es dauerte nicht lange, bis der Aufruf ohne Geheimniskrämerei in Betrieben und wissenschaftlichen Instituten kursierte und an öffentlichen Anschlagsbrettern erschien.
Stefan Wolle, Die heile Welt der Diktatur, Alltag und Herrschaft in der DDR 1971-1989, Bonn 1999, S. 310f.
Der Werkzeugmacher Ralf Dickel, 34, aus dem Ost-Berliner Bezirk Prenzlauer Berg ist einer der ersten, die an jenem Donnerstag abend durch die Mauer kommen. Zuerst sehen wir nur seinen Kopf, den er neugierig um die Beton-Mauer reckt – wie jemand, der einen scheuen Blick in ein verbotenes Zimmer riskiert. Dann geht er zögernd ein paar Schritte weiter und schaut sich verstohlen um, als ob er fürchtet, doch noch an seinem grünen Parka zurückgehalten zu werden. Schließlich ist er da.
Am Grenzübergang Bornholmer Straße klatschen jetzt ein paar hundert West-Berliner Beifall, rufen, pfeifen und lassen Sektkorken knallen. Es ist genau 20.45 Uhr, Ralf Dickel reißt die Arme hoch und schreit: "Wahnsinn!"
Ein Wort, das in den nächsten Tagen millionenfach wiederholt werden wird: geflüstert, gestöhnt, gebrüllt, gesungen, geheult. Ein Wort, das wie kein anderes die neue Situation in Berlin und bald auch überall an der deutschen Grenze beschreibt: Fassungslosigkeit, Überraschung, Ungläubigkeit, Glück.
Als die Regierung der DDR die Grenzübergänge öffnet und Tag für Tag und Nacht für Nacht neue Breschen in den Beton der Berliner Mauer schlägt, taumelt die Stadt wie im Fieber. Am Kurfürstendamm liegen sich wildfremde Menschen weinend in den Armen, klatschen unzählige Hände auf die Dächer und Kühlerhauben der Trabants und Wartburgs, die mühsam durch die Spaliere der Schaulustigen kriechen.
Rund um die Gedächtniskirche steigt ein gigantisches Open-air-Spektakel, das rund um die Uhr von Zehntausenden Berlinern aus beiden Teilen der ehemaligen Reichshauptstadt gefeiert wird – mit Freibier und Erbsensuppe, mit Konfetti und Blumen. [...] [Z]wischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz [...] Menschen stehen dicht an dicht, mit erhobenen Armen, die Finger zum Victoryzeichen gespreizt. Sie sitzen in den Bäumen, tanzen auf der hier zwei Meter breiten Mauerkrone und singen "We shall overcome".
Hunderte machen sich mit Hämmern und Meißeln am Betonwall zu schaffen, biedere Familienväter aus Castrop-Rauxel und Günzburg, aufgeregte Hausfrauen aus Uelzen und Wanne-Eickel, die sich bei der brisanten Werkelei von ihrem halbwüchsigen Anhang ablichten lassen. Immer wieder wird skandiert: "Die Mauer muß weg."
Überflüssig ist sie jetzt ohnehin geworden. Von Donnerstag nacht bis Sonntag abend strömen weit über zwei Millionen DDR-Bürger in den Westteil der Stadt – um den Ansturm zu bewältigen, schlägt der SED-Staat zehn neue Übergänge in die Mauer. Die Besucher aus dem Osten haben das West-Berliner Stadtbild verändert: [...]
Aufregend sind jetzt [...] die Spaziergänge durch West-Berlin geworden. Der Dokumentarfilmer Carsten Krüger, 36, war tagelang mit mehreren Teams unterwegs und staunte: "Komisch, auf der Straße schauen sich die Leute wieder an." Das hat meist nur einen Grund: Man will herausfinden, wer hier Osti ist und wer nicht. [...]
Trotz der vielfältigen Behinderungen – total überfüllte U- und S-Bahn-Stationen, die vorübergehend geschlossen werden müssen, Lebensmittelgeschäfte, in denen kein Einkauf mehr möglich ist, für den Verkehr gesperrte Straßen und Plätze – behalten die West-Berliner ihre Ruhe. Der Regierende Bürgermeister Walter Momper, der mehr als die meisten anderen Politiker Fingerspitzengefühl und Gelassenheit beweist, bringt es auf den Punkt: "Das kriegen wir schon hin." [...]
Werner Lähme, 48, aus der Ost-Berliner Mellenseestraße hat vor so viel Entgegenkommen Respekt: "Ich staune, daß die West-Berliner das alles so verarbeiten können – wir wären damit wohl überfordert gewesen." Den Schlosser Heiko Spärling, 22, aus Neustrelitz treffen wir in der Einkaufsmeile Tauentzien. "Schön", sagt er, "daß nach so vielen Jahren Mauer noch so viel Zusammengehörigkeitsgefühl da ist."
Werner Mathes / Tilman Müller, Stern extra, Hamburg, Nr. 3/1989. In: Gisela Helwig (Hg.), Die letzten Jahre der DDR – Texte zum Alltagsleben, Köln 1990, S. 135ff.
Die Volkskammer-Wahlen 1990.
[...] Eine Projektwoche liegt vor ihnen: "Schild und Schwert der Partei". Gemeinsam mit einer Lehrerin, mit Johannes Beleites, Studienleiter der Evangelischen Akademie Thüringen, und mit Matthias Wanitschke, Mitarbeiter der Landesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit, werden sich [25 Zehntklässler einer Regelschule aus einem kleinen Ort in Thüringen] über fünf Tage das Wirken der Stasi und die Mechanismen der SED-Diktatur erarbeiten.
Die Schüler, 15 oder 16 Jahre alt, [...] haben mit Menschen, die in der DDR gelebt haben, über die Erfahrungen mit dem MfS, der NVA und der Volkspolizei gesprochen. Die Jungen und Mädchen sollen jetzt ihre Interviewergebnisse vortragen. Die meisten haben ihre Großeltern und Eltern befragt. Ein Mädchen sagt, die DDR sei keine Diktatur gewesen: "Heute wird einem auch gesagt, was man machen muss."
Die meisten berichten aber, ihnen sei zu Hause geantwortet worden, die DDR sei "wohl mehr oder weniger eine Diktatur" gewesen. Allerdings kommt ihnen der Satz eher pflichtschuldig über die Lippen [...]. Die Schüler machen die verhaltene Kritik an der DDR aber sogleich wett: Die Kindheit dort, so hätten die daheim Befragten berichtet, sei doch schön gewesen, mit Schulspeisung, genug Kindergarten- und Arbeitsplätzen und dem guten Kinderprogramm des Fernsehens. Alles sei bestens organisiert gewesen. Weder die Reisefreiheit noch das Westfernsehen hätten ihnen gefehlt. Die Mutter sei gern zu den jungen Pionieren gegangen oder habe heute noch Freundinnen aus der FDJ. Von der Stasi hätten nur Einzelne etwas bemerkt.
Auch wenn die befragten Verwandten den Grenztruppen angehörten, und das waren nicht wenige, hatten sie angeblich keinen Kontakt zur Staatssicherheit. Die ehemaligen Angehörigen der "bewaffneten Organe" lobten ihren Kindern und Enkeln gegenüber die Solidarität und Kameradschaft in der Truppe. [...] Man habe zwar gewusst, dass man bespitzelt wird, aber man habe sich sicher und beschützt gefühlt. Konflikte mit dem SED-Staat waren offenbar die Ausnahme.
[...] Der Vater eines Jungen empfand die Schulungen des MfS während seines Militärdienstes als "schlecht". Wer bei der NVA seine Meinung sagte, habe 50 Mal den Fahneneid schreiben müssen. Das MfS habe ein Feindbild von den Verwandten im Westen vermittelt. [...] Julia erzählt von ihrem Vater, der nicht zur Wahl gehen wollte. Daraufhin sei der Bürgermeister zu ihnen ins Haus gekommen, aber der Vater sei trotzdem nicht gegangen. Alex' Mutter hatte Respekt vor der Volkspolizei und der Stasi. Die seien immer und überall gewesen, und immer habe die Mutter Angst gehabt. Schon als Kind habe sie zu Hause gelernt, nichts gegen den Staat zu sagen und in der Schule nicht preiszugeben, dass sie zu Hause West-Fernsehen schauten. Die Lehrerin offenbart den Schülern: "Ich habe eine Akte." Die Stasi beschattete sie beim Treffen mit West-Verwandtschaft am Hermsdorfer Autobahnkreuz und bescheinigte ihr, dass sie nicht zum Propagieren des Marxismus-Leninismus befähigt sei. [...]
Unter Anleitung der Tutoren nähern sich die Schüler der Frage, was die Stasi gewesen ist, und die Jungen, die am Morgen noch schüchtern waren, tauen auf. Die SED habe die Stasi gegründet, um ihre Macht zu sichern, sagt Toni. Philipp sagt, ohne Stasi hätte es Chaos gegeben, und Steven sagt, es wäre "nicht so geordnet gewesen, sondern es hätte Aufstände gegeben wie heute in Afrika". Christopher beschreibt, dass es in der DDR keine Gewaltenteilung gab, denn die Stasi habe im Gegensatz zu heutigen Geheimdiensten ermittelt, verhaftet und die Menschen eingesperrt [...].
Die andere Gruppe befasst sich [...] mit der Frage nach Tätern und Opfern in der DDR. Die Schüler haben einen Beitrag von Bummi, dem Bären, gelesen, in dem die SED als die große Familie gepriesen wird. Bummi ist eine Erfindung des Zentralrats der FDJ und bis heute der Titelheld einer Kinderzeitschrift. Bummi hat im Internet eine Fangemeinde, die sich zur Kindheit und Geborgenheit in der DDR bekennt. Auch alle Zehntklässler kennen den gelben Bären. Als Kontrast haben sie einen Text über die "Politisch ideologische Diversion" (PiD) gelesen, für deren Bekämpfung die Hauptabteilung XX des MfS zuständig war. Als PiD galt jede von der Linie der SED abweichende Einflussnahme auf die Meinungsbildung. [...]
Am zweiten Tag, dem Dienstag, arbeiten sich die Zehntklässler durch das Erfurter Archiv der Stasiunterlagenbehörde. Auf 1,4 Millionen Karteikarten wurden dort während 40 Jahren Sozialismus die Daten von 2,5 Millionen Menschen allein aus dem kleinen Bezirk Erfurt festgehalten. Die Schüler bereiten die Gespräche mit zwei Zeitzeugen vor. Michael Schlosser, ein damals 38 Jahre alter Kraftfahrzeugschlosser und Fuhrparkleiter des Fernsehstudios Dresden, ist 1983 von der Staatssicherheit verhaftet worden. Er erhielt vier Jahre und sechs Monate Haft wegen versuchter Republikflucht. Grit Angermann war im selben Jahr 18 Jahre alt, als sie Losungen wie "Neue Männer braucht das Land" oder "Anarchie" in Weimar auf Wände malte. Sie wurde zu sechs Monaten Haft wegen Rowdytums verurteilt. Sie gelangte sechs Wochen nach ihrer Haftentlassung in den Westen nach Kassel. Schlosser wurde freigekauft und zog nach Alzey. Die Schüler studieren die Akten und bereiten Fragen an die Zeitzeugen vor. Schlosser kommt am Mittwoch, Grit Angermann am Donnerstag. [...]
Am Freitag schließlich spielen die Schüler Szenen aus dem Alltag der DDR nach, in denen sie das, was sie sich die Woche über erarbeitet haben, noch einmal erleben. In der Schlussrunde am Ende der Woche sind die Schüler erstaunt, wie viel sie über die DDR und die Stasi als "Schild und Schwert der Partei" erfahren haben.
Claus Peter Müller, "Diktatur mit schöner Kindheit", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. März 2011
[...] G. A.: Mit welchen Gefühlen sind Sie in die Wiedervereinigung gegangen? Kowalzcuk: Mit Freude, aber auch mit Unsicherheit. Wir wussten ja nicht, was genau geschehen würde, welche konkreten Veränderungen auf uns zukommen. Aber natürlich überwog die Freude, dass die SED-Diktatur zu Ende ist. [...]
G. A.: Ihnen war die historische Bedeutung des Tages bewusst?
Kowalzcuk: Gar keine Frage, ja. Wobei die historisch bedeutsamen Ereignisse in den Monaten zuvor passiert waren: die Massenflucht, die Massendemonstrationen in Leipzig, der Fall der Mauer, die freien Wahlen in der DDR. Das sind die eigentlichen Wegmarken der Einheit. G. A.: Knapp elf Monate zuvor war die Mauer gefallen. Wie erinnern Sie sich daran?
Kowalzcuk: Es war ein Tag der Selbstbefreiung. Nicht der Staat öffnete die Mauer, die Bürger erzwangen den Durchbruch. Gerade viele Ost-Berliner hatten die Sehnsucht, einfach durch die Mauer zu fahren und zu schauen, was dahinter ist. Wir sind ja mit dem Westen im Kopf groß geworden. Ich wollte in die Plattenläden gehen, in die Buchhandlungen. Jeden Abend hörte ich im Radio, was auf der anderen Seite in den Clubs los war, oder den WestWetterbericht. Klingt seltsam, aber nun galt das West-Wetter auch für mich. [...] G. A.: Wie erinnern Sie sich an die DDR? Kowalzcuk: Für mich war dieser Staat von vorne bis hinten unerträglich. Die schönen Erlebnisse waren alle im familiären Bereich oder mit Freunden. Aber das System DDR? Da entdecke ich nichts, das man hätte bewahren sollen.
G. A.: Auch nicht Dinge wie die umfassende Kinderbetreuung?
Kowalzcuk: Wenn man in Kindergärten und Schulen ging, war es unerträglich. In den Kitas mussten die Kinder mit Kriegsspielzeug spielen, Disziplin und Ordnung, das Kollektiv waren alles, der Einzelne nichts. Das Ziel war, die Individualität der Kinder zu brechen. In der Schule ging das weiter. Permanent wurde vorgeschrieben, was man zu lesen hatte. Man musste ständig in militärähnlichen Formationen aufmarschieren. Es gab zahllose ideologische Tabuthemen. [...]
G. A.: Also gar nichts, was sich gelohnt hätte, ins vereinte Deutschland rüber zu retten?
Kowalzcuk: Nein. Ich bin froh, dass man mit der DDR Tabula Rasa gemacht hat. Man kann nicht aus einem Gesamtsystem einzelne Aspekte herausgreifen. Die Einzelteile bedingen einander.
G. A.: Können Sie die Debatte nachvollziehen, ob die DDR ein Unrechtsstaat war oder nicht?
Kowalzcuk: Ich reagiere ziemlich allergisch auf Versuche, die Verhältnisse in der DDR zu verniedlichen. Es gab nur 600 Rechtsanwälte für 17 Millionen Menschen. Wer das Land ohne Genehmigung verlassen wollte, wurde verhaftet oder erschossen. Das Recht konnte in der DDR jederzeit durch die herrschenden Kommunisten gebeugt werden. Willkür und Unrecht waren systembedingt. Wie kann man da nicht von einem Unrechtsstaat sprechen?
G. A.: Viele Ex-DDR-Bürger reagieren verletzt. Kowalzcuk: Politik, Publizistik und Wissenschaft haben es versäumt deutlich zu machen, dass, wenn man von einem Unrechtsstaat spricht, kein Urteil fällt über die Menschen, die in diesem System lebten. Viele DDR-Bürger fühlen sich durch den Begriff in ihrer Lebensbiografie entwertet und wehren sich dagegen. Dafür habe ich Verständnis. [...] G. A.: Sind sich Ost- und Westdeutsche nah, oder sind sie einander fremd geblieben?
Kowalzcuk: Es bestehen nach wie vor Unterschiede im Denken und Verhalten. Aber warum auch nicht? In einem großen Land wie der Bundesrepublik gibt es diese Unterschiede eben, zwischen Nord und Süd, Ost und West. Die Vielfalt ist doch das Kennzeichen einer offenen Gesellschaft. Ich bin froh, dass es sie gibt.
"Dieser Staat war unerträglich". Interview von Kai Pfundt mit Ilko-Sascha Kowalzcuk, Projektleiter bei der Stasiakten-Behörde in Berlin, in: Bonner General-Anzeiger Bonn vom 2./3. Oktober 2010
Erinnerungen an die Vergangenheit [...] legitimieren, motivieren und vereinen die Bevölkerung durch Geschichtsschreibung und "Gründungsmythen" oder Zeremonien, wie Gedenkstätten oder auch Jahrestage. [...]
Erinnerungen sind ebenfalls eng mit individueller Identität verknüpft. Die Geschichten, die wir über uns selbst erzählen, senden Botschaften aus über die Person, als die wir gesehen werden wollen. [...]
Das bedeutet auch, dass Erinnerungen, ob kollektiv oder individuell, in der Gegenwart geschaffen werden. Sie werden von sozialen, kulturellen und politischen Faktoren beeinflusst und unterliegen Machtkonstellationen. Dies betrifft zum Beispiel die Frage, wer Versionen der Vergangenheit kreieren und diese be- oder verurteilen darf. [...] Offizielle Versionen der Geschichtsschreibung geben vor, was als erinnerungswürdig gilt. Somit hängt nationale Geschichtsschreibung von den Zukunftsvisionen momentaner Führungseliten ab, das heißt von Regierungen, Amtsinhabern, Intellektuellen. Erinnerungen, kollektive und individuelle, werden meistens, wenn auch nicht immer, durch persönliche Erzählungen [...] geteilt. [...]
Maurice Halbwachs prägte den Begriff "kollektives Gedächtnis". Er argumentierte, dass intimste Erinnerungen an die weiter reichenden Erinnerungen einer Gruppe, ob Familie, Freundeskreis oder Nation, gebunden sind. Wir können nur erinnern, was von der Gruppe als legitim betrachtet wird, und versuchen, unsere Erfahrungen innerhalb des von der Gruppe vorgegebenen Rahmens zu verstehen. [...]
In "Umbruchsgesellschaften" bestehen besondere Probleme beim Umgang mit der Vergangenheit. Dies betrifft nicht nur Deutschland, sondern auch andere vormals sozialistische Länder. Mit dem Ende des Sozialismus und der Delegitimierung dieses Systems vollzog sich ein extremer Wertewandel. Die Menschen heute müssen ein anderes Wertmaß an die Vergangenheit anlegen. Entscheidungen, Taten, Lebensweisen, die in der sozialistischen Gesellschaft "normal" waren, werden in Rückschau auf den Kommunismus in ein kritisches und oft negatives Licht getaucht. [...] Dieser Vorgang erwies sich als äußerst kompliziert. Viele Werte, die jahrzehntelang eingeübt und tradiert wurden, bestehen weiterhin in der Gesellschaft und beeinflussen Wahrnehmung und Verhalten dieser Menschen. Darüber hinaus können individuelle Lebenserfahrungen nicht einfach uminterpretiert werden. Geschichten auf einmal nach neuem Raster zu erzählen oder damals völlig "normale" Erlebnisse in Frage zu stellen, ist schwer, wenn nicht gar unmöglich. Vor allem ist dies schwierig, wenn die Basis, auf der die Vergangenheit bewertet wird, noch umkämpft ist. [...] Der Begriff "Vergangenheitsbewältigung" entstand in der alten Bundesrepublik in Bezug auf den Umgang mit Nationalsozialismus und Judenverfolgung. Er umfasste eine Kombination von historischer Forschung, Gedenken und Trauerarbeit, in dem Versuch, dieses schwierige Kapitel zumindest zu "meistern". Mit der Wiedervereinigung wurde das Modell Vergangenheitsbewältigung auf die DDR übertragen. [...] In Bezug auf die DDR-Vergangenheit war der gängige Begriff nun "Vergangenheitsaufarbeitung". [...] Durch den Fokus auf den Diktaturcharakter des vergangenen Staates und durch die Parallelität des Umgangs mit der NS-Zeit akzentuierte die offizielle Geschichtsschreibung das Herrschaftssystem und die Opposition. Dieser Vorgang wiederum führte zu einem dichotomisierten Bild der DDR, mit Opfern auf der einen Seite und Tätern auf der anderen. [...] Mittlerweile ist der Terminus "Vergangenheitsaufarbeitung" im Osten Deutschlands allerdings belastet. Ähnlich wie die "Vereinigung durch Übernahme" durch die Bundesrepublik, wird "Aufarbeitung" als ein vom Westen gesteuerter Prozess gesehen, der über die individuell und kollektiv erlebte Vergangenheit zu richten scheint. Verbunden mit Erfahrungen der Abwertung ostdeutscher Kultur und persönlicher Errungenschaften im Vereinigungsprozess sowie dem realen Verlust von Arbeitsplätzen und radikaler Veränderung der Umgebung in allen Lebensbereichen, führte dies Mitte der neunziger Jahre zu Nostalgie und einer Art "Trotz-Identität". "Ostalgie" focht hierbei westdeutsche Hegemonie an und präsentierte ein alternatives "Deutsch-Sein". [...] Seit Mitte der neunziger Jahre scheint die trotzige "Ossi-Identität" aber einem subtileren Gefühl von "Zu-Hause-Sein" gewichen zu sein, was wiederum eine flexible Auseinandersetzung mit den "anderen" Deutschen zulässt. [...]
Anselma Gallinat, Sabine Kittel, "Zum Umgang mit der DDR-Vergangenheite heute", in: Thomas Großbölting (Hg.), Friedensstaat, Leseland, Sportnation?, Berlin 2003, S. 309 ff.
| Article | Andreas Malycha | 2022-01-19T00:00:00 | 2011-12-21T00:00:00 | 2022-01-19T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/geschichte-der-ddr-312/48560/auf-dem-weg-in-den-zusammenbruch-1982-bis-1990/ | Anfang der 1980er Jahre ist Honeckers Strategie, über Sozialleistungen die SED-Herrschaft zu stabilisieren, praktisch gescheitert. Die Menschen gehen zu Hunderttausenden auf die Straße. Am 3. Oktober 1990 ist die DDR Geschichte. | [
"Informationen zur politischen Bildung Nr. 312",
"Geschichte der DDR",
"DDR",
"SED",
"Erich Honecker",
"Gorbatschow",
"Opposition in der DDR",
"Prager Botschaft",
"Helmut Kohl",
"Mauerfall",
"Wiedervereinigung",
"9. November 1989",
"2. Oktober 1990"
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Participatory Budgeting in Germany: Citizens as Consultants (an overview) | Netzwerk Bürgerhaushalt | bpb.de | Esperanca Democrática - This is the book title of a recently published book on participatory budgeting world wide. The book was edited by Nelson Dias, it is currently being translated from Portugese into English. Exclusively for buergerhaushalt.org, you can already take a glance on one of the translated articles:
In their article on PB in Germany, Mandy Wagner and Michelle Ruesch examine the characteristics of a "typical German PB".
Abstract:
This chapter examines the current landscape of participatory budgets in Germany, which currently includes just under 100 local authorities that are actively involved in participatory budgeting (PB). Based on the history of PB in Germany, it shows how German participatory budgets typically pursue the objective of making local government more responsive, which is the reason why most participatory budgets in Germany are based on the consultative model. Under this model, citizens act as advisors to policymakers and administrators. Based on data collected in the autumn of 2012 for the sixth status report of the information portal Interner Link: www.buergerhaushalt.org, the chapter identifies ‘typical’ features that characterise German participatory budgets. According to this analysis, the majority of participatory budgets in Germany are consultative, allow proposals on the entire budget – including proposals both for investments and for cost-saving measures, and make intensive use of the Internet. There is great room for improvement with regard to accountability, for which a general report has so far been the norm.
You can download the full article here: Interner Link: PB in Germany
More information on the book in Portugese: Externer Link: INLOCO News | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-11-18T00:00:00 | 2022-09-23T00:00:00 | 2022-11-18T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/stadt-land/buergerhaushalt/513408/participatory-budgeting-in-germany-citizens-as-consultants-an-overview/ | Mandy Wagner and Michelle Ruesch examine the characteristics of a "typical German PB". The article first appeared as a chapter in the Portugese book "Esperanca Democrática". | [
"Bürgerhaushalt – Bürgerbudget",
"Participatory Budgeting Worldwide",
"Participatory Budgeting",
"Deutschland"
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Vereinigtes Königreich | bpb.de | Die Einführung der zivilen Integration im Vereinigten Königreich steht in mindestens zweierlei Hinsicht in auffälligem Kontrast zum europäischen Festland. Erstens: Während in den kontinentaleuropäischen Staaten die zivile Integration als Teil einer (zunehmend restriktiven) Zuwanderungspolitik eingeführt wurde und erst später in der Einbürgerungspolitik übernommen wurde, verlief diese Entwicklung im Vereinigten Königreich genau umgekehrt. Im Vereinigten Königreich wurde ab 2005 zunächst ein Einbürgerungstest eingeführt, der erst seit 2007 auch Voraussetzung für die Bewilligung dauerhafter Aufenthaltsgenehmigungen ist. Zweitens ist der britische Ansatz gegenüber den Ländern auf dem europäischen Festland, wo die zivile Integration einen zunehmend verpflichtenden bzw. Zwangscharakter annahm, eher behutsam und serviceorientiert geblieben. Dies zeigt sich in einer deutlichen Zurückhaltung, die Integration der Zuwanderungskontrolle unterzuordnen.
Die Crick-Kommission (2003), welche die neuen Kurse und Tests im Rahmen einer Reform der Einbürgerungspolitik vorbereitete, stellte bereits frühzeitig klar: "Das Ziel ist nicht – und kann es auch gar nicht sein –, die Zahl der Ausländer zu verringern, die bereits ansässig und in Beschäftigung sind." Die insgesamt "weicheren" britischen Integrationsmaßnahmen erklären sich vor allem durch zwei Faktoren. Erstens konnte die Labour-Partei das Programm ausgestalten, ohne dabei auf (rechts-)populistische Splitterparteien oder Bewegungen wie die um Pim Fortuyn in den Niederlanden und Jean-Marie Le Pen in Frankreich reagieren zu müssen. Zweitens wird es von einer neuen Zuwanderungspolitik flankiert, die dem kanadischen Beispiel folgend mit Hilfe eines Punktesystems qualifizierte und hoch qualifizierte Zuwanderer bevorzugt. Ein Fünf-Jahres-Plan der Regierung für Asyl und Zuwanderung bekennt ganz offen, dass Zuwanderung von niedrig qualifizierten Arbeitskräften "mit der Zeit abgeschafft wird", insbesondere da hier ein großes Angebot "aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten" besteht (welches aufgrund des Rechtes auf Freizügigkeit nicht ausgeschlossen werden kann). Kurz gesagt wird also die Zuwanderung niedrig qualifizierter Arbeitskräfte von außerhalb der EU nicht das Thema von Integrations- und Einbürgerungspolitik werden, da Zuwanderung dieser Art von der dauerhaften Niederlassung ausgeschlossen werden soll. Folglich gibt es im Vereinigten Königreich keine Tendenz, Integrationspolitik der Kontrolle der Zuwanderung wirtschaftlich "unerwünschter" Migranten unterzuordnen. Und folgerichtig geht es in der britischen Debatte über Integration nicht um niedrig qualifizierte Zuwanderer. Um hoch qualifizierte Arbeitskräfte, die auch andere (und wärmere) Zielländer als das Vereinigte Königreich wählen können, wird hingegen mit positiven Integrationsmaßnahmen geworben. Der liberale Tenor der britischen Integrationspolitik kann nicht vom vergleichsweise exklusiven Profil der anvisierten Zuwanderer abgelöst betrachtet werden.
Wie im restlichen Europa auch, war es jedoch die offensichtlich gescheiterte Integration von Immigranten und ethnischen Minderheiten, die zu einem Umdenken geführt hat: Im Jahr 2001 kam es in Nordengland zu Unruhen zwischen Angehörigen verschiedener ethnischer Gruppen, in die besonders muslimische Jugendliche verwickelt waren. Die Cantle-Kommission, die von der Regierung zur Aufklärung der Ursachen eingesetzt wurde, machte vor allem offizielle Multikulturalismusstrategien auf lokaler Ebene sowie die Selbstabschottung von Minderheiten für die Ausschreitungen verantwortlich und empfahl eine Politik, die "Gefühle von Staatszugehörigkeit und nationaler Identität bekräftigen" sollte. Höhere Anforderungen sowie eine feierliche Zeremonie bei der Einbürgerung, wie sie das Gesetz zu Staatsbürgerschaft, Zuwanderung und Asyl im Jahr 2002 einführten, sind bis heute sichtbarster Ausdruck dieser Forderungen. Demnach müssen Antragsteller in einem standardisierten Einbürgerungstest "ausreichende Kenntnisse" in einer der offiziellen Landessprachen (Englisch, aber auch Walisisch oder Gälisch) sowie über "das Leben im Vereinigten Königreich" nachweisen. Zusätzlich wurde ganz im Sinne einer Aussage des damaligen Innenministers Blunkett – "ein Brite zu werden ist ein bedeutendes Ereignis im Leben" – ein Staatsbürgereid eingeführt, ein Versprechen, das nach US-amerikanischer Sitte bei einer öffentlichen Einbürgerungszeremonie abgelegt wird.
Die Crick-Kommission, die den Einbürgerungstest vorbereitet hat, begründete den neuen Ansatz damit, dass "Staatszugehörigkeit höher geschätzt wird, wenn sie verdient, nicht verschenkt wird". Doch während in den Niederlanden ebenso wie in den meisten anderen europäischen Staaten neuerdings die Auffassung herrscht, dass die Einbürgerung am Ende eines erfolgreichen Integrationsprozesses stehen sollte, bleibt die britische Philosophie ihrem liberalen Grundsatz treu: "Eingebürgert zu werden sollte nicht das Ende, sondern nur der Anfang sein." Und während die niederländische Regierung die nationalistische Auffassung übernommen hat, dass man "nicht studieren kann, wie man Niederländer wird" und damit Antragstellern auf Einbürgerung Informationen, Lehrmaterialien und Kurse vorenthält, ist die britische Regierung gegenteiliger Meinung. Sie bietet kostenlose Vorbereitungskurse an und verteilt unentgeltlich die Broschüre "Life in the United Kingdom", mit der sich die Antragsteller auf den gesellschaftskundlichen Teil des Einbürgerungstest vorbereiten können. Darüber hinaus haben Bewerber in den Niederlanden nur drei Versuche, den Test zu bestehen, wohingegen es für Antragsteller im Vereinigten Königreich kein solches Limit gibt.
Die Anforderungen im Bereich Staatsbürgerkunde sind von der Crick-Kommission inhaltlich in sechs Kategorien eingeteilt, in "absteigender Reihenfolge nach Schwierigkeit und Relevanz", wobei "Staatliche Institutionen im Vereinigten Königreich" und "Das Vereinigte Königreich als multikulturelle Gesellschaft" die beiden wichtigsten Kategorien sind. Inhaltlich unterscheiden sich britische und kontinentaleuropäische zivile Integration nicht entscheidend; Differenzen zwischen den beiden Ansätzen gibt es aber im Hinblick auf die Sprache. So stellen die Sprachtests in Kontinentaleuropa immer höhere Anforderungen an die Bewerber, wohingegen der Test im Vereinigten Königreich "nicht unangemessen beschwerlich" sein soll, wie es ein Mitglied des House of Lords, dem Oberhaus im britischen Parlament, ausgedrückt hat. Konkret bedeutet dies, dass nicht derselbe (unerreichbar hohe) Sprachstandard für alle Antragsteller gelten, sondern dass mit Hilfe eines flexiblen Systems der individuellen Lernentwicklung eines jeden Bewerbers Rechnung getragen werden soll. Entsprechend müssen im Einbürgerungstest keine objektiven Mindestanforderungen erfüllt werden, die für alle Kandidaten gleich sind, sondern es muss nachgewiesen werden, dass man seine Englischkenntnisse seit der Teilnahme an einem Einstufungstest auf einer offiziellen Skala "English as Second Language" (ESOL) um zumindest eine Stufe verbessert hat. "Zukünftige Bürger" werden somit als "lebenslange Lerner" betrachtet, die "ihre Sprachkenntnisse und eine ganze Reihe anderer berufs-, freizeit-, bildungs- und gesellschaftsrelevanter Kompetenzen weiterentwickeln werden, noch lange, nachdem sie die Staatsbürgerschaft angenommen haben" .
Siehe Crick Commission (2003).
| Article | Christian Joppke | 2021-06-23T00:00:00 | 2012-01-25T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/migration-integration/kurzdossiers/57372/vereinigtes-koenigreich/ | Die Einführung der zivilen Integration im Vereinigten Königreich steht im Kontrast zum europäischen Festland. Während in den kontinentaleuropäischen Staaten die Integration als Teil einer Zuwanderungspolitik eingeführt und erst später in der Einbürge | [
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Vita von Rahel R. Mann | Deutschland Archiv | bpb.de | Rahel R. Mann überlebte den Holocaust, weil sie von Nachbarinnen und Nachbarn versteckt wurde. Sie wurde unter anderem von auch der Frau des Blockwarts, Frieda Anna Vater, und in verschiedenen Verstecken, darunter in der Pfarrersfamilie von Eitel-Friedrich von Rabenau untergebracht. Ab November 1944 musste sich Rahel Wolf in einem Kellerverschlag in der Starnberger Straße aufhalten, aus dem sie schließlich von der Roten Armee befreit wurde. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wohnte sie zusammen mit ihrer Mutter, die die Haft im KZ überlebt hatte, seitdem jedoch schwer traumatisiert und krank war. Rahel Wolf, die sich das Lesen mit Hilfe von Frau Vater im Kellerverschlag selbst beigebracht hatte, holte die Schule nach und machte am Rückert-Gymnasium in Schöneberg 1957 ihr Abitur. Anschließend studierte sie Medizin und Psychologie sowie auf Lehramt an der Pädagogischen Hochschule Berlin und arbeitete als Lehrerin. Rahel Wolf heiratete und bekam zwei Kinder. Sie bildete sich zur Heilpraktikerin und Psychotherapeutin weiter und behandelte in ihrer psychotherapeutischen Praxis in Berlin Opfer und Täterinnen und Täter. Nach ihrer Scheidung eröffnete Rahel R. Mann eine psychotherapeutische Praxis in Braunschweig. 1997 wanderte sie für zehn Jahre nach Israel ein, um für ein Selbststudium der Thora und der Kabbala Hebräisch zu lernen. Seit sie wieder in Berlin lebt, arbeitete sie ehrenamtlich in einem Hospiz, schrieb drei Gedichtbände ("erdundhimmelwärts" 1992, "Das Ewige im Menschen" 1994 und "Ich reiche dir meine Hand" 2005, mit Hilka Koch) und engagiert sie sich als Zeitzeugin, vor allem in Schulen. Außerdem las sie lange Jahre bis ins hohe Alter im Rathaus Schöneberg aus dem Buch "Uns kriegt ihr nicht: Als Kinder versteckt - jüdische Überlebende erzählen" im Rahmen der Ausstellung "Wir waren Nachbarn" im Rathaus Schöneberg.
Hier geht es zum Interner Link: Interview mit Rahel R. Mann >> | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-10-11T00:00:00 | 2021-10-11T00:00:00 | 2021-10-11T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/341744/vita-von-rahel-r-mann/ | Rahel R. Mann (geb. Rahel Wolf) wurde am 7. Juni 1937 in Berlin-Neukölln geboren. Sie kam als uneheliche Tochter einer christlich getauften Jüdin und eines Juden zur Welt. Rahel Wolf hat ihre ersten vier Jahre in einer jüdischen Pflegefamilie gelebt, | [
"Rahel R. Mann",
"Bundesrepublik Deutschland",
"Berlin"
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Webvideos zur Europawahl | Presse | bpb.de | Die Webvideoreihe zur Europawahl der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb in Kooperation mit dem YouTuber Robin Blase (27), besser bekannt als RobBubble, ist gestartet. In vier unterschiedlichen Webvideos werden vor allem junge Wähler unterhaltsam über die anstehende Europawahl informiert.
Mit Blick auf die vergangene Europawahl und die geringe Wahlbeteiligung von 35,3 % der 21- bis 24-Jährigen wird der Bedarf an Informationsangeboten deutlich, die sich stärker am Mediennutzungsverhalten junger Menschen orientieren. Hier spielen vor allem Angebote im Social Web und auf digitalen Plattformen wie YouTube eine wichtige Rolle.
Den Auftakt bildet das Video „Alle Infos zur EU & Europawahl 2019” (Externer Link: www.bpb.de/291528). In dynamischen Erklär-Sequenzen (fast) ohne Schnitt, veranschaulicht RobBubble alle wichtigen Fakten zur Wahl des Europäischen Parlaments und zur EU. Zwei Videos im “Late Night” Stil folgen, die sich mit den Top-Themen der Wahl und aktuellen EU-Reformvorschlägen auseinandersetzen. Den Abschluss bildet ein Reportage-Film, in dem RobBubble andere YouTuberinnen und YouTuber aus Europa besucht. Zusammen mit bekannten Creatorn aus Dänemark, Rumänien und Spanien geht er folgenden Fragen nach: Wie sehen junge Menschen anderer EU-Staaten ihr Land und die EU und was erhoffen sie sich von der Europawahl?
„Ich halte die diesjährige Europawahl für unglaublich wichtig. Meine Reichweite dazu zu nutzen, meine Zuschauer zu motivieren sich zur Wahl zu informieren und am 26. Mai wählen zu gehen - das ist für mich eine Selbstverständlichkeit und meiner Meinung nach die Verpflichtung von jedem “Influencer” – sagt Robin Blase.
Thomas Krüger, Präsident der bpb, spricht von einem Bildungsangebot, um Zielgruppen zu erreichen, die konventionellen Medien oft nur noch wenig Beachtung schenken: „Junge Menschen interessieren sich für Europa – das hat nicht zuletzt die Fridays-for-future-Bewegung in diesem Jahr eindrücklich bewiesen. Politische Bildung hat hier die Chance zu reagieren und Vermittlungsformate gemeinsam mit jungen Medienschaffenden zu entwickeln, die noch näher an den digitalen Lebenswelten dran sind."
Die Videos werden in der Mediathek der bpb (Externer Link: www.bpb.de/291528) und auf dem Externer Link: Kanal von RobBubble als Playlist bereitgestellt.
Produziert wurden die Videos von der Richtig Cool GmbH.
Pressemitteilung als Interner Link: PDF
Pressekontakt
Bundeszentrale für politische Bildung Stabsstelle Kommunikation Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-200 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: presse@bpb.de
Pressemitteilungen der bpb abonnieren/abbestellen: Interner Link: www.bpb.de/presseverteiler | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-08-18T00:00:00 | 2019-05-21T00:00:00 | 2021-08-18T00:00:00 | https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/291613/webvideos-zur-europawahl/ | Die Webvideoreihe zur Europawahl der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb in Kooperation mit dem YouTuber RobBubble ist gestartet. Die Webvideos sollen vor allem junge Wähler unterhaltsam über die anstehende Europawahl informieren. | [
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"YouTube",
"Wahlvideos",
"Europawahlen 2019"
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Europäische Bürgerbeauftragte | Europäische Union | bpb.de | Die Europäische Bürgerbeauftragte nimmt Beschwerden von allen Bürgerinnen und Bürgern entgegen, die sich von den europäischen Institutionen ungerecht behandelt fühlen. Diese Europäische Ombudsfrau hat ihren Sitz in Brüssel und geht Hinweisen über Fehlverhalten europäischer Institutionen gegenüber Bürgern nach. Zwar hat die Bürgerbeauftragte juristisch keine Macht, dennoch gelingt es ihr, vielen Beschwerden abzuhelfen. Oftmals reicht es schon, dass die Bürgerbeauftragte in einer Abteilung der Europäischen Kommission nachfragt, um zur Revision einer bürokratischen Entscheidung zu kommen.
So beschwerte sich beispielsweise ein Bewerber für einen Job bei der Europäischen Kommission, der auf der Reserveliste stand und sich Hoffnungen machte, in absehbarer Zeit für die Kommission arbeiten zu können, dass die Kommission eines Tages die Liste schloss und nicht mehr weiter berücksichtigte, ohne den Bewerber zu informieren. Auf Vorschlag der Europäischen Bürgerbeauftragten wurde der Beschwerde stattgegeben und der Bewerber erneut auf der Reserveliste berücksichtigt. In einem anderen Fall beschwerte sich ein deutscher Journalist, dass die Kommission von ihm angefragte Dokumente, die Griechenlands Beitritt zur Eurozone betrafen, nicht zur Verfügung gestellt hat, weil die Recherche von Unterlagen aus einer Zeit, in der diese noch nicht elektronisch erfasst wurden, der Kommission zu zeitaufwändig erschien. Nach der Beschwerde bei der Ombudsfrau suchte die Kommission die Dokumente zusammen und gab sie heraus.
Seit 2013 hat die frühere Journalistin Emily O-Reilly das Amt inne, die zuvor Bürgerbeauftragte ihres Heimatlandes Irland war. Sie informiert auf einer eigenen Externer Link: Internetseite über ihre laufende Arbeit. Beschweren kann sich bei ihr jede natürliche oder juristische Person, die ihren (Wohn-) Sitz in der Europäischen Union hat. | Article | Eckart D. Stratenschulte | 2021-06-23T00:00:00 | 2011-11-27T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/europaeische-union/dossier-europaeische-union/42972/europaeische-buergerbeauftragte/ | Seit 2013 ist die frühere irische Ombudsfrau Emily O’Reilly Europäische Bürgerbeauftragte. Ihre Aufgabe: Beschwerden von Bürgern nachgehen und Missstände in den Organen und Einrichtungen der EU aufdecken. | [
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"Europa",
"Europäischer Bürgerbeauftrager",
"Beschwerden",
"Institutionen"
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Hier gibt es gute Informationen | einfach POLITIK | bpb.de | "einfach POLITIK: Europa." gibt es auch als Hörbuch und als Webseite:
einfach POLITIK: Europa. Ein Hörbuch über die Europäische Union www.bpb.de/276626 einfach POLITIK: Europa.Webseiten über die Europäische Union Interner Link: www.bpb.de/276623
Angebote der bpb:
Dossier "Europäische Union" der bpb Externer Link: www.bpb.de/internationales/europa/europaeische-union/ Zeitbilder "Europa", Bestellnummer 3982Was geht für dich? Das Heft über die Europäische Union, Bestellnummer 9623 (Bestellung: Externer Link: www.bpb.de/shop)
Angebote der bpb für junge Menschen
Hanisauland Externer Link: www.hanisauland.de
Angebote der EU:
Homepage des Europäischen Parlaments Externer Link: www.europa.eu/european-union/index_de Broschüre "Europa 2018" und Broschüre "Das Europäische Parlament" Externer Link: www.europarl.europa.eu/germany/de/service/publikationen.html Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments in Deutschland Externer Link: www.europarl.europa.eu/germany/
Broschüre der Europa Union Deutschland:
Argumente gegen Europaskepsis. Eine Diskussionshilfe. Externer Link: Service > Publikationen > sonstige Publikationen
Videos im Internet:
Externer Link: Die Europäische Union einfach erklärt (explainity Erklärvideo) Externer Link: Die Europäische Union (EU) erklärt | wissen2go
Diese und ähnliche Filme unter Externer Link: www.youtube.com > Suchbegriffe "Europäische Union einfach erklärt" oder "Europawahl einfach erklärt" | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-01-03T00:00:00 | 2018-11-07T00:00:00 | 2022-01-03T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/politisches-system/politik-einfach-fuer-alle/279793/hier-gibt-es-gute-informationen/ | Hier gibt es noch mehr Informationen über Europa und die Europäische Union. | [
"Einfache Erklärung",
"europäische Union",
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"Einfache Sprache",
"Einfach Politik",
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"Hier gibt es gute Informationen",
"Informationen zur EU"
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Die Mitte und die Flüchtlingskrise | Zufluchtsgesellschaft Deutschland | bpb.de | Der Begriff "Mitte" hat viele Bedeutungen: die soziale Mitte einer Gesellschaft, das mittlere Segment eines sich nach rechts und links erstreckenden Parteienspektrums, die geografische Mitte eines Raumes. Ist von der Mitte die Rede, so ist zunächst selten klar, welche Bedeutung gemeint ist: die soziologische, die politikwissenschaftliche oder die geografische. Semantische Eindeutigkeit ergibt sich fast immer erst aus dem Kontext; nur selten erklärt der Sprechende explizit, in welcher Bedeutung er den Begriff der Mitte verwendet. Er kann sich das leisten, weil alle divergenten Bedeutungen von Mitte einen gemeinsamen Sinn haben: Sie ist die Größe, die etwas zusammenhält, die dafür sorgt, dass es nicht auseinanderfällt oder sich in Einzelteile auflöst, gleichgültig, ob es sich dabei um eine Gesellschaft, das Spektrum parteipolitischer Optionen oder einen soziokulturellen Raum handelt. In welcher Bedeutung oder Funktion auch immer Mitte gedacht wird – sie ist der Ort beziehungsweise die Größe, ohne die ihre wie auch immer bestimmte Umgebung nicht gedacht werden kann.
Offensichtlich ist der Platz in der Mitte beziehungsweise die Verfügung darüber eine privilegierte Position. Entsprechend umkämpft und umstritten ist die Mitte, und deswegen ist sie auch gefährdet, mitunter sogar bedroht: entweder, weil alle in die Mitte hineindrängen, was zu "Überfüllung" führt, oder weil die Zentrifugalkräfte, die von den sozialen, politischen oder räumlichen Rändern auf die Mitte einwirken, so groß werden, dass die Mitte zu zerreißen oder sich zu spalten droht. Entgegen allen nach Ruhe, Gemütlichkeit und Langeweile klingenden Assoziationen ist die Mitte ein umstrittener und umkämpfter Ort. Und nicht nur das: Infolge des den unterschiedlichen Bedeutungen gemeinsam inhärenten Sinns, ein Ganzes zusammenzuhalten und zu organisieren, kommt ihr auch eine Aufgabe zu, die sie erfolgreich zu bewältigen hat, an der sie aber auch scheitern kann. Ein solches Scheitern der Mitte im soziopolitischen Sinn und ebenso ein Scheitern an der Mitte im geopolitischen Sinn durchzieht die deutsche Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts; deswegen hat der Begriff der Mitte in Deutschland eine besondere Signalfunktion, durch die er sich von der soziopolitischen Kultur der meisten anderen Länder unterscheidet. In der Regel wird das unter der Überschrift "Weimar als Warnung" verhandelt.
Betrachtet man die deutsche Geschichte zwischen 1890, dem Ende der Bismarck-Ära und dem Anfang des "Wilhelminismus", und dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Großreichsbildung 1945 im Hinblick auf die drei genannten Bedeutungen von Mitte, so fällt auf, dass das soziopolitische Scheitern an den Aufgaben der Mitte und das geopolitische Scheitern an der Mitte fast immer zusammenfallen: So hat das Bürgertum im Kaiserreich weder in sozialer noch in politischer Hinsicht die Rolle gespielt, die ihm als Mitte zugekommen wäre, und entsprechend ist es auch an den Aufgaben der Mitte gescheitert: die soziale Spannweite zwischen oben und unten überschaubar zu halten und die politischen Konflikte zwischen links und rechts zu moderieren. Parallel dazu hat die politisch-militärische Elite des Reichs im Sommer 1914 nicht begriffen, dass dessen Raison in der Separierung und Begrenzung der Konflikte in Europa bestand; stattdessen hat diese Elite darauf gesetzt, alle Konflikte miteinander zu verbinden. Das Ergebnis war der Erste Weltkrieg und an dessen Ende die Niederlage des Deutschen Reichs sowie der Zerfall der Donaumonarchie, die als "Mittelmächte" miteinander verbündet waren. In der Weimarer Republik hatten zunächst die politischen Kräfte der Mitte das Übergewicht, aber diese politische Mitte war starken Erosionsprozessen ausgesetzt. Als diese in der Weltwirtschaftskrise auf die soziale Mitte übergriffen, war die Republik von Weimar am Ende. Die Position der gesellschaftlichen Mitte übernahm in der NS-Ideologie die Vorstellung von der "Volksgemeinschaft", und anstelle eines außenpolitischen Arrangements mit den Nachbarn wurde mehr und mehr eine aggressiv-expansionistische Politik verfolgt, die schließlich in den Zweiten Weltkrieg führte. Ein weiteres Mal war Deutschland an den Imperativen der Mitte gescheitert.
Die "Bonner Republik" war wie keine Ordnung in Deutschland zuvor ein Staat der soziopolitischen Mitte: Die Parteien am rechten und linken Rand, zunächst noch im Parlament vertreten, verschwanden nach einiger Zeit aus dem Bundestag, und die sozialen Strukturen der Republik sind mit Grund als "nivellierte Mittelstandsgesellschaft" bezeichnet worden. Aber diese Bundesrepublik war nicht die geopolitische Mitte Europas, sondern ein Frontstaat des westlichen Bündnisses, und diese exponierte Lage hatte großen Einfluss auf die inneren Konstellationen der Republik. So stand von Anfang an die Frage im Raum, ob die "Berliner Republik", die mit dem Ende der Blockkonfrontation und der Osterweiterung der EU in die geopolitische Mitte Europas gerückt war, auch die soziopolitische Mitte werde bewahren können oder ob es mit dem Fortfall des Feindbildes, zumindest der konfrontativen Herausforderung durch den "Osten", zu einer Spreizung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie einer Polarisierung in der politischen Landschaft kommen werde, in deren Verlauf die soziopolitische Mitte ihre hegemoniale Position verlieren werde. Als Kandidaten, die diese Entwicklung forcieren könnten, wurden die Globalisierung und deren soziale Folgen genannt, dazu der Wandel von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft und schließlich ein wachsendes Unbehagen an den Großen Koalitionen der Mitte, durch das die Parteien rechts und links der Mitte von ihren jeweiligen Flügeln zu schärferen programmatischen Konturen und damit zum Aufgeben der politischen Mitte gezwungen werden könnten. Das ist nicht – jedenfalls nicht in dem prognostizierten Ausmaß – eingetreten. Es waren vielmehr äußere Herausforderungen, die das Risiko einer Spaltung der Mitte mit sich gebracht haben, und unter diesen Herausforderungen kommt der Flüchtlingskrise eine ausschlaggebende Rolle zu. Deutschland als Macht in der Mitte Europas
Die EU hat sich nicht so entwickelt, wie sich das die meisten Beobachter zur Jahrtausendwende vorgestellt haben. Erweiterung und Vertiefung der Union, so die damalige Überzeugung, würden Hand in Hand gehen, und gleichzeitig werde es gelingen, das bisherige Elitenprojekt zu demokratisieren, das heißt, den EU-Wahlbürgern eine direkte und unmittelbare Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission zuzubilligen. Zwar gab es Stimmen, die warnten, dies werde auf eine strukturelle Herausforderung der bestehenden Institutionen hinauslaufen, aber insgesamt dominierte die Zuversicht, dass das aus allen Krisen gestärkt hervorgegangene Europaprojekt auch die mit Vertiefung und Erweiterung verbundenen Herausforderungen bewältigen werde. Die Gefahr eines Anwachsens der Zentrifugalkräfte sah man nicht, und wenn man sie sah, unterschätzte man deren Ausmaß.
Schon vor dem Wendepunkt der EU-Geschichte um 2010 war erkennbar, dass Deutschland in der Union ein Gewicht gewonnen hatte, das dem eines jeden anderen Einzelstaates weit überlegen war und das für den bis dahin den Rhythmus der EU bestimmenden "deutsch-französischen Motor" Folgen haben musste. Diese Entwicklung wurde durch Veränderungen im Portfolio der Machtsorten noch verstärkt: Militärische Macht hatte nach dem Ende der Blockkonfrontation an politischer Bedeutung verloren, wirtschaftliche Macht dagegen an Gewicht gewonnen. Dass diese Veränderungen zunächst nicht weiter zu Buche schlugen, lag am weitgehenden Verzicht der deutschen Politik, wirtschaftliche Macht für offene politische Einflussnahme zu nutzen. Die Bundesregierung begnügte sich mit einer Politik des leading from behind, und das hatte zur Folge, dass in der europäischen Politik eine "deutsche Handschrift" nicht erkennbar war. Im Gegenteil: Die europäische Politik bestand weitgehend im Finden von Kompromissen, und fast immer war die Bundesrepublik dabei behilflich, diese Kompromisse zu finanzieren.
Das änderte sich mit der Eurokrise beziehungsweise der Politik zu deren Eindämmung. Mit einem Mal wurde Deutschland nicht mehr als Finanzier von Kompromissen, sondern als Hüter der Verträge wahrgenommen; bei der Redewendung, das Land sei vom "Zahlmeister zum Zuchtmeister" der EU geworden, wurde freilich übersehen, dass es nach wie vor der europäische Zahlmeister war, nur dass es dies mit Erwartungen an andere verband und diese Erwartungen nicht länger im Unverbindlichen beließ. Das war erforderlich, weil die deutsche Rolle in Europa von der eigenen Bürgerschaft zunehmend kritisch gesehen wurde und das Vertrauen in die prinzipielle Nutznießerrolle Deutschlands zu schwinden begann. Die Bundesregierung musste ihre Politik der Mitte damit zweifach verteidigen: nach innen, wo sie den Nutzen der EU für die politische Sicherheit und wirtschaftliche Prosperität Deutschlands herausstellte, und nach außen, wo es darum ging, die Entstehung einer europäischen Transferunion zu verhindern und das Prinzip "Hilfeleistung gegen Reformen" bei den Empfängern von Krediten durchzusetzen. Die wiederum wehrten sich dagegen, indem sie das Bild des freundlichen Deutschen mit dem des hässlichen Deutschen übermalten, also die NS-Zeit, die deutsche Eroberungspolitik und die mit ihr verbundenen Kriegsverbrechen herauskehrten. Das wiederum führte in der deutschen Bevölkerung zu wachsender Distanz gegenüber Hilfszusagen für Mitgliedsländer, was die Regierung zu einer härteren Haltung bei den Verhandlungen zwang. Die Überschuldungskrise Griechenlands war die erste Krise, die die EU an den Rand des Scheiterns brachte. Die Kompromisse, die schließlich gefunden wurden, haben diese Krise nicht beendet, sondern nur "Zeit gekauft", um die strukturellen Probleme Griechenlands zu bearbeiten. Ob das der Fall ist und zum Erfolg führt, wird sich noch zeigen müssen. In der Eurokrise hat Deutschland jedenfalls seine europäische Führungsrolle offen gezeigt und dabei seine fortbestehende Verwundbarkeit durch den Verweis auf die deutsche Geschichte zwischen 1933 und 1945 erfahren müssen.
Mit der Annexion der Krim und dem Krieg in der Ostukraine kam es zur zweiten Krise der EU. Die Kommission hatte bei den Assoziierungsverhandlungen mit der Ukraine mit einer derart massiven russischen Reaktion nicht gerechnet und war danach mit einer entschlossenen Antwort darauf überfordert – nicht zuletzt auch deswegen, weil sich die 28 Mitgliedsländer entsprechend ihrer geografischen Lage unterschiedlich bedroht fühlten und bei wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland ihre jeweiligen Interessen berücksichtigt wissen wollten. In dieser Krise zeigte sich zweierlei: zunächst die überaus begrenzte außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der EU und sodann abermals die Führungsrolle Deutschlands, unter anderem bei den Verhandlungen in Minsk. Der Schwäche der EU korrespondierte die neue Stärke Deutschlands, und das wurde ebenso wie die deutsche Verhandlungsposition bei der "Griechenlandrettung" von den Regierungen einiger EU-Länder mit Misstrauen beobachtet. Immerhin nahm Frankreich an den Minsker Verhandlungen teil, sodass nicht der Eindruck entstehen konnte, Berlin und Moskau würden alleine über die politische Ordnung Ostmitteleuropas miteinander verhandeln. Das deutsche Agieren in beiden Krisen spielte eine erhebliche Rolle im Umgang mit der dritten Krise, der sich die EU seit dem Sommer 2015 ausgesetzt sieht: der Flüchtlingskrise.
Die nach der irischen Hauptstadt Dublin benannten Verträge sehen vor, dass Migranten dort um Asyl ersuchen müssen, wo sie erstmals das Territorium eines EU-Lands betreten, also an deren Außengrenzen. Als "Macht in der Mitte" wäre bei Einhaltung der Verträge Deutschland für Asylsuchende nur per Flugzeug erreichbar gewesen, und das hätte dem Zuzug von Migranten enge Grenzen gesetzt. Tatsächlich hat sich aber schon bald eine Praxis entwickelt, bei der Italien Flüchtlinge, die über das Mittelmeer kamen, unregistriert nach Norden (Schweiz, Österreich, Deutschland) weiterreisen ließ und bei der Migranten nicht nach Griechenland "zurückgeschoben" wurden, weil die Lage in den dortigen Flüchtlingslagern menschenrechtlichen Standards nicht entsprach. In der Folge entwickelte sich eine Praxis im Umgang mit Flüchtlingen, bei der Dublin III zwar offiziell Geltung besaß, praktisch aber nicht durchgesetzt wurde. Solange die Menge der Flüchtlinge überschaubar blieb, wurde das hingenommen, ebenso wie der Umstand, dass die Außengrenzen der EU zunehmend durchlässiger wurden.
Dann aber wuchs im Sommer 2015 der Flüchtlingszuzug dramatisch an, als sich dessen Zentrum vom Mittelmeer auf die Balkanroute verlagerte. Ende August stand die Bundesregierung vor der Frage, ob sie auf der Einhaltung des Dublin-Abkommens bestehen und gegebenenfalls die deutschen Grenzen schließen oder die Flüchtlinge aufnehmen sollte, was darauf hinauslief, dass Deutschland zu deren Hauptzielland wurde. Bei der Entscheidung für letzteres dürften die Aufgaben einer "Macht in der Mitte" eine zentrale Rolle gespielt haben. Hätte sich die Regierung nämlich dazu entschlossen, die Grenzen zu schließen, dann wäre dies das Ende des Schengenraums gewesen – und das sollte unter keinen Umständen durch eine deutsche Entscheidung herbeigeführt werden. Deutschland, so der zu erwartende Tenor, habe in seiner privilegierten Mitteposition die größte Errungenschaft der EU zerstört. Und das in einer Situation, da hierzulande Asylunterkünfte in Brand gesteckt wurden. Die Schließung der Grenzen wäre somit auch auf eine Kapitulation vor den Brandstiftern hinausgelaufen oder hätte jedenfalls so dargestellt werden können. Noch mehr aber ging es darum, den Zerfall des Schengenraums zu verhindern, da zu befürchten war (und ist), dass dies der Anfang vom Ende der EU sein würde.
Auch die Folgen eines strikteren, an den Vorgaben von Dublin III orientierten Grenzregimes der Bundesrepublik mussten bedacht werden. Es war absehbar, dass es dann einen Rückstau nach Österreich geben würde, auf den Österreich mit der Schließung seiner Grenzen reagieren würde, woraufhin Ungarn (was es ohnehin getan hat, was aber folgenlos blieb), Slowenien und Kroatien ihre Grenzen geschlossen hätten. Legt man die heutigen Zahlen zugrunde, so wären dann Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Griechenland, dazu Albanien und Montenegro, zum "Stauraum" für eine halbe Million Flüchtlinge geworden, was dort mit großer Wahrscheinlichkeit zum Zerfall der staatlichen Ordnung und zu gewaltsamen Unruhen geführt hätte. Fast alle diese Staaten sind schwache Staaten und weisen ein brüchiges ethnisches und religiöses Gleichgewicht auf, das durch die Flüchtlinge aus der Balance gebracht worden wäre. – So jedenfalls stellte sich die Lage Ende August 2015 in Berlin dar, und auf der Grundlage dessen wurde der Entschluss gefasst, die Flüchtlinge nach Deutschland zu lassen, um einen Rückstau in den Balkan hinein zu vermeiden. Die Kanzlerin wollte der deutschen Verantwortung als "Macht in der Mitte" gerecht werden.
Es waren also keineswegs nur humanitäre, sondern auch geopolitische Argumente, die ausschlaggebend waren. Man hat der Bundesregierung, namentlich der Kanzlerin, schon bald danach vorgeworfen, sie habe diese Entscheidung ohne Konsultationen mit den europäischen Partnern getroffen; außerdem habe sie keinen Plan für eine auf längere Sicht angelegte Bearbeitung der Flüchtlingskrise gehabt. Ersteres dürfte, im Nachhinein betrachtet, ein Fehler gewesen sein, wobei freilich für langwierige Konsultationen nicht die Zeit zur Verfügung stand. Einen Plan zur Bearbeitung der Flüchtlingskrise gab es allenfalls in rudimentärer Form: Wie bei den vorherigen Formen der Krisenbearbeitung sollte zunächst "Zeit gekauft" werden, um eine bessere Sicherung der EU-Außengrenzen zu gewährleisten, Fluchtursachen im Vorfeld dieser Außengrenzen zu vermindern und gleichzeitig eine faire Verteilung der Flüchtlinge auf alle Mitgliedsländer der EU durchzusetzen. Die Länder an den Außengrenzen der EU, namentlich Griechenland, waren überfordert, und Deutschland sollte seiner Position als zusammenhaltende Macht der EU entsprechend als Puffer dienen, bis eine gesamteuropäische Lösung gefunden war. – Dieser Plan ist nicht aufgegangen. Die meisten EU-Mitgliedstaaten haben einen effektiven Beitrag zur Lösung der Flüchtlingskrise verweigert, wobei die Višegrad-Länder Mitteleuropas so weit gegangen sind, die Flüchtlinge als ein rein deutsches Problem zu bezeichnen. Bei der Sicherung der EU-Außengrenzen und der Einrichtung von dort angesiedelten Zentren, in denen über Aufnahme oder Abweisung entschieden wird, ist man nicht weitergekommen, und die Staaten unmittelbar jenseits der EU-Außengrenzen haben die politischen und finanziellen Kosten einer durch sie bewerkstelligten Drosselung des Flüchtlingszuzugs kontinuierlich erhöht. Sie hatten sehr schnell begriffen, dass die EU in dieser Frage politisch erpressbar war. Drohende Spaltung der soziopolitischen Mitte in Deutschland
Bereits vor der Grenzöffnung hatte in Deutschland der politische Kampf um die Mitte begonnen, und er wurde nicht nur mit Brandstiftungen gegen Asylbewerberheime auf der einen und demonstrativen Willkommensbekundungen auf der anderen Seite geführt, sondern auch mit neurechten Texten und Stellungnahmen linksliberaler Provenienz; erstere klar offensiv, wobei kulturelle, ethnische und religiöse Identitätsbehauptungen sich wechselseitig ergänzten; letztere dagegen eher in einer Verteidigungshaltung, bei der rechtliche Selbstverpflichtungen und humanitäre Werte ins Feld geführt wurden. Solange die in dem Merkelschen Satz "Wir schaffen das" zusammengefasste Zuversicht vorherrschend war, neigte die Stimmungslage der Mitte der liberalen Sichtweise zu; sie begann sich im Spätherbst 2015 zu verändern, als die Zahl der Flüchtlinge entgegen den jahreszeitlich begründeten Erwartungen nicht kleiner wurde, und sie kippte, als die Übergriffe in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof bekannt wurden. Sie wurden zum Indiz dafür, dass der Prozess der Integration der Neuankömmlinge nicht so leicht vonstattengehen und auch nicht so schnell erfolgen würde, wie manche sich das vorgestellt hatten, und dass dabei erhebliche soziokulturelle Unterschiede zu überwinden waren. Hinzu traten Prognosen, dass die vorhandenen freien Stellen für die Integration der Flüchtlinge in den deutschen Arbeitsmarkt nicht ausreichen würden.
Mit der Kölner Silvesternacht wurden "die Mühen der Ebene" (Bertolt Brecht) sichtbar, und vor deren langer Dauer, dem unabsehbaren Ende sowie den unüberschaubaren Kosten scheute ein Teil der soziopolitischen Mitte in Deutschland zurück. Unter dem Sammelbegriff "Angst" zusammengefasste Affekte und Emotionen wurden zum Katalysator des Stimmungsumschwungs. Die sich ausbreitende Angst wurde verstärkt, als klar wurde, dass die Regierung mit dem Minimalplan einer Sicherung der EU-Außengrenzen und einer Europäisierung des Zuzugs von Flüchtlingen nicht weiter gekommen war. Was sich zunächst als zeitlich begrenzte Zwischenlösung ausgenommen hatte, drohte zum Dauerzustand zu werden.
Angst ist eine diffuse Empfindung, die von Furcht zu unterscheiden ist: Furcht ist objektbezogen und enthält eine Vorstellung davon, womit man es zu tun hat und worin die Ursachen der Furcht bestehen. Angst dagegen ist eine fluide Disposition, die entweder keine genauen Ursachen anzugeben vermag oder bei der die ängstigenden Ursachen ständig wechseln. Furcht ist an eine Veränderung von Konstellationen zurückgebunden; Angst dagegen ist ansteckend; sie verbreitet sich von selbst, sobald sie begonnen hat, um sich zu greifen. Furcht lässt sich mit Wissen, Aufklärung und konkreten Maßnahmen bearbeiten; Angst nicht. Als Katalysator politischer Prozesse tritt Angst vor allem in der Mitte der Gesellschaft auf.
Furcht vor einer massenhaften Zuwanderung von Flüchtlingen müssen die sozialstatistisch unteren 20 Prozent der deutschen Gesellschaft haben: erstens, weil es sich dabei um Konkurrenten um Arbeitsplätze für Un- und Angelernte handelt, die als Lohndrücker dienen können; zweitens, weil die Flüchtlinge den Druck auf genau jenes Segment des Wohnungsmarkts erhöhen, in dem sich auch dieser Teil der Gesellschaft bewegt; und drittens, weil der Anteil, den der Sozialstaat an Hilfeleistungen zu vergeben hat, bei einem kontinuierlichen Zuzug von Flüchtlingen zwangsläufig auf mehr Anspruchsberechtigte entfällt. Diesen Befürchtungen kann die Politik mit entsprechenden Maßnahmepaketen entgegenwirken, etwa indem sie für die Einhaltung von Mindestlöhnen sorgt (was freilich die Integration der Migranten in den Arbeitsmarkt erschwert) und Programme des sozialen Wohnungsbaus auflegt, die für bezahlbaren Wohnraum in den großen Städten sorgen. Bei der Bearbeitung von Furcht ist die Politik operativ gefordert.
Davon unterscheidet sich die Bekämpfung von Angst, deren man nicht operativ, sondern allenfalls kommunikativ Herr werden kann. Die für die Unterschicht relevanten Furchtursachen gibt es für die Mittelschicht nicht, weder im Hinblick auf den Arbeits- noch auf den Wohnungsmarkt. Eher ist sie mittelfristig ein Nutznießer von Zuwanderung, insofern etwa aus deren Reihen bezahlbare Altenpfleger und Hilfskräfte im Sozialbereich erwachsen, auf die gerade Mittelschichtangehörige angewiesen sind. Auch die mit der Zuwanderung verbundene wirtschaftliche Stimulation kommt zu einem Teil Mittelschichtangehörigen zugute. Aber die Angst in der gesellschaftlichen Mitte fällt nicht in den Bereich politisch und wirtschaftlich kontrollierbarer Prozesse; will man sie bekämpfen, muss man das argumentativ tun, doch das ist schwierig, weil es keinen Punkt gibt, an dem man strukturell ansetzen könnte. Angst kontinuiert sich, indem sie ständig den Referenzbereich wechselt. Die Kölner Silvesternacht war darum so verhängnisvoll, weil sie einen durchaus realen, imaginativ freilich überzeichneten Begründungsrahmen der Angst geschaffen hat, gegen den sich mit Zahlen und Statistiken nicht ankommen lässt. Ein entschlossenes Auftreten der Staatsmacht, von verstärkter Polizeipräsenz auf öffentlichen Plätzen bis zu demonstrativen Abschiebungen straffällig gewordener Flüchtlinge, ist die vorerst einzige Reaktion auf die um sich greifende Angst in der gesellschaftlichen Mitte.
Es gibt freilich auch einen Modus von Angstbewältigung, der wesentlich in der Zivilgesellschaft angesiedelt ist und auf den die Politik einen allenfalls randständigen Einfluss hat: das "Wegarbeiten" von Angst durch Engagement in Betreuungs- und Hilfsprojekten für Flüchtlinge. Wenn Angst ein Zustand ist, der nicht zuletzt aus Untätigkeit und dem damit verbundenen Gefühl des Ausgeliefertseins resultiert, dann ist die Arbeit mit Flüchtlingen etwas, das solchen Empfindungen entgegenwirkt. Wenn es gut läuft, gewinnen dabei alle: die Flüchtlinge durch den frühen Beginn der Integration, die Einheimischen, indem sie die Erfahrung von Aktivität und Problembearbeitung machen, und schließlich Gesellschaft und Politik, insofern die Probleme angegangen werden und die Angst in der Mitte schwindet. Das ist sicherlich nicht die Lösung des Problems, aber doch ein Element bei der Arbeit an dieser Lösung.
Vgl. Herfried Münkler, Mitte und Maß. Der Kampf um die richtige Ordnung, Berlin 2010.
Götz Aly hat die soziopolitische Konstellation der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Kollektivmerkmal der Deutschen erklärt. Das ist unhistorisch gedacht und darum zurückzuweisen. Vgl. ders., Volk ohne Mitte. Die Deutschen zwischen Freiheitsangst und Kollektivismus, Frankfurt/M. 2015.
Dieser Hinweis auf die spezifische politische Verantwortung Deutschlands als Macht in der geopolitischen Mitte Europas ist nicht zu verwechseln mit der These von einer Allein- oder Hauptschuld Deutschlands am Ersten Weltkrieg. Vgl. Herfried Münkler, Der Große Krieg. Die Welt 1914–1918, Berlin 2013.
So Helmut Schelsky, Gesellschaftlicher Wandel (1956/61), in: ders., Auf der Suche nach der Wirklichkeit. Gesammelte Aufsätze, Düsseldorf–Köln 1965, S. 337–351.
Die deutsche Position in Europa lässt sich als semihegemonial charakterisieren, wobei hinzuzufügen ist, dass es sich dabei um einen geschichtspolitisch hochgradig verwundbaren Hegemon handelt. Vgl. Herfried Münkler, Macht in der Mitte. Die neuen Aufgaben Deutschlands in Europa, Hamburg 2015, S. 137ff.
Vgl. Miltiades Oulios, Die Grenzen der Menschlichkeit; in: Kursbuch, 183 (2015), S. 75–88; Gabriele Gillen, Wo beginnt die Festung Europa? Eine Reise durch Köpfe und Kontinente, in: Anja Reschke (Hrsg.), Und das ist erst der Anfang. Deutschland und die Flüchtlinge, Reinbek 2015, S. 166–183; Peter Müller, Organisierte Verantwortungslosigkeit. Die EU und die Flüchtlinge, in: ebd., S. 262–274.
Eine Zusammenstellung dessen findet sich bei Liane Bednarz/Christoph Giesa, Gefährliche Bürger. Die neue Rechte greift nach der Mitte, München 2015, insb. S. 39–55.
Die Unterscheidung zwischen Angst und Furcht geht auf den dänischen Philosophen Søren Kierkegaard zurück und spielt auch bei Sigmund Freud eine Rolle.
Als historische Studie über die politischen Effekte von Angst vgl. Jean Delumeau, Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14. bis 18. Jahrhunderts, Reinbek 1985.
Vgl. Michael Hüther/Wido Geis, Offenheit und Bindung: Ökonomische Aspekte des Flüchtlingszustroms nach Deutschland, in: Jens Spahn (Hrsg.), Ins Offene. Deutschland, Europa und die Flüchtlinge, Freiburg/Br. 2015, S. 155–162; Markus Kerber, Flucht, Wanderung und Wirtschaft, in: ebd., S. 163–170.
| Article | , Herfried Münkler | 2022-02-17T00:00:00 | 2016-03-31T00:00:00 | 2022-02-17T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/223912/die-mitte-und-die-fluechtlingskrise/ | Deutschland als Macht in der Mitte Europas wird genauso herausgefordert durch die Flüchtlingskrise wie die soziopolitische Mitte Deutschlands. Beide Mittepositionen verpflichten zu Verantwortung und Ausgleich. | [
"Flüchtlingskrise",
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"Geflüchtete",
"Migration",
"Deutschland"
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Wahlergebnisse und Wählerschaft der GRÜNEN | Parteien in Deutschland | bpb.de | Gemessen an Wahlerfolgen und Regierungsbeteiligungen ist es den Grünen schon in den 1990er-Jahren gelungen, der FDP die Position als dritte Kraft im deutschen Parteiensystem streitig zu machen. Diese Stellung konnten sie auch in der Konkurrenz mit der 2007 entstandenen gesamtdeutschen Linken behaupten. Die Hochburgen der Partei befinden sich in den urbanen Zentren der alten Bundesrepublik und hier vor allem in den Universitätsstädten. In Stuttgart, Hannover, Wuppertal, Bonn, Darmstadt, Freiburg und anderen Städten stellen sie oder stellten sie zwischenzeitlich die Oberbürgermeister. Bei der Bundestagswahl 2021 errangen die Grünen erstmals eine größere Zahl (16) von Direktmandaten. In den Ländern verfügten sie Ende 2022 über mehr Regierungsbeteiligungen (12) als SPD (11) oder Union (8).
Wahlergebnisse
In Ostdeutschland schneidet die Partei deutlich schlechter ab als im Westen. Bei der Bundestagswahl 2021 erreichte sie dort nur zwischen 6,5 und 10,8 Prozent der Stimmen, was im Vergleich zu 2017 allerdings eine Verdoppelung bedeutete und den seit Mitte der 2000er Jahre einsetzenden Aufwärtstrend bestätigte. Landtags- und Bundestagswahlergebnisse liegen im Osten wie im Westen in etwa gleichauf, nur im Saarland ist die Partei nicht im Parlament vertreten. Wegen ihrer Schwäche im Osten ergeben sich daraus für die Position der Grünen im Parteiensystem unterschiedliche Konsequenzen. Lagen sie auf der Länderebene 2022 in fünf bzw. (zählt man Berlin dazu) sechs Ländern auf Platz zwei und in Baden-Württemberg sogar auf Platz eins, reichte es bei der Bundestagswahl nur in den drei Stadtstaaten für den zweiten Platz. Bei der Europawahl 2019 hatten die Grünen die SPD von diesem mit ihrem bis dahin besten Ergebnis in einer nationalen Wahl (20,5 Prozent) erstmals verdrängt, bevor sich die Verhältnisse bei der Bundestagswahl wieder umkehrten.
Sozialwissenschaftler haben die Entstehung der Grünen auf die Herausbildung einer neuen Konfliktlinie in den westlichen Gesellschaften zurückgeführt, die durch den Gegensatz zwischen Ökonomie und Ökologie und einen Bedeutungsanstieg nicht-materieller ("post-materialistischer") Werthaltungen bestimmt sei. Im Unterschied zu ihren später entstandenen und weniger erfolgreichen Schwesterparteien in anderen Ländern konnten die deutschen Grünen dabei auf dem Fundament eines durch die Studenten- und Alternativbewegungen formierten Milieus aufbauen, dessen Kern die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer-Generation bildeten (Walter 2010: 73 ff.).
Wählerschaft
Vergleicht man die heutige Wählerschaft der Grünen mit ihrer Wählerschaft in der Entstehungs- und Etablierungsphase, so fällt zuerst der Altersanstieg ins Auge. Waren im Jahre 1980 fast 80 Prozent der Grünen-Wähler jünger als 35, so liegt deren Anteil heute bei nur noch etwas über 30 Prozent. Wahlforscher sprechen mit Blick auf diese Entwicklung vom "Ergrauen" der Grünen. Viele Wähler, die die Partei in ihrer Entstehungsphase unterstützten, hielten ihr auch später die Treue (Klein 2022). Dieser Generationeneffekt wird allerdings durch ein lebenszyklisches Muster überlagert, das den Grünen in den nachwachsenden Alterskohorten der Jungwähler bis heute überdurchschnittliche Ergebnisse sichert. Hatte die Partei bereits bei der Bundestagswahl 2017 die prozentual größte Unterstützung mit knapp 15 Prozent von den 18- bis 24-jährigen Wählern erfahren und dort gegenüber 2013 am stärksten zugelegt, verbuchte sie nach einem erneut überproportionalen Zuwachs 2021 in dieser Gruppe mit 24 Prozent mehr Stimmen als Union und SPD zusammengenommen. In der nächstälteren Gruppe der 25- bis 34-Jährigen landete sie ebenfalls auf dem ersten Platz und konnte ihren Stimmenanteil gegenüber 2017 auf 22,9 Prozent verdoppeln. Am schwächsten bleibt der Wählerspruch mit neun Prozent bei den über 60-Jährigen (Zahlen der repräsentativen Wahlstatistik).
Die Grünen werden häufiger von Frauen gewählt als von Männern. Bei der Bundestagswahl 2021 betrug das Verhältnis 16 zu 13,5 Prozent. Die Geschlechterlücke, die sich im Osten genauso zeigt wie im Westen, ist bei allen Bundestagswahlen seit 2002 feststellbar. In ihr spiegelt sich die feministische Ausrichtung der Partei, die den Kampf für die Gleichberechtigung von Anfang an auf ihre Fahnen geschrieben hatte.
Infolge des Generationeneffekts haben sich die Wähler der Grünen in ihrer sozialen Zusammensetzung stark verändert (Klein 2022). Die Jungwähler aus den 1980er-Jahren sind heute beruflich, familiär und gesellschaftlich arriviert. Die "Verbürgerlichung" der Grünen ist daran ablesbar, dass ihre Wähler nicht nur über die höchsten Bildungsabschlüsse verfügen, sondern auch überdurchschnittlich verdienen. Viele von ihnen stehen deshalb nur noch in gesellschaftspolitischen Fragen klar links, nicht mehr dagegen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik. Die im Wahlprogramm 2013 geforderten Steuererhöhungen lehnten sie mehrheitlich ab. Ein überraschend hoher Anteil der Wähler versteht sich sogar als unpolitisch und präferiert die Partei vor allem aus Lifestyle-Gründen - etwa beim Kauf von Bio-Lebensmitteln (Walter 2010: 80 ff.). Vornehmlich im Dienstleistungs- und Bildungsbereich beschäftigt, lässt sich die Grünen-Wählerschaft sozialstrukturell überwiegend den neuen Mittelschichten zuordnen. Unter Arbeitern und gering Qualifizierten konnte die Partei bisher nur wenig Unterstützung verbuchen. Bei den Arbeitslosen erreichte sie 2021 allerdings einen deutlichen Zuwachs, der auf die wieder stärker links ausgerichteten Forderungen im Wahlprogramm zurückzuführen sein dürfte und sich zugleich in der Wählerwanderung widerspiegelt. Laut dieser haben die Grünen bei der Bundestagswahl in etwa gleich viel Stimmen von früheren Linken-, SPD- und Nichtwählern gewonnen wie von Unions- und FDP-Wählern (Zahlen von Infratest dimap).
Quellen / Literatur
Anan, Deniz (2017), Parteiprogramme im Wandel. Ein Vergleich von FDP und Grünen zwischen 1971 und 2013, Wiesbaden. Fücks, Ralf (2013), Intelligent wachsen. Die grüne Revolution, München. Klein, Markus (2022), Von den "frustrierten akademischen Plebejern" zum gesellschaftlichen "Patriziat". Die Entwicklung der Wählerschaft von Bündnis90/Die Grünen zwischen 1980 und 2018, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 74, S. 353-380. Klein, Markus / Jürgen W. Falter (2003), Der lange Weg der Grünen. Eine Partei zwischen Protest und Regierung, München. Kleinert, Hubert (1992), Vom Protest zur Regierungspartei. Die Geschichte der Grünen, Frankfurt a.M. Kronenberg, Volker, Hg. (2016), Schwarz-Grün. Erfahrungen und Perspektiven, Wiesbaden. Mende, Silke (2011), "Nicht links, nicht rechts, sondern vorn". Eine Geschichte der Gründungsgrünen, München. Probst, Lothar (2013), Bündnis 90/Die Grünen (GRÜNE), in: Oskar Niedermayer (Hg.), Handbuch Parteienforschung, Wiesbaden, S. 509-540. Probst, Lothar (2020), Bündnis 90/Die Grünen: Grüne Erfolgswelle nach enttäuschendem Wahlergebnis, in: Uwe Jun / Oskar Niedermayer (Hg.), Die Parteien nach der Bundestagswahl 2017, S. 187-219. Raschke, Joachim (1993), Die Grünen. Wie sie wurden, was sie sind, Köln. Raschke, Joachim (2001), Die Krise der Grünen. "So kann man nicht regieren", Frankfurt a.M. Switek, Niko (2012), Bündnis 90/Die Grünen: Zur Entscheidungsmacht grüner Bundesparteitage, in: Karl-Rudolf Korte / Jan Treibel (Hg.), Wie entscheiden Parteien? (ZPol-Sonderband), Baden-Baden, S. 121-154. Switek, Niko (2022), Not a Single-Digit-Party Anymore. The Central Role of Alliance 90/The Greens in a Changed Party System, in: German Politics and Society 40 (3), S. 23-44. Walter, Franz (2010), Gelb oder Grün? Kleine Parteiengeschichte der besserverdienenden Mitte in Deutschland, Bielefeld. Walter, Franz / Stephan Klecha / Alexander Hensel, Hg. (2015), Die Grünen und die Pädosexualität. Eine bundesdeutsche Geschichte, Göttingen.
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| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2023-02-10T00:00:00 | 2011-11-17T00:00:00 | 2023-02-10T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/parteien/parteien-in-deutschland/gruene/42159/wahlergebnisse-und-waehlerschaft-der-gruenen/ | Obwohl die Grünen bei in den Jüngeren überdurchschnittlich abschneiden, kommt das Gros ihrer Wähler aus den mittleren und älteren Kohorten. Die Grünen-Wähler haben überdurchschnittlich hohe Einkommen. | [
"Die Grünen"
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1. Dokumentationen und Reportagen
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1.1 Portraits von radikalisierten Menschen und ihren Angehörigen
Interner Link: Deutsche im Dschihad. Kämpfen für Allah44 Minuten, ZDF, 2022 Interner Link: Leonora M. – Einmal IS-Terror und zurück3x 30-40 Minuten, NDR, 2022 Interner Link: Das Erbe des Dschihad. Was tun mit Deutschlands "IS"-Terroristen?5 x 10-20 Minuten, ProSieben, 2022 Interner Link: Leonora – Wie ein Vater seine Tochter an den IS verlor59 Minuten, NDR, 2019 Interner Link: Der Gefährder – Ein Islamist packt aus44 Minuten, phoenix, 2018 Interner Link: Tracing Addai30 Minuten, Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, 2018
1.2 Prävention, Radikalisierung & Islamismus
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1.3 Dschihadismus, Terrorismus & der "Islamische Staat"
Interner Link: Gefangen vom "Islamischen Staat": Jesidin Jihan überlebt Genozid18 Minuten, funk: TRU DOKU, 2022 Interner Link: Das Geschäft mit dem Terror. Geheimdienste und der Dschihad60 Minuten, Hessischer Rundfunk, 2022 Interner Link: Anschlag Breitscheidplatz – Neue Spuren3 x 31-38 Minuten, rbb, 2022 Interner Link: 13. November: Angriff auf Paris3 x 47-58 Minuten, Gedeon und Jules Naudet, 2018 Interner Link: Life Inside Islamic State17 Minuten, BBC Radio 4, 2017
1.1 Portraits von radikalisierten Menschen und ihren Angehörigen
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Über 1.150 deutsche Bürgerinnen und Bürger haben sich in den vergangenen Jahren dem "Islamischen Staat" in Syrien und im Irak angeschlossen. Die Dokumentation erzählt von den (ehemaligen) "IS"-Mitgliedern, ihrem Leben bei der Terrororganisation und ihrer Rückkehr in die Bundesrepublik.
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Leonora M. – Einmal IS-Terror und zurück
3x 30-40 Minuten, NDR, 2022
Mit 15 Jahren schließt sich Leonora M. der Terrororganisation "Islamischer Staat" in Syrien an und lebt dort sieben Jahre lang mit einem Dschihadisten zusammen. Die dreiteilige Reportage erzählt von den Erlebnissen der jungen Frau beim "IS" und dem jahrelangen Kampf ihres Vaters, seine Tochter zurückzuholen. Wie ist Leonora die Rückkehr gelungen, wie funktioniert ein Neuanfang in Deutschland?
Verfügbar auf Externer Link: ardmediathek.de
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Das Erbe des Dschihad. Was tun mit Deutschlands "IS"-Terroristen?
5 x 10-20 Minuten, ProSieben, 2022
Wie kommt ein 19-jähriger Deutscher dazu, sich der Terrororganisation "Islamischer Staat" anzuschließen? Warum tut sich Deutschland so schwer, ehemalige Angehörige des "IS" zurückzuholen? Um diese Fragen zu klären, reist Journalist Thilo Mischke nach Syrien. Mit dabei: die Großmutter eines deutschen "IS"-Kämpfers, die ihren Enkel wiederfinden will.
Ganze Folge verfügbar auf Externer Link: prosieben.de
Teil 1 verfügbar auf Externer Link: youtube.com
Teil 2 verfügbar auf Externer Link: youtube.com
Teil 3 verfügbar auf Externer Link: youtube.com
Teil 4 verfügbar auf Externer Link: youtube.com
Teil 5 verfügbar auf Externer Link: youtube.com
In der Talkshow "Zervakis & Opdenhövel" spricht Mischke über die Dreharbeiten und deren Nachwirkungen. Zum Talk mit Zervakis & Opdenhövel auf Externer Link: youtube.com
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Leonora – Wie ein Vater seine Tochter an den IS verlor
59 Minuten, NDR, 2019
Ein Vater kämpft um seine Tochter, die sich der Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien angeschlossen hat. Vier Jahre lang begleiten Reporter den Vater dabei, wie er Schleuser trifft, mit Terroristen verhandelt und versucht, seinen Alltag als Bäcker in Sachsen-Anhalt zu meistern. Über Sprachnachrichten halten Vater und Tochter Kontakt.
Verfügbar auf Externer Link: ndr.de
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Der Gefährder – Ein Islamist packt aus
44 Minuten, phoenix, 2018
Eren R. gilt bei Sicherheitsbehörden als potenzieller Attentäter. In der Dokumentation spricht er über seinen Lebensweg. Er berichtet, wie er als Mitglied einer kriminellen Bande in die islamistische Szene hineinkam und Geld für den islamistischen Kampf beschaffte. Er saß mehrfach im Gefängnis, dennoch arbeitete er für Sicherheitsfirmen bei großen Veranstaltungen.
Verfügbar auf Externer Link: youtube.de
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Tracing Addai
30 Minuten, Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, 2018
Der Dokumentarfilm "Tracing Addai" zeichnet die letzten Spuren des 21-jährigen Deutschen Addai nach, der sich einer salafistischen Vereinigung anschließt und im Syrienkrieg unter mysteriösen Umständen mutmaßlich ums Leben kommt. Mit seiner dokumentarischen Erzählung rekonstruiert der Film fragmentarisch die letzten Monate eines jungen Mannes, dessen Weg ohne Wiederkehr über eine islamistische Gruppe nach Syrien führte und lässt ihn durch animierte szenische Bilder noch einmal lebendig werden. Pädagogische Begleitmaterialien machen den Film für Lernkontexte ideal einsetzbar.
Verfügbar in der Interner Link: Mediathek der bpb
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1.2 Prävention, Radikalisierung & Islamismus
Mechelen. Wie ein belgischer Bürgermeister gegen Extremismus vorgeht
37 Minuten, Der Standard, 2021
Von der unsichersten Stadt Belgiens zum Vorzeigemodell für Integration und Extremismusprävention – dank Bart Somers hat die Stadt Mechelen diesen Wandel geschafft. Für ein Porträt hat sich die österreichische Tageszeitung Der Standard mit dem langjährigen Bürgermeister getroffen, um mehr über sein Erfolgsrezept zu erfahren: Wie lässt sich Integration in einer multikulturellen Stadt wie Mechelen fördern? Und welche seiner Strategien haben sich in der Extremismusprävention bewährt?
Verfügbar auf Externer Link: derstandard.at
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Dokumentation zur Präventionspraxis in Deutschland
35 Minuten, mobyDOK, 2019
Im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend werden zahlreiche Präventionsprojekte gefördert. Im Dokumentarfilm berichten Präventionsakteure von ihrer Arbeit. Eine Web-Dokumentation bietet Hintergründe zum Film. In Animationen werden ausschnitthaft Szenen wiedergegeben, die das Filmteam während der Reise durch Deutschland erlebt hat.
Verfügbar auf der Externer Link: Dokumentations-Website projekt-praevention.de
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Salafismus im Kinderzimmer
20 Minuten, BR24, 2018
Der Beitrag des BR-Politmagazins "kontrovers" beschäftigt sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit der salafistischen Radikalisierung von Kindern und Jugendlichen. Die Journalistinnen und Journalisten sprechen mit Verantwortlichen der "Beratungsstelle Radikalisierung" beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie beim LKA Bayern. Sie berichten über die bayerischen Präventionsprojekte "MotherSchools" und "ReThink". Sie reden mit der Mutter eines Salafisten über die salafistische Erziehung ihrer Enkelkinder und versuchen – vergeblich – mit salafistischen Moscheen Kontakt zu diesem Thema aufzunehmen.
Verfügbar auf Externer Link: br.de
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Allahs deutsche Schwerter
27 Minuten, Landeszentrale für politische Bildung NRW, 2012
Die Dokumentation zeigt ein weites Spektrum an Islamisten in Deutschland: Von strenggläubigen Salafisten über die Sauerland-Gruppe, die konkrete Anschläge plante, bis zu Pierre Vogel, dem einflussreichsten deutschen Konvertiten und Hassprediger. Ein Aussteiger berichtet über Ziele und Methoden der salafistischen Szene. Auch die moderatere, vom Verfassungsschutz beobachtete Vereinigung "Millî Görüş" ist Thema.
Verfügbar auf Externer Link: politische-bildung.nrw.de
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1.3 Dschihadismus, Terrorismus & der "Islamische Staat"
Gefangen vom "Islamischen Staat": Jesidin Jihan überlebt Genozid
18 Minuten, funk: TRU DOKU, 2019
Die Reportage erzählt die Geschichte der 18-jährigen Jihan. Die Jesidin überlebt 2014 die Gefangenschaft des sogenannten Islamischen Staates in Syrien. Sie und ihre Familie werden von "IS"-Kämpfern entführt, versklavt und zum Teil vergewaltigt. Jihan konnte entkommen, doch bis heute weiß sie nicht, was mit ihrem Vater und allen Geschwistern passiert ist.
Triggerwarnung: Im Video geht es um Krieg und sexualisierte Gewalt. Das kann belastend oder retraumatisierend sein.
Verfügbar auf Externer Link: ardmediathek.de
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Das Geschäft mit dem Terror. Geheimdienste und der Dschihad
60 Minuten, Hessischer Rundfunk, 2022
Wer steht hinter den islamistischen Terroristinnen und Terroristen, die Europa angreifen? Wer plant, beauftragt und finanziert die Anschläge? Die Dokumentation forscht nach den Hintergrundakteuren, die die Terroranschläge der vergangenen Jahre initiierten und koordinierten. Die Spuren führen zum pakistanischen Geheimdienst ISI.
Verfügbar auf Externer Link: ardmediathek.de
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Anschlag Breitscheidplatz – Neue Spuren
3 x 31-38 Minuten, rbb, 2022
Der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Journalisten des rbb sprechen für die Video-Serie mit Opfern, Ermittlungsbehörden und Vertrauten des Täters Anis Amri und gehen neuen Spuren nach, um die Hintergründe der Tat aufzuarbeiten.
Verfügbar auf Externer Link: ardmediathek.de
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13. November: Angriff auf Paris
3 x 47-58 Minuten, Gedeon und Jules Naudet, 2018
Die dokumentarische Mini-Serie "13. November: Angriff auf Paris" ist auf Netflix verfügbar. In drei Episoden zeichnet sie die Geschehnisse der Pariser Terroranschläge im November 2015 nach und erzählt die Geschichten von Überlebenden, Feuerwehr, Polizei und Regierung. Das sei "atemlos spannend", so Spiegel.de. Allerdings wird auch kritisiert, dass die Serie traumatische Erlebnisse funktionalisiere und daraus Unterhaltungsware mache.
Verfügbar auf Externer Link: netflix.com (kostenpflichtiges Abo notwendig)
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Life Inside Islamic State
17 Minuten, BBC Radio 4, 2017
In einer animierten Kurzdokumentation berichtet ein Aktivist, der sich gegen den "IS" einsetzt, aus Raqqa vom Horror des alltäglichen Lebens unter der Herrschaft des sogenannten Islamischen Staats. Für die Dokumentation stand BBC Radio 4 Korrespondent Mike Thomson in sporadischem Kontakt mit dem Aktivisten, der ihm tagebuchartige Aufzeichnungen übermittelte.
Verfügbar auf Externer Link: vimeo.com
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2. Spielfilme und Serien
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Interner Link: Black Crows30 x 30 Minuten, Leen Fares, 2017 Interner Link: Der Himmel wird warten1 Stunde und 55 Minuten, Neue Visionen Filmverleih, 2016
Black Crows
30 x 30 Minuten, Leen Fares, 2017
Auf Netflix ist die fiktive Serie "Black Crows" verfügbar, die das tägliche Leben unter der Herrschaft des sogenannten Islamischen Staats darstellt. Dabei spielen Frauen zentrale Rollen, wie eine jesidische Sklavin, eine Undercover-Reporterin und eine Mutter, die den "IS" unterstützt. Auch die Ausbildung von Kindern zu Kämpfern wird nacherzählt. Produziert wurde die 30-teilige Serie vom Sender MBC, der seinen Hauptsitz in Dubai hat. Laut kino.de stützt sich die Serie inhaltlich auf Berichte von Augenzeugen, die den Terror überlebt haben oder früher selbst "IS"-Anhänger waren.
Verfügbar auf Externer Link: netflix.com (kostenpflichtiges Abo notwendig)
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Der Himmel wird warten
1 Stunde und 55 Minuten, Neue Visionen Filmverleih, 2016
Was bringt junge Frauen in Europa dazu, sich dem Dschihad anzuschließen? Und wie können sie den Weg zurück in unsere Gesellschaft finden? Diesen Fragen geht das Spielfilmdrama "Der Himmel wird warten" nach.
Die Geschichten der Protagonistinnen Mélanie und Sonia beschreiben eine Entwicklung in entgegengesetzte Richtungen: den Weg von der Normalität in die Radikalisierung und umgekehrt. Dabei werden die einzelnen Stufen von Mélanies Radikalisierungsprozess ebenso detailliert nachgezeichnet wie die schrittweisen Erfolge, die Sonia durch die Teilnahme an einem Deradikalisierungsprogramm und die Unterstützung ihrer Eltern erlebt.
Begleitend zu dem Film stellt die bpb Arbeitsaufgaben zur Verfügung. Neben diesen Unterrichtsmaterialien gibt es auch eine Filmbesprechung, themenbezogene Hintergrundtexte sowie ein Interview mit Pierre Asisi, einem Präventionsexperten von ufuq.de.
Verfügbar in der Interner Link: Mediathek der bpb
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3. Erklärvideos
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Interner Link: Radikalisierung hat kein Geschlecht11 x 11-20 Minuten, Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, 2022 Interner Link: Forschungsprojekt "Gesellschaft Extrem"6 x 6-10 Minuten, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, 2018 Interner Link: Radikalisierung von Muslimen19 Minuten, Bundeszentrale für politische Bildung, 2017 Interner Link: Strategien gegen Radikalisierung20 Minuten, Bundeszentrale für politische Bildung, 2017 Interner Link: Forschungsprojekt "Salafismus in Deutschland"6 x 7-10 Minuten, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, 2016 Interner Link: Was ist Salafismus?12 Minuten, Arte/Bundeszentrale für politische Bildung, 2013
Radikalisierung hat kein Geschlecht
11 x 11-20 Minuten, Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, 2022
Wie hängen Geschlecht und Radikalisierung zusammen? Wie beeinflussen Geschlechterklischees die Wahrnehmung von Radikalisierung? Und wie geht geschlechtersensible Präventionsarbeit? Die Videoreihe erklärt Begriffe, thematisiert Vorurteile und beleuchtet praktische Präventionsansätze in Bezug auf Gender und Extremismus phänomenübergreifend. Neben den Videos werden Infomaterialien und Plakate zur Verfügung gestellt.
Verfügbar auf Externer Link: stmas.bayern.de
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Forschungsprojekt "Gesellschaft Extrem"
6 x 6-10 Minuten, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, 2018
In sechs kurzen Videos erläutern Fachleute die zentralen Thesen sowie die wichtigsten Handlungsoptionen ihrer Forschungsprojekte. Die Expertinnen und Experten sind Teil des vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) koordinierten Forschungsprojekts "Gesellschaft Extrem: Radikalisierung und Deradikalisierung in Deutschland".
Die Themen:
Radikalisierung von Individuen Brücken-Narrative Radikalisierung der Gesellschaft? Herausforderung Deradikalisierung Die Rolle des Internets und sozialer Medien für Radikalisierung und Deradikalisierung Evaluation in der Extremismusprävention
Verfügbar auf Externer Link: gesellschaftextrem.hsfk.de
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Radikalisierung von Muslimen
19 Minuten, Bundeszentrale für politische Bildung, 2017
Viele der Tatbeteiligten der Anschläge in Paris und Brüssel sind in Frankreich und Belgien aufgewachsen und haben sich dort radikalisiert. Auch in Deutschland radikalisieren sich junge Musliminnen und Muslime. Für die Gesellschaft ist das eine enorme Herausforderung. Fachleute beantworten unter anderem diese Fragen: Wer radikalisiert sich, und warum? Ist das vergleichbar mit anderen Extremismen? Und welche Rolle spielt dabei der Islam?
Die Interviewten: Prof. Dr. Mouhanad Khorchide (Professor für Islamische Religionspädagogik, Universität Münster), Ahmad Mansour (Psychologe, European Foundation for Democracy), Prof. Dr. Christine Schirrmacher (Islamwissenschaftlerin, Universität Bonn), Dr. Guido Steinberg (Islamwissenschaftler, Stiftung Wissenschaft und Politik), Dr. Marwan Abou Taam (Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz)
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Strategien gegen Radikalisierung
20 Minuten, Bundeszentrale für politische Bildung, 2017
Wie kann man gegen die Radikalisierung junger Menschen vorgehen? Fünf Fachleute legen im Erklärfilm dar, wie Gesellschaft und Sicherheitsbehörden dieser Herausforderung begegnen können. Sie beantworten unter anderem diese Fragen: Wo kann Präventionsarbeit ansetzen, um Radikalisierung zu verhindern? Welche Rolle kann islamischer Religionsunterricht spielen? Wie kann Deradikalisierung gelingen? Welche Sicherheitsmaßnahmen sind sinnvoll?
Die Interviewten: Prof. Dr. Mouhanad Khorchide (Professor für Islamische Religionspädagogik, Universität Münster), Ahmad Mansour (Psychologe, European Foundation for Democracy), Prof. Dr. Christine Schirrmacher (Islamwissenschaftlerin, Universität Bonn), Dr. Guido Steinberg (Islamwissenschaftler, Stiftung Wissenschaft und Politik), Dr. Marwan Abou Taam (Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz)
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Forschungsprojekt "Salafismus in Deutschland"
6 x 7-10 Minuten, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, 2016
Die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung hat im Rahmen des Forschungsprojekts "Salafismus in Deutschland" eine Reihe von Video-Beiträgen online veröffentlicht. Die sechs Reports sollen einen differenzierten Blick auf Salafismus und Dschihadismus in Deutschland bieten. In maximal zehn Minuten vermitteln Fachleute die wichtigsten Grundlagen und stellen aktuelle Trends sowie Handlungsempfehlungen vor. Themen sind unter anderem die Organisation und Anwerbungspraxis der salafistischen Bewegung, die Motivationen und Karrieren von Dschihadisten, mögliche Gegennarrative und Ansätze für Präventions- und Deradikalisierungsarbeit.
Verfügbar auf Externer Link: salafismus.hsfk.de
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Was ist Salafismus?
12 Minuten, Arte/Bundeszentrale für politische Bildung, 2013
In dieser Folge der Arte-Sendung "Mit offenen Karten" wird erklärt, was es mit der fundamentalistischen Doktrin des Salafismus auf sich hat. Es wird beschrieben, worum es sich bei dieser sich westlichen Einflüssen verschließenden, ultrakonservativen Strömung des Islam handelt. Darüber hinaus wird die Entwicklung des Salafismus nach den Protesten in der arabischen Welt, bei denen in Nordafrika neue politische Freiräume entstanden sind, untersucht.
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4. Kurzbeiträge
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Interner Link: Gaming und Extremismus: Verfassungsschutz Niedersachsen nimmt Online-Plattformen ins Visier4 Minuten, Sat.1 Regional, 2021 Interner Link: Antisemitismus in islamischen Verbänden8 Minuten, ZDF frontal, 2021 Interner Link: Angeworben im Netz der Dschihadisten9 Minuten, NDR Panorama 3, 2016
Gaming und Extremismus: Verfassungsschutz Niedersachsen nimmt Online-Plattformen ins Visier
4 Minuten, Sat.1 Regional, 2021
Online-Gaming-Plattformen werden von Extremistinnen und Extremisten zur Rekrutierung genutzt. Laut dem niedersächsischen Verfassungsschutz können hier extremistische Aussagen gut "versteckt" platziert werden. Der Verfassungsschutz Niedersachen will daher zukünftig virtuelle Netzwerke und die dortigen Aktivitäten verstärkt ins Visier nehmen – ohne die Gaming-Szene dabei zu stigmatisieren.
Verfügbar auf Externer Link: sat1regional.de
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Antisemitismus in islamischen Verbänden
8 Minuten, ZDF frontal, 2021
Antisemitismus durch Musliminnen und Muslime ist ein zunehmendes Problem in Deutschland, berichtet das ZDF-Magazin frontal. Jüdische Einrichtungen und ihre Mitglieder seien in den letzten Monaten vermehrt mit Angriffen durch Musliminnen und Muslime konfrontiert. Der wieder entfachte Nahostkonflikt führe dazu, dass jüdische Menschen auf Demonstrationen und in sozialen Netzwerken angefeindet würden. Einige islamische Verbände spielten in der Auseinandersetzung eine entscheidende Rolle, heißt es in dem Beitrag.
Verfügbar auf Externer Link: zdf.de
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Angeworben im Netz der Dschihadisten
9 Minuten, NDR Panorama 3, 2016
Wie geraten junge Menschen in Deutschland in die Fänge von Dschihadisten? Wie läuft die Anwerbung im Internet tatsächlich ab? Wie werden aus Jugendlichen Kämpfer? Eine Panorama 3-Autorin nimmt im Selbstversuch Kontakt zu radikalen Salafisten auf.
Verfügbar auf Externer Link: ardmediathek.de
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5. Gespräche mit Fachleuten
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Interner Link: Diskurse über muslimische Menschen in Deutschland16 Minuten, ufuq.de, 2022 Interner Link: Dschihadismus im Wandel?30 Minuten, ARD: alpha-demokratie, 2022 Interner Link: Der Nahostkonflikt im Unterricht13 Minuten, ufuq.de, 2022 Interner Link: Deutsch-französische Perspektiven zu Islamismus und Rechtsextremismus23 Minuten, France Fraternités & ufuq.de, 2022 Interner Link: Kampf gegen Islamismus – Frankreich zwischen Terror und Polizeigewalt?43 Minuten, Deutsche Welle, 2021 Interner Link: Zwischen rechter Instrumentalisierung und linkem Schweigen: Können wir keine Islamismus-Kritik?108 Minuten, Bildungsstätte Anne Frank: "StreitBar", 2021 Interner Link: Anwerbungstaktiken auf Gaming-Plattformen30 Minuten, Radicalisation Awareness Network, 2021 Interner Link: Aladin El-Mafaalani beim ufuq-Couch Talk: Integrations-Paradox10 Minuten, ufuq.de, 2019 Interner Link: Debatte mit Behnam Said und Götz Nordbruch: Islamistische Radikalisierung – und was man dagegen tun kann63 Minuten, sagwas.net, 2017 Interner Link: Erin Marie Saltman: How young people join violent extremist groups — and how to stop them63 Minuten, TED, 2016
Diskurse über muslimische Menschen in Deutschland
16 Minuten, ufuq.de, 2022
Warum wird in Deutschland und Europa so viel über Musliminnen und Muslime gesprochen? Welche Funktion erfüllen solche "Diskursexplosionen" und wie werden sie von historischen Islamdebatten beeinflusst? Diesen und weiteren Fragen widmet sich ein Fachgespräch von ufuq.de. Islamwissenschaftlerin Schirin Amir-Moazami analysiert aktuelle Debatten und erklärt, warum es wichtig ist, Rassismus in Verbindung mit Religion und Säkularismus zu betrachten.
Verfügbar auf Externer Link: ufuq.de
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Dschihadismus im Wandel?
30 Minuten, ARD: alpha-demokratie, 2022
Im Sommer 2021 konnten die Taliban weite Teile Afghanistans einnehmen. Wird das den Dschihadismus international stärken? Wie anpassungsfähig ist er und welche Rolle spielen soziale Medien? Für alpha-demokratie sprach Vera Cornette mit Dr. Guido Steinberg. Der Islamwissenschaftler arbeitet und forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin und ist Experte für islamistischen Terrorismus.
Verfügbar auf Externer Link: br.de
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Der Nahostkonflikt im Unterricht
13 Minuten, ufuq.de, 2022
Wie kann man den Nahostkonflikt erfolgreich im Unterricht thematisieren? Darüber spricht Mehmet Can im "ufuq Couch Talk". Er ist Lehrer an einer Berliner Schule und hat gemeinsam mit Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern eine Reise nach Israel und Palästina unternommen. Außerdem hat er eine "Jerusalem AG" ins Leben gerufen und einen Comic zum Thema herausgebracht. Im Gespräch mit Sakina Abushi von ufuq.de erzählt er von seinen Erfahrungen und gibt Tipps für die Praxis.
Verfügbar auf Externer Link: ufuq.de
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Deutsch-französische Perspektiven zu Islamismus und Rechtsextremismus
23 Minuten, France Fraternités & ufuq.de, 2022
Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen zwischen Islamismus und Rechtsextremismus in Deutschland und Frankreich? Wie lassen sich die Erkenntnisse für die Radikalisierungsprävention nutzen? Diesen und weiteren Fragen geht der Film von ufuq.de und France Fraternités nach. Den Ausgangspunkt bilden Gespräche mit deutschen und französischen Fachkräften aus Präventionspraxis und Wissenschaft.
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Kampf gegen Islamismus – Frankreich zwischen Terror und Polizeigewalt?
43 Minuten, Deutsche Welle, 2021
In dieser Ausgabe von "Auf den Punkt" wird diskutiert über die Absichten des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, radikale Moscheen überwachen zu lassen und ein umstrittenes Gesetz gegen Islamistischen Separatismus durchzusetzen. Journalistin Hélène Kohl, Terrorexperte Raphael Bossong (Stiftung Wissenschaft und Politik) und Soziologin Yasemin Ural (Universität Leipzig) sind zu Gast; Hajo Schumacher moderiert.
Verfügbar auf Externer Link: dw.com
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Zwischen rechter Instrumentalisierung und linkem Schweigen: Können wir keine Islamismus-Kritik?
108 Minuten, Bildungsstätte Anne Frank: "Streitbar", 2021
Der politischen Linken wird häufig vorgeworden, zu islamistischer Gewalt zu schweigen. Stimmt das? In der "StreitBar" diskutieren Kevin Kühnert und Saba-Nur Cheema unter anderem über die Instrumentalisierung von Opfern islamistischer Gewalt durch das rechte Spektrum sowie die Reaktion der Linken. Außerdem steht die Frage im Raum, wie rassismusfreie Kritik geübt und Islamismus trotzdem angeprangert werden kann.
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Anwerbungstaktiken auf Gaming-Plattformen
30 Minuten, Radicalisation Awareness Network, 2021
Mit welchem Taktiken werben Extremisten junge Menschen auf Gaming-Plattformen an? Jordy Nijenhuis und Veera Tuomala sprechen mit Expertinnen und Experten über ihre Erfahrungen in der Praxis.
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Aladin El-Mafaalani beim ufuq-Couch Talk: Integrations-Paradox
10 Minuten, ufuq.de, 2019
In der ersten Folge des "Couch Talks" von ufuq.de spricht Aladin El-Mafaalani über seine Thesen vom "Integrations-Paradox": Demnach führt gelungene Integration zu mehr Konflikten. Im Video geht es darum, was dies für die praktische Arbeit mit Jugendlichen bedeutet, wie Lehrkräfte mit Konflikten in der Klasse umgehen können – und mit der Debatte darüber, ob "der Islam" zu Deutschland gehört.
Verfügbar auf Externer Link: ufuq.de
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Debatte mit Behnam Said und Götz Nordbruch: Islamistische Radikalisierung – und was man dagegen tun kann
63 Minuten, sagwas.net, 2017
Eine Online-Live-Debatte des Projekts sagwas.net hat sich im Dezember 2017 mit aktuellen Entwicklungen in Bezug auf islamistische Radikalisierung sowie Prävention von Radikalisierung in Deutschland beschäftigt. Dazu hat die Friedrich-Ebert-Stiftung Dr. Götz Nordbruch (Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus) und Dr. Behnam Said (Islamwissenschaftler und Mitarbeiter beim Verfassungsschutz Hamburg) eingeladen, die in einem einstündigen Gespräch die Fragen der Online-Community beantworteten.
Verfügbar auf Externer Link: sagwas.net
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Erin Marie Saltman: How young people join violent extremist groups — and how to stop them
63 Minuten, TED, 2016
Erin Marie Saltman ist bei Facebook für Counterterrorism Policy verantwortlich. In ihrem Vortrag spricht sie über Push- und Pull-Faktoren, die dazu führen, dass sich Menschen extremistischen Gruppen anschließen. Außerdem stellt sie innovative Maßnahmen zur Prävention und zur Begegnung von Radikalisierung vor – wie das "One to One"-Programm des Londoner Think Tanks "Institute for Strategic Dialogue". In dem Programm werden zunächst auf Facebook Nutzer/-innen identifiziert, die extremistische Gedanken äußern. Anschließend werden diese mit dem Ziel der Deradikalisierung von ehemaligen Extremisten kontaktiert.
Verfügbar auf Externer Link: ted.com
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6. Präventionsprojekte
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Interner Link: Webvideo-Projekt: Jamal al-Khatib18 x 2-9 Minuten, TURN und bpb, 2017-2020 Interner Link: Webvideo-Projekt: Say My Name15 x 5-25 Minuten, Kooperative Berlin und bpb, 2019 & 2020 Interner Link: Webvideo-Projekt: Reflect Your Past3 x 23-27 Minuten, endemol und bpb, 2019 Interner Link: Junge Muslime gegen Antisemitismus15 Minuten, Jungs e. V., 2019
Webvideo-Projekt: Jamal al-Khatib
18 x 2-9 Minuten, TURN und bpb, 2017-2020
Der Impuls für "Jamal al-Khatib – Mein Weg" ging von einem inhaftierten Jugendlichen aus. Nach seinem Ausstieg aus der dschihadistischen Szene wollte er sich dafür einsetzen, andere Jugendliche davor zu bewahren, die gleichen Fehler zu begehen. Die erste Staffel ist bereits 2017 erschienen, die dritte Staffel ist im April 2020 gestartet. Die Videos sind auf Facebook, Instagram und YouTube verfügbar. Auf bpb.de gibt es eine Themenseite zum Projekt mit den bereits veröffentlichten Videos und umfangreichen Hintergrundinformationen.
Verfügbar auf Externer Link: bpb.de
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Webvideo-Projekt: Say My Name
15 x 5-25 Minuten, Kooperative Berlin und bpb, 2019 und 2020
Das Webvideoprojekt "Say My Name" richtet sich an Frauen und behandelt die Themenkomplexe Zusammenleben, Integration und Identifikation. "Say My Name" arbeitet mit jungen diversen YouTuberinnen beziehungsweise Creatorinnen zusammen, die sich gegen alle Formen von Extremismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Hassrede einsetzen. Die Creatorinnen berichten in ihren Videos über eigene Erfahrungen oder sprechen mit Menschen, die weitere Sichtweisen auf die Themen werfen.
Verfügbar auf Interner Link: bpb.de
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Webvideo-Projekt: Reflect Your Past
3 x 23-27 Minuten, endemol und bpb, 2019
Die Webvideoreihe "Reflect Your Past" veranschaulicht Radikalisierungsprozesse anhand von Lebensgeschichten. Die YouTuberinnen und YouTuber Nihan, Cheng Loew und Diana zur Löwen treffen Aussteigerinnen und Aussteiger aus verschiedenen extremistischen Bereichen. Darunter ist auch der ehemalige Salafist Dominic Schmitz, der von seinem Weg in den Salafismus und seinem Ausstieg berichtet.
Verfügbar auf Interner Link: bpb.de
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Junge Muslime gegen Antisemitismus
15 Minuten, Jungs e. V., 2019
Im Projekt "Junge Muslime in Auschwitz" des Trägers Jungs e. V. werden jährlich Gedenkstättenfahrten nach Auschwitz für Jugendliche in Duisburg organisiert. Anschließend entwickeln die Teilnehmenden Theaterstücke und Videos. Damit möchten sie sensibilisieren und junge Menschen zum Nachdenken bringen. Sie möchten den online kursierenden antisemitischen Videos, die täglich von Jugendlichen konsumiert und für "die Wahrheit" gehalten werden eine andere Position entgegenstellen. Die Zielgruppe sind Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren. Der Kurzfilm enthält mehrere Episoden zum Thema und ist insgesamt 15 Minuten lang.
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Infodienst RadikalisierungspräventionMehr Infos zu Radikalisierung, Prävention & Islamismus
Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten.
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Bleiben Sie auf dem Laufenden im Arbeitsfeld Radikalisierungsprävention! Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & neue Hintergrund-Beiträge des Infodienst Radikalisierungsprävention – alle sechs Wochen per E-Mail. Interner Link: → Zum Newsletter-Abonnement
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| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-09-05T00:00:00 | 2020-04-03T00:00:00 | 2022-09-05T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/infodienst/307406/video-dokumentationen-filme-erklaervideos/ | Die Videos berichten über Islamismus und Präventionsarbeit sowie über den "IS". Sie erklären, was Salafismus ist, und zeichnen Geschichten von Menschen nach, die sich radikalisiert haben. | [
"Islamismus",
"Radikalisierung",
"Extremismus",
"Prävention",
"Dokumentationen",
"Reportagen",
"Filme"
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Afrikanische und deutsche Stipendiaten setzen sich in Ostafrika für eine bessere Verständigung ihrer Länder ein | Presse | bpb.de | Je zwölf Studierende aus Afrika und Deutschland nehmen im Rahmen des Programms "Go Africa... Go Germany" an einem interkulturellen Austausch in Tansania und Uganda teil. Langfristiges Ziel ist eine Jugendbildungsstiftung.
Nach dem Auftakt des Austauschprogramms im vergangenen Herbst in Deutschland und Brüssel reisen nun deutsche Stipendiaten nach Ostafrika, um dort den Dialog mit afrikanischen Nachwuchswissenschaftlern über aktuelle politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen fortzusetzen. Das Stipendiatenprogramm "Go Africa... Go Germany" ist eine Initiative von Bundespräsident Horst Köhler und wird in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb durchgeführt. Das zweiwöchige Austauschprogramm führt nach Tansania und Uganda. Auf dem Programm stehen Gespräche mit politischen Entscheidungsträgern, mit Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Wirtschaft, mit Wissenschaftlern und Journalisten aus beiden Ländern. "Die Treffen und die gemeinsamen Aufenthalte in Deutschland und Afrika ermöglichen den Stipendiaten einen intensiven Austausch über die jeweiligen Herkunftsländer", sagt Thomas Krüger, Präsident der bpb. "Auf diese Weise werden Vorurteile abgebaut und der Blick geschärft für die tatsächlichen Herausforderungen der kommenden Generationen, die nur gemeinsam zu bewältigen sind." Die afrikanisch-deutsche Stipendiatengruppe startet mit ihrem Programm am 21. Februar in Sansibar (Tansania). In Dar es Salaam ist die Gruppe zu einem Empfang beim Präsidenten Tansanias, Jakaya Mrisho Kikwete, eingeladen. Ferner trifft sie Joseph Sinde Warioba, Richter am Ostafrikanischen Gerichtshof und ehemaliger Vizepräsident und Premierminister von Tansania, zu einem Gespräch. In Arusha besucht die Gruppe den Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda. In der Deutschen Botschaft in Kampala (Uganda) treffen die Stipendiaten bei einem Empfang die afrikanischen Botschafter aus den am Austausch teilnehmenden sechs afrikanischen Ländern. Anschließend reisen die Teilnehmer in das Krisengebiet Gulu, um sich über den Rebellen-Konflikt im nördlichen Uganda zu informieren. Die Stipendiaten stammen aus Kenia, Tansania, Uganda, Äthiopien, Ruanda, Mauritius und Deutschland. Sie hatten sich mit einem Essay zu politischen und gesellschaftlichen Themenstellungen für die Teilnahme am Programm "Go Africa...Go Germany 2008/2009" qualifiziert. Für 2009/2010 ist eine dritte Begegnung der jungen afrikanischen und deutschen Nachwuchswissenschaftler vorgesehen. Das Austauschprogramm dient der Verwirklichung einer langfristigen Zusammenarbeit: Ziel ist es, die Stipendiaten nach ihrer Teilnahme an "Go Africa... Go Germany" als Multiplikatoren für die Gründung einer deutsch-afrikanischen Jugendbildungsstiftung zu gewinnen. Weitere Informationen unter Externer Link: www.bpb.de
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"Unbekannt (5273)"
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Geschichte des Urheberrechts | Themen | bpb.de |
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Das Urheberrecht ist historisch gesehen vergleichsweise jung. Anders als große Teile des uns vertrauten Rechts wie beispielsweise Verträge oder Eigentum geht es nicht auf Vorbilder im antiken römischen Zivilrecht oder dem alten germanischen Stammesrecht zurück. Die Antike kannte kein Urheberrecht. Die Ursprünge des modernen Urheberrechts lassen sich im späten Mittelalter, an der Wende zur Neuzeit, ausmachen.
Das Mittelalter
Während des größten Teils des Mittelalters fand die Wissensproduktion überwiegend in den Klöstern statt. Dort wurden antike und frühchristliche Schriften aufbewahrt, kopiert, studiert, übersetzt, kommentiert und kompiliert. Erst im 12. Jahrhundert begann sich bei den Kommentatoren ein Bewusstsein für ihre Rolle als 'Autor' herauszubilden. Diesem Bewusstsein, Urheber eigenständiger Textbeiträge zu sein, entsprang ein zunehmendes Bedürfnis nach Anerkennung. Das zeigte sich beispielsweise daran, dass an Kopien und Kommentaren zunehmend der Autorenname auftauchte.
Mit der Gründung von Universitäten verlagerte sich gleichzeitig ab dem 11. Jahrhundert in ganz Europa die Wissensproduktion allmählich aus den Klöstern weg und hin in weltliche Bildungseinrichtungen. Wissen wurde dort als Gebrauchsgegenstand aufgefasst, nicht mehr als Gottesgeschenk. Das galt auch in einen ganz praktischen Sinne: Lehrmaterialien, das heißt aufgeschriebenes Wissen, wurden gegen Bares kopiert und gehandelt.
Die Neuzeit – Der Buchdruck
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Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg Mitte des 15. Jahrhunderts in Mainz veränderte die Voraussetzungen für die massenhafte Herstellung von Kopien von Schriftwerken fundamental. Mit Gutenbergs Verfahren war es möglich geworden, umfangreiche Schriftwerke in größerer Auflage zu bezahlbaren Preisen zu produzieren. Der neuen Technik stand eine im Zuge der Renaissance gewachsene Nachfrage nach Ausgaben klassischer und moderner Schriftwerke gegenüber - die Voraussetzungen für die Entstehung von Druckindustrie und Büchermarkt waren so geschaffen.
Die Druckerprivilegien
Recht schnell tauchte auf den neu entstehenden Markt unliebsame Konkurrenz auf: die Nachdrucker. Sie besorgten sich frisch erschienene Bücher, zum Teil auch Probedrucke von noch nicht erschienenen Büchern, und druckten diese in der eigenen Werkstatt billiger nach. Der ursprüngliche Drucker stand dann vor dem Problem, dass die Nachfrage nach seinen aufwändigeren und teureren Ausgaben sank.
Für dieses Problem wurden recht schnell pragmatische Lösungen gefunden. Eine große Rolle spielten dabei sogenannte 'Druckerprivilegien', die etwa ab 1475 einzelnen Druckern für eine gewisse Zeit – üblich waren zwei Jahre – das ausschließliche Recht zum Druck einer bestimmten Schrift zusprachen. Diese Privilegien wurden von der geistlichen oder weltlichen Obrigkeit ausgestellt und galten in ihrem jeweiligen Herrschaftsgebiet.
Häufig war es so, dass die Privilegien verfielen, wenn das zugesprochene exklusive Druckrecht nicht ausgeübt wurde. Das Druckrecht war so mit einer 'Druckpflicht' verknüpft und die Konkurrenz, der der Nachdruck durch das Privileg untersagt war, wachte argwöhnisch über deren Einhaltung. Schon in der nächsten größeren Stadt, zumindest aber an der Landesgrenze, war ein Druckprivileg zudem meist nicht mehr viel Wert.
Der Buchhandel
Mit der Vervielfachung der Druckereien und dem schnell wachsenden Angebot an gedruckten Büchern bildete sich rasch ein reger Buchhandel. Bücher wurden bereits ab den sechziger Jahren des 15. Jahrhundert in etablierten Messestädten wie Frankfurt am Main oder Leipzig getauscht (der sogenannte 'Bücherumschlag'), lediglich die Wertdifferenz wurde in Bargeld ausgezahlt. Der reine Bargeldhandel setzte sich im deutschsprachigen Raum erst im 17. Jahrhundert durch.
Mit dem Erstarken des städtischen Bürgertums, einer humanistischen Weltanschauung und vor allem dem Anwachsen des grenzüberschreitenden Handels etablierte sich dann allmählich ein Markt für 'moderne Literatur'. Mit der Überlassung der Manuskripte durch den gelehrten Autor erwarb der Drucker nach üblicher Auffassung alle Eigentumsrechte daran.
Originalität und Plagiat
Gegen den regen Handel mit ihren Büchern hatten die Gelehrten nichts einzuwenden, im Gegenteil. Allerdings häuften sich die Plagiatsanklagen der Gelehrten untereinander. Sie warfen sich wechselseitig vor, einander die Ideen gestohlen zu haben. In diesen Streitigkeiten zeigte sich die Spannung zwischen den noch existierenden Überresten der mittelalterlichen Kultur des Kopierens und Kommentierens auf der einen und den aufkommenden Vorstellungen von Originalität, Autorschaft und 'geistigem Eigentum' – genauer gesagt der Urheberschaft an Ideen – auf der anderen Seite. Der Einfluss der Reformation
Mit dem Beginn der Reformation, ausgelöst durch Luthers berühmten Anschlag seiner 95 Thesen an die Tür der Kirche von Wittenberg im Oktober 1517, wurde der noch junge Buchmarkt in seinen Grundfesten erschüttert. Die Nachfrage nach Drucken von Luthers Werken und seiner Bibelübersetzung stieg schlagartig an, besonders im norddeutschen Raum und in den Ländern Nordeuropas. Bedient wurde sie nicht zuletzt von neuen Druckereien in Wittenberg, das so in kürzester Zeit zu einem wichtigen Verlagstandort wurde.
Zugleich brach die Nachfrage nach katholischer Literatur, die besonders von Druckern aus dem süddeutschen Raum und Österreich hergestellt wurde, dramatisch ein. Ein Teil dieser Drucker ging dazu über, Nachdrucke der ursprünglich im norddeutschen Raum hergestellten Werke anzufertigen und zu verkaufen.
So wurde der Buchmarkt im deutschsprachigen Raum praktisch zweigeteilt und zwischen diesen beiden Teilen - vertreten durch namhafte Buchdrucker, -verleger, -händler und später Autoren - wurde der Kampf um die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks während der folgenden Jahre mit aller Erbitterung geführt. Zu Gesetzen kam es jedoch selbst dann noch nicht.
Die ersten 'Urheberrechtsgesetze'
Dass es lange gedauert hat – bis Anfang des 19. Jahrhunderts – bis in verschiedenen deutschen Ländern nach und nach 'Urheberrechtsgesetze' erlassen wurden, war den Religionskriegen in Folge der Reformation und der deutschen Kleinstaaterei geschuldet. In den zentralistischen Staaten Frankreich und England, und auch in den USA, vollzog sich dieser Prozess zum Teil erheblich schneller:
England: Statute of Anne (1709)
Mit dem 'Statute of Anne' wurde erstmalig dem Autor eines Werks das gesetzliche Recht auf die Herstellung von Kopien für begrenzte Zeit zugesprochen. Königin Anne verfolgte mit dem neuen Gesetz von 1709 das Ziel, "das Lernen zu fördern", wie es im Gesetz heißt. Das von ihr geschaffene 'Kopierrecht der Autoren' – das Copyright der Autoren – war Mittel zum Zweck und diente ausdrücklich der Verfolgung des öffentlichen Interesses an gebildeten Menschen.
USA: Copyright-Klausel in der Verfassung (1790)
Am britischen Vorbild orientierten sich auch die Vereinigten Staaten von Amerika in ihrer Gründung. Die 1790 verabschiedete Verfassung enthielt eine sogenannte 'Copyright-Klausel', die den Kongress ermächtigte, "um den Fortschritt in der Wissenschaft und den nützlichen Künsten zu fördern, Autoren und Erfindern für begrenzte Zeit das ausschließliche Recht an ihren Werken und Erfindungen zuzusichern".
Frankreich: Droît d'auteur (1791-1793)
Frankreich folgte den USA nur wenig später. Während der französischen Revolution wurden zwischen 1791 und 1793 eine Reihe von Gesetzen erlassen, die zusammen den Corpus des Urheberrechts (französisch: droît d'auteur) bildeten. Auch hier wurden die ausschließlichen Rechte zur Verwertung den jeweiligen Urhebern zugesprochen.
Das französische Konzept aus der Revolutionszeit wies außerdem ein neues Element auf – die Persönlichkeitsrechte. Das Werk wurde als Ausdruck der Person des Urhebers gesehen, von dem er nie vollständig getrennt werden könne. Die Idee von unabdingbaren Urheber-Persönlichkeitsrechten war prägend für die weitere Entwicklung nationaler Urheberrechtsgesetze in Kontinentaleuropa und hat auch die deutschen Rechtsphilosophen und Gesetzgeber wesentlich beeinflusst.
Zwei Konzeptionen für das Urheberrecht
Zum Ende des 18. Jahrhunderts gab es also zwei in ihren Grundsätzen sehr unterschiedliche Urheberrechtskonzeptionen. Das im anglo-amerikanischen Rechtsraum entstandene Copyright nahm das öffentliche Interesse an Wissensproduktion und -verbreitung zum Ausgangspunkt eines zeitlich und umfänglich beschränkten, exklusiven Rechts am Kopieren von Werken.
Das französische Modell hingegen setzte den Schöpfer und seine Persönlichkeitsrechte an den Anfang; das öffentliche Interesse spielte nur eine untergeordnete Rolle. Die deutschen Länder orientierten sich infolge der historischen Entwicklung am französischen Vorbild. Die Übernahme französischen Rechts nach der Eroberung durch die Napoleonischen Truppen war dafür ausschlaggebend.
Frühes deutsches Urheberrecht
Schon früh setzten sich die deutschen Buchhändler, besonders die Großbuchhändler in Norddeutschland, dafür ein, ein spezielles Verlagsrecht zu schaffen. Aber erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren größere Fortschritte bei diesen Bemühungen zu verzeichnen. Privilegien für Drucker und Buchhändler wurden zunehmend durchsetzbar.
Mit Napoleons Feldzügen und der Eroberung der deutschen Länder hielt dort schließlich französisches Recht Einzug. Als erstes deutsches Land führte 1810 Baden im neuen Landrecht ein angepasstes Urheberrecht nach französischem Vorbild ein, das den Zeitraum für den Schutz der Werke auf die Lebenszeit des Urhebers festlegte. Mit dem "Gesetz zum Schutze des Eigenthums an Werken der Wissenschaft und Kunst in Nachdruck und Nachbildung" setzte Preußen 1837 eines der modernsten und umfassendsten Urheberrechtsgesetze der damaligen Zeit in Kraft.
Die deutsche Kleinstaaterei und die damit verbundene Zersplitterung der Rechtssysteme wurde nur langsam überwunden. 1870 verabschiedete der Norddeutsche Bund auf Drängen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ein "Gesetz betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken". Der Gesetzestext basiert auf einem vom Börsenverein vorgelegten Entwurf aus dem Jahr 1868. Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs im Jahr 1871 wurde das Gesetz für das ganze Gebiet des Deutschen Reiches unter der Bezeichnung "Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste" übernommen.
Ebenfalls auf Initiative des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, der den grenzüberschreitenden Handel mit Büchern und Kunstwerken vereinfachen wollte, wurde 1886 von mehreren europäischen Ländern das erste internationale Abkommen zum Urheberrecht – die "Berner Übereinkunft" – unterzeichnet. Aus dem historisch gewachsenen Territorialschutz wurde so ein quasi internationaler Urheberrechtsschutz, der seitdem mehrfach erweitert und verstärkt worden ist.
Gleich zu Beginn des 20. Jahrhunderts, 1901, wurden schließlich Werke der Literatur und der Musik, sechs Jahre später (1907) Werke der bildenden Künste und der Fotografie per Gesetz urheberrechtlich geschützt. Damit gab es in Deutschland ein Urheberrecht, wie es in seinen Grundzügen bis heute Bestand hat. Das moderne deutsche Urheberrecht
Im zwanzigsten Jahrhundert hat sich die Entwicklung sowohl national als auch international zunehmend beschleunigt. Das ist einerseits den wachsenden technischen Verwertungsmöglichkeit für geschützte Werke geschuldet. Auf der anderen Seite hat der Umfang kreativer, urheberrechtlicher Arbeit stetig zugenommen. Immer mehr Menschen verdienten mit Tätigkeiten ihren Lebensunterhalt, die der Gesetzgeber für urheberrechtlich schützenswert hielt.
Hinzu kamen neue Vertriebskanäle und Produktionsmethoden. Die Urbanisierung ließ die Nachfrage nach billigen, industriell hergestellten Medienprodukten so explodieren, dass in kürzester Zeit aus Nischenprodukten Massengüter wurden. Nicht zuletzt gründeten Kreative neue Interessensvertretungen, die später Einfluss auf die politischen Prozesse nahmen.
All diese Tendenzen zeigten sich bereits zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. In recht kurzer Folge wurden damals neue Gesetze zum Schutz von Urhebern und Verwertern erlassen und parallel dazu Interessenbünde geschlossen: die Anstalt für musikalische Aufführungsrechte (AFMA, 1903), die Genossenschaft Deutscher Tonsetzer (GDT, 1903) und 1915 die Genossenschaft zur Verwertung musikalischer Aufführungsrechte (GEMA).
Während das Verlagsgesetz mit kleineren Änderungen mehr als einhundert Jahre Bestand hatte, machte die technische und ökonomische Entwicklung eine grundlegende Überarbeitung der Gesetze zum Schutz der Urheber bereits in den sechziger Jahren unumgänglich. Die beiden Urheberschutzgesetze von 1901 und 1907 wurden so 1965 zu einem einzigen Urheberrechtsgesetz zusammengeführt, das zum 1. Januar 1966 in Kraft trat.
Die Erfindung der Privatkopie
Ab Anfang der fünfziger Jahre übte die technische Entwicklung einen großen Druck auf die Urheberrechtsentwicklung aus. Tonbandgeräte waren bereits in den dreißiger Jahren entwickelt worden. 1951 brachten AEG und Grundig erste Geräte für den Heimgebrauch auf den Markt. Damit hielt die Möglichkeit, Musik zu reproduzieren, Einzug in die Privathaushalte.
Unter Verwertern und professionellen Musikern wurde diese Entwicklung überwiegend ablehnend aufgenommen. In mehreren Prozessen gegen die Firma Grundig, damals weltgrößter Hersteller von Tonbandgeräten, versuchte die GEMA ein Verbot der Geräte durchzusetzen.
Im Jahr 1964 erzielten sie einen Teilerfolg vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Dieser urteilte, dass der Gerätehersteller an einer unerlaubten Handlung beteiligt war. Es sei nur zulässig, solche Geräte zu vertreiben, wenn dafür eine Abgabe an eine Verwertungsgesellschaft – die 'Geräteabgabe' – gezahlt würde, so der BGH. Mit dieser Abgabe sollten Rechteinhaber für die entgangenen Einnahmen aus privat kopierter Musik entschädigt werden.
Den Ansatz des BGH übernahm der Gesetzgeber bei der Neufassung des Urheberrechts im Jahr 1965. Für jedes verkaufte Tonbandgerät floss ein Teil des Verkaufspreises an die Zentralstelle für Private Überspielungsrechte (ZPÜ), die sie an die für Musikrechte zuständigen Verwertungsgesellschaften weiterleitete. Damit begann im eigentlichen Sinne die Geschichte der Privatkopie.
Deutsches Urheberrecht und internationale Rahmenbedingungen
Größere Ergänzungen und Überarbeitungen des Urheberrechts erfolgten in den Jahren 1973, 1985 und 1990. In den neunziger Jahren ging die Initiative zunehmend von internationalen Akteuren wie der Europäischen Union, der Welthandelsorganisation (WTO) und der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) aus:
Urheberrechtsschutz für Software wurde 1993 aufgrund einer EU-Richtlinie eingeführt; das Vermiet- und Verleihrecht für geschützte Werke wurde 1995 geändert; im selben Jahr wurden die Schutzfristen an EU-Vorgaben angepasst und zwei Jahre später, 1997, ein Sonderschutz für Datenbanken eingeführt.
Eine Zäsur markierte die deutsche Urheberrechtsnovelle von 2003, mit der die EU-Richtlinie "zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft" von 2001 (RL 2001/29/EG) teilweise in deutsches Recht umgesetzt wurde. Insbesondere wurde ein Schutz für "technische Maßnahmen" eingeführt, der die Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen und digitalem Rechte-Management (DRM) unter Strafe stellt.
Die EU-Richtlinie selbst wiederum diente der EU-weiten Umsetzung zweier Verträge, die im Rahmen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) Mitte der 1990er ausgearbeitet und von den einzelnen EU-Mitgliedstaaten im Zuge ihrer WIPO-Mitgliedschaft unterzeichnet worden waren. Der WIPO-Urheberrechtsvertrag (WIPO Copyright Treaty – WCT) und der WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WIPO Performances and Phonograms Treaty – WPPT) wurden Ende 1996 auf einer in Genf tagenden diplomatischen Konferenz von den WIPO-Mitgliedern angenommen.
In Deutschland erfolgte die Umsetzung der EU-Richtlinie im Jahr 2003. Da zuerst nur die Umsetzung der obligatorischen Teile erfolgte, gab man ihr die Bezeichnung 'Erster Korb'. Sofort nach dessen Verabschiedung durch Bundestag und Bundesrat begann der Gesetzgeber damit, die ausstehenden, fakultativen Teile unter dem Titel 'Zweiter Korb' in einen Gesetzentwurf zu gießen. Dieser wurde nach fast vierjähriger Auseinandersetzung unter Parteien, Verbänden und Experten aus der Wissenschaft am 5. Juli 2007 vom Parlament verabschiedet. Im September 2007 hat auch der Bundesrat den Entwurf verabschiedet, sodass die Gesetzesnovelle nach der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten zum 1. Januar 2008 in Kraft treten wird.
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| Article | Robert A. Gehring | 2023-02-17T00:00:00 | 2012-02-15T00:00:00 | 2023-02-17T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/digitalisierung/63369/geschichte-des-urheberrechts/ | Das Urheberrecht ist jung: Erst mit dem Buchdruck und Humanismus in der Neuzeit gab es die Idee, Urheber (und Drucker) rechtlich zu schützen. Und durch die deutsche Kleinstaaterei verspätete es sich hierzulande sogar bis ins 19. Jahrhundert. | [
"Urheberrecht"
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Quellen des Polentums | Geschichte im Fluss. Flüsse als europäische Erinnerungsorte | bpb.de | Mythos Weichsel
Ob hierzulande jemand weiß, dass auch die polnische Nationalhymne ihre Flüsse hat? Im Gegensatz zum "Lied der Deutschen" werden zwar nur zwei genannt, dafür aber solche, die im Herzen des Landes fließen, und nicht solche, die die Grenzen des Landes abstecken sollen. In der dritten Strophe heißt es: "Wir werden Weichsel und Warthe durchqueren. Wir werden Polen sein". Die Tatsache, dass in derselben Strophe Napoleon Bonaparte als siegreiches Vorbild genannt wird, kann man aus heutiger Sicht nur belächeln, verweist jedoch auf die Entstehungszeit von "Dąbrowskis Mazurka" Ende des 18. Jahrhunderts.
Mit der Entstehung des Liedes sind noch mehr Paradoxien verbunden. Bevor es 1927 zur polnischen Nationalhymne wurde, wurde es von Soldaten der Polnischen Legionen gesungen, die an der Seite der französischen Invasionstruppen in Norditalien kämpften. Einen polnischen Staat gab es damals nicht – er war 1795 zum dritten Mal und endgültig zwischen Preußen, Österreich und Russland aufgeteilt worden. Zwar gewährten Napoleon 1807 mit dem Herzogtum Warschau und der Wiener Kongress 1815 mit dem Königreich Polen eine Art Unabhängigkeit, doch die war nur zum Schein. Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts wurden schließlich alle Reste staatlicher Eigenständigkeit von den Teilungsmächten getilgt. Bekannterweise sind aber die Jahrzehnte nach der Französischen Revolution diejenigen, in denen sich das moderne Nationalbewusstsein in Europa entwickelte. Wie sollte nun ein Polentum ohne Staat entstehen?
Am Zusammenfluss von Wisełka und Malinka entsteht die eigentliche Weichsel. (© Eric Pawlitzky)
Wie Beata Halicka Interner Link: in ihrem Beitrag festhält, sind die 123 Jahre, in denen es kein Polen auf der Landkarte gab, genau die Jahre, in denen der "Mythos Weichsel" entstand. In Literatur und Malerei wurden ihre Eigenschaften wie (Vaterlands-)Treue, Würde oder Geschichtsträchtigkeit besungen. Die Weichsel sollte die Verbundenheit des geteilten Landes symbolisieren, die alten Königsstädte Krakau und Warschau verbinden und zur nationalen Einheit beitragen. Die symbolische Überhöhung des Flusses stand dabei allerdings in eklatantem Widerspruch zu seiner Vernachlässigung als Wasserstraße. Russland, Österreich und Preußen (ab 1870/71 das Deutsche Reich) richteten ihre Aufmerksamkeit lediglich auf ihr jeweiliges Teilstück der Weichsel. Von einer durchgehenden Schiffbarkeit oder einem abgestimmten Hochwasserschutz konnte keine Rede sein.
Mit diesem Erbe musste sich der 1918 wieder entstandene polnische Staat auseinandersetzen. Bis heute ist die Wahrnehmung der Weichsel stark durch nationale Symbolik einerseits, und mangelnde Bewirtschaftung andererseits bestimmt.
Quellensuche zum Ersten: Wisła
In deutlichem Widerspruch zur nationalen Symbolik steht auch die allgemeine Unkenntnis über den Lauf der Weichsel und den Ort, an dem sie entspringt. Fast bekommt man den Eindruck, dass der Fluss immer vom Ende her gedacht wurde – von der Mündung in die Ostsee bei Danzig, das über die Jahrhunderte Polens Tor zur Welt war. Man kennt die Weichsel in Warschau und Krakau, auch das malerische Kazimierz wird mit dem Fluss verbunden, doch der Oberlauf scheint gänzlich unbekannt zu sein.
Am Zusammenfluss von Wisełka und Malinka entsteht die eigentliche Weichsel. (© Eric Pawlitzky)
Fragt man etwa in Wisła, einem populären Touristenort in den Beskiden, nach der Weichselquelle, bekommt man als Antwort meist ein Achselzucken. Wisła ist bekannt als Geburtsort des Skispringers Adam Małysz, als das polnische Zentrum des Protestantismus oder vielleicht noch wegen der Präsidentenvilla aus den dreißiger Jahren. Aber die Weichselquelle?
Man kann zwar vom blauen Wanderweg zur Barania Góra abzweigen – das erfahre ich von einer ortskundigen Parkplatzwächterin –, aber ausgeschildert ist der Ort nicht. Schließlich ist das hier sensibles Terrain: Naturschutzgebiet. Und überhaupt, welche Quelle ist gemeint? Unterhalb des Berggipfels der Barania Góra entspringen in einiger Entfernung voneinander die "weiße" und die "schwarze" Weichsel (Biała und Czarna Wisełka). Erst nachdem sie sich im Stadtgebiet von Wisła vereinigt haben, entsteht die Wisełka – interessanterweise wurde an diesem Zusammenfluss in den sechziger Jahren ein Stausee angelegt, als Interner Link: Trinkwasserreservoir und Hochwasserschutz.
Damit es noch etwas komplizierter wird, spricht man von der eigentlichen Weichsel erst, nachdem einige Kilometer hinter dem Stausee der Bach Malinka einmündet. Und schiffbar wird sie erst kurz vor Auschwitz (an einem Nebenfluss, der Soła, gelegen). Ab da beginnt die eigentliche Kilometerzählung an der Weichsel.
Quellensuche zum Zweiten: Das Dreikaisereck
Der Kilometer "0" der Weichsel wird durch den Zufluss der Przemsza markiert, einem knapp 100 Kilometer langen Flüsschen, das früher die Grenze zwischen (Klein-)Polen und Schlesien darstellte. Der Zusammenfluss der "weißen" und "schwarzen" Przemsza wiederum ging in die Geschichte als "Dreikaisereck" ein. An dieser Stelle trafen zwischen 1846 und 1914 die Grenzen von Preußen, Österreich und Russland aufeinander.
Später verwilderte das Gebiet, denn die großen Kaiserreiche waren nach dem Ersten Weltkrieg untergegangen und mit ihnen ihre alten Grenzen. Als nach dem Krieg noch Teile Oberschlesiens Polen zuerkannt wurden, geriet das Dreikaisereck in Vergessenheit. 1937 wurde, nach nur dreißig Jahren Existenz, der nahe gelegene Bismarckturm abgetragen.
Das ehemalige Dreikaisereck wartet noch auf seine neue Bestimmung. (© Eric Pawlitzky)
Erst als Anfang der 2000er Jahre einige Lokalaktivisten in Myslowitz und Sonsowiec auf die Idee kamen, den historischen Ort touristisch zu nutzen, erwachte er wieder zum Leben. Im Jahr des polnischen EU-Beitritts 2004 wurde am früheren Dreikaisereck sogar eine Gedenktafel enthüllt. Die verklärte zwar die Geschichte etwas sehr in eine europäische Richtung, aber immerhin: Die Hoffnung war da. Ein Ort der Begegnung mitten in Polen: Auch das bietet die Weichsel.
Leider ist in den knapp zehn Jahren seitdem nicht viel passiert. Der Enthusiasmus in den angrenzenden Städten durchlief Höhen und Tiefen. Einige Projekte aus EU-Mitteln scheiterten an der fehlenden Kofinanzierung, die die chronisch unterfinanzierten Kommunen nicht zur Verfügung stellen konnten oder wollten. Hinzu kamen die üblichen Streitereien um die "richtige" Deutung der Geschichte. Angesichts dessen ist es fast schon verwunderlich, dass es die Enthusiasten weiterhin gibt. Mithilfe verschiedener Events wollen sie den Ort ins Bewusstsein der Bewohner und Besucher zurückbringen.
"Das ist eine der wenigen Attraktionen von Myslowitz", sagt auch die Empfangsdame im einzigen Hotel der Stadt, das bezeichnenderweise den Namen "Trojak" (Drilling) trägt. Der örtliche Touristenverein PTTK hat für die Wegweiser gesorgt, und Anfahrtsbeschreibungen erhält man überall auf Anfrage. Das Dreikaisereck ist ein Kristallisationspunkt des lokalen Geschichtsbewusstseins, im Guten wie im Schlechten. Und zumindest für einige ist es auch ein Hoffnungszeichen für eine touristische Belebung der Region. Die Teilungszeit als glorreiches Kapitel der Ortsgeschichte: Geht das überhaupt im heutigen Polen?
Die nationale Dürreperiode: Das 19. Jahrhundert
Im nationalen Geschichtskanon gilt die Teilungszeit als eine finstere Epoche. Nicht nur wurde der Staat ausgelöscht, und damit – neben der Russifizierungs- und Germanisierungspolitik – die Herausbildung einer selbstbewussten nationalen Identität behindert. Die Teilung Polens bedeutete auch ein Auseinanderreißen des über Jahrhunderte gewachsenen Wirtschaftsraumes, in dem die Weichsel eine zentrale Rolle spielte.
Schon immer hatte die Weichsel die alten Königsstädte Krakau und Warschau verbunden. Über die Zuflüsse Bug, Narew und San wurde ein Großteil der polnischen Ausfuhren abgewickelt, so dass Danzig zu jener Zeit einer der wichtigsten Handelshäfen Europas war. Die Bedeutung Danzigs fasste angeblich Friedrich der Große so zusammen, dass der wahre Herrscher Polens nicht der König in Warschau sei, sondern derjenige, der Danzig und die Interner Link: Weichselmündung kontrolliere.
Kein Wunder also, dass der preußische König, kaum hat er mit der ersten Teilung Polens 1772 große Teile von Großpolen und Pommerellen (außer Danzig und Thorn) unter seine Kontrolle gebracht, die Handelsströme umzuleiten versuchte. Er griff ältere polnische Pläne auf und ließ innerhalb weniger Jahre den Netzekanal (auch Bromberger Kanal genannt) errichten, der die untere Weichsel über die Netze und Warthe mit der Oder, und somit Brandenburg und Hinterpommern verbinden sollte. Über die Umlenkung der Schiffswege und durch Sperrzölle sollte Danzig ausgehungert werden.
Die Rolle der Weichsel hatte sich also Ende des 18. Jahrhunderts gewandelt. Da es keinen polnischen Staat mehr gab, zerfiel der Weichselraum in mehrere Teile. Die Österreicher am Oberlauf hatten kein Interesse, den ohnehin spärlichen Handel Galiziens über Danzig abzuwickeln, so dass hier nur das Nötigste getan wurde, um die Weichselufer weniger anfällig für Überschwemmungen zu machen.
Preußen nutzte den industriellen Boom in Schlesien, um das Gebiet über die Oder und kleinere Kanäle (vor allem den Klodnitzer Kanal) stärker ans Kernland in Brandenburg anzubinden. Der Interner Link: Unterlauf der Weichsel im nun "Westpreußen" genannten Pommerellen ("Preußen königlichen Anteils") war über die Mündungsarme ohnehin gut mit der Ostsee verbunden – und über den Netzekanal mit der Oder.
Das "Königreich Polen" genannte russische Teilungsgebiet verfügte zwar vorübergehend über einige Autonomie in Wirtschaftsfragen, wurde aber im Laufe des 19. Jahrhunderts immer enger mit dem großen Binnenmarkt des Zarenreiches verzahnt. Die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur tat ein Übriges. Russland suchte nun den Anschluss an die russischen Ostsee- und Schwarzmeerhäfen, um die Abhängigkeit vom Handelszentrum Danzig zu verringern. Während der Augustowski-Kanal, der die Weichsel über die Narew mit Interner Link: der Memel verbinden sollte, seine Rolle nie voll entfalten konnte, verlagerten sich die Handelsströme auf den Dnjepr – ein weiterer Schritt zur Auflösung des alten polnischen Staatsgebietes.
Dieser Desintegrationsprozess wurde durch den Bau von Eisenbahnlinien noch verstärkt: Die neu gebauten Strecken verbanden die Teilungsgebiete mit dem jeweiligen Kernland in West-Ost-Richtung, eine der Rheinbahn vergleichbare Linie wurde nie gebaut.
Ihre wirtschaftliche Bedeutung hatte die Weichsel also verloren, stattdessen wurde sie nun von den Teilungsmächten als Verteidigungslinie militarisiert und befestigt. Das alte Krakau wurde in Österreich-Ungarn zur provinziellen Garnisonsstadt, während Lemburg zur Landeshauptstadt Galiziens aufstieg.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sollte diese strategische Rolle der Weichsel nur bedingt zum Tragen kommen. Hatte der Fluss als natürliches Hindernis in den militärischen Plänen der Vergangenheit noch eine Bedeutung, lehrte der Erste Weltkrieg das Gegenteil: Die Front ging blitzschnell über sie hinweg. Erst 1944/45 sollte sie den Vormarsch der Roten Armee für einige Monate aufhalten, was aber nicht kriegsentscheidend war. Auch das "Wunder an der Weichsel", mit dem Polen 1919/1920 den Vormarsch der Roten Armee gestoppt hatte, war eigentlich gar kein Weichselwunder. Die Festung Modlin an der Narewmündung spielte dabei eine viel größere Rolle als der Fluss selbst. Der Mythos aber passte ganz gut in die Erzählung von der Weichsel als polnischem Nationalfluss. Polnische Ausbaupläne
Als Polen in den Friedensverhandlungen von Versailles und den nachfolgenden Kriegen wiedererstanden und militärisch abgesichert war, machte es sich an die praktische Arbeit. Der in Woodrow Wilsons 14-Punkte-Plan zugesicherte Zugang zur Ostsee konnte allerdings nur bedingt umgesetzt werden. Zwar erhielt Polen ein Stück Pommerellen mit der Helahalbinsel, aber Danzig selbst wurde zur Freien Stadt. Immerhin hat man die von deutscher Seite angedachte Internationalisierung der Weichsel, wie sie teilweise an der Oder und Memel durchgeführt wurde, verhindern können.
Erst mit dem Ausbau des Fischerdörfchens Gdynia zum großen Ostseehafen Mitte der 1920er Jahre konnte ein unabhängiger Meereszugang gesichert werden, jedoch auf Kosten der Weichsel. Die Warentransporte nach Gdynia (und zum großen Teil auch nach Danzig) wurden nun zum größten Teil mit der Eisenbahn getätigt. Die Folge waren Vorwürfe, Polen wolle die Weichsel als Wasserstraße schädigen und Danzig boykottieren.
An ehrgeizigen Ausbauplänen hat es nicht gemangelt. Wiederholt wurden in der Zwischenkriegszeit Regulierungspläne vorgelegt, die freilich alle an fehlenden Finanzmitteln des jungen Staates scheiterten. Noch Ende der 1930er Jahre plante man eine Reihe von Stauseen, von denen nur einer teilweise umgesetzt und dann während des Krieges von den deutschen Besatzern zu Ende gebaut wurde. Auch nach 1945 versuchte man den Spagat zwischen Größenwahn und Realisierungsmöglichkeiten zu meistern. In wiederkehrenden Abständen wurden Pläne erarbeitet, wie die gesamte Weichsel oder einzelne Abschnitte zum Zwecke der Schifffahrt und des Hochwasserschutzes ausgebaut werden könnten.
Tatsächlich gebaut wurden aber nur ein paar Staustufen, etwa in Włocławek, die teilweise als Trinkwasserreservoir und/oder Wasserkraftwerk dienen. Polen steuerte zu der Zeit, auch aufgrund missglückter, mit westlichen Krediten finanzierter Großprojekte, sehenden Auges in eine große Wirtschaftskrise. Die führte dann auch zu Arbeiterunruhen und Streiks und bereitete den Nährboden für die Entstehung der "Solidarność" 1980, so dass alle hochfliegenden Pläne ad acta gelegt werden mussten.
Nation building im Fluss
Und so erfüllt die Weichsel ihre Rolle als nationales Geschichtssymbol auf paradoxe Weise: An ihrem Zustand lässt sich ablesen, wie das geteilte Land zusammenwuchs und immer noch zusammenzuwachsen versucht. Während die Weichsel nie die Funktion einer politischen Grenze hatte, lassen sich die Regulierung im Oberlauf, der Ausbau im Unterlauf und der frei fließende Strom zwischen Warschau und der ehemaligen preußischen Grenze bei Silno als Zeugnisse der Teilungen lesen.
Übrigens kann man auch knapp einhundert Jahre nach der Herstellung der staatlichen Einheit die früheren Teilungsgrenzen an den Wahlergebnissen in Polen ablesen. Der Osten wählt konservativ und europaskeptisch, der Westen liberal und europafreundlich. Das ist auch ein Hinweis auf die Beständigkeit alter kultureller und wirtschaftlich-gesellschaftlicher Trennlinien.
Was uns das sagt? Der Ausbau der Weichsel – und im übertragenen Sinne auch der nationalen Zusammengehörigkeit – lässt sich nicht im Hauruckverfahren herstellen. Vielleicht bleibt die vielfach beschworene identitätsstiftende und verbindende Rolle der Weichsel vorerst ein literarischer und künstlerischer Topos.
Das ehemalige Dreikaisereck wartet noch auf seine neue Bestimmung. (© Eric Pawlitzky)
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-12-14T00:00:00 | 2013-05-07T00:00:00 | 2021-12-14T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/europaeische-geschichte/geschichte-im-fluss/159629/quellen-des-polentums/ | Die Weichsel ist der nationale Fluss der Polen. Während der Teilung zwischen Preußen, Russland und Österreich hat sie die Nation zusammengehalten. Aber warum kennt kaum jemand ihre Quelle? | [
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Tag des Mauerfalls | bpb.de |
Deine tägliche Dosis Politik Audio 09.11.22
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Mauerfall
Guten Morgen,
der 9. November gilt in Deutschland als Schicksalstag. Er erinnert an viele bedeutende historische Ereignisse in unserer Geschichte – negative wie positive.
1848 etwa das Scheitern der demokratischen "Märzrevolution". 1918 die "Novemberrevolution" und der Ausruf der Weimarer Republik. • 1923 scheiterte Adolf Hitler am 9. November mit dem Versuch des sogenannten "Hitler-Ludendorff-Putschs". 1938 markiert der Tag eines der dunkelsten Kapitel in der deutschen Geschichte: Die "Reichspogromnacht", in der 7.500 jüdische Geschäfte zerstört und über 1.200 Synagogen niedergebrannt wurden.
🎧 In unserer heutigen Audio-Nachricht widmen wir uns dem 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls.
📄 Die Audionachricht zum Nachlesen findest du hier: Externer Link: https://kurz.bpb.de/dtdp1814
Mehr Infos zum Mauerfall findest du hier: Externer Link: https://kurz.bpb.de/dtdp1813
Viele Grüße Deine bpb Social Media Redaktion
Deine tägliche Dosis Politik Audio 09.11.22
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Mauerfall
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-11-09T00:00:00 | 2022-11-09T00:00:00 | 2022-11-09T00:00:00 | https://www.bpb.de/515099/tag-des-mauerfalls/ | Der 9. November gilt in Deutschland als Schicksalstag. Er erinnert an viele bedeutende historische Ereignisse in unserer Geschichte – negative wie positive. | [
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Mohamed Ali Saidi | 14. Bundeskongress politische Bildung 2019 | bpb.de | Mohamed Ali Saidi (Coco) ist für das Externer Link: aktuelle forum e. V. als Projektleiter tätig.
Er engagiert sich außerdem als freiberuflicher Bildungsreferent u. a. für den Externer Link: AdB in Berlin, Externer Link: ViA Ruhr und das Externer Link: Technische Hilfswerk.
In der Arbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen konzipiert er Schulungen und Seminarkonzepte zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themenschwerpunkten. Zuletzt war er als pädagogische Leitung im Kulturprojekt zu "Rimbaud" in NRW tätig. Bei den Teilnehmer*innen Begeisterungsfähigkeit zu wecken, ihnen Möglichkeiten der Teilhabe aufzuzeigen und sie bei der Umsetzung ihrer eigenen Anliegen zu begleiten und zu unterstützen ist ihm in seiner Arbeit besonders wichtig. | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2019-01-29T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/veranstaltungen/reihen/bundeskongress-politische-bildung/284808/mohamed-ali-saidi/ | [
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Podiumsdiskussion: Einheit als gesellschaftliche Herausforderung – Integration, Abgrenzung und Polarisierung in Deutschland und Europa | 17. Bensberger Gespräche 2020 | bpb.de | In ihrem Eingangsstatement stellt die Sozialpsychologin Prof. Dr. Beate Küpper die Frage, ob die Einheit schon ein Wert an sich darstelle, oder ob es nicht vielmehr auf die Qualität jenes Prozesses und seiner Ergebnisse ankomme? Der Osten wurde "nicht auf Knopfdruck demokratisch" – und "alle zehn Jahre entdecken wir, dass wir gegenüber bestimmten sozialen Gruppen immer noch nicht gleichwertig sind". Sie verwies auf die Diskrepanz, dass ca. 93 Prozent der deutschen Bevölkerung die Demokratie positiv betrachten und diese auch hierzulande generell gut umgesetzt sehen würden – während ca. ein Drittel nicht sonderlich demokratische Einstellungen vertrete und gleiche Rechte für alle in Frage stelle. Ost- und Westdeutschland seien sich hierbei erstaunlich ähnlich, bis auf die Erfahrung mit und die Wertschätzung von Vielfalt. Dies zeige sich auch bei der jungen Generation, in der zunehmend die NS-Zeit verharmlost und sozialdarwinistische Ideen befürwortet würden. Die Gefühle einer kollektiven Bedrohung und Benachteiligung seien gesamtgesellschaftlich als große Herausforderung zu sehen.
Dr. Yasemin El-Menouar verwies auf die große Bedeutung der Medien: Nachrichten tendierten dazu, über Probleme und Schwierigkeiten zu berichten, und Formate wie Talkshows oder soziale Medien beförderten spezifische Wahrnehmungen, die sich an extremen Meinungen orientierten. Beate Küpper erinnerte daran, dass "wir oft nur das sehen, was wir zu sehen erwarten". Die Polarisierung bedeute nicht, dass sich die Bevölkerung in zwei Hälften aufteile, sondern dass sich eine große Mehrheit für Demokratie und Vielfalt positioniere, eine kleine, aber laute, gut vernetzte und sich radikalisierende Minderheit dagegen opponiere und somit über ihre reale Bedeutung hinaus wahrgenommen werde. Es helfe nicht, einfach nur mehr Mittel zu verteilen, um gegen das Gefühl der kollektiven Benachteiligung anzugehen. El-Menouar verglich Ostdeutsche mit Migranten/innen und ihre jeweiligen "Bindestrichidentitäten": Ihre Identitäten würden von der Gesamtgesellschaft nur bedingt wahrgenommen und anerkannt, woraus das Gefühl resultiere, "Bürger zweiter Klasse" zu sein.
Generalmajor a.D. Hans Christian Beck betonte die Notwendigkeit, darauf zu achten, dass sich die heutige Bundeswehr nicht allzu sehr von der restlichen Gesellschaft entferne. Über die Wehrpflicht fand einst ein reger Austausch mit der Gesamtgesellschaft statt. Doch auch mit den Einsätzen gäbe es mehrere parallele Realitäten: Soldatinnen und Soldaten gingen in die Einsatzländer und blieben über Monate von ihren Familien getrennt; und in Köln-Wahn träfen Urlauber mit voll ausgerüsteten Soldaten zusammen. Die Rekrutierung sei zentral für die Bundeswehr: Welcher Soldatentypus sei gewünscht – und ist es immer noch der Staatsbürger in Uniform? Gleichsam übte er Kritik am generalisierenden Negativ-Diktum der früheren Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die Bundeswehr habe ein Führungs- und Haltungsproblem.
Küpper unterstrich die Bedeutung der Kameradschaft für die Integrationswirkung der Bundeswehr, da sie viele gesellschaftliche Disparitäten ausgleiche. Gleichsam sei nachzuhaken, was Kameradschaft im Guten wie im Schlechten leisten könne, und was die jungen Menschen in der Bundeswehr in ihrer Freizeit tun. El-Menouar betonte die Wichtigkeit, den Menschen zuzuhören und sie als gleichwertig wahrzunehmen; hierbei nannte sie das Beispiel Kanadas, wo nach einem transparenten Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern ein Kriterienkatalog für ein verbessertes Zusammenleben aufgestellt wurde. Küpper beschrieb die hiesigen traditionellen Vorstellungen Deutschlands als die einer homogenen Gesellschaft; Begrifflichkeiten wie "Volkskörper" und "Volksschädling" sowie Erfahrungen wie die systematische Ausgrenzung von Menschen bis hin zu deren massenhafter Ermordung sah sie ebenso als Teil hiesiger Traditionen. Zudem neigten Menschen dazu, Ähnlichkeiten zu ihnen selbst gutzuheißen, was sich auch in Bewerbungs- und Beförderungsprozessen niederschlage, worauf sie sich auf eigene Verhaltensmuster bezog.
In der folgenden lebhaften Diskussion unterstrich eine Teilnehmerin, dass sich benachteiligte gesellschaftliche Gruppen repräsentiert sehen wollen würden; dies sei bei den Bundesbehörden, zumal in der Führungsebene, nicht der Fall, und müsse entsprechend bei der Personalauswahl und beförderung verstärkt berücksichtigt werden. Kapitän zur See Dr. Jörg Hillmann hielt hierbei das Beispiel der Bundeswehr entgegen, in der nicht nur die politische Spitze durch Ministerinnen besetzt war und ist, sondern sich zahlreiche Frauen in den Dienstbehörden fänden, nicht zuletzt an leitenden Funktionen. Sicherlich gäbe es noch nicht viele Frauen im Generalsrang – doch dies benötige aufgrund der Laufbahnen und der Entscheidung von vor knapp 20 Jahren, Frauen zu allen Laufbahnen zuzulassen, entsprechende Zeit. Zudem sei es wichtig, sorgsam mit dem Begriff der Traditionen umzugehen. Beck warf die Frage auf, was denn die Politik für die Streitkräfte außerhalb der Diskussionen zum Wehretat leiste: Welche Ziele sollen in den jahrzehntelangen Einsätzen auf dem Balkan und in Afghanistan erreicht werden? Generalmajor Reinhardt Zudrop verwies auf die Herausforderungen der letzten Jahre, denen die Bundeswehr gerecht geworden sei: die Armee der Einheit, die Armee im Einsatz, und nun die erneute Refokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung. Es werde zwar eine ausführliche Diskussion zum Wertewandel geführt, doch man dürfe sich nicht darauf ausruhen.
Küpper stellte die provokante Frage, inwieweit überhaupt eine politische Bildungsarbeit vonnöten sei – denn die Quoten der Nichtwähler seien in anderen Ländern ohne solche Institutionen ähnlich. In anderen Ländern fänden sich Aspekte der politischen Bildung in andere Bildungsangebote integriert (z.B. die ausgeprägte Debattenkultur in Großbritannien). "Demokratie ist immer im Wachsen und im Wandel" – und demzufolge müsse immer wieder die Frage gestellt werden, wie wir zusammenleben wollen und was uns welche Aspekte wert seien?
Dokumentation: Martin Bayer | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2020-02-27T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/veranstaltungen/reihen/bensberger-gespraeche/305850/podiumsdiskussion-einheit-als-gesellschaftliche-herausforderung-integration-abgrenzung-und-polarisierung-in-deutschland-und-europa/ | Die Podiumsdiskussion beleuchtete verschiedene Aspekte gesellschaftlicher Polarisierung und verwies darauf, dass sich eine große Mehrheit in Deutschland für Demokratie und Vielfalt ausspreche, wenngleich sich die demokratiefeindliche Minderheit zu ra | [
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Politische Bildung in Frankfurt hautnah erleben | Presse | bpb.de | Unter dem Motto „Hier kommt Demokratie in Fahrt“ fährt die Bundeszentrale für politische Bildung durch ganz Deutschland // Am 16. und 17. November ist der bpb-Bus in Frankfurt am Main // Viele kostenlose Veranstaltungen // Mehr Informationen: Interner Link: www.bpb.de/bustour // Hashtag #bpbBustour
Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb feiert ihr 70-jähriges Bestehen. Zu diesem Anlass fährt der bpb-Bus einen Monat lang durch ganz Deutschland, um Partnerinnen und Partner zu besuchen, mit Trägern der politischen Bildung zu sprechen und mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen. „Die Bundeszentrale für politische Bildung wird siebzig Jahre. Grund genug, einmal persönlich vorbei zu kommen, in Ihre Stadt, auf Ihren Marktplatz, in Ihr Viertel“, so Thomas Krüger, Präsident der bpb. Für Krüger ist dabei wichtig: „Politische Bildung funktioniert nur, wenn es vor Ort viele aktive Träger und Vereine gibt, die politische Bildung tagtäglich leben, ihnen wollen wir auf dieser Tour für ihre Arbeit danken“.
Das sind die Stationen in Frankfurt:
16.11.2022, 08:30 – 14:30 Uhr: Demokratie und Debatte beim Börsenverein des deutschen Buchhandels Die bpb ist im „Haus des Buches“ zu Gast, und der Bus öffnet sich im Hof für die Öffentlichkeit. Um 13.30 Uhr gibt es eine Gesprächsrunde mit Martina Stemann und Thomas Koch vom Börsenverein und dem bpb-Team unter der Überschrift „Gemeinsam für Demokratie und Debatte“. Ort: Braubachstraße 16, 60311 Frankfurt am Main
17.11.2022, 14:00 – 16:00 Uhr: Vernetzung mit der Bildungsstätte Anne Frank e.V. Die bpb trifft sich zu einer internen Netzwerkveranstaltung mit der Bildungsstätte Anne Frank e.V. Mit am Start: Der Demokratie-Bus und Materialien der bpb. Im Austausch geht es um politische Bildung, Antisemitismus und digitale Methoden der Vermittlung.
Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, dazuzukommen, kostenlose Lese-, Lehr- und Lernmaterialien mitzunehmen und über politische Bildung ins Gespräch zu kommen. Weitere Informationen und den genauen Standort gibt es unter Externer Link: www.bpb.de/bustour.
Weitere Stationen der Bustour sind u.a. Waiblingen, Beutelsbach und Friedrichshafen. Als letzte Station steuert der bpb-Bus am 25. November das alte Plenargebäude des Deutschen Bundestags in Bonn an. Alle Informationen unterExterner Link: www.bpb.de/70-jahre-bpb
Seit ihrer Gründung vor 70 Jahren am 25. November 1952 verfolgt die Bundeszentrale für politische Bildung das Ziel, Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken. 70 Jahre, in denen in Deutschland und bei der bpb viel passiert ist. Seit Beginn greift die bpb aktuelle und zeithistorische Themen mit Veranstaltungen, Printprodukten, audiovisuellen und Online-Produkten auf. Bücher und die legendären "Schwarzen Hefte" (Informationen zur politischen Bildung) gehören ebenso dazu wie Online-Dossiers, der "weltberühmte" Wahl-O-Mat, die Jugendzeitschrift fluter, Konferenzen, Studienreisen oder Journalistenfortbildungen.
Pressekontakt: Bundeszentrale für politische Bildung Daniel Kraft Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel. +49 (0)228 99515-200 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: presse@bpb.de Externer Link: www.bpb.de/presse
Diese Pressemitteilung als PDF finden Sie Interner Link: hier. | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-11-10T00:00:00 | 2022-11-10T00:00:00 | 2022-11-10T00:00:00 | https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/515183/politische-bildung-in-frankfurt-hautnah-erleben/ | Unter dem Motto „Hier kommt Demokratie in Fahrt“ fährt die Bundeszentrale für politische Bildung durch ganz Deutschland // Am 16. und 17. November ist der bpb-Bus in Frankfurt am Main // Mehr Informationen: www.bpb.de/bustour // Hashtag #bpbBustour | [
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Technischer Fortschritt und Industrie 4.0 | Arbeitsmarktpolitik | bpb.de |
Facharbeiter in einer vernetzten und digitalisierten Autofabrik im September 2020. (© picture-alliance)
Die wachsende Vernetzung der Gesellschaft auf der Grundlage von digitalen Technologien und Digitalisierung wirkt sich auf praktisch all unsere Lebensbereiche aus. Mit ihr verändert sich, wie wir kommunizieren, uns Informationen beschaffen und einkaufen, wie wir arbeiten, wirtschaften und produzieren. Wir sind mittendrin im Wandel hin zu Arbeit 4.0, Industrie 4.0 und Wirtschaft 4.0 und haben einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Gestaltung und Aneignung von Erwerbsarbeit, Produktion und Wertschöpfung zu gestalten.
Der technische und technologische Wandel: Von mechanisierter zu digitalisierter Arbeit
Wie der aktuelle Wandel waren auch alle vorherigen industriellen Revolutionen technologiegetrieben. Das grundlegende Charakteristikum industrieller Revolution, also die Übertragung der in erster Linie produktionsrelevanten Veränderungen auf diese gesamte Wirtschaft, gewann mit der Informationalisierung und Automatisierung in den 1970er-Jahren eine neue Qualität, die auch den laufenden Wandel formt: Mit der Weiterentwicklung und Verbreitung von Kommunikations- und Informationstechnologie wurden Verwaltungen und Dienstleistungen flexibler, effizienter und kundenäher. Eine allgemeine Neuausrichtung hin zu Lean Production, also die Verschlankung der Produktion und aller angrenzenden Bereiche, bewirkte einen ähnlich tiefgreifenden Paradigmenwechsel wie die tayloristische Massenproduktion der zweiten industriellen Revolution, jedoch mit anderer praktischer Ausrichtung und auch gesellschaftlicher wie ethischer Reichweite:
Die Bedingungen und Treiber von Arbeit 4.0
Digitalisierung
So wird die vierte industrielle Revolution im Unterschied zu den vorangegangenen nicht durch einzelne Werkzeuge geformt, sondern durch ein Bündel verschiedener Technologien, deren Zusammenspiel und der sich daraus ergebenden Synergien und Möglichkeiten: Erstens entwickeln sich Automatisierung, Informations- und Kommunikationstechnologie und auf dieser Grundlage Cyber-physische Systeme (CPS), die virtuelle Strukturen mit der physischen Welt verbinden, weiter. Zweitens – zum Teil infolge, zum Teil als Anschub dieser Technisierung – nehmen verschiedene gesellschaftliche und kulturelle Wandlungsprozesse Einfluss. Neu sind auch die Schnelligkeit der Entwicklung, das Maß der Effizienzsteigerung und die Reichweite der Veränderungen, die völlig neue Formen branchenübergreifender Wertschöpfungsnetze und schließlich eine Wirtschaft 4.0 kreieren. In verschiedener Hinsicht weist die vierte industrielle Revolution gegenüber den vorherigen eine also neue Qualität auf. Die hervorstechendste ist, dass die bisherigen Umbrüche tiefgreifende gesellschaftliche und soziale Transformationsprozesse erst ausgelöst haben, während die laufende industrielle Revolution von vornherein stark von ganz unterschiedlichen Einflüssen gelenkt wird und eben nicht als rein technologischer Wandel qualifiziert werden kann. Entsprechend tiefgreifend und weitereichend ist der Wandel von Erwerbsarbeit.
Globalisierung und Klimawandel
So treiben die technologischen Fortschritte in Kommunikation, Information und Vernetzung etwa die Globalisierung weiter voran und diese ihrerseits den Strukturwandel von Wirtschaft und Arbeit: Neue Märkte werden erschlossen und internationale Kooperationen ermöglicht, zugleich steigen Wettbewerbs- und Preisdruck und Prozesse wie Organisationsweisen müssen angepasst werden. Hierbei erhält gerade in den Industrieländern inzwischen auch das Bewusstsein für den Klimawandel und die Notwendigkeit, Produkte und Geschäftsformen ökologisch und nachhaltig zu gestalten, eine wachsende Bedeutung: Ressourceneffizienz ist nun nicht mehr in erster Linie eine Frage der Wirtschaftlichkeit, sondern – insbesondere vor dem Hintergrund veränderter Kundenansprüche – auch des Umweltschutzes.
Wertewandel
Ganz grundsätzlich drängt ein allgemeiner Wertewandel etwa seit den 1960er-Jahren den Strukturwandel in eine bestimmte Richtung: hin zu einer Subjektivierung oder Individualisierung von Arbeit, die veränderte Ansprüche, aber auch veränderte Organisationsweisen bedingt: So wünschen sich insbesondere jüngere Arbeitnehmende heute Arbeitsformen, die eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben erlauben, und eine Tätigkeit, in der sie sich selbst verwirklichen können. Insgesamt, das zeigt auch die Studie „Wertewelten Arbeiten 4.0“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) pluralisieren sich Wert- und Idealvorstellungen in Bezug auf die Arbeitswelt, wobei sich die Wertvorstellungen älterer und jüngerer Arbeitnehmender nur unwesentlich voneinander unterscheiden und soziodemografische Faktoren wie Ausbildung oder Einkommen ebenfalls kaum eine Rolle spielen.
Demografischer Wandel
Der demografische Wandel wirkt sich gleichfalls stark auf den Strukturwandel des Arbeitsmarktes und von Arbeit aus: Der allgemein gestiegenen Lebenserwartung steht nach wie vor eine niedrige Geburtenrate gegenüber, die den bereits bestehenden berufsspezifischen Fachkräftemangel in bestimmten Branchen zukünftig weiter verschärfen wird; in einer Qualität, die auch Zuwanderung und die gewachsene internationale Mobilität nicht ausgleichen können und die es deshalb nötig macht, Tätigkeiten und Qualifizierungen anzupassen.
Die moderne Welt als VUCA-Welt
In der Diskussion um den Wandel von Arbeit, Industrie und Lebensführung illustriert seit den 1990er-Jahren das aus dem Amerikanischen stammende Akronym VUCA die Stoßrichtung dieser Einflüsse: Demnach ist die moderne Welt im Wesentlichen charakterisiert durch Volatility (Volatilität, d. h. Flüchtigkeit), Uncertainity (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Ambivalenz); kennzeichnend ist außerdem eine Beschleunigung der Entwicklung, d. h. ein immer schnellerer Wandel etwa von Prozessbedingungen oder Kundenanforderungen. Die Rahmenbedingungen von Wirtschaft, Arbeitsgestaltung und Unternehmensführung sind also die einer VUCA-Welt: Weil hier Perspektiven, Strategien, Organisationsweisen und Prozesse entsprechend angepasst werden müssen, formt VUCA Arbeit 4.0 und Industrie 4.0 energisch und entsprechend. Die Verbreitung digitaler Technologien ist dabei eine direkte Folge und zugleich Motor der Entwicklung: Sie machen – etwa durch neue Kommunikations-, Informations- und Gestaltungswege – Flüchtigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz einerseits handhabbar, andererseits erzeugen und vertiefen sie diese aber auch.
Entscheidend für das Bild von Arbeit 4.0 ist Wechselseitigkeit der Einflüsse. Insgesamt zeigt sich, dass der Einsatz digitaler Technologien Arbeits- und Organisationsformen ermöglicht, die den veränderten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und individuellen Anforderungen entsprechen. So treiben die gezeigten Einflüsse die Digitalisierung weiter voran, die ihrerseits – ausgehend von den Möglichkeiten, die sie schafft – neue Anforderungen und Ansprüche anregt. Jede Auseinandersetzung mit Industrie 4.0 und Arbeit 4.0 hat also auch die gesellschaftlichen und insbesondere die sozialen Bedingungen, unter denen sich der Wandel vollzieht und die er kreiert, einzubeziehen. Ganz besonders auch, um soziale Verwerfungen oder ökologische Schäden, wie sie infolge der früheren industriellen Revolutionen auftraten, abzuwenden. Die Kennzeichen von Industrie 4.0
Begrifflich wurde das beschriebene Zukunftsprojekt einer Industrie 4.0 im Jahr 2011 auf der Hannover-Messe ausgerufen. Ihr Kernelement und ihre Verwirklichungsperspektive ist es, digitale Technologien in allen Zweigen und Bereichen der Fertigungsindustrie zu integrieren, mit dem Ziel, dass Prozesse so weit wie möglich automatisch oder autonom, d. h. automatisiert ablaufen. Industrie 4.0 ist die Visionen einer intelligenten Fabrik; von Smart Factory, Smart Production, Smart Services und Smart Logistics. Im Unterschied zum Automatisierungsgrad der dritten industriellen Revolution sind hier alle Bereiche, Schnittstellen und Kooperationen eines Unternehmens eingeschlossen – von der Verwaltung über die Produktion und Logistik bis hin zur Prozessabwicklung mit Zulieferern oder Handelspartnern –; darüber hinaus sind diese weit stärker miteinander vernetzt. So sollen vor allem Effizienzsteigerung erreicht und neue Geschäftsmodelle, Wertschöpfungswege und -ketten erschlossen werden, um die sich schnell verändernden Kundenanforderungen zügig und flexibel zu befriedigen und Beschäftigte zu entlasten. Entsprechend betrifft der Paradigmenwechsel die Gestaltung und Organisation der Produktions- und Wertschöpfungsprozesse von Anfang bis Ende; es geht also nicht nur um „technische und technologische Weiterentwicklungen [...], sondern auch um organisatorische und im Endeffekt auch soziale Anpassungen“ angesichts der gezeigten neuen Anforderungen und Ansprüche unter den Bedingungen der VUCA-Welt.
Neue Technologien
Basis dieser Anpassungen sind bestimmte technologische Weiter- und Neuentwicklungen: Wo Prozessoren und Sensoren, Speicher-, Übertragungs- und Steuerungstechnik immer leistungsfähiger werden, lassen sich neue Gestaltungs- und Einsatzmöglichkeiten für Computertechnologie, Software und Robotik erschließen. In der industriellen Fertigung sind insbesondere intelligente, autonome oder semi-autonome cyber-physische Systeme (CPS) relevant: Innerhalb einer Dateninfrastruktur wie dem Internet ermöglichen diese komplexen Systeme die Kommunikation zwischen Informations- und Softwarekomponenten mit mechanischen oder elektrischen Bauteilen, wodurch sich Produktionsprozesse in verschiedener Hinsicht weiter automatisieren und flexibilisieren lassen. Künstliche Intelligenz (KI) und Maschinelles Lernen (Machine Learning), d. h. die Fähigkeit von IT-Systemen, zu lernen und dann selbstständig Probleme zu lösen, ermöglichen zudem die Weiterentwicklung der Robotisierung als wesentlichen Aspekt der digitalisierungsgetriebenen Automatisierung der Industrieproduktion. Auf Basis von Sensorik und KI können sogenannte kollaborative Roboter („Cobots“) in den Fabriken nun direkt mit Menschen zusammenarbeiten, statt räumlich von ihnen getrennt zu sein. Die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) ist insbesondere bei Montage-Anwendungen ein wesentlicher Teil von Industrie 4.0. Die Planung und der Einsatz dieser Roboter oder anderer Produktionsanlagen werden durch Augmented Reality, d. h. durch Technologien, die computergestützt die Darstellung einer erweiterten Realität und eine Voransicht der anvisierten Umsetzung in dieser ermöglichen, wesentlich vereinfacht. Die Möglichkeiten des 3D-Drucks flexibilisieren Produktion und Produkte zusätzlich: Unternehmen können etwa kurzfristig Bau- und Ersatzteile oder Prototypen, die sie bislang über Zulieferer beziehen mussten, selbst fertigen. Auch die logistische Prozessen einzelner oder mehrerer Unternehmen untereinander werden hin zu Logistik 4.0 oder Smart Logistics automatisiert, d. h. flexibel und bedarfsorientiert gesteuert: Etwa durch das Konzept der adaptiven Logistik lassen sich Lieferketten synchronisieren und Mitarbeitende durch den Einsatz autonomer Fahrzeuge entlasten.
Neue Geschäftsmodelle
Ein intern wie extern hoher Vernetzungsgrad kennzeichnet alle Geschäftsbereiche in der Industrie 4.0: An Bedeutung gewinnen so unternehmens- und branchenübergreifende Kooperationen und Netzwerke, d. h. auch spezialisierte Zulieferer oder Dienstleister; Prozesse lassen sich zunehmend und standortunabhängig koordinieren und steuern. Die einzelne Fabrik steht nicht mehr Zentrum der Wertschöpfung; sie ist eher Systemhaus oder Plattform. Ihre Vernetzung ermöglicht neue oder weiterentwickelte digitale und datenbasierte Geschäftsmodelle: Die sogenannten Smart Services ergänzen oder erweitern Produkte zugunsten von Leistung, Lebensdauer, Kundenerlebnis und Kundenbindung.
Noch ist die Smart Factory eine Zukunftsvision und die Realisierung von Industrie 4.0 steht noch ganz am Anfang: In der Praxis finden sich einzelne Umsetzungen, die die technologischen Möglichkeiten aber längst nicht annähernd ausschöpfen und noch eher als Pilotprojekte oder Machbarkeitsstudien qualifiziert werden müssen. Dennoch darf die Bedeutung des gezeigten industriellen Paradigmenwechsels für das Bild und die Organisation von Erwerbsarbeit nicht unterschätzt werden; das gilt für die Zukunft genauso wie für die Gegenwart und weit über die Grenzen von Industriearbeit hinaus.
Mit Digitalisierung, Automatisierung, Robotisierung zu Arbeit 4.0
Insgesamt beschleunigen Digitalisierung, Automatisierung und Robotisierung einander wechselseitig; zugleich und infolgedessen wirken sich die Veränderungen der industriellen Produktion auch alle anderen Branchen und Bereiche aus. Die Basis digitaler Technologien und Anwendungen sind Daten; genauso werden die Technologien benötigt, um Big Data, d. h. das enorme Aufkommen und die Komplexität der Daten, überhaupt bewältigen zu können. Die Digitalisierung schafft also die informations- und kommunikationstechnische Infrastruktur für Automatisierung und Robotisierung wie für Wertschöpfungsnetze, Geschäftsmodelle und Arbeitsformen, und formt so Wertschöpfung, Arbeit und Beschäftigung grundlegend um:
QuellentextWenke Apt und Steffen Wischmann
Im Zuge der Digitalisierung lassen sich aktuell zwei technologische Trends erkennen. Algorithmen, Maschinen, Roboter, IT-Systeme werden einerseits immer intelligenter, autonomer und universeller einsetzbar. Anderseits lassen sich viele hochkomplexe technische Systeme immer leichter bedienen. Aus diesen beiden Entwicklungen ergibt sich das bisher nie dagewesene Potenzial, Arbeit völlig neu zu gestalten.
Apt, Wenke; Wischmann, Steffen (2017): Neue Gestaltungsmöglichkeiten für die Arbeitswelt. S. 109.
Die Kennzeichen von Arbeit 4.0
Was Arbeit heute und in Zukunft bestimmt, ist also vor allem das Zusammenspiel der gezeigten Einflüsse und Möglichkeiten, die insbesondere die Digitalisierung eröffnet; hinzu kommen die gleichsam mit ihr verbundenen Herausforderungen. Diese lassen sich im Sprechen von einer Arbeit 4.0 abbilden: Im Unterschied zum Konzept New Work, das auf den österreichisch-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurückgeht, ist Arbeit 4.0 kein wertegeleitetes, gestaltungsgerichtetes Muster von und für Erwerbsarbeit, sondern vielmehr ein so geräumiger wie kennzeichnender Sammelbegriff, vor dem sich die vielfältigen Elemente und Einflüsse der laufenden, aber noch offenen Transformation von Arbeit und deren Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft diskutieren lassen.
Es zeigt sich, dass dort, wo digitale Technologien Produktions-, Informations- oder Kommunikationsprozesse und Geschäftsmodelle verändern, Beschäftigung und Beschäftigte durchweg stark betroffen sind; positiv wie negativ: Während einerseits Effizienz- und Produktivitätssteigerung, Zeitersparnis, Entlastung und örtliche wie zeitliche Flexibilisierung möglich sind, entwickeln sich andererseits prekäre Beschäftigungsformen und zusätzliche Belastungen für Beschäftigte, etwa durch mobiles Arbeiten und ständige Erreichbarkeit. Wie und in welcher Form sich insbesondere der technische Fortschritt auf Arbeit auswirkt, ist gegenwärtig noch sehr unterschiedlich: Je nach Branche, Geschäftsfeld, Ausrichtung, Größe, Etablierung oder Standort eines Unternehmens spielen die neuen Organisations- und Aneignungsweisen von Arbeit ein mehr oder weniger große Rolle. Gegenwärtig noch ausschlaggebend hierfür ist im Wesentlichen die erreichte oder mögliche digitale Durchdringung eines Unternehmens oder eine Branche. Verschiedene Erhebungen zeigen, dass digitale Technologien im Arbeitsalltag der meisten Menschen inzwischen eine große und weiter wachsende Rolle spielen:
QuellentextBundesministerium für Arbeit und Soziales
Nahezu jede Form der Erwerbsarbeit in Deutschland wird heute von informations- und kommunikationstechnischen Arbeitsmitteln begleitet. Ein Großteil der Innovationen, aber auch der Veränderungsprozesse in den Unternehmen, wird heute durch die Digitalisierung getrieben.
Externer Link: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS; Hg.) (2016): Wertewelten Arbeiten 4.0. März 2016. Berlin.
Wo daneben oder angrenzend an die Digitalisierung auch andere Einflüsse, neue Anforderungen und Ansprüche den Wandel treiben und wir es außerdem mit einer gesellschaftlichen und dann politisch gestalteten Transformation zu tun haben, lassen sich die allgemeinen und zum Teil ambivalenten Kennzeichen der sogenannten Arbeit 4.0 identifizieren.
Flexibel, vernetzt und individualisiert
So, wie die Digitalisierung alte Geschäftsmodelle verändert und neue ermöglicht, wandeln sich mit ihr auch Tätigkeiten und Beschäftigungsformen. Mit der Technisierung entstehen – um diese beherrschen, nutzen und weiterentwickeln zu können – neue Tätigkeitsfelder und Berufe. Richtunggebend ist außerdem der Wunsch von Unternehmen wie von Arbeitnehmenden nach Flexibilität. Hinzu kommt eine wachsende Zahl von Personen, die ihren Lebensunterhalt als Solo-Selbstständige oder sogenannte Crowd- oder Clickworker bestreiten; die also für verschiedene Unternehmen zumeist über das Internet vermittelte, kleine oder kleinste (Teil-)Projekte oder Aufträge erledigen. Entsprechend verlieren Hierarchien und starre Arbeitszeitmodelle an Bedeutung; unternehmerische Entscheidungen werden weniger von oben nach unten als vielmehr unter Einbeziehung aller Beteiligten getroffen. Führung wandelt sich hin zu einem Digital Leadership, das digitale Kompetenz, Agilität, Flexibilität, Offenheit, Partizipation, Mitarbeiter- und Kundenorientierung und Vernetzung ins Zentrum des Führungs- und Unternehmenshandelns stellt. Insgesamt folgt die Arbeitsorganisation zunehmend diesen Prinzipien; einerseits als inzwischen wirtschaftliche Notwendigkeit im Wettbewerb am Markt und um qualifizierte Fachkräfte, andererseits, weil die digitalen Technologien eine flexible und bedürfnisorientierte Arbeitsorganisation ermöglichen und immer mehr Beschäftigte diese auch einfordern. In vielen Unternehmen und Branchen ist der Computer inzwischen das wichtigste Arbeitsmittel, hinzu kommen das Smartphone und andere mobile Tools oder digitale und mobile Tools, die Arbeit und Arbeitende nicht mehr an einen bestimmten Ort binden. Homeoffice oder Coworking Spaces ergänzen oder ersetzen inzwischen vielerorts den klassischen Büroarbeitsplatz. In immer mehr Unternehmen setzt sich eine Ergebnis- gegenüber einer Präsenzkultur durch. Im Entstehen neuen Führungs- und Organisationskulturen und der Ausweitung von Telearbeit und organisationsübergreifender Vernetzung wandeln sich auch Arbeitsbeziehungen und Kommunikationsformen grundlegend; insbesondere als Folge der Robotisierung dringen Maschinen immer weiter in den Kooperationszusammenhang Arbeit ein. Grundsätzlich gewinnen Kommunikation und interdisziplinäre Zusammenarbeit an Bedeutung. Maschinen oder Computer übernehmen immer öfter einfache, eintönige oder stark routinierte Tätigkeiten, dafür werden andere Aufgaben komplexer und Stellenbeschreibungen sind entsprechend flexibler. Gefragt sind andere Kompetenzen als bislang; etwa im Umgang mit und zum Verständnis der digitalen Technologien, aber auch solche, die Künstliche Intelligenz oder Maschinen nicht ersetzen können. Mithin und mit der Notwendigkeit, im beschleunigten, inhaltlich kaum vorhersehbaren Wandel schrittzuhalten, wächst für Unternehmen wie für Arbeitnehmende die Bedeutung von Qualifizierung. Sie gilt gesamtgesellschaftliche als Schlüssel für die erfolgreiche Bewältigung des digitalen Wandels.
Menschlich, ambivalent und gestaltungsbedürftig
„Am Ende wird der Mensch im Unternehmen ,den Unterschied machen‘ und nicht die technische Ausstattung.“ (Jacobs et al. 2018, S. 25)
Wenngleich der laufende Wandel von Arbeit und Produktion in erster Linie technologiegetrieben ist, rückt der Mensch mit ihm in verschiedener Hinsicht ins Zentrum: Stärker denn je sind genuin menschliche und individuelle Kompetenzen gefragt und das Bewusstsein, der Anspruch und die Möglichkeiten vorhanden, Arbeit flexibel nach den Erfordernissen der Beschäftigten zu gestalten. Auf der anderen Seite dieser Möglichkeiten dringt Arbeit stark in deren Privatleben vor und stellt in einer ganz neuen Qualität und von verschiedener Seite Anforderungen an Beschäftigte. Der Wandel von Wirtschaft und Arbeit ist Teil und zugleich Motor eines umfassendes gesellschaftlichen Wandels, den wir – eingedenk der vielfachen Einflüsse und unterschiedlichen Herausforderungen – entsprechend als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzunehmen und zu gestalten haben.
Facharbeiter in einer vernetzten und digitalisierten Autofabrik im September 2020. (© picture-alliance)
Im Zuge der Digitalisierung lassen sich aktuell zwei technologische Trends erkennen. Algorithmen, Maschinen, Roboter, IT-Systeme werden einerseits immer intelligenter, autonomer und universeller einsetzbar. Anderseits lassen sich viele hochkomplexe technische Systeme immer leichter bedienen. Aus diesen beiden Entwicklungen ergibt sich das bisher nie dagewesene Potenzial, Arbeit völlig neu zu gestalten.
Apt, Wenke; Wischmann, Steffen (2017): Neue Gestaltungsmöglichkeiten für die Arbeitswelt. S. 109.
Nahezu jede Form der Erwerbsarbeit in Deutschland wird heute von informations- und kommunikationstechnischen Arbeitsmitteln begleitet. Ein Großteil der Innovationen, aber auch der Veränderungsprozesse in den Unternehmen, wird heute durch die Digitalisierung getrieben.
Externer Link: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS; Hg.) (2016): Wertewelten Arbeiten 4.0. März 2016. Berlin.
Quellen / Literatur
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| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-01-12T00:00:00 | 2020-09-21T00:00:00 | 2022-01-12T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/arbeit/arbeitsmarktpolitik/315869/technischer-fortschritt-und-industrie-4-0/ | Digitalisierung, Robotisierung und Automatisierung wirken sich vielfach auf den Arbeitsmarkt und den Arbeitsbegriff an sich aus. Industrie 4.0 beschreibt dabei die vierte industrielle Revolution. | [
"Digitalisierung",
"Arbeit",
"Automatisierung",
"Cobots",
"Smart Logistics",
"Smart Factory",
"Smart Production",
"Smart Services"
] | 151 |
Redaktion | Sinti und Roma in Europa | bpb.de | Herausgeber
Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Bonn © 2014 Verantwortlich gemäß § 55 RStV: Thorsten Schilling
Redaktion
Caroline Seige (bpb), Externer Link: Tobias Asmuth
Autoren
Danja Antonovic, Tobias Asmuth, Daniel Bax, Klaus-Michael Bogdal, Ariane Breyer, Markus End, Norbert Mappes-Niediek, André Jeno Raatzsch, Peter Riesbeck, Udo Engbring-Romang, Frank Sparing, Romy Strassenburg
Illustrationen und Gestaltung der Europakarte
Externer Link: Paula Bulling
Videoproduktion
Produktion: 01.2014, Externer Link: Christian Frey (Produktion und Konzeption) Redaktion: Caroline Seige, Tobias Asmuth Kamera: Christian Frey, Jan Schäfer Schnitt: Christian Frey Ton: Jan Schäfer Weitere: Tobias Asmuth (Interview)
Umsetzung
Externer Link: 3pc – Neue Kommunikation | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-12-14T00:00:00 | 2014-03-19T00:00:00 | 2021-12-14T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/europa/sinti-und-roma-in-europa/180961/redaktion/ | Hier finden Sie die angaben zur Redaktion zum Dossier "Sinti und Roma in Europa". | [
"Redaktion"
] | 152 |
Tierleistungen und Tierprodukte | Bioethik | bpb.de | Menschen und Tiere leben seit „Menschengedenken“ in unterschiedlichen Beziehungsgefügen zusammen: Tieren sind Haustiere, Begleiter, Nutztiere usw. Doch diese Rollen haben selbstverständlich vielfältige Ausprägungen, denn ein Hund als Haustier ist zugleich der Freund des Menschen, Spielgefährte der Kinder usw. Er kann aber auch (oder zusätzlich) Rettungs-, Hüte-, Spür-, Jagd-, Such- oder Wachhund sein. So kennen wir eine Vielfalt an Aufgaben für unsere tierlichen Begleiter, die aus ihren jeweiligen Fähigkeiten resultieren (Brieftauben, Jagdfalken etc.). Wir nutzen ihre Produkte, respektive ihre Körperlichkeit als Quelle für Ressourcen (Nahrung, Kleidung, Medizin, Werkzeuge, Transplantationen.
Für die Forschung bieten uns Beobachtungen von Tieren in Natur oder Untersuchungen und Versuche im Labor wichtigen Aufschluss, für unser Selbstverständnis, aber auch für das der Tiere bzw. Durch die Forschung erreichen wir Fortschritte in Medizin, Verhaltensforschung, Kognitionswissenschaft, aber auch in gesundheitlicher, kosmetischer oder wirtschaftlicher Hinsicht. Ein großer Teil der sog. Tiere verbrauchenden Forschung und Ausbildung konnte bspw. in den vergangenen Jahrzehnten der Genforschung zugerechnet werden. Hier geht es um Grundlagenforschung für neue Verfahren der Gentherapie. Für alle Formen der Tierversuche oder der Eingriffe in das Erbgut müssen mittlerweile Genehmigungen bei Tierschutzkommissionen beantragt werden. Trotzdem sind die Grenzen von sinnvollen oder aussichtslosen bis hin zu überflüssigen Versuchen nicht immer ganz deutlich auszumachen. Insgesamt gilt daher die 3-R-Regelung, nach der geprüft werden soll, ob die geplante Tiernutzungen ersetzt (replace), reduziert (reduce) und in Hinsicht auf das Leiden verbessert werden könnten (refine). Damit kann eine ethische Überlegung in sämtliche Bereiche der Tiernutzung – insbes. in den Bereich der Tierversuche – aufgenommen werden.
Einschätzungen von Einzelprojekten müssen selbstverständlich von Spezialisten durchgeführt werden, so beim Test von Lebensmittelzusätzen oder Medikamenten sowie beim Einsatz neuer technischer Apparaturen bzw. medizinischer Prozesse (Hirnsonden, Chemotherapien, Bestrahlungen, Abgasuntersuchungen...). Auch zu der Frage, ob die Ergebnisse überhaupt auf Reaktionen menschlicher Probanden übertragen werden sollen, wird nach wie vor stark diskutiert – wären vereinzelt vielleicht Humanexperimente vertretbar? Außerdem muss in Einzelfällen abgewogen werden, ob Tierwohl geopfert werden darf, um in einzelnen Bereichen von Wissenschaft und Medizin neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Solche Abwägungen sind auch die Grundlage für ethische Stellungnahmen im Bereich der Unterhaltung und Bildung: Darf das Tierwohl gegen die Freude von Zuschauern in Zirkus oder Zoo aufgerechnet werden? Hat das Tier selbst Spaß oder wird es zu bestimmten Darstellungen gezwungen?
Rituelle und gesellschaftlich akzeptierte Tiernutzungen (bspw. Stierkampf) werden aus Sicht von Tierrechtlern kritisch hinterfragt, erhalten jedoch oft einen Sonderstatus als kulturell tradierte Praktiken – so wurde in Deutschland lange über das „Schächten“ diskutiert, bevor ein Verbot bzw. eine Einschränkung auf besondere religiöse Vorschriften beschlossen wurde. Bei der Debatte über das Töten von Tieren und über die Nutzung/Ausbeutung in Bezug auf ihr Fleisch, ihre Haut, Knochen, Sehnen oder auf ihre Produkte (Milch, Eier, Wolle…) darf eines nicht vergessen werden: Tierhaltung und Tiertransport sollten in der Debatte an erster Stelle stehen. Denn es sind die Haltungsbedingungen, die letztlich darüber entscheiden, ob ein Tier über lange Zeit hinweg ein freudvolles oder leidvolles Leben verbringen durfte.
Ein plötzlicher und garantiert schmerzloser Tod nach einem langen und erfüllten Leben ist also nicht der eigentliche Streitpunkt in der Tierethik. Der Transport sowie der halb-mechanisierte Weg durch die Tötungsstraße großer Schlachtanlagen führen zu erheblichem Stress und Todesangst. Qualitative Momente und quantitative Bedingungen des Lebens eines Tiers hängen also offensichtlich direkt miteinander zusammen: Dass die Herstellung von Fleisch- sowie von sekundären Tierprodukten wie Milch, Eier etc. derzeit nur in großen Mengen und unter Einhaltung lediglich von Mindeststandards in der Haltung für die Landwirte rentabel ist, führt für die tierlichen Individuen millionenfach zu grausamen Lebensbedingungen als eine Ware in einer standardisierten Massenabfertigung. Da von allen Beteiligten seit Jahren auf diese Missstände reagiert wurde, lässt sich eine Tendenz feststellen, die Rahmenbedingungen zu verbessern, z.B. durch mehr Kontrolle.
Hier spielt auch das Individuum eine Rolle. Welche Bedürfnisse und Interessen habe ich? Wie beeinflussen sie die Haltung und Schlachtung von Tieren? Welche Bedürfnisse und Interessen haben die Beschäftigten und ihre Familien in der Landwirtschaft? Jagt jemand aus Spaß oder aus Gründen der Hege und Pflege des Wildbestands (Jagd kann als Freizeitsport oder als „therapeutische“ Regulation des Wildbestandes praktiziert werden)? Aus Sicht der Ethik darf es keinen Unterschied in Fragen des Tierwohls machen, ob ein Tier zu einem vorbestimmten Zweck gezüchtet wurde oder nicht. Es gilt daher, die Verhältnisse sachlich aufzuarbeiten, eine breite Debatte zu führen und neue Perspektiven zu gewinnen, um Vorurteilen entgegenzuwirken. So kann auch die Vielfalt an Perspektiven adäquat in die Entwicklung der Tiernutzung des 21. Jahrhunderts aufgenommen werden, um auf diesem Weg politische Rahmenbedingungen zu gestalten. | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2023-08-02T00:00:00 | 2022-08-18T00:00:00 | 2023-08-02T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/umwelt/bioethik/512041/tierleistungen-und-tierprodukte/ | Menschen nutzen andere Lebewesen als Ressourcen und Lieferanten bestimmter Leistungen und Produkte. Dabei folgen sie meistens einer eigenen Logik – und sehr oft vor allem wirtschaftlichen Zwecken. | [
"Bioethik",
"Tierrechte",
"Tierethik",
"Tiernutzung"
] | 153 |
Neue Regierung in Brasilien | Deine tägliche Dosis Politik | bpb.de | 🦥🦜 Bom dia!
Deutschland möchte mit Brasiliens neuer Regierung zum Schutz des Regenwaldes zusammenarbeiten. Was bedeutet das?
🇧🇷 Neue Regierung in Brasilien
Seit dem 1.1.2023 ist Luiz Inácio Lula da Silva Brasiliens neuer Präsident. Mit dem Regierungswechsel verbinden sich auch Hoffnungen auf mehr Natur- und Klimaschutz. Lula hat das Ziel ausgerufen, die Regenwald-Abholzung bis 2030 zu beenden. Umweltministerin Marina Silva ist Naturschützerin. Von 2003 bis 2008 bewirkte sie im gleichen Amt, dass die Rodung im Amazonas-Regenwald stark zurückging. Bundespräsident Steinmeier (SPD) und Umweltministerin Lemke (Grüne) sind diese Woche im Amazonas-Gebiet. D. will Brasilien unterstützen und u.a. die Mittel für den weltweiten Schutz der Wälder auf 2 Mrd. Euro verdoppeln.
🌳🌴🐍 "Grüne Lunge" – der Amazonas
Der Amazonas erstreckt sich über 9 Staaten Südamerikas. Mit einer Fläche von 7 Mio. km2 ist er der größte Regenwald der Welt und Heimat für 10% aller Arten weltweit. Er kann große Mengen CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen, weshalb er zu den wichtigsten Klimaregulatoren der Erde zählt. Nicht nur die Tier- und Pflanzenwelt, sondern auch über 300 indigene Gemeinschaften sind durch die Abholzung des Regenwaldes in Gefahr.
🔍 Aktuelle Situation
Unter Lulas Amtsvorgänger Bolsonaro (2019-22) war die Abholzung zu kommerziellen Zwecken erleichtert worden. Um 45.586 km² ist der Regenwald in dieser Zeit geschrumpft – fast die Größe Niedersachsens. Ein Schutzprogramm ist der 2008 gegründete Amazonas-Fonds, durch den der Stopp von Entwaldung entlohnt wird. D. hat hierfür nun wieder 35 Mio. Euro freigegeben. Die Bundesregierung bezeichnete Lulas Signale als "ermutigend". Allerdings werden laut Wissenschaftler/-innen erst die kommenden Jahre bis Jahrzehnte zeigen, ob dies tatsächlich einen Wendepunkt für den Regenwald darstellt.
➡️ Mehr zum Verhältnis von Klimaschutz und biologischer Vielfalt findest du unter Externer Link: https://kurz.bpb.de/dtdp1849
Viele Grüße deine bpb Social Media Redaktion | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2023-01-31T00:00:00 | 2023-01-04T00:00:00 | 2023-01-31T00:00:00 | https://www.bpb.de/kurz-knapp/taegliche-dosis-politik/516898/neue-regierung-in-brasilien/ | Deutschland möchte mit Brasiliens neuer Regierung zum Schutz des Regenwaldes zusammenarbeiten. Was bedeutet das? | [
"Deine tägliche Dosis Politik",
"Brasilien",
"Amazonas",
"Naturschutz"
] | 154 |
Glossar | Digitalisierung | bpb.de |
Agenda Setting
das Setzen konkreter Themenschwerpunkte, insbesondere in gesellschaftlichen oder politischen Debatten, und damit Bestimmung dessen, worüber geredet wird
Algorithmus
eine Handlungsvorgabe, um eine Aufgabe zu lösen. Der Algorithmus verarbeitet nach einer bestimmten Vorschrift Daten und liefert dann automatisiert ein Ergebnis.
Anthropomorphismus
Prozess der Vermenschlichung, indem anderen Lebewesen oder Objekten menschliche Eigenschaften zugesprochen werden
Bandbreite
auch Datenübertragungsrate; die digitale Datenmenge, die innerhalb einer Zeitspanne (zumeist eine Sekunde) über einen Übertragungskanal (Kabel oder Funk) übertragen wird bzw. werden kann
Big Data
große Datenmenge; zudem auch Sammelbegriff für Ansätze, um große Datenmengen auszuwerten und um Muster sowie Gesetzmäßigkeiten in diesen Daten zu entdecken
binär
Eigenschaft eines Zahlensystems, bei dem nur zwei Ziffern für die Darstellung von Zahlen verwendet werden. Diese Ziffern sind in der Darstellung üblicherweise 0 und 1.
Black-Hat-Hackerin /-Hacker
eine Person, die ihre Fähigkeiten im Hacken von Datensystemen für illegale oder ethisch verwerfliche Zwecke einsetzt, zum Beispiel um Sicherheitslücken aufzuspüren und so die Software für kriminelle Tätigkeiten auszunutzen
Bring your own Device (BYOD)
bezeichnet den Ansatz, bei dem Lernende ihre eigenen mobilen Endgeräte an Bildungsorte mitbringen, um sie dort zu nutzen
Chatbot
technisches System, das textbasiert mit Menschen in Dialog treten kann. Algorithmen bestimmen, welche Antworten ein Chatbot auf welche Fragen gibt.
Client-Server-Kommunikation
Form der elektronischen Kommunikation, bei der Computer (Clients) von einem zentralen Computer (Server) Dienste und Informationen anfordern. Der Server kommuniziert dabei zumeist mit mehreren Clients und hat eine zentrale Position in einem Netzwerk.
Cloud
IT-Infrastruktur, bei der verschiedene Geräte und Anwendungen, wie Speicherplatz oder Rechenleistung, über das Internet verfügbar gemacht werden
Crowdworkerinnen/-worker
selbstständig Beschäftigte, die über das Internet an Aufgaben mitarbeiten, die traditionell unternehmens- oder organisationsintern bearbeitet werden, zum Beispiel Kategorisierung von Materialien
Cyberkrieg
kriegerische Auseinandersetzung, die zwischen Staaten mit Mitteln der Informationstechnik oder um Mittel der Informationstechnik geführt wird
Cyberkriminalität
Straftaten, die mittels Computern oder in Computersystemen begangen werden
Cybersicherheit
auch Informationssicherheit; Eigenschaften von IT-Systemen, die ihre Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität sicherstellen sollen, aber auch die Beschäftigung damit
Cyberspionage
das Ausspähen von Daten in fremden Computersystemen mittels Hacks; wird oft von Staaten gegen andere Staaten begangen
Darknet
nicht-indizierter Teil des Internets, der deshalb nicht über herkömmliche Suchmaschinen gefunden werden kann
Datenhoheit
Personen, deren Daten erhoben, verarbeitet und gespeichert werden, wissen, welche Daten über sie, wo und wie gespeichert sind.
digital divide
auch digitale Kluft; bestehende Unterschiede des Zugangs zu Informationstechnologien verschiedener Bevölkerungsgruppen oder auch Volkswirtschaften aufgrund sozioökonomischer Faktoren
digital literacy / Medien- und Digitalkompetenz
Fähigkeit, digitale Technologien, Medien und ihre Inhalte sachkundig und reflektiert zu nutzen und einzusetzen
DDoS-Attacke
Cyberangriff, der dadurch ausgeführt wird, dass eine Vielzahl an Computern über das Internet Anfragen an ein Zielsystem schickt und es so zur Überlastung bringt
Doxing
das internetbasierte Sammeln und Veröffentlichen persönlicher, mitunter intimer Informationen
E-Government
Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in öffentlichen Institutionen
Feed
Technik zur einfachen und strukturierten, oft listenförmigen Darstellung von Veränderungen und Aktualisierungen auf Websites
Filterblase
auch Filterbubble; Konzept, wonach algorithmenbasierte Anwendungen, wie Nachrichtenaggregatoren oder soziale Netzwerke, Informationen so stark nach deren jeweiliger Relevanz für den Nutzer bzw. die Nutzerin filtern, dass Informations- und Meinungsvielfalt reduziert wird
Gig-Economy
Bereich des Arbeitsmarktes, bei dem zumeist kleine Aufträge kurzfristig an Selbstständige vergeben werden
Hack / Hacking
Finden und Ausnutzen von Schwächen in Soft- und Hardware, um in diese einzudringen und sie ggf. zu manipulieren
Hackathon
leitet sich vom Begriff Hack im Sinne einer Problemlösung ab und bezeichnet ein Vorgehen, bei dem Engagierte für einen begrenzten Zeitraum gemeinsam an Innovationen arbeiten, die einer bestimmten vorab definierten Herausforderung begegnen
Hackerin / Hacker
ursprünglich "Tüftlerin" bzw. "Tüftler"; bezeichnet heute Computerexpertinnen und -experten, die in der Lage sind, Schwächen in Soft- und Hardware aufzuspüren und auszunutzen
Hardware
Sammelbegriff für alle physischen Komponenten eines datenverarbeitenden Systems. Die Hardware führt dabei die Software aus.
Hassrede, Online-Hassrede
auch Hate Speech; sprachlicher Ausdruck des Hasses zur Beleidigung oder Herabsetzung einzelner Personen oder ganzer Personengruppen
Homeschooling
Form der Bildung, bei der Kinder und Jugendliche zu Hause oder auch an anderen Orten außerhalb der Schule unterrichtet werden
HTTP (Hypertext Transfer Protocol)
Protokoll zur Übertragung von Daten im Internet; zumeist verwendet, um Websites in einen Webbrowser zu laden
Hybride Kriegsführung
feindliches Verhalten eines Staates gegenüber einem anderen Staat mit Methoden, die über traditionelle Kriegsführung hinausgehen und insbesondere auf Manipulation des Gegners oder auf Geheimdienstoperationen setzen
Industrie 4.0
verweist auf die vierte Industrielle Revolution und bezeichnet allgemein die weitgehende Automatisierung und Vernetzung der Produktion sowie zentraler Leistungen und Prozesse im Dienstleistungssektor
Influencerin und Influencer
Person, die online über eine hohe Reichweite verfügt und regelmäßig in sozialen Netzwerken veröffentlicht, oftmals zu bestimmten Themen. Ihr wird zugeschrieben, Einfluss auf ihre Zielgruppe in Bezug auf deren Konsumverhalten und Meinungsbildung zu haben.
interaktives Whiteboard
weiße horizontale Oberfläche – ähnlich einer Tafel –, die über Sensoren berührungsempfindlich ist und die direkte Interaktion mit Computersystemen ermöglicht
Intermediäre
auch Vermittler; Bindeglied zwischen zwei verschiedenen Ebenen. Soziale Netzwerke und Suchmaschinen sind beispielsweise Vermittler zwischen Information und Rezipientin oder Rezipient.
Internet der Dinge
auch "Internet of Things"; Sammelbegriff für Technologien, die physische Gegenstände miteinander und mit virtuellen Anwendungen verknüpfen
Internet Governance
im engeren Sinne die Verwaltung der zentralen Ressourcen des Internets und seiner Infrastruktur; im weiteren Sinne jegliche Regulierung, die die Nutzung oder Entwicklung des Internets beeinflusst. Darunter fällt insbesondere die Verwaltung von IP-Adressen sowie des weltweiten Webadressenverzeichnisses Domain Name System (DNS). Hierfür ist die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) verantwortlich.
Internet Protocol (IP)
weit verbreitetes Netzwerkprotokoll, das die Grundlage des Internets darstellt und das Versenden von Datenpaketen lokal und über das Internet ermöglicht. IP-Adressen markieren dabei mögliche Empfängerinnen/Empfänger und Absenderinnen/Absender von Datenpaketen.
Internet Service Provider (ISPs)
auch Internetdienstanbieter; Anbieter von Dienstleistungen oder Technologien, die für die Nutzung oder den Betrieb von Diensten im Internet erforderlich sind
IT-Forensik
Beweissicherung mittels Analyse technischer Merkmale und Spuren in Computersystemen und Netzwerken, zumeist, um sie als Beweismittel in gerichtlichen Verfahren zu verwenden
Kritische Infrastruktur
Infrastrukturen, die für das Funktionieren des staatlichen Gemeinwesens als wesentlich erachtet werden, zum Beispiel das Gesundheitswesen, der öffentliche Nahverkehr, Großbanken oder Telekommunikationsnetze
Künstliche Intelligenz (KI)
Sammelbegriff für wissenschaftliche Zweige, insbesondere in der Informatik, die sich mit der Automatisierung von Prozessen durch lernende Systeme bzw. automatisiertem intelligentem Verhalten beschäftigen; auch Begriff für Systeme, die maschinell lernen oder sich automatisiert intelligent verhalten. Der Begriff ist umstritten, weil "Intelligenz" nicht hinreichend definiert wird.
Malware
schadhafte Software; ein Computerprogramm, das Schwachstellen in anderer Software ausnutzt, um deren Funktionsweise zu manipulieren
Marktortprinzip
Prinzip zur Regelung der Rechtsstellung von Unternehmen. Laut diesem Prinzip müssen sich all diejenigen Unternehmen an die Regularien eines Landes halten, die in dem Markt dieses Landes geschäftlich aktiv sind – auch wenn sie ihren Standort im Ausland haben.
Medienpädagogik
Forschung und pädagogische Praxis, die sich mit Medien und ihren Inhalten beschäftigt
Microtargeting
Prozess zur Schaffung von auf die Vorlieben individueller Nutzerinnen/Nutzer ausgerichteter Werbung, die aus Datensammlungen der Person abgeleitet wurden
MOOC
Abkürzung für Massive Open Online Course (auf deutsch Offener Massen-Online-Kurs); Lehrangebote im Internet, die offen für alle und in den meisten Fällen kostenlos sind
Open Educational Resources
Lern- und Lehrmaterialen, die kostenlos und unter einer freien Lizenz zur Verfügung stehen
PC, Desktop-PC, Personal Computer
(stationärer) Computer für den Einsatz als Arbeitsplatzrechner auf Schreibtischen
Peer-to-Peer (P2P)-Kommunikation
kann mit Kommunikation unter Gleichen übersetzt werden. Bezeichnet in der Informatik die direkte elektronische Kommunikation zwischen zwei Computern, die formal gleichgestellt sind
personenbezogene Daten
Daten, die direkt oder mittelbar einer Person zugeordnet sind und beispielsweise Rückschlüsse auf ihre Eigenschaften zulassen
Phishing
E-Mails oder Websites werden so gefälscht, dass sie aus einer legitimen Quelle zu stammen scheinen.
Picker
Beschäftigte, die in großen Logistikzentren, angeleitet durch digitale Technologien, Waren für den Versand zusammenstellen
Plattformökonomie
Geschäftsmodell, in dessen Zentrum die Online- Plattform als Umschlagsort für Waren und Leistungen steht
Quantified Self
auch Selbstvermessung; erfasst das Vorgehen, mit dafür vorgesehener Hardware und Software ein umfassendes Datenbild der eigenen Person und des eigenen Lebens zu erstellen
Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ)
spezielle Art der Überwachung, die Kommunikation erfasst, zum Beispiel durch Bildschirmfotos, bevor diese verschlüsselt wird oder nachdem diese entschlüsselt wurde
Robotik
Forschungs- und Anwendungsgebiet, bei dem IT-Systeme mit der physischen Welt mechanisch interagieren können
Scoring
Ansatz, der Werte auf Grundlage bestimmter Daten und Modelle berechnet, um eine Bewertung von Personen oder Vorhersagen über zukünftiges Verhalten zu ermöglichen
Server
Rollenbezeichnung eines Computers, der anderen Computern (Clients) Dienste und Informationen auf Anfrage zur Verfügung stellt
Sharing-Economy
Bereich der Wirtschaft, bei dem zumeist über Plattformen eine geteilte Nutzung von ganz oder teilweise ungenutzten Ressourcen ermöglicht wird
Smart Cities
Siedlungsräume, in denen Produkte, Dienstleistungen, Technologien, Prozesse und Infrastrukturen zum Einsatz kommen, die in der Regel durch vernetzte Informations- und Kommunikationstechnologien unterstützt werden
Smart Objects
Objekte, in welche Informationstechnik eingebaut ist und die dadurch über zusätzliche Fähigkeiten verfügen. Smart Objects können insbesondere Daten erfassen, verarbeiten und speichern sowie mit ihrer Umgebung interagieren.
Smartwatches
Uhren, die Körper- und Bewegungsdaten aufzeichnen, auswerten, über diverse Wege darstellen und damit nachvollziehbar machen sowie weitere Anwendungen integrieren, wie Nachrichten empfangen und Telefonate annehmen
Social Bot
(Chat-)Bot, der in sozialen Netzwerken eingesetzt wird, um beispielsweise mit Menschen zu kommunizieren
Social Web
Gesamtmenge an sozialen Netzwerken, Plattformen und Blogs im Internet, auf der sich Personen über ihre Profile miteinander vernetzen und austauschen
Software
Sammelbegriff für alle nicht-physischen (virtuellen) Komponenten eines datenverarbeitenden Systems. Software beschreibt, was ein datenverarbeitendes System tut und wie es Arbeitsschritte durchführt.
Stakeholder
Person oder Gruppe, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf oder Ergebnis eines Prozesses hat, beispielsweise weil die Person oder Gruppe von diesem Prozess betroffen ist
Streaming
gleichzeitige Übertragung und Wiedergabe von Video und Audiodaten über das Internet
Technikdeterminismus
Ansatz der Soziologie, nach dem Technik soziale, politische und kulturelle Anpassungen und Wandel hervorruft
Tracking
Nachverfolgen von Nutzerverhalten im Internet mittels verschiedener Technologien, so wird automatisch registriert und gespeichert, welche Internetseiten für welche Zeitdauer besucht werden
Trojaner
heimlich eingeschleuste Schadsoftware, die das Zielsystem für die Zwecke der Hackerin bzw. des Hackers manipuliert
Überwachungskapitalismus
Wirtschaftsform, bei der nicht mehr länger natürliche Ressourcen oder Lohnarbeit die primären Rohstoffe bilden, sondern "menschliche Erlebnisse", die messbar gemacht werden sollen und damit digital erfasst, gespeichert und ausgewertet werden
Wearables
technische Geräte (Hardware), die am Körper getragen werden und etwa in Kleidung integriert sein können, um Daten über Körperfunktionen, Aktivitäten und Gewohnheiten zu sammeln
Whistleblower
Person, die ihr bekannte, vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit weitergibt, um beispielsweise Missstände wie Korruption aufzudecken
White-Hat-Hackerin/-Hacker
eine Person, die ihre Fähigkeiten im Hacken von Datensystemen für legale und ethisch gute Zwecke einsetzt, beispielsweise um Sicherheitslücken aufzuspüren und diese zu melden, damit sie beseitigt werden können
World Wide Web
über das Internet zugängliches System von Dokumenten, sogenannten Websites, die auf HTML basieren. HTML (Hypertext Markup Language) regelt, wie Informationen im Netz dargestellt werden.
Zivilcourage, digitale
Bereitschaft, sich online aktiv für Menschenrechte und breit geteilte gesellschaftliche Werte einzusetzen
das Setzen konkreter Themenschwerpunkte, insbesondere in gesellschaftlichen oder politischen Debatten, und damit Bestimmung dessen, worüber geredet wird
eine Handlungsvorgabe, um eine Aufgabe zu lösen. Der Algorithmus verarbeitet nach einer bestimmten Vorschrift Daten und liefert dann automatisiert ein Ergebnis.
Prozess der Vermenschlichung, indem anderen Lebewesen oder Objekten menschliche Eigenschaften zugesprochen werden
auch Datenübertragungsrate; die digitale Datenmenge, die innerhalb einer Zeitspanne (zumeist eine Sekunde) über einen Übertragungskanal (Kabel oder Funk) übertragen wird bzw. werden kann
große Datenmenge; zudem auch Sammelbegriff für Ansätze, um große Datenmengen auszuwerten und um Muster sowie Gesetzmäßigkeiten in diesen Daten zu entdecken
Eigenschaft eines Zahlensystems, bei dem nur zwei Ziffern für die Darstellung von Zahlen verwendet werden. Diese Ziffern sind in der Darstellung üblicherweise 0 und 1.
eine Person, die ihre Fähigkeiten im Hacken von Datensystemen für illegale oder ethisch verwerfliche Zwecke einsetzt, zum Beispiel um Sicherheitslücken aufzuspüren und so die Software für kriminelle Tätigkeiten auszunutzen
bezeichnet den Ansatz, bei dem Lernende ihre eigenen mobilen Endgeräte an Bildungsorte mitbringen, um sie dort zu nutzen
technisches System, das textbasiert mit Menschen in Dialog treten kann. Algorithmen bestimmen, welche Antworten ein Chatbot auf welche Fragen gibt.
Form der elektronischen Kommunikation, bei der Computer (Clients) von einem zentralen Computer (Server) Dienste und Informationen anfordern. Der Server kommuniziert dabei zumeist mit mehreren Clients und hat eine zentrale Position in einem Netzwerk.
IT-Infrastruktur, bei der verschiedene Geräte und Anwendungen, wie Speicherplatz oder Rechenleistung, über das Internet verfügbar gemacht werden
selbstständig Beschäftigte, die über das Internet an Aufgaben mitarbeiten, die traditionell unternehmens- oder organisationsintern bearbeitet werden, zum Beispiel Kategorisierung von Materialien
kriegerische Auseinandersetzung, die zwischen Staaten mit Mitteln der Informationstechnik oder um Mittel der Informationstechnik geführt wird
Straftaten, die mittels Computern oder in Computersystemen begangen werden
auch Informationssicherheit; Eigenschaften von IT-Systemen, die ihre Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität sicherstellen sollen, aber auch die Beschäftigung damit
das Ausspähen von Daten in fremden Computersystemen mittels Hacks; wird oft von Staaten gegen andere Staaten begangen
nicht-indizierter Teil des Internets, der deshalb nicht über herkömmliche Suchmaschinen gefunden werden kann
Personen, deren Daten erhoben, verarbeitet und gespeichert werden, wissen, welche Daten über sie, wo und wie gespeichert sind.
auch digitale Kluft; bestehende Unterschiede des Zugangs zu Informationstechnologien verschiedener Bevölkerungsgruppen oder auch Volkswirtschaften aufgrund sozioökonomischer Faktoren
Fähigkeit, digitale Technologien, Medien und ihre Inhalte sachkundig und reflektiert zu nutzen und einzusetzen
Cyberangriff, der dadurch ausgeführt wird, dass eine Vielzahl an Computern über das Internet Anfragen an ein Zielsystem schickt und es so zur Überlastung bringt
das internetbasierte Sammeln und Veröffentlichen persönlicher, mitunter intimer Informationen
Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in öffentlichen Institutionen
Technik zur einfachen und strukturierten, oft listenförmigen Darstellung von Veränderungen und Aktualisierungen auf Websites
auch Filterbubble; Konzept, wonach algorithmenbasierte Anwendungen, wie Nachrichtenaggregatoren oder soziale Netzwerke, Informationen so stark nach deren jeweiliger Relevanz für den Nutzer bzw. die Nutzerin filtern, dass Informations- und Meinungsvielfalt reduziert wird
Bereich des Arbeitsmarktes, bei dem zumeist kleine Aufträge kurzfristig an Selbstständige vergeben werden
Finden und Ausnutzen von Schwächen in Soft- und Hardware, um in diese einzudringen und sie ggf. zu manipulieren
leitet sich vom Begriff Hack im Sinne einer Problemlösung ab und bezeichnet ein Vorgehen, bei dem Engagierte für einen begrenzten Zeitraum gemeinsam an Innovationen arbeiten, die einer bestimmten vorab definierten Herausforderung begegnen
ursprünglich "Tüftlerin" bzw. "Tüftler"; bezeichnet heute Computerexpertinnen und -experten, die in der Lage sind, Schwächen in Soft- und Hardware aufzuspüren und auszunutzen
Sammelbegriff für alle physischen Komponenten eines datenverarbeitenden Systems. Die Hardware führt dabei die Software aus.
auch Hate Speech; sprachlicher Ausdruck des Hasses zur Beleidigung oder Herabsetzung einzelner Personen oder ganzer Personengruppen
Form der Bildung, bei der Kinder und Jugendliche zu Hause oder auch an anderen Orten außerhalb der Schule unterrichtet werden
Protokoll zur Übertragung von Daten im Internet; zumeist verwendet, um Websites in einen Webbrowser zu laden
feindliches Verhalten eines Staates gegenüber einem anderen Staat mit Methoden, die über traditionelle Kriegsführung hinausgehen und insbesondere auf Manipulation des Gegners oder auf Geheimdienstoperationen setzen
verweist auf die vierte Industrielle Revolution und bezeichnet allgemein die weitgehende Automatisierung und Vernetzung der Produktion sowie zentraler Leistungen und Prozesse im Dienstleistungssektor
Person, die online über eine hohe Reichweite verfügt und regelmäßig in sozialen Netzwerken veröffentlicht, oftmals zu bestimmten Themen. Ihr wird zugeschrieben, Einfluss auf ihre Zielgruppe in Bezug auf deren Konsumverhalten und Meinungsbildung zu haben.
weiße horizontale Oberfläche – ähnlich einer Tafel –, die über Sensoren berührungsempfindlich ist und die direkte Interaktion mit Computersystemen ermöglicht
auch Vermittler; Bindeglied zwischen zwei verschiedenen Ebenen. Soziale Netzwerke und Suchmaschinen sind beispielsweise Vermittler zwischen Information und Rezipientin oder Rezipient.
auch "Internet of Things"; Sammelbegriff für Technologien, die physische Gegenstände miteinander und mit virtuellen Anwendungen verknüpfen
im engeren Sinne die Verwaltung der zentralen Ressourcen des Internets und seiner Infrastruktur; im weiteren Sinne jegliche Regulierung, die die Nutzung oder Entwicklung des Internets beeinflusst. Darunter fällt insbesondere die Verwaltung von IP-Adressen sowie des weltweiten Webadressenverzeichnisses Domain Name System (DNS). Hierfür ist die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) verantwortlich.
weit verbreitetes Netzwerkprotokoll, das die Grundlage des Internets darstellt und das Versenden von Datenpaketen lokal und über das Internet ermöglicht. IP-Adressen markieren dabei mögliche Empfängerinnen/Empfänger und Absenderinnen/Absender von Datenpaketen.
auch Internetdienstanbieter; Anbieter von Dienstleistungen oder Technologien, die für die Nutzung oder den Betrieb von Diensten im Internet erforderlich sind
Beweissicherung mittels Analyse technischer Merkmale und Spuren in Computersystemen und Netzwerken, zumeist, um sie als Beweismittel in gerichtlichen Verfahren zu verwenden
Infrastrukturen, die für das Funktionieren des staatlichen Gemeinwesens als wesentlich erachtet werden, zum Beispiel das Gesundheitswesen, der öffentliche Nahverkehr, Großbanken oder Telekommunikationsnetze
Sammelbegriff für wissenschaftliche Zweige, insbesondere in der Informatik, die sich mit der Automatisierung von Prozessen durch lernende Systeme bzw. automatisiertem intelligentem Verhalten beschäftigen; auch Begriff für Systeme, die maschinell lernen oder sich automatisiert intelligent verhalten. Der Begriff ist umstritten, weil "Intelligenz" nicht hinreichend definiert wird.
schadhafte Software; ein Computerprogramm, das Schwachstellen in anderer Software ausnutzt, um deren Funktionsweise zu manipulieren
Prinzip zur Regelung der Rechtsstellung von Unternehmen. Laut diesem Prinzip müssen sich all diejenigen Unternehmen an die Regularien eines Landes halten, die in dem Markt dieses Landes geschäftlich aktiv sind – auch wenn sie ihren Standort im Ausland haben.
Forschung und pädagogische Praxis, die sich mit Medien und ihren Inhalten beschäftigt
Prozess zur Schaffung von auf die Vorlieben individueller Nutzerinnen/Nutzer ausgerichteter Werbung, die aus Datensammlungen der Person abgeleitet wurden
Abkürzung für Massive Open Online Course (auf deutsch Offener Massen-Online-Kurs); Lehrangebote im Internet, die offen für alle und in den meisten Fällen kostenlos sind
Lern- und Lehrmaterialen, die kostenlos und unter einer freien Lizenz zur Verfügung stehen
(stationärer) Computer für den Einsatz als Arbeitsplatzrechner auf Schreibtischen
kann mit Kommunikation unter Gleichen übersetzt werden. Bezeichnet in der Informatik die direkte elektronische Kommunikation zwischen zwei Computern, die formal gleichgestellt sind
Daten, die direkt oder mittelbar einer Person zugeordnet sind und beispielsweise Rückschlüsse auf ihre Eigenschaften zulassen
E-Mails oder Websites werden so gefälscht, dass sie aus einer legitimen Quelle zu stammen scheinen.
Beschäftigte, die in großen Logistikzentren, angeleitet durch digitale Technologien, Waren für den Versand zusammenstellen
Geschäftsmodell, in dessen Zentrum die Online- Plattform als Umschlagsort für Waren und Leistungen steht
auch Selbstvermessung; erfasst das Vorgehen, mit dafür vorgesehener Hardware und Software ein umfassendes Datenbild der eigenen Person und des eigenen Lebens zu erstellen
spezielle Art der Überwachung, die Kommunikation erfasst, zum Beispiel durch Bildschirmfotos, bevor diese verschlüsselt wird oder nachdem diese entschlüsselt wurde
Forschungs- und Anwendungsgebiet, bei dem IT-Systeme mit der physischen Welt mechanisch interagieren können
Ansatz, der Werte auf Grundlage bestimmter Daten und Modelle berechnet, um eine Bewertung von Personen oder Vorhersagen über zukünftiges Verhalten zu ermöglichen
Rollenbezeichnung eines Computers, der anderen Computern (Clients) Dienste und Informationen auf Anfrage zur Verfügung stellt
Bereich der Wirtschaft, bei dem zumeist über Plattformen eine geteilte Nutzung von ganz oder teilweise ungenutzten Ressourcen ermöglicht wird
Siedlungsräume, in denen Produkte, Dienstleistungen, Technologien, Prozesse und Infrastrukturen zum Einsatz kommen, die in der Regel durch vernetzte Informations- und Kommunikationstechnologien unterstützt werden
Objekte, in welche Informationstechnik eingebaut ist und die dadurch über zusätzliche Fähigkeiten verfügen. Smart Objects können insbesondere Daten erfassen, verarbeiten und speichern sowie mit ihrer Umgebung interagieren.
Uhren, die Körper- und Bewegungsdaten aufzeichnen, auswerten, über diverse Wege darstellen und damit nachvollziehbar machen sowie weitere Anwendungen integrieren, wie Nachrichten empfangen und Telefonate annehmen
(Chat-)Bot, der in sozialen Netzwerken eingesetzt wird, um beispielsweise mit Menschen zu kommunizieren
Gesamtmenge an sozialen Netzwerken, Plattformen und Blogs im Internet, auf der sich Personen über ihre Profile miteinander vernetzen und austauschen
Sammelbegriff für alle nicht-physischen (virtuellen) Komponenten eines datenverarbeitenden Systems. Software beschreibt, was ein datenverarbeitendes System tut und wie es Arbeitsschritte durchführt.
Person oder Gruppe, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf oder Ergebnis eines Prozesses hat, beispielsweise weil die Person oder Gruppe von diesem Prozess betroffen ist
gleichzeitige Übertragung und Wiedergabe von Video und Audiodaten über das Internet
Ansatz der Soziologie, nach dem Technik soziale, politische und kulturelle Anpassungen und Wandel hervorruft
Nachverfolgen von Nutzerverhalten im Internet mittels verschiedener Technologien, so wird automatisch registriert und gespeichert, welche Internetseiten für welche Zeitdauer besucht werden
heimlich eingeschleuste Schadsoftware, die das Zielsystem für die Zwecke der Hackerin bzw. des Hackers manipuliert
Wirtschaftsform, bei der nicht mehr länger natürliche Ressourcen oder Lohnarbeit die primären Rohstoffe bilden, sondern "menschliche Erlebnisse", die messbar gemacht werden sollen und damit digital erfasst, gespeichert und ausgewertet werden
technische Geräte (Hardware), die am Körper getragen werden und etwa in Kleidung integriert sein können, um Daten über Körperfunktionen, Aktivitäten und Gewohnheiten zu sammeln
Person, die ihr bekannte, vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit weitergibt, um beispielsweise Missstände wie Korruption aufzudecken
eine Person, die ihre Fähigkeiten im Hacken von Datensystemen für legale und ethisch gute Zwecke einsetzt, beispielsweise um Sicherheitslücken aufzuspüren und diese zu melden, damit sie beseitigt werden können
über das Internet zugängliches System von Dokumenten, sogenannten Websites, die auf HTML basieren. HTML (Hypertext Markup Language) regelt, wie Informationen im Netz dargestellt werden.
Bereitschaft, sich online aktiv für Menschenrechte und breit geteilte gesellschaftliche Werte einzusetzen
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-01-12T00:00:00 | 2020-11-16T00:00:00 | 2022-01-12T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/digitalisierung-344/digitalisierung-344/318924/glossar/ | Auf dieser Seite finden Sie das Glossar zur Ausgabe. | [
"IZPB",
"Digitalisierung"
] | 155 |
"Bei Massenmorden setzte sein Gedächtnis regelmäßig aus": Täter und Netzwerke | Danach – Der Holocaust als Erfahrungsgeschichte 1945 – 1949 | bpb.de |
"Nur ein ganz gewöhnlicher Trawniki"
Das Panel eröffnet Andrej Angrick mit einem Vortrag zur strafrechtlichen Ahndung von NS-Verbrechen durch amerikanische Justizbehörden. Der Historiker verweist auf die besondere Rolle der USA bei der Strafverfolgung. Die Amerikaner verfolgten entgegen der Schwerpunktsetzung bei den Briten und Franzosen in ihren Verfahren vor allem den Aspekt des individuellen Tatbeitrages. Das am 24. November 1953 verabschiedete Bundesgesetz zur "Rechtsstellung der Flüchtlinge" erleichterte die Auslieferung von Nationalsozialismus-Tätern in die jeweiligen Länder bei justiziellem Interesse. Der Historiker kritisiert jedoch die Vorgehensweise der jeweiligen Verfahren durch die Amerikaner und verweist beispielhaft auf den bekannten Fall des Trawniki John (geborenen Iwan) Demjanjuk. Vor allem die sukzessive Öffnung zahlreicher Archive nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ermöglichte den Zugang zu neuem Quellenmaterial, das wiederum zur Strafverfolgung verwendet werden konnte. Im Fall Demjanjuk konnten hier sowohl zugunsten des Angeklagten falsche Informationen korrigiert, jedoch auch die Anklage aufgrund der neuen Beweislage konkretisiert werden. Angrick polemisiert zum Ende seines Vortrages mit der Aussage, dass Demjanjuk nicht Iwan der Schreckliche war, sondern "nur ein ganz gewöhnlicher Trawniki".
"Bei Massenmorden setzte sein Gedächtnis regelmäßig aus"
Wolfram Wette konzentriert sich in seinem Vortrag illustrativ auf zwei "NS-Direkttäter" des Nationalsozialismus. SS-Standartenführer Karl Jäger, "der Mörder der litauischen Juden" und Dr. Dr. Josef Mengele, der sogenannte Todesengel von Auschwitz. Wette zeichnet das Leben der beiden Massenmörder zum Ende des Zweiten Weltkrieges im Mai 1945 nach. Beide waren auf der Flucht, seit sich nach Jahresende 1944 das Schicksal des Dritten Reichs abzeichnete. Jäger tauchte im Gegensatz zu Mengele jedoch nie unter. Wie er nach seiner Festnahme im April 1959 immer wieder betonte, hat er sich unter seinem richtigen Namen polizeilich gemeldet. Wette hob hervor, dass dies nur die halbe Wahrheit war, denn Jäger verschwieg, wie auf seinem Meldebogen nachvollziehbar, jegliche Zugehörigkeit zu SS oder ähnlichen Gruppierungen. Herr Wette bringt den Saal zum Schmunzeln, als er anmerkt, dass "Jäger sich quasi selbst entnazifiziert hatte". Josef Mengele handelte ebenfalls erfinderisch, denn er hatte trotz seiner Mitgliedschaft bei der SS keine Blutgruppen-Tätowierung. Somit entging er nach kurzer Kriegsgefangenschaft einer Identifizierung als gesuchter Täter.
Wette vergleicht in seinem Vortrag das Verhalten der NS-Täter und kommt zu dem Schluss, dass beide Täter einen sozialen Abstieg in Kauf nahmen und sich jeweils als Landarbeiter unsichtbar machten. Auf diese Art und Weise entzogen sich beide der Strafverfolgung (Im Falle Jägers jedoch nur zeitweise). Der Historiker betont, dass in den Westzonen des besetzten Deutschlands selbst "Schwerst-Täter" unbehelligt leben konnten und in einigen Ausnahmefällen sogar durch politische Entscheidungen begünstigt wurden. Wie Hanna Arendt bei ihrem ersten Besuch 1949 nach dem Krieg in Deutschland konstatierte, sei unter den Deutschen, die sich selbst als Opfer des Krieges sahen, eine Bereitschaft zur Aufarbeitung nicht vorhanden. Bis heute, Jahrzehnte später, stoße man immer noch auf Nachwirkungen dieser Haltung, so Wette.
"Schreibtischtäterinnen"
Auf eben jene fehlende Aufarbeitung weist auch Wendy Lower hin. Die Historikerin polarisierte in jüngster Vergangenheit mit ihrer Publikation zu "Hitlers Furies" - in Deutschland unter dem Titel "Hitlers Helferinnen" erschienen. Das Buch konzentriert sich auf die Frauen als selbsttätige Individuen, die bislang als aktive Täterinnen in der Holocaustforschung außer Acht gelassen worden sind. Lowers Forschungsschwerpunkt geht bis ins Jahr 1992 zurück, als sie im Archiv des ukrainischen Schytomyr auf Dokumente stieß, die die Tätigkeit von Frauen an vorderster Frontlinie bewiesen. Frauen, die bislang im Allgemeinen keine Strafverfolgung fürchten mussten, hatten detailreiche Zeugenaussagen abgegeben, die Lower zu der Annahme brachten, dass die Tätigkeit von Frauen im Zweiten Weltkrieg nicht auf eindimensionale Ansätze reduziert werden sollte. "1992 war nur die Spitze des Eisbergs", so Lower und weiter: "Aus einem blinden Fleck wurde langsam eine klaffende Lücke." Von diesem Punkt ausgehend, formulierte die Historikerin die These, dass vor allem seit Eichmann und den Schreibtischtätern auch nach den "Schreibtischtäterinnen" geforscht werden muss. Diese waren oft versteckt hinter Stempeln und Unterschriften, getarnt als Sekretärinnen oder Geliebte von SS-Führern. Lower verweist schlaglichtartig auf den Handlungsspielraum dieser Frauen.
Dem Panel folgt eine angeregte Diskussion, bei dem vor allem der situative Handlungsspielraum multiperspektivisch und durchaus kontrovers diskutiert wird. Außerdem stößt die Rolle von Frauen als handelnde Personen auf große Resonanz.
Alle Vorträge samt anschließender Diskussion im Video:
Interner Link: Vortragstranskript Wolfram Wette | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2015-01-25T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/veranstaltungen/reihen/konferenz-holocaustforschung/konferenz-holocaustforschung/199750/bei-massenmorden-setzte-sein-gedaechtnis-regelmaessig-aus-taeter-und-netzwerke/ | Das letzte Panel des ersten Konferenztages trug den Titel "Täter und Netzwerke". Die drei Referenten sind ausgewiesene Experten der modernen Täterforschung und beschäftigen sich unter anderem mit der Frage nach dem Einfluss der "situativen Handlungsd | [
"Täterforschung",
"situative Handlungsdynamik",
"Massenmord",
"Auslieferung",
"Karl Jäger",
"Josef Mengele",
"Schreibtischtäterinnen"
] | 156 |
Quality Assurance in terms of Education for Democratic Citizenship | NECE - Networking European Citizenship Education | bpb.de | Background
NECE – Networking European Citizenship Education
Together with networks, universities and educational organisations from five European countries, the German Federal Agency for Civic Education organised the first NECE conference in Santiago de Compostela in September 2004. During the conference the topic of quality assurance has been identified as a crucial item in the recent discussion about EDC. The conclusions of the Viennese workshop will be integrated into the European Conference EYCE 2005: National Experiences – European Challenges (Berlin, 2-4 December 2005).
EYCE 2005 and the Council of Europe´s EDC project
In October 1997 the Council of Europe launched the project "Education for Democratic Citizenship" (1997-2004). Its aim was to develop and promote practices and activities for fostering democratic culture by enabling young people and adults for better participation and active citizenship. Since then, the CoE has provided a forum of discussion between EDC experts and practitioners from all over Europe, who defined concepts, developed strategies and collected good practices on EDC. On the basis of their findings and recommendations the Council of Europe has set policy standards in the field of EDC and advocated their implementation by member States.
Nevertheless a compliance gap between rather well developed EDC policies and significantly weak EDC practices in schools has been identified in various countries. As a response to this compliance gap and to the growing interest in quality assurance issues in education, a Tool for Quality Assurance of Education for Democratic Citizenship in Schools was prepared in November 2004, on the eve of the "European Year of Citizenship through Education" which will conclude the second phase of the EDC project.
Objectives / key issues of the workshop
exchange experiences, share achievements and discuss challenges concerning school development, quality assurance and standards in EDC in formal and non-formal educationpresentation and discussion of the Tool for Quality Assurance of Education for Democratic Citizenship in Schools and the method of participatory evaluationdraw conclusions from the presented toolsgeneral exchange about challenges and backdraws of quality assurancestimulate a broader process for promoting quality assurance in EDC and developing relevant quality standards and toolsprovide the opportunity to discuss common concerns on EDC on an international level
Reports
Interner Link: Report by Viola Georgi - minutes and evaluation (PDF-Version: 67 KB)Interner Link: Report by Susan Colquhoun - participant (PDF-Version: 53 KB)
Programme Friday, 14 October 2005 Sigrid Steininger / Petra Grüne: Welcome Address and Introduction
FORUM "Quality Assurance and Evaluation Process" (Presentations and Discussion)
Interner Link: Florian Wenzel: Participatory Evaluation of Civic Education (PDF-Version: 222 KB)Interner Link: Anja Besand: Quality Assurance, Quality Standards, Evaluation of EDC – drawbacks and Opportunities (PDF-Version: 337 KB)Interner Link: Scott Harrison: Quality Assurance, Quality Standards – the English Perspective (PDF-Version: 26 KB)
Saturday, 15 October 2005
FORUM "Tools for Quality Assurance of EDC" (Presentations and Discussion) Janez Krek
Interner Link: Vedrana Spajic-Vrka: Tools for Quality Assurance of EDC (PDF-Version: 30 KB)
Common Conclusions
Sigrid Steininger / Petra Grüne: Closing Address
Facilitation: Birgit Sauer Minutes / Evaluation: Viola Georgi
Interner Link: Participants (PDF-Version: 26 KB)
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2012-04-11T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/die-bpb/partner/nece/128865/quality-assurance-in-terms-of-education-for-democratic-citizenship/ | A European Workshop for Experts organised by The Federal Agency for Civic Education in Germany, the Department for Citizenship Education and Environmental Education at the Federal Ministry for Education, Science and Culture in Austria and the Service | [
""
] | 157 |
Deutsche Verteidigungspolitik | bpb.de |
Das Dossier befasst mit folgenden inhaltlichen Schwerpunkten:
Interner Link: Geschichte und Tradition der Bundeswehr (u.a. Wiederbewaffnung, Kalter Krieg, Wiedervereinigung) Interner Link: Auslandseinsätze der Bundeswehr (u.a. aktuelle Einsätze, Mandatierung, Legitimität) Interner Link: Gesellschaftliche Bedeutung der Streitkräfte (u.a. Wehrpflicht, Kriegsdienstverweigerung, Zivilgesellschaft) Interner Link: Rechtliche und politische Grundlagen der Verteidigungspolitik (u.a. Weißbuch, NATO, Europäische Verteidigungspolitik)
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2023-02-21T00:00:00 | 2015-01-20T00:00:00 | 2023-02-21T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/militaer/deutsche-verteidigungspolitik/ | Wiederbewaffnung, Kalter Krieg, Auslandseinsätze: Seit 1955 besteht die Bundeswehr. Das Dossier beleuchtet ihre Geschichte sowie Grundlagen und aktuelle Entwicklungen deutscher Verteidigungspolitik. | [
"Verteidigungspolitik",
"Militär",
"Verteidigung",
"Bundeswehr",
"Sicherheitspolitik",
"Streitkräfte",
"Armee",
"Soldaten",
"Nato",
"Deutschland"
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Panel 4: Die rechtspopulistische Offensive | Entgrenzter Rechtsextremismus? | bpb.de | "Bei der Europawahl 2014 konnten rechtspopulistische Parteien erneut Stimmen und Sitze hinzugewinnen. Sie inszenieren sich als "Kraft des Wandels", sie provozieren, simplifizieren und (re-)produzieren Feindbilder. Als selbst erklärte Demokraten stellen sie die liberale Gesellschaft in Frage. Welche Faktoren bedingen ihren Aufstieg? Warum gelingt es ihnen, Mediendiskurse und die politischen Agenden anderer Parteien zu beeinflussen? Wie sehen die Gesellschaften aus, die sie anstreben?", hieß es im Ankündigungstext.
Referentinnen und Referenten:
Dr. Susi Meret (Aalborg Universitet), Dr. Sarah de Lange (Universiteit van Amsterdam), Dr. Marcel Lewandowsky (Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr). Moderation: Prof. Dr. Damir Skenderovic (Universität Freiburg/Université de Fribourg).
Kurzbericht
Spätestens seit der Europawahl 2014 wird rechtspopulistischen Parteien in der Europäischen Union verstärkte Aufmerksamkeit zuteil. Und die Tatsachen sprechen für sich: In Frankreich, Dänemark, Großbritannien und im flämischen Teil Belgiens bilden Vertreter/-innen rechtspopulistischer Parteien die größte Fraktion im EU-Parlament. Auch in vielen weiteren Ländern haben Europaskeptiker an Macht und Einfluss gewonnen. Doch was genau fordern diese Parteien und worin konkret besteht ihr populistisches Moment? Wie stark ähneln sie sich abseits von bloßer EU-Kritik und welche Rolle spielen spezifische nationale Kontexte, auch im Rückblick auf vergangene Jahrzehnte?
Ein wesentlicher Effekt, der in den letzten Jahren zu konstatieren ist, besteht in einer allmählichen Normalisierung rechtspopulistischer Politik. Der cordon sanitaire der etablierten Parteien werde zunehmend rissig, so Damir Skenderovic. Als verhandlungswürdige Player auf dem politischen Parkett würden Rechtspopulisten oft nicht mehr in Frage gestellt. In der Schweiz ist ihre thematische Integration in öffentlich geführten Diskursen, z. B. zum Thema Zuwanderung, seit langem gefestigt wie Skenderovic berichtete. Die gern zitierte Zuschreibung des Rechtspopulismus als Ausdruck von Protest, als Sammelbecken der politisch Deklassierten, müsse dringend überdacht werden. Eigene Eliten bildeten sich heraus, ein Großteil der Alternative für Deutschland-Mitglieder bringe beispielsweise langjährige Arbeitserfahrung in gemäßigten Parteien mit ein, so Marcel Lewandowsky. An eine solide, parlamentarische Repräsentation werde man sich zudem gewöhnen müssen, doch es zeige sich auch, dass der Erfolg rechter Populisten starken Schwankungen unterliegen kann. Parteiinterne Flügelkämpfe würden häufig und offener als anderswo geführt, Abspaltungen und Kurswechsel seien mithin an der Tagesordnung, sagte Lewandowsky. Die Berichterstattung der Medien greife diese Machtkämpfe gerne auf, ihr Verstärkereffekt sei ungleich mächtiger als bei anderen Parteien, in denen interne Verwerfungen durch etablierte, kommunikative Routinen besser abgefedert werden. Die mediale Rolle der Rechtspopulisten als die des klassischen Paria sei aber inzwischen, mit Ausnahme Schwedens, von einer grundsätzlich offeneren Berichterstattung in den Qualitätsmedien abgelöst worden.
Gleichwohl ist rechtspopulistischen Parteien die Abgrenzung vom politischen Mainstream nach wie vor wichtig, wie Sarah de Lange betonte. Sobald sie aber nach ihren Wahlerfolgen politische Verantwortung übernehmen müssen, zeige sich, dass Regieren nicht unbedingt zu ihren Stärken gehört. Bei Geert Wilders‘ Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) zog die Beteiligung an einer Regierungskoalition schlechtere Folgeergebnisse nach sich. Ähnliches gilt für die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) in Österreich. Nur die Dansk Folkeparti konnte sich von 2001 bis 2011 in der Regierungskoalition behaupten und somit langfristig erheblichen Einfluss auf die nationale Politik ausüben, wie Susi Meret bemerkte . Auch lassen sich Wählereffekte beobachten: Ist der Sieg einer sozialdemokratischen Partei zu erwarten, schwenken viele rechtspopulistische Wähler auf konservative Parteien um.
Doch inwiefern lässt sich eine Partei als rechtspopulistisch bezeichnen? In Anlehnung an Cas Mudde zeichnen sich rechtspopulistische Parteien vor allem durch ihr besonderes Verständnis politischer Repräsentation aus. Zentrales Element ist der Wille, dem Volk als homogen gedachter Einheit eine Stimme zu verleihen und sich gegen die angeblichen, politischen Eliten in Stellung zu bringen. Diesen wird zumeist vorgeworfen, ihre Macht ausschließlich zu ihrem Eigeninteresse auszunutzen. Stattdessen fordern rechtspopulistische Parteien eine neue, nationale Souveränität, die sich gegen eine empfundene Fremdbestimmung richtet und oft mit einem autoritären Law-and-Order-Denken einhergeht. Das Selbst und das Andere, ohne diesen Dualismus kommen rechte Populisten nicht aus. Neben der Sozialdemokratie und der EU werden vor allem Zugewanderte zum Sinnbild dieses Bedrohungsszenarios. Dabei spielten biologistische Chiffren eine untergeordnete Rolle, wie Lewandowsky klarstellte. Es sei heute vielmehr die Kultur an sich, die zur Zielscheibe wird: Kulturelle Differenzen würden als unüberbrückbar fingiert, vor allem dem Islam werde eine kulturelle Andersartigkeit unterstellt, die ein Zusammenleben mit der als homogen empfundenen Eigengruppe, die Rechtspopulisten schlicht "das Volk“ nennen, unmöglich mache. Es geht also primär um die Frage der Zugehörigkeit. Hinter diesem rationalisierten Kulturalismus verberge sich aber oft eine diffuse Xenophobie, die in Form entlarvender Rhetorik bisweilen an die Oberfläche trete. Auch chauvinistische Tendenzen ließen sich beobachten. Das ist auch kein Wunder, sind doch sowohl Mitglieder aus auch Wähler rechtspopulistischer Parteien überwiegend männlich. Wobei an der Spitze mit Marine Le Pen in Frankreich und ehemals Pia Kjærsgaard in Dänemark auch überproportional oft Frauen anzutreffen sind.
Generell sei - so waren sich die Teilnehmenden des Panels einig - nicht zu erwarten, dass das Wählerpotential rechtspopulistischer politischer Parteien signifikant schrumpfen werde. Doch seien die Parteiprogramme weiterhin oft schwammig, besonders die Vereinbarkeit von liberalem Wettbewerbsdenken und kulturellem Nationalismus bildete im Fall der VVD einen Widerspruch, der programmatisch bisher nicht aufgelöst werden konnte, wie de Lange herausstelle. So bleibe den Parteien oft nur, eine abstrakte Alternative zu den herrschenden Verhältnissen einzufordern. Die politische Realisierbarkeit allerdings sei mit vielen Fragezeichen behaftet. Unter diesen Vorzeichen werde man eine Auseinandersetzung mit den Politikerinnen und Politikern rechtspopulistischer Parteien in europäischen wie nationalen Parlamenten in Zukunft aktiv angehen müssen.
Biografische Angaben
Dr. Susi Meret lehrt an der Aalborg University am Department of Culture and Global Studies. Sie studierte Geschichte an der Università di Ca’ Foscari, Venedig, und wurde 2010 in Aalborg promoviert. Außerdem ist sie unter anderem Projektmitglied des EU-finanzierten Projektes Hate Speech and Populist Othering in Europe: Through the Racism, Age and Gender Looking Glass. Sie veröffentlichte u. a.: Right-wing Populist Parties and the Working Class Vote: What Have You Done For Us Lately? (in: Jens Rydgren (Hrsg.): Class Politics and the Radical Right. 2012); Female charismatic leadership and gender: Pia Kjærsgaard and the Danish People’s Party (mit Hans Georg Betz; in: Patterns of Prejudice, 2014).
Dr. Sarah de Lange lehrt am Institut für Politikwissenschaft der University of Amsterdam. Sie wurde in den Sozialwissenschaften an der University of Antwerp promoviert und war außerdem Jean Monnet-Forschungsstipendiatin am Robert- Schuman-Zentrum am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf Parteien, ihren Beziehungen zueinander sowie Parteiensystemen. Veröffentlichungen u. a.: A Populist Zeitgeist? Programmatic Contagion by Populist Parties in Western Europe (mit Matthijs Rooduijn und Wouter van der Brug; in: Party Politics, 20 (4) 2014); The Immigration and Integration Debate in the Netherlands: Discursive and Programmatic Reactions to the Rise of Anti-Immigration Parties (mit Sjoerdje van Heerden, Wouter van der Brug und Meindert Fennema; in: Journal of Ethnic and Migration Studies, 40 (1) 2014).
Dr. Marcel Lewandowsky ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg. Er studierte Politikwissenschaft, Öffentliches Recht und Neuere Geschichte an der Universität Bonn. Nach seiner Promotion 2012 war er zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Leuphana Universität Lüneburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Rechtspopulismus im westeuropäischen Vergleich, politische Strategie und Wahlkampfforschung. Er veröffentlichte u. a.: The AfD and its sympathisers: Finally a right-wing populist movement in Germany? (mit Nicole Berbuir und Jasmin Siri, in: German Politics i. E.); Die rechtspopulistische Parteienfamilie (mit Frank Decker, in: Uwe Jun und Benjamin Höhne (Hrsg.): Parteienfamilien. Identitätsbestimmend oder nur noch Etikett? 2012).
Moderation
Prof. Dr. Damir Skenderovic lehrt Zeitgeschichte an der Universität Fribourg. Er hat Zeitgeschichte, Neuere Geschichte, Sozialanthropologie und Kommunikationswissenschaft studiert und war Gastwissenschaftler an der New York University und am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). Neben der Leitung von Forschungsprojekten zu Rechtspopulismus, Rechtsextremismus, Migration und Ausgrenzungspolitiken hat er als Experte für verschiedene Gremien und Stiftungen fungiert. Er veröffentlichte u. a.: Mit dem Fremden politisieren. Rechtspopulismus und Migrationspolitik in der Schweiz seit den 1960er Jahren (mit Gianni D’Amato. 2008); The Radical Right in Switzerland. Continuity and Change, 1945–2000 (2009); Strategien gegen Rechtsextremismus in der Schweiz: Akteure, Massnahmen und Debatten (2010).
Abstracts der Referierenden
Interner Link: Positionspapier Susi Meret
Interner Link: Positionspapier Marcel Lewandowsky
Interner Link: Positionspapier Sarah de Lange | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2015-02-04T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/entgrenzter-rechtsextremismus-2015/200515/panel-4-die-rechtspopulistische-offensive/ | Bei der Europawahl 2014 konnten rechtspopulistische Parteien erneut Stimmen und Sitze hinzugewinnen. Sie inszenieren sich als "Kraft des Wandels", sie provozieren, simplifizieren und (re-)produzieren Feindbilder. Als selbst erklärte Demokraten stelle | [
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Teilhabe in der Einwanderungsgesellschaft | Anerkennung, Teilhabe, Integration | bpb.de | Teilhabe in der Einwanderungsgesellschaft
Ferdos Forudastan: Herr Professor Bade, ich gehe durch eine deutsche Behörde, eine Schule, eine Universität, ein Gericht oder ein Ministerium, ich betrachte die Spitzen der Parteien, Gewerkschaften oder Verbände, ich schlage die Zeitung auf, schalte das Radio oder Fernsehen ein - und gewinne den Eindruck: Hier scheinen fast nur Menschen zu leben, die selber, deren Eltern und Großeltern schon in Deutschland geboren sind. Anders ausgedrückt: Die Tatsache, dass rund 20 Prozent der Menschen in Deutschland eine persönliche oder familiäre Zuwanderungsgeschichte haben spiegelt sich in den meisten Institutionen kaum wider. In der Verwaltung einer deutschen Großstadt beispielsweise haben nur rund drei Prozent der Mitarbeiter ausländische Wurzeln. Woran liegt das?
Klaus J. Bade: Das liegt zunächst daran, dass viele Zuwanderer aus der ehemaligen "Gastarbeiterbevölkerung", also aus oft bildungsfernen Schichten stammen. Deren Kinder waren schon deswegen in der Schule, in der Ausbildung und damit in der Vorbereitung auf das Erwerbsleben benachteiligt und kamen zunächst entsprechend seltener in qualifizierte Jobs, wie es sie in der Verwaltung, der Wissenschaft oder in den Medien gibt. Natürlich war auch ein kleiner Teil der Kinder aus sogenannten Gastarbeiterfamilien in der Schule sehr erfolgreich, aber diese Kinder hatten Glück, etwa weil außergewöhnlich engagierte Nachbarn oder Lehrer sie unterstützten. Solche Bildungskarrieren waren lange eher Ausnahmen, welche die Regel des Bildungsrückstands bestätigten. Das galt auch, wenn die Eltern ihre Kinder in der Schule unterstützen wollten, dies aber selber nicht konnten. Dass Eltern sich zusammenschlossen, um gemeinsam die Bildung ihrer Kinder zu fördern, gelang nur selten wie im Fall der erfolgreichen spanischen Elternvereine. Das alles zusammengenommen bedeutete: Soziale Startnachteile von Zuwanderern haben sich auf ihre Kinder vererbt. Und unser Bildungssystem hat diese Vererbung noch befördert und befördert sie bis heute.
Sie spielen darauf an, dass schon in der 4. Klasse die Kinder darauf festgelegt werden, welche schulische Laufbahn sie einzuschlagen haben?
Das auch, aber meine Kritik setzt viel früher an. Wir haben zu lange zugelassen, dass viele der unter Sechsjährigen in einer Umgebung heranwuchsen, in der sie kaum, nicht einmal sprachlich, gefördert wurden. Die Väter waren den ganzen Tag weg, die Mütter im Haushalt gebunden, und fast niemand sprach mit den Kindern Deutsch. In der Schule lagen sie dann weit hinter deutschen Jungen und Mädchen zurück, nicht weil sie unbegabter waren, sondern oft schlicht deswegen, weil sie die Lehrkräfte nicht oder nur mühsam verstehen konnten. Das hat sich erst in Ansätzen gebessert.
Das heißt: Es muss sich etwas ändern, und zwar etwas Grundlegendes ...
So hart es klingen mag: Wir sollten Eltern nötigenfalls verpflichten, ihre kleinen Kinder in die Kita zu geben. Das sollte übrigens nicht nur für Kinder von Zuwanderern gelten. Es gibt bekanntlich auch eine wachsende Zahl von jungen Menschen ohne Migrationshintergrund, die kaum in der Lage sind, einen etwas längeren Text zu lesen und zu verstehen. Wir haben aber bislang viel zu wenige Kitas. Sie müssten flächendeckend über das Land verteilt sein und hochqualifizierte Erzieher beschäftigen. Und es müsste regelmäßig geprüft werden, ob die Kinder dort bei spielerischer Beschäftigung nicht nur genug Deutsch lernen, sondern auch, ob sie überhaupt lernen, zu lernen.
Eine allgemeine Kindertagesstättenpflicht? Ich sehe sie schon Sturm laufen, die Eltern aus der gehobenen Mittelschicht, die dagegen halten, sie wollten und könnten ihre Kinder zuhause fördern und erziehen.
Ich sagte "nötigenfalls" - also dann, wenn die Eltern nachweislich nicht imstande sind, ihren Kindern das mitzugeben, was sie brauchen, um später zumindest sprachlich problemlos dem Unterricht in einer deutschen Schule folgen zu können. Niemand würde beispielsweise englischsprachige Kinder von ausländischen Diplomaten, die später sowieso eine internationale Schule besuchen, zwingen wollen, in eine deutsche Kita zu gehen. Das Gleiche gilt für bildungsorientierte deutsche Eltern, die das alleine schaffen.
Heißt das, Sie stellen sich eine Art Elternprüfung vor? Und wenn diese tatsächlich durchgesetzt würde: Wie sollten Eltern verpflichtet werden, ihre Kinder in die Kita zu schicken?
Reden wir nicht um den heißen Brei herum: Eine Sprach- und Lernstandsmessung im Vorschulalter bedeutet immer auch indirekt, zu prüfen, ob die Erziehungsberechtigten in der Lage und willens sind, ihrer Aufgabe nachzukommen. Dort, wo das nicht gelingt, sind die Eltern meist in einer sozial sehr schwierigen Situation und oft von staatlichen Transferleistungen abhängig. Hier muss gelten: Eltern, die Sozialgeld und insbesondere Kindergeld beziehen, sind umso mehr verpflichtet, durch die Erziehung ihrer Kinder dafür zu sorgen, dass sich ihre eigene Transferabhängigkeit nicht vererbt. Unterlassen sie das, sollte die Förderung reduziert werden. Schicken sie ihre Kinder trotzdem nicht in die Kita, muss das Jugendschutzgesetz greifen. Mit anderen Worten: Der Staat entzieht den Eltern das Erziehungsrecht auf Zeit oder auch auf Dauer. Kindeswohl geht vor Elternrecht. Um diesem Gedanken gerecht zu werden, haben wir schon jetzt die notwendigen gesetzlichen und behördlichen Handlungsspielräume, wir wenden sie nur zu selten an. Wir müssten aber auch die Stellung der Lehrer stärken. Es ist ein Unding, dass sie Eltern zum Gespräch über Lern- oder Verhaltensprobleme ihrer Kinder einbestellen - und die kommen dann einfach nicht. So was könnte man durch Elternverträge regeln, welche die beiderseitigen und wechselseitigen Verpflichtungen ebenso klären wie die Folgen von Pflichtverletzungen. Außerdem müssen wir die Kooperation zwischen Lehrern, Sozialarbeitern und nötigenfalls Jugendgerichten verbessern.
Damit wäre das Problem der ungleichen Bildungschancen, das wiederum zu schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt führt, aber noch nicht gelöst, oder?
Nein, dieses Problem wäre so lange nicht gelöst, wie sich die Misere in den Schulen fortsetzt. Dort hocken nämlich nicht die Schüler, sondern im Grunde auch deren Eltern. Mütter und Väter, die selbst eine gute Bildung genossen haben oder gut verdienen, können ihren Kinder nachmittags selber helfen oder eben Nachhilfestunden bezahlen. Eltern die selbst kaum zur Schule gegangen sind oder wenig Geld haben, schaffen es nicht, die Unzulänglichkeiten unseres Schulsystems privat auszugleichen. Gäbe es flächendeckend Ganztagsschulen, würden auch Kinder aus bildungsfernen Familien besser gefördert, ob nun mit oder ohne Migrationshintergrund. Das hieße in der Konsequenz, mehr Kinder aus sozial schwachen Familien würden eine bessere Schulbildung genießen.
Und dann? Es gibt doch schon heute viele gut ausgebildete junge Menschen mit ausländischen Wurzeln, die trotzdem keine ihrer Qualifikation entsprechende Stelle in der Verwaltung, der Wissenschaft oder den Medien bekommen, wenn sie nicht "Müller", sondern "Yldrm" heißen, wie etwa in einer Studie der OECD nachzulesen ist.
Richtig, wobei allerdings die Benachteiligung schon früher, beim Übergang auf weiterführende Schulen und bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen, meist stärker greift als später bei gleicher Qualifikation am Arbeitsmarkt. Dass dort, wo es um attraktive Jobs wie im öffentlichen Dienst oder in Medien geht, oft weniger Menschen mit Migrationshintergrund zu finden sind, hat aber noch einen anderen Grund: In den meisten Institutionen weiß man nicht genug über den Wert interkultureller Kompetenz. Worauf nur wenige Chefs achten, sind Qualifikationen wie diese: Kennen Bewerber aus eigener Anschauung mehr als eine, die hiesige Kultur? Können sie sich - weil sie darin Erfahrung haben - rasch in eine andere Kultur einfinden, vielleicht sogar zwischen verschiedenen Kulturen pendeln und vermitteln? Sprechen sie andere Fremdsprache als die gängigen? Hat jemand in einem der Herkunftsländer von Einwanderern gelebt?
Wie könnte man Entscheider in den Personalabteilungen der verschiedenen Institutionen denn davon überzeugen, dass sie mehr Mitarbeiter aus Migrantenfamilien einstellen sollten?
Indem man zum Beispiel den Verantwortlichen in einer Arbeitsagentur nahe bringt, wie wertvoll es ist, wenn eine Sachbearbeiterin, die selbst türkische Wurzeln hat, weiß, wie sie mit einem türkischen Mann sprechen muss, der zunächst eigentlich nicht will, dass seine Frau erwerbstätig wird. Oder indem man der Leiterin einer öffentlichen Bibliothek erklärt, dass sie in ihrer Bücherauswahl der Tatsache gerecht werden muss, dass in ihrem Großstadtbezirk mehr als ein Drittel der Bevölkerung und bei der Jugend vielleicht schon fast die Hälfte aus anderen Ländern stammt und dass sie ihr Angebot viel besser auf Literatur auch aus den Herkunftsländern ausweiten kann, wenn sie bikulturelle Mitarbeiterinnen beschäftigt. Oder indem man Bildungsministerien davon überzeugt, dass es sinnvoll ist, Menschen aus den Hauptherkunftsländern von Migranten beratend hinzuzuziehen, wenn sie ihre Lehrpläne erstellen. Das würde etwa das Augenmerk in Geschichte oder Politik darauf lenken, wie sehr die jüngste deutsche Geschichte von Zuwanderung geprägt ist, wie sehr die Migration dieses Land verändert hat, dass Migrantenfamilien die Zeitgeschichte dieses Landes aber oft auch ganz anders erlebt haben als die Mehrheitsbevölkerung. Das wiederum könnte enorm motivierend für die vielen Schüler aus Zuwandererfamilien sein, denen der Unterrichtsstoff bisher oft den Eindruck vermittelt, es habe sie und ihre Familien in Deutschland gar nicht gegeben, von ein bisschen "Gastarbeitergeschichte" einmal abgesehen.
Man sollte Entscheidungsträgern in Institutionen etwas "nahe bringen", ihnen "etwas erklären", sie "überzeugen": Das klingt, mit Verlaub, sehr soft. Muss man nicht stärkeren Druck entfalten, zum Beispiel über Quoten für Einwanderer und ihre Nachfahren? Der öffentliche Dienst etwa könnte sich verpflichten, einen bestimmten Prozentsatz seiner Stellen an Menschen mit Migrationshintergrund zu vergeben.
Ich bin kein Freund von Quoten oder von Maßnahmen, die eine "positive Diskriminierung" bestimmter Bevölkerungsgruppen bedeuten. Zu sagen, x oder y bekommt den Job, weil er ein Migrant ist, ist weder gut für den Job, noch für den Kandidaten und schon gar nicht für den sozialen Frieden. Ein Migrant, der mit Hilfe einer starren Quote in eine Position gekommen ist, müsste mit dem Stigma leben, dass er es nur wegen seiner ethnischen Herkunft geschafft hat. Er könnte unter Umständen weniger gestalten, hätte geringeren Einfluss, wäre mehr als andere gezwungen, um Anerkennung und Respekt zu kämpfen. Das wäre nicht nur für diesen Menschen ein Problem. Es würde auch die jeweilige Institution belasten. Hinzu kommt, dass Quoten für Zuwanderer sehr wahrscheinlich auch Neid und Ausländerfeindlichkeit schüren würden. Diese Konsequenz kann niemand wollen.
Ein Teil Ihrer Argumente gegen die Quote für Migranten ähnelt den Argumenten gegen die Frauenquote. Trotzdem hat sie dafür gesorgt, dass endlich mehr Frauen an gute Jobs und in wichtige Positionen gekommen sind.
Gucken Sie sich die deutschen Universitäten an: Fast nirgendwo steht, dass dort für bestimmte Institute auf Gedeih und Verderb eine bestimmte Quote eingehalten werden muss. Aber es wird in der Regel festgehalten, dass das Geschlechterverhältnis ausgewogen zu sein hat. Solange dies nicht der Fall ist - und es ist überwiegend noch nicht der Fall - muss die Gleichstellungsbeauftragte darauf achten, dass bei gleich qualifizierten Bewerbern die Frauen vorgezogen werden. Das gleiche gilt zum Beispiel für Behinderte. Für Berufungsverfahren ist das eine ganz wichtige Regelung, an der man nicht so einfach vorbeikommt. Natürlich wird sie immer wieder trickreich unterlaufen. Aber seit es diesen Orientierungspunkt gibt, hat sich die Situation zugunsten der Frauen verbessert. Wenn wir so einen Orientierungspunkt auch für die Einstellung von Menschen mit ausländischen Wurzeln hätten, wären wir schon viel weiter.
Und wenn wir die Quote in den Parteien nicht hätten, wäre die deutsche Politik viel männlicher als jetzt.
Sicher, die Frauenquote hat hier zu einem Wandel im Bewusstsein vieler politischer Entscheidungsträger geführt: Sie tun sich heute nicht mehr so leicht wie früher, mehr Positionen mit Männern als mit Frauen zu besetzen. Niemand würde es auch heute mehr wagen, wie oft noch in den 1970er Jahren, im gleichen Atemzug von "Minderheiten wie Ausländern, Behinderten und Frauen" zu reden.
Sie haben in den USA gelebt und gearbeitet. Dort tut man sich mit festen Quoten für Migranten nicht so schwer. Positive Diskriminierung ist dort, anders als hier, kein Schreckgespenst.
So einfach ist das nicht: Die Affirmative Action (AA), also die positive Diskriminierung, hat sich in den USA nur bedingt bewährt: Schon bald klagte man über die Verletzung der Prinzipien von Chancengleichheit und Leitungsgerechtigkeit, über Opferrollen, Opferkonkurrenzen und Gruppenrivalitäten, aber auch über die Entwertung von Karrieren durch ihre Zurückführung auf AA, und schließlich über den Missbrauch von AA als Karrieretreiber durch Leute, die zwar einer benachteiligten Gruppe zugehörten, selber aber gar nicht benachteiligt waren. Um solche Fehlentwicklungen zu begrenzen, entstanden eine wuchernde Kontrollbürokratie und ein Beschäftigungsprogramm für Juristen und Gerichte. Mittlerweile gibt es in den USA als Folge entsprechender Gerichtsurteile sehr komplizierte Rahmenbestimmungen, wie AA aussehen darf und wie nicht. Die Erfahrungen aus den USA sind mithin nicht so ermutigend, dass man sie in Deutschland wiederholen müsste. Außerdem gibt es hier doch auch ganz praktische Wege, um den Anteil von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in allen möglichen Institutionen zu erhöhen.
Welche Wege meinen Sie?
Polizei, Schulen oder auch Ämter müssten nachdrücklicher um Auszubildende und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund werben. Es müsste für diese Menschen viel mehr Schulungen, Integrationslotsen und Mentorenprogramme geben, um die fehlende Förderung in den Schulen ein Stück weit auszugleichen, nachholende Integrationsförderung nennt man das heute. Es geht nicht darum, die Standards zu senken, sondern darum, sie erreichbar zu machen. Nehmen Sie die Berliner Polizei: Sie weiß, wie wichtig Polizisten aus den unterschiedlichen Einwanderergruppen für den Kontakt mit Angehörigen dieser Gruppen sind. Also werden junge Migranten eingestellt, die sich für den Polizeiberuf interessieren, auch wenn sie in einigen Bereichen noch Leistungsschwächen haben. Man gibt ihnen die Chance die Schwächen im Verlauf des ersten Jahres auszugleichen und ihren nachgeholten Erfolg in einer Prüfung unter Beweis zu stellen. Dann dürfen sie im Vorbereitungsdienst bleiben. Auf diese Weise gewinnt man durch eine Art Nachqualifikation in der Einstiegsphase hoch motiviertes Personal, ohne die Standards zu senken. Alles in allem aber führt kein Weg daran vorbei, Entscheidungsträger davon zu überzeugen, dass mehr Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln einen großen Gewinn für die eigene Behörde, den eigenen Verband oder Sender darstellen.
Wir sprechen über den großen Gewinn für die Institutionen. Muss man nicht genauso fragen, welchen Wert hat die Zusammenarbeit für Frauen und Männer aus Zuwandererfamilien?
Natürlich, man muss sogar noch ein ganzes Stück weitergehen und sagen: In einer Demokratie kann man nicht einer Bevölkerungsgruppe Teilhabe verweigern, indem man es ihr außerordentlich erschwert, in der Verwaltung, der Politik, in Verbänden oder Medien zureichend mitzuwirken. Hier lebende Menschen ausländischer Herkunft haben ein Recht darauf, diese Gesellschaft durch ihre Mitarbeit in den unterschiedlichen Institutionen mitzugestalten.
Mal angenommen, es lassen sich nicht genügend Behördenleiter, Parteivorsitzende oder Chefredakteure davon überzeugen, wie wichtig es ist, mehr Menschen mit Zuwanderungsgeschichte einzustellen: Erledigt sich das Problem nicht irgendwann dadurch, dass den Deutschen der Nachwuchs ausgeht, dass die Zahl der Frauen und Menschen mit ausländischen Wurzeln wächst und es damit nur eine Frage der Zeit ist, bis Entscheidungsträger ihre Hände nach ihnen ausstrecken?
Der Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter, anhaltend niedrige Geburtenraten bei der deutschen, höhere bei der Zuwandererbevölkerung und sinkende Arbeitslosenzahlen bei wirtschaftlichem Aufschwung führen zweifelsohne zu einer gewissen Entspannung am Arbeitsmarkt. Heute wird vereinzelt schon mit Azubi-Stellen nach Bewerbern geworfen. Nur auf die Gnade des demografischen Wandels am Arbeitsmarkt zu setzen, reicht aber nicht. Institutionen müssen die Interkulturalität in der Gesellschaft begleiten. Dafür muss sich diese Interkulturalität in ihren eigenen Reihen widerspiegeln. Nur dann können die Institutionen ihre eigene Zukunft - und damit die der ganzen Einwanderungsgesellschaft - adäquat mitgestalten. Eine zunehmende interkulturelle Ausdifferenzierung im öffentlichen Dienst, in der Politik, in Verbänden steigert die Fähigkeit, in der Einwanderungsgesellschaft Entfremdungserfahrungen zu mindern.
Wie kriegt man diese beiden Bilder zusammen? Auf der einen Seite Institutionen, die sich bewusst für Menschen mit ausländischen Wurzeln öffnen; auf der anderen Seite eine Öffentlichkeit, die in Teilen heftig dem Buchautor Thilo Sarrazin applaudiert, der Migranten aus Hauptherkunftsländern als existenzielle Gefahr für Deutschland darstellt.
Wenn Thilo Sarrazin sagt: Wir wollen nicht "Fremde im eigenen Land" werden, dann hat er die Einwanderungsgesellschaft als Kulturprozess nicht zureichend verstanden. "Fremd im eigenen Land zu werden" ist die Vorstellung, dass die Minderheit über die Mehrheit kommt und die Mehrheit anschließend selbst zur Minderheit wird. Das geht von der falschen Vorstellung aus, Fremde bleiben immer Fremde und Einheimische bleiben immer Einheimische - ein Gedanke, der jeder kulturhistorischen Perspektive entbehrt; denn Kultur ist kein Zustand, den man sich wie einen Spiegel an die Wand nageln kann, sondern ein Prozess. Darin findet jede Zeit ihre eigene Form.
Ein schöner Satz, aber was bedeutet er genau? Und wie könnte er jene Bürger beruhigen, die meinen, die Lage sei so düster, wie Thilo Sarrazin sie malt?
Machen wir ein fiktives Experiment und drehen wir die deutsche Geschichte um ein halbes Jahrhundert zurück: Könnte man einem Berliner aus dem Jahr 1960 einen Film aus der Berliner U-Bahn oder S-Bahn des Jahres 2010 zeigen, dann würde er das vielleicht für eine Fälschung oder für einen Filmbericht aus New York oder San Francisco halten und sagen: "In einer solchen Zukunft würde ich nicht leben wollen, da wäre ich ja ein Fremder im eigenen Land!" Aber wir leben in diesem Deutschland des Jahres 2010 und wir kommen, glaube ich, doch ganz gut klar. Ebenso klar ist, dass es desintegrative Problemzonen und Spannungsfelder gibt, vor deren Wachstum ich, pardon, viele Jahre vor Thilo Sarrazin immer wieder nachdrücklich, aber folgenlos öffentlich gewarnt habe. Sie erfordern endlich nachdrückliches Handeln, aber sie bestätigen doch als Ausnahmen nur die Regel der friedvollen Integration insgesamt. Erfolgreiche Integration bleibt eben meist unauffällig. Auffällig sind die sozialen Betriebsunfälle. Aber niemand käme auf den absurden Gedanken, aus einer Statistik der Verkehrsunfälle das Geheimnis des ruhig fließenden Verkehrs ableiten zu wollen.
Trotzdem bekommt, wer mit spitzem Finger auf die Verkehrsunfälle zeigt, immer noch lauteren Beifall als der, der auf den ruhig fließenden Verkehr aufmerksam macht. Genauer: Trotzdem bekommt Thilo Sarrazin von einem Teil der Öffentlichkeit heftigen Beifall. Warum fällt es vielen Menschen so schwer zu akzeptieren, dass die deutsche Gesellschaft heute eine Einwanderungsgesellschaft ist?
Die Einwanderungsgesellschaft, in der wir leben, schließt Zuwandererbevölkerung und Mehrheitsbevölkerung ohne Migrationshintergrund ein. Weil deren Geburtenraten nach wie vor niedriger liegen als die - allerdings ebenfalls sinkenden - Geburtenraten der Zuwandererbevölkerung, setzt sich der interethnische Wandel in der Einwanderungsgesellschaft auch ohne Zuwanderung fort. Die Einwanderungsgesellschaft ist also ein sich ständig veränderndes Gebilde, das zwar immer alltäglicher, aber auch immer unübersichtlicher wird. Das verängstigt viele Menschen, ältere mehr als jüngere. Das noch verbreitete Bild von der ethno-national statischen Aufnahmegesellschaft, in die sich die Hinzukommenden gefälligst einzupassen, in der sie quasi spurlos aufzugehen haben, ist - ob uns das passt oder nicht - eine realitätsfremde Fiktion. Integration ist ein langer, mitunter Generationen übergreifender Kultur- und Sozialprozess mit fließenden Grenzen zur Assimilation, die übrigens als solche überhaupt nichts Schreckliches ist, die man im Gegensatz zum Bemühen um Integration aber nicht einfordern kann. Im Laufe der Zeit verändert Einwanderung beide Seiten der Einwanderungsgesellschaft, die sich dabei stets weiter ausdifferenziert. Damit müssen auch die Institutionen der Einwanderungsgesellschaft Schritt zu halten suchen. Behörden, Politik, Verbände, Medien: Sie und ihre Aufgaben verändern sich zwangsläufig, wenn immer mehr Menschen in diesem Land ausländische Wurzeln haben. Diesen eigenen Veränderungsprozess als alltägliche Herausforderung anzunehmen, ihn nicht nur passiv hinzunehmen, sondern im Rahmen des Möglichen aktiv zu gestalten, das ist eine Kernaufgabe des Lebens in der Einwanderungsgesellschaft. Darauf hat auch Bundespräsident Christian Wulff in seiner programmatischen Bremer Rede zum 3. Oktober 2010 hingewiesen. | Article | , Klaus J. Bade / , Ferdos Forudastan | 2022-08-29T00:00:00 | 2011-10-05T00:00:00 | 2022-08-29T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/32378/teilhabe-in-der-einwanderungsgesellschaft/ | Einwanderung verändert eine Gesellschaft. Auch die Institutionen der Einwanderungsgesellschaft wie Behörden, Politik, Verbände und Medien müssen sich diesem Prozess anpassen. Diesen gilt es, aktiv zu gestalten. | [
"Einwanderungsgesellschaft"
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Organisation der Grundsicherung | Arbeitsmarktpolitik | bpb.de | Modelle der Aufgabenwahrnehmung bei Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende
Der Verabschiedung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Grundsicherung für Arbeitsuchende; SGB II) war eine mehrmonatige politische Auseinandersetzung vorausgegangen, in deren Zentrum unter anderem die Frage stand, ob die Aufgabenwahrnehmung im Rahmen des SGB II der Bundesagentur für Arbeit (BA) oder den Kommunen übertragen werden sollte. Am Ende der Auseinandersetzung einigten sich die politischen Akteure im Vermittlungsausschuss auf einen denkwürdigen Kompromiss. Den Regelfall stellten so genannte Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) dar, in denen Arbeitsagenturen und Kommunen die Grundsicherung gemeinsam umsetzten. Daneben konnten 69 Kreise und kreisfreie Städte, so genannte Optionskommunen oder auch zugelassene kommunale Träger (zkT), zunächst für eine Experimentierphase von 6 Jahren das Gesetz allein umsetzen und dabei alternative Modelle zur Eingliederung von Arbeitsuchenden testen.
Neben den beiden damals gesetzlich definierten Modellen entstand ein drittes: die getrennte Aufgabenwahrnehmung. Hier zahlte die Arbeitsagentur das Arbeitslosengeld II aus und war für die Leistungen zur Integration in Arbeit allein zuständig, während die Kommunen die Kosten der Unterkunft finanzierten und notwendige flankierende soziale Unterstützungsangebote wie Schuldner- oder Suchtberatung organisierten.
Ein wichtiger Bestandteil des Kompromisses war, den Wettbewerb zwischen den Modellen wissenschaftlich evaluieren zu lassen und die Ergebnisse dem Bundestag Ende 2008 vorzulegen. Die Ergebnisse der einzelnen Evaluationsmodule finden sich im Externer Link: Evaluationsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Auf Basis der Evaluationsergebnisse sollte entschieden werden, in wessen Zuständigkeit die Grundsicherung für Arbeitsuchende anschließend geleistet werden soll.
InfoErgebnis der Evalution
Zentrales Ergebnis der Evalution ist, dass Bezieher von Arbeitslosengeld II, die von ARGEn betreut werden, eher den Abgang aus dem Leistungsbezug schaffen bzw. eine bedarfsdeckende Beschäftigung aufnehmen. Optionskommunen haben Stärken bei der Steigerung der langfristigen Beschäftigungsfähigkeit. Die Evaluation machte deutlich, dass der Wettbewerb zwischen den Grundsicherungsstellen zu ganz unterschiedlichen Vorgehensweisen geführt hat. Zugleich zeigen die Ergebnisse, dass bei den Grundsicherungsstellen noch viel für eine bessere Betreuung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen getan werden kann. Probleme zeigten sich beispielsweise bei der Erbringung sozialintegrativer Leistungen (Sucht- und Drogenberatung, Schuldnerberatung, psychosoziale Betreuung), bei der Betreuung Hilfebedürftiger die zusätzlich Leistungen anderer Träger erhalten (z.B. Jugendliche, Rehabilitanden oder Bezieher von Arbeitslosengeld I und II), bei der Betreuungsintensität, der Betreuungsqualität sowie der Arbeitsvermittlung.
Noch während die Evaluation lief, entschied das Bundesverfassungsgericht am 20. Dezember 2007, dass die ARGE dem Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung widerspreche, "der den zuständigen Verwaltungsträger verpflichtet, seine Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen wahrzunehmen". Das Gericht gab dem Gesetzgeber bis Ende 2010 Zeit, eine verfassungskonforme Neuregelung auf den Weg zu bringen und dabei "die Erfahrungen der einheitlichen Aufgabenwahrnehmung in den so genannten Optionskommunen des § 6a SGB II und die Ergebnisse der gemäß § 6c SGB II (damalige Fassung) vorgesehenen Wirkungsforschung zu den Auswirkungen der Neuregelung des Sozialgesetzbuchs – Zweites Buch - zu berücksichtigen."
Verworfene Vorschläge
Das Folgejahr sah als ersten Vorschlag ein kooperatives Jobcenter vor; ein Vorschlag des damaligen Staatssekretärs (und heutigen Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit) Detlef Scheele und des damaligen Vorstandsvorsitzenden der BA Frank-Jürgen Weise. Kern des Modells war eine freiwillige Kooperation zwischen Agenturen für Arbeit und Kommunen. In einem Kooperationsausschuss sollte das lokale Arbeitsmarktprogramm festgelegt werden. Dieses Modell, eine stark an die getrennte Aufgabenwahrnehmung angelehnte Variante, fand seitens der Länder keine Zustimmung. Im Herbst 2008 legte das BMAS einen nächsten Entwurf vor und schlug ein "Zentrum für Arbeit und Grundsicherung" (ZAG) vor, das sich deutlich am ARGE-Modell orientierte und eine Änderung des Grundgesetzes vorsah, um die Neukonstruktion verfassungskonform zu gestalten. Im Dezember 2008 schien der Durchbruch geschafft. Das BMAS erzielte eine Übereinstimmung mit den Verhandlungsführern der Länder (den damaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen Jürgen Rüttgers und von Rheinland-Pfalz Kurt Beck) zur Änderung des Grundgesetzes und zur Einrichtung der ZAG. Die CDU-Fraktion lehnte jedoch im März 2009 den Konsens des BMAS mit den Ländern ab. Im weiteren Verlauf der Legislaturperiode wurden keine weiteren Festlegungen beschlossen. Der Koalitionsvertrag der neu gewählten schwarz-gelben Regierung überraschte dann, da er eine getrennte Aufgabenwahrnehmung ohne Verfassungsänderung vorsah: Die bestehenden zugelassenen kommunalen Träger sollten erhalten bleiben, eine Erweiterung dieses Modells war nicht vorgesehen. Gegen die getrennte Aufgabenwahrnehmung votierten allerdings nahezu alle im Feld aktiven Akteure mit Ausnahme der BA-Spitze. Dennoch legte das nun CDU-geführte BMAS im Januar 2010 zwei Referentenentwürfe zur getrennten Aufgabenwahrnehmung sowie zur rein kommunalen Option vor. Nicht zuletzt aufgrund des nun engen zeitlichen Fensters schien der Weg in die getrennte Aufgabenwahrnehmung vorgezeichnet. Dann aber ging der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch auf deutliche Distanz zum Entwurf der neuen Koalition. Daraufhin begann eine interfraktionelle Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Leitung des BMAS zu tagen. Am 24. März 2010 legte die Arbeitsgruppe ein neues Konzept vor. Dieses sah eine Verfassungsänderung zur Beibehaltung der Mischverwaltung in den ARGEn sowie eine moderate Ausweitung der Option vor. Am 1. April 2010 legte das BMAS einen entsprechenden Referentenentwurf vor, der mit einigen noch vorgenommenen Änderungen zur Grundlage des dann beschlossenen Gesetzes wurde (Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende (GrSiWEntG) vom 3.8.2010).
Zum 1.1.2011 sowie zum 1.1.2012 gab es auf Grundlage des Gesetzes einschneidende Änderungen in der Organisation der Grundsicherung. Die Grundsicherung wird seit Anfang 2012 in drei Vierteln aller Städte und Kreise von Arbeitsagenturen und Kommunen gemeinsam in "Gemeinsamen Einrichtungen" (gE, vormals ARGEn) umgesetzt; im anderen Viertel setzen die Kommunen die Grundsicherung alleine um (als so genannte Optionskommunen bzw. zugelassene kommunale Träger (zkT)). Alle Grundsicherungsstellen tragen nunmehr den Namen Jobcenter.
Organisation heute
Was waren die zentralen Aspekte der Neuregelung? Zum einen wurde die Organisationsform der ARGEn durch Änderungen des Grundgesetzes verfassungskonform ausgestaltet (Zulassung der Mischverwaltung; Artikel 91e GG) und die Strukturen der ARGEn (extern und intern) verändert. Die ARGEn sollten der Regelfall der Durchführung im SGB II bleiben und werden seither als "Gemeinsame Einrichtung" (§ 44b SGB II neu) bezeichnet. Als Ausnahme ist die Zulassung von Kommunen zur alleinigen Aufgabenwahrnehmung vorgesehen. Die Zahl der Optionskommunen darf aber ein Viertel aller Aufgabenträger im Bundesgebiet nicht überschreiten. Für die Neuzulassung als Optionskommune mussten höhere Hürden genommen werden als 2004, zugleich wurden auch die Strukturen aller Optionskommunen reformiert. Die getrennte Aufgabenwahrnehmung ist seither nicht mehr zulässig. Die getrennten Aufgabenwahrnehmungen hatten die Wahl, entweder einen Antrag auf Zulassung zur Option zu stellen oder eine einheitliche Aufgabenwahrnehmung von BA und Kommune im Rahmen einer "Gemeinsamen Einrichtung" zu realisieren.
Zentrales Ergebnis der Evalution ist, dass Bezieher von Arbeitslosengeld II, die von ARGEn betreut werden, eher den Abgang aus dem Leistungsbezug schaffen bzw. eine bedarfsdeckende Beschäftigung aufnehmen. Optionskommunen haben Stärken bei der Steigerung der langfristigen Beschäftigungsfähigkeit. Die Evaluation machte deutlich, dass der Wettbewerb zwischen den Grundsicherungsstellen zu ganz unterschiedlichen Vorgehensweisen geführt hat. Zugleich zeigen die Ergebnisse, dass bei den Grundsicherungsstellen noch viel für eine bessere Betreuung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen getan werden kann. Probleme zeigten sich beispielsweise bei der Erbringung sozialintegrativer Leistungen (Sucht- und Drogenberatung, Schuldnerberatung, psychosoziale Betreuung), bei der Betreuung Hilfebedürftiger die zusätzlich Leistungen anderer Träger erhalten (z.B. Jugendliche, Rehabilitanden oder Bezieher von Arbeitslosengeld I und II), bei der Betreuungsintensität, der Betreuungsqualität sowie der Arbeitsvermittlung.
Grundlegende Neuregelungen für beide Organisationsformen
Mit zwei neuen Ausschüssen soll die Grundsicherung besser gesteuert werden: zum einen durch einen Kooperationsausschuss auf Landesebene und zum anderen durch einen Bund-Länder-Ausschuss. Die zwischen dem BMAS und dem jeweiligen Land zu bildenden Kooperationsausschüsse sollen die Umsetzung der Grundsicherung auf Landesebene koordinieren. Der Kooperationsausschuss stimmt regional Ziele und Schwerpunkte der Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik ab. Er entscheidet bei den Gemeinsamen Einrichtungen bei Meinungsverschiedenheiten über Weisungszuständigkeiten der beiden Träger Arbeitsagentur und Kommune. Auf Bundesebene wurde ein Bund-Länder-Ausschuss eingerichtet. Er berät zu zentralen Fragen der Umsetzung der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie zu Fragen der Aufsicht und erörtert mit den Trägern die Zielvereinbarungen.
Zielvereinbarungen (diese werden konkreter erläutert im Abschnitt Normative Grundlagen: Interner Link: Steuerung & Modernisierung) sollen das wesentliche Steuerungsinstrument in der Grundsicherung sein. Für die Optionskommunen gelten Zielvereinbarungen, die sie mit den betreffenden Ländern schließen. Das BMAS schließt zuvor jeweils mit den Ländern entsprechende Zielvereinbarungen. Auf Seite der Gemeinsamen Einrichtungen gibt es Zielvereinbarungen zwischen BMAS und der Bundesagentur für Arbeit sowie zwischen der Bundesagentur für Arbeit, Kommune und den jeweiligen Geschäftsführern der Gemeinsamen Einrichtungen.
Verpflichtend ist nunmehr auch die Einrichtung von örtlichen Beiräten, in denen die Beteiligten des örtlichen Arbeitsmarkts über die Auswahl und Gestaltung der Eingliederungsmaßnahmen (siehe Interner Link: aktive Arbeitsmarktpolitik) beraten. Vorher war die Einrichtung von Beiräten freiwillig. Allerdings hatten knapp zwei Drittel der Grundsicherungsträger diese Möglichkeit auch vorher schon genutzt. Ebenfalls verpflichtend ist jetzt die Bestellung einer oder eines Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt. Diese sollen die Träger in Fragen der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Grundsicherung, der Frauenförderung sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Geschlechter beraten und unterstützen. Zudem müssen die Beauftragten für Chancengleichheit bei der Erarbeitung des örtlichen Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramms beteiligt werden.
Die Organisationsform der Gemeinsamen Einrichtung als Nachfolger der ARGE ab 2011
Die vom Bundesverfassungsgericht verbotene Mischverwaltung in den ARGEn wurde durch eine Grundgesetzänderung für die Gemeinsame Einrichtung einfachgesetzlich ermöglicht. Es wird sogar eine Mischverwaltungspflicht im Regelfall verfassungsrechtlich vorgeschrieben. Die Aufsichtsstrukturen über die Gemeinsamen Einrichtungen sind hoch komplex (vgl. die folgende Abbildung). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales führt die Rechts- und Fachaufsicht über die Bundesagentur für Arbeit als Leistungsträger sowie – im Einvernehmen mit den zuständigen obersten Landesbehörden – die Rechtsaufsicht über die Gemeinsame Einrichtung im Aufgabengebiet der Trägerversammlung. Wird Einvernehmen nicht hergestellt, so gibt der Kooperationsausschuss eine Empfehlung ab; von dieser kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nur aus wichtigem Grund abweichen.
Die Gemeinsame Einrichtung ist nicht rechtsfähig. Sie nimmt die Aufgabe für die Träger Bundesagentur für Arbeit und Kommune wahr. Sie handelt nach außen als Behörde, erbringt Leistungen und erlässt die Verwaltungsakte. Die Leistungen werden somit weiterhin aus "einer Hand" erbracht. Durch die Aufgabenwahrnehmung in der Gemeinsamen Einrichtung ist die Trägerschaft der Aufgaben nach der Grundsicherung nicht berührt. Die Bundesagentur für Arbeit ist weiterhin verantwortlicher Träger für die Vermittlung und Eingliederung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger. Die Kommunen sind zuständig für die Kosten der Unterkunft und die sozialintegrativen Leistungen wie Schuldner- und Suchtberatung oder die Kinderbetreuung, wohingegen die Gemeinsame Einrichtung lediglich die Aufgaben der Träger wahrnimmt. Den Trägern verbleibt die Verantwortung für die rechtmäßige und zweckmäßige Leistungserbringung der ihnen nach dem Gesetz zugewiesenen Aufgaben. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, haben sie gegenüber der Gemeinsamen Einrichtung ein Weisungsrecht. Die Trägerversammlung besteht aus jeweils drei Vertretern der lokalen Agentur für Arbeit und des kommunalen Trägers. Aus deren Mitte wird ein Vorsitzender gewählt. Die Trägerversammlung bestimmt den Verwaltungsablauf und die Organisation. Sie ist zuständig für die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers.
Der Geschäftsführer hat den Anweisungen der Trägerversammlung Folge zu leisten. Er vertritt die Gemeinsame Einrichtung gerichtlich und außergerichtlich. Er hat dienst-, personal- und arbeitsrechtliche Befugnisse über das Personal der Gemeinsamen Einrichtung und wird für fünf Jahre bestimmt.
Die Organisationsform des zugelassenen kommunalen Trägers (Optionskommune) ab 2011/2012
Die vorher nur befristet agierenden zugelassenen kommunalen Träger können ihre Aufgabe nunmehr entfristet wahrnehmen. Zum 1.1.2012 sind 41 neue zugelassene kommunale Träger hinzugekommen. Die Strukturen in diesem Modell sind ähnlich komplex wie bei den Gemeinsamen Einrichtungen (vgl. die folgende Abbildung). Der zugelassene kommunale Träger übernimmt vollständig die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit. Die Aufsicht über die zugelassenen kommunalen Träger übt die zuständige Landesbehörde im Rahmen der jeweils landesrechtlichen Regeln aus. Die Rechtsaufsicht über die obersten Landesbehörden wiederum übt die Bundesregierung aus, wenn der zugelassene kommunale Träger Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit übernimmt. Die Ausübung der Rechtsaufsicht kann dabei auf das BMAS übertragen werden. Auch im Bereich der zugelassenen kommunalen Träger wird eine (Teil-)Steuerung über Zielvereinbarungen eingeführt. Dies war bis zum Jahr 2010 nicht der Fall.
Ergebnis einer Studie
Die Umwandlung von 41 Jobcentern in Optionskommunen im Jahr 2012 erlaubte es, den Erfolg der Vermittlungsarbeit der unterschiedlichen Trägerformen mit anderen wissenschaftlichen Ansätzen (Differenz-von-Differenzen-Ansatz) zu evaluieren. Die Autoren der Studie kommen zum Ergebnis, dass Optionskommunen gegenüber gemeinsamen Einrichtungen bei ansonsten gleichen Voraussetzungen 10 Prozent weniger Arbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln.
Mergele, L. / Weber, M. (2020): Jobcenter: Optionskommunen vermitteln Arbeitslose seltener in Beschäftigung. Externer Link: Ifo Schnelldienst 2/2020.
Die Umwandlung von 41 Jobcentern in Optionskommunen im Jahr 2012 erlaubte es, den Erfolg der Vermittlungsarbeit der unterschiedlichen Trägerformen mit anderen wissenschaftlichen Ansätzen (Differenz-von-Differenzen-Ansatz) zu evaluieren. Die Autoren der Studie kommen zum Ergebnis, dass Optionskommunen gegenüber gemeinsamen Einrichtungen bei ansonsten gleichen Voraussetzungen 10 Prozent weniger Arbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln.
Mergele, L. / Weber, M. (2020): Jobcenter: Optionskommunen vermitteln Arbeitslose seltener in Beschäftigung. Externer Link: Ifo Schnelldienst 2/2020.
Quellen / Literatur
Eine Infoplattform mit weiterführenden Literaturverweisen auch zum Thema Organisation der Grundsicherung finden Sie Externer Link: hier.
Informationen zu den kommunalen Jobcentern sind auf folgender Seite zu finden: Externer Link: www.kommunale-jobcenter.de
Weitere Informationen zu beiden Umsetzungsvarianten finden sich auf der Seite der Externer Link: Servicestelle SGB II.
Fachhochschule Frankfurt am Main / infas / WZB (2008): Evaluation der Experimentierklausel nach § 6c SGB II – Vergleichende Evaluation des arbeitsmarktpolitischen Erfolgs der Modelle der Aufgabenwahrnehmung Optierende Kommune und Arbeitsgemeinschaft. Untersuchungsfeld 2: Implementations- und Governanceanalyse. Abschlussbericht 2008 an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Mergele, L. / Weber, M. (2019): Public Employment Services under Decentralization: Evidence from a Natural Experiment. CESifo Working Paper No. 7957. München.
Mergele, L. / Weber, M. (2020): Jobcenter: Optionskommunen vermitteln Arbeitslose seltener in Beschäftigung. Ifo Schnelldienst 2/2020.
Ruschmeier, René/ Oschmiansky, Frank (2010): Organisationsnovelle im SGB II – Optieren oder kooperieren? In: Zeitschrift für das Fürsorgewesen 3/2010: 50-54.
Ruschmeier, R. / Oschmiansky, F. (2010): Die Würfel sind gefallen! Organisationsnovelle des SGB II – Die Neuregelungen im Überblick. In: Zeitschrift für das Fürsorgewesen 8/2010, S. 174
ZEW / IAQ / TNS Emnid (2008). Evaluation der Experimentierklausel nach § 6c SGB II – Vergleichende Evaluation des arbeitsmarktpolitischen Erfolgs der Modelle der Aufgabenwahrnehmung „Zugelassener kommunaler Träger“ und „Arbeitsgemeinschaft“. Untersuchungsfeld 3: „Wirkungs- und Effizienzanalyse“. Mannheim, Gelsenkirchen, Bielefeld.
Eine Infoplattform mit weiterführenden Literaturverweisen auch zum Thema Organisation der Grundsicherung finden Sie Externer Link: hier.
Informationen zu den kommunalen Jobcentern sind auf folgender Seite zu finden: Externer Link: www.kommunale-jobcenter.de
Weitere Informationen zu beiden Umsetzungsvarianten finden sich auf der Seite der Externer Link: Servicestelle SGB II.
Fachhochschule Frankfurt am Main / infas / WZB (2008): Evaluation der Experimentierklausel nach § 6c SGB II – Vergleichende Evaluation des arbeitsmarktpolitischen Erfolgs der Modelle der Aufgabenwahrnehmung Optierende Kommune und Arbeitsgemeinschaft. Untersuchungsfeld 2: Implementations- und Governanceanalyse. Abschlussbericht 2008 an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Mergele, L. / Weber, M. (2019): Public Employment Services under Decentralization: Evidence from a Natural Experiment. CESifo Working Paper No. 7957. München.
Mergele, L. / Weber, M. (2020): Jobcenter: Optionskommunen vermitteln Arbeitslose seltener in Beschäftigung. Ifo Schnelldienst 2/2020.
Ruschmeier, René/ Oschmiansky, Frank (2010): Organisationsnovelle im SGB II – Optieren oder kooperieren? In: Zeitschrift für das Fürsorgewesen 3/2010: 50-54.
Ruschmeier, R. / Oschmiansky, F. (2010): Die Würfel sind gefallen! Organisationsnovelle des SGB II – Die Neuregelungen im Überblick. In: Zeitschrift für das Fürsorgewesen 8/2010, S. 174
ZEW / IAQ / TNS Emnid (2008). Evaluation der Experimentierklausel nach § 6c SGB II – Vergleichende Evaluation des arbeitsmarktpolitischen Erfolgs der Modelle der Aufgabenwahrnehmung „Zugelassener kommunaler Träger“ und „Arbeitsgemeinschaft“. Untersuchungsfeld 3: „Wirkungs- und Effizienzanalyse“. Mannheim, Gelsenkirchen, Bielefeld.
| Article | Frank Oschmiansky | 2022-01-07T00:00:00 | 2020-09-11T00:00:00 | 2022-01-07T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/arbeit/arbeitsmarktpolitik/315311/organisation-der-grundsicherung/ | Wie erfolgt die Aufgabenwahrnehmung zwischen den Arbeitsagenturen und Kommunen bei der Organisation der Grundsicherung? Welche Merkmale prägen die Trägermodelle? | [
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Keine Lust mehr auf Parteien. Zur Abwendung Jugendlicher von den Parteien | Parteien | bpb.de | I. Einleitung
"Eine Partei ohne Jugend ist eine Partei ohne Zukunft." So ist der jugendpolitische Beschluss des SPD-Parteitags in Münster aus dem Jahre 1988 betitelt. Wenn diese Aussage zutrifft, und davon ist wohl auszugehen, dann ist es um die Zukunft der Parteien nicht gut bestellt. Denn sie sind an chronischem Nachwuchsmangel erkrankt, ohne entfernt eine Vorstellung davon zu besitzen, wie an den verloren gegangenen Kontakt zur Jugend wieder angeknüpft werden könnte. Im Gegenteil treten sie hilflos auf der Stelle. Dabei ist die Jungmitgliederkrise schon so alt, dass bereits vor zehn Jahren alarmierende Hiobsbotschaften in die Welt gesetzt wurden .
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Die in immer kürzeren Zeitabständen abgehaltenen "Jugend"-Parteitage offenbaren nur, wie sehr sich die Parteien in "Jetzt machen wir mal wieder auf jugendlich"-Inszenierungen erschöpfen, ohne dass sich Jugendliche merklich davon angesprochen fühlten. Die Jugendorganisationen werden für solche "Events" als Staffage benutzt, ohne sich noch nach draußen glaubwürdig als Sprachrohr und nach drinnen als verlängerter Arm der Jugend darstellen zu können. Noch peinlicher und anbiederischer wirken die Parteien dann, wenn ihre Altvorderen vor Kameras in Internet-Cafes surfen oder sich auf einer Technoparty tanzend unter das Jungvolk mischen. Teure in den letzten Jahren durchgeführte Werbekampagnen der Parteien ließen die Jugendlichen ebenfalls kalt, so dass die überlebensnotwendige Frischblutzufuhr weiter ausbleibt.
Umso dringlicher ist es, das gegenwärtige Ausmaß der Krise aufzuzeigen und die Hintergründe auszuleuchten. Ob überhaupt und was gegen die Nachwuchskrise zu unternehmen wäre, bleibt nämlich solange ungewiss, wie nicht geklärt ist, welche Ursachen die verstockten Beziehungsprobleme zwischen Jugendlichen und Parteien haben könnten. Diese sind undurchsichtig genug und lassen sich sicherlich nicht auf ein paar wenige gleichgerichtete Wirkfaktoren zurückführen. Möglich ist ja immerhin, dass sich die Ursachen bei den Parteien selbst oder aber bei den Jugendlichen und ihrem gesellschaftlichen Umfeld auffinden lassen . Auch handelt es sich beim Verfall jugendlicher Parteimitgliedschaft um einen langwierigen Prozess, der sich nicht losgelöst von zeitgeschichtlichen und gesellschaftlichen Wandlungshintergründen ausloten lässt. Auf diesem Felde ist aber brauchbarer sozialwissenschaftlicher Rat ziemlich rar, weil die kontroversen Erklärungsansätze unbeantwortet lassen, ob dieser Prozess noch aufhaltbar oder gar umkehrbar ist und was in diesem Falle von den Parteien getan werden müsste. II. Die Jungmitgliederentwicklung der Parteien
Die Jungmitgliederentwicklung über die letzten 25 Jahre liest sich wie die Geschichte eines Exodus von mehreren Jugendgenerationen, die mit den Parteien nichts mehr zu tun haben wollen. Dabei fing alles zunächst sehr viel versprechend an, als in den siebziger Jahren die damaligen Parteien überraschend von einer überschäumenden Eintrittswelle überschwemmt wurden. Zu jenen Zeiten des Überflusses wurde vor allem die Eintrittswelle in die SPD von Jugendlichen unter 30 getragen. Sie erlebte einen Neumitgliederansturm und hatte allein 1969 100 000 und 1972 150 000 entsprechende Eintritte zu verkraften. Zwischen 1969 und 1977, ihrem Bestjahr mit 1 022 191 Mitgliedern, stießen über 400 000 Neumitglieder im Juso-Alter zwischen 16 und 30 Jahren zu ihr, davon viele Gymnasiasten und Studenten. Lag deren Anteil 1959 unter den Neumitgliedern noch bei 27,7 %, stieg dieser zwischen 1968 und 1971/72 von knapp 40 auf über 50 %, um dann bis Ende der achtziger Jahre wieder auf rund 35 % zurückzufallen. Die CDU erlebte zwar - zeitverzögert - einen noch größeren Neumitgliederboom, wobei aber zwischen 1970 und 1980 der Anteil der 16- bis 29-Jährigen mit 11 % konstant blieb . Ihre Mitgliederverdopplung hat sie damit wohl älteren Neumitgliedern zu verdanken. Der Zustrom an jugendlichen Neumitgliedern ebbte schon um die Mitte der siebziger Jahre ab , um danach nie wieder eine Kehrtwende zu vollziehen. So traten 1970 noch knapp 25 000 Neumitglieder unter 25 Jahren in die SPD ein, während es Ende 1998 nur noch 6 572 Beitritte waren. Auch der Zulauf der 16- bis 30-Jährigen zur SPD reduzierte sich von den siebziger Jahren bis zu den Achtzigern um 60 %, um diese dann in den neunziger Jahren nochmals um 35 % zu unterbieten. Wie dramatisch diese Entwicklung ist, wird daran deutlich, dass die Mitgliederneuaufnahmen in der Altersgruppe 16 bis 30 Jahre seit Beginn der neunziger Jahren weit unter denen liegen, die noch in den Fünfzigern verbucht wurden.
Über die CDU liegt für die damalige Zeit kein weiteres Zahlenmaterial vor. Doch hatte sie zwischen 1980 und 1998 ebenfalls einen Beitrittsrückgang bei 16- bis 30-jährigen von 11 428 auf 4 154 Eingetretene zu erleiden. Weil der Zustrom an Jungmitgliedern ab Mitte der siebziger Jahre stark abebbte und dann nur noch Rinnsalgröße beibehielt, lassen sich die Folgen an der Entwicklung des Jungmitgliederanteils in den Parteien ablesen:
So betrug 1974 der Jungmitgliederanteil in der SPD noch 10,8 %, um schließlich Ende 1999 auf 2,8 % abzusacken. Die CDU kommt auf 2,5 %, während es 1983 noch 3,9 % waren. Insgesamt haben sich die Jungmitglieder (16 bis 24 Jahre) von SPD und CDU zusammen zwischen 1980 und Ende 1997 von 89 176 auf 31 087 reduziert und damit einen Schwund von fast zwei Dritteln zu verzeichnen. Im Bundestagswahljahr 1998 ist dagegen ein leichter Anstieg um 3 858 Youngster zu beobachten. Bei der FDP sind 1995 ganze 2 137 von 84 557 Mitgliedern (2,55 %) unter 25 Jahren.
Noch kräftiger muss bei den Großparteien die Gruppe der bis 29-Jährigen Federn lassen. So ist deren Zahl in SPD und CDU zwischen 1980 und 1998 von 229 619 auf 74 796 (minus 67 %) abgesunken. Ende 1999 ist diese Altersgruppe bei der SPD nur noch mit 6,3 und bei der CDU mit 5,5 % vertreten. Bei den Grünen sieht dieser Anteil für 1996 mit 12,5 % deutlich besser aus, doch ist er geschätzt und nicht einer zentralen Mitgliederdatei entnommen .
Nicht nur den Parteien gehen die Jungmitglieder aus, sondern auch ihre Nachwuchsorganisationen plagen sich - mit Ausnahme des erst 1994 gegründeten Grünalternativen-Jugendbündnisses (GABJ) - mit Nachwuchssorgen. Die Julis der FDP erreichen gerade einmal 7 000 Mitglieder. Die Jusos haben dagegen einen langen Weg der dramatischen Auszehrung hinter sich gebracht. Waren sie als Altersgruppe der bis 35-Jährigen noch 1975 etwas mehr als 300 000 Mitglieder stark, sind sie bis Ende 1998 auf 88 000 und damit auf 29 % ihres alten Bestandes abgesunken. Schon 1992 kamen sie nur noch auf die Hälfte der Mitglieder, die sie noch Ende der Sechziger organisierten. Die Junge Union stieg zwar noch bis zu ihrem Gipfel 1983 auf rund 260 000 Mitglieder an, um dann aber den Jusos auf ihrem Weg nach unten zu folgen. 1999 ist sie bei 139 142 Mitgliedern angelangt, ein Verlust von 53 % gegenüber ihrem Bestjahr. Immer weniger ist sie Nachwuchs-reserve der Union, weil nur noch rund ein Drittel ihrer Mitglieder bei der Mutterpartei landen.
Wie wenig Jugendliche zwischen 16 und 24 Jahren in den letzten Jahren zur SPD und CDU/CSU gefunden haben, belegt auch die Entwicklung ihres Organisationsgrades. So lag die Mitgliedschaftsrate dieser Alterspopulation seit Beginn unseres rechnerisch möglichen Beobachtungszeitraums ab 1980 immer unter ein Prozent. Auf der Zeitachse zeigt sich auf diesem niedrigen Niveau ein linearer Abwärtstrend mit der Folge, dass sich der Organisationsgrad dieser Gruppe zwischen 1980 und Ende 1997 von 0,96 auf 0,38 % absenkt. Im Wahljahr 1998 ist ein leichter Anstieg auf 0,45 Prozentpunkte zu verzeichnen. Kam 1980 auf 104 Jugendliche ein Parteimitglied, müssen 1998 durchschnittlich 222 zusammenkommen, um darunter ein Parteimitglied vorzufinden.
Nun wird bei der Ermittlung des Organisationsgrads unterstellt, dass sich alle Jugendlichen einer bestimmten Altersklasse potentiell zu den Parteimitgliedern zählen ließen. Dies ist deshalb schon absurd, weil es immer nur eine kleine Teilgruppe unter den Jugendlichen (und Erwachsenen) ist, für die nach Umfragedaten überhaupt eine Parteimitgliedschaft denkbar ist, ohne sie tatsächlich dann auch vollziehen zu müssen. Parteiarbeit zieht wie jede organisationsgebundene politische Beteiligung seit eh und je nur eine kleine, überschaubare Zahl höher gebildeter, kognitiv ressourcenstarker Mittelschichtenangehörige an , die auch noch einen deutlichen Männerüberschuss aufweisen. Deshalb wurde, wie in Abb. 2 aufgezeigt, die Zahl der Abiturienten mit der ihnen entsprechenden Zahl an Parteijungmitgliedern ins Verhältnis gesetzt, um so den Organisationsgrad dieser viel eher als Rekrutierungsreserve der Parteien in Frage kommenden Zielgruppe zu ermitteln. Wie zu erwarten war, fällt die Mitgliedschaftsquote der Studenten deutlich höher als die aller Jugendlicher insgesamt aus. Doch zeigt auch sie zwischen 1984 und 1992 eine partielle Abstiegstendenz, die bei 4,10 % beginnt und bei 3,93 endet. Ab 1993 bricht die Quote dann deutlich bis auf 2,64 % ein, was nur zu einem geringen Teil auf steigende Studentenzahlen zurückzuführen ist. Auf jeden Fall vermindern sich die Parteimitglieder unter den Studenten zwischen 18 und 24 Jahren in einem Zehnjahreszeitraum von 41 auf 26 je Tausend.
Die Daten zeigen auf, in welch verschwindend geringem Ausmaß die Parteien seit den achtziger Jahren unter Jugendlichen noch Wurzeln schlagen. Gleichzeitig wird ein chronischer Jungmitgliederschwund indiziert, weil nach einer Schwemme die Jungmitgliederzufuhr abebbte, um schließlich in einem Rinnsal zu enden. Die Parteien verlieren schon in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre an Anziehungskraft, um noch genügend Jungmitglieder rekrutieren zu können. Spätestens ab den achtziger Jahren ist es so, dass Jugendliche Parteien, bis auf einen kleinen, unverwüstlichen Bodensatz, einfach meiden. Schon Mitte der Achtziger sind sie dann schon zu rekrutierungsschwach, um noch ihren Nachwuchsbedarf zu decken.
Die Parteien waren einmal jung, begannen aber dann kontinuierlich zu altern. Bedingt durch die Nachwuchskrise wird der Alterskegel der Parteimitglieder immer stärker verzerrt, so dass der Anteil der über 60-Jährigen in CDU und SPD zwischen 1980 und 1998 von 20 auf 35 Prozent ansteigt. Die CDU besitzt Anfang 2000 sechs Mal und die SPD etwas mehr als fünf Mal so viel Mitglieder über 70 als Jungmitglieder unter 25 Jahren. Bei der PDS haben gar schon zwei Drittel der Mitglieder die Altersgrenze von 60 Jahren überschritten mit der Folge, dass 7 000 Sterbefällen im Jahr nur 2 000 Neueintritte gegenüberstehen .
Bei SPD und CDU blieb aus Nachwuchsmangel die Generation der damals Beigetretenen weitestgehend unter sich, um nun stark gealtert der Rente entgegenzusehen. Gleichzeitig fehlt eine ganze Anschlussgeneration, welche die ergraute Eintrittsgeneration aus den späten Sechzigern und frühen Siebzigern ablösen könnte. Nun rächt sich die verpatzte Regeneration, weil die Parteien in ihrem Innern wie leer gefegt wirken, um vereinzelt noch zu ihnen stoßenden Jugendlichen Ansprechpartner ihres Alters bieten zu können. Die Generationslücke ist mittlerweile so breit, dass eine ganze Elternschaft in den Parteien fehlt, die über familiäre Übertragungsprozesse ihre Parteizugehörigkeit an ihre bereits heranwachsenden Kinder weitergeben könnte. Und da es gleichzeitig an Jungmitgliedern fehlt, können diese auch nicht, wie es früher einmal üblich war, über ihre Freundeskreise und Kontaktnetzwerke Nachwuchs für die Parteien rekrutieren. Zudem wird Jugend in den kommenden Jahren aus demografischen Gründen ein rares Gut, so dass sich auch aus diesem Grund die Parteien auf eine noch stärker verschlechterte Nachwuchslage einzustellen haben. Verwundern kann es deshalb nicht, dass sie in ihrem Innern längst Vitalitätsverluste erlitten haben und zusehends an Atrophie leiden . III. Die Wahlmüdigkeit Jugendlicher
Dass die Abwendung der Jugendlichen von den Parteien tiefer als nur bis zur Organisationsunlust reicht, z eigt ein Blick auf die Entwicklung der Wahlabstinenz von jungen Erwachsenen. Zieht man die Daten der amtlichen repräsentativen Wahlstatistik für die Bundestags- und Landtagswahlen seit den achtziger Jahren heran, so zeigt sich in der tatsächlichen Wahlteilnahme von Jungwählern (18- bis 24-Jährige) ein dramatischer Abwärtstrend.
So sank die Teilnahme der Jungwähler bei Bundestagswahlen zwischen 1983 und 1990 von 84,5 auf 62,9 %, was einem Rückgang von 21,6 Prozentpunkten entspricht. Für die letzten beiden Bundestagswahlen fehlen entsprechende Daten. Bei den Landtagswahlen hat sich gar die Wahlteilnahme zwischen der Periode 1972-1976 und 1998-2000 von 70,6 auf 48,2 % abgesenkt, dies entspricht einem Rückgang von 22,4 Prozentpunkten. Die wachsende Wahlmüdigkeit ist sicherlich ein allgemeines, aber insbesondere ein jugendspezifisches Phänomen, weil sich die Schere zwischen dem Urnengang älterer Wähler und dem von Jungwählern in letzter Zeit deutlich öffnet.
Im Hinblick auf die Parteien bilden diese Befunde ein weiteres Indiz dafür, dass ihnen der Zugang zu wachsenden Teilen der Jugend entglitten ist. Für die Parteien bedeutet diese Entwicklung mehr als ein Warnsignal, wenn sich nicht einmal mehr jeder zweite Jungwähler noch an Wahlen beteiligt. Bei jungen Frauen ist die Entwicklung noch schlechter. Inzwischen ist die Wahlabstinenz unter Jungwählern fast doppelt so hoch, als etwa SPD oder CDU an Stimmen in dieser Altersgruppe erzielen könnten. Längst sind die Zeiten dahin, in denen sich irgendeine der Bundestagsparteien (unter Einschluss der Bündnisgrünen) seriöserweise als Jungwählerpartei bezeichnen konnte. Im Gegenteil bleibt sowohl der Jungmitglieder- als auch Jungwählernachwuchs aus. Als wäre die Rekrutierungskrise noch nicht genug, leiden die Parteien in wachsendem Maße auch noch unter einer Wählermobilisierungsschwäche gegenüber nachrückenden Erst- und Zweitwählern. Die - gemessen am Gesamtaufkommen von Jugendlichen - seit Jahren trübe Jungmitglieder- und Jungwählerbilanz spricht für ein wachsendes Auszehrungsproblem, in dem sich schon die Vorboten einer allgemeinen organisatorischen und elektoralen Reproduktionskrise der Parteien ankündigen.
Deutlich wurde, dass die Parteien als Orte des politischen Engagements schon in den späten siebziger Jahren (die Unionsparteien etwas später) den Anschluss an die Jugend verloren. Damals erlitten sie einen massiven Zulaufseinbruch, um danach nie wieder - bis auf eine verschwindend kleine Minderheit von unter einem Prozent - einen attraktiven Anlaufpunkt für deren politische Partizipationsvorlieben und -praktiken zu liefern. Klärungsbedürftig ist damit nicht die Organisationsmüdigkeit Jugendlicher gegenüber den Parteien schlechthin, sondern genauer, warum sie sich in einem eingrenzbaren Zeitabschnitt der zweiten Hälfte der siebziger Jahre von den Parteien abwandten und warum dann die nachfolgenden Alterskohorten in den achtziger und neunziger Jahren Parteien mieden. Es geht also um die Hintergründe einer mittlerweile chronischen Beziehungsdistanz gegenüber den Parteien, die von Jugend zu Jugend weitergegeben wurde, ohne dass die Fortdauer dieser Störung über die Länge der Zeit zwingend immer auf die gleichen Ursachen zurückzuführen wäre. Allerdings kann die Organisationsunlust Jugendlicher sicherlich nicht allein den Parteien oder anderen Großorganisationen wie Gewerkschaften in die Schuhe geschoben werden. Höchstwahrscheinlich wirken organisations- und umweltspezifische Faktoren wechselseitig aufeinander ein, ohne dass man ihren exakten Verursachungsanteil an der Nachwuchskrise der Parteien je genauer bestimmen kann. IV. Anreizschwäche von Parteien
Nachvollziehbar ist es schon, wenn gesagt wird, dass Jugendliche Parteien deshalb meiden, weil ihnen diese in Versammlungsroutinen erstarrten Großorganisationen nicht jene Mitarbeitsanreize bieten, die ihren Beteiligungsbedürfnissen und -ansprüchen entsprechen würden. Dahinter steht die Überlegung, dass sich Beitritt und Mitmachen lohnen müssen. Jugendliche treten nur dann in Parteien ein, wenn dieser Schritt auch belohnt wird, sie also jene Wünsche befriedigen können, die sie mit ihrem Eintritt verbinden.
Solch ein Erklärungsansatz hat seinen Reiz, weil Parteien in der Tat schon seit Jahrzehnten überkommene Beteiligungsmöglichkeiten anbieten, die mit ihrer erstarrten Versammlungsroutine und Vereinsmeierei auf junge Leute abschreckend wirken. Dies umso mehr, weil sich die Partizipationsansprüche erhöht haben und Jugendliche verstärkt nach aktions- und erlebnisbetonten Beteiligungsgelegenheiten verlangen. Zudem hat man sich - was dem Individualisierungstrend zuwiderläuft - auch noch dauerhaft an eine Partei durch formalen Beitritt zu binden. Dann werden auch noch diejenigen frustriert, die Teilnahme mit dem Ziel der politischen Teilhabe verbinden und konkret etwas bewegen möchten.
Was gleichwohl ein wenig an dieser psychologisch durchaus nachvollziehbaren These stört, ist deren Rationalitätsüberschuss, wenn junge Menschen wie kühle Kosten-Nutzen-Rechner gesehen werden, die ihren Beitritt davon abhängig machen, dass ein persönlicher Vorteil für sie dabei herausspringt. Zugleich wird nicht erklärt, warum Jugendliche zu Beginn der siebziger Jahre zu Hunderttausenden in die etablierten Parteien hineinströmten und sich gerade jener Beteiligungspraktiken bemächtigten, die als anreizschwach am Pranger stehen. Schließlich lassen sich mit diesem Ansatz nicht so sehr die Organisationsunlust als vielmehr die Enttäuschungen und Rückzugsphänomene erklären, die bei Jugendlichen auftreten, wenn sie nach ihrem Beitritt als erwartungsvolles Neumitglied vielfach mit persönlichen Ohnmachtserfahrungen und der Erstarrung des Binnenlebens der Parteien konfrontiert werden. V. Die Protestkultur und das Ende der Marktführerschaft der Parteien
Parteien besaßen einmal ein Monopol auf die privilegierte Ausrichtung des politischen Beteiligungsgeschehens. Das war jene Zeit, als Bürgerinnen und Bürger, die sich politisch dauerhafter über das Wählen hinaus engagieren wollten, nicht an einem Parteieintritt vorbeikamen. Dies änderte sich Ende der sechziger Jahre einschneidend, als Bürgerinitiativen entstanden und wachsender politischer Protest seinen Ausdruck über neue Formen des bürgerschaftlichen Aufbegehrens fand, was die Parteien unter Druck setzte. Über attraktive Neuanbieter von Beteiligungsmöglichkeiten entstand ein wettbewerbsintensiver Beteiligungsmarkt, der den Parteien heftig zusetzte. Die politisierte Aktivbürgerschaft fand Gefallen am antiinstitutionellen, aktionsbetonten und punktuellen Protestieren und Demonstrieren. Sie hatte nun die Wahl, sich mit ihren gewachsenen Partizipationsansprüchen und veränderten Partizipationsvorlieben entweder weiterhin Parteien anzuschließen oder aber sich den Neuanbietern zuzuwenden, um dort mitzumachen.
Die Protestkultur und der Aufstieg der neuen sozialen Bewegungen in den späten siebziger und achtziger Jahren würden vor diesem Hintergrund den Schwund an Neumitgliedern der Parteien erklären können, der zeitgleich um die Mitte der Siebziger einsetzte und ihnen dann später eine Nachwuchsebbe bescherte. Den Zeitumständen entsprechend, hat dieser Erklärungsansatz empirisch einige Aussagekraft, weil er mit der Mobilisierungskonjunktur der neuen sozialen Bewegungen korrespondiert , die das Beteiligungsgeschehen in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern diktierte.
Zunächst aber waren es die Parteien selbst, die anfangs noch von den politischen Mobilisierungseffekten der partizipatorischen Revolution profitierten. Denn erstmals wurde in der Nachkriegsgeschichte eine Jugendgeneration unter den Nachwirkungen der antiautoritären Studentenbewegung mehrheitlich gesellschaftskritisch linkspolitisiert, die ernsthaft daran glaubte, Reformparteien wie die SPD und auch die FDP vor den Karren ihrer antikapitalistischen Systemveränderungsideen spannen zu können. Dies rief kulturkämpferische gesellschaftliche Polarisierungsprozesse hervor, die, gefördert durch die konfrontative Gegenmobilisierung der Unionsparteien, auch im bürgerlichen Lager eine interventionsbereite Politisierung auslösten. Der Dialektik von Mobilisierung und Gegenmobilisierung haben SPD und CSU/CDU ihre enormen Mitgliederschwemmen zu verdanken.
Diese eintrittsförderliche allgemeine Politisierung nahm allerdings schon nach der Ölpreiskrise Ende 1973 ab, und mit dem Antritt der Regierung Schmidt 1974 endete auch die Reformeuphorie, in deren Sog Hunderttausende junger Menschen zu den sozialliberalen Koalitionsparteien gefunden hatten. Durch den konfrontativen Oppositionskurs der Unionsparteien hielt zwar deren Mitgliederzulauf weiter an, ohne jedoch dabei erkennbar Jugendliche ansprechen zu können. Die organisatorischen "Mitnahmeeffekte" der Hochpolitisierung der Jugend waren so bereits Mitte der Siebziger erschöpft, was trotz ihrer anhaltenden kognitiven politischen Mobilisierung zu einer praktischen Auszeit führte.
Erst der Ökologie- und Anti-AKW-Bewegung gelang es erneut, das Beteiligungspotential unter den von der etablierten Politik enttäuschten kritischen Jugendlichen zu repolitisieren. Hierdurch entstand ein gegen die etablierten Parteien gerichteter und ihrer Kontrolle entzogener alternativer Beteiligungsmarkt, der nicht nur von seiner politischen Stoßrichtung, sondern auch wegen seiner protest- und aktionsbezogenen Mitwirkungsformen viele jüngere Menschen, aber auch älter gewordene Angehörige der 68er Protestgeneration aus den etablierten Parteien anzog. Das langjährige Monopol auf die organisierte politische Mitwirkung ging den Parteien jedenfalls deutlich verloren. Hinzu kam eine überlegene Konkurrenz durch den Aufstieg der neuen sozialen Bewegungen, die sie mit ihren hergebrachten Beteiligungsformen antiquiert aussehen ließen. Dies ließ mich davon sprechen, dass sich Parteien "zum Ladenhüter des gewandelten Beteiligungsmarktes der achtziger Jahre entwickelt" hätten. Die etablierten Parteien wurden als Anlaufstellen politischer Mitwirkung aber auch deshalb ins Abseits gestellt , weil sich zwischen ihnen als institutionell verfassten Trägern und Verfechtern etatistisch-technokratischer Wachstums-, Energie- und Sicherheitspolitik und der bürgerschaftlichen Protestbewegung eine tiefe Kluft auftat. Die Auseinandersetzungen endeten in einem "atmosphärischen Verstimmungs"-Syndrom, das sich gegen "Stil und Ritual konventioneller Parteipolitik" schlechthin richtete .
In den Parteien selbst kam es deshalb nicht zum großen Exodus, weil sich die von Anfang an älteren Neumitglieder der Unionsparteien sowieso auf der Gegenseite des Protestlagers befanden. Dagegen standen große Teile der SPD-Neumitglieder den neuen sozialen Bewegungen nahe, deren Anliegen sie konfliktverschärfend in die Partei hineintrugen. Von Parteimitgliedern ist aus der Umfrageforschung zudem bekannt, dass sie nicht nur gegenüber unkonventionellen Partizipationsformen aufgeschlossen sind, sondern auch einschlägige Protest- und Demostrationserfahrungen besitzen . Zwischen konventioneller und unkonventioneller Beteiligung besteht nicht ein vielfach konstruierter Gegensatz, sondern sie ergänzen sich, was gerade auch daran deutlich wird, dass höher gebildete, multiaktive Jugendliche sich gegenüber beiden Partizipationsformen aufgeschlossen zeigen . Nur verstärkte die damalige Beteiligung junger Parteimitglieder an Bürgerinitiativen und den Protestaktionen der Umweltschutz-, Anti-AKW- und Friedensbewegung noch den Innendruck, so dass der innerparteiliche Belastungstest mit zum Scheitern der Schmidt-Regierung beitrug. Im Innern der Parteien machten sich Enttäuschungen und Orientierungskrisen breit, während draußen die Parteiabstinenz wuchs, weil das Protestlager die Parteien zum Hauptangriffsziel des Aufbegehrens auf der Straße machte. VI. Jugend im Partizipationsstau
Die achtziger Jahre sind insofern für die Nachwuchsprobleme der Parteien aufschlussreich, weil die von der Jugend der Siebziger getragene Protestkonjunktur nach dem Antritt der Regierung Kohl 1983 abflaute, ohne dass die erkennbar ermatteten Träger und Mitstreiter der neuen sozialen Bewegungen in einem etwas fortgeschrittenerem Lebensalter zu den Parteien gefunden hätten. Das Tischtuch zwischen ihnen und den am Ende obsiegenden Regierungsflügeln der politischen Parteien blieb zerschnitten. Schließlich betrieben die ab 1982 miteinander regierenden Union und FDP nun konsequent jene Politik weiter, gegen die unter Schmidt die Protestgeneration Sturm gelaufen war. Der Regierungsverlust bescherte dagegen der SPD ein lang anhaltendes Glaubwürdigkeitsproblem, weil die orientierungslose Partei zwischen Hinwendung zum alternativen Bewegungslager und Rückbesinnung auf das alte sozialdemokratische Kernmilieu hin und her lavierte. Die Grünen traten zwar mit Beginn der Achtziger das politische Erbe der immer mehr in die Mobilisierungsflaute geratenen neuen sozialen Bewegungen an, kümmerten sich aber nicht gezielt um das damals noch stark politisierte und vielleicht bindungsbereite Protestpotential für den Aufbau einer breiten Mitgliederbasis.
Die Jugend der achtziger Jahre wuchs unter diesen veränderten Rahmenbedingungen auf. Noch wurde sie zwar unter dem Einfluss des postmaterialistisch-grünalternativen Orientierungsbogens der neuen Politik politisch sozialisiert, sie wurde jedoch nicht - wie noch die Achtundsechziger oder die Aufbruch- und Protestgeneration der Siebziger - durch gemeinsame generationsprägende Schlüsselerlebnisse und -erfahrungen zusammengeschweißt. Vor einer eilfertigen Generationstypisierung sei gerade deshalb bei dieser losen Alterskohorte gewarnt , wenngleich vom dauerhaften politischen Erfahrungshintergrund der Ära Kohl nicht abstrahiert werden kann. Denn sie sind Kinder der immerwährenden Kanzlerschaft Kohls.
Wie schon unter Schmidt war diese Phase in den achtziger Jahren davon geprägt, unberührt von noch aufflackerndem Protest Regierungskurs zu halten und der eher linkspolitisierten unkonventionellen Beteiligungskultur den Wind aus den Segeln zu nehmen. Zudem verband sich der Regierungsstil von Helmut Kohl mit dem klaren Signal an die Aktivbürgerschaft, nach den abgelaufenen Zeiten der gesellschaftlichen Öffnung und Demokratisierung der Politik von unten nun wieder das politische Geschäft den Politikern zu überlassen und sich selbst wieder auf die Zuschauerränge der politischen Arena zurückzuziehen.
Während die Protestgeneration noch glaubhaft machen konnte, der eigenen Generation politisches Gewicht verliehen zu haben, blieben diese prägenden Erfolgserlebnisse für die Jugend der achtziger Jahre aus. Bei ihr setzten politisch vielmehr Entwöhnungseffekte ein, weil sie zur Kenntnis zu nehmen hatte, wie wirkungsohnmächtig jetzt noch politisches Intervenieren war und zu welcher Bedeutungslosigkeit sie als politische Kraft herabgestuft wurde. Schließlich bekamen sie die erfahrungsgesättigte Gewissheit mit, dass es sich gegenüber einer hermetischen Politiker-Politik nicht lohnt, diese noch einmischend oder gar protestierend zu hinterfragen. Insofern trug die Kohl-Ära und die davon nicht zu trennende Bewegungsflaute zur Demobilisierung der Jugend bei, die gleichwohl ihr Interesse an der Politik aufrechterhielt . Nur nützte das nichts, denn der große Mobilisierungszyklus der Siebziger endete nun in der Tat in der Flaute. Die großen Themen und konfrontativen Anlässe blieben aus, um unter Kohl erneut einen Protestzyklus in Gang zu setzen. Zudem hatte der Erfolg der Grünen den Effekt, die weiterhin schwelenden Streitpunkte zwischen alter und neuer Politik in das Parteiensystem hineinzutragen und zu parlamentarisieren.
So stand die Jugend der achtziger Jahre von der kognitiven Mobilisierungsseite aus betrachtet für politisches Engagement bereit, ohne dass sich das in Bereitschaft stehende Beteiligungspotential - in Ermangelung einer förderlichen Gelegenheitsstruktur - noch irgendwo entladen konnte. Zwar bekundeten die befragten Jugendlichen ihre ausgeprägte Vorliebe für legale Formen unkonventioneller Partizipation, doch tat sich dann eine gewaltige Schere auf, wenn die bekundete Partizipationsbereitschaft mit den tatsächlich gemachten Partizipationserfahrungen verglichen wurde.
Von einem Transfer politischen Interesses in tatsächliches politisches Handeln kann also für die damalige Situation nicht mehr gesprochen werden. Diese Jugend stand mit ihrem Partizipationsbegehren gewissermaßen im Stau, ohne sich von der Politik ganz abzukehren. Der Weg in den Protest war ihr entwöhnt und den Weg in die Institutionen und damit auch in die Parteien wollte sie nicht gehen. Demonstrierte doch die herrschende Politik ihre Interesselosigkeit, was unter den Jugendlichen politische Ohnmachtsgefühle und das Empfinden, ausgeschlossen und vernachlässigt zu sein, nur noch steigerte . VII. Vertrauensschwund als Eintrittshürde
Parteien sind normative Organisationen oder auch politische Tendenzbetriebe. Sie legitimieren sich dadurch, dass sie für bestimmte Richtungen, Ideen und Wertvorstellungen einstehen, die sie im Kampf um die Macht zu verwirklichen streben. Parteien bekommen allerdings dann ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn sich politisches Programm, Reden und Handeln ihrer Wortführer und Spitzenvertreter offenkundig nicht decken und Skandale anzeigen, dass Parteipolitiker schnöde Selbstsucht antreibt. Dies erzeugt nicht nur Vertrauens- und Integritätsverlust, sondern untergräbt auch das ideologische Bindungsmotiv, das gerade jüngere Menschen zum Parteieintritt bewegen könnte. Zahlreiche Umfragen belegen, dass Parteien über die letzten beiden Jahrzehnte große Teile ihres notwendigen Vertrauenskredits verspielt haben. Diese Diskreditierung geht nicht nur unter Jugendlichen um, sondern hat unter der ganzen Bevölkerung Platz gegriffen . Unzufriedenheit mit den Parteien und deren Vertrauens-schwund reichen bis in die frühen achtziger Jahre zurück, um sich dann im letzten Jahrzehnt in eine chronische mentale Beziehungskrise auszuwachsen. So sind die Zustimmungswerte für Glaubwürdigkeit oder Vertrauen in die Parteien bei Jugendlichen verschiedentlich auf das Tiefstniveau von 5 % abgesunken .
Die Parteienverdrossenheitswelle der frühen Neunziger hat in der Einstellung gegenüber den Parteien tiefe Spuren hinterlassen, zumal sie seitdem als Objekte weitverbreiteten Argwohns und Misstrauens sowie des öffentlichen Unmuts und Ärgernisses angesehen werden müssen. Auch steht die von ihnen verantwortete Politik unter Generalverdacht, sich nicht um die Sorgen der Bürger, sondern um die eigenen Interessen zu kümmern. Abgerundet wird dieses düstere Bild noch durch den Integritätsverfall der politischen Klasse. Dabei ist es nicht so, dass Parteien grundsätzlich feindselige Ressentiments entgegenschlügen oder die Identifikation mit der demokratischen Ordnung in Frage stände. Am Pranger steht vielmehr die konkret erlebte Parteienwirklichkeit, an der sich das Missstandsempfinden entzündet. Bei Jugendlichen haben die Verhältnisse tief sitzende Vernachlässigungs- und Entfremdungsgefühle gegenüber den Parteien und Politikern ausgelöst, die sich über die letzten Jahre noch verstärkt haben . Hinzu tritt, dass sie sich auch in ihrem politischen Einfluss eklatant stärker ausgegrenzt fühlen .
Parteien gehören mittlerweile zu einer den Jugendlichen gegenüber fremd gewordenen, abgehobenen, selbstbezogenen und moralisch diskreditierten Welt, auf die sie ihrerseits mit abweisender Distanz und Abwendung reagieren. Deshalb muss auf jeden Fall dieses massive Entfremdungsproblem als wichtiger Eklärungsfaktor für den anhaltenden Organisationsverdruss, aber auch für die wachsende Wahlabstinenz unter den Jungwählern herangezogen werden. Dies gilt auch für den Schwund von Abiturienten unter den Parteijungmitgliedern, der auf eine vergleichbare Beziehungsstörung hinweist . VIII. Jugendliche in den neunziger Jahren
Jugend zerfällt in den neunziger Jahren noch stärker als in den Achtzigern in differente Szenen und Lebensstilgruppen, denen ein gemeinsamer Nenner abgeht, um überhaupt noch von einer Generation sprechen zu können. Jedenfalls sind die Jugendlichen der Neunziger nicht mehr Kinder der partizipatorischen Revolution. Selbst die in den achtziger Jahren weitverbreitete These, dass bei Jugendlichen das "Bedürfnis nach politischer Partizipation . . . auf breiter Front seit dem Ende der siebziger Jahre bis heute gewachsen sei" , kann für die letzten Jahre nicht mehr einfach so fortgeschrieben werden. Immerhin war 1980 die Popularität für nichtinstitutionalisierte direkte Aktionsformen unter der westdeutschen Bevölkerung im Vergleich zu 1974 bereits rückläufig. Es ist zweifelhaft, ob die aus einer einzigartigen Aufbruch- und dann Aufbegehrenssituation herrührende Beteiligungskultur der siebziger Jahre auf die nachgewachsenen Jugendlichen der späten achtziger und neunziger Jahre übertragen wurde.
Die Partizipationsgeneration der siebziger und frühen achtziger Jahre ist in der Tat längst "verschlissen" und "ausgebrannt" , ohne dass eine neue Generation nachgerückt wäre, die der seit den späten Achtzigern um sich greifenden Partizipationsstagnation eine Wende hätte geben können. Für heutige Jugendliche ist dagegen die 68er Studentenrevolte und deren bewegungsförderliches Nachbeben in den Siebzigern und frühen Achtzigern nichts weiter als langweilige Historie. Auch vom "Widerspruch" und "Primat des Politischen" der damaligen Aufbruchgeneration ist unter heutigen Jugendlichen nichts mehr zu verspüren. Vielmehr scheint es so, als hätten sie keine Lust mehr darauf, das aktionsbetonte und provozierende Aufbegehren gegen die "repressive Staatsgewalt" weiterzuführen. Nun ist aber auch die heutige Jugend weniger von gesellschaftspolitischen Kontroversen geprägt als vielmehr von MTV, Viva, Bravo-TV und Lifestyle-Magazinen.
Anders als bei der Jugend der achtziger Jahre geht es heute auch nicht mehr um einen Prozess des widerwilligen Politikentzugs, sondern fraglich ist, ob sich Jugendliche überhaupt noch auf den Politikbetrieb einlassen. Es scheint so, als hätte sich die Begründung für politische Distanz vom Gesellschaftlichen weg hin zum Privaten vollzogen und damit hin zu einer Tendenz der politischen Einmischungsverarmung unter Jugendlichen. Sie scheinen einem "diffusen . . . antipolitischen Politikverständnis" anheim zu fallen. Diese Blickrichtung überrascht allemal, weil trotz der verwirrenden Datenlage ein massiver Rückgang des politischen Interesses der Jugendlichen nicht zu vermelden ist . Eine Ausnahme bilden die ostdeutschen Jugendlichen, deren sinkendes politisches Interesse im Trend einer wendebedingten politischen Demobilisierung liegt . Weiterhin geben Umfragedaten kund, dass die Jugendlichen der neunziger Jahre mit ihren Vorlieben für aktionsbetonte, unkonventionelle Partizipation nicht hinter dem Berg halten. Nur lässt sich wirklich nicht aus der vielsagenden "Billigung", "Befürwortung" und auch "Unterstützung" oder selbst "Bereitschaft zu" unkonventioneller Partizipation auf verstärkte Nachfrage oder Nutzung dieser Möglichkeiten schließen .
Zur Einschätzung des auch für Parteien wichtigen tatsächlichen Beteiligungspotentials heutiger Jugendlicher ist zunächst einmal die Tatsache aufschlussreich, dass politische Mitarbeit- und Teilnahmeerfahrungen selbst auf dem Felde unkonventioneller Partizipation auffallend rar sind. Schon dies sollte zur Vorsicht gemahnen, aus der "bekundeten Akzeptanz von verschiedenen Partizipationsformen . . . tatsächliche Partizipationspotentiale abzuleiten" . Es ist wohl so, dass verbale Zustimmungsbekundungen für nichtorganisierte, unkonventionelle Formen politischer Partizipation dafür sprechen, dass Jugendliche diese Praktiken für absolut legitim und selbstverständlich halten und dass diese damit jeglichen Anschein des Unschicklichen abgestreift haben. Auch spricht dies für die breite gesellschaftliche Akzeptanz, die einstmals unkonventionelle Beteiligungspraktiken inzwischen gewonnen haben. Nur sprechen die erfragten tatsächlichen Mitarbeitserfahrungen insofern eine andere Sprache, weil sie verdeutlichen, dass Jugendliche sich nur noch sehr selektiv auf Beteiligungsmöglichkeiten einlassen. Solche Formen wie "Unterschriften leisten" und "an einer Demonstration teilnehmen", die persönlich anspruchslos sind und sich mit einem Minimum an Aufwand und Zeit erledigen lassen, werden vergleichsweise häufiger genutzt. Dagegen steht organisierte Mit-Arbeit, und da sind Bürgerinitiativen und Basisgruppen der neuen sozialen Bewegungen eingeschlossen, für rund 90 % der Jugendlichen außerhalb ihres tatsächlich aktivierten Handlungsrepertoires. Dies spricht dafür, dass die Scheidelinie heute nicht mehr zwischen unkonventioneller oder konventioneller, sondern vielmehr zwischen anstrengender und nicht anstrengender Partizipation gezogen wird. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt darin, dass dauerhafte Mit-Arbeit nicht mit Freizeit assoziiert, sondern als verpflichtend, lästig und einengend empfunden wird . Für Jugendliche muss Freizeit "geopfert" werden. Der Trend der politischen Partizipation geht zur Schonhaltung und leichten Kost, während man sich die schweren Brocken des ernsthaften, längerfristigen Auseinandersetzens mit Politik nicht mehr antun möchte. In das Verhältnis zur Politik hat sich damit etwas Nachlässiges und Flüchtiges eingeschlichen, was mit der Selbstentpflichtung von den aufwendigen Ansprüchen der demokratischen Staatsbürgerrolle einhergeht.
Anders noch kann man auch von einer Tendenz Jugendlicher in den neunziger Jahren weg von der investiven und interventiven hin zur konsumtiven politischen Partizipation sprechen. Politisches Engagement reduziert sich auf die Fortsetzung des Fast-Food-Konsums mit anderen Mitteln. Jugend will Politik zu ihren Bedingungen und die heißen "politics light" und Wohlfühlpartizipation. Das Paradoxe an dieser Entwicklung des anstrengungsvermeidenden Disengagements ist, dass wahrscheinlich noch keine Generation über so viel kognitive Kompetenz und politische Ressourcenausstattung wie die gegenwärtige verfügt hat, ohne davon gleichzeitig so wenig Gebrauch zu machen. IX. Gesellschaftliche Marginalisierung von jugendlichen Parteimitgliedern
Parteimitgliedschaft bildet auf der einen Seite eine klassische Ausdrucksform für politisches Engagement. Nur wird auf der anderen Seite politisches Einflussstreben allein nicht ausschlaggebend für einen Parteibeitritt sein, sondern es sind daneben immer auch gesellschaftlich und zwischenmenschlich begünstigende Faktoren oder abhaltende Hindernisse einzubeziehen, die auf eine Bindungsentscheidung einwirken können. Anzunehmen ist, dass Jugendliche sich eher den Dingen in ihrer Alltags- und Freizeitwelt zuwenden bzw. anderen nacheifern werden, wenn das, worum es geht, Prestige verleiht und das Ansehen unter Altersgleichen steigert. Ließe sich dies auf Mitarbeit in Parteien übertragen, könnten sie ohne ihr besonderes Zutun mit vermehrtem Zuspruch unter Jugendlichen rechnen. Umgekehrt hält das Jugendliche aber von einer Bindung fern, wenn sie bei einem Eintritt mit Geltungs- oder Umgangsschwierigkeiten ihren altersgleichen Kontakt- und Bezugsgruppen gegenüber rechnen müssten. Damit ist vom Erklärungshintergrund etwas anderes gemeint, als wenn schlechter Leumund der Politiker und Skandalverwicklung politischer Parteien gerade moralisch sensibilisierte und idealistisch gesonnene Jugendliche von einem Mitmachen in Parteien abbringen.
Dieser bislang noch so gut wie gar nicht von der politischen Partizipationsforschung beachtete jugendgesellschaftliche Zusammenhang ist erstmalig im Herbst 2000 mit Hilfe eines Befragungstests mit Gymnasialschülerinnen und -schülern der 11. bis 13. Klassen eines Hamburger Gymnasiums untersucht worden. Den Probanden wurde zunächst eine Liste mit zufällig geordneten Eigenschaften vorgelegt, die mit folgender Aufgabenstellung verbunden war:
"Christian und Kathrin sind 18 Jahre alt und gehen noch zur Schule. Sie sind Mitglied einer politischen Partei und machen dort regelmäßig bei den Parteiveranstaltungen mit. Sie haben auch schon mal während des Wahlkampfs Plakate geklebt. Was, meinst Du, könnte Deiner Ansicht nach von den unten aufgelisteten Dingen auf die beiden zutreffen? Kreuze bitte an!"
Dabei konnten die Antwortvorgaben "stimmt voll und ganz", "stimmt eher", "stimmt eher nicht" und "stimmt überhaupt nicht" angekreuzt werden. Nach dem Ausfüllen dieses Eigenschaftstests war die gleiche Liste nochmals zu beantworten, nun aber mit folgendem Kopf versehen:
"Jennifer und Thomas sind beide 18 Jahre alt und gehen noch zur Schule. In ihrer Freizeit machen sie bei einer Bürgerinitiative mit, die sich für den Schutz der Umwelt einsetzt. Sie haben auch schon eine Unterschriftensammlung organisiert. Was, meinst Du, könnte Deiner Ansicht nach von den unten aufgelisteten Dingen auf die beiden zutreffen? Kreuze bitte an!"
Beide Testblätter endeten jeweils mit der Abschlussfrage: "Wie sieht es aus? Ich möchte die beiden gerne mal kennen lernen" und "die beiden interessieren mich nicht".
Zunächst einmal fällt auf, dass sich die Schülerinnen und Schüler über die Partei- und die Bürgerinitiativen-Mitglieder in ihren Reihen höchst differenziert äußern. Es zeigen sich zwei Eigenschaftsprofile, die sich in ihrer Ausprägung deutlich unterscheiden. Parteimitgliedern wird auf der einen Seite bescheinigt, viel Zeit zu opfern (95,7 %), gut informiert (86,8 %) und zielstrebig (81,2 %) zu sein. Zwei Drittel glauben, dass sie etwas Nützliches und etwas für die Gemeinschaft täten. Hiermit korrespondiert, dass sie nicht für egoistisch (15,4 %) gehalten werden. Mut und Intelligenz wird ihnen ebenfalls mehrheitlich zugerechnet. Sie haben zwar viel Spaß (61,5 %), aber auf der anderen Seite meinen gleichzeitig 54,1 bzw. 53,6 %, dass sie etwas Langweiliges täten und ihre Freizeit vergeudeten. Auch dass sie sich für etwas Tolles einsetzten, wird ihnen nur von 44,1 % abgenommen. Jeden Zweiten nerven sie mit ihrem Gequatsche. Doch dass sie karrieregeil, unbeliebt und angepasst oder gar "out" sein könnten, wird mit deutlicher Mehrheit zurückgewiesen. 83,8 bzw. 89,9 % glauben nicht, dass sie viel für Jugendliche erreichen oder viel Einfluss haben. Und schließlich meinen nur wenige, dass Parteimitglieder unter die Kategorie von interessanten (21,2 %), hoch angesehenen (14,9 %) oder gar coolen (4,6 %) Zeitgenossen fallen würden. Dies erklärt vielleicht auch, dass nur 13 von 69 Befragten die beiden gern mal kennen lernen würden, während 49 kein Interesse an den beiden haben.
Erkennbar an diesen Antworten ist, dass jugendliche Parteimitglieder für ihre Parteiarbeit keine Respektlosigkeit und Herablassung unter Altersgleichen ernten. Soziale Ausgrenzung haben sie nicht zu gewärtigen. Anerkannt wird dagegen, dass sie sich selbstlos und ohne unlautere Motive für etwas Gemeinschaftliches einsetzen. Dass sie dabei aber etwas erreichen könnten, wird ihnen nicht abgenommen. Sie rackern sich da für etwas ab, was der Mühe nicht wert ist und nicht einmal Ansehen einbringt. Es ist eben etwas, was nicht "cool" ist. Wertschätzung und Interesse haben Parteimitglieder unter diesen Umständen in ihrer Altersgruppe nur sehr begrenzt zu erwarten. Das "Uncoole" geht im Gegenteil so weit, dass Parteiarbeit sich aus dem Zentrum der Alltagsästhetik und des Lebensgefühls Jugendlicher ins Randständige verflüchtigt.
Parteimitglieder verkörpern damit eine irgendwie merkwürdige Spezies. Ihnen wird das Image des leicht Absonderlichen verpasst, das sie mit all denjenigen teilen, die sich noch in den jugendfernen öffentlichen Räumen der Gewerkschaftsarbeit, der Kirchenarbeit und eben der Parteiarbeit engagieren.
Im Vergleich hierzu ist schon bemerkenswert, dass Mitgliedern von Bürgerinitiativen weitaus einhelliger (89,6 %) bescheinigt wird, etwas Nützliches zu tun und weniger Freizeit zu vergeuden (46,2 %). Ein bisschen intelligenter sind sie auch, was sich aber mit mehr Wichtigtuerei und Mangel an Mut paart. Auch bekommen sie weniger als Parteimitglieder geboten, sind mehr "out" und werden deutlich als egoistischer eingeschätzt. Dafür sind sie einflussreicher und mit höherem Ansehen ausgestattet. In "Coolness" schlagen sie Parteimitglieder um 51,6 %-Punkte. Die 45 %, welche die beiden Mitglieder der Bürgerinitiative einmal kennen lernen möchten, halten sich fast die Waage mit den 49 %, die kein Interesse an ihnen haben.
Insofern besitzt Mitarbeit in Bürgerinitiativen unter Jugendlichen einen Prestigevorteil, ohne dass dieser so groß wäre, dass sich nun alle zu den Mitgliedern von Bürgerinitiativen hingezogen fühlen würden. Im Eigenschaftsprofil von Parteimitgliedern schlummert offenbar ein Imageproblem, zumal Jugendliche am Sinn zweifeln, warum man sich für etwas, was nichts einbringt, einsetzen sollte. Für Parteien ist das ein weiteres Indiz dafür, aus der Bezugs- und der Orientierungswelt von Jugendlichen verdrängt zu werden. X. Fazit
Jugendliche bleiben den Parteien aus Gründen fern, die sich teils überlappen und teils im Wandel jugendlicher Beteiligungskultur zu suchen sind. Danach lässt sich das Beziehungsverhältnis Jugendlicher zu den Parteien über die letzten 25 Jahre als Dreischritt von Hinwendung, Abwendung und Loslösung beschreiben. Zunächst trug sie die politische Mobilisierung in die Parteien hinein, um sich dann bald von ihnen weg hin zu den neuen sozialen Bewegungen zu verlagern. Nach deren Flaute und gezielter Abschottung der Politik geriet das noch nicht demobilisierte Beteiligungspotential in einen Stau.
Die neunziger Jahre brachten eine Neubestimmung des Verhältnisses der Jugend zur Politik, die sie das tun lässt, was nicht mit Mit-Arbeit, Anstrengung und Beharrlichkeit verbunden ist. Diskreditierung der Parteien und Marginalisierung von Parteimitgliedern verstärken noch den Effekt, dass der ohnehin schon verschwindend kleine Kreis politisch interessierter und bindungsgeneigter Jugendlicher am Parteibeitritt gehindert wird. Bei der Masse der anderen verschwinden Parteien aus deren Lebenskreis. Jugend und Parteien haben sich wechselseitig voneinander gelöst, und aus dem Kontaktabriss resultieren Kommunikationsstörungen und Verständigungsblockaden.
Insofern sind die Parteien zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit Entwicklungen konfrontiert, die sich allesamt problemverschärfend auf ihre prekäre Nachwuchslage auswirken. Vertrauen und Wohlwollen sind verspielt, was sie sich selbst zuzuschreiben haben. Abgeschnitten von der Jugend, geht ihnen in der Tat die Anschlussfähigkeit an den Gesellschaftswandel verloren. Nun umgibt sie eine politische Wellness- und Schongang-Generation, der sie durch Entertainisierung ihres Mitmachangebots entgegenkommen müssten. Doch hätte die Umwandlung von Mit-Arbeit in Events und Spaß ihren Preis, zumal die Parteien ohne ein Mindestmaß an dauerhaftem, stetigem und auch geregeltem jugendlichem Engagement ihre Existenzberechtigung als ernsthafte Ausrichter politischer Willensbildung untergraben würden. Wie gerne wünschten sie sich unter diesen Umständen die alten Zeiten zurück. Doch war der damalige Zustrom Hunderttausender von Jugendlichen wohl nur das Resultat einer einmaligen Ausnahmesituation, die sich als Episode nicht noch einmal wiederholen wird.
Vgl. hierzu Richard Meng, Auf der Suche nach der (fast) verlorenen Jugend, in: Frankfurter Rundschau vom 15.9.1989, S. 3.
Zum komplexen Erklärungshintergrund vgl. Elmar Wiesendahl, Der Marsch aus den Institutionen. Zur Organisationsschwäche politischer Parteien in den achtziger Jahren, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 21/90, S. 10 ff.
Vgl. Wulf Schönbohm, Die CDU wird moderne Volkspartei, Stuttgart 1985, S. 196 f.
Vgl. Oskar Niedermayer, Innerparteiliche Partizipation, Opladen 1989, S. 84 f.
Vgl. Regine Barth, Auswertung der Umfrage zu Jugendstrukturen und jungen Mitgliedern vom 28.4.1996, internes Papier der Bündnis 90/Die Grünen.
Vgl. Jan W. van Deth, Formen konventioneller politischer Partizipation. Ein neues Leben alter Dinosaurier?, in: Oscar W. Gabriel (Hrsg.), Politische Orientierungen und Verhaltensweisen im vereinigten Deutschland, Opladen 1997; Martina Gille/Winfried Krüger (Hrsg.), Unzufriedene Demokraten. Politische Orientierungen der 16- bis 29-Jährigen im vereinigten Deutschland, Opladen 2000, S. 272 ff., 426 ff.
Vgl. Evelyn Roll, Das Mülleimer-Gefühl eines Vorsitzenden, in: Süddeutsche Zeitung vom 13.1.1997, S. 3.
Vgl. Elmar Wiesendahl, Noch Zukunft für die Mitgliederparteien? Erstarrung und Revitalisierung innerparteilicher Partizipation, in: Ansgar Klein/Rainer Schmalz-Bruns (Hrsg.), Politische Beteiligung und Bürgerengagement in Deutschland, Bonn 1997, S. 367 ff.
Vgl. Friedhelm Neidhardt/Dieter Rust, Protestgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1950-1994, in: Max Kaase/Günther Schmid (Hrsg.), Eine lernende Demokratie. 50 Jahre Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1999, S. 135 ff.
E. Wiesendahl (Anm. 2), S. 13.
Vgl. ders., Etablierte Parteien im Abseits? Das Volksparteiensystem der Bundesrepublik vor den Herausforderungen der neuen sozialen Bewegungen, in: Ulrike C. Wasmuth (Hrsg.), Alternativen zur alten Politik? Neue soziale Bewegungen in der Diskussion, Darmstadt 1989, S. 98 ff.
Fritz Plasser, Parteien unter Stress, Wien-Köln-Graz 1987, S. 167.
Vgl. Wilhelm P. Bürklin/Viola Neu/Hans-Joachim Veen, Die Mitglieder der CDU, Sankt Augustin 1997, S. 42 ff.
Vgl. Ursula Hoffmann-Lange, Trends in der politischen Kultur Deutschlands: Sind Organisationsmüdigkeit, Politikverdrossenheit und Rechtsextremismus typisch für die deutsche Jugend?, in: Gegenwartskunde, (1999) 3, S. 370; vgl. auch dies., Jugend zwischen politischer Teilnahmebereitschaft und Politikverdrossenheit, in: Christian Palentien/Klaus Hurrelmann, Jugend und Politik, Neuwied-Kriftel-Berlin 1997, S. 196.
Vgl. Wilfried Ferchhoff/Georg Neubauer, Patchwork-Jugend. Eine Einführung in postmoderne Sichtweisen, Opladen 1997, S. 122 f.
Belege hierfür sind zu finden bei Wolfgang Melzer, Jugend und Politik in Deutschland, Opladen 1992, S. 89 f.; vgl. auch Hans M. Uehlinger, Politische Partizipation in der Bundesrepublik, Opladen 1988, S. 242.
Vgl. Jugendwerk der Deutschen Shell (Hrsg.), Jugend '92, Opladen 1992.
Vgl. Helmut Jung, Ist mit unserer Jugend noch Staat zu machen?, in: Sonderausgabe Politische Studien, (1996), S. 17.
Vgl. die Spiegel-Jugendumfrage '94, in: Der Spiegel, Nr. 38/1994, S. 70; Emnid-Daten zur "Bravo-Generation 1999", zit. in: Joachim Hofmann-Göttig, Der Jugend eine Zukunft. Politische Herausforderungen durch die nachwachsende Generation, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B19-20/2000, S. 29.
Vgl. Gerd Pickel, Politisch verdrossen oder nur nicht richtig aktiviert?, in: Rainer K. Silbereisen/Laszlo A. Vaskovic/Jürgen Zinnecker (Hrsg.), Jungsein in Deutschland. Jugendliche und junge Erwachsene 1991 und 1996, Opladen 1996, S. 91 f.; Wolfgang Gaiser u. a., Politikverdrossenheit in Ost und West? Einstellungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B19-20/2000, S. 18; Jürgen Maier, Politikverdrossenheit in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 2000, S. 39 ff.
Vgl. Gert Pickel/Dieter Walz, Politische Einstellungen junger Erwachsener in den neuen und den alten Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1996: nicht staatsverdrossen, aber desillusioniert, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen (Zparl.), 25 (1997), 4, S. 596 f.; Gerhard Schmidtchen, Wie weit ist der Weg nach Deutschland?, Opladen 1997, S. 265.
Vgl. Rainer Brämer, Studis im Vakuum. Empirische Befunde zum politischen Rückzug der studentischen Jugend, in: WSI-Mitteilungen, (1993) 4, S. 195 ff.
Hans-Joachim Veen, Lebensperspektiven, Arbeitsorientierungen und politische Kultur Jugendlicher in der Mitte der 80er Jahre, in: Rüdiger von Voss/Karl Friedrich (Hrsg.), Die Jungwähler, Stuttgart 1986, S. 54.
Franz Walter/Tobias Dürr, Die Heimatlosigkeit der Macht, Berlin 2000, S. 59.
Klaus-Jürgen Scherer, Zuwendung und Abwendung von Politik? Jugendgenerationen der siebziger und neunziger Jahre, in: Sibylle Reinhardt/Dagmar Richter/ders., Politik und Biographie, Schwalbach/Ts. 1996, S. 85.
K.-J. Scherer (Anm. 25), S. 92.
Vgl. die widersprüchlichen Befunde bei Deutsche Shell (Hrsg.), Jugend 2000, Opladen 2000, S. 263; ipos, Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland, Mannheim, Dezember 1999, S. 87 f.; Andreas Kießling, Politische Kultur und Parteien im vereinten Deutschland, München 1999, S. 57 ff. Anmerkung der Redaktion: Siehe auch den Beitrag von A. Kießling in diesem Heft.
Vgl. Peter Förster/Walter Friedrich/Harry Müller/Wilfried Schubarth, Jugend Ost: Zwischen Hoffnung und Gewalt, Opladen 1993, S. 63.
Vgl. Meredith W. Watts, Politische Beteiligung außerhalb der Institutionen, in: R. K. Silbereisen/L. A. Vaskovic/ J. Zinnecker (Anm. 20), S. 99 ff.
Martina Gille u. a., Politische Orientierungen, Werthaltungen und die Partizipation Jugendlicher: Veränderungen und Trends in den 90er Jahren, in: Christian Palentien/Klaus Hurrelmann (Hrsg.), Jugend und Politik, Neuwied-Kriftel-Berlin 1997, S. 170.
Vgl. Horst W. Opaschowski/Christian Duncker, Jugend und Freizeit, B.A.T. Freizeit-Forschungsinstitut, Hamburg 1996, S. 4 f., 23.
| Article | Wiesendahl, Elmar | 2021-12-07T00:00:00 | 2011-10-04T00:00:00 | 2021-12-07T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/26416/keine-lust-mehr-auf-parteien-zur-abwendung-jugendlicher-von-den-parteien/ | Die politischen Parteien leiden unter dem Ausbleiben von Jungmitgliedern. Der Beginn dieser fatalen Entwicklung lässt sich bis in die siebziger Jahre zurückverfolgen. | [
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Auf den Spuren des ostdeutschen Staates | Deutschland Archiv | bpb.de | Einleitung
Als Marion Winter an einem Sommertag im Jahr 1971 in der bundesdeutschen Botschaft in Belgrad ihren Pass bekommt, hat sie bereits eine lange, abenteuerliche Reise hinter sich. Sie ist aus der DDR mit dem Zug nach Ungarn gefahren, um dort ihren französischen Verlobten zu treffen. Die beiden kennen sich vom Studium in Leipzig, wollen heiraten, dürfen aber nicht. Frankreich erkennt die DDR als Staat noch nicht an, die DDR-Behörden sperren sich gegen die Ehe. Mit dem Peugeot 403 von Marion Winters Schwiegereltern fährt das Paar gemeinsam Richtung Jugoslawien. Vor der Grenze versteckt sie sich in einer eingebauten Metallkiste zwischen hinterer Sitzbank und Kofferraum. Die Flucht gelingt. 1972 heiratet Marion Winter in Caen ihren Verlobten und Fluchthelfer und erhält die französische Staatsbürgerschaft. Sie wird Deutschlehrerin an einem Gymnasium. 1988 wird in Caen das Musée du mémorial eröffnet, das nah am historischen Ort der Landung alliierter Truppen 1944 an das Ende des Zweiten Weltkrieges erinnern und die Geschichte von Krieg und Frieden im 20. Jahrhundert vor allem jungen Generationen vermitteln soll. 2009, zum 20. Jahrestag des Mauerfalls, eröffnet ein neuer Teil der Dauerausstellung mit dem Titel „Berlin au coeur de la guerre froide“ (Berlin im Zentrum des Kalten Krieges). Unter den Leihgebern und -geberinnen ist Marion Winter-Baucher, die Bücher, Urkunden und weitere Erinnerungsstücke aus ihrer Schulzeit in der DDR der Sammlung des Museums übergeben hat. Im Bereich zu Alltag und Repression sind sie in einer Vitrine als Objektensemble ausgestellt. Im Begleitheft zur Ausstellung für die Sekundarstufe I ist ein Foto dieses Ensembles unter den Schlagworten „DDR: Gesellschaft, Propaganda und Repression“ abgedruckt. Marion Winter-Baucher steht dem Mémorial auch als Zeitzeugin für Gespräche mit Schulklassen zur Verfügung. Am Mémorial de Caen ebnete das Engagement einer ostdeutsch-französischen Kulturmittlerin in Verbindung mit den kulturpolitischen Entscheidungen der Stadt Caen und des Wissenschaftlichen Beirats des Mémorial einem kleinen Ausschnitt von DDR-Geschichte den Weg ins Museum.
Der französische Blick auf die DDR
Schon in den 1960er Jahren, bevor die französische Regierung die DDR anerkannte und offizielle politische Beziehungen aufnahm, gab es in Frankreich insbesondere in kommunistisch geprägten Kreisen, ein reges Interesse an der DDR.Für sie war die DDR ein interessantes sozialistisches Experiment. Und sie galt als das bessere Deutschland durch ihr Bekenntnis zum Antifaschismus. Nach der Öffnung der Mauer 1989 reiste der französische Präsident François Mitterrand nach Ost-Berlin und Leipzig, um mit seiner Delegation für einen demokratischen DDR-Staat in einer zukünftigen Europäischen Union zu werben. Das Interesse an der DDR galt in Frankreich, zumindest unter der politischen Linken, weitgehend auch ihrem Fortbestehen. Gleichzeitig gab es 1989 in Frankreich, zum 200. Jahrestag der Französischen Revolution, eine solidarische Parteinahme für die ostdeutsche Bürgerbewegung und das Streben der Ostdeutschen nach Freiheit und Demokratie. Die historischen Ausstellungen französischer Kuratorinnen und Kuratoren über die DDR, die nach 2009 eröffnet werden, knüpfen teilweise an dieses – durchaus von Widersprüchen geprägte – Interesse an der DDR an.
Vermittlungsauftrag Zeitgeschichte versus Erinnerungen an ein verschwundenes Land
Im Unterschied zum föderalistischen Deutschland erteilt das Erziehungsministerium im zentralistischen Frankreich einen staatlichen Auftrag zur Vermittlung von Zeitgeschichte an Jugendliche. Die Lehrpläne für Geschichte und Geografie zwischen 2008/2009 und 2019 brachten die Geschichte des geteilten Berlins im Kalten Krieg sowie zwischen 2011 und 2019 die Geschichte der DDR als Teil der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung in die Schulbücher und andere Vermittlungsangebote. Zu diesen Angeboten gehört auch die eingangs genannte Dauerausstellung des Mémorial de Caen, die lehrplankonform Aspekte der DDR-Geschichte präsentiert. Sie nutzt mit einer didaktischen Aufbereitung eine andere Ästhetik als temporäre Ausstellungen, die freier in der Gestaltung und Zuspitzung von Themen sind.
Zwei solcher temporären Ausstellungen über die (verschwindende) DDR zeugen von einem ganz eigenen französischen Blick auf den ostdeutschen Staat und sein Erbe, indem sie Verschwundenes sichtbar machten. Zeitgleich mit der Eröffnung des neuen Ausstellungsabschnitts zu Berlin im Mémorial de Caen wurde die Ausstellung „Berlin 1989-2009: L’effacement des traces“ (Berlin 1989-2009: Die Tilgung der Spuren) des Musée d’histoire contemporaine (Museum für Zeitgeschichte) im Pariser Hôtel des Invalides gezeigt. Sie könnte als eine individuelle Auseinandersetzung des dreiköpfigen Kuratorenteams angesehen werden, wenn nicht 2017 mit „Éclats DDRDA Splitter“ erneut eine französische Ausstellung – diesmal im Institut français in Berlin – eröffnet worden wäre, die mit künstlerischen und wissenschaftlichen Mitteln versucht, Bruchstücke des verblassenden Erbes der DDR nachzuzeichnen. So ähnlich sich beide Sonderausstellungen sind, so sehr unterscheiden sie sich von Ausstellungen über die DDR in Deutschland und auch von der Dauerausstellung im Mémorial de Caen. Bewusst grenzen die Kuratorinnen und Kuratoren sich von der zumeist holzschnittartig didaktischen Darstellung der DDR als Diktatur und Unrechtsstaat ab. Es sind also französische Kulturmittlerinnen und -mittler mit einem persönlichen Bezug zur DDR-Geschichte oder einem besonderen Interesse an diesem Thema, die in Frankreich DDR-Geschichte in Ausstellungen sichtbar machen.
„Berlin im Zentrum des Kalten Krieges“ im Musée du Mémorial
Der Ausgangspunkt der Museumsgründung in Caen war die geschichtspolitische Etablierung Caens als Ort des Friedens und des Sieges über den Nationalsozialismus. An der Küste, wo die alliierten Truppen 1944 landeten, um von dort aus Frankreich von deutscher Besatzung und Vichy-Regierung zu befreien, sollte ein Museum entstehen, das dem Thema Krieg und Frieden im 20. und 21. Jahrhundert gewidmet ist. Die erste Konzeption positionierte das Museum gegen ein Vergessen der Geschichte des Zweiten Weltkrieges. Im Jahr 1981 wurde dafür die Association des Amis du Musée Mémorial (der Verein der Freunde des Musée Mémorial) gegründet,die aus Historikerinnen und Historikern des neu gegründeten Institut d'histoire du temps présent (Instituts für Zeitgeschichte) in Paris und aus Archivaren und Archivarinnen bestand.
Das Musée du Mémorial richtet sich insbesondere an ein junges Publikum: die Hälfte der Besucherinnen und Besucher sind jünger als 20 Jahre. Die Bildungsreferentin des Museums, Isabelle Bournier, schätzt, dass Schulklassen 30 Prozent davon ausmachen. Pro Jahr kommen laut Angaben von Bournier zwischen 380.000 und 500.000 Menschen ins Mémorial, etwa so viele wie in das Haus der Geschichte in Bonn. Dadurch, dass es in Frankreich nur jeweils einen gültigen Lehrplan pro Klassenstufe und Klassentyp gibt, ist es für das privat finanzierte Mémorial leicht, seine Vermittlungsangebote für Schulklassen lehrplangerecht zuzuschneiden. Die 2009 eröffnete Dauerausstellung über Berlin im Zentrum des Kalten Krieges reagierte auf die Reform der französischen Lehrpläne, die ab 2008 das gleichnamige Thema für den Geschichtsunterricht in der 9. Klasse vorsahen. In der 11. Klasse war ab 2010 eine Wiederholung derselben Unterrichtseinheit bei den Klassentypen des generalistischen Abiturs vorgesehen.
Unter dem Direktor Stéphane Grimaldi, der 2005 vom Historial de la Grande Guerre (Museum zum Ersten Weltkrieg) in Péronne nach Caen wechselte, etablierte sich das Museum als ein attraktiver und renommierter Gedenk- und Bildungsort. Im Verein der Freunde des Musée Mémorial wurde die Entscheidung getroffen, inhaltlich über das ursprüngliche Thema des Débarquement (die Landung der alliierten Truppen) hinaus zu gehen.
Im Jahr 2002 wurde das Musée du Mémorial durch einen Anbau erweitert, der 5 000 Quadratmeter an Ausstellungsfläche hinzufügte. Diese Fläche ist seitdem der Geschichte des Kalten Krieges gewidmet, wobei die Geschichte der DDR zunächst noch keine Rolle spielte. Lediglich in der letzten Ausstellungseinheit zum Ende des Kalten Krieges, die den Fall der Berliner Mauer als zentrales Symbol ausstellte, fand das Grenzregime der DDR Erwähnung. Das Ausstellungsobjekt Mauersegmente – einige von einem privaten Sammler geliehen, andere vom Deutschen Historischen Museum – lenkten die Aufmerksamkeit auf dieses Thema. Diese Ausstellung ist 2009 vollkommen überarbeitet worden. Gleichzeitig wurde der neue Abschnitt „Berlin au cœur de la Guerre froide“ eröffnet. Dieser stellte Berlin nicht nur als Bühne des Ost-West-Konfliktes dar, sondern führte auch in die DDR-Geschichte ein, insofern sie die Situation Berlins in diesem Konflikt verdeutlichte.
Der Wissenschaftliche Beirat hatte entschieden, diesen Abschnitt näher an der Alltagsgeschichte zu orientieren als die bestehenden Bereiche der Ausstellung. Chronologisch bewegt sich die Besucherin oder der Besucher zunächst vom Jahr 1944 über die Berlin-Blockade (24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949) hin zu den verschiedenen Stationen von DDR-Geschichte. Einzelne thematische Einheiten zu Berlin als „Stadt der Geheimdienstagenten“ und zum „Krieg im Äther“ (zur Rolle von Radio und Fernsehen als Mittel in der Auseinandersetzung von Ost- und West-Berlin) präsentieren Aspekte der Alltagsgeschichte des Kalten Krieges in Berlin.
Widerstand und Opposition in der DDR werden in einem Raum, der die Überwachung durch das Ministerium für Staatssicherheit thematisiert, indirekt dargestellt. So weist eine mit Namen markierte Geruchsprobe auf die Verfolgung politischer Gegner durch die Geheimpolizei hin. Hier zeigt sich, wie die Ausstellungskonzeption mit der Gegenüberstellung der beiden Machtblöcke als Leitlinie arbeitet, was auch im Bereich „Stadt der Agenten“ deutlich wird, der über die Tätigkeit der Spione beider Systeme informiert.
Der kleine Ausstellungsbereich zum Thema Schule und der Organisation Freie Deutsche Jugend (FDJ), in dem die Leihgaben von Marion Winter-Baucher ausgestellt werden, verzahnt Alltags- und Herrschaftsgeschichte. Beispielhaft für die Durchdringung der Schule mit der Politik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) liegt ein geöffnetes Mathematikbuch in der Vitrine, das eine Fotografie des Generalsekretärs des Zentralkomitees der SED und DDR-Staatsratsvorsitzenden, Erich Honecker, zeigt. Die vielfältigen Perspektiven auf die DDR werden in der Ausstellung jedoch eher angedeutet als auserzählt. Eine Verflechtungsgeschichte zwischen Bundesrepublik und DDR, die für die Vermittlung des Kalten Krieges in Deutschland zentral ist, erzählt die Ausstellung nicht. Der letzte Abschnitt „Die Berliner Mauer fällt“ gruppiert sich um das Großobjekt der Mauersegmente, die aus der vorherigen Ausstellung übernommen wurden. Den Weg aus der Ausstellung sowie aus der Geschichte des Kalten Krieges weisen großformatige Farbfotos von Trabi-Schlangen auf westdeutschen Autobahnen.
Das Bild von der DDR, das die Ausstellung „Berlin au coeur de la Guerre froide“ zeichnet, ist das eines Ostblockstaates, der insbesondere durch die Berliner Mauer symbolischer Schauplatz des Kalten Krieges war. Isabelle Bournier kritisiert im Interview mit der Verfasserin, dass die Ausstellung auf der Ebene der Ideologie bleibe. Sie führt das darauf zurück, dass es keine geteilten Erinnerungen, keine typischen mit dem Kalten Krieg verbundenen Objekte gebe. Die starke Vereinfachung gehe hier zu Lasten der Konkretisierung etwa von Lebensbedingungen und Differenzierungen innerhalb der beiden Machtblöcke und der Phasen des Kalten Krieges. Das Musée du Mémorial zeigt zwar eine durchaus multiperspektivische DDR-Darstellung, die einen gut illustrierten Abschnitt der Ausstellung zum Kalten Krieg ausmacht, aber im Schatten des Hauptthemas des Museums, des Zweiten Weltkrieges, steht.
„Berlin: Tilgung der Spuren 1989-2009“ im Musée d'histoire contemporaine Paris
Die Sonderausstellung „Berlin, l'Effacement des traces“ des Musée de l'histoire contemporaine (Museum für Zeitgeschichte) im Pariser Hôtel des Invalides entstand genau wie die Dauerausstellung zu Berlin im Mémorial anlässlich des 20. Jahrestages des Mauerfalls. Sie verfolgt aber einen grundsätzlich anderen Ansatz. Die Historikerinnen Sonia Combe und Régine Robin kuratierten gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Thierry Dufrêne eine Ausstellung über die Umgestaltung Berlins als eine „Verleugnung von Existenz“ und „willentliche und bewusste Zerstörung“ einer Vergangenheit in den Jahren 1989 bis 2009. Sie zeichneten anhand von Fotografien, Installationen und künstlerischen Arbeiten das allmähliche Verschwinden der „Berlin-capitale de la RDA“ (Hauptstadt der DDR) nach.
Die Fotos von Jean-Claude Mouton, der die Mauer und ihr Verschwinden zwischen 1989 und 2009 immer wieder fotografisch dokumentierte, strukturierten die Spurensuche, auf die die Besucherinnen und Besucher geschickt wurden. Ein Berliner Stadtplan der verschwundenen Straßennamen thematisierte das Erbe der DDR und die Umbenennungen als politischen Akt. In 20 Etappen wurde die Metamorphose des Stadtplanes nach 1990 gezeigt. Die Soundinstallation „OST“ des südafrikanischen Künstlers James Webb ließ die Stimme einer DDR-Bürgerin erklingen, die alle drei Strophen der Nationalhymne „Auferstanden aus Ruinen“ singt. Aufgenommen wurde ihr Gesang im ehemaligen Funkhaus der DDR in der Nalepastraße im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick.
Ausstellung "Tilgung der Spuren" in Paris 2009.
Die Ausstellung arbeitete mit „Mauern“ im übertragenen Sinn als Fläche politischer Agitation und Meinungsäußerung sowie künstlerischen Ausdrucks, angelehnt an die Gestaltung von Litfaßsäulen in der DDR und der im Frühjahr 1990 entstandenen East-Side-Gallery. Zwei für die Ausstellung geschaffene Mauer-Installationen zeigten in stilisierter Form überklebte und teils abgerissene DDR-Plakate (Wahlplakate der SED und Theaterplakate) sowie Graffiti. Der Anspruch der Kuratorinnen und des Kurators, die Geschichtspolitik zur DDR und das zerklüftete Gedächtnis im Alltag sichtbar zu machen und mit Spuren der Vergangenheit zu konfrontieren, wurde durch eine ethnologisch-künstlerische Perspektive umgesetzt.
In Interviews und im Katalog zur Ausstellung kritisierte das Kuratorenteam die fehlende Beteiligung der ostdeutschen Bevölkerung an den Entscheidungen zu Straßenumbenennungen und zum Abriss des Palastes der Republik. Sonia Combe, die wissenschaftlich zur Öffnung der Stasi-Archive gearbeitet hat, betont, „[…] wie schwierig es ist, die Erinnerungen von Bürgern der Ex-DDR zu integrieren; sobald deren Erinnerungen nicht von Unterdrückung und polizeilicher Überwachung beherrscht werden, verdächtigt man diese, sie würden sich nach der kommunistischen Diktatur sehnen.“
So war vielleicht auch die Vitrine in der Ausstellung mit Ostalgie-Produkten als eine Art Kuriositätenkabinett zu sehen, das den Versuch mancher Ostdeutscher (und mancher Westdeutscher) zeigte, am materiellen Erbe der DDR festzuhalten. Als Errungenschaft der DDR im Umbruch stellte die Ausstellung in einer Installation des ostdeutschen Künstlers Wolf Leo die Spruchbänder der Demonstrationen vom Herbst 1989 aus. Für den Katalog zur Ausstellung zeichnete Sonia Combe anhand des taz-Archivs das Aufkommen und die Verbreitung der Spruchbandtexte und Ausrufe nach. Die Demonstrationen auf der Straße wurden als Teil ostdeutscher Geschichte präsentiert und zum ostdeutschen Erbe erklärt. Etwa 3 000 Besucherinnen und Besucher sahen die Ausstellung in Paris.
„Splitter“ der DDR im Institut français Berlin und der Médiatique Estaminet Grenay
Die Ausstellung mit dem sperrigen Titel „Éclats DDRDA Splitter“ war eine deutsch-französische Kooperation auf Initiative des Historikers Nicolas Offenstadt, der in den Jahren 2016 und 2017 Gastprofessor an der Universität Viadrina in Frankfurt/Oder war. Mit seiner dortigen Kollegin Rita Aldenhoff-Hübinger und dem Fotografen Pierre-Jérôme Adjedj kuratierte er eine Ausstellung in Triptychen zu materiellen und mentalen Überresten der DDR am Beispiel von Frankfurt/Oder. Ähnlich wie die Ausstellung im Musée de l'histoire contemporaine handelt es sich also um eine ethnologisch-fotografische Annäherung an das Erbe der DDR, um eine Spurensuche.
Die Orte, an denen insbesondere Nicolas Offenstadt und Pierre-Jérôme Adjedj nach Spuren suchten und fündig wurden, sind stillgelegte Gebäude, die in der DDR Betriebe oder Kultureinrichtungen beherbergten. Dort barg Offenstadt Gegenstände, die zu Ausstellungsobjekten wurden, wie das Lehrer-Jahrbuch aus den 1980er Jahren mit handschriftlichen Notizen. Adjedj fotografierte gleichzeitig Wände mit verblichenen Staatssymbolen, noch hängenden gerahmten Portraits, Gardinen und Tapeten, aber auch zurückgelassene Maschinen oder auf dem Boden verstreute Formulare. Historiker, Historikerin und Fotograf arbeiteten im Anschluss gemeinsam an der Zusammenstellung von Tryptichen aus Foto, Objekt und Text, für die Aldenhoff-Hübinger die Texte schrieb.
Ausstellung "Éclats DDRDA Splitter" im L'Institut Français Berlin"
Ausstellung "Éclats DDRDA Splitter" im L'Institut Français Berlin"
Die Themenwahl ging von den Fundstücken und Fotos aus, etwa von der Büste Karl-Liebknechts aus der gleichnamigen Schule, die der ehemals berühmte DDR-Bildhauer Theo Balden schuf oder von Bierflaschenetiketten, die zum Thema Alkoholismus in der DDR überleiten. Die Gestaltung der Ausstellung verzichtete auf Rahmen für die Fotografien und auf Vitrinen für die Objekte, um Distanz zur Besucherin und zum Besucher abzubauen. Die in mehreren Kopien an die Wand genagelten Ausstellungstexte konnten mitgenommen werden.
Offenstadt, eigentlich Mediävist (Mittelalterforscher), erweitere seine Spurensuche im „verschwundenen Land“ DDR auf das gesamte Territorium Ostdeutschlands und präsentierte sie 2018 als Essay und 2019 als Bildband einem französischsprachigen Publikum. Er hatte laut eigener Aussage als linker Student bereits, trotz Kritik an der Umsetzung des Sozialismus, Sympathien für die DDR, die er allerdings nie bereiste. Mit seiner Forschung und seiner Ausstellung wollte er aber vor allem sichern, was aus seiner Sicht nicht auf den Müll oder Flohmärkte, sondern in Archive gehöre. Die Ausstellung „Éclats DDRDA Splitter“ wurde zum 30. Jahrestag des Mauerfalls in der Médiatèque-Estaminet im nordfranzösischen Grenay gezeigt, weitere Ausstellungsorte sind geplant.
Fazit
Während die DDR-Darstellung im Musée du Mémorial in eine Großerzählung zu Kriegen im 20. Jahrhundert eingebettet ist und vermitteln will, dass die DDR eine Diktatur und Teil des Ost-West-Konfliktes war, waren die beschriebenen Sonderausstellungen freier in Rahmensetzung und Gestaltung. Anders als die Kuratorinnen und Kuratoren sowie der Wissenschaftliche Beirat im Mémorial setzten sich die Ausstellungsmacherinnen und -macher hier ganz explizit von der didaktischen Darstellung von DDR-Geschichte ab, die sie vor allem in der deutschen Erinnerungskultur wahrnahmen.
Ähnlich wie die Pariser Ausstellung zum „Tilgen der Spuren“ lädt die Ausstellung „Éclats DDRDA Splitter“ mit ihren zusammengesetzten „Splittern“ zum Entdecken von DDR-Geschichte in der Gegenwart ein. Beide gehen mit ihrer Perspektive auf Transformation und Neuinterpretation beziehungsweise Verlassen und Vergessen auf ostdeutsche Geschichte von den 1980er Jahren bis in die heutige Zeit ein, ohne den Mauerfall als absolute Zäsur zu erklären. Das Interesse an der DDR, das aus den Ausstellungen spricht, schließt die Erinnerung an die Utopie einer kommunistischen Gesellschaft mit ein, die die DDR als Staat nicht einlösen konnte.
Zitierweise: "Auf den Spuren des ostdeutschen Staates -DDR-Geschichte in französischen Ausstellungen nach 2009 “, Marie Müller-Zetzsche, in: Deutschland Archiv, 30.3.2020, Link: www.bpb.de/306847
Weitere Beiträge zu den Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich:
Nicole Colin: Interner Link: Utopie eines anderen Deutschlands: Theater- und Literaturtransfer zwischen Frankreich und der DDR >>
Constance Knitter:Interner Link: Kommunalpartnerschaften zwischen Frankreich und der DDR >>
Franziska Flucke: Interner Link: Vom sozialistischen Paradies zum Erinnerungsort? Sechzig Jahre DDR in französischen Deutschbüchern >>
Vgl. Ulrich Pfeil, Die 'anderen' deutsch-französischen Beziehungen. Die DDR und Frankreich 1949 bis 1990, Köln u.a. 2004; Anne Kwaschik/Ulrich Pfeil, Die DDR in den deutsch-französischen Beziehungen. Eine Einführung, in: dies. (Hg.), Die DDR in den deutsch-französischen Beziehungen, Brüssel 2013, S. 11-32.
Mladen Gladić/Barbra Schweizerhof, „Mut des Erkennens“, Interview mit Alexander Kluge, in: der freitag, 12.03.2020, S. 13-14, hier S. 13; vgl. auch Pfeil, Die 'anderen' deutsch-französischen Beziehungen (Anm. 1), S. 622ff.
Das zeigt sich beispielsweise an der Berichterstattung der Zeitungen Le Monde und Le Figaro, vgl. Marie Müller-Zetzsche, Der Umbruch in der DDR als révolution tranquille. Der Revolutionsdiskurs in der französischen Tagespresse 1989/90, in: Anne Kwaschik/Ulrich Pfeil (Hg.), Die DDR in den deutsch-französischen Beziehungen (Anm. 1), S. 149-164.
Mit Ausnahme von Mauersegmenten, die nicht nur im Mémorial de Caen, sondern auch im Musée de civilisations de l’Europe et de la Méditerranée in Marseille und im Musée des blindés in Saumur ausgestellt werden, vgl. The Wall Net n.e.V. (Hg.), Marseille F, München 2014, https://the-wall-net.org/marseille-/, letzter Zugriff am 6.2.2020; ders., Saumur F, München 2014, https://the-wall-net.org/saumur-f/, letzter Zugriff am 6.2.2020.
Dass ein reflektierter Umgang mit den ideologischen Grundlagen der DDR in deutschen Museen kaum stattfindet, kritisiert Wolfgang Benz zu Recht, vgl. ders., Die DDR als Museumsobjekt, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 12 (2011), S. 995-1007, hier S. 1007.
Françoise Passera, Brève histoire du musée, in: Christophe Bouillet/Franck Marie u.a. (Hg.), Le Mémorial de Caen, Paris 2004, S. 7–11, hier S. 7.
Mémorial de Caen, Dossier de Presse 2019, Caen 2019, file:///C:/Users/49157/AppData/Local/Temp/DP_Memorial_version_web.pdf, S. 19.
Passera, Brève histoire du musée (Anm. 6), S. 11.
Vgl. den Lehrplan: Ministère de l'Education Nationale, Programme d'enseignement d'histoire-géographie-éducation civique pour les classes de sixième, de cinquième, de quatrième et de troisième du collège, Bulletin officiel du Ministère de l'Education Nationale, de l'Enseignement Supérieur et de la Recherche, Paris 2008.
Vgl. den Lehrplan: Bulletin officiel du Ministère de l'Education Nationale, de l'Enseignement Supérieur et de la Recherche Nr. 9/2010, Programme d'enseignement commun d'histoire-géographie en classe de première des séries générales, Paris.
Emile Fouda, Stéphane Grimaldi nouveau directeur général du Mémorial, http://www.libertebonhomme.fr/2012/10/22/stephane-grimaldi-nouveau-directeur-general-du-memorial/, letzter Zugriff am 25.4.2016.
Interview mit Isabelle Bournier am 07.01.2014.
Ebenda.
Das Museum, das inzwischen La Contemporaine heißt, hat bisher keine Dauerausstellung. Es organisiert Ausstellungen zur europäischen Zeitgeschichte und beruht auf der Sammlung der Bibliothèque nationale de l'histoire contemporaine. Zur Zeit entsteht ein Museumsbau in Nanterre bei Paris, der 2021 mit einer Dauerausstellung eröffnen wird, vgl. La contemporaine (Hg.), Journal de la contemporaine (2019) 4, file:///C:/Users/49157/AppData/Local/Temp/Journal_CONTEMP04-WEB.pdf, letzter Zugriff am 1.2.2020. Die neue Dauerausstellung wird den Kalten Krieg thematisieren, DDR-Geschichte jedoch nicht. (Mail der Direktorin Valérie Tesnière vom 20.01.2020).
Sonia Combe u.a., Berlin: L'effacement des traces 1989-2009, in: Sonia Combe u.a. (Hg.), Berlin, l'effacement des traces. [Exposition au Musée d'Histoire Contemporaine - BDIC à l'Hotel National des Invalides à Paris, du 21 octobre au 31 décembre 2009], Lyon 2009, S. 7-13, hier S. 7.
Vgl. das Presseheft der Ausstellung auf der Seite der Bibliothèque de documentation internationale contemporaine (Hg.), Berlin 1989-2009, L’effacement des traces, http://www.bdic.fr/pdf/DP/dossier%20de%20presse%20Berlin.pdf, letzter Zugriff am 6.2.2020.
Sonia Combe, Erinnerung und kritische Geschichte in Frankreich und Deutschland, in: Frank Baasner (Hg.), Frankreich-Jahrbuch 2010. Frankreichs Geschichte: Vom (politischen) Nutzen der Vergangenheit, Wiesbaden 2011, S. 145–157, hier S. 148.
Sonia Combe, D'un slogan à l'autre, ou le peuple vaincu par la rue, in: Combe u.a., Berlin: L'effacement des traces 1989-2009 (Anm. 15), S. 15-26.
Angaben von Valérie Tesnière, per Mail am 13.02.2020.
Frauke Adesiyan, Frankfurter DDR-Splitter am Ku'damm ausgestellt, in: MOZ 11.05.2017, https://www.lemonde.fr/idees/article/2017/06/04/sur-les-traces-de-la-rda_5138638_3232.html, letzter Zugriff am 6.2.2020.
Pierre-Jérôme Adjedj, Rita Aldenhoff-Hübinger, Nicolas Offenstadt, Éclats DDR-RDA Splitter, ou comment exposer les traces de la RDA: une expérience, Cahiers d'histoire 137/2018, S. 155-180, https://journals.openedition.org/chrhc/6446, letzter Zugriff am 6.2.2020.
Ebd.
Ebd.
Nicolas Offenstadt, Le pays disparu, Sur les traces de la RDA, Paris 2018; Ders., Urbex RDA, L'Allemagne de l'Est racontée par ses lieux abandonnés, Paris 2019.
René Schlott, Auf der Suche nach dem verlorenen Land. Der Franzose Nicolas Offenstadt erkundet die Ruinen des SED-Staats, in: DIE ZEIT 23.10.2019, https://www.zeit.de/2019/44/urbex-rda-nicolas-offenstadt-ddr, letzter Zugriff am 16.03.2020.
Mail von Pierre-Jérôme Adjedj vom 06.02.2020.
Sonia Combe, La RDA par effraction, En attendant Nadeau (2017) 36, URL: https://www.en-attendant-nadeau.fr/2017/07/04/rda-effraction-berlin/, zuletzt besucht am 6.2.2020; Pierre-Jérôme Adjedj u.a., Éclats.
| Article | Marie Müller-Zetzsche | 2022-02-10T00:00:00 | 2020-03-23T00:00:00 | 2022-02-10T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/306847/auf-den-spuren-des-ostdeutschen-staates/ | Der Beitrag befasst sich mit drei französischen Ausstellungen aus den Jahren 2009 und 2017, die sich mit der DDR-Geschichte auseinandersetzen. Es wird deutlich, dass es jenseits der didaktischen Aufbereitung einen ganz eigenen Blick "à la française" | [
"Ausstellungen DDR",
"Frankeich",
"DDR",
"Frankreich"
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Zwischen Zaudern und Handeln – die Judenrettung spanischer Diplomaten | Helfer, Retter und Netzwerker des Widerstands | bpb.de |
Alejandro Baer Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Alejandro Baer forscht in Madrid und Bayreuth zu Antisemitismus und Erinnerungskultur, er wurde von Ina Boesch als "prädestiniert" für die transnationale Helferforschung vorgestellt.
Spanische Diplomaten verhalfen während des zweiten Weltkriegs etwa 50.000 jüdischen Spaniern aus den deutsch besetzten Ländern Europas zur Ausreise und bewahrten sie vor der Deportation in die Vernichtungslager. Das Franco-Regime vereinnahmte die Judenrettung später für sich und ihre angeblich "humanitären Richtlinien der Staatsführung". Eine andere Deutung sieht die spanischen Diplomaten als Helden, die aus Nächstenliebe ihre Karriere riskierten.
Baer möchte die Leistungen der Diplomaten würdigen und zugleich differenziert darstellen. Beispielhaft brachte er den spanischen Konsul im griechischen Thessaloniki, Sebastián de Romero Radigales, an. Im Januar 1943 stellten die Deutschen ein Ultimatum, dass Spanien die 500 spanischen Juden in der Stadt nach Spanien holen solle – ansonsten drohe ihnen gemeinsam mit den griechischen Juden die Deportation. Romero engagierte sich für ihre Rettung.
Die spanische Führung sah sich jedoch vor einem Dilemma: Einerseits wollte man aus ideologischen Gründen "so wenige Juden wie möglich" aufnehmen, andererseits würde eine Verweigerung Spaniens die Beziehungen zu den Alliierten belasten. Dieses Dilemma führte letztlich dazu, Romero zu ignorieren und eine Entscheidung hinaus zu zögern.
Ein anderer spanischer Diplomat beklagte, die spanische Führung habe durch ihr Nichtstun die Landsleute "automatisch zum Tode verurteilt". Schließlich erreichte Romero mit "unermüdlichem Eifer" so Baer, dass die Juden aus Thessaloniki "nur" nach Bergen-Belsen deportiert wurden, nicht nach Auschwitz. Im Februar 1944 entschloss sich die spanische Führung endlich, die Juden nach Spanien einreisen zu lassen. Das bedeutete für sie die Rettung.
Baer schätzt den Einsatz von Menschen wie Romero hoch ein. Er weist aber darauf hin, dass es sich um überzeugte Vertreter des Franco-Regimes handelte und ihr Engagement keine Gefahr für ihre Karrieren darstellte. Die Diplomaten handelten innerhalb vorgegebener Handlungsspielräume. Daran zeige sich, so Baer, dass eine "reine Gegenüberstellung von absolut Bösem und absolut Gutem" der Realität nicht gerecht wird.
Alejandro Baer äußert sich auch im Interner Link: Interview zur Rolle der spanischen Diplomatie.
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| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2011-01-29T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/veranstaltungen/reihen/konferenz-holocaustforschung/191326/zwischen-zaudern-und-handeln-die-judenrettung-spanischer-diplomaten/ | Spanische Diplomaten setzten sich für die Rettung jüdischer Landsleute ein, obwohl das für das Franco-Regime unbequem war. In den von Deutschland besetzten Ländern eröffneten sich einige von ihnen Handlungsspielräume. | [
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M 02.27 Pro - Darum sollten Sportler die Nationalhymne singen | Fußball und Nationalbewusstsein - Fußball-Welmeisterschaft 2014 in Brasilien! | bpb.de | SWR4-Redakteur Reinhold Fülle hält es für ein Zeichen von Dankbarkeit und gelungene Integration, wenn alle Sportler die Nationalhymne singen.
Ich freue mich, wenn ein junger Sportler oder eine Sportlerin unsere deutsche Hymne singt. Es ist ein Bekenntnis zu diesem Land, in dem wir seit 1945 in Frieden und Freiheit leben und seit 1990 auch in Einigkeit. – Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand. Wer wollte gegen diesen Text etwas einwenden? Es ist ein Text, der aus dem Herzen kommt, geschrieben zu einer Zeit, in der das alles in Deutschland gefehlt hat. Gesungen zur ergreifenden Musik von Joseph Haydn.
Signal für Millionen andere
Das Lied der Deutschen, eben unsere Hymne, steht für eine Nation, die, wie es in der Nationalhymne der DDR einst geheißen hat, auferstanden ist aus Ruinen. Jeder Mensch, der hier seine Chance als Sportler bekommen hat, jeder, der sich das Nationaltrikot überstreift, sollte aus Respekt und als Dankeschön für das, was ihm Deutschland ermöglicht hat, mitsingen. Laut und stolz. Als Bekenntnis zu diesem Land, das sich angestrengt hat, die böse Vergangenheit hinter sich zu lassen. Wer unter der deutschen Flagge zum sportlichen Wettkampf antritt, wer für einen Sieg mit dem Abspielen unserer Hymne ausgezeichnet wird, der darf, ja eigentlich sollte er, mitsingen. So, wie wir es aus anderen Ländern gewohnt sind. Stellen wir uns vor, was das bedeutet, wenn ein Spitzensportler mit Migrationshintergrund das Lied der Deutschen im Fernsehen mitsingt. Es wäre gelebte Integration. Und es wäre ein gutes und schönes Signal für Millionen andere.
Aus: Fülle, Reinhold: Pro – Darum sollten Sportler die Nationalhymne singen. Im Internet: Externer Link: http://www.swr.de/swr4/bw/programm/sag-wie-haeltst-du-s-mit-der-hymne/pro-darum-sollten-sportler-die-nationalhymne-singen/-/id=258008/did=10165952/mpdid=10165430/nid=258008/1yp9na2/index.html (15.05.2014)
Eine Druckversion des Arbeitsblattes steht als Interner Link: PDF-Datei zur Verfügung. | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2014-06-02T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/lernen/angebote/grafstat/fussball-und-nationalbewusstsein/185331/m-02-27-pro-darum-sollten-sportler-die-nationalhymne-singen/ | Als Deutschland im Halbfinale der Europameisterschaft 2012 gegen Italien mit 2:0 verlor, entbrannte in Deutschland eine Debatte über das Singen der Nationalhymne. Gerade den deutschen Spielern mit Migrationshintergrund wurde vorgeworfen durch ihr bew | [
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Editorial | Kultur | bpb.de | Kultur und Kulturpolitik haben in Deutschland für Staat und Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert; dies oft zur Verwunderung mancher Nachbarstaaten, wo ein solch starkes Engagement eher unbekannt ist bzw. sogar irritierend wirkt. Die Kultur sich selbst zu überlassen käme uns hingegen kaum in den Sinn, denn von überall her werden Ansprüche an sie formuliert und Subventionen verteilt. Die Folge ist, dass oft weniger die Inhalte als die Rahmenbedingungen der Kulturpolitik im Vordergrund stehen. Die Beiträge dieses Heftes sollen dazu anregen, jeweils beide Aspekte wahrzunehmen. Die Überfrachtung des Kulturellen mit politisch-geselllschaftlichen Bekenntnissen hat mittlerweile auch das Feuilleton der großen Tageszeitungen erreicht. Wie Michael Haller in seinem Essay aufzeigt, ist diese Entwicklung eher als problematisch zu bezeichnen: So begrüßenswert einerseits eine "Demokratisierung", eine größere Teilhabe der Öffentlichkeit an der Hochkultur ist, so besteht andererseits die Gefahr, dass die Essenz des Künstlerisch-Kulturellen immer mehr von gesellschaftlichen Normen und politischen Tagesaktualitäten überlagert wird. Die Eigenständigkeit der Kultur zu betonen ist auch die Intention der Beiträge von Oliver Scheytt und Max Fuchs. Bei aller gesellschaftlichen Verpflichtung dürfe das Kulturelle nicht nur Mittel zum Zweck sein, sondern könne im kreativen Sinne durchaus als Selbstzweck angesehen werden. Diese Auffassung müsse auch der kulturellen Bildung zugrunde liegen, die vor allem in den Schulen wieder intensiver gepflegt werden sollte. Kulturpolitik in Zeiten der Globalisierung habe darüber hinaus nicht nur die ökonomischen Rahmenbedingungen zu sichern, sondern auch die eigenen kulturellen Traditionen bewusster zu machen; nur so könne der vielfach geforderte interkulturelle Dialog Substanz erhalten. Eine etwas andere Sicht auf die Ziele und Inhalte staatlicher Kulturpolitik vermitteln Michael Opielka und Tobias J. Knoblich: Ein moderner Kulturstaat dürfe - nicht zuletzt aufgrund der hohen Subventionen von derzeit jährlich etwa sieben Milliarden Euro - den Anspruch erheben, bestimmte Aspekte der Kulturpolitik nicht nur als Gesellschaftspolitik, sondern auch als eine besondere Form von Sozialpolitik zu gestalten. Kultur wird hier als "öffentliches Gut" verstanden, als wohlfahrtsstaatliche Investition, ohne die ein demokratisches Gemeinwesen, eine innovative Industriegesellschaft ihr kreatives Fundament beeinträchtigen würde. Es handele sich hier also um "kulturelles Kapital", das der Staat nicht allein den Marktgesetzen überlassen dürfe. Diese Sicht ist zumal in den ostdeutschen Bundesländern verbreitet, da es hier eine besonders stark ausgeprägte gesellschaftliche Orientierung der Kultur gegeben hat. Diese sozial verpflichtende Tradition wird durch die Förderung zahlreicher Soziokultureller Zentren heute allerdings nicht mehr staats-, sondern bürgernah aufgefasst. Dementsprechend liegt dem Konzept der Soziokultur in Ostdeutschland ein möglichst weitgefächerter Kulturbegriff zugrunde. Einen Ausblick auf kulturelle Standortbestimmungen in Europa unternimmt Yasemin Soysal. Standen hier längere Zeit die Definitionen der nationalen Identitäten im Vordergrund, so sei angesichts der kulturellen Globalisierung nunmehr verstärkt eine europäische Sicht notwendig. Was aber bestimmt eine europäische kulturelle Identität? Hier beginnt erst ein längerer Prozess, vor allem in der schulischen Bildung. Neben der Hochkultur wird der jeweilige nationale Bildungsbereich das wichtigste Fundament für die Schaffung einer kulturellen europäischen Identität sein. | Article | Klaus W. Wippermann | 2021-12-07T00:00:00 | 2011-10-04T00:00:00 | 2021-12-07T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/27730/editorial/ | Kultur und Kulturpolitik haben in Deutschland einen hohen Stellenwert. Aufgrund umfangreicher Subventionen wird allerings oft mehr über Rahmenbedingungen der Kulturpolitik diskutiert und weniger über Inhalte und Zielsetzungen. | [
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Migrationspolitik – Februar 2020 | Migrationspolitik – Monatsrückblick | bpb.de | Der Februar im Überblick:
Interner Link: Asylanträge: Aktuelle Entwicklung* Interner Link: Die Hälfte der Geflüchteten in Arbeit Interner Link: Lage an der türkisch-griechischen Grenze spitzt sich zu Interner Link: Syrien: Hunderttausende auf der Flucht Interner Link: EGMR billigt Spaniens Abschiebepraxis Interner Link: Ende der EU-Operation "Sophia" Interner Link: Britische Regierung will Einwanderungsrecht verschärfen Interner Link: Was vom Monat übrig blieb...
*Die Zahlen des BAMF waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht verfügbar. Wir haben sie nachträglich ergänzt, 23.04.2020.
Asylanträge: Aktuelle Entwicklung*
Im Februar hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 11.928 Asylanträge Externer Link: entgegengenommen: 10.140 Erstanträge und 1.788 Folgeanträge. Rund die Hälfte der Erstanträge (45,6 Prozent) wurde dabei von Geflüchteten aus Interner Link: Syrien, Interner Link: Irak und Interner Link: Afghanistan gestellt. Insgesamt wurden in den ersten beiden Monaten des Jahres in Deutschland 27.264 Asylanträge registriert, was einen Rückgang um 16,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum (32.510 Asylanträge) bedeutet. Von den 23.432 Erstantragstellenden waren 4.782 (20,4 Prozent) in Deutschland geborene Kinder im Alter von unter einem Jahr. Das BAMF traf im Januar und Februar zusammengenommen 29.104 Interner Link: Entscheidungen über Asylanträge. 11.092 Personen wurde ein Interner Link: Schutzstatus zugesprochen. Die Gesamtschutzquote belief sich damit auf 38,1 Prozent und verzeichnete einen Anstieg um 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert (Gesamtschutzquote: 36,7 Prozent). 1.195 Asylsuchende wurden in den ersten beiden Monaten des Jahres im Rahmen des Interner Link: Dublin-Verfahrens in andere Mitgliedstaaten überstellt. Gleichzeitig nahm Deutschland 995 Asylsuchende über dieses Verfahren aus anderen Mitgliedstaaten auf.
Die Hälfte der Geflüchteten in Arbeit
In den Jahren 2013 bis 2018 stieg die Zahl der Menschen mit Fluchthintergrund in Deutschland um 1,2 Millionen – fast jeder zweite von ihnen (49 Prozent) war fünf Jahre nach dem Zuzug erwerbstätig. Das ergab eine Externer Link: Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Von den erwerbstätigen Geflüchteten arbeiteten rund 68 Prozent in Vollzeit- oder Teilzeit, 17 Prozent befanden sich in einer bezahlten Ausbildung, zwölf Prozent waren geringfügig beschäftigt, drei Prozent machten ein bezahltes Praktikum. Dabei arbeiteten 44 Prozent der erwerbstätigen Geflüchteten in einem Helferberuf, 57 Prozent waren als Fachkraft oder in Tätigkeitsbereichen mit höherem Anforderungsniveau beschäftigt. Geflüchtete Frauen waren fünf Jahre nach ihrem Zuzug deutlich seltener (29 Prozent) erwerbstätig als männliche Geflüchtete (57 Prozent). Die Forscher führen das vor allem auf die Familiensituation und Kinderbetreuung zurück, die in der Regel von Frauen übernommen wird.
Die Erwerbstätigenquote steigt deutlich, je länger Geflüchtete in Deutschland sind: Während Geflüchtete im ersten Jahr nach dem Zuzug kaum in Arbeit kommen (drei Prozent), ist im dritten Jahr schon mehr als jeder Dritte in Voll- oder Teilzeit erwerbstätig (37 Prozent). Insgesamt verläuft die Interner Link: Eingliederung in den Arbeitsmarkt etwas schneller als bei Geflüchteten, die seit den frühen 1990er Jahren bis 2013 nach Deutschland zugezogen sind. Von ihnen waren fünf Jahre nach der Einreise 44 Prozent erwerbstätig. Die schnellere Arbeitsmarktintegration der seit 2013 zugezogenen Geflüchteten führen die Forscher auf die niedrigere Arbeitslosigkeit, das höhere Beschäftigungswachstum sowie ein breiteres Angebot an Sprachkursen und anderen Integrationsmaßnahmen zurück.
Lage an der türkisch-griechischen Grenze spitzt sich zu
Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) hat die Alarmstufe für alle EU-Grenzen zur Türkei auf "hoch" gesetzt. Hintergrund ist die Ankündigung der türkischen Regierung, Schutzsuchende und Migranten Externer Link: nicht länger von einem Grenzübertritt in die EU abhalten zu wollen. Externer Link: Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) warten mindestens 13.000 Menschen im türkisch-griechischen Grenzgebiet auf eine Gelegenheit, in die EU einzureisen. Die griechische Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein, um Menschen an einem Grenzübertritt zu hindern. Die griechische Regierung kündigte an, einen Monat lang keine neuen Asylanträge entgegenzunehmen. Frontex schickte zusätzliches Personal nach Griechenland, um das Land beim Grenzschutz zu unterstützen. Bisher gelang hunderten Menschen die Überfahrt auf die griechischen Inseln. Frontex erwartet, dass sich die Lage an der Grenze weiter zuspitzt.
Die Türkei hatte im März 2016 mit der EU Interner Link: vereinbart, Schutzsuchende und Migranten an der Weiterreise in die EU zu hindern und sollte im Gegenzug bis zu sechs Milliarden Euro erhalten, um die rund 3,6 Millionen im Land lebenden syrischen Flüchtlinge zu versorgen. Zudem sagte die EU zu, über Interner Link: Resettlement-Programme syrische Flüchtlinge aus der Türkei aufzunehmen – Externer Link: bis März 2019 waren es rund 20.300. Die türkische Regierung betont jedoch seit längerem, dass sie von der EU mehr Unterstützung erwartet – zumal aufgrund einer militärischen Eskalation im Nordwesten Syriens, an der auch die Türkei beteiligt ist, immer mehr Menschen auf der Suche nach Schutz an die türkische Grenze drängen.
Syrien: Hunderttausende auf der Flucht
Seit Anfang Dezember sind Externer Link: nach Auskunft der Vereinten Nationen rund 950.000 Menschen im umkämpfen Nordwesten Syriens vertrieben worden. Mehr als 80 Prozent davon sind Frauen und Kinder. Der Konflikt im Nordwesten Syriens wird derzeit vor allem zwischen Rebellengruppen und syrischen Regierungstruppen um die Stadt Idlib ausgetragen. Sowohl Russland an der Seite des syrischen Regimes als auch die Türkei, die islamistische Milizen unterstützt, beteiligen sich militärisch an den Kampfhandlungen. Externer Link: Aus Idlib fliehen immer mehr Menschen vor der näher rückenden syrischen Armee. Angaben des Amts der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) zufolge herrscht ein akuter Mangel an Unterkünften und Nahrungsmitteln zur Versorgung der Geflüchteten. Rund Externer Link: 82.000 von ihnen müssten bei Temperaturen um den Gefrierpunkt unter freiem Himmel schlafen. Insgesamt beläuft sich die Zahl der Vertriebenen im Nordwesten Syriens auf Externer Link: mehr als vier Millionen Menschen.
EGMR billigt Spaniens Abschiebepraxis
Spanien darf Menschen, die illegal die Grenzzäune seiner Enklave Melilla in Nordafrika überqueren, umgehend nach Marokko zurückweisen. Das hat der Interner Link: Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg Externer Link: entschieden. Geklagt hatten zwei Geflüchtete aus Mali und der Elfenbeinküste, denen es im August 2014 zusammen mit anderen Migranten gelungen war, mehrere meterhohe Zäune der Grenzanlage in Melilla zu überwinden. Beide Männer waren jedoch umgehend von der spanischen Grenzpolizei nach Interner Link: Marokko zurückgebracht worden, ohne dass ihnen die Möglichkeit gegeben wurde, ein Asylgesuch vorzubringen (sogenanntes "Push Back").
Die Menschenrechtsorganisation Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) unterstützte die Kläger im Verfahren. Gemeinsam argumentierten sie, dass Spanien gegen das Verbot der kollektiven Ausweisung (Artikel 4 des Protokolls Nr. 4 zur Externer Link: Europäischen Menschenrechtskonvention) verstoßen und zudem das Recht auf einen ordentlichen Rechtsweg (Artikel 13 der Konvention) verletzt habe. Die Vertreter Spaniens betonten demgegenüber vor Gericht, dass kein Ausländer das Recht habe, illegal ins Land einzureisen und die spanische Grenzpolizei diese Praxis daher unterbunden habe. Der EGMR gab nun der spanischen Seite recht: Die Kläger hätten legale Einwanderungswege nach Spanien nicht genutzt, daher läge bei der Zurückweisung kein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention vor. Das Urteil hat auch für andere EU-Staaten Bedeutung, da an der EU-Außengrenze immer wieder Menschen konsequent zurückgedrängt werden – etwa in Externer Link: Ungarn, Externer Link: Kroatien oder Externer Link: Griechenland.
Externer Link: Flüchtlingshilfsorganisationen und Externer Link: Migrationsrechtler zeigten sich angesichts des Urteils enttäuscht, da es in der Praxis an jenen legalen Zugangsmöglichkeiten zum Stellen eines Asylantrags fehle, auf die der EGMR in seiner Urteilsbegründung verwies. Geflüchteten bliebe daher in den meisten Fällen nichts anderes übrig, als illegal in ein Zufluchtsland einzureisen, um dann ein Asylgesuch vorbringen zu können.
Ende der EU-Operation "Sophia"
Ende März läuft das Mandat der im Juni 2015 begonnenen Externer Link: EU-Militäroperation "Sophia" zur Bekämpfung von Menschenschmuggel und Schleuseraktivitäten im südlichen und zentralen Mittelmeer endgültig aus. Der Einsatz von Marineschiffen war bereits im Interner Link: März 2019 eingestellt worden, nachdem die Schiffe mehrere zehntausend Bootsflüchtlinge Interner Link: aus Seenot gerettet hatten. Zwar wird es eine neue EU-Mission geben, bei der auch Marineschiffe zum Einsatz kommen sollen. Diese soll sich aber auf die Unterbindung des Waffenschmuggels nach Interner Link: Libyen konzentrieren und nicht auf den Routen operieren, auf denen Geflüchtete versuchen über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Eine zivile europäische Seenotrettungsmission ist derweil nicht in Sicht.
Britische Regierung will Einwanderungsrecht verschärfen
Die britische Regierung unter Premierminister Boris Johnson (Conservative Party) will die Zuwanderung von geringqualifizierten Arbeitskräften Externer Link: massiv einschränken und stattdessen gezielt Fachkräfte anwerben. Innenministerin Priti Patel kündigte ein Punktesystem an, das Sprachkenntnisse, Bildungsqualifikationen, Gehälter und Berufe bewerten und somit nur noch bestimmten Zuwanderern wie Wissenschaftlern, Ingenieuren und Fachkräften die Einwanderung erlauben soll. Potenzielle Migranten sollen beispielsweise einen Job mit einem Jahresgehalt von 25.600 Pfund (etwa 30.100 Euro) vorweisen, um in Großbritannien beschäftigt werden zu dürfen. Ausnahmen soll es lediglich für Personen geben, die ein niedrigeres Gehalt durch andere Qualifikationen ausgleichen können, etwa durch eine abgeschlossene Promotion oder einen Arbeitsvertrag in einem Mangelberuf. Die neuen Regelungen sollen ab dem 1. Januar 2021 sowohl für EU-Staatsangehörige als auch für Bürger anderer Staaten gelten. Dadurch soll sich auch die jährliche Einwanderung insgesamt verringern. Der Wanderungssaldo – d.h. die Differenz aus Zu- und Abwanderung – Externer Link: belief sich im Zeitraum Juni 2018 bis Juni 2019 auf rund 212.000 Personen. Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertreter äußerten massive Kritik an den Plänen der Regierung, da viele Branchen im Vereinigten Königreich – z.B. Lebensmittelverarbeitung, Landwirtschaft und Gesundheitswesen – auf niedrigqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen seien. Da die Konservative Partei die Mehrheit im britischen Unterhaus hat, gilt es als sicher, dass die Pläne der Regierung vom Parlament gebilligt werden.
Was vom Monat übrig blieb...
Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde einer hessischen Rechtsreferendarin gegen das Verbot, bei bestimmten dienstlichen Tätigkeiten wie Verhandlungen vor Gericht ein Kopftuch zu tragen, Externer Link: zurückgewiesen. Der Eingriff in die Glaubensfreiheit sei hier verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da u.a. die Verpflichtung des Staates zur weltanschaulich-religiösen Neutralität höher wiege.
Eine Externer Link: Studie des Joint Research Centre (JRC) der Europäischen Kommission ergab, dass die Zustimmung für Parteien mit restriktiver Haltung gegenüber Einwanderung stärker mit sozioökonomischen Faktoren wie Alter sowie niedrigem Bildungsstand und Einkommen zusammenhängt als mit der tatsächlichen Anwesenheit von Migranten im eigenen Umfeld. Auch seien vor allem Menschen in dünn besiedelten Regionen geneigt, für Antieinwanderungsparteien zu stimmen.
In Interner Link: Indien halten massive Proteste gegen ein im Dezember verabschiedetes Staatsbürgerschaftsgesetz an. Es erleichtert die Einbürgerung von Migranten aus Afghanistan, Bangladesch und Pakistan, die bis Ende 2014 nach Indien eingereist waren, um religiöser Verfolgung in ihren Herkunftsländern zu entgehen. Muslimische Migranten sind vom Recht auf Einbürgerung allerdings explizit ausgenommen. | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2020-03-09T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/migration-integration/monatsrueckblick/306273/migrationspolitik-februar-2020/ | Was ist in der Migrations- und Asylpolitik im letzten Monat passiert? Wie haben sich die Flucht- und Asylzahlen entwickelt? Wir blicken zurück auf die Situation in Deutschland und Europa. | [
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19 Parteien - 38 Thesen - Ihre Wahl | Presse | bpb.de | 19 Parteien, 38 Thesen und die Einladung, sich mit den Positionen der politischen Parteien zu beschäftigen. Pünktlich zum Beginn der heißen Phase des Landtagswahlkampfes in Sachsen startet die neueste Version des Wahl-O-Mat. Nutzer des Online-Angebotes können herausfinden, welche der zur Wahl zugelassenen Parteien ihren Positionen am nächsten stehen. Ab 5. August, 11 Uhr, läuft die aktuelle Version des Wahl-O-Mat zur Landtagswahl in Sachsen 2019 unter Externer Link: www.wahl-o-mat.de/sachsen2019
Der Wahl-O-Mat Sachsen entstand in Kooperation zwischen der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung und der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. Alle 19 Parteien, die zur Landtagswahl antreten, haben sich im Vorfeld zu den 38 Thesen der neuzehnköpfigen Wahl-O-Mat Jugendredaktion geäußert.
Seit 2002 ist der Wahl-O-Mat der bpb im Einsatz, um insbesondere junge Wähler zu informieren und zu mobilisieren. "Der Wahl-O-Mat hat sich inzwischen zu einer festen Größe für politische Information im Vorfeld von Wahlen etabliert", so Thomas Krüger, Präsident der bpb. Bei der letzten Landtagswahl 2014 in Sachsen wurde das interaktive Informationsangebot über 282.000 Mal genutzt. Zur Bundestagswahl 2017 wurde es 15,7 Millionen Mal gespielt, zur Europawahl 2019 rund 10 Millionen Mal.
Der Wahl-O-Mat zur Landtagswahl in Sachsen und den zeitgleich stattfindenden Landtagswahl in Brandenburg geht mit einigen neuen Funktionen an den Start. Für eine bessere Übersichtlichkeit bietet das Tool eine neue Menüführung. Die Nutzer können dadurch schnell und einfach zwischen den verschiedenen Schritten des Wahl-O-Mats - Gewichtung der Thesen, Parteienauswahl, Ergebnis und Begründungen - hin und her springen, ihre Parteienauswahl oder Gewichtung ändern und mit den verschiedenen Sortierungsmöglichkeiten neue interessante Effekte für das Ergebnis entdecken.
Auf der Ergebnisseite können die Nutzer ab jetzt unter "Erforschen Sie Ihr Ergebnis" die Gewichtungen oder die Auswahl verschiedener Parteien auf das eigene Ergebnis in Echtzeit neu gestalten und verändern. Zudem kann man die eigene Position mit allen Parteien gleichzeitig oder mit einer selbst gewählten Auswahl vergleichen, die Gewichtungen an- und abschalten, neue Thesengewichtungen vornehmen oder sich nur die im jeweiligen Parlament vertretenen Parteien anzeigen lassen.
Mehr Einsicht und Überblick gibt es in der neuen Version auch bei den Begründungen der Parteien: Von nun an können die Nutzer alle Parteienantworten zu einer These, gruppiert nach demselben Votum „stimme zu", „stimme nicht zu" oder „neutral", vergleichen. Außerdem ist es möglich, alle Antworten einer einzigen Partei zu allen 38 Wahl-O-Mat Thesen auf einen Blick zu lesen. Damit erhalten Nutzer/-innen mehr Einsicht und Überblick bei den Begründungen der Parteien.
Medienpartner des Wahl-O-Mat sind die Online-Redaktionen von Sächsische Zeitung, ZDF, der Spiegel, FAZ, Welt, Focus, TAZ, Süddeutsche Zeitung, ZEIT, Wirtschaftswoche, Handelsblatt, RND Redaktionsnetzwerk Deutschland, Ströer Content Group GmbH, IPPEN Digital und 1&1 Mail &Media GMBH.
Pressemitteilung als Interner Link: PDF
Weitere Presseinformationen und Material zum Download unter Externer Link: www.wahl-o-mat.de/presse | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-08-12T00:00:00 | 2019-08-05T00:00:00 | 2021-08-12T00:00:00 | https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/294762/19-parteien-38-thesen-ihre-wahl/ | 19 Parteien, 38 Thesen und die Einladung, sich mit den Positionen der politischen Parteien zu beschäftigen. Pünktlich zum Beginn der heißen Phase des Landtagswahlkampfes in Sachsen startet die neueste Version des Wahl-O-Mat. | [
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Die Intellektuellen und Europa - ein intelligentes Europa - Essay | Intellektuelle | bpb.de | Károly MéhesMeinem Empfinden nach beruht die Definition der Intellektuellen in Ungarn und generell in den ehemaligen sozialistischen Ländern auf ganz anderen Grundlagen als in Westeuropa. Im Staat der Arbeiter- und Bauernmacht galt die Intelligenz auch offiziell als eine zwar mit den beiden anderen verbündete, aber in der Rangfolge erst nach ihnen stehende dritte Kaste. Als Attribut ("intellektuell") eignete sich der Ausdruck auch als - zumeist pejorative - Qualifikation, ja, er wurde auch als Schimpfwort benutzt. So ist es kein Wunder, dass der Status des Intellektuellen beim "gemeinen Volk" nicht selten Misstrauen hervorrief und gewissermaßen bis heute hervorruft.
Das ist paradox, denn breite Schichten waren und sind bestrebt, durch ein Diplom oder den Erwerb eines Doktortitels eine intellektuelle Position zu erlangen. Dies ist in eine merkwürdige Titelsucht ausgeartet: Hat es jemand so weit gebracht, seinen Namen mit dem Kürzel "Dr." zieren zu können, wird er häufig in jeder Erscheinungsform und Lebenslage darauf bestehen. Selbst ein so hoher staatlicher Würdenträger wie der Parlamentspräsident, der es kaum weiter hätte bringen können, ließ keine Gelegenheit aus, seinem Namen den Doktortitel voranzustellen. Die beiden Buchstaben sind zum Bestandteil des Namens geworden - viel mehr als ehemals die statusträchtigen Abkürzungen "Gr." (Graf) oder "B." (Baron).
Der Drang, seinen Status als Intellektueller durch Anfügung des Kürzels "Dr." zu betonen, hat noch einen anderen, vielleicht nicht allzu gewichtigen, aber überaus interessanten Aspekt. In den Jahrzehnten des Einparteiensystems waren die Dissidenten, also die Gegner des Systems, überwiegend Intellektuelle, vor allem Human-Intellektuelle: Philosophen, Soziologen, Dichter, Schriftsteller und zum Teil Ökonomen. Figuren "von unten", wie etwa Lech Walesa in Polen, waren so selten wie ein weißer Rabe. Und gab es doch welche, drangen ihre Aktivitäten, da es sich nicht um bekannte Intellektuelle handelte, nicht an die breite Öffentlichkeit. Im Hintergrund der stillen Revolutionen von 1989/1990 standen also eben diese Andersdenkenden, die dann im Schwung des Wandels Akteure der (großen) Politik wurden.
Vor der Wende, sogar die Zeit vor der "Volksmacht" eingeschlossen, gab es nie so viele Intellektuelle - Lehrer, Historiker, Juristen, Mediziner - unter den Abgeordneten wie im ersten frei gewählten ungarischen Parlament. Nun ja, aber gerade die nüchterner Denkenden unter diesen Intellektuellen mussten binnen einer Legislaturperiode einsehen, dass es etwas ganz anderes ist, als engagierter Oppositioneller totalitären Machthabern die Stirn zu bieten als in einem allmählich sich demokratisierenden politischen System tagtäglich Politik zu machen. Daher hat sich das Gros der intellektuellen Elite, die den Systemwechsel vollzog, bald aufs eigene Terrain zurückgezogen, um seiner Arbeit nachzugehen. Allerdings begannen mit der Zeit viele von ihnen unerbittlich das neue, sich immer mehr verknöchernde demokratische System und vor allem die unerfreuliche Praxis der politischen Kultur zu geißeln und schlüpften damit wieder in die gleiche Rolle, die sie in den Jahren des Einparteiensystems innehatten.
Es ist also gar nicht so leicht zu klären, wer ein Intellektueller ist. Einer, der irgendein Diplom hat? Oder eine Sprachprüfung? Der weiß, wer Homer und Thomas Mann waren, der die Relativitätstheorie kennt und Johann Sebastian Bach, Béla Bartok und Zbigniew Preisner gleichermaßen hört? Der keine Seifenopern anschaut, ja womöglich gar keinen Fernseher hat, und nie zu McDonald's geht? Der Skansen (Freilichtmuseen) mag und seine Kinder im Sommer in national gesinnte Ferienlager schickt? Oder die Kinder ganz im Gegenteil (wenn es das Gegenteil davon ist) nach Amsterdam oder New York schickt, damit sie die wahre Welt kennenlernen?
Ist ein Politiker ein Intellektueller? Oder ein Wirtschaftsmagnat, der in der Region ganze Shoppingmallsysteme baut? Oder anders gefragt: Kann ein Tankstellenwart oder ein Bäcker überhaupt als ein Intellektueller angesehen werden? Und wenn nicht: Warum eigentlich nicht? Ich glaube, das genau ist der Punkt: Da man den Begriff eigentlich nicht definieren kann, gibt es nur Traditionen, Wünsche und Wollen. Und das Individuum: Wer behauptet schon (wer wagt es zu behaupten), ein Intellektueller zu sein? Und tut er denn auch etwas, egal was, das nach seinem besten Wissen dieser Selbstdefinition entspricht?
Die ach so schwer definierbare Intelligenz wird nie homogen sein. Der Mensch steckt alles mit großem Behagen in Schubladen und spricht deshalb von Human- und von technischer Intelligenz. Und während man von der technischen Intelligenz erwartet, dass sie neben der Kenntnis des eigenen Fachbereichs in fast allen Gebieten der Kulturgeschichte bewandert ist, fordert bei der sogenannten Human-Intelligenz kaum jemand Kenntnisse über die Relativitätstheorie oder die Genbehandlung der täglich verzehrten Lebensmittel ein. Möglicherweise liegt der Kern der Sache aber gar nicht hier.
Man könnte mühelos eine ganze Reihe von Erwartungen an die Rolle der Intellektuellen formulieren. "Gesellschaftliche Verantwortung", "Vorbild", "gutes Beispiel" und ähnliche, oft wohl recht unklare und mitunter unheilvolle Erwartungen wären auf jeden Fall dabei. Dabei gibt es, wer könnte es leugnen, sehr wohl eine dringliche, ja fast schon qualvolle Aufgabe für die Intellektuellen: Sie beruht womöglich auf nichts anderem, als dass sie berufen sind, den Messias zu erwarten.
An diesem Messianismus liegt es, dass zwei Dinge im Grunde genommen völlig auseinanderfallen: die fachliche Arbeit, die künstlerische oder wissenschaftliche Tätigkeit des Intellektuellen, die er meist hinter verschlossenen Türen, im Büro, im Labor oder vor dem Rechner verrichtet, und das, was er - sozusagen aus Sendungsbewusstsein - darüber hinaus tun müsste. Doch existiert überhaupt ein Sendungsbewusstsein dieser Art, auch in Friedenszeiten? Ich denke vor allem an die Länder der neuen Demokratien. Inwieweit kann das, was man früher, in der Zeit der Unterdrückung, der Zensur, wahrgenommen hat, ohne diesen Nährboden - wenn es sein muss, in anderer Form - wieder gedeihen?
Die zwei Jahrzehnte seit der Wende von 1989/1990 haben gezeigt, dass der Übergang keineswegs leicht ist. Von den einstigen Vorkämpfern zogen sich - wie schon erwähnt - viele schleunigst wieder in die besagten Büros und Labors zurück. Und an ihrer Stelle ist keine ähnlich charismatische, von der Gesellschaft akzeptierte und auch unter den Intellektuellen als Elite geltende Schicht herangewachsen, die auf eine gute Sache aufmerksam machen könnte. Im heutigen Europa ist meines Erachtens die Ausgewogenheit der Ansichten und Meinungen am wichtigsten: zu verkünden, oder, wenn das zu pathetisch klingen sollte, kundzutun (aber dann schon so oft wie möglich), dass die Welt und darin unser Leben eine Fundgrube unendlicher Möglichkeiten ist. Aus dem Schicksal eines Menschen kann so gut wie alles entstehen. Auch wenn man vielleicht mehr darüber weiß oder fühlt, was gewiss schlecht ist (töten, lügen, betrügen, täuschen - man könnte leider noch lange aufzählen), gibt es auch in der Frage, was gewiss gut ist, unzählige Möglichkeiten.
Und dazu müssen wir in erster Linie die Jugend bringen - mit einem sehr klassischen Wort: Erziehung. Wir müssen ihr beibringen, dass sich die Mühe lohnt, die Gipfel der Hochkultur, des differenzierten Denkens zu stürmen. Unter Umständen eine ganze Lebensform dahingehend zu orientieren, dass langsam genauso gut oder sogar besser sein kann als schnell. Man kann nicht alles damit abtun, dass zu wenig Zeit sei. Es gilt zu vermitteln, dass auch das Wissen, der Erwerb von Wissen, eine Aufgabe, kostbare Arbeit ist. Das ist die Grundlage für alles.
Übersetzung aus dem Ungarischen: Peter Máté, Berlin. | Article | Károly Méhes | 2021-12-07T00:00:00 | 2011-10-05T00:00:00 | 2021-12-07T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/32479/die-intellektuellen-und-europa-ein-intelligentes-europa-essay/ | Im heutigen Europa ist die Ausgewogenheit der Ansichten am wichtigsten: kundzutun, dass die Welt und darin unser Leben eine Fundgrube unendlicher Möglichkeiten ist. | [
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Wahl in Spanien | Hintergrund aktuell | bpb.de | In Interner Link: Spanien findet am 10. November eine vorgezogene Parlamentswahl statt. Damit sind die 37 Millionen Wahlberechtigten bereits zum vierten Mal seit Interner Link: Dezember 2015 dazu aufgerufen, die 350 Mitglieder des Abgeordnetenhauses sowie 208 der insgesamt 265 Mitglieder des Senats zu wählen.
Bei den letzten Wahlen im April konnten weder linke noch konservative Parteien eine absolute Mehrheit im Parlament erzielen. Mit Abstand stärkste Partei wurde damals die Partido Socialista Obrero Español (PSOE, deutsch: Spanische Sozialistische Arbeiterpartei) von Ministerpräsident Pedro Sánchez mit rund 28,67 Prozent. Damit gewann sie zwar die relative Mehrheit von 123 Mandaten, verfehlte jedoch deutlich die notwendige Regierungsmehrheit von 176 Sitzen in der Abgeordnetenkammer.
Warum finden vorgezogene Wahlen statt?
Da nach den Interner Link: Parlamentswahlen am 28. April 2019 bis zum 23. September keine neue Regierung gebildet werden konnte, löste der spanische Interner Link: König Felipe VI. das spanische Parlament auf und schrieb für den 10. November 2019 eine Parlamentswahl aus. Der geschäftsführende Ministerpräsidenten Sánchez war bereits im Juli 2019 zweimal bei Abstimmungen im Abgeordnetenhaus gescheitert und verfehlte auch in den nachfolgenden Monaten eine Einigung mit den anderen Parteien. Grund für seine Niederlage im Juli war vor allem die Ablehnung durch die Abgeordneten des linken Parteienbündnisses Unidas Podemos (UP, deutsch: Vereint Können Wir), auf deren Stimmen Sánchez gezählt hatte.
Ursprünglich hatte Sánchez erneut eine Minderheitsregierung der PSOE unterstützt von der UP und mehreren kleinen Regionalparteien angestrebt – eine Konstellation, die ihn bereits im Juni 2018 ins Amt gewählt hatte, nachdem die Vorgängerregierung der konservativen Partido Popular (PP, deutsch: Volkspartei) in Folge einer Korruptionsaffäre zerbrochen war. Die von Pablo Iglesias angeführte UP verlangte im Gegenzug für ihre Unterstützung jedoch die Beteiligung an einer Koalitionsregierung mit der PSOE. Die erst wenige Tage vor den Abstimmungen im Juli begonnen Koalitionsverhandlungen endeten jedoch ergebnislos.
Krise der spanischen Politik?
Spanien durchlebt seit mehreren Jahren eine Reihe von politischen Krisen. Hierzu zählen neben den wiederholten Neuwahlen vor allem die Konflikte mit der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung und zahlreiche Korruptionsskandale. Zudem ist mit dem Aufkommen neuer Parteien an beiden Rändern des politischen Spektrums eine zunehmende Zersplitterung des spanischen Parteiensystems zu beobachten, das seit 1989 von den Sozialisten der PSOE und der konservativen PP geprägt wurde. Die klare Dominanz dieser beiden Parteien wurde spätestens mit der Interner Link: Wahl zum Abgeordnetenhaus im Dezember 2015 beendet.
Seither hielt keine Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode. Zuletzt scheiterte im Februar 2019 die Minderheitsregierung der PSOE unter Sánchez an der Verabschiedung des Haushaltes für 2019. Der Haushaltsentwurf sah unter anderem Mehrausgaben für Arbeitslose und Rentner vor, aber auch Investitionserhöhungen für die Regionen. Eigentlicher Streitpunkt war jedoch das Verhältnis zur nach Unabhängigkeit strebenden Region Katalonien. Sánchez stützte seine Minderheitsregierung unter anderem auf die linke Separatistenpartei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC, deutsch: Republikanische Linke Kataloniens). Diese knüpfte ihre Zustimmung zum Haushaltsplan an Zugeständnisse zugunsten der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung.
Wie funktioniert das spanische Wahlsystem?
Spanien ist eine parlamentarische Monarchie, deren Parlament (spanisch: Cortes Generales) aus Interner Link: zwei Kammern besteht: dem Abgeordnetenhaus (spanisch: Congreso de los Diputados) und dem Senat (spanisch: Senado). Das Abgeordnetenhaus ist dabei die bedeutendere Kammer, die auch mit der Wahl der Regierung betraut ist. Die 350 Mitglieder des Abgeordnetenhauses werden in 52 Wahlkreisen gewählt – davon 348 per regionalisierter Verhältniswahl in den 50 Provinzen des Landes und zwei in den nordafrikanischen Exklaven Ceuta und Melilla per einfacher Mehrheitswahl.
Für die Wahl des Abgeordnetenhauses haben die Wahlberechtigten jeweils eine Stimme. Zur Wahl stehen Listenvorschläge der einzelnen Parteien. Den Stimmanteilen entsprechend werden die in einem Wahlkreis zu vergebenden Mandate auf die Parteien verteilt. Es gibt eine Interner Link: Sperrklausel von drei Prozent in den Wahlkreisen, faktisch sind außer in Madrid und Barcelona aber höhere Stimmanteile nötig, um einen Sitz im Abgeordnetenhaus zu bekommen. Da die Verteilung der Mandate bereits auf Wahlkreisebene stattfindet, begünstigt es große Parteien ebenso wie Parteien mit regionalem Schwerpunkt.
Der Senat soll vor allem die territoriale Repräsentation sichern und setzt sich aktuell aus 265 Mitgliedern zusammen. Von diesen werden 208 direkt per Mehrheitsprinzip in 59 Wahlkreisen gewählt. Die übrigen Senatsmitglieder werden von den Regionalparlamenten der 17 autonomen Regionen bestimmt. Beide Kammern des Parlaments werden in der Regel alle vier Jahre gewählt. Der König oder das Regierungsoberhaupt können das das Parlament jedoch vorzeitig auflösen.
Wer steht zur Wahl?
Neben zahlreichen kleinen Parteien stellen sich am 10. November die folgenden Parteien zur Wahl:
Die 1879 gegründete Partido Socialista Obrero Español (PSOE, deutsch: Spanische Sozialistische Arbeiterpartei) von Ministerpräsident Sánchez. Sie kann Umfragen zufolge darauf hoffen, auch aus der kommenden Wahl als stärkste Kraft hervorzugehen.
Die konservative Partido Popular (PP, deutsch: Volkspartei) unter ihrem Vorsitzenden Pablo Casado. Auch wenn die PP bei den kommenden Wahlen für eine Mitte-Rechts-Mehrheit kämpft, hat die PP angedeutet, dass eine erneute Regierungsbildung unter Sánchez nicht an ihr scheitern soll.
Die bürgerlich-liberale Ciudadanos (deutsch: Bürger), die 2006 von Alberto Rivera gegründet wurde und seither von ihm geführt wird. Anfang Oktober hatte Rivera Gesprächsbereitschaft für die Zeit nach den Wahlen im November signalisiert und damit seine bisherige Ablehnung gegenüber Sánchez relativiert.
Das Linksbündnis Unidos Podemos (UP, deutsch: Vereint Können Wir), das aus zwölf linken Parteien besteht und von Pablo Iglesias angeführt wird.
Die als rechtspopulistisch bis rechtsextreme bewertete Vox (Latein für ″Stimme“), die sich 2013 von der PP abgespalten hat und von Santiago Abascal angeführt wird. Bei der Wahl im April 2019 konnte sie erstmal in das spanische Unterhaus einziehen. Die Más País (deutsch „Mehr Land“), welche sich erst im September 2019 unter Führung von Íñigo Errejón von Podemos abgespalten hat. Sie könnte sowohl von Podemos als auch von der PSOE enttäuschte Wählerinnen und Wähler anziehen.
Außerdem treten mehrere Regionalparteien erneut zur Wahl an, darunter unter anderem die katalanische Regionalpartei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC, deutsch: Republikanische Linke Kataloniens).
Welche Themen prägen den Wahlkampf?
Der kürzeste Wahlkampf seit 1978 wird wie bereits im April von der politischen Polarisierung des Landes und der Katalonien-Frage dominiert. Am 14. Oktober 2019 veröffentlichte der Oberste Gerichtshof die Urteile gegen zwölf katalanische Politiker und Politikerinnen. Darin verurteilten sie neun Angeklagte für die Durchführung eines illegalen Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober 2017 sowie die darauf folgende einseitige Unabhängigkeitserklärung Kataloniens zu neun bis dreizehn Jahren Haft. Zudem werden sie für die damit einhergehenden öffentlichen Unruhen verantwortlich gemacht. Drei weitere Personen wurden wegen Ungehorsams zu einer Geldstrafe von je 60.000 € verurteilt. Konservative bis rechtspopulistische Parteien hatte im Vorfeld auf harte Haftstrafen von bis zu 30 Jahren gepocht, während die katalanische Regionalregierung den Freispruch aller Angeklagten einforderte. Die Bekanntgabe des Urteils löste in Katalonien zahlreiche gewalttätige Demonstrationen aus. Für das Wahlwochenende haben die separatistischen Gruppen zu neuen Aktionen aufgerufen.
Von der weiterhin angespannten Katalonien-Frage könnte im November vor allem die konservative PP und die rechtspopulistisch bis rechtsextrem bewertete Partei Vox profitieren. Letztere konnte bereits im April erfolgreich mit der Aufhebung des katalanischen Autonomiestatuts werben.
Wer könnte nach der Wahl regieren?
Ein entscheidender Faktor bei den kommenden Wahlen könnte die Wahlbeteiligung am 10. November sein. Vorwahlumfragen deuten bislang darauf hin, dass sich die Zusammensetzung des Parlaments im Vergleich zu den Wahlen im April nicht grundlegend verändern dürfte. Profitieren könnten vor allem die rechtspopulistische VOX und die PP, während insbesondere Ciudadanos deutlich an Stimmen verlieren könnte.
Beobachter erwarten nach der Wahl im November erneut eine schwierige Regierungsbildung, rechnen jedoch eine größere Kompromissbereitschaft aller Parteien. Eine große Koalition mit der PP schloss Sánchez jedoch am 1. November aus.
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| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-03-31T00:00:00 | 2019-11-06T00:00:00 | 2022-03-31T00:00:00 | https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/300023/wahl-in-spanien/ | Am 10. November wird Spanien zum zweiten Mal in diesem Jahr ein neues Parlament wählen. Ministerpräsident Sánchez war nach der letzten Wahl im April 2019 an der Regierungsbildung gescheitert. Im aktuellen Wahlkampf spielt auch die Katalonien-Frage ei | [
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Unabhängigkeit und Staatsferne – nur ein Mythos? | Medienpolitik | bpb.de | Einleitung
Rundfunkunabhängigkeit ist kein Selbstzweck. Ihren elementaren Wert erlangt sie aus zwei Gründen:
In Bezug zu anderen normativen Konzepten wie "Meinungsbildung", "demokratische Öffentlichkeit" und "öffentlichem Auftrag", denn nur unabhängige Medien sind in der Lage, diese normativen Konzepte auch in der Praxis umzusetzen.Die Definition von Unabhängigkeit erfordert eine dezidierte Auseinandersetzung mit Abhängigkeiten, wie sie auf institutioneller, aber auch auf inhaltlicher Ebene vorzufinden sind.
Der folgende Beitrag bietet einen kurzen Überblick über die Unabhängigkeit des Interner Link: öffentlich-rechtlichen Rundfunks entlang dieser zwei Definitionslinien. Sie wird zum einen gegenüber der im deutschen Grundgesetz festgelegten Kommunikationsfreiheiten, zum anderen gegenüber den funktionalen Erwartungen der Demokratietheorie abgewogen. Mit welchen Abhängigkeiten diese normativen Konzepte in der öffentlich-rechtlichen Praxis kollidieren, wird in diesem Beitrag ebenfalls deutlich gemacht.
Rechtliche Grundlagen als Basis für freie Medien in einer Demokratie
Die Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus, in dem alle Medien gleichgeschaltet und dem staatlichen Propaganda-Apparat untergeordnet waren, prägten maßgeblich die Etablierung des Rundfunksystems in der Bundesrepublik Deutschland. Um staatliche Instrumentalisierung in der Zukunft zu vermeiden, entschieden sich die Gesetzgeber unter Aufsicht der Alliierten für den Aufbau eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach britischem Vorbild (British Broadcasting Corporation, BBC). Dem Interner Link: Föderalismusprinzip zufolge wurde jedem Bundesland eine eigene Rundfunkanstalt zugeordnet, deren Unabhängigkeit von politischen und wirtschaftlichen Interessen gewährleistet werden sollte.
Verfassungsrechtliche Kommunikationsfreiheiten
Einen zentralen Ausgangspunkt für die rechtliche Ausgestaltung der Rundfunkordnung bilden die verfassungsrechtlichen Kommunikationsfreiheiten. So werden das individuelle Grundrecht auf Meinungsbildung und die Rundfunkfreiheit im Grundgesetz festgehalten Interner Link: Art. 5 Abs. 1 GG. Die konsequente Auslegung dieser Wechselbeziehung durch die Rundfunkurteile des Bundesverfassungsgerichts hat die Entwicklung des Rundfunksystems bestimmt. In den letzten 60 Jahren musste das Bundesverfassungsgericht immer wieder die Verfassungskonformität von rundfunkpolitischen Ansätzen und Entwicklungen überprüfen. Hieraus entstand eine Reihe von Rundfunkurteilen, die die verfassungsrechtlichen Kommunikationsfreiheiten zeit- und kontextgemäß interpretierten und diese auf die rundfunkpolitische Praxis übertrugen. Normative Konzepte, beispielsweise Staatsferne und Rundfunkunabhängigkeit, sind das Ergebnis dieses Auslegungsprozesses:
QuellentextAuslegungsprozess
Im Zuge von gesetzlichen Ausgestaltungen von Rundfunkorganisationen und deren Aufgaben ist die Absicherung von Unabhängigkeit kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zur Ermöglichung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung mit Hilfe dieser Rundfunkorganisationen.
Quelle: Hoffmann-Riem 2010, S. 11 ff.
Diesem Gedankengang zufolge wird die Rundfunkfreiheit als eine dienende Freiheit verstanden. Der freie Rundfunk wird somit der gesellschaftlichen Aufgabe verpflichtet, durch sein vielfältiges Programmangebot zur freien Meinungsbildung beizutragen.
Aufgrund seiner Aktualität, Breitenwirkung und Suggestivkraft schreibt das Bundesverfassungsgericht dem Rundfunk eine Sonderrolle im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu. Der Betrieb öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird daher als eine öffentliche Aufgabe aufgefasst, die von staatlichen Aufgaben klar abzugrenzen ist. Dieses besagt der vom Bundesverfassungsgericht mehrfach bekräftigte Grundsatz der Staatsfreiheit. Demnach obliegt dem Staat nicht nur die Aufgabe, den Rundfunk vor staatlicher Einflussnahme zu schützen, sondern auch von den Interessen anderer gesellschaftlicher Gruppen wie zum Beispiel politischer Parteien, Wirtschaftsunternehmen oder Religionsgemeinschaften . Die öffentliche Verwaltung und Finanzierung der Rundfunkanstalten werden somit durch den Gesetzgeber rechtlich abgesichert.
Verwaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Die Interner Link: Landesrundfunkgesetze regeln Funktion und Zusammensetzung der jeweiligen Rundfunkgremien, die die Pluralität der Gesellschaft widerspiegeln soll. Jedes dieser Gesetze legt die gesellschaftlich relevanten Gruppen fest, die ihre Vertreter in die Rundfunk- und Fernsehräte der öffentlich-rechtlichen Anstalten entsenden dürfen. Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften, Wirtschafts- und Kunstverbände werden z. B. als gesellschaftlich relevante Gruppen aufgeführt. Länder, Bund und politische Fraktionen sind in den Aufsichtsgremien ebenfalls vertreten.
Zu den Hauptfunktionen der Rundfunk- und Fernsehräte zählen unter anderem die Überwachung der Erfüllung des gesetzlich festgelegten Programmauftrags, die Genehmigung des Haushalts und die Wahl des Intendanten. Die pluralistische Zusammensetzung der Aufsichtsgremien soll somit einer pluralistisch angelegten Kontrollfunktion zugutekommen, bei der die Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen berücksichtigt werden können.
Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Der Externer Link: Rundfunkstaatsvertrag und der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag regeln die öffentliche Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Zentrale Rolle in diesem Prozess spielt die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), die den angemeldeten Finanzbedarf der Rundfunkanstalten nach Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit überprüft. Daraus leitet sie die Höhe des Externer Link: Rundfunkbeitrags (vor 2013 Rundfunkgebühr) ab.
Dieses durch ein unabhängiges Gremium geleitete Gebührenfestsetzungsverfahren ist das Ergebnis des achten Rundfunkurteils des Bundesverfassungsgerichts, der einen gefährlichen Zusammenhang zwischen der Festlegung der Finanzausstattung und der Programmautonomie der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten feststellte. Im staatlich geregelten Gebührenfestsetzungsverfahren erkannte das Gericht das Potenzial politischer Einflussnahme auf das publizistische Angebot und sprach sich für eine staatsunabhängige Gebührenfestsetzung aus.
Interpretation, Bedeutung und Zweck der Unabhängigkeit des Rundfunks
Medien sind prägend für die Gestaltung öffentlicher Kommunikation. Sie stellen den Bürgern ihre Beobachtungen zur Verfügung, auf deren Grundlage diese ihre eigene Meinung bilden können. Je unvoreingenommener und vielfältiger die Beobachtungen der Medien sind, desto demokratischer ist der Prozess der Meinungsbildung: So lautet die demokratietheoretische Auffassung von Medienfreiheit und -unabhängigkeit. Durch eine machtpolitisch oder wirtschaftlich motivierte Einflussnahme auf Medien lässt sich der Prozess der öffentlichen Meinungsbildung einschränken, das öffentliche Interesse wird Gruppeninteressen untergeordnet.
Befangene Medien können ihren demokratischen Funktionen nicht gerecht werden, weil die kritische Distanz zum Machthaber oder Geldgeber nicht mehr vorhanden ist. Diese ist wiederum wesentlich, wenn es darum geht, politische oder wirtschaftliche Gruppen und ihre Interessen als Gegenstand der Berichterstattung möglichst objektiv darzustellen und kritisch zu beobachten. Somit führt politische oder wirtschaftliche Einflussnahme zu einer oftmals gewollten Verzerrung der medial vermittelten, öffentlichen Meinungsbildung.
Vor diesem Hintergrund sind die unabhängigen und somit funktionsfähigen Massenmedien "ein öffentliches Gut, von dessen Befindlichkeit die Identität moderner demokratischer Gesellschaften wesentlich abhängt". Damit der Rundfunk (und vor allem das Fernsehen) seine besondere Funktion im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung erfüllen kann, hat der Gesetzgeber besonders hohe Anforderungen an seine Qualität, Unabhängigkeit und Kontrolle gestellt, ebenso wie an die Unabhängigkeit seiner Finanzierung. Dies galt zu Zeiten des Monopols des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und es gilt in der Interner Link: dualen Rundfunkordnung umso mehr. Denn kommerzielle Rundfunksender sind per se den Gesetzen des Marktes und damit wirtschaftlichen Interessen stärker unterworfen als öffentlich verantwortete und finanzierte. In der Online-Welt, die vom Angebotsvielfalt und Informationsüberflutung geprägt wird, sind die wirtschaftlichen Abhängigkeiten von Plattformen und Anbietern umso intransparenter.
Eine ausgewogene und möglichst vielfältige Berichterstattung steht nicht gerade im Mittelpunkt gewinnorientierter Geschäftsmodelle. Sie zielen auf einen möglichst breiten Zuschauerzuspruch – die sogenannte Quote – und "boulevardisieren" zu diesem Zweck die öffentliche Kommunikation. Hierbei rücken Personen und Skandale im Mittelpunkt der Berichterstattung. Diese Programmstrategie mag zwar die Schaulust der Fernsehkonsumenten bedienen, trägt aber wenig zur Meinungsbildung der Bürger bei.
Die institutionelle Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Anstalten bedingt auch die Erfüllung ihres Interner Link: Programmauftrags. Hierzu gehört es, "die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen".
QuellentextRundfunkstaatsvertrag – RStV
II. Abschnitt: Vorschriften für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
§ 11 Auftrag
(1) Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.
(2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.
Quelle: Externer Link: die-medienanstalten.de / Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien
Auch in der Multimedia-Umwelt hat ein öffentlich verantwortetes Kommunikationsangebot – weiterentwickelt als public service media, d. h. öffentlich-rechtliche Multimedia-Angebote – seinen Platz. Denn man könnte zwar argumentieren, dass es angesichts der Fülle der Informations- und Unterhaltungsangebote im Netz öffentlich-rechtliche Angebote nur dort bedürfe, wo Defizite bestehen. Doch mit der vom Bundesverfassungsgericht verfügten Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist der Grundsatz formuliert, dass das Prinzip der unabhängigen öffentlichen Forumsfunktion auch in der Online-Kommunikation von Bedeutung ist. Die Erweiterung des Programmangebots auf neue Kommunikationskanäle wie das Internet ist für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unabdingbar, wenn er alle Zielgruppen ansprechen und seine demokratischen Funktionen auch in der Zukunft erfüllen will. Um seine Koexistenz mit anderen Wettbewerbern in der Multimedia-Umwelt (vor allem mit den Verlagen) rechtlich abzusichern, wurden nach 2010 mehr als 40 Dreistufentests durchgeführt, die unter anderem den Beitrag öffentlich-rechtlicher Online-Angebote zum publizistischen Wettbewerb und somit zur Meinungsbildung prüften.
Die Realität der Unabhängigkeit
In der jüngeren Zeit wird das historisch belastete Wort von der „Lügenpresse“ auch auf die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angewendet. Mit diesem Begriff behaupten Vertreterinnen und Vertreter der „Alternative für Deutschland“ und anderer rechtskonservativer Kräfte, es herrsche eine einseitige Berichterstattung, die einer Propaganda der etablierten Parteien entspreche. In der Tat gab es in der Vergangenheit einzelne Fälle, die zeigten, dass die zuvor genannten Ideale der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Realität einen schwierigen Stand haben. Der bekannteste ereignete sich im Zweiten Deutschen Fernsehen, dem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2013 bescheinigt hat, dass hier der Einfluss politischer Akteure besonders groß ist. Dies ist deswegen so, weil die Vertreter der sogenannten Staatsbank (gemeint sind hier die Vertreter vom Bund, Ländern und den politischen Fraktionen) allein schon in starker Anzahl in den Aufsichtsgremien vertreten sind. Auch in den ARD-Anstalten treten Fälle des Versuchs politischer Einflussnahme auf, doch finden sie aufgrund ihres regionalen Zuschnitts nicht solch eine bundesweite Beachtung [9].
Gegenüber dem Postulat der AfD ist hier jedoch zu unterscheiden, ob einzelne Versuche politischer Einflussnahme zu konstatieren sind, oder ob der Vorwurf der systematischen Ausrichtung ganzer Sender an bestimmten politischen Positionen aufrechterhalten werden kann. Die Pluralität der Aufsichtsgremien und vor allem das journalistische Ethos der Medienschaffenden machen diesen Vorwurf gegenstandslos.
Fallbeispiel Hans Michael Strepp
Während des bayerischen Landeswahlkampfs im Herbst 2012, rief CSU-Pressesprecher Hans-Michael Strepp mehrmals bei der heute-Redaktion des ZDF an und versuchte die Berichterstattung über den SPD-Parteitag zu verhindern [10]. Sollte ZDF doch über den Parteitag berichten, würde dies "Diskussionen nach sich ziehen". Der Fall wurde in den Medien breit aufgegriffen und löste stattdessen eine Diskussion um die Einflussnahme von politischen Parteien auf Medien. Kurz darauf folgte Strepps Rücktritt als CSU-Pressesprecher.
Fall Böhmermann
Ein besonderer Fall von Gefährdung der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der zudem eine internationale Dimension offenbart, ist mit einem Beitrag des Satirikers Jan Böhmermann aufgetreten. Sein am 31. März 2016 im ZDF-Digitalkanal ZDFneo ausgestrahltes Schmähgedicht über den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan hat dazu geführt, dass die Bundesregierung entscheiden musste, ob sie einen bislang ruhenden Paragraphen des Strafgesetzbuches zur Geltung kommen lassen will [11]. Nach § 103 steht die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes unter Strafe. Darauf berief sich Erdogan und klagte Böhmermann an [12]. Nach deutschem Recht ist bei einem Verfahren nach § 103 eine Ermächtigung notwendig, die von der Bundeskanzlerin erteilt wurde. Aufgrund der Vereinbarungen der deutschen mit der türkischen Regierung über die Rückführung von Flüchtlingen stellten Kritiker dieser Entscheidung die Frage, ob hier eine politisch motivierte Entscheidung an die Freiheit der Satire rührte.
Fallbeispiel Nikolaus Brender
Als im Frühjahr 2010 die Verlängerung des Vertrages von Chefredakteur Nikolaus Brender auf der Tagesordnung des Verwaltungsrates stand, stimmte dieser der Verlängerung nicht zu. 2010 war ein Jahr, in dem Landtagswahlen und die Bundestagswahl anstanden. Brender galt als unbeugsamer Journalist, der den Wert journalistischer Unabhängigkeit hoch schätzte. Diese Entscheidung fiel mit der Stimmenmehrheit der Verwaltungsratsmitglieder, die dem Umfeld der CDU zuzuordnen sind. Sie fachte breite politische und rechtliche Diskussionen an, im Zuge derer verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Zusammensetzung der ZDF-Gremien formuliert wurden, welche dann auch zu einer Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht führten (siehe unten) [13].
Verhältnis zwischen Politikern und Journalisten
Mit dem Fall Brender wurde thematisiert, was auch schon einschlägige Untersuchungen festgestellt hatten. Kepplinger (2006) wertete Interviews mit 230 Hauptstadtjournalisten aus. 28 % von ihnen gaben an, dass sie schon einmal erlebt hätten, wie Politiker im beruflichen Umgang direkt Druck auf sie ausüben wollten. 48 % der Fernsehjournalisten und 51 % der Tageszeitungsjournalisten beantworteten die Frage: "Ist es schon einmal vorgekommen, dass Politiker versucht haben, über Ihren Redaktionsleiter Ihre Berichterstattung zu beeinflussen?" mit "Ja". Zwar differenzierte Kepplinger in seiner Untersuchung nicht zwischen Journalisten bei öffentlich-rechtlichen und bei kommerziellen Sendern. Doch ist zu vermuten, dass allein aufgrund des höheren Politikanteils im Programm der öffentlich-rechtlichen Sender hier auch noch höhere Erfahrungswerte anzutreffen sind.
Etwas komplexer beschreibt eine ältere Studie das Verhältnis zwischen Politikern und Journalisten[14]. Danach spielt sich das Verhältnis der beiden Gruppen auf einer Vorder- und auf einer Hinterbühne ab. Unterschieden wird also zwischen dem, was zu sehen ist, und dem, was im Hintergrund geschieht. Während auf der Vorderbühne die erwartete Autonomie durchaus verteidigt wird, ist das Verhältnis auf der Hinterbühne eher durch Interdependenz, d. h. eine wechselseitige Abhängigkeit, gekennzeichnet: Publizität wird gegen Information getauscht – politische Eliten bestimmen die Agenda, Journalisten stellen die Agenda dem Publikum zur Verfügung.
Nun lässt sich diese Tauschbeziehung weder mit aufwändigen Studien noch bei den einzelnen Akteuren aufspüren: Im Verhältnis zwischen ganzen Organisationen – z. B. zwischen den Parteien und den Anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – lässt sich das schwierig nachweisen. Doch ist es nicht abwegig festzustellen, dass ARD und ZDF, wiewohl sie einen unbestreitbaren Verdienst um die Herstellung politischer Öffentlichkeit haben, für die Parteienpolitik notwendig sind: Sie bieten ihr ein Forum. Dafür profitieren sie aber auch von der Parteienpolitik, solange diese die medienpolitischen Rahmenbedingungen für die weitere Existenz der öffentlich-rechtlichen Sender verteidigt.
In einer jüngeren Studie wird auf ein anderes Problem verwiesen, dass aufgrund eines problematischen Verhältnisses von politischem und Mediendiskurs auf mögliche Gefährdungen der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verweist. Krüger (2013) untersuchte, wie Leitmedien mehr oder weniger den laufenden Diskurs der Eliten reflektieren, aber dessen Grenzen nicht überschreiten und dessen Prämissen nicht kritisch hinterfragen. Er fand heraus, dass jeder dritte der leitenden Redakteure informelle Kontakte mit Politik- und Wirtschaftseliten unterhielt.
Kontrollgremien als Spiegel der Zusammensetzung der Gesellschaft oder der Macht der politischen Parteien?
In der Folge der "Causa Brender" wurde vom Land Rheinland-Pfalz und vom Stadtstaat Hamburg eine Verfassungsklage gegen den ZDF-Staatsvertrag eingereicht. Das Bundesverfassungsgericht sollte nun prüfen, ob dieser genügend Staatsferne der Senderaufsicht garantiert. Am 25. März 2014 erklärten die Verfassungsrichter den ZDF-Staatsvertrag für verfassungswidrig und dies aufgrund des überproportionalen staatlichen Einflusses in den Aufsichtsorganen (Anzahl der staatsnahen Vertretern im Fernseh- und Verwaltungsrat) [15]. Die Ministerpräsidenten waren nun gezwungen einen neuen, verfassungskonformen Staatsvertrag zu verabschieden, der die staatsnahen Vertreter in den Gremien auf ein Drittel begrenzt. Am 01.01.2016 trat der neue ZDF-Staatsvertrag in Kraft, der die Zahl der Vertreter der Staatsbank auf ein Drittel begrenzt. So soll dem Einfluss politischer Akteure auf das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Einhalt geboten werden [16].
QuellentextBundesverfassungsgericht
Leitsätze zum Urteil des Ersten Senats vom 25. März 2014 - 1 BvF 1/11 -
Die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG am Gebot der Vielfaltsicherung auszurichten. Danach sind Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens einzubeziehen.
Der Gesetzgeber hat dafür zu sorgen, dass bei der Bestellung der Mitglieder dieser Gremien möglichst unterschiedliche Gruppen und dabei neben großen, das öffentliche Leben bestimmenden Verbänden untereinander wechselnd auch kleinere Gruppierungen Berücksichtigung finden und auch nicht kohärent organisierte Perspektiven abgebildet werden. Zur Vielfaltsicherung kann der Gesetzgeber neben Mitgliedern, die von gesellschaftlichen Gruppen entsandt werden, auch Angehörige der verschiedenen staatlichen Ebenen einbeziehen.
Die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss als Ausdruck des Gebots der Vielfaltsicherung dem Gebot der Staatsferne genügen. Danach ist der Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den Aufsichtsgremien konsequent zu begrenzen.
Der Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder darf insgesamt ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen. Für die weiteren Mitglieder ist die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konsequent staatsfern auszugestalten. Vertreter der Exekutive dürfen auf die Auswahl der staatsfernen Mitglieder keinen bestimmenden Einfluss haben; der Gesetzgeber hat für sie Inkompatibilitätsregelungen zu schaffen, die ihre Staatsferne in persönlicher Hinsicht gewährleisten.
Quelle: Externer Link: BVerfG, 1 BvF 1/11 vom 25.3.2014, Absatz-Nr. (1 - 135)
Leitsätze:
Gebot der Vielfaltssicherung. Einbeziehung von Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens. Konsequentere Beachtung des Gebots der Staatsferne für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Die Frage, wie das Gebot der Staatsferne des Rundfunks eingehalten und der politische Einfluss niedrig gehalten werden kann, ist Gegenstand einer langen Debatte. Schulz konstatierte schon vor zehn Jahren: "Bei einigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik stellt sich die Frage, ob die Grenze der Verfassungswidrigkeit im Hinblick auf die Staatsferne der Zusammensetzung der Gremien nicht schon erreicht ist"[17]. Und er weist darauf hin, dass ein zu starker staatlicher Einfluss medienpolitisch kritisiert werden kann: Er kann erstens kritisiert werden, weil der Staat als eine Interessengruppe unter anderen bezeichnet werden kann. Und er kann zweitens kritisiert werden, weil der Staat eine "institutionelle Struktur der Machtakkumulation" ist. Daher darf er der öffentlichen Meinung und dem öffentlichen Willen, zu deren Bildung der öffentlich-rechtliche Rundfunk beiträgt, nicht übergeordnet sein, sondern muss sich diesem Prozess unterordnen[18].
Ohne Berücksichtigung der Vertretungen von Landkreistagen, Städtebund, einzelnen Gemeinden und Städten, die parteipolitisch gebunden sein können – lässt sich folgende Aufzählung von Rundfunkratsmitgliedern mit Mandaten der politischen Parteien, der Landesregierungen und Landtage feststellen:
Im Zuge von gesetzlichen Ausgestaltungen von Rundfunkorganisationen und deren Aufgaben ist die Absicherung von Unabhängigkeit kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zur Ermöglichung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung mit Hilfe dieser Rundfunkorganisationen.
Quelle: Hoffmann-Riem 2010, S. 11 ff.
II. Abschnitt: Vorschriften für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
§ 11 Auftrag
(1) Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.
(2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.
Quelle: Externer Link: die-medienanstalten.de / Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien
Leitsätze zum Urteil des Ersten Senats vom 25. März 2014 - 1 BvF 1/11 -
Die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG am Gebot der Vielfaltsicherung auszurichten. Danach sind Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens einzubeziehen.
Der Gesetzgeber hat dafür zu sorgen, dass bei der Bestellung der Mitglieder dieser Gremien möglichst unterschiedliche Gruppen und dabei neben großen, das öffentliche Leben bestimmenden Verbänden untereinander wechselnd auch kleinere Gruppierungen Berücksichtigung finden und auch nicht kohärent organisierte Perspektiven abgebildet werden. Zur Vielfaltsicherung kann der Gesetzgeber neben Mitgliedern, die von gesellschaftlichen Gruppen entsandt werden, auch Angehörige der verschiedenen staatlichen Ebenen einbeziehen.
Die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss als Ausdruck des Gebots der Vielfaltsicherung dem Gebot der Staatsferne genügen. Danach ist der Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den Aufsichtsgremien konsequent zu begrenzen.
Der Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder darf insgesamt ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen. Für die weiteren Mitglieder ist die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konsequent staatsfern auszugestalten. Vertreter der Exekutive dürfen auf die Auswahl der staatsfernen Mitglieder keinen bestimmenden Einfluss haben; der Gesetzgeber hat für sie Inkompatibilitätsregelungen zu schaffen, die ihre Staatsferne in persönlicher Hinsicht gewährleisten.
Quelle: Externer Link: BVerfG, 1 BvF 1/11 vom 25.3.2014, Absatz-Nr. (1 - 135)
Die Frage der Zusammensetzung der Gremien in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bettet sich in eine größere Debatte um deren Zustand ein: Professionalisierung war das Stichwort einer Artikelreihe in den Jahren 2007/2008 im Fachdienst epd-Medien. Hier wurde diskutiert, dass die Gremienaufsicht über ARD und ZDF mehr oder weniger "reformbedürftig" sei[19]. Dies sei notwendig – das war bei aller Heterogenität der Meinungen ein durchgehendes Thema –, um wirksamer als bisher mögliche Fehlentwicklungen (z. B. vermutete Schleichwerbung im ZDF, Veruntreuungen im KiKA) innerhalb der Anstalten aufdecken zu können. Auch die Kompetenz, die Rolle von ARD und ZDF im digitalen Zeitalter einschätzen zu können, ist sicherlich noch steigerbar. Die Stärkung der bestehenden Gremien war das Votum der Mehrheit der Autoren, die zum Teil aus den öffentlich-rechtlichen Häusern selbst, zum Teil aus Medienrecht und -politik kamen.
Diese Forderung der Stärkung ist nicht nur im Hinblick auf deren Professionalität, die mehr Sachverstand und mehr Arbeitskapazität verlangen würde, sondern auch auf ihre Unabhängigkeit zu interpretieren. Die Empfehlungen, die die Debatte erbrachte, lauten:
Politikferne, (mehr) Transparenz der Gremienarbeit, mehr Kompetenz durch die Hinzuziehung externen Sachverstands und eine kontinuierliche Programmevaluierung durch die Zivilgesellschaft, z. B. durch Verbraucher- oder Media-Watch-Organisationen.
Medienpolitik ist in Deutschland ein Expertenthema, zu dem die Mitglieder der Rundfunkgremien als Vertreter der Öffentlichkeit ihren Sachverstand noch stärken müssten. Aus dieser Perspektive stellt sich die Frage der Unabhängigkeit aus einem anderen Licht: Natürlich bringen z. B. die Vertreter/innen der Staatskanzleien, die ohnehin mit der Medienpolitik ihrer Bundesländer befasst sind, mehr Fachwissen in die anstehenden Themen ein, als ein Verbandsvertreter. Dieser muss sich erst in die komplexe Thematik einarbeiten, wenn er in ein Rundfunkgremium entsandt worden ist. Daraus ergibt sich fast von selbst ein Übergewicht an Entscheidungskompetenz und -macht bei den Vertretern der Staatsbank, die tendenziell mehr von (partei-)politischen Motiven als von öffentlichkeitsrelevanten Erwägungen angeregt sein mögen.
Vor- oder Nachteile des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im europäischen Vergleich der Mediensysteme
Infokasten Vor- oder Nachteile des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im europäischen Vergleich der Mediensysteme
Allen öffentlichen Anbietern von Rundfunk ist gemein, dass drei Säulen ihre Unabhängigkeit gewährleisten sollen:
Ein öffentlicher Auftrag, der die Ausrichtung des Programmangebots festlegt. Die öffentliche Finanzierung, die sie vor ungezügelten Marktkräften und vor parteipolitischen Einflüssen schützen soll. Die öffentliche Kontrolle, die die Erfüllung des Auftrags durch die zur Verfügung stehenden Ressourcen überwacht.
Die Konkretisierung dieser drei Prinzipien sieht von Staat zu Staat durchaus unterschiedlich aus:
So hat der starke Zentralismus in Frankreich dazu geführt, dass der dortige service public (= öffentl.-rechtl. Rundfunk) immer nah an der Staatsmacht angesiedelt war und ist – z. B. über das Recht des Präsidenten, den Direktor von France Television zu ernennen. Wenn öffentliche Kontrolle zu staatlicher Kontrolle degeneriert – wie zum Beispiel über die lange Zeit der Regierung Berlusconis in Italien –, ist der öffentliche Diskurs auf Dauer gestört. Am 11.06.2013 schloss die griechische Regierung über Nacht die staatliche Rundfunkanstalt ERT (Elliniki Radiofonia Tileorasi). Diesen radikalen Schritt rechtfertigte das Kabinett Samaras' durch die von der Troika (EU, IWF und EZB) auferlegten Sparmaßnahmen. Vor deren Hintergrund wurde das Prinzip der öffentlichen Finanzierung des Senders als eine "ungeheure Geldverschwendung" umgedeutet. Nach zwei Jahren Sendepause nahm ERT wieder sein Betrieb auf – mit fast halbierter Belegschaft und einem gekürztem Jahresbudget von 60 Mio. €. ERTs Neustart war eins der Wahlversprechen von Alexis Tsipras und wurde kurz nach seinem Amtseintritt eingelöst. ERTs zweijährige Sendepause machte aber deutlich, wie stark die Existenz öffentlich rechtlicher Sender von staatspolitischen Krisen gefährdet werden kann.
Die starke Abhängigkeit der öffentlichen Sender in Portugal und Spanien sowohl von Werbeeinnahmen als auch von staatlichen Zuwendungen hat zugleich ein deutliches Absinken an Qualität und eine größere politische Einflussnahme herbeigeführt.
Die Skandale, unter denen kürzlich die britische BBC zu leiden hatte (einerseits Vertuschung eines Missbrauchsfalles, andererseits eine voreilige, falsche Berichterstattung über einen vermeintlichen Missbrauch), haben hingegen kaum mit dem Problem der mangelnden Unabhängigkeit zu tun – die »BBC« gilt nach wie vor als ein Musterbeispiel eines unabhängigen öffentlichen Senders.
In Osteuropa kann man beobachten, wie fragil die Umwandlung vom Staatsrundfunk zum öffentlichen Rundfunk ist. Zwei aktuelle Beispiele veranschaulichen das regressive Potenzial solcher Transformationsprozesse.
Nach der neuen "Medienverfassung" der rechtskonservativen »Regierung von Viktor Orban« darf die ungarische Medienbehörde Nemzeti Média - és Hírközlési Hatóság (NMHH) Medieninhalte, die die vagen Vorgaben des ungarischen Mediengesetzes verletzen, vorprüfen und mit Geldstrafen sanktionieren. Parallel zur Einführung dieser medienübergreifenden Zensurpolitik, die mittlerweile für internationalen Aufruhr sorgte, wurden auch alle öffentlichen Rundfunkanstalten und Ungarns Nachrichtenagentur (MTI) zusammengeschlossen (MTVA) und der Regierungsbehörde NMHH untergeordnet. Die Entlassungswelle in den Sendern, die kurz darauf folgte, war zum größten Teil parteipolitisch motiviert, die Neuausrichtung des publizistischen Angebots baut auf einer Mischung zwischen nationalstaatlichen Propaganda und Boulevardinhalten.
Ende 2015 verabschiedete die polnische Regierung ein neues Mediengesetz, der die öffentlichen Rundfunkanstalten in Kulturinstitutionen transformierte. Als solche sind sie nicht mehr dem verfassungskonformen Rundfunkrat (KRRiT) unterordnet, sondern direkt dem Ministerium für Staatsvermögen. Der jeweilige Minister bekommt hiermit das Recht, Intendanten und Programmdirektoren ohne Ausschreibung einzusetzen und ohne Grund abzusetzen. Das Nachfolgegesetz vom Anfang 2016 geht sogar noch weiter und sieht die Überprüfung sämtlicher Arbeitsverträge in den Rundfunkanstalten vor. Die zwei Gesetze sind zwar unvereinbar mit Artikel 54 der polnischen Verfassung, der die Freiheit der Meinungsäußerung gewähren soll. In den letzten Jahren wurde das polnische Verfassungsgericht dermaßen funktional abgeschwächt, dass er nun nicht mehr effektiv dagegen vorgehen kann. Trotz Massendemonstrationen zum Schutz der Medien und internationaler Aufruhr hält die Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) weiter an ihrem Kurs zur "Nationalisierung der Medien" fest[20].
Fazit
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland hat mit seiner juristisch mehrfach abgesicherten Unabhängigkeit eine einzigartige Stellung in Europa[21]. Kaum ein anderes Konstrukt des öffentlichen Rundfunks in der EU ist so gewissenhaft darauf bedacht, Staats- und Wirtschaftsferne herzustellen. Dazu gehören
das Prinzip der Vertretung der Zivilgesellschaft durch die Entsendung der Vertreter der sogenannten gesellschaftlich relevanten Gruppen, die geteilte Kontrolle durch Rundfunk- und Verwaltungsräte, der mehrfach gestufte Prozess der Entscheidung über die Höhe des Rundfunkbeitrages und die öffentliche Finanzierung der Anstalten durch den vom Staat abgekoppelten Rundfunkbeitrag, der hohe Stellenwert der redaktionellen Autonomie der Sender.
Doch haben selbst diese differenzierten Strukturen nicht verhindern können, dass politische Einflussnahme und die Versuche, durch die Besetzung der Rundfunkgremien parteipolitische Engführungen in die Aufsicht zu bringen, zu konstatieren sind.
Rundfunkunabhängigkeit ist aber kein Mythos, sondern ein für die Demokratie notwendiges Ziel, auf das immer wieder aufs Neue hingearbeitet werden muss. Sie hat damit Konsequenzen für die medienpolitische Praxis: Rundfunkunabhängigkeit erfordert eine ständige offene und gezielte Auseinandersetzung mit machtpolitischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten im Bereich des öffentlichen Rundfunks. Die Unabhängigkeit des Rundfunks zu stärken, heißt, die Kompetenz der Gremien zu stärken und ihre plurale Zusammensetzung jenseits der Parteipolitik auszubauen.
Zum Weiterlesen auf bpb.de
Interner Link: Bundesverfassungsgericht verhandelt ZDF-Staatsvertrag
Zum Weiterlesen
Bundesverfassungsgericht BVerfGE 1 BvF 1/11, 1 BvF 4/11: Externer Link: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2014/03/fs20140325_1bvf000111.html
ZDF Staatsvertrag (2016): Externer Link: http://www.ard-werbung.de/fileadmin/user_upload/media-perspektiven/Dokumentation/20161_ZDF-Staatsvertrag.pdf
Allen öffentlichen Anbietern von Rundfunk ist gemein, dass drei Säulen ihre Unabhängigkeit gewährleisten sollen:
Ein öffentlicher Auftrag, der die Ausrichtung des Programmangebots festlegt. Die öffentliche Finanzierung, die sie vor ungezügelten Marktkräften und vor parteipolitischen Einflüssen schützen soll. Die öffentliche Kontrolle, die die Erfüllung des Auftrags durch die zur Verfügung stehenden Ressourcen überwacht.
Quellen / Literatur
Gersdorf, Hubertus (1991): Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland. Berlin.
Hoffmann, Jochen (2002): Inszenierung und Interpenetration. Das Zusammenspiel von Eliten aus Politik und Journalismus (Studien zur Kommunikationswissenschaft). Wiesbaden.
Hoffmann-Riem, Wolfgang (2010): Die Unabhängigkeit des Rundfunks. Vortrag an der Universität Hamburg am 27.09.2010.
Kepplinger, Hans-Martin (2006): Erfahrungen der Berliner Journalisten mit Politikern: Externer Link: http://www.kepplinger.de/files/Erfahrungen_der_Berliner_Journalisten_mit_Politikern.pdf.
Krüger, Uwe (2013): Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse. Köln.
Lilienthal, Volker (Hrsg.) (2009): Professionalisierung der Medienaufsicht. Neue Aufgaben für Rundfunkräte – Die Gremiendebatte in epd medien. Wiesbaden.
Müller, Sebastian / Gusy, Christoph (2011): Does media policy promote media freedom and independence? The case of Germany. MediaDem.
Nehls, Sabine (2009): Mitbestimmte Medienpolitik. Gewerkschaften, Gremien und Governance in Hörfunk und Fernsehen. Wiesbaden.
Rossen-Stadtfeld, Helge (2012): Der Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung – verfassungsrechtliche Bezüge. In: Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie an der Universität zu Köln: Externer Link: http://www.rundfunk-institut.uni-koeln.de/institut/pdfs/289Ross.pdf.
Schulz, Wolfgang (2002): Staatsferne der Aufsichtsgremien öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten. Materialien zur Diskussion um eine Reform. Hans-Bredow-Institut Arbeitspapiere, Nr. 12, Hamburg: Externer Link: http://www.hans-bredow-institut.de/webfm_send/44.
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Rossen-Stadtfeld, Helge (2012): Der Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung – verfassungsrechtliche Bezüge. In: Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie an der Universität zu Köln: Externer Link: http://www.rundfunk-institut.uni-koeln.de/institut/pdfs/289Ross.pdf.
Schulz, Wolfgang (2002): Staatsferne der Aufsichtsgremien öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten. Materialien zur Diskussion um eine Reform. Hans-Bredow-Institut Arbeitspapiere, Nr. 12, Hamburg: Externer Link: http://www.hans-bredow-institut.de/webfm_send/44.
BVerfGE 57, 295
BVerfGE 119, 181, 214 ff.
BVerfGE 12, 205, E-III
BVerfGE 90, 60
vgl. Gysi/Müller 2011, S. 6-9
Rossen-Stadtfeld 2012, S. 7
§ 11 RStV
vgl. BVerfGE 83, 238
| Article | Barbara Thomaß / Stoyan Radoslavov | 2021-12-10T00:00:00 | 2013-11-08T00:00:00 | 2021-12-10T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/medienpolitik/172237/unabhaengigkeit-und-staatsferne-nur-ein-mythos/ | Die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Mediensystems. Eine vielfältige Meinungsbildung soll gewährleistet werden. Kann es eine solche Unabhängigkeit heute überhaupt noch geben? | [
"Unabhängigkeit des Rundfunks",
"Rundfunkrecht",
"Staatsferne Sender"
] | 171 |
Errichtung der Besatzungsherrschaft | Deutschland 1945-1949 | bpb.de | Einleitung
Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Reims und Berlin-Karlshorst am 7./8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Zugleich war, wenige Tage nach Hitlers Selbstmord, die staatliche Existenz des Deutschen Reiches beendet. Darüber konnte die noch von Hitler eingesetzte Regierung des Großadmirals Karl Dönitz, die bei Flensburg bis zu ihrer Verhaftung am 23. Mai 1945 ein Schattendasein führte (ihr einziger Zweck war die Kapitulation) niemanden außer sich selbst hinwegtäuschen.
Deutschland war weitgehend zerstört, militärisch erobert und von alliierten Truppen besetzt. Die Niederlage war vollständig. Es gab keine deutsche staatliche Autorität mehr. Die großen Städte lagen in Trümmern. Flüchtlinge und Vertriebene strömten aus den Ostgebieten herein, auf der Suche nach Obdach und Nahrung und einer neuen Heimat. Der Alltag der Deutschen war von Hoffnungslosigkeit und Erschöpfung, von Apathie und der Sorge um vermisste Angehörige bestimmt. Die Sieger fanden unterwürfige und abgestumpfte Menschen vor, die sich auf den Straßen nach ihren Zigarettenkippen bückten, um die Tabakreste zu Ende zu rauchen. Besiegte, die sich elend, gedemütigt und als Opfer fühlten.
Die siegreichen Alliierten hatten begeisterte Nationalsozialisten erwartet und wunderten sich, dass die Deutschen genauso fassungslos wie sie selbst die Überreste der nationalsozialistischen Verbrechen zur Kenntnis nahmen. Natürlich glaubten sie das Entsetzen der Menschen von Weimar nicht, die nach Buchenwald befohlen wurden, um das befreite KZ zu besichtigen, ebensowenig wie sie den Dachauern glaubten, dass sie nicht gewusst haben wollten, was hinter dem Lagerzaun vorgegangen war. Niemand hatte Mitleid mit den unterlegenen Deutschen.
QuellentextBefreiung und Besetzung
Am gleichen Morgen (29. April 1945 - Anm. d. Red.) erhielt das 3. Bataillon des zur 45. Infanteriedivision gehörigen 157. Infanterieregiments der US-Army den Befehl, das Lager Dachau einzunehmen. [...] Der Zugang zum gesamten Lagerkomplex war ungefähr einen Kilometer westlich vom Schutzhaftlager gelegen, und es war von dort nicht sichtbar. Dennoch wurden die Amerikaner unmittelbar und ohne Vorwarnung mit dem äußersten Grauen der KZ-Welt konfrontiert: An der Zufahrtsstraße zum Eingang des SS-Lagers stand ein Zug, der eineinhalb Tage zuvor aus Buchenwald angekommen war - ein langer Zug mit 39 Waggons, und in den meisten lagen Leichen, die ausgemergelten Körper toter Häftlinge. Einige lagen erschossen neben dem Gleis. [...] Dieser Anblick verstörte die US-Soldaten zutiefst: "Kampferprobte Veteranen weinten, starrten mit düsteren, unbewegten Gesichtern vor sich hin, und der Zorn zerrte an ihren ohnehin schon angespannten Nerven." [...] Beim weiteren Vormarsch stießen die amerikanischen Soldaten auf die Lazarettgebäude, die sich in unmittelbarer Nähe des Eingangs befanden. Aus dem Lazarett wurden mindestens 100 Deutsche, darunter auch einige Frauen, auf die Straße herausgeholt. Zwei GIs überprüften, ob die in den Betten liegengebliebenen Patienten tatsächlich gehunfähig waren. Währenddessen wurden draußen auf Geheiß des Kompaniechefs die SS-Leute von den übrigen Gefangenen abgesondert. Dabei half ein polnischer KZ-Häftling, der SS-Leute identifizierte, welche ihre Uniform gegen andere Kleidungsstücke eingetauscht hatten. [...] Zugleich hatte das Auftauchen der Amerikaner das ganze Lager in Bewegung gebracht. [...] "Alles gerät in Bewegung. - Kranke verlassen die Betten, die fast Gesunden und das Personal rennen auf die Blockstraße, springen aus den Fenstern, klettern über die Bretterwände. - Alles rennt auf den Appellplatz. - Man hört von weitem bis hierher das Schreien und Hurrarufen." [...] Die Situation drohte außer Kontrolle zu geraten [...] und die Amerikaner hatten alle Mühe, einen Massenausbruch zu verhindern und einigermaßen geordnete Verhältnisse herzustellen. Noch die Freude über die Befreiung forderte im KZ Todesopfer. Drei Hälftlinge, die achtlos vor Aufregung an den elektrisch geladenen Stacheldrahtzaun gerieten, wurden durch Stromschlag getötet.
Jürgen Zarusky, "That is not the American Way of Fighting", in: Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hg.), Gericht und Gerechtigkeit, Dachauer Hefte 13. (Dezember 1997), S. 35 - 37, 44 - 47.
In einem Hauskeller verborgen erlebte der Schriftsteller Günter Kunert im April 1945 die Eroberung Berlins durch die Sowjetarmee.
Die Schlacht um Berlin beginnt. [...] Dafür schlägt man nun sein Lager im Keller auf. [...] Die Lebensmittel werden knapp. Und, weitaus schlimmer, die Zigaretten. [...] Durch die Kellerräume wabert ein Gerücht, das auch mich erreicht. Am Königstor, am Abschluß der Greifswalder Straße, käme ein gewaltiger Lagerbestand von Tabakwaren zur Verteilung, um sie nicht den Russen zu überlassen. [...] Während einer Feuerpause überqueren wir hakenschlagend die breite Elbinger Straße, springen über herabbaumelnde Oberleitungen und landen auf der anderen Seite in einem Hausflur. Es hagelt Geschosse aller möglichen Kaliber. [...] Sobald meine russischen Freunde ihre Geschütze und Minenwerfer in Weißensee nachladen müssen, sprinten wir einige Häuser weiter. [...] Endlich: das Königstor. Ein demolierter, kaum wiedererkennbarer Platz. Dumpfe Detonationen. Bei verängstigten Hausbewohnern erkundigen wir uns nach der Quelle unseres Verlangens. Aber hier werden nur Friedhofsplatzkarten verteilt, sonst nichts. [...] Und wir müssen den gleichen Weg zurück, ohne, wie vorher durch unsere manische Verblendung, die Gefahr zu mißachten. [...] Im Keller nichts Neues. Einer der Mieter hat in weiser Voraussicht seinen Detektorempfänger von 1922 nicht weggeworfen. [...] Und wir werden sogleich eine Falsettstimme mit dem um zwölf Jahre verspäteten Satz vernehmen: "Der Führer ist tot!" [...] Getümmel setzt ein. Papiere werden hervorgezerrt, Dokumente, Ausweise, Fotos, Indizien für die eigene Schuld, für die Mitverantwortung an dem Komplex "Drittes Reich". Ab ins Fegefeuer mit dem belastenden Material, auf daß man selber gereinigt und geläutert aus dem Keller in eine neue Zeit hervorgehe. [...] Hinaus ins Freie. Etwas macht sich bemerkbar. Etwas ganz Ungewöhnliches. [...] Es ist die völlige Stille. Die zur Phrase geronnene Stille nach dem Sturm. [...] Warten, abwarten, was kommt. Was soll schon kommen? Die Sieger natürlich. Die ersten beiden zeigen sich schon. Sechzehnjährige, jeder mit einem Fahrrad versehen, wie man es "zufällig" auffindet. Die Käppis auf den kahlgeschorenen Schädeln, Pistolen im Stiefelschaft. [...] Aus ihren weiten Uniformblusen schaufeln die Soldaten händeweise Machorka, (Tabakersatz - Anm. d. Red.), [...]. Was werden uns die Sowjets sonst noch bescheren? [...]
Günter Kunert, Erwachsenenspiele. Erinnerungen, München 1997, S. 79 ff.
Berliner Deklaration
Die Armeen der Sieger richteten sich in den vier Besatzungszonen ein, in die Deutschland zum Zweck der Verwaltung und Befreiung verabredungsgemäß eingeteilt wurde. Soweit es für die militärischen Zwecke erforderlich war, wurde die zerstörte Infrastruktur notdürftig instand gesetzt: Kanalisation und Behelfsbrücken sowie Wasser- und Energieversorgung. Für die Militärregierungen und Besatzungstruppen in den größeren Städten, Landkreisen, Ländern wurden Wohnungen und Büros beschlagnahmt. Die Sieger etablierten sich auf unbestimmte Zeit. Die Besatzungszeit, so viel war sicher, würde lange dauern.
Am 5. Juni 1945 machten die Sieger öffentlich bekannt, dass die oberste Regierungsgewalt in Deutschland von Vertretern der vier alliierten Mächte übernommen sei und von ihnen gemeinsam ausgeübt werde. Die "Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands" trug die Unterschrift der vier jetzt in Deutschland mächtigsten Männer, der Oberbefehlshaber General Dwight D. Eisenhower (USA), Marschall Georgij Schukow (UdSSR), Feldmarschall Bernhard Law Montgomery (Großbritannien) und General Jean de Lattre de Tassigny (Frankreich). Sie hatten sich in Berlin getroffen, um im Namen ihrer Regierungen neben einigen anderen Dokumenten diese "Berliner Deklaration" zu unterzeichnen, die dann in den drei künftig in und für Deutschland maßgebenden Sprachen englisch, russisch und französisch veröffentlicht wurde.
Diese Junideklaration wiederholte die militärischen Kapitulationsbedingungen und verband sie mit einer Ankündigung der Maßnahmen, die den Deutschen bevorstanden, darunter Abrüstung und Entmilitarisierung sowie Verhaftung der Naziführer und Kriegsverbrecher. Der entscheidende Satz lautete, dass die Regierungen in Washington, London, Moskau und Paris die Hoheitsrechte über Deutschland übernommen hätten "einschließlich aller Befugnisse der deutschen Regierung, des Oberkommandos der Wehrmacht und der Regierungen, Verwaltungen oder Behörden der Länder, Städte und Gemeinden".
Die vier Oberbefehlshaber setzten mit ihren Unterschriften drei weitere Schriftstücke in Kraft, in denen die Konturen des Besatzungsregimes über Deutschland festgelegt waren. Es handelte sich um "Feststellungen" über das Kontrollverfahren, über die Besatzungszonen und um ein drittes Dokument, in dem die Absicht der Regierungen der vier Mächte zum Ausdruck gebracht wurde, "sich mit den Regierungen anderer Nationen gelegentlich der Ausübung der Macht über Deutschland" zu beraten. Alle diese Papiere waren das Ergebnis interalliierter Beratungen seit Anfang 1944. Die Unterzeichnung und Verkündung in Berlin war vor allem ein demonstrativer Akt, der anzeigen sollte, dass Deutschland jetzt unter Besatzungsrecht stand. Das Treffen der vier Oberbefehlshaber war im Grunde schon die erste Sitzung des Alliierten Kontrollrats, der offiziell noch während der Potsdamer Konferenz am 30. Juli 1945 erstmals zusammentrat. Alliierter Kontrollrat
Zwei Grundsätze sollten sich bei der Regierung Deutschlands durch die Alliierten ergänzen: die Ausübung der obersten Gewalt in der jeweiligen Besatzungszone durch den dortigen Oberbefehlshaber, der über die Angelegenheiten seiner Zone nur seiner Regierung Rechenschaft schuldete, und die gemeinsame Herrschaft "in allen Deutschland als ein Ganzes betreffenden Angelegenheiten". Zu diesem Zweck bildeten die Oberbefehlshaber zusammen den Kontrollrat als Kollektivorgan. Sie sollten dort gemeinsam "für eine angemessene Einheitlichkeit des Vorgehens" in ihren Besatzungszonen Sorge tragen und "im gegenseitigen Einvernehmen Entscheidungen über alle Deutschland als Ganzes betreffenden wesentlichen Fragen" fällen. Überstimmt werden konnte keiner der Vertreter der Vier Mächte; für alle Beschlüsse war Einstimmigkeit vorgeschrieben.
Im Koordinierungsausschuss des Kontrollrats saßen die vier Stellvertreter der Oberbefehlshaber. Das waren 1945 die Generale Lucius D. Clay (USA), Wassili Sokolowski (UdSSR), Brian H. Robertson (Großbritannien) und Louis M. Koeltz (Frankreich). Ihnen fiel die eigentliche Arbeit zu, nämlich die Vorbereitung der Kontrollratssitzungen. Diese fanden bis zum März 1948, als der Vertreter der Sowjetunion die Sitzung verließ und dadurch den ganzen Kontrollapparat zum Stillstand brachte, immer am 10., 20. und 30. eines jeden Monats statt. Konferenzort war das Gebäude des Berliner Kammergerichts, in dem zuletzt der "Volksgerichtshof" unter Roland Freisler die Gegner des NS-Regimes verurteilt hatte.
Inhaltliche Auseinandersetzungen über Probleme, die der Kontrollrat zu regeln hatte, fanden in der Regel im Vorfeld, im Koordinierungsausschuss statt. Die Oberbefehlshaber beschränkten sich auf die Beschlussfassung oder, was mit den zunehmend schlechter werdenden Beziehungen zwischen den Verbündeten zur Regel wurde, sie konstatierten, dass keine Übereinstimmung erzielt werden konnte. Die Oberbefehlshaber hatten eine Doppelfunktion: Sie bildeten die militärische Spitze der Okkupationstruppen, und sie waren als Militärgouverneure für die Verwaltung ihrer Besatzungszone zuständig.
QuellentextAufbau einer Provinzialregierung
Auftrag der britischen Militärregierung an Rudolf Amelunxen (1888 -1969, Zentrums-Politiker, Oberpräsident von Westfalen 1945, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen 1946 -1947 - Anm. d. Red.) zum Aufbau der Verwaltung in der Provinz Westfalen, 6. Juli 1945. Von heute ab übernehmen Sie die Pflichten und die Verantwortung des Leiters der zivilen Verwaltung für die Provinz Westfalen und die Länder Lippe und Schaumburg-Lippe. Sie bilden unverzüglich eine Provinzial-Regierung, die für die Militärregierung annehmbar ist. Einmal gewählt, haben diese Beamten ihre Pflichten redlich und treu zu erfüllen, und Sie werden ihnen zu verstehen geben, [...] daß sie ihre Ernennung lediglich nach dem Belieben der Militärregierung innehaben. Ungehorsam gegen die Anordnungen der Militärregierung wird nicht geduldet werden. Kein tätiger Nazi oder Naziparteigänger - das heißt mit den Nazis stark Sympathisierender - erhält die Erlaubnis, irgendeine beamtete Stellung einzunehmen. [...] Die allgemeine Politik ist in der ersten Proklamation des Obersten Befehlshabers an das deutsche Volk zusammengefaßt und wird hiermit zu Ihrer Unterrichtung wiederholt: Wir kommen als ein siegreiches Heer, jedoch nicht als Unterdrücker. Wir werden die Herrschaft der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei beseitigen, die NSDAP auflösen, sowie die grausamen, harten und ungerechten Rechtssätze und Einrichtungen, die die Partei geschaffen hat, aufheben. [...] Der bestehende Verwaltungsaufbau für die Mobilisierung, Beschaffung, Registrierung und Verteilung der Arbeit durch regionale und örtliche Arbeitsämter wird beibehalten werden, nur die Nazibeamten sind dabei zu entfernen. Die bestehende Lohnkontrolle bleibt aufrechterhalten, das soziale Versicherungswesen, Pensionen und Vergünstigungen bleiben gültig, soweit deutsche Fonds verfügbar sind; folgende Vorbehalte werden gemacht: a) Zahlung von Militärpensionen und von Familienunterhalt für die Angehörigen deutscher Soldaten wird verboten, ausgenommen 1. Pensionen wegen körperlicher Gebrechen, die die Arbeitsfähigkeit vermindern und 2. Pensionen oder Vergütungen an Witwen, Waisen oder nicht militärische Personen ohne anderweitige Unterstützung. b) Kein Familienunterhalt wird den Familien dienender Soldaten gewährt. c) Keine Pensionen oder Unterstützungen dürfen für Mitgliedschaft oder Dienst in der Nazipartei gezahlt werden. Alle Benachteiligungen bzw. Vergünstigungen bei Löhnen, Arbeitsbedingungen, Sozialversicherungs-Pensionen und Unterstützungen von Gruppen oder Einzelpersonen auf Grund ihrer Rasse, Abstammung, religiösen oder politischen Einstellung werden abgeschafft. Die Bildung einer demokratischen Gewerkschaftsbewegung oder anderer Formen freien wirtschaftlichen Zusammenschlusses wird zugelassen, vorausgesetzt, daß sie nicht Vertretungen von Nazigruppen sind. Es ist sehr wünschenswert, daß die Schulen in Gang bleiben, um die Bedrohung von Ruhe und Ordnung durch zahlreiche junge Landstreicher einzuschränken. Andererseits ist heute das deutsche Erziehungssystem eine der stärksten Waffen der Nazi-Propaganda. Deshalb wird unser Weg sich wie folgt darstellen: a) Schließung aller Schulen, b) Wiedereröffnung aller Schulen, sobald die Militärregierung sich überzeugt hat, daß alle Mitglieder der Nazi-Partei und alle, die mit den Nazis stark sympathisiert haben, aus dem Lehrkörper entfernt sind und brauchbare Schulbücher gestellt sind. c) Die Forderung, daß der zivile Leiter des Verwaltungsgebietes dafür garantiert, daß keine nazifreundliche oder militärische Lehre in den so eröffneten Schulen vertreten (gelehrt) wird. Die deutschen Behörden werden Anweisung erhalten, alle Schulbücher, die nationalsozialistische oder militärische Lehren enthalten, zu beschlagnahmen. Alle nationalsozialistischen Parteiorganisationen an Schulen und Universitäten sind abzuschaffen und ihre Akten und ihr Eigentum zu beschlagnahmen. [...] Stätten, die dem Gottesdienst geweiht sind, werden wieder geöffnet und die Freiheit der Religion gefördert werden, [...] Es ist eindeutig klarzustellen, daß Sie allein auf Anweisung der Militärregierung handeln. In allen Angelegenheiten können Einzelanweisungen eingeholt werden, und wenn irgendein Zweifel besteht, ist bei den Offizieren der Militärregierung, die dazu bevollmächtigt sind, Rat zu suchen. gez. G. A. Ledingham Colonel Commanding Officer 307 (P) Mil. Gov. Det.
Thomas Berger/Karl-Heinz Müller (Hg.), Lebenssituationen 1945 -1948, Hannover 1983, S. 20 ff.
Der Alliierte Kontrollrat entwickelte sich rasch zu einer umfangreichen Bürokratie. Zwölf Fachressorts mit den Aufgaben von Ministerien sollten unter der Bezeichnung "Direktorate" die Geschicke Deutschlands auf unbestimmte Zeit lenken. Die Direktorate waren aus Gründen der Parität jeweils mit vier Leitern besetzt. Sie bildeten Kommissionen und Unterausschüsse, die Proklamationen, Befehle und Verordnungen entwarfen, die - sofern sich die Oberbefehlshaber darüber untereinander verständigen konnten - im viersprachigen Amtsblatt des Kontrollrats veröffentlicht wurden.
Besatzungszonen
Bei der Einrichtung der Besatzungszonen, wie sie in Jalta im Februar 1945 endgültig festgelegt worden waren, gab es Verzögerungen. Im Südwesten verweigerten die Franzosen die Räumung der Städte Stuttgart und Karlsruhe, die zur US-Zone gehörten. Sie waren den Franzosen im April beim Vormarsch in die Hände gefallen, und es bedurfte ernster amerikanischer Drohungen, um die Franzosen zum Abzug aus Nordwürttemberg und Nordbaden zu bewegen. Die Amerikaner standen ihrerseits noch in Thüringen, Sachsen und Mecklenburg, in Regionen also, die von den Sowjets besetzt werden sollten. Im Gegensatz zu den Franzosen hatten die Amerikaner aber nicht beabsichtigt, sich über die Vereinbarungen mit ihren Verbündeten hinwegzusetzen. Sie übergaben Anfang Juli der Roten Armee diese Gebiete, sehr zum Bedauern der Einwohner, die lieber unter amerikanischer Besatzung geblieben wären. Die Sowjets hatten als Faustpfand Berlin, das - in vier Sektoren geteilt - von den Alliierten gemeinsam verwaltetwerden sollte. Anfang Juli 1945 marschierten amerikanische und britische Truppen in Berlin ein und nahmen ihre Sektoren in Besitz, im August folgten die Franzosen. Die gemeinsame Verwaltung Berlins erfolgte in der "Kommandantur", die direkt dem Kontrollrat unterstand.
Die Potsdamer Konferenz
Die Präsenz der drei westlichen Alliierten in Berlin war im Grunde eher symbolischer Natur. Die Militärgouverneure residierten wegen des Kontrollrats zwar offiziell in Berlin, hatten aber ihre Hauptquartiere und Arbeitsstäbe in ihren Zonen. In Baden-Baden war General Pierre Koenigs französische Militärregierung etabliert. Die Amerikaner hatten in Frankfurt im Verwaltungsgebäude der IG Farben Industrie ihre Dienststelle eingerichtet. Die Briten hatten ihr Hauptquartier auf mehrere Orte verteilt. Das militärische Oberkommando befand sich in Bad Oeynhausen, die britische Militärregierung befand sich in Lübbecke, Herford und Minden. Während die westalliierten Stäbe ständig zwischen Berlin und den Zonenhauptquartieren pendeln mussten, hatte es die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) bequemer, sie amtierte in Berlin-Karlshorst.
Aufbau der Verwaltungen
Die Deutschen bekamen von dem komplizierten Mechanismus, mit dem sie regiert wurden, wenig mit. Für sie war die lokale Militärregierung die oberste Instanz, die ihren Alltag regelte, Befehle erteilte, deutsche Gehilfen und Amtsträger einsetzte und wieder ablöste, wenn sie nicht den Erwartungen der Besatzungsherrschaft entsprachen. So geschah es dem Oberbürgermeister von Köln, Konrad Adenauer, den zuvor schon die Nationalsozialisten 1933 aus dem Amt gejagt hatten. Auf der "Weißen Liste" der Amerikaner stand er als Nummer 1, Anfang Mai setzten sie ihn wieder als Oberbürgermeister von Köln ein. Anfang Oktober setzten ihn die Engländer, in deren Besatzungszone Köln inzwischen lag, wegen angeblicher "Unfähigkeit und mangelnder Pflichterfüllung" wieder ab. Nicht anders erging es dem ersten Ministerpräsidenten Bayerns und späteren Bundesfinanzminister, Fritz Schäffer, den die amerikanische Militärregierung im Mai 1945 ernannte und im September wieder entließ. Ererschien der Besatzungsmacht zu konservativ. Die Rekrutierung unbelasteten deutschen Personals erfolgte in allen vier Zonen auf ähnliche Weise nach "Weißen Listen", die die Namen von Hitlergegnern und demokratisch gesinnten Politikern aus der Zeit vor 1933 enthielten. Die Listen waren lange vor der Besetzung Deutschlands zusammengestellt worden.
In der sowjetischen Besatzungszone gab es Kaderpersonal, das aus kommunistischen Emigranten bestand, die im Gefolge der Roten Armee nach Deutschland zurückkehrten. Dazu gehörte die "Gruppe Ulbricht", die am 30. April 1945 auf dem sowjetischen Feldflugplatz Calau (heute Kaława, Polen) landete, um - in Moskau gut auf die Aufgabe vorbereitet - der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland beim Aufbau der Verwaltung in der sowjetischen Besatzungszone zu helfen. Die "Gruppe Ulbricht" war für Berlin bestimmt. Sachsen und Mecklenburg waren die Einsatzgebiete zweier weiterer Gruppen mit Anton Ackermann (1905-1973, ab 1946 Mitglied des ZK der SED, 1954 wegen Unterstützung von Rudolf Herrnstadt und Wilhelm Zaisser aus dem ZK ausgeschlossen) und Gustav Sobottka (1886-1953, 1947/48 Präsident der Zentralverwaltung für Brennstoffindustrie, 1949 - 51 tätig im Ministerium für Schwerindustrie) an der Spitze. Das politische Leben fand zunächst in allen Zonen auf der untersten Ebene statt; In denlokalen deutschen Administrationen, die der Besatzungsmacht verantwortlich waren, spielten Parteien noch kaum eine Rolle. Nur das Funktionieren der elementaren Notwendigkeiten war auf dieser Ebene zunächst verlangt. Parteigründungen
Parallel zur Wiederherstellung einer deutschen Verwaltung, die im Auftrag der Besatzungsmacht tätig wurde, vollzog sich allmählich die Bildung politischer Gruppierungen. In der östlichen Besatzungszone waren durch Befehl Nr. 2 der Sowjetischen Militäradministration schon am 10. Juni 1945 Parteien ganz offiziell zugelassen und zur politischen Aktivität ermuntert worden. Das war gleichsam ein Handstreich der sowjetischen Besatzungsmacht gewesen, der in Szene gesetzt wurde, ehe auf der Potsdamer Konferenz die drei großen Siegermächte zusammenkamen, um die Grundsätze einer gemeinsamen Deutschlandpolitik zu besprechen. Am 11. Juni 1945 trat in Berlin die KPD mit einem Gründungsaufruf an die Öffentlichkeit, Mitte Juni folgte die SPD, Ende des Monats die CDU und am 5. Juli wurde die Liberal-Demokratische Partei (LDP) gegründet. Die Wirksamkeit dieser vier Parteien blieb auf Berlin und die Sowjetzone beschränkt.
QuellentextAufruf des Zentralkomitees der KPD vom 11. Juni 1945
[...] Wir sind der Auffassung, daß der Weg, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen, falsch wäre, denn dieser Weg entspricht nicht den gegenwärtigen Entwicklungsbedingungen in Deutschland. Wir sind vielmehr der Auffassung, daß die entscheidenden Interessen des deutschen Volkes [...] für Deutschland einen -anderen Weg vorschreiben, und zwar den Weg der Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk. [...] Die unmittelbarsten und dringendsten Aufgaben [...] sind gegenwärtig [...]: Vollständige Liquidierung der Überreste des Hitlerregimes und der Hitlerpartei. [...] Völlig ungehinderte Entfaltung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiative auf der Grundlage des Privateigentums. [...] Herstellung der demokratischen Rechte und Freiheiten des Volkes. Wiederherstellung der Legalität freier Gewerkschaften der Arbeiter, Angestellten und Beamten sowie der antifaschistischen, demokratischen Parteien. [...] Liquidierung des Großgrundbesitzes, [...] und Übergabe [...] an die durch den Krieg ruinierten und besitzlos gewordenen Bauern. [...]
Ernst-Ulrich Huster u. a., Determinanten der westdeutschen Restauration 1945- 1949, Frankfurt a. M., 1972, S. 356 ff.
In der US-Zone wurden die Weichen nicht so rasch gestellt. In der Direktive für den Oberbefehlshaber der amerikanischen Besatzungstruppen in Deutschland, die unmittelbar nach Kriegsende galt, hieß es ganz allgemein, dass keine politische Tätigkeit ohne Genehmigung des Militärgouverneurs begünstigt werden dürfe. Rede-, Presse- und Religionsfreiheit sei den Deutschen zu gewähren, soweit dadurch nicht militärische Interessen beeinträchtigt würden. Die Verbreitung von nazistischen, militaristischen und nationalistischen Lehren sei ebenso zu verbieten wie "Aufmärsche militärischer, politischer, ziviler oder sportlicher Art". Das Vorschriften-Handbuch der US-Armee, das die Offiziere der amerikanischen Militärregierung über Maßgaben der Besatzungspolitik informierte, enthielt unter dem Stichwort "Politische Aktivitäten" vier Thesen, die ihnen als Richtschnur dienen sollten:
QuellentextForderungen und Ziele der SPD, Mai 1946
[...] Der vorhandene private Großbesitz an Produktionsmitteln und das mögliche Sozialprodukt der deutschen Volkswirtschaft müssen den Bedürfnissen aller zugänglich gemacht werden. Der heutige Zustand, bei dem die große Mehrzahl alles verloren hat, eine Minderheit aber reicher geworden ist, muß durch eine gerechte Gesellschaftsordnung überwunden werden. Die Sozialdemokratie erstrebt eine sozialistische Wirtschaft durch planmäßige Lenkung und gemeinwirtschaftliche Gestaltung. Entscheidend für Umfang, Richtung und Verteilung der Produktion darf nur das Interesse der Allgemeinheit sein. Die Vermehrung der Produktionsmittel und Verbrauchsgüter ist die Voraussetzung für die lebensnotwendige Eingliederung Deutschlands in die internationalen Wirtschaftsbeziehungen. [...] Alle Betriebe des Bergbaues, der Eisen- und Stahlerzeugung und -bearbeitung bis zum Halbzeug, der größte Teil der chemischen Industrie und die synthetischen Industrien, die Großbetriebe überhaupt, jede Form der Versorgungswirtschaft und alle Teile der verarbeitenden Industrie, die zur Großunternehmung drängen, sind in das Eigentum der Allgemeinheit zu überführen. Die Förderung des Genossenschaftsgedankens, die Lösung betrieblicher Gemeinschaftsaufgaben in Handwerk, Handel und Landwirtschaft, stärkste Unterstützung der Verbrauchergenossenschaft sindnötig. [...] Eine grundlegende Agrar- und Bodenreform ist unter Enteignung der Großgrundbesitzer sofort einzuleiten. [...] [...] Der Lastenausgleich fordert eine grundlegende, alles umfassende Finanz- und Währungsreform. Ein soziales Existenzminimum muß gesichert und der Massenverbrauch geschont werden. [...] Die Demokratie ist für alle Schaffenden die beste Form des politischen Kampfes. Sie ist für uns Sozialisten ebenso eine sittliche wie eine machtpolitische Notwendigkeit. [...] Es gibt keinen Sozialismus ohne Demokratie, ohne die Freiheit des Erkennens und die Freiheit der Kritik. Es gibt aber auch keinen Sozialismus ohne Menschlichkeit und ohne Achtung vor der menschlichen Persönlichkeit. Auf dem Gebiet der Staats- und Verwaltungspolitik erstrebt die Sozialdemokratie die Demokratie, die getragen ist von der Mitbestimmung und Mitverantwortung aller Bürger. Sie will eine Republik mit weitgehender Dezentralisierung und Selbstverwaltung. Glaubens- und Gewissensfreiheit für alle, Trennung von Kirche und Staat. [...] Die Schulen sollen die Jugend [...] erziehen im Geist der Humanität, der Demokratie, der sozialen Verantwortung und der Völkerverständigung. Allen Deutschen stehen die Bildungsmöglichkeiten allein entsprechend ihrer Befähigung offen. [...] Jedem Bürger soll die Möglichkeit gegeben werden, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt zu erwerben. Soweit ihm angemessene Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werden kann, hat er Anspruch auf Lebensunterhalt.
Alle demokratischen Parteien sollten unterstützt werden, und zwar möglichst in ganz Deutschland; Träger politischer Mandate sollten sich regelmäßig der öffentlichen Diskussion ihres Programms und Wahlen stellen müssen; Wahlen waren unter gleichen Bedingungen für alle und mit mindestens zwei konkurrierenden Parteien durchzuführen; politische Parteien sollten demokratisch, durch freiwilligen Zusammenschluss entstanden und getrennt von den Organen der Regierungsgewalt sein.
Das waren Grundüberlegungen, wie sie in den USA als selbstverständlich galten. In Deutschland mussten diese Grundsätze aber erst wieder erlernt und eingeübt werden, und zwar zunächst in den Gemeinden und kleineren Städten.
QuellentextAuszüge aus den Düsseldorfer Leitsätzen der CDU, 15. Juli 1949
Die "soziale Marktwirtschaft" ist die sozial gebundene Verfassung der gewerblichen Wirtschaft, in der die Leistung freier und tüchtiger Menschen in eine Ordnung gebracht wird, die ein Höchstmaß von wirtschaftlichem Nutzen und sozialer Gerechtigkeit für alle erbringt. Diese Ordnung wird geschaffen durch Freiheit und Bindung, die in der "sozialen Marktwirtschaft" durch echten Leistungswettbewerb und unabhängige Monopolkontrolle zum Ausdruck kommen. Echter Leistungswettbewerb liegt vor, wenn durch eine Wettbewerbsordnung sichergestellt ist, daß bei gleichen Chancen und fairen Wettkampfbedingungen in freier Konkurrenz die bessere Leistung belohnt wird. [...] Marktgerechte Preise sind Motor und Steuerungsmittel der Marktwirtschaft. Marktgerechte Preise entstehen, indem Kaufkraft und angebotene Gütermenge auf den Märkten zum Ausgleich gebracht werden. Wichtigste Vorbedingung, um diesen Ausgleich herbeizuführen, ist ein geordnetes Geldwesen. [...] Die "soziale Marktwirtschaft" steht im scharfen Gegensatz zum System der Planwirtschaft, die wir ablehnen, ganz gleich, ob in ihr die Lenkungsstellen zentral oder dezentral, staatlich oder selbstverwaltungsmäßig organisiert sind. [...] Die Planwirtschaft hemmt die Erzeugung, indem sie in die Hand der Lenkungsstellen Machtvollkommenheiten legt, [...]. Die "soziale Marktwirtschaft" steht auch im Gegensatz zur sogenannten "freien Wirtschaft" liberalistischer Prägung. Um einen Rückfall in die "freie Wirtschaft" zu vermeiden, ist zur Sicherung des Leistungswettbewerbs die unabhängige Monopolkontrolle nötig. Denn so wenig der Staat oder halböffentliche Stellen die gewerbliche Wirtschaft und einzelne Märkte lenken sollen, so wenig dürfen Privatpersonen und private Verbände derartige Lenkungsaufgaben übernehmen. [...] Die vorwiegend eigentumsrechtlichen und gesellschaftspolitischen Grundsätze des Ahlener Programms werden anerkannt, jedoch nach der marktwirtschaftlichen Seite hin ergänzt und fortentwickelt. [...]
Christlich-Soziale Union (CSU): Grundsatzprogramm 1946
[...] Wir erstreben den Staatsaufbau auf christlicher Grundlage. [...] Wir bekennen uns zum demokratischen Staat. Wir kämpfen gegen jede Art von Diktatur eines einzelnen, einer Partei oder einer Klasse. [...] Wir fordern den föderativen Aufbau Deutschlands auf bundesstaatlicher Grundlage. [...] Wir verlangen die Ehrfurcht vor der Unverletzlichkeit der Person. [...] Wir vertreten die Freiheit der Meinungsäußerung in Wort und Schrift, die Freiheit des Handelns und der Berufswahl, die Freiheit des Zusammenschlusses und der Religionsausübung! Nur am christlichen Sittengesetz und am Gemeinwohl findet die menschliche Freiheit ihre Grenzen. Wir fordern die rechtliche und soziale Gleichstellung der Geschlechter. [...] Wir bejahen eine angemessene Beteiligung der Arbeitnehmer am Reingewinn ihres Unternehmens. [...] Wir anerkennen das Recht des Staates, die Wirtschaft nach Gesichtspunkten des Gemeinwohls zu lenken! Wir lehnen die Planwirtschaft als Ausfluß eines kollektivistischen Denkens ab. Wir kämpfen gegen den Wirtschaftsliberalismus [...] Wir verlangen ein angemessenes Mitbestimmungsrecht der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Lenkung der Wirtschaft, ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen und Produktionsverhältnisse. [...] Wir verlangen die unbedingte Achtung des Staates vor dem Willen der Eltern hinsichtlich der Schulerziehung ihrer Kinder. Wir bekennen uns zum eigenen Recht der Kirchen auf einen angemessenen Einfluß in der Erziehung der Jugend. [...]
Klaus-Jörg Ruhl (Hg.), Neubeginn und Restauration. Dokumente zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1949, München 1982, S. 216 ff. Für die Auszüge aus den Programmen von CDU, CSU sowie SPD und FDP.
CDU, CSU und SPD
Auf dieser Ebene waren in der US-Zone ab August 1945 die Aktivitäten deutscher Parteien zugelassen. Voraussetzung war, wie auch in der britischen und der französischen Zone, der Erwerb einer Lizenz. Dazu musste ein Antrag bei der zuständigen Militärregierung gestellt werden, dem außer dem Parteiprogramm, den Statuten, einem Finanzierungsplan und der Beantwortung vieler Fragen (zum Beispiel über die beabsichtigte Parteipropaganda) auch die Unterschriften der Unterstützenden beigefügt sein mussten. Die Anträge wurden, wenn alles seine Richtigkeit hatte, auf Kreisebene genehmigt. Die Aktivitäten der Parteien wurden dann von der Militärregierung überwacht.
QuellentextProgrammatische Richtlinien der Freien Demokratischen Partei der britischen Zone, 4. Februar 1946
[...] Dieser Staat soll auf breitester Grundlage von unten nach oben aufgebaut werden, [...]. Völlige Rechtssicherheit soll die Freiheit des Staatsbürgers schützen. Es soll nur ein Recht in Deutschland geben, ein gleiches Recht für alle. [...] Die Gewerkschaften sollen zu verantwortlichen Organisationen des Staates ausgebaut werden, die den Schutz der Arbeit gewährleisten. [...] Erstes Ziel der Wirtschaftspolitik ist entsprechend dem Bedürfnis der breiten Massen die Steigerung der Erzeugung auf allen Gebieten. [...] Das Ziel kann nur erreicht werden durch Wiedereinschaltung der freien Initiative unter Abbau der Wirtschaftsbürokratie. [...] Persönliche Initiative und freier Wettbewerb steigern die wirtschaftliche Leistung, und persönliches Eigentum ist eine wesentliche Grundlage gesunder Wirtschaft. [...] Wie die Freiheit der Forschung und Freiheit der Lehre die Vorbedingung aller wissenschaftlichen Leistungen ist, so kann auch die Volksbildung nur auf dem Boden der Freiheit und Wahrhaftigkeit gedeihen. [...] Bei der konfessionellen Zerklüftung unseres Volkes können die Schulen des Staates nicht einer Konfession dienen. Wir fordern daher die Gemeinschaftsschule, in der die von ihrer Kirche anerkannten Lehrkräfte konfessionellen Religionsunterricht erteilen. [...]
Die Parteien der 1933 verbotenen Arbeiterbewegung, KPD und SPD, die ihre alten Organisationsstrukturen und ihr Mitgliederpotenzial wieder beleben konnten, erschienen ab Sommer 1945 an vielen Orten als erste auf der politischen Bühne, gefolgt von der neuen Gruppierung der Christlich-Demokratischen Union (CDU) bzw. in Bayern der Christlich-Sozialen Union (CSU). Diese neue Gruppierung sprach als bürgerliche Sammlungsbewegung das Wählerpotenzial des katholischen Zentrums (bzw. der Bayerischen Volkspartei) sowie auch protestantische politische Schichten an. Das Neuartige war der konfessionelle Pluralismus dieser auf christlicher Grundlage sozial engagierten Parteien CDU und CSU, die in den drei Westzonen ungefähr gleich stark wie die SPD wurden. Der Zusammenschluss in Landesverbänden wurde erst später erlaubt, die Parteiorganisation auf Zonenebene war nur in der britischen und sowjetischen Besatzungszone möglich.
Mit dem aus jahrelanger KZ-Haft zurückgekehrten Kurt Schumacher, der ab Frühjahr 1945 die SPD wiederaufbaute, bekam diese Partei außer einem in allen Zonen einheitlichen Namen eine charismatische Führergestalt, die unbeirrt durch die alliierten Vorgaben die SPD als überzonale einheitliche Partei verstand. Allerdings grenzte sich die westliche SPD gegen den Führungsanspruch der ostzonalen SPD unter Otto Grotewohl ebenso ab wie gegen alle Angebote zur Zusammenarbeit mit Kommunisten.
Vereinigung der Arbeiterparteien
Die KPD erfreute sich der bevorzugten Förderung durch die Sowjetische Militäradministration. Sie propagierte den auch von Mitgliedern der SPD geforderten Zusammenschluss der beiden Arbeiterparteien. Das sollte, im Verständnis der Sozialdemokraten, eine Lehre aus der Geschichte sein, die Konsequenz aus der erlittenen Ohnmacht gegenüber Hitler, dem die gespaltene und sich bekämpfende Arbeiterbewegung trotz ihrer zahlenmäßigen Stärke keinen wirksamen Widerstand hatte entgegensetzen können. Angesichts der Erfahrungen mit der sowjetischen Besatzungsherrschaft war die Euphorie aber längst einer tiefen Skepsis gewichen. Viele Sozialdemokraten waren überzeugt, dass die KPD mit Unterstützung der sowjetischen Militärregierung die SPD bei einem Zusammenschluss nur für ihre Absichten gebrauchen würde. Die Propaganda zur Schaffung einer einheitlichen Arbeiterpartei (die KPD betrieb sie unter dem Eindruck des schlechten Abschneidens der kommunistischen Parteien bei den Wahlen inÖsterreich und Ungarn) fand deshalb kaum Resonanz bei der SPD in den Westzonen. In der Ostzone war erheblicher sowjetischer Druck erforderlich, damit sich am 21. und 22. April 1946 der Gründungsparteitag der Sozialistischen Einheitspartei (SED) im Ost-Berliner Admiralspalast vollzog. Otto Grotewohl (SPD) und Wilhelm Pieck (KPD) wurden einstimmig zu gleichberechtigten Vorsitzenden der SED gewählt.
In den Westzonen und den Westsektoren Berlins lehnten die Sozialdemokraten mit großer Mehrheit die Vereinigung ab. Die SPD, für die die Fusion in der Ostzone zum Trauma wurde, steuerte in den folgenden Jahren unter Kurt Schumacher einen strikt antikommunistischen Kurs.
Überregionale Zusammenschlüsse
Für die christlich-demokratischen Parteien, die im Dezember 1945 in Bad Godesberg ein "Reichstreffen" veranstaltet hatten, wurde Konrad Adenauer allmählich zur führenden Figur. Er war Ende Februar 1946 zum Vorsitzenden der CDU der britischen Zone gewählt worden und benutzte diese Stellung zur Abwehr des Führungsanspruches der CDU der sowjetischen Besatzungszone.
Die Partei war sowohl programmatisch als auch organisatorisch heterogen. Die Bandbreite reichte von der Ideenwelt des christlichen Sozialismus (die im AhlenerProgramm vom Februar 1947 zum Ausdruck kam) bis zu eher konservativen Auffassungen und zum entschiedenen Föderalismus der bayerischen CSU. Außer dem gemeinsamen Namen CDU bzw. CSU (in Godesberg im Dezember 1945 beschlossen) bildeten die Christdemokraten bis zum ersten Bundesparteitag im Oktober 1950 nur eine Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Parteien.
Noch größer war die Vielfalt bei den Liberalen, die in der Ostzone im Juli 1945 die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDP) gründeten und die sich in den Westzonen unter Namen wie Demokratische Volkspartei (Württemberg) oder Freie Demokratische Partei (FDP) in Nordrhein-Westfalen zusammengefunden hatten.
Auf regionaler Basis wurden noch weitere Parteien gegründet und von den Alliierten lizenziert, und zwar neue Vereinigungen wie die Bayernpartei oder die Niedersächsische Landespartei (später Deutsche Partei) sowie alte Parteien der Weimarer Republik wie die katholische Zentrumspartei, die wieder auflebten. Auch entstanden schillernde Gebilde wie die Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV) in Bayern. Sie alle wurden gewählt und waren vorübergehend wichtig.
Zwei Arten von Parteien hatten allerdings keine Chance, eine Lizenz von den Besatzungsmächten zu bekommen, nämlich rechtsradikale Gruppierungen sowie solche Parteien, die als Interessenvertretung von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen auftreten wollten.
Die ersteren waren mit dem Demokratisierungsgebot unvereinbar (deshalb wurde auch der Lizenz-Antrag einer bayerischen Königspartei abgelehnt), und Flüchtlingsparteien waren nicht erlaubt, weil die Alliierten auf raschestmögliche volle Integration aller neuen Bürgerinnen und Bürger in ihren Besatzungszonen drängten.
Am gleichen Morgen (29. April 1945 - Anm. d. Red.) erhielt das 3. Bataillon des zur 45. Infanteriedivision gehörigen 157. Infanterieregiments der US-Army den Befehl, das Lager Dachau einzunehmen. [...] Der Zugang zum gesamten Lagerkomplex war ungefähr einen Kilometer westlich vom Schutzhaftlager gelegen, und es war von dort nicht sichtbar. Dennoch wurden die Amerikaner unmittelbar und ohne Vorwarnung mit dem äußersten Grauen der KZ-Welt konfrontiert: An der Zufahrtsstraße zum Eingang des SS-Lagers stand ein Zug, der eineinhalb Tage zuvor aus Buchenwald angekommen war - ein langer Zug mit 39 Waggons, und in den meisten lagen Leichen, die ausgemergelten Körper toter Häftlinge. Einige lagen erschossen neben dem Gleis. [...] Dieser Anblick verstörte die US-Soldaten zutiefst: "Kampferprobte Veteranen weinten, starrten mit düsteren, unbewegten Gesichtern vor sich hin, und der Zorn zerrte an ihren ohnehin schon angespannten Nerven." [...] Beim weiteren Vormarsch stießen die amerikanischen Soldaten auf die Lazarettgebäude, die sich in unmittelbarer Nähe des Eingangs befanden. Aus dem Lazarett wurden mindestens 100 Deutsche, darunter auch einige Frauen, auf die Straße herausgeholt. Zwei GIs überprüften, ob die in den Betten liegengebliebenen Patienten tatsächlich gehunfähig waren. Währenddessen wurden draußen auf Geheiß des Kompaniechefs die SS-Leute von den übrigen Gefangenen abgesondert. Dabei half ein polnischer KZ-Häftling, der SS-Leute identifizierte, welche ihre Uniform gegen andere Kleidungsstücke eingetauscht hatten. [...] Zugleich hatte das Auftauchen der Amerikaner das ganze Lager in Bewegung gebracht. [...] "Alles gerät in Bewegung. - Kranke verlassen die Betten, die fast Gesunden und das Personal rennen auf die Blockstraße, springen aus den Fenstern, klettern über die Bretterwände. - Alles rennt auf den Appellplatz. - Man hört von weitem bis hierher das Schreien und Hurrarufen." [...] Die Situation drohte außer Kontrolle zu geraten [...] und die Amerikaner hatten alle Mühe, einen Massenausbruch zu verhindern und einigermaßen geordnete Verhältnisse herzustellen. Noch die Freude über die Befreiung forderte im KZ Todesopfer. Drei Hälftlinge, die achtlos vor Aufregung an den elektrisch geladenen Stacheldrahtzaun gerieten, wurden durch Stromschlag getötet.
Jürgen Zarusky, "That is not the American Way of Fighting", in: Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hg.), Gericht und Gerechtigkeit, Dachauer Hefte 13. (Dezember 1997), S. 35 - 37, 44 - 47.
In einem Hauskeller verborgen erlebte der Schriftsteller Günter Kunert im April 1945 die Eroberung Berlins durch die Sowjetarmee.
Die Schlacht um Berlin beginnt. [...] Dafür schlägt man nun sein Lager im Keller auf. [...] Die Lebensmittel werden knapp. Und, weitaus schlimmer, die Zigaretten. [...] Durch die Kellerräume wabert ein Gerücht, das auch mich erreicht. Am Königstor, am Abschluß der Greifswalder Straße, käme ein gewaltiger Lagerbestand von Tabakwaren zur Verteilung, um sie nicht den Russen zu überlassen. [...] Während einer Feuerpause überqueren wir hakenschlagend die breite Elbinger Straße, springen über herabbaumelnde Oberleitungen und landen auf der anderen Seite in einem Hausflur. Es hagelt Geschosse aller möglichen Kaliber. [...] Sobald meine russischen Freunde ihre Geschütze und Minenwerfer in Weißensee nachladen müssen, sprinten wir einige Häuser weiter. [...] Endlich: das Königstor. Ein demolierter, kaum wiedererkennbarer Platz. Dumpfe Detonationen. Bei verängstigten Hausbewohnern erkundigen wir uns nach der Quelle unseres Verlangens. Aber hier werden nur Friedhofsplatzkarten verteilt, sonst nichts. [...] Und wir müssen den gleichen Weg zurück, ohne, wie vorher durch unsere manische Verblendung, die Gefahr zu mißachten. [...] Im Keller nichts Neues. Einer der Mieter hat in weiser Voraussicht seinen Detektorempfänger von 1922 nicht weggeworfen. [...] Und wir werden sogleich eine Falsettstimme mit dem um zwölf Jahre verspäteten Satz vernehmen: "Der Führer ist tot!" [...] Getümmel setzt ein. Papiere werden hervorgezerrt, Dokumente, Ausweise, Fotos, Indizien für die eigene Schuld, für die Mitverantwortung an dem Komplex "Drittes Reich". Ab ins Fegefeuer mit dem belastenden Material, auf daß man selber gereinigt und geläutert aus dem Keller in eine neue Zeit hervorgehe. [...] Hinaus ins Freie. Etwas macht sich bemerkbar. Etwas ganz Ungewöhnliches. [...] Es ist die völlige Stille. Die zur Phrase geronnene Stille nach dem Sturm. [...] Warten, abwarten, was kommt. Was soll schon kommen? Die Sieger natürlich. Die ersten beiden zeigen sich schon. Sechzehnjährige, jeder mit einem Fahrrad versehen, wie man es "zufällig" auffindet. Die Käppis auf den kahlgeschorenen Schädeln, Pistolen im Stiefelschaft. [...] Aus ihren weiten Uniformblusen schaufeln die Soldaten händeweise Machorka, (Tabakersatz - Anm. d. Red.), [...]. Was werden uns die Sowjets sonst noch bescheren? [...]
Günter Kunert, Erwachsenenspiele. Erinnerungen, München 1997, S. 79 ff.
Auftrag der britischen Militärregierung an Rudolf Amelunxen (1888 -1969, Zentrums-Politiker, Oberpräsident von Westfalen 1945, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen 1946 -1947 - Anm. d. Red.) zum Aufbau der Verwaltung in der Provinz Westfalen, 6. Juli 1945. Von heute ab übernehmen Sie die Pflichten und die Verantwortung des Leiters der zivilen Verwaltung für die Provinz Westfalen und die Länder Lippe und Schaumburg-Lippe. Sie bilden unverzüglich eine Provinzial-Regierung, die für die Militärregierung annehmbar ist. Einmal gewählt, haben diese Beamten ihre Pflichten redlich und treu zu erfüllen, und Sie werden ihnen zu verstehen geben, [...] daß sie ihre Ernennung lediglich nach dem Belieben der Militärregierung innehaben. Ungehorsam gegen die Anordnungen der Militärregierung wird nicht geduldet werden. Kein tätiger Nazi oder Naziparteigänger - das heißt mit den Nazis stark Sympathisierender - erhält die Erlaubnis, irgendeine beamtete Stellung einzunehmen. [...] Die allgemeine Politik ist in der ersten Proklamation des Obersten Befehlshabers an das deutsche Volk zusammengefaßt und wird hiermit zu Ihrer Unterrichtung wiederholt: Wir kommen als ein siegreiches Heer, jedoch nicht als Unterdrücker. Wir werden die Herrschaft der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei beseitigen, die NSDAP auflösen, sowie die grausamen, harten und ungerechten Rechtssätze und Einrichtungen, die die Partei geschaffen hat, aufheben. [...] Der bestehende Verwaltungsaufbau für die Mobilisierung, Beschaffung, Registrierung und Verteilung der Arbeit durch regionale und örtliche Arbeitsämter wird beibehalten werden, nur die Nazibeamten sind dabei zu entfernen. Die bestehende Lohnkontrolle bleibt aufrechterhalten, das soziale Versicherungswesen, Pensionen und Vergünstigungen bleiben gültig, soweit deutsche Fonds verfügbar sind; folgende Vorbehalte werden gemacht: a) Zahlung von Militärpensionen und von Familienunterhalt für die Angehörigen deutscher Soldaten wird verboten, ausgenommen 1. Pensionen wegen körperlicher Gebrechen, die die Arbeitsfähigkeit vermindern und 2. Pensionen oder Vergütungen an Witwen, Waisen oder nicht militärische Personen ohne anderweitige Unterstützung. b) Kein Familienunterhalt wird den Familien dienender Soldaten gewährt. c) Keine Pensionen oder Unterstützungen dürfen für Mitgliedschaft oder Dienst in der Nazipartei gezahlt werden. Alle Benachteiligungen bzw. Vergünstigungen bei Löhnen, Arbeitsbedingungen, Sozialversicherungs-Pensionen und Unterstützungen von Gruppen oder Einzelpersonen auf Grund ihrer Rasse, Abstammung, religiösen oder politischen Einstellung werden abgeschafft. Die Bildung einer demokratischen Gewerkschaftsbewegung oder anderer Formen freien wirtschaftlichen Zusammenschlusses wird zugelassen, vorausgesetzt, daß sie nicht Vertretungen von Nazigruppen sind. Es ist sehr wünschenswert, daß die Schulen in Gang bleiben, um die Bedrohung von Ruhe und Ordnung durch zahlreiche junge Landstreicher einzuschränken. Andererseits ist heute das deutsche Erziehungssystem eine der stärksten Waffen der Nazi-Propaganda. Deshalb wird unser Weg sich wie folgt darstellen: a) Schließung aller Schulen, b) Wiedereröffnung aller Schulen, sobald die Militärregierung sich überzeugt hat, daß alle Mitglieder der Nazi-Partei und alle, die mit den Nazis stark sympathisiert haben, aus dem Lehrkörper entfernt sind und brauchbare Schulbücher gestellt sind. c) Die Forderung, daß der zivile Leiter des Verwaltungsgebietes dafür garantiert, daß keine nazifreundliche oder militärische Lehre in den so eröffneten Schulen vertreten (gelehrt) wird. Die deutschen Behörden werden Anweisung erhalten, alle Schulbücher, die nationalsozialistische oder militärische Lehren enthalten, zu beschlagnahmen. Alle nationalsozialistischen Parteiorganisationen an Schulen und Universitäten sind abzuschaffen und ihre Akten und ihr Eigentum zu beschlagnahmen. [...] Stätten, die dem Gottesdienst geweiht sind, werden wieder geöffnet und die Freiheit der Religion gefördert werden, [...] Es ist eindeutig klarzustellen, daß Sie allein auf Anweisung der Militärregierung handeln. In allen Angelegenheiten können Einzelanweisungen eingeholt werden, und wenn irgendein Zweifel besteht, ist bei den Offizieren der Militärregierung, die dazu bevollmächtigt sind, Rat zu suchen. gez. G. A. Ledingham Colonel Commanding Officer 307 (P) Mil. Gov. Det.
Thomas Berger/Karl-Heinz Müller (Hg.), Lebenssituationen 1945 -1948, Hannover 1983, S. 20 ff.
Die Potsdamer Konferenz
[...] Wir sind der Auffassung, daß der Weg, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen, falsch wäre, denn dieser Weg entspricht nicht den gegenwärtigen Entwicklungsbedingungen in Deutschland. Wir sind vielmehr der Auffassung, daß die entscheidenden Interessen des deutschen Volkes [...] für Deutschland einen -anderen Weg vorschreiben, und zwar den Weg der Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk. [...] Die unmittelbarsten und dringendsten Aufgaben [...] sind gegenwärtig [...]: Vollständige Liquidierung der Überreste des Hitlerregimes und der Hitlerpartei. [...] Völlig ungehinderte Entfaltung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiative auf der Grundlage des Privateigentums. [...] Herstellung der demokratischen Rechte und Freiheiten des Volkes. Wiederherstellung der Legalität freier Gewerkschaften der Arbeiter, Angestellten und Beamten sowie der antifaschistischen, demokratischen Parteien. [...] Liquidierung des Großgrundbesitzes, [...] und Übergabe [...] an die durch den Krieg ruinierten und besitzlos gewordenen Bauern. [...]
Ernst-Ulrich Huster u. a., Determinanten der westdeutschen Restauration 1945- 1949, Frankfurt a. M., 1972, S. 356 ff.
[...] Der vorhandene private Großbesitz an Produktionsmitteln und das mögliche Sozialprodukt der deutschen Volkswirtschaft müssen den Bedürfnissen aller zugänglich gemacht werden. Der heutige Zustand, bei dem die große Mehrzahl alles verloren hat, eine Minderheit aber reicher geworden ist, muß durch eine gerechte Gesellschaftsordnung überwunden werden. Die Sozialdemokratie erstrebt eine sozialistische Wirtschaft durch planmäßige Lenkung und gemeinwirtschaftliche Gestaltung. Entscheidend für Umfang, Richtung und Verteilung der Produktion darf nur das Interesse der Allgemeinheit sein. Die Vermehrung der Produktionsmittel und Verbrauchsgüter ist die Voraussetzung für die lebensnotwendige Eingliederung Deutschlands in die internationalen Wirtschaftsbeziehungen. [...] Alle Betriebe des Bergbaues, der Eisen- und Stahlerzeugung und -bearbeitung bis zum Halbzeug, der größte Teil der chemischen Industrie und die synthetischen Industrien, die Großbetriebe überhaupt, jede Form der Versorgungswirtschaft und alle Teile der verarbeitenden Industrie, die zur Großunternehmung drängen, sind in das Eigentum der Allgemeinheit zu überführen. Die Förderung des Genossenschaftsgedankens, die Lösung betrieblicher Gemeinschaftsaufgaben in Handwerk, Handel und Landwirtschaft, stärkste Unterstützung der Verbrauchergenossenschaft sindnötig. [...] Eine grundlegende Agrar- und Bodenreform ist unter Enteignung der Großgrundbesitzer sofort einzuleiten. [...] [...] Der Lastenausgleich fordert eine grundlegende, alles umfassende Finanz- und Währungsreform. Ein soziales Existenzminimum muß gesichert und der Massenverbrauch geschont werden. [...] Die Demokratie ist für alle Schaffenden die beste Form des politischen Kampfes. Sie ist für uns Sozialisten ebenso eine sittliche wie eine machtpolitische Notwendigkeit. [...] Es gibt keinen Sozialismus ohne Demokratie, ohne die Freiheit des Erkennens und die Freiheit der Kritik. Es gibt aber auch keinen Sozialismus ohne Menschlichkeit und ohne Achtung vor der menschlichen Persönlichkeit. Auf dem Gebiet der Staats- und Verwaltungspolitik erstrebt die Sozialdemokratie die Demokratie, die getragen ist von der Mitbestimmung und Mitverantwortung aller Bürger. Sie will eine Republik mit weitgehender Dezentralisierung und Selbstverwaltung. Glaubens- und Gewissensfreiheit für alle, Trennung von Kirche und Staat. [...] Die Schulen sollen die Jugend [...] erziehen im Geist der Humanität, der Demokratie, der sozialen Verantwortung und der Völkerverständigung. Allen Deutschen stehen die Bildungsmöglichkeiten allein entsprechend ihrer Befähigung offen. [...] Jedem Bürger soll die Möglichkeit gegeben werden, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt zu erwerben. Soweit ihm angemessene Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werden kann, hat er Anspruch auf Lebensunterhalt.
Die "soziale Marktwirtschaft" ist die sozial gebundene Verfassung der gewerblichen Wirtschaft, in der die Leistung freier und tüchtiger Menschen in eine Ordnung gebracht wird, die ein Höchstmaß von wirtschaftlichem Nutzen und sozialer Gerechtigkeit für alle erbringt. Diese Ordnung wird geschaffen durch Freiheit und Bindung, die in der "sozialen Marktwirtschaft" durch echten Leistungswettbewerb und unabhängige Monopolkontrolle zum Ausdruck kommen. Echter Leistungswettbewerb liegt vor, wenn durch eine Wettbewerbsordnung sichergestellt ist, daß bei gleichen Chancen und fairen Wettkampfbedingungen in freier Konkurrenz die bessere Leistung belohnt wird. [...] Marktgerechte Preise sind Motor und Steuerungsmittel der Marktwirtschaft. Marktgerechte Preise entstehen, indem Kaufkraft und angebotene Gütermenge auf den Märkten zum Ausgleich gebracht werden. Wichtigste Vorbedingung, um diesen Ausgleich herbeizuführen, ist ein geordnetes Geldwesen. [...] Die "soziale Marktwirtschaft" steht im scharfen Gegensatz zum System der Planwirtschaft, die wir ablehnen, ganz gleich, ob in ihr die Lenkungsstellen zentral oder dezentral, staatlich oder selbstverwaltungsmäßig organisiert sind. [...] Die Planwirtschaft hemmt die Erzeugung, indem sie in die Hand der Lenkungsstellen Machtvollkommenheiten legt, [...]. Die "soziale Marktwirtschaft" steht auch im Gegensatz zur sogenannten "freien Wirtschaft" liberalistischer Prägung. Um einen Rückfall in die "freie Wirtschaft" zu vermeiden, ist zur Sicherung des Leistungswettbewerbs die unabhängige Monopolkontrolle nötig. Denn so wenig der Staat oder halböffentliche Stellen die gewerbliche Wirtschaft und einzelne Märkte lenken sollen, so wenig dürfen Privatpersonen und private Verbände derartige Lenkungsaufgaben übernehmen. [...] Die vorwiegend eigentumsrechtlichen und gesellschaftspolitischen Grundsätze des Ahlener Programms werden anerkannt, jedoch nach der marktwirtschaftlichen Seite hin ergänzt und fortentwickelt. [...]
Christlich-Soziale Union (CSU): Grundsatzprogramm 1946
[...] Wir erstreben den Staatsaufbau auf christlicher Grundlage. [...] Wir bekennen uns zum demokratischen Staat. Wir kämpfen gegen jede Art von Diktatur eines einzelnen, einer Partei oder einer Klasse. [...] Wir fordern den föderativen Aufbau Deutschlands auf bundesstaatlicher Grundlage. [...] Wir verlangen die Ehrfurcht vor der Unverletzlichkeit der Person. [...] Wir vertreten die Freiheit der Meinungsäußerung in Wort und Schrift, die Freiheit des Handelns und der Berufswahl, die Freiheit des Zusammenschlusses und der Religionsausübung! Nur am christlichen Sittengesetz und am Gemeinwohl findet die menschliche Freiheit ihre Grenzen. Wir fordern die rechtliche und soziale Gleichstellung der Geschlechter. [...] Wir bejahen eine angemessene Beteiligung der Arbeitnehmer am Reingewinn ihres Unternehmens. [...] Wir anerkennen das Recht des Staates, die Wirtschaft nach Gesichtspunkten des Gemeinwohls zu lenken! Wir lehnen die Planwirtschaft als Ausfluß eines kollektivistischen Denkens ab. Wir kämpfen gegen den Wirtschaftsliberalismus [...] Wir verlangen ein angemessenes Mitbestimmungsrecht der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Lenkung der Wirtschaft, ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen und Produktionsverhältnisse. [...] Wir verlangen die unbedingte Achtung des Staates vor dem Willen der Eltern hinsichtlich der Schulerziehung ihrer Kinder. Wir bekennen uns zum eigenen Recht der Kirchen auf einen angemessenen Einfluß in der Erziehung der Jugend. [...]
Klaus-Jörg Ruhl (Hg.), Neubeginn und Restauration. Dokumente zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1949, München 1982, S. 216 ff. Für die Auszüge aus den Programmen von CDU, CSU sowie SPD und FDP.
[...] Dieser Staat soll auf breitester Grundlage von unten nach oben aufgebaut werden, [...]. Völlige Rechtssicherheit soll die Freiheit des Staatsbürgers schützen. Es soll nur ein Recht in Deutschland geben, ein gleiches Recht für alle. [...] Die Gewerkschaften sollen zu verantwortlichen Organisationen des Staates ausgebaut werden, die den Schutz der Arbeit gewährleisten. [...] Erstes Ziel der Wirtschaftspolitik ist entsprechend dem Bedürfnis der breiten Massen die Steigerung der Erzeugung auf allen Gebieten. [...] Das Ziel kann nur erreicht werden durch Wiedereinschaltung der freien Initiative unter Abbau der Wirtschaftsbürokratie. [...] Persönliche Initiative und freier Wettbewerb steigern die wirtschaftliche Leistung, und persönliches Eigentum ist eine wesentliche Grundlage gesunder Wirtschaft. [...] Wie die Freiheit der Forschung und Freiheit der Lehre die Vorbedingung aller wissenschaftlichen Leistungen ist, so kann auch die Volksbildung nur auf dem Boden der Freiheit und Wahrhaftigkeit gedeihen. [...] Bei der konfessionellen Zerklüftung unseres Volkes können die Schulen des Staates nicht einer Konfession dienen. Wir fordern daher die Gemeinschaftsschule, in der die von ihrer Kirche anerkannten Lehrkräfte konfessionellen Religionsunterricht erteilen. [...]
| Article | Wolfgang Benz | 2021-12-07T00:00:00 | 2011-09-13T00:00:00 | 2021-12-07T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/deutschland-1945-1949-259/10048/errichtung-der-besatzungsherrschaft/ | Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Mai 1945 richteten die vier alliierten Staaten Besatzungszonen ein. Sie übernahmen die oberste Regierungsgewalt in Deutschland. | [
"Informationen zur politischen Bildung Nr. 259",
"Deutschland 1945-1949",
"1945",
"Kriegsende",
"Kapitulation",
"Besatzungszonen",
"Nachkriegszeit"
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Bedeutet Corona das Ende der Globalisierung? | Europäische Wirtschaftspolitik | bpb.de | Die Corona-Pandemie ist in vielerlei Hinsicht eine Zäsur. Sie zeigte die Anfälligkeiten und Schwächen unserer Gesellschaften und Volkswirtschaften auf dramatische Weise auf. Auch der globale Warenaustausch erwies sich als krisenanfällig. Das wirft die Frage auf, wie sich die Globalisierung unter dem anhaltenden Eindruck von Covid-19 verändern wird.
In Normalzeiten organisieren freie Märkte komplexe Produktionsschritte, verteilen diese hocheffizient auf die entsprechenden Akteure in verschiedenen Ländern, nutzen dabei Spezialisierungsvorteile durch internationale Arbeitsteilung aus und schaffen somit eine optimale Güterversorgung zu niedrigen Preisen - und das just in time. Doch die Corona-Pandemie unterbrach viele Lieferketten durch Grenzkontrollen, Exportverbote und Lockdowns, der Ausfall einiger Zulieferer legte ganze Wertschöpfungsketten lahm. Viele Branchen waren betroffen: vom Autobauer bis zum Netzwerkausrüster.
Aber: Hätte es bessere Alternativszenarien als unsere offenen und verflochtenen Volkswirtschaften gegeben? Eine Studie des ifo-Instituts zeigt, dass die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie nur marginal kleiner gewesen wären, wenn die globalen Produktionsnetzwerke reduziert und die Produktion nach Hause zurückverlagert worden wäre. Gleichzeitig würde dies in Deutschland zu enormen Wohlstandsverlusten führen, da das Land stark vom Export abhängig ist. 17 Prozent der hiesigen Wertschöpfung finden über globale Wertschöpfungsketten statt, weltweit sind es zwölf Prozent.
Nicht nur Pandemie für Störung des Welthandels verantwortlich
Prof. Dr. Lisandra Flach (© Ifo Institut)
Dass eine Pandemie mit erheblichen ökonomischen Störungen einhergeht, ist offenkundig. Das ist aber nicht in erster Linie ein Problem des internationalen Handels. Beispielsweise setzten die Lockdowns global zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein, weshalb Produktionsausfälle teilweise durch Importe ersetzt werden mussten. Außerdem wurden die Grenzen für Waren auch schnell wieder geöffnet, eine umfassende Güterversorgung war zu keinem Zeitpunkt ernsthaft gefährdet. Engpässe wie etwa bei Atemschutzmasken oder Desinfektionsmitteln entstanden hauptsächlich nachfrageseitig aufgrund des pandemiebedingt gestiegenen Bedarfs. Angebotsseitig wurde die Produktion ausgeweitet, nach kurzer Zeit waren Spezialgüter nicht mehr knapp.
Martin T. Braml (© Privat)
Trotzdem muss man fragen, wie Wertschöpfungsketten widerstandsfähiger gegenüber solchen Schocks werden können. Störungen des Welthandels haben derzeit ihren Ursprung nicht nur in der Pandemie, sondern auch in Naturkatastrophen und politischen Entscheidungen, beispielsweise im Handelsstreit zwischen den USA und China. Lieferrisiken und Versorgungsunsicherheiten müssen somit gerade ohnehin laufend neu bewertet werden.
In diesem Zusammenhang fällt oftmals der Begriff des "Near-Shorings", also der stärkeren Regionalisierung von Produktionsnetzwerken. Dies mag auch zum Teil mit verstärkter Automatisierung einhergehen. Wenn neue Produktionstechnologien wie etwa die additive Fertigung ("3D-Druck") Lohnkostenunterschiede irrelevant machen, gibt es aufgrund der Transportkosten einen Anreiz, Wertschöpfungsketten zu verkürzen und die Produktion näher an den Ort des Konsums heranzuführen. Aber auch räumliche Nähe ist kein Allheilmittel: So war der Güterimport aus Vietnam im März 2020 stabiler als der aus der Lombardei.
Außerdem sollte beim Thema Near-Shoring nicht vergessen werden, dass das Produktionsnetzwerk Europa schon heute für Deutschland viel wichtiger ist als die Zulieferung von und nach Asien und Nordamerika, deren Anteil an der deutschen Wertschöpfung sich jeweils nur im einstelligen Prozentbereich bewegt. Außerdem wurde die globale Wertschöpfungskette Deutschlands über die Zeit bereits regionaler. Abgesehen davon sind die Arbeitsmärkte Mittel- und Osteuropas weitestgehend leergefegt, was stark mit deren Einbindung in die "Factory Europe" (Fabrik Europa) zusammenhängt. Somit bliebe aus deutscher Sicht eine Verlagerung von Wertschöpfung allenfalls in strukturschwache Hochlohnländer wie Italien, also Standorte, die weltweit nur unzureichend wettbewerbsfähig sind.
Diversifikation statt Protektionismus
Als Alternative sollten Firmen künftig verstärkt Überlegungen unternehmen, ob unter Umständen eine verstärkte Lagerhaltung von kritischen Vorprodukten der Just-in-Time-Produktion vorzuziehen ist. Bei niedrigen Kapitalkosten und hohem Automatisierungsgrad mag dabei der Nutzen den möglichen Schaden durch Lieferausfälle überkompensieren. Darüber hinaus wird das erfolgreiche Risikomanagement entlang der Lieferkette eine verstärkte Diversifizierung der Lieferketten oder auch mehrere potentielle Zulieferer für ein Produkt verlangen.
Die damit gewonnene Widerstandsfähigkeit gegen Störungen verspricht mehr als die wirtschaftliche Abschottung. Zur globalen Arbeitsteilung gibt es nach unserem Dafürhalten keine wirkliche Alternative. Die gewaltigen Globalisierungsgewinne sowohl in den Industrieländern als auch in vielen Schwellenländern sollten nicht aufgegeben werden. Davon abgesehen hat Deutschland bei einer global einsetzenden Protektionismusspirale durch seinen hohen Handelsüberschuss viel zu verlieren. Alle politischen Anstrengungen sollten daher darauf gerichtet sein, die Märkte offen zu halten.
Bei allem gilt es zudem zu beachten, dass privatwirtschaftlich agierende Unternehmen diese Entscheidungen zu treffen haben. Damit entzieht sich ein Großteil dieser Fragen ohnehin der politischen Steuerung. Auch wenn während der Pandemie das schnelle Agieren Chinas gelobt wurde, ist keineswegs ausgemacht, dass eine Kommandowirtschaft den Corona-Schock besser verdaut als das deutsche Modell der freien Marktwirtschaft mit seinen starken sozialen Auffangnetzen.
Die Corona-Pandemie kann überdies nicht darüber hinwegtäuschen, dass schon vor 2020 der Welthandel weitgehend stagnierte. Interner Link: Seit über einer Dekade schreitet die Globalisierung bereits nicht mehr voran. Das Güterhandelsvolumen relativ zur Weltwirtschaftsleistung erreichte nach 2008 nie wieder das Niveau von vor der Finanzkrise. Zuwächse vor allem im digitalen Dienstleistungshandel konnten dabei immerhin den relativen Rückgang im Güterhandel auffangen.
Boom beim Dienstleistungshandel
Das Volumen in dieser Branche hat sich seit dem Jahr 2000 beinahe vervierfacht. Die Corona-Pandemie dürfte diesen Trend weiter beschleunigen. Plötzlich zum Home-Office gezwungen, stellten viele Firmen fest, dass Telearbeit für viele Beschäftigte tatsächlich funktioniert. Fast drei Viertel der Unternehmen, die während der Pandemie auf das Arbeiten von Zuhause setzten, wollen diese Möglichkeit in Zukunft verstärken. Selbst ein Großteil der Unternehmen, die befürchteten, dass Mitarbeiter im Homeoffice weniger produktiv sind, planen nun, die Heimarbeit auszuweiten.
Auch neue Formen der Dienstleistungserbringung boomen, so etwa digitale Sprechstunden bei Ärztinnen und Ärzten. Der Trend ist auch daran erkennbar, dass viele Hochschulen weltweit über Nacht zu Fern-Unis wurden. Auch wenn Home-Office, Telemedizin und Remote-Unterricht technisch längst möglich sind, gab es nun einen gewaltigen Schub für deren Akzeptanz. Für viele Unternehmen hat die Corona-Pandemie den digitalen Wandel vorangetrieben, da schnell deutlich wurde, dass das Homeoffice die negativen Auswirkungen der Krise verringert.
Während physische Präsenz immer weniger wichtig erscheint, werden vormals nicht handelbare Dienstleistungen plötzlich handelbar. Warum nicht den Tele-Doktor in Österreich anrufen, wenn der deutsche keine Zeit hat? Einen Softwareentwickler aus Indien beauftragen? Zwischendurch einen Online-Kurs an einer ausländischen Universität besuchen? Vom eigenen Wohnzimmer aus ist das nunmehr mit geringen Kosten verbunden. Home-Office kann von überall aus erbracht werden. Der Ökonom Richard Baldwin bezeichnete dies zuletzt als "Tele-Migration", wenn also Beschäftigung und Migration voneinander entkoppelt werden und eine neue Form der Arbeit entsteht, die es Arbeitnehmerinnen und -nehmern ermöglicht, in einem Land zu sitzen und in virtuellen Büros eines anderen zu arbeiten.
Die Globalisierung nach Corona wird folglich nicht rückabgewickelt, sondern zum einen um den Gesichtspunkt der Resilienz der Lieferketten ergänzt. Zum anderen wird sie im Bereich des internationalen Dienstleistungshandels gewaltig voranschreiten.
Rivalität zwischen USA und China fordert EU heraus
Die Europäische Union (EU) ist stolz darauf, den größten Binnenmarkt der Welt errichtet zu haben, der mit vielen Volkswirtschaften durch Freihandelsabkommen eng verflochten ist. Die Corona-Pandemie wirft allerdings einen Schatten auf diese erfolgreiche Bilanz: Die Krisenbewältigung war zunächst vor allem vom Handeln der Nationalstaaten geprägt. Zeitweilige innereuropäische Exportverbote und Grenzschließungen zogen sogar die Integrität des Binnenmarktes in Zweifel. Damit wurde die Handlungsfähigkeit der Union einmal mehr als unzureichend entlarvt.
Dabei steht der Kontinent vor großen Herausforderungen. Unabhängig von der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl im November und der Corona-Krise bleibt die geopolitische Rivalität zwischen den USA und China die größte strategische Herausforderung für die EU. China strebt nach globaler Vormachtstellung. Bezeichnend dafür das Ziel, seinen Staatsunternehmen in mehreren Schlüsselbranchen bis 2025 eine weltweit führende Stellung zu verschaffen ("Made in China 2025") und die sogenannte Seidenstraßen-Initiative, ein gigantisches Infrastrukturprojekt, das Asien, Afrika und Europa besser miteinander verbinden soll. Dagegen wollen die USA ihre Hegemonie verteidigen und von Importen aus China unabhängiger werden ("Decoupling"). Beide Länder sind gewillt, ihren Einfluss auch mithilfe ihrer Marktgröße geltend zu machen, zum Beispiel durch das Anwenden von Sanktionen. Das könnte die EU zwingen, sich auf die eine oder andere Seite zu stellen.
Für die Europäer stellt sich hierbei die Frage, ob sie bei Themen wie dem Ausschluss von chinesischen Anbietern (wie beim Mobilfunkstandard 5G) den Amerikanern folgen sollen. In Brüssel spricht man mittlerweile gerne von der strategischen Autonomie, die neben technologischen Aspekten auch das Militärische umfasst. Stand jetzt ist Europa auf vielen Feldern verwundbar. Am wenigsten allerdings auf dem Feld der Industriegüterproduktion. Auch deshalb sollten politische Anstrengungen nicht darauf gerichtet sein, die Globalisierung in ihrer jetzigen Form rückabzuwickeln und Near-Shoring oder Ähnliches aktiv voranzutreiben.
Für die strategische Souveränität Europas benötigt es zuallererst Investitionen in Bildung, Forschung, Infrastruktur und Verteidigung sowie verstärkte Zusammenarbeit auf Feldern, auf denen hohen Synergieeffekte und somit Kosteneinsparungen auf europäischer Ebene möglich sind (vor allem im Verteidigungsbereich). Staatsausgaben für diese Zwecke müssen gegenüber stets steigenden Sozialausgaben abgewogen werden. Ferner muss es die EU schaffen, den Binnenmarkt zu einem vollintegrierten Dienstleistungsmarkt weiterzuentwickeln. Kleinteilige Regulierung behindert noch vielerorts Innovationen.
Europas Stärke ist seine Vielfalt. Um diese Stärke allerdings ausspielen zu können, muss man (innereuropäischen) Wettbewerb zulassen. Die von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ins Spiel gebrachten "European Champions", also das Zulassen von Monopolen auf dem Heimatmarkt zum Zweck der Dominanz auf dem Weltmarkt, sind gegen die Prinzipien der Marktwirtschaft und gehen allein deshalb zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Zuletzt benötigt Europa mehr Bereitschaft – regulatorisch wie steuerrechtlich – Innovation zu fördern, im Feld zu testen und schnell zu adaptieren. Die Corona-Krise hat nämlich auch gezeigt, dass die Politik in der Lage ist, weitreichende und zukunftsweisende Entscheidungen unverzüglich zu treffen, wenn es notwendig ist. Von diesem Momentum sollte sich die Wirtschaftspolitik inspirieren lassen.
Prof. Dr. Lisandra Flach (© Ifo Institut)
Martin T. Braml (© Privat)
| Article | Martin T. Braml, Lisandra Flach | 2021-12-10T00:00:00 | 2020-11-05T00:00:00 | 2021-12-10T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/wirtschaft/europa-wirtschaft/318378/bedeutet-corona-das-ende-der-globalisierung/ | Die Pandemie hat gezeigt, wie anfällig die weltweiten Lieferketten für Störungen sind. Das heißt aber nicht, dass nun wieder komplett in Deutschland produziert werden muss, meinen die Ökonomin Lisandra Flach und der Ökonom Martin T. Braml. | [
"Globalisierung",
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Redaktion | Naturschutzpolitik | bpb.de | Herausgeber
Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Bonn © 2022 Verantwortlich gemäß § 55 RStV: Thorsten Schilling
Projektleitung/Redaktion
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Prof. Dr. Detlef Czybulka Prof. Dr. Marc Debus Dr. Uta Eser Dr. Hans-Werner Frohn Prof. Dr. Stefan Heiland Dr. Christiane Hubo Dr. Silke Kleinhückelkotten Prof. Dr. Max Krott Dr. H.-Peter Neitzke Jürgen Rosebrock, M.A. Prof. Dr. Hans-Peter Ziemek Prof. Dr. Annette Zimmer
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Externer Link: 3pc – Neue Kommunikation | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-12-08T00:00:00 | 2015-10-16T00:00:00 | 2022-12-08T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/umwelt/naturschutzpolitik/213925/redaktion/ | [
"Redaktion"
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Smarte schöne neue Welt? – Das Internet der Dinge | Medienpolitik | bpb.de | Einführung
Die digitale Revolution verändert unsere Gesellschaft tiefgreifend und unumkehrbar. Ihre Auswirkungen sind vergleichbar mit den Umwälzungen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert oder der Erfindung des Buchdrucks im 16. Jahrhundert. Insbesondere das Internet der Dinge (engl.: Internet of Things, IoT) wird einen weiteren Schub der Digitalisierung unserer Lebenswirklichkeit mit sich bringen. Denn die Informations- und Kommunikationstechnologie wird damit in die uns vertrauten "Dinge" des alltäglichen Lebens eingebettet ("embedded computing") und macht unsere Umgebung bzw. unser Zuhause "smart" (intelligent). Mit anderen Worten: Der Computer verlässt den Arbeitsplatz und geht über in Geräte, Kleidung, Gegenstände und unser Zuhause. Die Alltagsdinge werden somit selbst informativ oder fungieren als physische Zugangsobjekte zu Internetdiensten. Das Internet weitet sich damit unsichtbar in die uns vertraute Umgebung, unsere Wohnung, aus und "heftet" sich z. B. an unseren Körper als smarte Kleidung, Smartwatch oder Fitnessarmband.
Diese Dinge werden nun zu "Medien", also Kommunikationskanälen, die Daten und Informationen übermitteln. Marshall McLuhans extensionaler (umfassender) Medienbegriff aus den 1960er-Jahren wird, so könnte man überspitzt formulieren, 50 Jahre später mit der Entwicklung des Internet der Dinge tatsächlich realisiert.
InfokastenMarshall McLuhans extensionaler Medienbegriff
Für McLuhan sind nicht nur Telefon, Fernseher etc. "Medien" (also im eigentlichen Sinne Kommunikationsmittel), sondern auch Kleidung, Häuser, Geld etc. werden von ihm als "Medien" bezeichnet. Das heißt: Für ihn ist jede Technologie bzw. jedes Artefakt (Werk, Produkt), das den Mensch in Beziehung zur Welt setzt, ein "Medium".
Zunahme an Datenbeständen
Mit dem Einzug der digitalen Geräte in unsere privaten Wohn- und Körperzonen besteht eine Vielzahl an Möglichkeiten, digitale Datenbestände zu generieren und auszuwerten. Bislang wurden personen- und aktivitätsbezogene Daten entweder im Interner Link: analogen öffentlichen Raum (z. B. durch Videoüberwachung, Nutzung von Chipkarten) oder im Interner Link: digitalen Kommunikationsraum durch die Nutzung von Internetangeboten, Sozialen Medien etc. erhoben. Jetzt wird eine verstärkte Datengenerierung auch in Lebensbereichen möglich sein, die als topografische semantische Privaträume (z. B. Privathaus, Privatwohnung, privates Auto) bzw. Intimsphäre (der eigene Körper) kulturell definiert sind. Beispielhaft gibt die folgende Tabelle eine Übersicht über die Datenerfassung in den Räumen des Netzes, der "analogen" Welt und dem Internet der Dinge bzw. der vernetzten Umwelt.
Für McLuhan sind nicht nur Telefon, Fernseher etc. "Medien" (also im eigentlichen Sinne Kommunikationsmittel), sondern auch Kleidung, Häuser, Geld etc. werden von ihm als "Medien" bezeichnet. Das heißt: Für ihn ist jede Technologie bzw. jedes Artefakt (Werk, Produkt), das den Mensch in Beziehung zur Welt setzt, ein "Medium".
Gemeinsam ist den Anwendungen des Internet der Dinge, dass sie einerseits eine Vielzahl an Möglichkeiten bieten, das alltägliche Leben mit mehr Komfort, Effizienz und Sicherheit auszustatten. Andererseits stellen sie eine Herausforderung für den Schutz der Privatsphäre, die Selbstbestimmung und die Sicherheit dar. Welche Chancen und Risiken für den Einzelnen und die Gesellschaft mit dem Internet der Dinge verbunden sind, soll im Folgenden reflektiert werden. Vorab werden hierzu Anwendungen beispielhaft aufgezeigt und systematisiert.
Internet der Dinge – was ist darunter zu verstehen?
Das Internet der Dinge bezeichnet die Vernetzung von physikalischen Objekten (z. B. Heizung und Beleuchtung in der Wohnung) mit dem Internet, sodass Gegenstände bzw. Geräte selbstständig über das Internet kommunizieren können. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Objekte eindeutig identifizierbar sind, z. B. über Interner Link: Interner Link: IP-Adressen, Interner Link: RFID. Die Geräte bzw. Gegenstände sammeln Informationen, z. B. über eine Person oder die Umgebung, die gespeichert und verarbeitet werden. Durch ihre Programmierbarkeit, ihr Speichervermögen, ihre Sensoren und ihre Kommunikationstechnik sind die Dinge befähigt, online und autonom Informationen auszutauschen. In der Weiterentwicklung des Internet der Dinge werden die vernetzten Objekte lernfähig und steuern sich zunehmend selbst.
Wesentliche Kennzeichen für das Internet der Dinge lassen sich somit identifizieren (vgl. Abb.):
Ubiquität: überall können "smarte" (intelligente) Objekte existieren Vernetzung: die Objekte lassen sich über RFID-Chips oder Interfaces mit dem Internet verbinden Informationsspeicherung: smarte Daten werden gespeichert, verarbeitet und können als Massendaten ausgewertet werden (Interner Link: Big Data) Kommunikation: die Dinge kommunizieren entweder direkt miteinander oder über Interfaces Selbststeuerung: die Objekte können eigenständig Informationen austauschen, Aktionen auslösen und sich wechselseitig steuern Optimierung und Lernfähigkeit: die Dinge (z. B. Thermostate) erkennen Muster (z. B. wann die Heizung hochgeschaltet wird) und optimieren daraufhin ihre Aktivität
Der Begriff "Internet der Dinge" wird häufig synonym mit "Ubiquitous Computing" (= Allgegenwärtigkeit rechnergestützter Informationsverarbeitung) verwendet. Klaus Wiegerling fasst die wichtigsten Merkmale von Ubiquitous Computing wie folgt zusammen:
"Weitgehendes Verschwinden von Hardwarekomponenten; Adaptivität des Systems an den Nutzer und an die jeweilige Nutzungssituation; Selbstorganisiertheit des Systems; Kontextwahrnehmung des Systems, also die Fähigkeit Situationen zu interpretieren; Informatorische Aufladung der physikalischen Umwelt; Mobile bzw. ubiquitäre und allzeitige Anwendbarkeit von informatischen Systemen; Verknüpfung von lokalen und globalen Informationen."
Diese Merkmale treffen ebenso auf die Technologie des "Internet der Dinge" zu. Dieser Begriff hat sich im öffentlichen Diskurs durchgesetzt, wohl auch wegen seiner Anschaulichkeit. Laut Mattern/Flörkemeier wurde der Begriff "Internet of Things" erstmals 2002 von Kevin Ashton, dem Mitgründer und damaligen Leiter des Auto-ID Center am Massachusetts Institute of Technology (MIT), verwendet, der im Forbes Magazine zitiert wird mit: "We need an internet for things, a standardized way for computers to understand the real world" ("Wir brauchen ein Internet für Dinge, eine standardisierte Möglichkeit für Computer, die reale Welt zu verstehen").
Anwendungen des Internet der Dinge
Die Anwendungen, die derzeit unter dem Begriff Internet der Dinge zu verstehen sind, lassen sich in fünf Kategorien unterscheiden:
Fernbedienung via Netz Messung und Sammlung von Daten Profiling und Vorschläge Daten sammeln und Aktivität Daten suchen und Produktion
Kategorie 1: Fernbedienung via Netz
Beispielhaft hierfür ist die "Good Night Lamp". Bei ihr handelt es sich um ein Set bestehend aus mehreren Lampen. Wird eine Lampe aktiviert, so aktivieren sich über die "Lightning"-Netzwerkverbindung automatisch andere Lampen, auch über große Distanzen hinweg. Per Smartphone-Interner Link: App können die Lampen aus der Ferne kontrolliert und gesteuert werden. Die Firma wirbt damit, dass man mit dieser Lampe einer geliebten Person einen Kommunikationswunsch übermitteln kann. Über eine Fernsteuerung (basierend auf Interner Link: GSM-Technologie) wird die Lampe eingeschaltet und signalisiert dem Partner "I’m thinking of you" ("Ich denke an dich") oder "Call me when you get home" ("Rufen Sie mich an, wenn Sie nach Hause kommen"). Im Grunde stellt diese Anwendung einen erweiterten Kommunikationskanal dar, den allerdings jemand von außen im eigenen Heim aktiviert.
Die Kategorie "Fernbedienung via Netz" ist im Prinzip relativ unproblematisch, was den Schutz der Privatsphäre betrifft. Allerdings abgesehen davon, dass Apps nicht auf Datenminimierung und Datensparsamkeit angelegt sind, insbesondere wenn sie angeblich "kostenlos" sind. Denn grundsätzlich sind Apps in der Lage, auch Daten des Smartphones abzugreifen, die für die Erfüllung der eigentlichen Aufgaben irrelevant sind.
Kategorie 2: Messung und Sammlung von Daten
Der Trend zur Selbstvermessung, der sich maßgebend in der "Quantified-Self-Bewegung" artikuliert (deren Anhänger permanent den Zustand und die Aktivität des eigenen Körpers messen), hat eine Vielzahl an Produkten auf den Markt gebracht, die Fitness, Gesundheit und Leistung zu optimieren versprechen. So bietet die Bekleidungsbranche mittlerweile eine Vielzahl an Produkten an, die als "Smart Clothes", "Smart Shoes" etc. bezeichnet werden. "Erkenne dich selbst durch Zahlen" ("Selfknowledge through Numbers") ist der kategorische Imperativ dieser Welt- und Selbsterfahrungs-Ideologie. Für Stefan Selke ist das "Lifelogging", also "die digitale Speicherung von Lebensdaten und Verhaltensspuren (sog. Lifelogs) eines Menschen", Ausdruck eines bestimmten Selbst-Konzepts. Es geht von einer totalen Kontrollier- und Steuerbarkeit des eigenen Lebens aus (Gesundheit, Leistungsoptimierung etc.). Ein Beispiel hierfür ist die Fitnessbekleidung von "Athos", in die Sensoren integriert sind. Die Sensoren erfassen während des Trainings Daten zur Aktivität einzelner Muskelgruppen und die Pulsfrequenz des Trägers. Über die dazugehörige Smartphone-App kann so der Trainingsfortschritt getrackt (nachverfolgt) werden.
"Smart Clothes" und "Interner Link: Wearables" (mit der Kleidung direkt verbundenes oder am Körper getragenes Computersystem, das auf den Träger bezogene Daten aufzeichnet und verarbeitet, z. B. Fitnessarmbänder, "Smart Watches" etc.) können Bewegungsdaten, Daten zu Gesundheit, Körper, Arbeitsleistung und zukünftig wohl auch psychische Daten erfassen. So hat kürzlich Ali Javey, Professor für Elektrotechnik und Informatik an der University of California in Berkely, ein Armband mit Sensoren entwickelt, das durch die Auswertung des Schweißes als Informationsquelle Aufschluss darüber geben soll, ob "eine Person Depressionen hat oder giftigen Chemikalien ausgesetzt war". Daten über den Gehalt an Natrium, Kalium, Glucose und Laktat sowie die Hauttemperatur werden gesammelt und zur Verarbeitung an ein biegsames elektronisches Bauteil gesendet, von wo aus sie über Bluetooth weiter an eine App auf dem Smartphone geschickt werden. Alle diese durch Smart Clothes und Wearables gewonnen Daten sind höchst sensibel, da sie Aufschluss über Krankheiten, Lebensgewohnheiten wie Essen, körperliche Aktivität, Schlaf etc. geben können und für Black-Box-Prognosen (durch Big Data Analytics) missbraucht werden können (vgl. Kap. 4).
InfokastenBig Data Analytics
Über eine intelligente Auswertung riesiger Daten ("Big Data") und die Kombination von Daten aus verschiedenen Quellen können weitreichende Schlussfolgerungen gezogen werden (Trends, Muster, Gesetzmäßigkeiten etc.). Auf diese Weise lassen sich auch Zukunftsprognosen erstellen. Da aber der zugehörige Algorithmus (schematische Rechenvorgang) und die zugrundeliegenden Daten für den Betroffenen intransparent sind, handelt es sich um "Black-Box-Prognosen" (Prognosen aus einem nicht einsehbaren System).
Kategorie 3: Profiling und Vorschläge
Das "BMW ConnectedDrive"-System beruht auf einem Forschungsprojekt von SAP (Systeme, Anwendungen, Produkte; Softwarehersteller) in Zusammenarbeit mit BMW (Bayerische Motoren Werke). Lokalitäten in der Umgebung (z. B. Restaurants) stellen ihre Angebote per SAP-Cloud zur Verfügung. BMW ConnectedDrive gleicht das Angebot mit den Nutzungsvorlieben des Fahrers ab und unterbreitet ihm Vorschläge. Dieser kann sich direkt zum gewünschten Ziel navigieren lassen . Geräte bzw. Dienste, die Vorschläge unterbreiten, können nur dann die Privatheit des Nutzer schützen, wenn sie auf "Privacy by Design" (Privatsphäre-Schutz durch eingebaute Technik, siehe weiter unten in diesem Beitrag) beruhen und dem Nutzer gegenüber unkompliziert deutlich machen, was mit den Daten geschieht.
Kategorie 4: Daten sammeln und Aktivität
Das Smart Bed "Eight" misst mit mehreren Sensoren die Schlafphasen, den Herzschlag, die Temperatur, das Licht und mit einem Mikrofon eventuelles Schnarchen. Per Interner Link: WLAN kann "Eight" mit einem Smartphone, einem Tablet-PC sowie Smart-Home-Geräten, z. B. dem Thermostat "Nest" (das intelligente, selbstlernende Thermostat von Google), verbunden werden. Die gesammelten Daten sollen dem Nutzer detaillierte Statistiken über seinen Schlaf liefern. "Eight" merkt sich außerdem die durchschnittlichen Zeiten, zu denen man ins Bett geht und kann dann automatisch die Heizung regeln. Zudem erkennt das Smart Bed die Phasen, in denen der Nutzer nur einen leichten Schlaf hat und geweckt werden kann. Dieses Anwendungsbeispiel zeigt: Einerseits können digitalisierte Geräte dem Verbraucher ein mehr an Komfort bieten. Andererseits muss der Verbraucher dem Gerät automatisierte Entscheidungen überlassen. Inwieweit damit der Eindruck eines Kontrollverlusts entsteht (insbesondere bei Fehlleistungen des Geräts), ist ein Grundproblem des Internet der Dinge (vgl. Kap 4). "Intelligente" Heizkörper-Thermostate im Smart Home werden von verschiedenen Firmen angeboten. Das Thermostat von RWE kann entweder manuell, per Fernbedienung, Wandsender, Smartphone oder über das Internet gesteuert werden. Das Konkurrenzprodukt "Tado" übernimmt zudem selbstständig die Temperaturregelung, je nachdem, wie weit der Nutzer mit seinem Smartphone entfernt ist.
Die von Google gekaufte Firma "Nest" bietet ein "lernendes" Thermostat an, dass sich die Gewohnheiten der Bewohner eingeprägt und selbstständig die Temperatur regelt. Es weiß, zu welcher Zeit welche Temperatur eingestellt werden muss. Dank eines Bewegungsmelders registriert es, wann die Bewohner das Haus verlassen und fährt nach einer bestimmten Zeit die Heizung automatisch herunter. Verändertes Heizungsverhalten erkennt das Thermostat ebenso und passt sich entsprechend an. Darüber hinaus erfasst es Aktivität, Luftfeuchtigkeit und Helligkeit. Das Thermostat weiß, wann jemand zu Hause ist, in welchem Raum er sich gerade befindet – und eventuell auch, was im Schlafzimmer gerade geschieht, wenn die Luftfeuchtigkeit steigt. Durch die Verknüpfung mit der Google-App (als Opt-In-Option, d. h. mit ausdrücklicher Zustimmung) lässt sich von außen die Temperatur regeln, über Google Now sogar automatisch. Vernetzt mit einer Videokamera, der Nest Cam, werden dem Nutzer auch verdächtige Aktivitäten mitgeteilt. Die Firma Nest gibt ihre Daten an Google weiter, aber auch an Dritte. So bietet Mercedes Benz die Option, dass das Auto dem Thermostat ein Signal sendet, wenn es sich auf dem Heimweg befindet.
Die Verknüpfung von originären Internet-Nutzerdaten des us-amerikanischen "Alphabet"-Konzerns (dazu gehören u. a. Google-Suchmaschine, G-Mail, Google Now, YouTube) mit denen im Smart Home gewonnen Daten ermöglicht es, weitreichende Informationen über eine Einzelperson zu extrahieren (auszulesen). Dieses Beispiel zeigt, dass mit dem Internet der Dinge die Informationsasymmetrie (Informations-Ungleichgewicht) zwischen dem Verbraucher und dem Datensammler noch größer wird als bei der personalen Nutzung des Internets. Denn der Nutzer weiß nicht, welche Daten aus seiner Internetnutzung mit denen seines privaten Lebensraums aggregiert (angehäuft) und für ein Profiling (die Erstellung eines Persönlichkeitsprofils) und Scoring (Datenauswertung, Einschätzung) korreliert (wechselseitig in Beziehung gestellt) und ausgewertet werden.
Über eine intelligente Auswertung riesiger Daten ("Big Data") und die Kombination von Daten aus verschiedenen Quellen können weitreichende Schlussfolgerungen gezogen werden (Trends, Muster, Gesetzmäßigkeiten etc.). Auf diese Weise lassen sich auch Zukunftsprognosen erstellen. Da aber der zugehörige Algorithmus (schematische Rechenvorgang) und die zugrundeliegenden Daten für den Betroffenen intransparent sind, handelt es sich um "Black-Box-Prognosen" (Prognosen aus einem nicht einsehbaren System).
Quellen / Literatur
Beuth, Patrick (2014): Nest wird Google nun doch Nutzerdaten geben. In: Zeit Online. 24.06.2014. Online: Externer Link: http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2014-06/nest-gibt-doch-daten-an-google.
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie(BMWi) (2014) (Hrsg.): Entwicklung digitaler Technologien. Die Zukunft der Wirtschaft ist digital. Online: Externer Link: http://www.bmwi.de/DE/Mediathek/publikationen,did=593208.html.
Foucault, Michel (1997): Der Gebrauch der Lüste. Sexualität und Wahrheit. 2. Aufl. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Fromme, Herbert (2016): Wer sich bewegt, zahlt weniger. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 70 v. 24./25. März 2016, S. 25. Online: Externer Link: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/versicherung-wer-sich-bewegt-zahlt-weniger-1.2920176.
Generali Deutschland (28.07.2015): Standpunkte. Vitality. Online: Externer Link: https://www.generali-deutschland.de/de/presse-und-medien/standpunkte/vitality-1150478/.
Grimm, Petra / Kimmel, Birgit (2015): Big Data und der Schutz der Privatsphäre - Medienethik im medienpädagogischen Kontext. In: Gapski, Harald (Hrsg.): Big Data und Medienbildung. Zwischen Kontrollverlust, Selbstverteidigung und Souveränität in der digitalen Welt. Düsseldorf, München, S. 111-129.
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Vgl. McLuhan 2004.
Vgl. Grimm /Krah i. Ersch./2016.
BMWi 2014: 9.
Vgl. Rothensee 2008.
Wiegerling 2011: 25.
Mattern/Flörkemeier 2010: 2.
Schoenberger 2002.
Siehe Externer Link: http://goodnightlamp.com/ (25.04.2016).
Vgl. hierzu anschaulich erklärt bei Handysektor: "Berechtigungen entschlüsselt" Externer Link: https://www.handysektor.de/apps-upps/appgesichert/berechtigungen.html (25.04.2016).
Die "Quanitified-Self-Bewegung" wurde von Gary Wolf und Kevin Kline in den USA mit der gleichnamigen Internetseite gegründet und hat bereits eine Vielzahl von Anhängern in Europa, Asien, Australien und auch Lateinamerika gefunden. Vgl. Externer Link: http://quantifiedself.com/ sowie die deutsche Internetseite Externer Link: http://was-ist-quantified-self.de/ (25.04.2016).
Selke 2014: 174.
Siehe https://www.liveathos.com/products (25.04.2016).
Metz 2016.
Siehe Externer Link: http://www.bmw.de/de/topics/faszination-bmw/connecteddrive/ubersicht.html (25.04.2016).
Siehe https://www.eightsleep.com/features/ (25.04.2016).
Siehe Externer Link: https://www.tado.com/de/thermostat-setup (25.04.2016).
Siehe Externer Link: https://nest.com.
Vgl. Beuth 2014.
Vgl. Grimm/Kimmel, Birgit 2015.
Siehe Externer Link: http://www.makerbot.com/ (25.04.2016).
Die Relevanz des Raumes für das traditionelle Konzept Privatheit ergibt sich, da sich Privatheit insofern räumlich definiert, als sie sich durch Grenzen und Grenzziehungen auszeichnet und durch Zugangskontrollen manifestiert. Vgl. Grimm/Krah (i. Ersch.).
Vgl. Rössler 2001.
Rössler 2003: 32.
Zwitter 2014.
Vgl. Zwitter 2014: 3.
Vgl. Generali Deutschland, 2015.
Ebd.
Fromme 2016: 25.
Fromme 2016.
Ebd.
Lahmann o. J.: 17.
Selke 2014: 187.
Grimm/Zöllner 2015.
Siehe Externer Link: https://nordost.aok.de/inhalt/aok-gesundheitskonto/ (25.04.2016).
Foucault 1997: 18.
Schmidt 2016: 81.
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-12-08T00:00:00 | 2016-11-01T00:00:00 | 2021-12-08T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/medienpolitik/236524/smarte-schoene-neue-welt-das-internet-der-dinge/ | Das "Internet der Dinge" verknüpft Alltagsgegenstände wie Lichtschalter, Kleidung oder Armbanduhren mit Internetdiensten. So werden diese Dinge zu Medien, zu Kommunikationsmitteln und mit ihrer Hilfe entsteht eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten, dig | [
"Internet der Dinge"
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Der "Timer 2005/2006" kommt! | Presse | bpb.de | Mit der neuen Ausgabe des "Timer" setzt die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb den Erfolgskurs der letzten Jahre fort. Er kann ab sofort online unter www.bpb.de/timer gegen eine geringe Bereitstellungspauschale bestellt werden.
"Wir möchten mit unserem Hausaufgabenkalender Jugendlichen eine tägliche Dosis politischer Bildung anbieten", so Thomas Krüger, Präsident der bpb. "Dass dies wunderbar angenommen wird, zeigen uns der große Zuspruch seit Einführung des 'Timer'" und die stetig wachsende Fan-Gemeinde. Im letzten Jahr konnte der 'Timer' bereits im August als ausverkauft gemeldet werden, so dass schnell eine zusätzliche Auflage produziert werden musste. Die Reaktion vieler Schülerinnen und Schüler beweist durchaus ein starkes Interesse an politischer Allgemeinbildung, was wir natürlich klasse finden."
"Der 'Timer' soll jungen Menschen dienen, ihren Horizont zu erweitern", sagt Iris Möckel, Chefredakteurin des 'Timer' bei der bpb. "Er enthält zu jedem Kalendertag Mitteilungen aus aller Welt, aus Politik und Zeitgeschichte, Gesellschaft und Kultur. Jede der 52 Wochen ist auf je einer Doppelseite im speziellen 'Timer'-Design gestaltet und farbig bebildert. Außerdem gibt es die Wochentage in 52 Sprachen von Albanisch und Arabisch bis Vietnamesisch und Walisisch. Dazu gehört ein Serviceteil mit Stundenplänen, Ferienkalender, Landkarten und Wissenswertem sowie vielen Tipps für das Überleben in Schule und Gesellschaft. Zahlreiche, sorgfältig recherchierte Links und Adressen, für diejenigen, die noch mehr wissen möchten, runden den informativen Kalender ab."
Auf Grund des großen Zuspruchs gibt es in diesem Jahr eine Sonderausgabe. Für Fans erscheint der "Timer" neben der gewohnten Ausführung mit Klebebindung auch in einer Sonderauflage mit Hardcover.
Der "Timer" wird gegen folgende Bereitstellungspauschalen angeboten:
Anzahl Preis/Exemplar Taschenbuch Preis/Exemplar fester Einband Porto 1-4 2,- 4,- 3,- 5-99 1,- 3,- 5,- ab 100 0,75 2,- 9,-
Bestellungen können online unter Externer Link: www.bpb.de/timer, per Fax unter +49 (0)1805 84 63 72 72 oder per Post (bpb-Timer, Postfach 810627, 30506 Hannover) aufgegeben werden.
Bildmaterial auf Anfrage.
Pressekontakt/bpb
Bundeszentrale für politische Bildung Swantje Schütz Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel.: +49 228 99515-284 Fax: +49 228 99515-293 E-Mail: E-Mail Link: schuetz@bpb.de | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2011-12-23T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/50730/der-timer-2005-2006-kommt/ | Die tägliche Dosis politische Bildung: Mitwissen, mitreden, mitmischen mit dem Info- und Hausaufgabenkalender der bpb. Auf 160 Seiten gibt es wieder Infos zu jedem Kalendertag aus Politik, Zeitgeschichte, Kultur und Gesellschaft, dazu im Serviceteil | [
"Unbekannt (5273)"
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Innere Einheit als Herausforderung der deutschen Wiedervereinigung | Deutschland Archiv | bpb.de | 1. Innere Einheit als Herausforderung für die Erwachsenenbildung nach der deutschen Wiedervereinigung
Der illuminierte Reichstag am Tag der Deutschen Einheit 2010. (© Bundesregierung, B 145 Bild-00226333, Foto: Steffen Kugler)
Eine wichtige Herausforderung für die Erwachsenenbildung/ Weiterbildung im Zuge der deutschen Wiedervereinigung war es, zur Schaffung einer "inneren Einheit" im vormals geteilten Deutschland beizutragen. Schließlich geht die Vereinigung Deutschlands über die institutionelle Integration weit über hinaus. Es ist unbestritten, dass eine Angleichung der ökonomischen Verhältnisse der Ost- und Westdeutschen für die "innere Einheit" eine große Bedeutung hat. Doch ist die innere Einheit zwischen den Deutschen nicht nur durch die ökonomische Angleichung zu erreichen. Die Tatsache, dass nach dem Niederreißen der Mauer zwischen den Gesellschaften der vormaligen deutschen Teilstaaten deutlich "ein geistiges und gesellschaftliches Miteinander" gewachsen ist und dies als bedeutsame Herausforderung angesehen wird, zeigt, dass die innere Einheit eines Staatengefüges sehr viele verschiedene Aspekte umfasst. Zur Bewältigung dieser Herausforderung kann die Erwachsenenbildung/Weiterbildung einen wichtigen Beitrag leisten.
Erwachsenenbildung hat in Phasen des gesellschaftlichen Umbruchs auf verschiedene Weise Relevanz, da sie mit ihrem eigenen Organisationskonzept zur Planung von Bildungsangeboten, also einem "Angebot-Nachfrage-Modus", flexibel auf aktuelle gesellschaftliche Aufgaben reagieren und einen Beitrag zur Bewältigung der daraus resultierenden Probleme leisten kann. Der Erwachsenenbildung kommt also in gesellschaftlichen Umbruchphasen, wie der deutschen Wiedervereinigung, eine Transformationsfunktion zu. In diesem Sinne könnte Erwachsenenbildung auch als Instrument für die erfolgreiche Gestaltung einer neuen Gesellschaft verstanden werden. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich zu untersuchen, welchen Beitrag zur "inneren Einheit" Deutschlands die Erwachsenenbildung/Weiterbildung im Prozess der deutschen Wiedervereinigung tatsächlich geleistet hat. Um herauszufinden, wie die Frage der "inneren Einheit" von den Akteuren wahrgenommen und in die Praxis umgesetzt wurde, wurden Tagungsdiskussionen analysiert, auf der verschiedene Experten aus Ost- und Westdeutschland über Erwachsenenbildung/Weiterbildung debattierten. 2. Tagungsdiskussionen als Quellenmaterial
Untersuchungsgegenstand sind zehn Tagungsdiskussionen, die im Rahmen der Konzertierten Aktion Weiterbildung (KAW) durchgeführt wurden. Die KAW war ein unabhängiges Sachverständigengremium für den Bereich der Weiterbildung, das als Forum für alle im Bereich der allgemeinen, politischen, beruflichen und der wissenschaftlichen Weiterbildung Verantwortlichen fungiert. Eingerichtet wurde die KAW, nachdem eine Reihe von Faktoren wie der Strukturwandel und die technische Entwicklung in den letzten Jahren die Bildungsarbeit vor neue Herausforderungen stellte. Die KAW lieferte einen Input über relevante Themen zur Weiterbildung, wobei aktuelle bildungspolitische Themen im Vordergrund stehen. Das KAW-Kolloquium war ein organisiertes Forum für die Bildungsexperten. Da diese aus verschiedenen Bereichen kommen und auf der Grundlage wissenschaftlicher Theorien und Erfahrungen zu aktuellen Themen umfassende Diskussionen führten – und dadurch Anregungen für die Partizipation am gesellschaftlichen Entwicklungsprozess gaben – dürften die Tagungsdiskussionen auf die Praxis der Weiterbildung wesentlichen Einfluss ausgeübt haben. Schließlich dienten die Tagungen der KAW als bundesweites Konsultations- und Koordinationsveranstaltungen für die im Bereich der allgemeinen, politischen, beruflichen und wissenschaftlichen Weiterbildung tätigen Träger und Organisationen und hatten einen offenen und kontinuierlichen Informations-, Erfahrungs- und Meinungsaustausch zu wichtigen weiterbildungsbezogenen Themen zu pflegen und in bildungspolitischen Fragen zu beraten und Empfehlungen zu erarbeiten. Die Konzertierte Aktion Weiterbildung konnte deshalb als der erste – gelungene – Versuch in der Geschichte der deutschen Erwachsenenbildung gelten, alle Träger, die in diesem Bereich tätig sind, zu kontinuierlichen partnerschaftlichen Beratungen und Abstimmungen über gemeinsame Anliegen und Probleme zusammenzubringen. Von den Kolloquien war zu erwarten, dass sie sich auch mit der Frage der "inneren Einheit" beschäftigten. Doch wie haben die Bildungsexperten aus unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen diese gesellschaftliche Herausforderung wahrgenommen? Und gaben die Diskussionen Impulse für die Herstellung einer "inneren Einheit" Deutschlands durch die Bildungsarbeit? Schließlich dürfte eine Evaluation der tatsächlich durchgeführten Weiterbildung in den neuen Bundesländern erkennen lassen, wie die Ergebnisse der KAW-Diskussionen in die Praxis umgesetzt worden sind. Den Untersuchungszeitraum bilden die Jahre 1990–1996. Die wichtigsten Beiträge hatte die Weiterbildung in der Anfangsphase des deutschen Vereinigungsprozesses zu leisten, und dementsprechend ist diese Thematik in jenen Jahren am intensivsten behandelt worden. In methodischer Hinsicht wird ist die vorliegende Untersuchung hauptsächlich als qualitative Inhaltsanalyse angelegt. Nach der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Begriff "innere Einheit", der die Grundlage für die Analyse der Tagungsdiskussionen bildete, wurden die Untersuchungskriterien induktiv aus dem Material gewonnen und die Kernaussagen der Debatten durch die Analysekriterien kategorisiert. Danach wurden die Kernaussagen durch die Analysekriterien systematisch analysiert und weiteres Material für die Interpretation herangezogen. 3. Der Begriff "innere Einheit"
Für die Analyse der Tagungsdiskussion war es zunächst notwendig, sich mit dem Begriff "innere Einheit" zu beschäftigen, um zu erkunden, welcher theoretischer Hintergrund dem Begriff zugrundeliegt. Der Begriff "innere Einheit" wird genutzt, um den Stand des Verhältnisses zwischen Ost- und Westdeutschen im vereinigten Deutschland zu charakterisieren. Er bezieht sich auf die beabsichtigte Annäherung zwischen den ost- und westdeutschen Lebensverhältnissen bzw. deren Reflexion, wobei "innere Einheit" kein eingeführtes Konzept aus einem klaren sozialwissenschaftlichen Theoriezusammenhang ist, sondern etwas Offenes und Dynamisches darstellt. Vielmehr könnte "innere Einheit" auch als "harmonische Integration" bezeichnet werden. Mit dem Begriff "innere Einheit" werden also grundsätzlich über die strukturbezogene Dimension hinaus die soziokulturellen Aspekte des deutschen Einigungsprozesses betrachtet. Allerdings wird der Begriff dem Aspekt des tatsächlichen Verhältnisses zwischen Ost- und Westdeutschen kaum gerecht. Die Rede von der "Mauer in den Köpfen" drückt das negative Verhältnis zwischen beiden Seiten bzw. von Angehörigen der verschiedenen politischen Systeme des zuvor geteilten Deutschlands im vereinigten Deutschland aus und weist auf gegenseitiges Misstrauen und innere Konflikte hin. Vielfach besteht schließlich aufgrund der schlechten oder als schlecht empfundenen wirtschaftlichen Lage eine negative Einstellung gegenüber der jeweils anderen Seite. Dieses (Spannungs-)Verhältnis kann sich negativ auf die Überwindung der aus der deutschen Einheit resultierten Probleme auswirken. Um dieses schwierige Verhältnis zu bewältigen, muss eine gesellschaftliche Atmosphäre geschaffen werden, in der beide Seiten einander verstehen und akzeptieren lernen und eine gemeinsame Wahrnehmung der gesellschaftlichen Lage entwickeln. Diesen Aspekt berücksichtigt jedoch die Auseinandersetzung mit der Begrifflichkeit "innere Einheit" nur ungenügend. Vielmehr intendiert er häufig, dass ausschließlich die Ostdeutschen Schwierigkeiten hätten, sich in der oft als übergestülpt empfundenen Gesellschaftsstruktur des Westens zurechtzufinden, während es tatsächlich darum geht, wie die Menschen aus beiden Teilen Deutschlands miteinander harmonieren. Die "innere Einheit" kann also nicht allein durch die Ostdeutschen hergestellt werden. Auch die Westdeutschen haben einen Beitrag zu leisten – ungeachtet dessen, dass die deutsche Einheit als Beitritt der DDR zur BRD vollzogen wurde. In diesem Sinne bedarf der Begriff "innere Einheit" in Teilen der Ergänzung. Er wird hier als ein Prozess definiert, in dem die Ost- und Westdeutschen die Vorurteile gegenüber dem jeweils Anderen korrigieren und versuchen, gemeinsam einen Weg für ein harmonisches Miteinander zu finden. "Innere Einheit" stellt also einerseits das Ziel dar und wird andererseits als ein langer Prozess ausgelegt. Dieser Prozess könnte zur Schaffung eines Konsens' über die aktuelle gesellschaftliche Lage und zu einem harmonischen Leben der Ost- und Westdeutschen beitragen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Erwachsenenbildung/Weiterbildung bei der Begleitung der deutschen Vereinigung nicht nur an die Ostdeutschen, sondern auch an die Westdeutschen zu adressieren ist, auch wenn der Bildungsbedarf im Osten größer zu sein scheint als im Westen. Für die Analyse der Tagungsdiskussionen der Konzertierten Aktion Weiterbildung muss – ganz in Entsprechung zu dieser Vorüberlegung – der Begriff "innere Einheit" anhand verschiedener Kriterien beschrieben werden. Der Begriff selbst war hier hauptsächlich in den Diskussionen über Bildungsinhalte zu finden. Deshalb wird er im Folgenden vor allem auf Inhalte der Erwachsenenbildung/Weiterbildung in diesem Aufsatz verwendet und für die Aufgaben, die in diesem Bereich erfüllt werden sollen. Grundsätzlich stehen nicht nur die Ostdeutschen und die Westdeutschen vor der Aufgabe einer harmonischen Integration in die neue politische und gesellschaftliche Situation, sondern auch Migrantinnen und Migranten. Dieser Aspekt wird hier allerdings nicht aufgegriffen, zumal er in den 1990er-Jahren kaum thematisiert wurde. 4. Analyse der Diskussion
Das Thema "innere Einheit" sowie das der "gegenseitigen Annährung" wurde insgesamt auf sechs von zehn Tagungen behandelt und stand vor allem am Anfang der 1990er-Jahre auf der Agenda. Gerade auch auf den Tagungen zur politischen Weiterbildung war von "innerer Einheit" die Rede. Aus bildungsinhaltlicher Sicht wurden der "Dialog" und die "Begegnung" zwischen beiden Seiten für die politische Weiterbildung als bedeutsam angesehen. Die "gemeinsame Geschichtserfahrung" und der "unterschiedliche Umgang mit Geschichte" wurden als wichtige Faktoren für die Annäherung zwischen beiden Seiten betrachtet, eine offene Atmosphäre zwischen beiden Seiten als wichtige Voraussetzung für den Dialog. Diese Bildungsinhalte sind zwischen Ost und West unterschiedslos behandelt worden. Allerdings wurde die "innere Einheit" als Bildungsinhalt in den Tagungsdiskussionen nur nachrangig thematisiert. Die Begriffe "gegenseitige Annährung" und "innere Einheit" wurden weder theoretisch noch auf der Handlungsebene geklärt, und der relativ oft genannte Begriff "gegenseitige Annährung" wurde meist im Sinne von "innerer Einheit" verwendet – allerdings immer nur mit Blick auf die Ostdeutschen. Sowohl "gegenseitige Annährung" als auch "innere Einheit" wurden als Bildungsinhalte für die Westdeutschen nicht angesprochen. Die Bildungsexperten gingen davon aus, dass das jene, die die deutsch-deutschen Lebensgeschichten "zur Kenntnis nehmen" einen Beitrag zur Verständigung und zur gegenseitigen Akzeptanz leisten könnten. Indem die Deutschen aus den zuvor unterschiedlichen politischen Systemen, den unterschiedlichen Wirtschaftssystemen und den mental unterschiedlichen Kulturen ihre Erfahrungen miteinander austauschten, könnten sich Bedingungen ergeben, durch Biografiearbeit den Einheitsprozess zu befördern. Da das Verständnis gegenüber der jeweils anderen Seite, vor allem die gegenseitige Solidarität, in vielerlei Hinsicht als wichtige Voraussetzung für den Einigungsprozess gelten kann, müsste dieser Aspekt in der Bildungsarbeit inhaltlich behandelt werden. Dabei wurde die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit als wichtiger Ansatzpunkt betrachtet, da die Geschichte der jeweils anderen Seite ein Treffpunkt für den gemeinsamen Dialog sein könne. Die gegenseitige, unvoreingenommene Akzeptanz beider Seiten als Voraussetzung gilt als wichtige Dimension für die Weiterbildung, da sie eine Voraussetzung für den gemeinsamen Neuanfang ist. Allerdings wurden diese Aspekte auf den Tagungen in ebenso geringem Umfang behandelt, wie der Begriff "innere Einheit" in den Diskussionen nicht geklärt wurde. Da jedoch gerade der politischen Weiterbildung ein wichtiger Beitrag zur gegenseitigen Annäherung zugeschrieben wird, hätte dieses Thema aus verschiedenen Aspekten erörtert werden müssen. Als Bildungsinhalt war die Diskussion zur "inneren Einheit" marginalisiert. Auch die Annäherung zwischen beiden deutschen Seiten wurde als Bildungsinhalt nur wenig thematisiert, obwohl es reichhaltige Programmangebote zur Geschichte beider deutschen Staaten gab. Diese Programme wurden positiv eingeschätzt. Ob es dabei auch gelungen ist, sich gegenseitig das Leben im anderen Teil Deutschlands nahe zu bringen, ist allerdings schwer einzuschätzen. Dies umso mehr, als die Angebote Breitenwirksamkeit kaum entfalten können, sondern sich in kleinen Diskussionskreisen von Interessierten erschöpften, von denen jedoch immerhin positiv berichtet wird. Da wegen der soziokulturellen Unterschiede dem gegenseitigen Dialog große Bedeutung zukommt, verwundert es, dass er als Bildungsinhalt bei den Tagungen kaum eine Rolle spielte. Die deutsche Teilungsgeschichte konnte in der Weiterbildungspraxis kaum thematisiert werden, da die "gegenseitige Annährung" als Bildungsinhalt nur marginal aufgegriffen wurde. Ein angemessener wechselseitiger Umgang zwischen den Deutschen in Ost und West wurde deshalb in der Weiterbildung kaum erreicht, als Bildungsinhalt fand das Thema "innere Einheit" als Bildungsinhalt wenig Resonanz. 5. Die Rolle der Erwachsenenbildung im Einigungsprozess
In den Tagungsdiskussionen wurde die Rolle der Weiterbildung für die "innere Einheit" zwischen beiden deutschen Seiten nicht ausdrücklich betont. Gleichwohl waren die Träger der Erwachsenenbildung/Weiterbildung sich der Herausforderungen bewusst, sich der "inneren Einheit" im wiedervereinigten Deutschland zu widmen. Allerdings genoss aufgrund der Massenarbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern der Wiedereinstieg auf dem Arbeitsmarkt absolute Priorität. Angesichts dessen ist es verständlich, dass sowohl auf den Tagungen als auch in der Weiterbildungspraxis die berufliche Qualifizierung im Mittelpunkt stand, wenngleich Weiterbildung kein Eintrittsbillet auf den Arbeitsmarkt war, wie sich nach und nach herausstellte. Auf jeden Fall wurden Qualifizierungsmaßnahmen intensiv diskutiert, verlangte der gesellschaftliche Umbruch doch neue, umfassende und zusätzliche berufliche Kompetenzen. Allerdings wurde die Dominanz des beruflichen bildungsbezogenen Aspekts in den Diskussionen der KAW-Kolloquien stets kritisiert. Der Beitrag von Erwachsenenbildung/Weiterbildung liegt ausschließlich darin, die Menschen demokratiefähig zu machen, indem ihre sozialen und personalen Kompetenzen erweitert werden. Zugleich geht es darum, ihre Klienten arbeitsmarktfähig zu machen bzw. zu halten, indem sie ihre beruflich-fachliche Qualifikation verbessert wird. Die Teilhabe an der Gesellschaft und die Partizipation am Arbeitsmarkt sind für alle Menschen die Grundbedingungen für eine Harmonisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Erwachsenenbildung/Weiterbildung kann dazu einen Beitrag leisten, aber unmittelbaren Einfluss auf politische und ökonomische Rahmensetzungen, unter denen sich die "innere Einheit" zwischen beiden deutschen Seiten vollziehen kann, hat Erwachsenenbildung/Weiterbildung nicht. Mit ihren Bildungs- und Qualifizierungsangeboten schafft sie allerdings eine wichtige Grundlage dafür, dass Menschen sich damit auseinandersetzen und daran partizipieren. 6. Nachbemerkung
Im Sommer 2005 erklärte Manfred Stolpe, dass beim Aufbau Ost "Halbzeit" sei. Das klang, als könnten die Ostdeutschen in den nächsten 15 Jahren erreichen, wovon sie 1990 träumten: eine starke, transferunabhängige Wirtschaft, gleiche Lebensverhältnisse und "innere Einheit". Fachleute sind skeptischer. Statt einer stabilen "inneren Einheit" rechnen sie einer starken Differenzierung innerhalb Ostdeutschlands in wenige städtische Zentren und unterentwickelte ländliche Regionen, mit anhaltender Abwanderung und rascher Überalterung, mit verfestigten Unterschieden beim Einkommen und Vermögen, mit anhaltendem Transferbedarf und einer Tradierung ostdeutscher Besonderheiten. Der Verteilungskonflikt um die Transfergelder wird – entgegen aller Solidaritätsbeschwörungen – zuspitzen, der Ost-West-Gegensatz noch Jahrzehnte andauern. Alter und Arbeitslosigkeit haben in den ostdeutschen Ländern ein anderes Gesicht, sie treffen auf eine Gesellschaft, in der soziale Bindungen nahezu vollständig in die Strukturen der Arbeitswelt eingelassen waren. Einige Publizisten sagen eine fortdauernde Kultur der Ungleichheit und der Unterschiede voraus, auf die im Osten wie im Westen kaum jemand vorbereitet sei. Eine Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung zur "inneren Einheit" gelangte vor fünf Jahren zu der Einschätzung, dass in einigen Bereichen der politischen Kultur kaum noch Unterschiede zwischen Ost und West auszumachen seien, in anderen Bereichen große Differenzen bestündenehen und in einigen Bereichen die Diskrepanzen zunähmen. Hatten 1990 die Ostdeutschen in großer Mehrheit die Idee der Demokratie bejaht, so änderte sich das in den vergangenen 15 Jahren gravierend. Für den Rückgang der Demokratiezufriedenheit sind drei Faktoren zu nennen: das Ausbleiben eines selbsttragenden wirtschaftlichen Aufschwungs in den neuen Bundesländern, der trotz enormer finanzieller Transfers von West nach Ost nicht zustande kam. Zur Unzufriedenheit mit der Demokratie trägt auch bei, dass viele Ostdeutsche das Gefühl haben, bei der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums ungerecht behandelt worden zu sein bzw. behandelt zu werden und am allgemeinen Wohlstand nicht partizipieren zu können. Und schließlich resultiert die geringere Akzeptanz des demokratischen Systems in Ostdeutschland auch aus dem Empfinden vieler, im vereinigten Deutschland nicht gleichberechtigt zu sein und als "Bürger zweiter Klasse" behandelt zu werden. Darüber hinaus erschwert die – unerwartet ausgeprägte – emotionale Bindung vieler an die DDR die Befürwortung der Demokratie. Nicht Mangel an Verständnis für die Prinzipien von Marktwirtschaft und Demokratie ist der Grund für die verbreitete Skepsis der Ostdeutschen beidem gegenüber, sondern die Unzufriedenheit mit den erfahrbaren und häufig unmittelbar erfahrenen Auswirkungen dieser Prinzipien. Deshalb ist es falsch, die diagnostizierte rückläufige Demokratieakzeptanz als Bildungsproblem zu betrachten und zu schlussfolgern, dass die Menschen noch besser über die Grundlagen der westlichen Ordnung aufgeklärt werden müssten. Die "innere Einheit" ist kein bildungspolitisches Problem mehr, weil die Ostdeutschen in den vergangenen Jahrzehnten genug Belehrung erhalten haben; die "innere Einheit" ist ein politisches Problem.
Der illuminierte Reichstag am Tag der Deutschen Einheit 2010. (© Bundesregierung, B 145 Bild-00226333, Foto: Steffen Kugler)
Dieter Walz/Wolfram Brunner, Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Oder: Warum sich die Ostdeutschen als Bürger 2. Klasse fühlen, in: APuZ, 51/1997, S. 13–19, hier 13.
Wiltrud Gieseke/Karin Opelt, Erwachsenenbildung in politischen Umbrüchen. Programmforschung Volkshochschule Dresden 1945–1997, Opladen 2003, S. 283. Das Folgende ebd., S. 291.
Byung-Jun Yi, Erwachsenenbildung im Systembruch. Eine exemplarische und kritische Untersuchung zu den erwachsenenpädagogischen Programmen der gesellschaftlichen Interessengruppen in den amerikanischen und britischen Besatzungszonen/Bundesrepublik Deutschland (1945–1953) und den Neuen Bundesländern (1989/1990–1994), Diss. Münster 1997, S. 2.
Erwachsenenbildung/Weiterbildung umfasst hier den gesamten Bereich sowohl der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung als auch der politischen Weiterbildung, einschl. der politischen Erwachsenenbildung. Sie alle hatten im Zuge der deutschen Einheit nicht nur zur Anpassung im Berufs- und Alltagsleben wie auch zur Anpassung in das politisch-gesellschaftlich grundlegend veränderte Gesellschaftssystem beizutragen. Vielmehr gilt die politische Weiterbildung als wichtiges Mittel, um die Gesellschaftsmitglieder über wenig vertraute, veränderte oder zu verändernde Zusammenhänge zu informieren und Akzeptanz herzustellen: vgl. Peter Massing, Theoretische und normative Grundlagen politischer Bildung, in: Politische Erwachsenenbildung. Ein Handbuch zu Grundlagen und Praxisfeldern, Hg. Bundeszentrale f. politische Bildung, Bonn 1999, S. 21–60, hier 29.
Axel Vulpius, Die Konzertierte Aktion Weiterbildung. Ein neues Clearinginstrument für die Bildungsplanung in der Weiterbildung, in: Perspektiven der wissenschaftlichen Weiterbildung für die neunziger Jahre – gesellschaftliche Herausforderungen und bildungspolitische Rahmenüberlegungen, Hg. Arbeitskreis Universitäre Erwachsenenbildung, Hannover 1990, S. 36–43, hier 36.
Günther Dohmen, "Konzertierte Aktion Weiterbildung", in: Rolf Arnold u.a. (Hg.), Wörterbuch Erwachsenenpädagogikm Bad Heilbrunn 2001, S. 178.
Wilfried Bos u.a. (Hg.), Angewandte Inhaltsanalyse in empirischer Pädagogik und Psychologie, Münster u.a. 1989, S. 11.
In der Dissertation d. Vf., Implementierung der Erwachsenenbildung nach der Vereinigung Deutschlands. Analyse von Tagungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu Beginn der 1990er Jahre unter dem Gesichtspunkt der harmonischen Integration zwischen beiden deutschen Staaten, Diss. HU Berlin 2008, wird anstelle "innere Einheit" der Begriff "harmonische Integration" zwischen beiden deutschen Staaten als grundlegender Begriff für die Tagungsdiskussionsanalyse verwendet. Hier wird jedoch innere Einheit als grundlegende Definition angenommen, da innere Einheit in meiner Arbeit den Begriff harmonische Integration vollkommen entspricht und es vor allem ungünstig ist, in diesem Aufsatz mit dem begrenzten Seiteumfang intensiv den Begriff harmonische Integration zu behandeln.
Max Kaase, "Innere Einheit", in: Werner Weidenfeld/Karl-Rudolf Korte (Hg.), Handbuch zur deutschen Einheit 1949–1989–1999. Neuausgabe 1999, Frankfurt a. M./New York 1999, S. 454–466, hier 454f.
Vgl. Gu Sup Kang, Implementierung der Erwachsenenbildung nach der Vereinigung Deutschlands. Analyse von Tagungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu Beginn der 1990er Jahre unter dem Gesichtspunkt der harmonischen Integration zwischen beiden deutschen Staaten, Diss. HU Berlin 2008, S. 70ff.
Dieter Wiedemann, Auf der Suche nach den Posaunen von Jericho, in: DIE 1 (1994) 2, S. 18–21, hier 18.
Albrecht Göschel, Kontrast und Parallele: kulturelle und politische Identitätsbildung ostdeutscher Generationen, Stuttgart u.a. 1999, S. 315.
Vgl. Helmut Schmidt, Auf dem Weg zur deutschen Einheit. Bilanz und Ausblick, Hamburg 2005, S. 23ff.
Wolfgang Sander, Die deutsche Vereinigung als Problem der Erwachsenenbildung zwischen zwei Kulturen, in: Hessische Blätter f. Volksbildung 43 (1993) 3, S. 205–212, hier 207.
Werner Dießner, Die Zumutung des Unbekannten. Herausforderungen für die politische Bildungsarbeit bei der Orientierung und Identitätsbildung in den neuen Bundesländern, in: Rainer Zech (Hg.), Pädagogische Antworten auf gesellschaftliche Modernisierungsanforderungen, Bad Heilbrunn 1997, S. 140–164, hier 154.
Astrid Messerschmidt, Im neuen alten Land. Zum DEAE-Projekt "Erfahrungsbezogene Bildungsarbeit im Kontext der gesellschaftlichen Umbrüche in Deutschland", in: Hessische Blätter f. Volksbildung 43 (1993) 3, S. 263–267, hier 267; Detlef Pollack, Das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung, in: APuZ, 13/1997, S. 3–14, hier 11; Angelika Puhlmann, Arbeitslosigkeit und berufliche Neuorientierungen von Frauen in Ostdeutschland, Bielefeld 1998, S. 103; Hans-Jürgen Misselwitz, Annäherung durch Wandel. Für eine neue Sicht auf die "innere Einheit" und die Rolle der politischen Bildung, in: APuZ, 7–8/1999, S. 24–30, hier 29.
Wolfgang Sander, Die deutsche Vereinigung als Problem der Erwachsenenbildung zwischen zwei Kulturen, in: Hessische Blätter f. Volksbildung 43 (1993) 3, S. 205–212, hier 209.
Sylvia Kade, Ost-West-Dialoge. Erinnerungen als Gegenwartsinterpretation, in: DIE 4 (1997) 3, S. 29–31, hier 30; Ost-West-Begegnungen und Wanderausstellung aus Anlass 10 Jahre Öffnung der innerdeutschen Grenze, Hg. Bundeszentrale f. politische Bildung, Berlin 1999, S. 24; Senioren im gesellschaftspolitischen Wandel, Hg. Dies., Bonn 1999, S. 75ff.
Wolf-Dieter Legall, Erlebte Vergangenheit wird Geschichte – Wiedervereinigung als Glücksfall, in: Ulrich Eith/Beate Rosenzweig (Hg.), Die deutsche Einheit. Dimensionen des Transformationsprozesses und Erfahrungen in der politischen Bildung, Schwalbach/Ts. 2003, S. 118–129, hier 125; Heidi Behrens-Cobet/Anka Schaefer, Geteilte Erfahrungen. Ein deutsch-deutsches Dialogprojekt zur Geschichte nach 1945, Münster 1994, S. 7ff.
Horst Siebert, Ostdeutsche Erwachsenenbildung – aus westdeutscher Sicht oder: Von der Bildungspflicht zur Qualifizierungsnotwendigkeit, in: Karin Derichs-Kunstmann (Hg.), Perspektiven und Probleme der Erwachsenenbildung in den Neuen Bundesländern, Frankfurt a. M. 1994, S. 35–54, hier 50; Siegfried Schiele, Deutsche Einigung als Herausforderung für die politische Bildung in Westdeutschland, in: Ulrich Eith/Beate Rosenzweig (Hg.), Die deutsche Einheit. Dimensionen des Transformationsprozesses und Erfahrungen in der politischen Bildung, Schwalbach/Ts. 2003, S.130–136, hier 132.
Sylvia Kade, Ost-West-Dialoge. Erinnerungen als Gegenwartsinterpretation, in: DIE 4 (1997) 3, S. 29–31, hier 29ff; Astrid Messerschmidt, Im neuen alten Land. Zum DEAE-Projekt "Erfahrungsbezogene Bildungsarbeit im Kontext der gesellschaftlichen Umbrüche in Deutschland", in: Hessische Blätter f. Volksbildung 43 (1993) 3, S. 263–267, hier 264.
Hans Tietgens, Erwachsenendidaktische Überlegungen zur Wiederbegegnung, in: Gerhard Strunk u.a. (Hg.), Wiederbegegnung. Herausforderung an die politische Bildung, Frankfurt a. M. 1990, S. 71–84, u. Wolfgang Sander, Die deutsche Vereinigung als Problem der Erwachsenenbildung zwischen zwei Kulturen, in: Hessische Blätter f. Volksbildung 43 (1993) 3, S. 205–212, hier 206f, plädieren dafür, bei der politischen Bildungsarbeit auf diesem Feld interkulturelle Aspekte zu berücksichtigen, da es zwischen Ost- und Westdeutschen große kulturelle Unterschiede gebe; vgl. auch Albrecht Göschel, Kontrast und Parallele: kulturelle und politische Identitätsbildung ostdeutscher Generationen, Stuttgart u.a. 1999, S. 315.
Jens Bisky, Ost gegen West, in: Süddeutsche Zeitung, 25.8.2005.
Detlef Pollack, Wie ist es um die innere Einheit Deutschlands bestellt? Essay, in: APuZ, 30–31/2006, S. 3–7.
| Article | Gu Sup Kang | 2014-01-08T00:00:00 | 2012-01-11T00:00:00 | 2014-01-08T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/53315/innere-einheit-als-herausforderung-der-deutschen-wiedervereinigung/ | Welche Rolle hat die Erwachsenenbildung für die innere Einheit Deutschlands gespielt? Die Untersuchung zeigt, dass ihr Beitrag ausschließlich darin lag, die Menschen in Ostdeutschland demokratie- und arbeitsmarktfähig zu machen, indem ihre sozialen u | [
"Erinnerungskultur",
"DDR",
"Einigungsprozess",
"Wiedervereinigung",
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"Deutschland",
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Einführung | Jugendkulturen in Deutschland | bpb.de | Doch der kulturelle bzw. kommerzielle Befreiungsschlag der Jugend aus den moralischen Zwangsjacken nationalsozialistisch geprägter Eltern bedeutete nicht, dass "die Jugend" auch politisch vollkommen anders – progressiv – dachte. Im Gegen-teil: Studien jener Jahre weisen eher auf eine abgeschwächte Kontinuität hin, beschreiben "die Jugend" der Sechzigerjahre als mehrheitlich konservativ-konformistisch.
Es ist also zunächst nur eine qualifizierte Minderheit, Kinder der Bildungseliten, die sich politisch empört. Selbst von den Studentinnen und Studenten engagierten sich nur drei bis vier Prozent aktiv in der Protestbewegung, und auch langhaarige Blumenkinder waren in Deutschland rar gesät. Dennoch gelang es diesen wenigen, ihrer Zeit den Stempel aufzudrücken und schließlich sogar – wie keiner anderen Jugendbewegung zuvor – zur Initialzündung weit reichender Veränderungen in der Mehrheitsgesellschaft zu werden, deren Folgen zum Teil erst heute, mehr als 30 Jahre später, sichtbar werden.
Ermöglicht wurde diese erstaunliche Wirkungsgeschichte nur dadurch, dass die sanften Erschütterungen der Fünfzigerjahre durch Rock´n´Roll und Halbstarke, Jazzer und Exis, Teenager und die amerikanische Popkultur, dann schließlich der zweite rock- und popkulturelle Durchbruch der Beatles, Rolling Stones etc. immer mehr Menschen prägten oder zumindest sensibilisierten. Die Mehrheitsgesellschaft war kein monolithischer Block mehr, die jungen Wilden bildeten lediglich die Vorhut einer breiten Stimmungslage, die einen spürbaren Umbau der Gesellschaft wünschte. "Die neue Jugendbewegung ist Indikator, auch Verstärker einer faktischen Verbindlichkeitsschwäche unseres politischen Systems. Sie hat diese Verbindlichkeitsschwäche nicht verursacht, sondern ist durch sie verursacht worden", erkannten selbst konservative Professoren wie Hermann Lübbe, Jahrgang 1926 (Lübbe 1975, S. 53). "In diesem Sinne war unsere "Kulturrevolution" weitgehend Konformität", lautete gar das provokative Fazit des Soziologieprofessors Erwin Scheuch, Jahrgang 1928, über die Rebellion der Bürgerkinder in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre. "Bitte erinnern Sie sich an das Wehklagen über den Zustand der Jugend vor zehn Jahren! Da konnte man nicht vom Protest der Jugend reden, wohl aber vom Protest der Erwachsenen gegen das Fehlen dieses Protestes. Der Protest gegen Werte der Erwachsenengesellschaft ist unseren Bildungsidealen entsprechend eine Norm, eine positive Erwartung – wobei dann die Inhalte durchaus befremden, ja Feindschaft zur Folge haben können. Aber zunächst ist Jugendrevolte für junge Menschen aus "gebildeten" Elternhäusern ein konformes Verhalten." (Scheuch 1975, S. 73f.)
Noch 1965 kommt eine Studie zu dem Schluss, es sei "gegenwärtig in Deutschland kaum vorstellbar, dass etwa Studenten gegen ihre Professoren streiken oder auf andere Weise in größerem Ausmaß ihre Interessen geltend machen. Denn Voraussetzung für wirksame öffentliche Aktionen der Studenten wäre ein, wenigstens in einer größeren Minderheit vorhandenes, politisches Bewusstsein..." (Adam 1965, S. 70) Vier Jahre später hatte sich die Situation radikal gewandelt: "Die Protestbewegung hat das politische Bewusstsein der Studierenden entscheidend verändert. Die Umfragedaten, die vorliegen, lassen den Schluss zu, dass die Studenten in einem unerwartet hohen Ausmaß politisiert worden sind, ohne dass bisher eine Polarisierung in zwei Lager eingetreten wäre. Die empirischen Anhaltspunkte sprechen für die Richtigkeit der Behauptung, dass heute zum ersten Mal seit den Tagen des Vormärz wieder eine "linke" Studentengeneration an deutschen Universitäten vorherrscht." (Habermas 1969, S. 28)
Der Anlass für zahlreiche studentische Proteste war natürlich hausgemacht, nämlich die miserablen Zustände an deutschen Universitäten: sinnlos-autoritäre Strukturen und Umgangsformen, die die Studierenden entmündigten, aber auch überkommene Lehrinhalte und -methoden, die den Anforderungen der modernen Gesellschaft nicht mehr genügten, unzulängliche räumliche und andere Arbeitsbedingungen, die dem Ansturm von jährlich bis zu 20000 neuen Studenten nicht gewachsen waren. "Unser mittelalterliches Hochschulsystem praktiziert eine empörende Verletzung menschlicher Würde. Erwachsene Menschen werden wie unmündige Kinder behandelt und unwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen unter fast unumschränkter Herrschaft selbstherrlicher Lehrpersonen ausgeliefert. Wer diesen Zustand, der immerhin der qualifiziertesten Gruppe unserer Gesellschaft zugemutet wird, nicht durch radikale Demokratisierung und Beschneidung professoraler Herrschaftsprivilegien, durch radikale Verbesserung der studentischen Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verändern bereit ist, der darf sich nicht wundern, wenn dieser qualifizierte, verelendete, zutiefst durch die Gesellschaft frustrierte und diese Gesellschaft durchschauende Teil des Proletariats mit verzweifelnden, revolutionären oder pseudorevolutionären, anarchistischen Aktionen zurückschlägt", prophezeite Mitte der Sechzigerjahre der Professor für Strafrecht Werner Maihofer, der einige Jahre später Innenminister der sozialliberalen Koalition werden würde (hier zitiert nach Uesseler 1998, S. 98f.).
Quellen / Literatur
Adam, H.: Studentenschaft und Hochschule. Möglichkeiten und Grenzen studentischer Politik. Frankfurt am Main 1965. Hier zitiert nach Lindner 1996, S. 128.
Habermas, Jürgen: Protestbewegung und Hochschulreform. Frankfurt am Main 1969.
Lübbe, Hermann: Legitimationsschwäche und Jugendbewegung, in: Jugend in der Gesell- schaft. Ein Symposion. München 1975, S. 42–53.
Scheuch, Erwin K.: Die Jugend gibt es nicht. Zur Differenziertheit der Jugend in heutigen Industriegesellschaften, in: Jugend - - in der Gesellschaft. Ein Symposion. München 1975, S. 54–78.
Uesseler, Rolf: Die 68er: "Macht kaputt, was Euch kaputt macht!" APO, Marx und freie Liebe. München 1998.
Adam, H.: Studentenschaft und Hochschule. Möglichkeiten und Grenzen studentischer Politik. Frankfurt am Main 1965. Hier zitiert nach Lindner 1996, S. 128.
Habermas, Jürgen: Protestbewegung und Hochschulreform. Frankfurt am Main 1969.
Lübbe, Hermann: Legitimationsschwäche und Jugendbewegung, in: Jugend in der Gesell- schaft. Ein Symposion. München 1975, S. 42–53.
Scheuch, Erwin K.: Die Jugend gibt es nicht. Zur Differenziertheit der Jugend in heutigen Industriegesellschaften, in: Jugend - - in der Gesellschaft. Ein Symposion. München 1975, S. 54–78.
Uesseler, Rolf: Die 68er: "Macht kaputt, was Euch kaputt macht!" APO, Marx und freie Liebe. München 1998.
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-11-26T00:00:00 | 2011-10-13T00:00:00 | 2021-11-26T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/zeit-kulturgeschichte/jugendkulturen-in-deutschland/36177/einfuehrung/ | "Die Jugend" der Sechzigerjahre hat sich in vielem weit von ihrer Elterngeneration entfernt. Rock´n´Roll und Beat, die neuen Idole der amerikanischen Filmindustrie und die anderen Segnungen der Wirtschaftswunderjahre haben bei ihr ebenso tiefe Spuren | [
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"Protestbewegung"
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Termin-Rückblick 2020 | Infodienst Radikalisierungsprävention | bpb.de | Zu den Termindetails der vergangenen Terminen gelangen Sie, indem Sie auf den Titel der Veranstaltung klicken.
Januar
Interner Link: Lehrerfortbildung: Extremismus in sozialen Medien23. Januar 2020, Regensburg Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit
Februar
Interner Link: Lehrerfortbildung: Extremismus in sozialen Medien11. Februar 2020, Bamberg Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Interner Link: Fachtag: Extremismusprävention zwischen YouTube und Jugendtreff13. Februar 2020, Berlin Institut für Medienpädagogik
März
Interner Link: Tagung: Präventionsarbeit in digitalen Lebenswelten9.-10. März 2020, Kassel Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Abendveranstaltung: Risikoeinschätzung und Umgang mit hochradikalisierten Personen 17. März, Berlin Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V.
April
Interner Link: Online-Seminar: digital streetwork – Radikalisierung im Kontext sozialer Medien6. April 2020, online Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus e. V. Interner Link: Theater: IS Deutsche Räuber im Dschihad23.-26. April, Köln ***abgesagt*** WEHR51 Interner Link: Fachtagung: Religion als Faktor der Radikalisierung30. April, Osnabrück ***abgesagt*** Universität Osnabrück
Mai
Interner Link: Online-Seminar: Antimuslimischer Rassismus11. Mai 2020, online Bildungsstätte Anne Frank Interner Link: Online-Talk: Verschwörungstheorien in Zeiten von Corona15. Mai 2020, online Bildungsstätte Anne Frank Interner Link: Online-Seminar: Türkischer Ultranationalismus in Deutschland20. Mai 2020, online Fach- und Informationsstelle Türkischer Ultranationalismus Interner Link: Online-Seminar: Antimuslimischer Rassismus27. Mai 2020, online Bildungsstätte Anne Frank
Juni
Interner Link: Online-Seminar: Salafismus und Radikalisierung2. Juni, online PROvention Interner Link: Online-Seminar: Can Convicted Terrorists Be Rehabilitated?3. Juni, online Counter Extremism Project und Radicalization Awareness Network Interner Link: Online-Vortrag: Die bunte Welt der Verschwörungstheorien und wie man ihr begegnen kann – ein Reiseführer10. Juni, online PROvention Interner Link: Seminar: Digitale Zivilcourage und Empowerment11.-12. Juni, online Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Online-Seminar: Verschwörungsideologien im Islamismus16. Juni, online PROvention Interner Link: Online-Vortrag: Verschwörungsideologien im Islamismus17. Juni, online PROvention Interner Link: Online-Seminar: The Repatriation of Foreign Terrorist Fighters and Their Families. Why Not?23. Juni, online International Centre for Counter-Terrorism (ICCT) Interner Link: Online-Seminar: Islamisierter Antisemitismus unter Jugendlichen23. Juni, online PROvention Interner Link: Online-Seminar: Alles gleich, alles gut? – Präventionsansätze für die Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen23. Juni, online ufuq.de Interner Link: Online-Vortrag: Islamisierter Antisemitismus unter Jugendlichen24. Juni, online PROvention Interner Link: Aktionswoche: Aktionen gegen Hass und antimuslimischen Rassismus24. Juni bis 1. Juli, online Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit Interner Link: Online-Seminar: After the Attack – Crisis Communication Strategy and the Role of the Media25. Juni, online International Centre for Counter-Terrorism (ICCT) Interner Link: Online-Seminar: Auftaktveranstaltung des Arbeitskreises "Online-Prävention im Phänomenbereich religiös begründeter Extremismus"26. Juni, online Online-Prävention im Phänomenbereich religiös begründeter Extremismus Interner Link: Online-Seminar: Aufwachsen in salafistisch geprägten Familien30. Juni, online PROvention
Juli
Interner Link: Online-Seminar: Türkischer Ultranationalismus7. Juli, online PROvention Interner Link: Online-Basisschulung: Radikalisierungsprävention für Jugendliche und junge Erwachsene – Kurskonzepte erfolgreich umsetzen7.-8. Juli, online Deutscher Volkshochschul-Verband e. V. Interner Link: Online-Vortrag: Verschwörungstheoretische Narrative im Phänomenbereich Türkischer Ultranationalismus8. Juli, online PROvention, Jugendschutz Kreis Pinneberg Interner Link: Fachtag: Religiös begründeter Extremismus und die digitale Welt – Herausforderungen und Möglichkeiten der Präventionsarbeit 'online'15. Juli 2020, Bremen/online Koordinierungsstelle Islamistischer Extremismus und Muslim*afeindlichkeit des Demokratizentrums Land Bremen Interner Link: Online-Aufbauschulung: Wer bin ICH, was bin ICH, wo gehöre ICH hin? − Ein 'Mehr' an Identitäten und Zugehörigkeiten15.-16. Juli, online Deutscher Volkshochschul-Verband e. V. Interner Link: Online-Seminar: Aufwachsen in salafistisch geprägten Familien23. Juli, online PROvention Interner Link: Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Radikalisierungsprozesse und Prävention23. Juli bis 4. August, online streetwork@online
August
Interner Link: Online-Seminar: Salafismus und Radikalisierung12. August 2020, online PROvention Interner Link: Online Summer Programme: Preventing, Detecting and Responding to Violent Extremism17.-19. August, online International Centre for Counter-Terrorism Interner Link: Online-Seminar: Verschwörungsideologien im Islamismus18. August 2020, online PROvention Interner Link: Online-Seminar: Türkischer Ultranationalismus20. August 2020, online PROvention Interner Link: Train-the-Trainer: Online-Beratung in Zeiten von Corona25. August - 8. September 2020, online Violence Prevention Network Interner Link: Online-Seminar: Aufwachsen in salafistisch geprägten Familien26. August 2020, online PROvention Interner Link: Argumentationstraining: Gegen Stammtischparolen26.-27. August 2020, Wolfsburg volkshochschule.de Interner Link: Train-the-Trainer-Fortbildung 2020: Islam, antimuslimischer Rassismus und universelle Islamismusprävention31. August bis 3. September, Berlin ufuq.de
September
Interner Link: Konzeptwerkstatt: Chancen und Grenzen von Biografieforschung und Typologisierungen2. September, online KN:IX Interner Link: Online-Seminar: Islamisierter Antisemitismus unter Jugendlichen2. September, online PROvention Interner Link: Online-Workshop: Islamische und migrantische Vereine in der Extremismusprävention3. September 2020, online PROvention Interner Link: Kommunikationstraining: Widersprechen, aber wie?7. September, online volkshochschule.de Interner Link: Fachtag: Religion verhandeln?! Aushandlungsprozesse im Kontext von Demokratie, Gesellschaft und Bildung9.-10. September, Berlin ufuq.de Interner Link: Seminar: Digitale Zivilcourage und Empowerment10.-11. September, online Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Train-the-Trainer-Seminar: Pädagogische Praxis im Umgang mit Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus11.-12. September, Augsburg ufuq.de Interner Link: Fachtagung: Islam und Salafismus in der Kinder- und Jugendhilfe17. September, Kiel PROvention Interner Link: Online-Veranstaltung: Kompetenznetzwerk Islam- und Muslimfeindlichkeit17. September, online Kompetenznetzwerk Islam- und Muslimfeindlichkeit Interner Link: Kommunikationstraining: Widersprechen, aber wie?23. September, online volkshochschule.de Interner Link: Online-Jubiläumskongress: 25. Deutscher Präventionstag28.-29. September , online Deutscher Präventionstag Interner Link: Argumentationstraining: Gegen Stammtischparolen30. September - 1. Oktober, Mannheim volkshochschule.de
Oktober
Interner Link: Fachaustausch: Sozialraumorientiertes Arbeiten in Berliner Kiezen1. Oktober, Berlin Kompetenznetzwerk Radikalisierungsprävention Interner Link: Fachaustausch: Schule und Schulsozialarbeit6. Oktober, Berlin Kompetenznetzwerk Radikalisierungsprävention Interner Link: Online-Talk: Radikale Höflichkeit – Entschlossen, sachlich und radikal höflich Stellung beziehen gegen Diskriminierung7. Oktober, online Yallah! Fach- und Präventionsstelle Islamismus und antimuslimischer Rassismus & Kleiner Fünf / Tadel verpflichtet! e. V. Interner Link: Basisschulung: Radikalisierungsprävention für Jugendliche und junge Erwachsene – Kurskonzepte erfolgreich umsetzen7-8. Oktober, online volkshochschule.de Interner Link: Online-Schulung: "zusammenleben.zusammenhalten"13. Oktober 2020, online volkshochschule.de Interner Link: Online-Schulung: "zusammenleben.zusammenhalten"15. Oktober 2020, online volkshochschule.de Interner Link: Seminar: Digitale Zivilcourage und Empowerment15.-16. Oktober, online Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Aufbauschulung: Wer hat 'das letzte Wort' im Netz? – Digitale Lebenswelten mitgestalten20.-21. Oktober, online volkshochschule.de Interner Link: Fachtag: Radikalisierung und extremistische Gewalt. Handlungsgrundlagen für Ärzt/-innen und Psychotherapeut/-innen*** ausgebucht *** 21. Oktober, Berlin Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Ulm Interner Link: Fachtag: Radikalisierungsfaktor soziale Ungleichheit?26.-27. Oktober, online BAG RelEx Interner Link: Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 1: Sozialraum Social Media27. Oktober, online streetwork@online Interner Link: Aufbauschulung: Aus der Rolle (ge-)fallen!? – Jugendliche für die geschlechtsspezifische Ansprache durch Extremist/-innen sensibilisieren27. Oktober, online volkshochschule.de
November
Interner Link: Online-Workshop: JEDI #6 "Laut sein! Aktiv für die Demokratie"3. November 2020, online Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt (BfDT), bpb Interner Link: Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 2: Phänomenbereich Islamismus3. November 2020, online streetwork@online Interner Link: Fachtag: Fachtag Islam im Kontext Schule6. November 2020, online Multikulturelles Forum e. V., Islamische Akademie NRW und Verband muslimischer Lehrkräfte Interner Link: Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 3: Online-Radikalisierungsprozesse10. November 2020, online streetwork@online Interner Link: Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 4: Online-Prävention17. November 2020, online streetwork@online Interner Link: Online-Fachgespräch: Ansätze in der Beratungsarbeit17. November 2020, online BAG RelEx, KN:IX Interner Link: Fachtagung: Verurteilung als Anstoß18. November 2020, online Kick-off/PROvention Interner Link: Online-Seminar: Reintegration of Individuals Formerly Associated with Islamist Violent Extremist Groups19. November 2020, online Bonn International Center of ConversionInterner Link: Online-Fachtagung: Von Gesundheitsdiktatur bis Gottes Zorn. Setzt Corona der Radikalisierung die Krone auf?25. November, online respect.lu & Yallah! Fach- und Präventionsstelle Islamismus und antimuslimischer Rassismus Interner Link: DVV-Fachaustausch: "EmPOWERment"25. November, online volkshochschule.de Interner Link: Multimediales Event: Extremismus als Herausforderung für Jugend, Pädagogik und Forschung – Reflexionen und Ausblicke25. November 2020, online Arbeits- und Forschungsstelle für Demokratieförderung und Extremismusprävention (AFS) Interner Link: Online-Fachtag: Peer-Education in der universellen Islamismusprävention26. November 2020, online ufuq.de, KN:IX Interner Link: Online-Fachtag: PrEval 202027. November 2020, online PrEval-Verbund Interner Link: Online-Workshop: Sozialisationsbedingungen und fehlende Vaterpräsenz als Radikalisierungsfaktoren?27.-28. November 2020, online Bundeszentrale für politische Bildung
Dezember
Interner Link: Online-Diskussion: Europäische Ansätze bei der Reintegration von Rückkehrenden aus Syrien und Irak10. Dezember 2020, online Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) & Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Interner Link: Online-Seminar: Onlineberatung zu religiös begründetem Extremismus – Chancen und Herausforderungen eines "neuen" Beratungsfeldes 10. Dezember 2020, online emel – Online-Beratung zu religiös begründetem Extremismus Interner Link: Online-Fachgespräch: Religiös begründeter Extremismus: Zielgruppenerreichung über/und digitale Medien in Zeiten von Corona14. Dezember 2020, online emel – Online-Beratung zu religiös begründetem Extremismus
Januar
23. Januar 2020, Regensburg
Lehrerfortbildung: Extremismus in sozialen Medien
In halbtägigen Workshops informiert die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Lehrkräfte über Kommunikationsstrategien extremistischer Akteure in sozialen Medien. Außerdem werden Befunde aus einem Forschungsprojekt präsentiert, das den Kontakt und die Wahrnehmung extremistischer Botschaften durch Jugendliche untersucht hat. Im Anschluss werden in einer gemeinsamen Diskussionsrunde mögliche Schlussfolgerungen für den Schulkontext diskutiert und Handlungsoptionen erarbeitet.
Termin: 23. Januar 2020, 14:00-18:00 Uhr Ort: RUL - Regensburger Universitätszentrum für Lehrerbildung, Universitätsstraße 31, 93053 Regensburg Kosten: kostenfrei
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit
Februar
11. Februar 2020, Bamberg
Lehrerfortbildung: Extremismus in sozialen Medien
In halbtägigen Workshops informiert die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Lehrkräfte über Kommunikationsstrategien extremistischer Akteure in sozialen Medien. Außerdem werden Befunde aus einem Forschungsprojekt präsentiert, das den Kontakt und die Wahrnehmung extremistischer Botschaften durch Jugendliche untersucht hat. Im Anschluss werden in einer gemeinsamen Diskussionsrunde mögliche Schlussfolgerungen für den Schulkontext diskutiert und Handlungsoptionen erarbeitet.
Termin: 23. Januar 2020, 13:30-17:00 Uhr Ort: Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Luitpoldstraße 19, 96052 Bamberg Kosten: kostenfrei
Weitere Informationen auf den Seiten der Externer Link: Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit
13. Februar 2020, Berlin
Fachtag: Extremismusprävention zwischen YouTube und Jugendtreff
Mit dem Fachtag bietet das JFF – Institut für Medienpädagogik pädagogischen Fachkräften Einblick in das Präventionsprojekt "RISE – Jugendkulturelle Antworten auf islamistischen Extremismus". Das von der Bundesbeauftragen für Kultur und Medien geförderte Projekt hat unter anderem sieben Filme zu Themen wie Zugehörigkeit, Religion, Liebe und Gemeinschaft hervorgebracht, die für Präventionsarbeit mit pädagogischem Material und Hintergrundinformationen auf einer Online-Plattform aufbereitet sind. Neben Beiträgen aus Forschung und Praxis gibt es die Möglichkeit auf Austausch mit Vertreter/-innen aus Politik, Wissenschaft, Präventions- und Jugendarbeit.
Termin: 13. Februar 2020, 9:00-17:30 Uhr Ort: silent green Kulturquartier, Gerichtstraße 35, 13347 Berlin Kosten: kostenfrei
Weitere Informationen auf den Seiten des Externer Link: JFF – Institut für Medienpädagogik
März
9.-10. März 2020, Kassel
Tagung: Präventionsarbeit in digitalen Lebenswelten
Welche Angebote digitaler Bildungs- und Präventionsarbeit gibt es? Wie können diese dabei helfen, neue Zielgruppen zu erreichen, Partizipation zu fördern und Pluralität abzubilden? Diesen und weiteren Fragen sollen die Teilnehmenden aus Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit sowie aus Wissenschaft und Verwaltung im Rahmen einer zweitägigen Veranstaltung nachgehen. Themen am ersten Tag sind unter anderem Strategien islamistischer Akteure im Netz sowie rechte Hetze. Am zweiten Tag besteht die Möglichkeit praxisnahe Projekte aus den Bereichen Digitale Bildung, Webvideo und Online-Streetwork kennenzulernen. Die Tagung wird von Bundeszentrale für politische Bildung organisiert.
Termin: 9.-10. März 2020 Ort: H4 Hotel, Baumbacher Str. 2, 34119 Kassel Kosten: kostenfrei
Weitere Informationen auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung
17. März 2020, Berlin
Abendveranstaltung: Risikoeinschätzung und Umgang mit hochradikalisierten Personen
Wie werden Risikoeinschätzungen erstellt und wie kann mit hochradikalisierten Personen und der von ihnen ausgehenden Gefahr umgegangen werden? Auf der Veranstaltung, die sich im Rahmen des "International Forum for Expert Exchange on Countering Islamist Extremism" (InFoEx) der tertiären Prävention widmet, werden Herausforderungen und bewährte Praktiken in Deutschland und dem europäischen Ausland diskutiert. Die Veranstaltung wird durchgeführt vom Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V. (DGAP).
Termin: 17. März 2020, 18:30-20:00 Uhr Ort: DGAP, Rauchstraße 17/18, 10787 Berlin Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf Externer Link: den Seiten des DGAP
April
6. April 2020, online
Online-Seminar: digital streetwork – Radikalisierung im Kontext sozialer Medien
Welche Bedeutung haben soziale Medien für extremistische Akteure und wie kann digitale Jugendarbeit diesen begegnen? Kultur- und Medienpädagoge Adrian Stuiber vom Berliner Präventionsprojekt streetwork@online wird in rund 90 Minuten Einblicke in das Thema Digital Streetwork geben. Dabei geht es vor allem um den Lebensraum "soziales Netzwerk" und wie Kinder und Jugendliche über die dortigen Radikalisierungsprozesse aufgeklärt werden können. Das Online-Seminar wird organisiert von der Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus e. V. (BAG RelEx).
Termin: 6. April 2020 Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich bis zum 2. April Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der BAG RelEx
23.-26. April 2020, Köln ***abgesagt***
Theater: IS Deutsche Räuber im Dschihad
Das frei nach Schiller inszenierte Stück widmet sich der Frage, was junge Menschen auf dem Weg in den Islamismus bewegt. Finden sie dort einen Gegenentwurf zum verweichlichten Elternhaus? Ist der Dschihad eine Jugendkultur, eine Rebellion gegen das Wertesystem der Gesellschaft oder dessen Fehlen?
WEHR51 ist 2019 aus dem Zusammenschluss der beiden Theater theater-51grad und wehrtheater hervorgegangen. Es setzt sich kreativ und kritisch mit politischen und zeitgenössischen Themen auseinander.
Termin: 23.-26. April 2020, 20:00 Uhr Ort: Freihandelszone, Krefelderstraße 71, 50670 Köln Kosten: 17 €, ermäßigt 10 € Reservierung: per E-Mail an E-Mail Link: info@wehr51.com
Weitere Informationen Externer Link: auf den Seiten von wehr51
30. April 2020, Osnabrück ***abgesagt***
Fachtagung: Religion als Faktor der Radikalisierung
Sind insbesondere junge Muslime aufgrund ihrer religiösen Orientierung empfänglich für radikale Botschaften? Können Radikalisierungsprozesse mit einer "richtigen" religiösen Unterweisung unterbunden werden? Auf der Tagung des Forschungsnetzwerkes "Radikalisierung und Prävention" werden die Ergebnisse des Forschungsprojektes "Religion als Faktor der Radikalisierung" und der daraus entstandene Sammelband vorgestellt. Die Veranstaltung findet im Rahmen des Bundesprogrammes "Demokratie leben!" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend statt.
Termin: 30. April 2020, 10:00-17:00 Uhr Ort: Schlossaula der Universität Osnabrück, Neuer Graben 29/Schloss, 49074 Osnabrück Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: kathrin.wagner@uni-osnabrueck.de
Weitere Informationen auf den Seiten der Universität Osnabrück
Mai
11. Mai 2020, online
Online-Seminar: Antimuslimischer Rassismus
Warum ist es wichtig, von antimuslimischem Rassismus zu sprechen? In diesem Online-Seminar sollen Mechanismen und Erscheinungsformen sowie die Auswirkungen auf die Lebensrealitäten von Betroffenen analysiert werden. Darüber hinaus besprechen die Teilnehmenden Möglichkeiten, antimuslimischem Rassismus entgegen zu treten. Die Bildungsstätte Anne Frank organisiert zwei Termine des Online-Seminar, das andere Online-Seminar findet am 27. Mai statt.
Termin: 11. Mai 2020, 16:00-18:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail unter Angabe des Online-Seminar-Titels an E-Mail Link: erwachsenenbildung@bs-anne-frank.de
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Bildungsstätte Anne Frank 15. Mai 2020, online
Online-Talk: Verschwörungstheorien in Zeiten von Corona
"Die Impfindustrie kassiert jetzt ab!" – "Die italienischen Kliniken wollen doch nur an die Finanzhilfen!" – "Cui bono?" In aufgewühlten Zeiten wie diesen haben Verschwörungstheorien wieder eine traurige Hochkonjunktur; ob sie sich nun um Italien, den IS oder die USA drehen.
Oliver Fassing und Tom Uhlig von der Bildungsstätte Anne Frank haben sich aktuelle Corona-Verschwörungstheorien angesehen und sprechen über Funktion und Argumentationsmuster dieser Theorien und ihre sozialpsychologische Funktion: Über Verschwörungstheorie erscheinen Erfahrungen eigener Ohnmacht und Entfremdung plötzlich erklär- und beherrschbar. Die beiden geben auch Tipps, was man tun kann, wenn im privaten Umfeld oder in sozialen Medien Verschwörungstheorien umgehen. Die Veranstaltung ist ein Beitrag im Rahmen der digitalen Aktionstage gegen Verschwörungsmythen und Antisemitismus, organisiert von der Amadeu Antonio Stiftung mit dem Anne Frank Zentrum in Berlin. Der Aktionstag ist gleichzeitig der Auftakt der diesjährigen Aktionswochen gegen Antisemitismus.
Termin: 15. Mai 2020, 16:00-17:00 Uhr Ort: Externer Link: YouTube-Kanal der Bildungsstätte Anne Frank Kosten: kostenfrei Anmeldung: nicht erforderlich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Bildungsstätte Anne Frank 20. Mai 2020, online
Online-Seminar: Türkischer Ultranationalismus in Deutschland
Das Online-Seminar der Fach- und Informationsstelle Türkischer Ultranationalismus (diyalog) soll einen ersten Einblick in die Thematik ermöglichen. Neben einem Input wird es die Möglichkeit zu einer Diskussion sowie zum interaktiven Arbeiten geben. Das Angebot richtet sich an Fachkräfte, ehrenamtlich tätige Menschen sowie die interessierte Öffentlichkeit.
Diyalog steht unter der Trägerschaft der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein – einer landesweit tätigen Migrant_innenselbstorganisation, die vom Landesdemokratiezentrum Schleswig-Holstein gefördert wird.
Termin: 20. Mai 2020, 10:00-12:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Schreiben Sie bei Interesse bitte bis zum 18.5. eine E-Mail an E-Mail Link: diyalog@tgsh.de unter Angabe Ihres Namens und fachlichen Hintergrundes. Ihre Angaben werden datenschutzrechtskonform behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Die Teilnehmendenzahl ist begrenzt. 27. Mai 2020, online
Online-Seminar: Antimuslimischer Rassismus
Warum ist es wichtig, von antimuslimischem Rassismus zu sprechen? In diesem Online-Seminar sollen Mechanismen und Erscheinungsformen sowie die Auswirkungen auf die Lebensrealitäten von Betroffenen analysiert werden. Darüber hinaus besprechen die Teilnehmenden Möglichkeiten, antimuslimischem Rassismus entgegen zu treten. Die Bildungsstätte Anne Frank organisiert zwei Termine des Online-Seminar, das andere Online-Seminar findet am 11. Mai statt.
Termin: 27. Mai 2020, 16:00-18:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail unter Angabe des Online-Seminar-Titels an E-Mail Link: erwachsenenbildung@bs-anne-frank.de
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Bildungsstätte Anne Frank Juni
2. Juni 2020, online
Online-Seminar: Salafismus und Radikalisierung
Anhand von Methoden und pädagogischen Ansätzen sowie konkreten Fallbeispielen werden die Abgrenzung zwischen der Religion des Islams und der politischen Ideologie des Islamismus sowie zentrale Merkmale gängiger salafistischer Propaganda vermittelt.
In der Zeit vom 2. Juni bis zum 7. Juli veranstaltet PROvention, die Präventions- und Beratungsstelle gegen religiös begründeten Extremismus der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein (TGS-H), eine Online-Seminar-Reihe zum Thema religiös begründeter Extremismus. Die einzelnen Termine haben je eine Dauer von fünf Stunden: 9:30-14:30 Uhr (inklusive einstündiger Pause 11:30-12:30). Hinweise zum Log-In zum Online-Seminar-Software erhalten Sie rechtzeitig vor Seminarbeginn.
Termin: 2. Juni 2020, 9:30-14:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Per E-Mail unter E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de bis spätestens zwei Stunden vor dem Vortrag mit Namen, Institution und dem Titel des gewünschten Vortrags. Informationen zur technischen Nutzung erhalten Sie rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn per E-Mail.
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PROvention. 3. Juni 2020, online
Online-Seminar: Can Convicted Terrorists Be Rehabilitated?
Welche Programme zur Deradikalisierung von Personen, die wegen terroristischer Straftaten veruteilt wurden, funktionieren? Wie können bewährte Verfahren übertragen werden? Das Online-Seminar befasst sich mit aktuellen Herausforderungen und Lehren aus unterschiedlichen Ansätzen in der EU und den USA.
Das Counter Extremism Project (CEP) richtet das Online-Seminar zusammen mit dem Radicalization Awareness Network (RAN) aus. Unter den vier eingeladenen Fachleuten befindet sich unter anderem Dr. Robert Pelzer, Senior Researcher an der TU Berlin. Das Online-Seminar findet in englischer Sprache statt.
Termin: 3. Juni 2020, 16:00-18:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: Online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten zur Online-Seminar-Registrierung. 10. Juni 2020, online
Online-Vortrag: Die bunte Welt der Verschwörungstheorien und wie man ihr begegnen kann – ein Reiseführer
Giulia Silberberger von der Initiative "Der goldene Aluhut" gibt in ihrem Vortrag einen Überblick über aktuelle Verschwörungsmythen. Außerdem berichtet sie von ihrer praktischen Arbeit und geht darauf ein, wie man mit Verschwörungstheoretiker/-innen im beruflichen und privaten Alltag umgehen kann.
PROvention bietet in Kooperation mit dem Jugendschutz Kreis Pinneberg eine sechsteilige Online-Vortragsreihe zum Thema Verschwörungstheorien und Extremismus an. Die Vorträge der Reihe finden vom 10. Juni bis 15. Juli 2020 wöchentlich immer mittwochs von 16:00 bis 17:30 Uhr statt. Neben den Vorträgen wird es auch Raum für Fragen und Diskussionen geben.
Termin: 10. Juni 2020, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Per E-Mail unter E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de bis spätestens zwei Stunden vor dem Vortrag mit Namen, Institution und dem Titel des gewünschten Vortrags. Informationen zur technischen Nutzung erhalten Sie rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn per E-Mail.
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PROvention. 11.-12. Juni 2020, online
Seminar: Digitale Zivilcourage und Empowerment
Hassrede, Propaganda und menschenverachtender Content: Extreme Gruppierungen und Personen kapern zunehmend das Netz, um dort ihre gefährlichen Ideologien vornehmlich an junge Menschen weiterzuverbreiten. Diesen Bestrebungen muss mit einer auf das Netz angepassten Form der Zivilcourage begegnet werden, um sich extremistischen Akteuren gezielt entgegen zu stellen.
Das je zweitägige Seminar der Bundeszentrale für politische Bildung richtet sich an Social Web-Multiplikatoren, Social Media- und Community-Redakteure, Online-Journalisten, YouTube-Community-Manager sowie NGOs und zivilgesellschaftliche Akteure, die in digitalen Diskursen aktiv sind. Ziel ist es, qualifiziertes Wissen zu Strukturen und Wirkungsweisen des ideologischen Extremismus unter Berücksichtigung praktischer Tools und Strategien im Umgang mit Extremismus im Netz zu erarbeiten.
Termin: 11.-12. Juni 2020 Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Interner Link: online möglich
Weitere Informationen auf Interner Link: bpb.de 16. Juni, online
Online-Seminar: Verschwörungsideologien im Islamismus
Das Online-Seminar beschäftigt sich mit folgenden Fragen: Wie sind Verschwörungsmythen aufgebaut und was macht sie so attraktiv? Welche Elemente verschwörungstheoretischen Glaubens findet man in islamistischen Spektren vor? Und wie kann man damit umgehen, wenn man mit solchen Erzählungen konfrontiert wird?
In der Zeit vom 2. Juni bis zum 7. Juli veranstaltet PROvention, die Präventions- und Beratungsstelle gegen religiös begründeten Extremismus der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein (TGS-H), eine Online-Seminar-Reihe zum Thema religiös begründeter Extremismus. Die Termine haben eine Dauer von fünf Stunden: 9:30-14:30 Uhr (inklusive einer Pause von 11:30-12:30).
Termin: 16. Juni, 9:30-14:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Sie können sich unter E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de mit Ihrem Namen, E-Mail-Adresse und Institution anmelden. Bitte verwenden Sie als Betreff "Online-Seminar-Reihe" und geben Sie in der E-Mail die gewünschten Termine an. Sie erhalten rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn einen Link zum Online-Seminar sowie Hinweise zur Technik. Die Teilnehmendenzahl ist auf 20 Personen pro Online-Seminar begrenzt.
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PROvention 17. Juni, online
Online-Vortrag: Verschwörungsideologien im Islamismus
Annabelle Mattick von PROvention setzt sich in ihrem Vortrag mit den Fragen auseinander, welche Elemente verschwörungsideologischen Glaubens in islamistischen Spektren vertreten werden, warum diese attraktiv auf junge Menschen wirken können und wie auf die Konfrontation mit solchen Erzählungen reagiert werden kann.
PROvention bietet in Kooperation mit dem Jugendschutz Kreis Pinneberg eine sechsteilige Online-Vortragsreihe zum Thema Verschwörungstheorien und Extremismus an. Die Vorträge der Reihe finden vom 10. Juni bis 15. Juli 2020 wöchentlich immer mittwochs von 16:00 bis 17:30 Uhr statt. Neben den Vorträgen wird es auch Raum für Fragen und Diskussionen geben.
Termin: 17. Juni, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Per E-Mail unter E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de bis spätestens zwei Stunden vor dem Vortrag mit Namen, Institution und dem Titel des gewünschten Vortrags. Informationen zur technischen Nutzung erhalten Sie rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn per E-Mail.
Weitere Informationen auf den Seiten von PROvention 23. Juni, online
Online-Seminar: The Repatriation of Foreign Terrorist Fighters and Their Families. Why Not?
Das International Centre for Counter-Terrorism – Den Haag (ICCT) veranstaltet ein Online-Live-Briefing mit anschließender Fragerunde zum Thema Rückführung von Terrorist/-innen und ihren Familien. Wie können Probleme bei der Rückführung überwunden werden? Wie sind die Aussichten auf Strafverfolgung? Gibt es praktikable Alternativen zur Rückführung? Die Grundlage für das Online-Seminar bieten die Überlegungen von Tanya Mehra und Dr. Christophe Paulussen, beide vom ICCT, sowie von Anthony Dworking, vom European Council on Foreign Relations.
Termin: 23. Juni 2020, 16:00-17:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich; registrierte Teilnehmende erhalten vor der Veranstaltung die Anmeldedaten für das Online-Seminar.
Weitere Informationen auf den Seiten des Externer Link: ICCT. 23. Juni, online
Online-Seminar: Islamisierter Antisemitismus unter Jugendlichen
In aktuell kursierenden Verschwörungsmythen spielen judenfeindliche Elemente oftmals eine tragende Rolle. Zum Teil wird versucht, solche antisemitischen Stereotypen islamisch zu legitimieren. Im Arbeitsalltag kann Antisemitismus in Form von Mobbing oder rassistisch-religiöser Diskriminierung auftreten. Ziele dieses Online-Seminar sind eine breite Wissensvermittlung zum Thema und die gemeinsame Erarbeitung von Handlungsmöglichkeiten.
In der Zeit vom 2. Juni bis zum 7. Juli veranstaltet PROvention, die Präventions- und Beratungsstelle gegen religiös begründeten Extremismus der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein (TGS-H), eine Online-Seminar-Reihe zum Thema religiös begründeter Extremismus. Die Termine haben eine Dauer von fünf Stunden: 9:30-14:30 Uhr (inklusive einer Pause von 11:30-12:30).
Termin: 23. Juni, 9:30-14:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Sie können sich unter E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de mit Ihrem Namen, E-Mail-Adresse und Institution anmelden. Bitte verwenden Sie als Betreff "Online-Seminar-Reihe" und geben Sie in der E-Mail die gewünschten Termine an. Sie erhalten rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn einen Link zum Online-Seminar sowie Hinweise zur Technik. Die Teilnehmendenzahl ist auf 20 Personen pro Online-Seminar begrenzt.
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PROvention 23. Juni, online
Online-Seminar: Alles gleich, alles gut? – Präventionsansätze für die Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen
Die Erfahrungen von Mädchen und Frauen in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens machen deutlich, wie wichtig geschlechtsspezifische Präventionsansätze sind. Diversitäts- und Diskriminierungssensibilität sind hier die Gelingensbedingungen, um Mädchen und junge Frauen zu stärken – auch gegenüber ideologischen Ansprachen in Form islamistischer, nationalistischer oder rechtsextremer Gemeinschaftsangebote. Im Online-Seminar wird das neue ufuq.de-Fortbildungsmodul "Mädchenarbeit – geschlechtsspezifische Prävention" vorgestellt. Es soll pädagogische Fachkräfte in ihrer Arbeit mit Fokus auf Mädchen und junge Frauen unterstützen.
Termin: 23. Juni, 11:00-12:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Per E-Mail bis zum 19. Juni 2020 an E-Mail Link: serpil.dursun@ufuq.de.
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufug.de 24. Juni, online
Online-Vortrag: Islamisierter Antisemitismus unter Jugendlichen
In aktuell kursierenden Verschwörungsmythen spielen judenfeindliche Elemente oftmals eine tragende Rolle, wie beispielsweise in der vermeintlichen "zionistischen Weltverschwörung". Zum Teil wird versucht, solchen antisemitischen Stereotypen einen religiösen Anstrich zu geben und diese islamisch zu legitimieren. Pascal Brügge und Jacob Reichel von PROvention diskutieren in ihrem Vortrag verschwörungstheoretische Merkmale, Strukturen und Funktionsweisen von islamisiertem Antisemitismus und geben Handlungsstrategien für die berufliche Praxis.
PROvention bietet in Kooperation mit dem Jugendschutz Kreis Pinneberg eine sechsteilige Online-Vortragsreihe zum Thema Verschwörungstheorien und Extremismus an. Die Vorträge der Reihe finden vom 10. Juni bis 15. Juli 2020 wöchentlich immer mittwochs von 16:00 bis 17:30 Uhr statt. Neben den Vorträgen wird es auch Raum für Fragen und Diskussionen geben.
Termin: 24. Juni, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Per E-Mail unter E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de bis spätestens zwei Stunden vor dem Vortrag mit Namen, Institution und dem Titel des gewünschten Vortrags. Informationen zur technischen Nutzung erhalten Sie rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn per E-Mail.
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PROvention 24. Juni bis 1. Juli 2020, bundesweit
Aktionswoche: Aktionen gegen Hass und antimuslimischen Rassismus
Die Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit ruft mit einer Aktionswoche bundesweit zu verschiedenen Aktionen gegen Hass und antimuslimischen Rassismus auf. Sie gipfeln im Tag gegen antimuslimischen Rassismus am 1. Juli. Mit Vorträgen, Diskussionen und Kunstaktionen nehmen viele bekannte Akteure der Präventionsarbeit teil. Ideen zu weiteren Aktionen können noch eingereicht werden.
Termin: 24. Juni bis 1. Juli 2020 Ort: bundesweit Kosten: kostenfrei Anmeldung: Aktionen können per E-Mail angemeldet werden an E-Mail Link: info@claim-allianz.de
Weitere Informationen und das Programm auf den Externer Link: Seiten der Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit 25. Juni 2020, online
Online-Seminar: After the Attack – Crisis Communication Strategy and the Role of the Media
In diesem Online-Seminar geht es um Medienberichterstattung nach Terroranschlägen. Journalist/-innen stehen vor der Frage, wie sie über Anschläge berichten können, ohne dem Wunsch der Terrorist/-innen nach größtmöglicher Aufmerksamkeit nachzukommen. Als Zusatz zu einer westlichen Perspektive werden Beispiele aus Sri Lanka und Nigeria aufgeführt. Das Online-Seminar ist Teil eines umfassenderen Projekts, das vom Internationalen Zentrum für Terrorismusbekämpfung (ICCT) in Den Haag geleitet und vom EU-Devco zum Thema "Abschwächung der Auswirkungen der Medienberichterstattung über Terrorismus" finanziert wird.
Termin: 25. Juni 2020, 11:00-12:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich; registrierte Teilnehmende erhalten vor der Veranstaltung die Anmeldedaten für das Online-Seminar
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des ICCT 26. Juni 2020, online
Online-Seminar: Auftaktveranstaltung des Arbeitskreises "Online-Prävention im Phänomenbereich religiös begründeter Extremismus"
Welche Ansätze gibt es für die Online-Prävention? Wie können diese Angebote von Multiplikatoren genutzt werden? Und wie setzt sich die aktuelle Projektlandschaft im Bereich der Prävention von religiös begründetem Extremismus online zusammen? Die folgenden Fachleute und Gründungsmitglieder des Arbeitskreises "Online-Prävention im Phänomenbereich religiös begründeter Extremismus" stellen aktuelle vor:
Duygu Özer und Laura Tischkau, Onlineberatung EMEL und SABIL, Türkische Gemeinde in Deutschland e. V. und Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e. V.
Sabrina Radhia Behrens und Adrian Stuiber, streetwork@online, AVP e. V.
Sebastian Ehlers, Islam-ist, Violence Prevention Network e. V.
Fabian Reicher, Jamal al-Khatib und NISA, TURN e. V.
Termin: 26. Juni 2020, 16:00-17:30 Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Bis zum 24. Juni per E-Mail an E-Mail Link: sabil@tsgh.de
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der BAG RelEx 30. Juni, online
Online-Seminar: Aufwachsen in salafistisch geprägten Familien
In diesem Online-Seminar lernen die Teilnehmenden Kernmerkmale einer salafistisch geprägten Erziehung kennen. Dabei werden verschiedene Risiko- und Schutzfaktoren für Kinder in salafistisch geprägten Familien diskutiert. Zudem erlangen die Teilnehmenden ein Basiswissen zu Kindeswohl, Kindeswohlgefährdung und Resilienz. Abschließend werden verschiedene Übungen zur Resilienzförderung in Schulklassen präsentiert.
In der Zeit vom 2. Juni bis zum 7. Juli veranstaltet PROvention, die Präventions- und Beratungsstelle gegen religiös begründeten Extremismus der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein (TGS-H), eine Online-Seminar-Reihe zum Thema religiös begründeter Extremismus. Die Termine haben eine Dauer von fünf Stunden: 9:30-14:30 Uhr (inklusive einer Pause von 11:30-12:30).
Termin: 30. Juni, 9:30-14:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Sie können sich unter E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de mit Ihrem Namen, E-Mail-Adresse und Institution anmelden. Bitte verwenden Sie als Betreff "Online-Seminar-Reihe" und geben Sie in der E-Mail die gewünschten Termine an. Sie erhalten rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn einen Link zum Online-Seminar sowie Hinweise zur Technik. Die Teilnehmendenzahl ist auf 20 Personen pro Online-Seminar begrenzt.
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PROvention Juli
7. Juli, online
Online-Seminar: Türkischer Ultranationalismus
Das Online-Seminar wird zunächst eine Einführung in das Phänomen türkischer Ultranationalismus bieten. Anhand von Biographien werden typische Wege in die Szene veranschaulicht und mithilfe von Online-Propaganda in Form von Musikvideos wird die Attraktivität ultranationalistischer Gruppen für Jugendliche herausgearbeitet. Abschließend werden in praxisnahen Übungen Handlungsstrategien für die ehren- und hauptamtliche Arbeit erarbeitet.
In der Zeit vom 2. Juni bis zum 7. Juli veranstaltet PROvention, die Präventions- und Beratungsstelle gegen religiös begründeten Extremismus der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein (TGS-H), eine Online-Seminar-Reihe zum Thema religiös begründeter Extremismus. Die Termine haben eine Dauer von fünf Stunden: 9:30-14:30 Uhr (inklusive einer Pause von 11:30-12:30).
Termin: 7. Juli, 9:30-14:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Sie können sich unter E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de mit Ihrem Namen, E-Mail-Adresse und Institution anmelden. Bitte verwenden Sie als Betreff „Online-Seminar-Reihe“ und geben Sie in der E-Mail die gewünschten Termine an. Sie erhalten rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn einen Link zum Online-Seminar sowie Hinweise zur Technik. Die Teilnehmendenzahl ist auf 20 Personen pro Online-Seminar begrenzt.
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PROvention 7.-8. Juli 2020, online
Basisschulung: Radikalisierungsprävention für Jugendliche und junge Erwachsene – Kurskonzepte erfolgreich umsetzen
Die Veranstaltung wird vom Projekt "Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt" des Deutschen Volkshochschul-Verband e. V. organisiert. Themen der Veranstaltung sind unter anderem Extremismus und seine Erscheinungsformen in Deutschland, Radikalisierungsmotive und -prozesse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie Praktische Ansätze der Präventionsarbeit.
Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten. Zielgruppe der Veranstaltung sind vhs-Mitarbeitende, Respekt Coaches und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe.
Termin: 7.-8. Juli 2020, 12:00-19:30 Uhr und 9:00-14:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf Externer Link: volkshochschule.de 8. Juli, online
Online-Vortrag: Verschwörungstheoretische Narrative im Phänomenbereich Türkischer Ultranationalismus
Türkische Ultranationalist/-innen erklären alles zum Feind, was ihrer Meinung nach die Türkei von innen oder außen gefährdet. Dabei wird häufig verschwörungstheoretisch argumentiert und unterstellt, ausländische Mächte würden zusammenarbeiten, die Feinde im Inneren der Türkei "steuern" und so den Staat zerstören wollen. Neben solchen Verschwörungsmythen, welche auch in entsprechenden Milieus in Deutschland verbreitet sind, vermittelt Sobitha Balakrishnan von der Fach- und Informationsstelle diyalog im Vortrag auch konkrete Handlungsstrategien für den beruflichen Alltag.
PROvention bietet in Kooperation mit dem Jugendschutz Kreis Pinneberg eine sechsteilige Online-Vortragsreihe zum Thema Verschwörungstheorien und Extremismus an. Die Vorträge der Reihe finden vom 10. Juni bis 15. Juli 2020 wöchentlich immer mittwochs von 16:00 bis 17:30 Uhr statt. Neben den Vorträgen wird es auch Raum für Fragen und Diskussionen geben.
Termin: 8. Juli, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Per E-Mail unter E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de bis spätestens zwei Stunden vor dem Vortrag mit Namen, Institution und dem Titel des gewünschten Vortrags. Informationen zur technischen Nutzung erhalten Sie rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn per E-Mail.
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PROvention Interner Link: Zum Anfang der Seite August
12. August 2020, online
Online-Seminar: Salafismus und Radikalisierung
In diesem Seminar geht es um eine vertiefte Auseinandersetzung mit religiös begründetem Extremismus und Radikalisierungsprozessen. Vermittelt werden die Abgrenzung zwischen der Religion des Islams und der politischen Ideologie des Islamismus sowie zentrale Merkmale gängiger salafistischer Propaganda. Außerdem werden Methoden, pädagogische Ansätze und Fallbeispiele besprochen, um Radikalisierungstendenzen bei Jugendlichen erkennen zu können.
Termin: 12. August, 9:30-14:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Sie können sich unter E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de mit Ihrem Namen, E-Mail-Adresse und Institution anmelden. Bitte verwenden Sie als Betreff "Anmeldung Online-Seminar" und geben Sie in der E-Mail die gewünschten Termine an. Sie erhalten rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn einen Link zum Online-Seminar sowie Hinweise zur Technik.
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PROvention 17.-19. August 2020, online
Online Summer Programme: Preventing, Detecting and Responding to Violent Extremism
In einem interaktiven dreitägigen Online-Kurs können sich interessierte Fachkräfte aus dem Bereich Radikalisierungsprävention mit Trends im Bereich Gewalt und Extremismus auseinandersetzen. Neben Vorträgen erhalten die Teilnehmenden die Möglichkeit ihre Ideen und Erfahrungen mit verschiedenen praktischen Ansätzen der Radikalisierungsprävention mit Wissenschaftler/-innen und anderen Teilnehmenden auszutauschen und zu diskutieren. Der Online-Kurs wird organisiert von der Universität Leiden in Kooperation mit dem International Centre for Counter-Terrorism – Den Haag (ICCT).
Termin: 17.-19. August 2020 Ort: online Kosten: 495 Euro Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Universität Leiden 18. August 2020, online
Online-Seminar: Verschwörungsideologien im Islamismus
Das Online-Seminar beschäftigt sich mit folgenden Fragen: Wie sind Verschwörungsmythen aufgebaut und was macht sie so attraktiv? Welche Elemente verschwörungstheoretischen Glaubens findet man in islamistischen Spektren vor? Und wie kann man damit umgehen, wenn man mit solchen Erzählungen konfrontiert wird?
Termin: 18. August, 9:30-14:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Sie können sich unter E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de mit Ihrem Namen, E-Mail-Adresse und Institution anmelden. Bitte verwenden Sie als Betreff "Anmeldung Online-Seminar" und geben Sie in der E-Mail die gewünschten Termine an. Sie erhalten rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn einen Link zum Online-Seminar sowie Hinweise zur Technik.
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PROvention 20. August 2020, online
Online-Seminar: Türkischer Ultranationalismus
Das Online-Seminar der Fach- und Informationsstelle Türkischer Ultranationalismus (diyalog) soll einen ersten Einblick in die Thematik ermöglichen. Neben einem Input wird es die Möglichkeit zu einer Diskussion sowie zum interaktiven Arbeiten geben. Das Angebot richtet sich an Fachkräfte, ehrenamtlich tätige Menschen sowie die interessierte Öffentlichkeit.
Diyalog steht unter der Trägerschaft der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein – einer landesweit tätigen Migrant/-innenselbstorganisation, die vom Landesdemokratiezentrum Schleswig-Holstein gefördert wird.
Termin: 20. August, 9:30-14:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Sie können sich unter E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de mit Ihrem Namen, E-Mail-Adresse und Institution anmelden. Bitte verwenden Sie als Betreff "Anmeldung Online-Seminar" und geben Sie in der E-Mail die gewünschten Termine an. Sie erhalten rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn einen Link zum Online-Seminar sowie Hinweise zur Technik.
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PROvention 25. August - 8. September 2020, online
Train-the-Trainer: Online-Beratung in Zeiten von Corona
Durch Corona sind klassische face-to-face Situationen, zum Beispiel im Bereich Beratung, auf Online-Angebote angewiesen. Welche Herausforderungen und welche Chancen bringt das mit sich? An drei aufeinander aufbauenden Terminen bietet Violence Prevention Network (VPN) im Rahmen des Kompetenznetzwerks "Islamistischer Extremismus" (KN:IX) eine digitale Fortbildung im Bereich Online-Beratung an. Die Fortbildung richtet sich an angehende und erfahrene Fachkräfte im Bereich der Extremismusprävention und Deradikalisierung, um sie im Umgang mit der neuen Situation zu stärken.
Termin: 25. August, 1. September und 8. September 2020, 10:00-13:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: sophie.scheuble@violence-prevention-network.de
Weitere Informationen auf den auf den Externer Link: Seiten von violence-prevention-network.de 26. August 2020, online
Online-Seminar: Aufwachsen in salafistisch geprägten Familien
In diesem Online-Seminar lernen die Teilnehmenden Kernmerkmale einer salafistisch geprägten Erziehung kennen. Dabei werden verschiedene Risiko- und Schutzfaktoren für Kinder in salafistisch geprägten Familien diskutiert. Zudem erlangen die Teilnehmenden ein Basiswissen zu Kindeswohl, Kindeswohlgefährdung und Resilienz. Abschließend werden verschiedene Übungen zur Resilienzförderung in Schulklassen präsentiert.
Termin: 26. August, 9:30-14:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Sie können sich unter E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de mit Ihrem Namen, E-Mail-Adresse und Institution anmelden. Bitte verwenden Sie als Betreff "Anmeldung Online-Seminar" und geben Sie in der E-Mail die gewünschten Termine an. Sie erhalten rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn einen Link zum Online-Seminar sowie Hinweise zur Technik.
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PROvention 26.-27. August 2020, Wolfsburg
Argumentationstraining: Gegen Stammtischparolen
Die Veranstaltung wird vom Projekt "Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt" des Deutschen Volkshochschul-Verband e. V. organisiert. Themen der Veranstaltung sind unter anderem Extremismus und seine Erscheinungsformen in Deutschland, Radikalisierungsmotive und -prozesse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie praktische Ansätze der Präventionsarbeit.
Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten. Zielgruppe der Veranstaltung sind vhs-Mitarbeitende, Respekt Coaches und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe.
Termin: 26.-27. August 2020, 12:00-18:15 Uhr und 9:00-14:30 Uhr Ort:vhs Wolfsburg, Bildungshaus, Hugo-Junkers-Weg 5, 38440 Wolfsburg Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf Externer Link: volkshochschule.de 31. August bis 3. September 2020, Berlin
Train-the-Trainer-Fortbildung 2020: Islam, antimuslimischer Rassismus und universelle Islamismusprävention
Ziel der Fortbildung von ufuq.de im Rahmen von "Demokratie leben!" ist es, pädagogisch und/oder thematisch bereits „vorgebildete“ Teilnehmende in die Lage zu versetzen, selbst Fortbildungen oder vergleichbare Formate zu konzipieren und durchzuführen, die sich an der Schnittstelle von Jugendarbeit, Pädagogik, politischer Bildung und universeller Prävention mit Fragen im Kontext von Islam, antimuslimischem Rassismus und Islamismus auseinandersetzen. Das Seminar richtet sich zum Beispiel an Multiplikatoren aus Verwaltung und Zivilgesellschaft, Betreuende von Referendar/-innen oder Mitarbeitende von Präventionsprojekten.
Termin: 31. August bis 3. September 2020 Ort: Berlin Kosten: Die Teilnahme am Seminar ist kostenlos. Reisekosten können nicht erstattet werden. Für Fachkräfte, die im Auftrag ihrer Einrichtungen/Träger/Projekte am Seminar teilnehmen, entstehen zusätzliche Hotelkosten in Höhe von voraussichtlich circa 460 Euro inklusive Frühstück. Anmeldung: Bis spätestens 1. Juni 2020 per E-Mail bei E-Mail Link: Dr. Jochen Müller
Weitere Informationen auf Externer Link: den Seiten von ufuq.de Interner Link: Zum Anfang der Seite September
2. September 2020, online
Konzeptwerkstatt: Chancen und Grenzen von Biografieforschung und Typologisierungen
Was kann Biografieforschung für die Präventionsarbeit leisten? Wie sinnvoll sind Versuche individuelle Biografien und Radikalisierungsverläufe zu systematisieren oder zu typologisieren? Das Kompetenznetzwerk "Islamistischer Extremismus" (KN:IX) lädt zu einer Konzeptwerkstatt zum Thema Biografieforschung ein. Forschungsergebnisse und Erfahrungen aus der Praxis sowie Fragen und Handlungspotenziale, die sich aus der Biografieforschung ergeben, werden gleichermaßen diskutiert. Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte im Bereich der Extremismusprävention und Deradikalisierung.
Termin: 2. September, 10:00-13:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: sophie.scheuble@violence-prevention-network.de
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von KN:IX 2. September 2020, online
Online-Seminar: Islamisierter Antisemitismus unter Jugendlichen
In aktuell kursierenden Verschwörungsmythen spielen judenfeindliche Elemente oftmals eine tragende Rolle. Zum Teil wird versucht, solche antisemitischen Stereotypen islamisch zu legitimieren. Im Arbeitsalltag kann Antisemitismus in Form von Mobbing oder rassistisch-religiöser Diskriminierung auftreten. Ziele dieses Online-Seminar sind eine breite Wissensvermittlung zum Thema und die gemeinsame Erarbeitung von Handlungsmöglichkeiten.
Termin: 2. September, 9:30-14:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Sie können sich unter E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de mit Ihrem Namen, E-Mail-Adresse und Institution anmelden. Bitte verwenden Sie als Betreff "Anmeldung Online-Seminar" und geben Sie in der E-Mail die gewünschten Termine an. Sie erhalten rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn einen Link zum Online-Seminar sowie Hinweise zur Technik.
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PROvention 3. September 2020, online
Online-Workshop: Islamische und migrantische Vereine in der Extremismusprävention
In diesem Online-Workshop gibt Dr. Jens Ostwaldt, Projektleiter der Fachstelle zur Prävention von religiös begründetem Extremismus (PREvent!on), Einsicht in seine Studie zur Bedeutung von islamischen und migrantischen Vereinen in der Extremismusprävention. Nach dem Vortrag werden Fragen beantwortet und es gibt Raum für Diskussion zum Thema.
Termin: 3. September 2020, 13:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: bis zum 28. August Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der BAG RelEx 7. September 2020, online
Kommunikationstraining: Widersprechen, aber wie?
Die Veranstaltung wird vom Projekt "Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt" des Deutschen Volkshochschul-Verband e. V. in Zusammenarbeit mit ARTIKEL1 – Initiative für Menschenwürde e. V. organisiert. Ziel der Veranstaltung ist unter anderem den persönlichen Umgang mit menschen- und demokratiefeindlichen Einstellungen sowie entsprechenden Äußerungen zu verbessern.
Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten. Zielgruppe der Veranstaltung sind vhs-Mitarbeitende, Respekt Coaches und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe.
Termin: 7. September, 9:00-13:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf Externer Link: volkshochschule.de
9.-10. September 2020, Berlin
Fachtag: Religion verhandeln?! Aushandlungsprozesse im Kontext von Demokratie, Gesellschaft und Bildung
Wie werden persönliche, gesellschaftliche und politische Aushandlungsprozesse mit religiös geprägten Lebenswelten erlebt? Wie kann Bildungsarbeit daran anknüpfen? Ufuq veranstaltet im Rahmen des Kompetenznetzwerks "Islamistischer Extremismus" (KN:IX) in Zusammenarbeit mit minor – Projektkontor für Bildung und Forschung einen Fachtag zum Thema "Religion verhandeln". Er richtet sich an Praktizierende aus der schulischen und außerschulischen Bildungs- und Jugendarbeit sowie Haupt- und Ehrenamtliche aus Gemeinden und dem interreligiösen Dialog. Die Teilnehmenden können sich an zwei Tagen über Bildungsarbeit im Kontext von Grundrechten, Demokratie, Diversität, Polarisierung und religiösem Extremismus austauschen.
Termin: 9.-10. September 2020, 15:00-20:00 Uhr und 9:00-18:00 Uhr Ort: Berlin Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: goetz.nordbruch@ufuq.de; die Bestätigung, ob eine Teilnahme möglich ist, erfolgt am 14. August.
Weitere Informationen auf den Externer Link: von ufuq 10.-11. September 2020, online
Seminar: Digitale Zivilcourage und Empowerment
Hassrede, Propaganda und menschenverachtender Content: Extreme Gruppierungen und Personen kapern zunehmend das Netz, um dort ihre gefährlichen Ideologien vornehmlich an junge Menschen weiterzuverbreiten. Diesen Bestrebungen muss mit einer auf das Netz angepassten Form der Zivilcourage begegnet werden, um sich extremistischen Akteuren gezielt entgegen zu stellen.
Das je zweitägige Seminar der Bundeszentrale für politische Bildung richtet sich an Social Web-Multiplikatoren, Social Media- und Community-Redakteure, Online-Journalisten, YouTube-Community-Manager sowie NGOs und zivilgesellschaftliche Akteure, die in digitalen Diskursen aktiv sind. Ziel ist es, qualifiziertes Wissen zu Strukturen und Wirkungsweisen des ideologischen Extremismus unter Berücksichtigung praktischer Tools und Strategien im Umgang mit Extremismus im Netz zu erarbeiten.
Termin: 10.-11. September 2020 Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Interner Link: online möglich
Weitere Informationen auf Interner Link: bpb.de 11.-12. September 2020, Augsburg
Train-the-Trainer-Seminar: Pädagogische Praxis im Umgang mit Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus
Ziel der Fortbildung von ufuq.de im Rahmen von "Demokratie leben!" ist es, die Handlungskompetenz bei Fragen und Konflikten im Zusammenhang mit Religion, Tradition und Herkunft sowie religiös begründeter Radikalisierung zu schärfen. Teilnehmende sollen in die Lage versetzt werden religiös begründete Positionen und Verhaltensweisen von Jugendlichen einschätzen zu können sowie die Gefährdung von Jugendlichen rechtzeitig zu erkennen und situationsgerecht darauf zu reagieren. Die Fortbildung ermöglicht es, Aspekte von Kultur, Ethnizität und Nationalismus differenzsensibel von Religion und religiös begründeter Radikalisierung zu unterscheiden. Teilnehmende erhalten Ansätze, um Jugendliche in Identitätsfindungsprozessen in der Migrationsgesellschaft zu stärken und zu fördern. Das Seminar richtet sich zum Beispiel an Fachkräfte und Multiplikatoren aus Schule, Jugendarbeit und Kommunen.
Termin: 11.-12. September 2020 Ort: Adresse folgt, Augsburg Kosten: Der Teilnahmebetrag liegt bei 83 Euro pro Person. Bei Teilnehmenden, die über eine private Übernachtungsmöglichkeit verfügen, reduziert sich der Betrag auf 48 Euro (Reisekosten sind nicht inbegriffen). Wenn Teilnehmende das Seminar im Auftrag ihrer Einrichtungen besuchen, tragen diese die Übernachtungskosten im Tagungshotel. Einzelfallregelungen sind möglich. Anmeldung: Per E-Mail an E-Mail Link: bayern@ufuq.de
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 17. September 2020, Kiel
Fachtagung: Islam und Salafismus in der Kinder- und Jugendhilfe
Wie geht man richtig mit religiös aufgeladenen Konflikten um? Wie können Kultur und Religion von Extremismus differenziert werden? Warum ist der Salafismus so attraktiv für junge Menschen? PROvention veranstaltet eine Fachtagung, die Akteure aus dem Bereich Kinder- und Jugendhilfe darin unterstützen soll, Antworten auf die vielen Fragen zu finden, die sie aus der pädagogischen Praxis kennen. Nach einer Begrüßung und einem Vortrag zur Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus, können die Teilnehmenden zwei Vertiefungsvorträge und einen Workshop besuchen. Die Veranstaltung endet mit einem Aussteigerinterview mit Dominic Schmitz.
Termin: 17. September 2020, 9:00-17:00 Uhr Ort: DJH Jugendherberge, Johannesstraße 1, 24143 Kiel Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: veranstaltung.provention@tgsh.de; es wird darum gebeten, zwei Vertiefungsvoträge und einen Workshop anzugeben
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von PROvention 17. September 2020, Kiel
Online-Veranstaltung: Kompetenznetzwerk Islam- und Muslimfeindlichkeit
Das im Januar im Rahmen von "Demokratie leben!" gegründete Kompetenznetzwerk Islam- und Muslimfeindlichkeit stellt sich vor. Es setzt sich mit aktuellen Erscheinungsformen und Entwicklungen im Kontext von antimuslimischem Rassismus auseinander, bietet Lösungsansätze für die Bildungsarbeit und dient als zentrale Anlauf-, Transfer- und Beratungsstelle für alle Akteure im Themenfeld. Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Franziska Giffey, eröffnet die Veranstaltung.
Termin: 17. September 2020, 13:00-15:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Kompetenznetzwerks 23. September 2020, online
Kommunikationstraining: Widersprechen, aber wie?
Die Veranstaltung wird vom Projekt "Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt" des Deutschen Volkshochschul-Verband e. V. in Zusammenarbeit mit ARTIKEL1 – Initiative für Menschenwürde e. V. organisiert. Ziel der Veranstaltung ist unter anderem den persönlichen Umgang mit menschen- und demokratiefeindlichen Einstellungen sowie entsprechenden Äußerungen zu verbessern.
Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten. Zielgruppe der Veranstaltung sind vhs-Mitarbeitende, Respekt Coaches und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe.
Termin: 23. September, 9:00-13:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf Externer Link: volkshochschule.de 28.-29. September 2020, online
Online-Jubiläumskongress: 25. Deutscher Präventionstag
Unter dem Schwerpunktthema "Smart Prevention – Prävention in der digitalen Welt"veranstaltet der Deutsche Präsentionstag (DPT) seine 25. Auflage. Aufgrund der Corona-Pandemie findet er digital statt. In vier unterschiedlichen Formaten widmet sich der DPT der Prävention in der digitalen Welt. Neben einem bunten und teilweise live stattfindenden Präventions-TV-Programm, zwölf Online-Vorträgen sowie umfangreichem Informationsmaterial gibt es die Möglichkeit sich am ersten Abend im digitalen Begegnungsangebot "DPT-Open House"mit anderen Teilnehmenden auszutauschen.
Termin: 28.-29. September Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Deutschen Präventionstags 30. September bis 1. Oktober 2020, Mannheim
Argumentationstraining: Gegen Stammtischparolen
Die Veranstaltung wird vom Projekt "Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt" des Deutschen Volkshochschul-Verband e. V. organisiert. Themen der Veranstaltung sind unter anderem Extremismus und seine Erscheinungsformen in Deutschland, Radikalisierungsmotive und -prozesse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie praktische Ansätze der Präventionsarbeit.
Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten. Zielgruppe der Veranstaltung sind vhs-Mitarbeitende, Respekt Coaches und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe.
Termin: 30.9.-1.10.2020, 12:00-16:45 Uhr und 9:00-15:15 Uhr Ort: Mannheimer Abendakademie und Volkshochschule GmbH, U1 16-19, 68161 Mannheim Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf auf Externer Link: volkshochschule.de 1. Oktober 2020, Berlin
Fachaustausch: Sozialraumorientiertes Arbeiten in Berliner Kiezen
Im Rahmen einer Fachdiskussion sollen Entwicklungen, Probleme und Bedarfe der sozialraumorientierten Arbeit im Kontext von Radikalisierungstendenzen in den Berliner Kiezen besprochen werden. Dazu lädt das "Interdisziplinäre Wissenschaftliche Kompetenznetzwerk Radikalisierungsprävention" des Denkzeit-Gesellschaft e. V. Fachleute ein, um ihre Eindrücke und Erfahrungen miteinander zu teilen. Die Ergebnisse werden Teil einer Handlungsempfehlung für das Berliner Landesprogramm Radikalisierungsprävention.
Termin: 1. Oktober 2020, 10:00-14:00 Uhr Ort: Medical School Berlin, Rüdesheimerstraße 50, 14197 Berlin Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Kompetenznetzwerks 6. Oktober 2020, Berlin
Fachaustausch: Schule und Schulsozialarbeit
Im Rahmen einer Fachdiskussion sollen Entwicklungen, Probleme und Bedarfe der Sozialarbeit im Kontext von Radikalisierungstendenzen an Berliner Schulen besprochen werden. Dazu lädt das "Interdisziplinäre Wissenschaftliche Kompetenznetzwerk Radikalisierungsprävention" des Denkzeit-Gesellschaft e. V. Fachleute ein, um ihre Eindrücke und Erfahrungen miteinander zu teilen. Die Ergebnisse werden Teil einer Handlungsempfehlung für das Berliner Landesprogramm Radikalisierungsprävention .
Termin: 6. Oktober 2020, 10:00-14:00 Uhr Ort: comedu, Lützowstraße 88, 10785 Berlin Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Kompetenznetzwerks 7. Oktober 2020, online
Online-Talk: Radikale Höflichkeit – Entschlossen, sachlich und radikal höflich Stellung beziehen gegen Diskriminierung
Wie kann es gelingen, sachlich und entschlossen Haltung gegen populistische und diskriminierende Aussagen zu zeigen? Das zeigt die Initiative "Kleiner 5" anhand einer thematischen Einführung und Praxisbeispielen. Im Rahmen des Online-Talks gibt es außerdem Raum für den Austausch von eigenen Erfahrungen. Der Talk ist Teil der Fachgesprächsreihe #yallahtalks von "Yallah! Fach- und Präventionsstelle Islamismus und antimuslimischer Rassismus".
Termin: 7. Oktober 2020, 16:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf der Externer Link: Veranstaltungsseite eveeno 7.-8. Oktober 2020, online
Basisschulung: Radikalisierungsprävention für Jugendliche und junge Erwachsene – Kurskonzepte erfolgreich umsetzen
Die Veranstaltung wird vom Projekt "Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt" des Deutschen Volkshochschul-Verband e. V. organisiert. Themen der Veranstaltung sind unter anderem Extremismus und seine Erscheinungsformen in Deutschland, Radikalisierungsmotive und -prozesse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie praktische Ansätze der Präventionsarbeit.
Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten. Zielgruppe der Veranstaltung sind vhs-Mitarbeitende, Respekt Coaches und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe.
Termin: 7.-8. Oktober 2020, 9:30-14:30 Uhr und 9:45-14:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: bis zum 30. September Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf Externer Link: volkshochschule.de 13. Oktober 2020, online
Online-Schulung: "zusammenleben.zusammenhalten"
Der Deutsche Volkshochschul-Verband bietet eine Online-Schulung für Multiplikatoren zum Planspiel "zusammenleben.zusammenhalten" an, das in der primären Präventionsarbeit angesiedelt ist. Ziel der Schulung ist es, die Handlungskompetenzen der Teilnehmenden über die unterschiedlichen Aufgaben und Phasen des Planspiels zu stärken. Die Teilnehmenden setzen sich im Rahmen der Schulung unter anderem mit folgenden Fragen auseinander:
Was sind Planspiele? Wie unterscheiden sich Online-Planspiele? Wie funktioniert das digitale Planspiel "zusammenleben.zusammenhalten"? Wie gelingt die Online-Umsetzung?
Termin: 13. Oktober 2020, 10:00-15:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf Externer Link: volkshochschule.de 15. Oktober 2020, online
Online-Schulung: "zusammenleben.zusammenhalten"
Der Deutsche Volkshochschul-Verband bietet eine Online-Schulung für Multiplikatoren zum Planspiel "zusammenleben.zusammenhalten" an, das in der primären Präventionsarbeit angesiedelt ist. Ziel der Schulung ist es, die Handlungskompetenzen der Teilnehmenden über die unterschiedlichen Aufgaben und Phasen des Planspiels zu stärken. Die Teilnehmenden setzen sich im Rahmen der Schulung unter anderem mit folgenden Fragen auseinander:
Was sind Planspiele? Wie unterscheiden sich Online-Planspiele? Wie funktioniert das digitale Planspiel "zusammenleben.zusammenhalten"? Wie gelingt die Online-Umsetzung?
Termin: 15. Oktober 2020, 10:00-15:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf Externer Link: volkshochschule.de 15.-16. Oktober 2020, online
Seminar: Digitale Zivilcourage und Empowerment
Hassrede, Propaganda und menschenverachtender Content: Extreme Gruppierungen und Personen kapern zunehmend das Netz, um dort ihre gefährlichen Ideologien vornehmlich an junge Menschen weiterzuverbreiten. Diesen Bestrebungen muss mit einer auf das Netz angepassten Form der Zivilcourage begegnet werden, um sich extremistischen Akteuren gezielt entgegen zu stellen.
Das je zweitägige Seminar der Bundeszentrale für politische Bildung richtet sich an Social Web-Multiplikatoren, Social Media- und Community-Redakteure, Online-Journalisten, YouTube-Community-Manager sowie NGOs und zivilgesellschaftliche Akteure, die in digitalen Diskursen aktiv sind. Ziel ist es, qualifiziertes Wissen zu Strukturen und Wirkungsweisen des ideologischen Extremismus unter Berücksichtigung praktischer Tools und Strategien im Umgang mit Extremismus im Netz zu erarbeiten.
Termin: 15.-16. Oktober 2020 Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Interner Link: online möglich
Weitere Informationen auf Interner Link: bpb.de 20.-21. Oktober 2020, online
Aufbauschulung: Wer hat 'das letzte Wort' im Netz? – Digitale Lebenswelten mitgestalten
Die Veranstaltung wird vom Projekt "Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt" des Deutschen Volkshochschul-Verband e. V. organisiert. Der Fokus der Projektarbeit liegt auf der Vermittlung von Methoden der Radikalisierungsprävention. Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten. Zielgruppe der Veranstaltung sind vhs-Mitarbeitende, Respekt Coaches und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe.
Termin: 20.-21. Oktober 2020, 9:30-16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf Externer Link: volkshochschule.de 21. Oktober 2020, Berlin
*** ausgebucht *** Fachtag: Radikalisierung und extremistische Gewalt. Handlungsgrundlagen für Ärzt/-innen und Psychotherapeut/-innen
Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können dabei helfen terroristische Gewalttaten zu verhindern, wenn sie Radikalisierungsprozesse rechtzeitig wahrnehmen. Die Fachveranstaltung richtet sich an Angehörige von Heilberufen und soll praktische Handlungsempfehlungen im Umgang mit radikalisierten Patientinnen und Patienten bieten. Ziel ist außerdem eine bessere Vernetzung untereinander. Die Veranstaltung findet im Rahmen des Projektes "Grundlagenwissen für Heilberufe zur Identifikation von Radikalisierungsprozessen als Risiko für Taten zielgerichteter Gewalt" der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Ulm statt, und wird vom BMI und BAMF gefördert.
Termin: 21. Oktober 2020, 10:00-16:15 Uhr Ort: Robert-Koch-Platz 7, 10115 Berlin Kosten: kostenfrei Anmeldung: *** ausgebucht ***
Weitere Informationen gibt es auf der Externer Link: Veranstaltungsplattform doo.net 26.-27. Oktober 2020, online
Fachtag: Radikalisierungsfaktor soziale Ungleichheit?
In Wissenschaft und Praxis werden diverse Einflussfaktoren für eine mögliche Radikalisierung erforscht, beobachtet und diskutiert. Die Folgen und möglichen Auswirkungen sozialer Ungleichheit werden dabei bisher nur bedingt in den Blick genommen. Dies zeigt sich auch im aktuell noch jungen Forschungsstand zu diesem Themenkomplex. Mit dem zweitägigen Online-Fachtag "Radikalisierungsfaktor Soziale Ungleichheit?" will die BAG RelEx sich diesem Thema aus verschiedenen Perspektiven anzunähern.
Termin: 26.-27. Oktober 2020, 14:00-17:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der BAG RelEx 27. Oktober 2020, online
Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 1: Sozialraum Social Media
In der vierteiligen Workshopreihe von streetwork@online geht es um islamistische Radikalisierung und Präventionsarbeit in virtuellen Communities. Die teilnehmenden Fachkräfte sollen mittels theoretischer Grundlagen, praktischer Ansätze und anschaulicher Beispiele für die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sensibilisiert und geschult werden.
Im ersten von vier Modulen geht es um den "Sozialraum Social Media". Die Teilnehmenden sprechen über folgende Themen:
Nutzungsverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen Was macht Social Media für Jugendliche und Extremist/-innen so interessant? Wie kommunizieren junge Menschen in den sozialen Netzwerken? Lebenswelt: Was passiert in virtuellen Communities?
Termin: 27. Oktober 2020, 10:00-12:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von streetwork@online 27.-28. Oktober 2020, online
Aufbauschulung: Aus der Rolle (ge-)fallen!? – Jugendliche für die geschlechtsspezifische Ansprache durch Extremist/-innen sensibilisieren
Die Veranstaltung wird vom Projekt "Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt" des Deutschen Volkshochschul-Verband e. V. organisiert. Der Fokus der Projektarbeit liegt auf der Vermittlung von Methoden der Radikalisierungsprävention. Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten. Zielgruppe der Veranstaltung sind vhs-Mitarbeitende, Respekt Coaches und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe.
Termin: 27.-28. Oktober 2020, 9:30-16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf Externer Link: volkshochschule.de 3. November 2020, online
Online-Workshop: JEDI #6 "Laut sein! Aktiv für die Demokratie"
Was kann man tun, wenn sich ein Mensch im ehrenamtlichen oder privaten Umfeld radikalisiert? Woran lässt sich das erkennen? Und wie kann man dann reagieren? In einem Online-Workshop mit der Beratungsstelle Prevent werden auf diese Fragen Antworten gesucht.
Im zweiten Teil der Veranstaltung gibt es ein Online-Panel mit dem Titel "Aktiv für die Demokratie?". In der Diskussion mit drei Fachleuten geht es darum, wieso Demonstrationen gegen extremistische Gruppierungen weniger Menschen anziehen als zum Beispiel "Fridays for Future" und wie die Demokratie gestärkt werden kann.
Termin: 3. November 2020, 16:00-19:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Seiten der Interner Link: Bundeszentrale für politische Bildung 3. November 2020, online
Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 2: Phänomenbereich Islamismus
In der vierteiligen Workshopreihe von streetwork@online geht es um islamistische Radikalisierung und Präventionsarbeit in virtuellen Communities. Die teilnehmenden Fachkräfte sollen mittels theoretischer Grundlagen, praktischer Ansätze und anschaulicher Beispiele für die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sensibilisiert und geschult werden.
Im zweiten von vier Modulen geht es um den "Phänomenbereich Islamismus". Die Teilnehmenden sprechen über folgende Themen:
Begriffsklärung: Islam, Islamismus, (Neo)Salafismus und religiös begründeter Extremismus Basics und Facts zum Islam Muslimisches Leben in Deutschland Islamistische Strömungen in Deutschland und ihre Inhalte
Termin: 3. November 2020, 10:00-12:30 Uhr Ort:online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von streetwork@online 6. November 2020, Dortmund (ggf. online)
Fachtag: Fachtag Islam im Kontext Schule
An öffentlichen Schulen ist die religiöse, ethnische und kulturelle Pluralität besonders hoch. Schulen haben daher zur Aufgabe, Diskriminierung zu vermeiden, Teilhabe zu fördern und Differenzen im sozialen Status durch Bildungschancen auszugleichen. Der Fachtag möchte Lehrkräften und Schulsozialarbeitenden Impulse liefern, um sie im Umgang mit muslimischen Schüler/-innen in einer diversitätssensiblen Pädagogik zu unterstützen. Neben einem Vortrag am Vormittag gibt es praxisorientierte Workshops zum Thema Islam im Kontext Schule. Der Fachtag wird organisiert vom Multikulturellen Forum e. V. in Kooperation mit der Islamischen Akademie NRW und dem Verband muslimischer Lehrkräfte.
Termin: 6. November 2020, 8:45-16:45 Uhr Ort: online Kosten: 15 Euro, ermäßigt 10 Euro Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten des Multikulturellen Forums e. V. 10. November 2020, online
Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 3: Online-Radikalisierungsprozesse
In der vierteiligen Workshopreihe von streetwork@online geht es um islamistische Radikalisierung und Präventionsarbeit in virtuellen Communities. Die teilnehmenden Fachkräfte sollen mittels theoretischer Grundlagen, praktischer Ansätze und anschaulicher Beispiele für die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sensibilisiert und geschult werden.
Im dritten von vier Modulen geht es um "Online-Radikalisierungsprozesse im islamistischen Kontext". Die Teilnehmenden sprechen über folgende Themen:
Wie Algorithmen, Filterblasen und der Echokammer-Effekt Radikalisierungsprozesse begünstigen können Islamismus Digital: Akteure, Themen, Dynamiken und Gefahren Fake News und Propaganda: Wie werden islamistische Inhalte aufbereitet, damit sie für Jugendliche attraktiv sind?
Termin: 10. November 2020, 10:00-12:30 Uhr Ort:online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von streetwork@online 17. November 2020, online
Online-Workshop-Reihe: Islamismus in Social Media – Teil 4: Online-Prävention
In der vierteiligen Workshopreihe von streetwork@online geht es um islamistische Radikalisierung und Präventionsarbeit in virtuellen Communities. Die teilnehmenden Fachkräfte sollen mittels theoretischer Grundlagen, praktischer Ansätze und anschaulicher Beispiele für die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sensibilisiert und geschult werden.
Im vierten von vier Modulen geht es um "Online-Prävention und Grundlagen der Praxis". Die Teilnehmenden sprechen über folgende Themen:
Online-Prävention: ein Überblick über verschiedene Ansätze Einführung in das Projekt streetwork@online Ansatz, Haltung und Methoden Fallbeispiele mit praktischen Übungen in Kleingruppen
Termin: 17. November 2020, 10:00-12:30 Uhr Ort:online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von streetwork@online 17. November 2020, online
Online-Fachgespräch: Ansätze in der Beratungsarbeit
Im Gespräch mit Fachleuten geht es um verschiedene Ansätze in der Beratungs- und Ausstiegsarbeit im Bereich des religiös begründeten Extremismus sowie um Erfahrungen aus der Praxis. Weitere Informationen gibt es in Kürze auf der Website der BAG RelEx. Das Fachgespräch findet im Rahmen des Kompetenznetzwerks „Islamistischer Extremismus“, KN:IX, statt.
Termin: 17. November 2020, nachmittags Ort:online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der BAG RelEx 18. November 2020, Neumünster
Fachtagung: Verurteilung als Anstoß
Das Justizprojekt Kick-off veranstaltet in Kooperation mit PROvention einen ganztägigen Fachtag, der sich dem Feld der Prävention und Deradikalisierung im Kontext Justiz widmet. Der Fachtag richtet sich insbesondere an Vollzugsbedienstete, Bewährungs- und Gerichtshelfer/-innen sowie andere Akteure aus Jugend- und Sozialarbeit und Behörden, die mit straffällig gewordenen Personen in und außerhalb der Haft arbeiten. Neben Vorträgen gibt es ein Angebot an Workshops, aus dem die Teilnehmenden wählen können. Ziel des Fachtags sind ein intensiver interdisziplinärer Austausch und die Erweiterung von Handlungsoptionen in der Arbeit mit straffällig gewordenen Personen im Hinblick auf Radikalisierungsprozesse.
Termin: 18. November 2020, 8:00-16:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: unter Angabe von Namen und Institution per E-Mail an E-Mail Link: kick-off@tgsh.de
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von TGS-H 19. November 2020, online
Online-Seminar: Reintegration of Individuals Formerly Associated with Islamist Violent Extremist Groups
Im Online-Seminar geht es um die Deradikalisierung und Reintegration ehemaliger Kämpferinnen und Kämpfer extremistischer Gruppen am Beispiel der Länder Deutschland, Nigeria und Niger. Zunächst berichten Pratikerinnen und Praktiker von ihrer Arbeit. Anschließend gibt es eine Diskussion über das Spannungsverhältnis von Menschenrechten und Sicherheitsinteressen in der Reintegrationsarbeit sowie über die Rolle der Zivilgesellschaft dabei. Das Online-Seminar findet im Rahmen des Projekts "Radikalisierungsprävention in NRW – Wie können die Kapazitäten von Intermediären gestärkt werden" des Bonn International Center of Conversion statt. Die Seminarsprache ist Englisch.
Termin: 19. November 2020, 14:00-16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: per E-Mail an E-Mail Link: Luisa Gerdsmeyer (E-Mail Link: luisa.gerdsmeyer@bicc.de); Interessierte werden gebeten, bei der Anmeldung einen kurzen Absatz zu ihrem beruflichen Hintergrund und der Arbeit ihrer Organisation zu schicken. Diese Information wird mit den übrigen Teilnehmenden geteilt. Falls Sie einer Weiterverbreitung Ihrer Daten nicht zustimmen, geben Sie dies bei der Anmeldung bitte an.
Weitere Informationen über das Projekt "Radikalisierungsprävention in NRW – Wie können die Kapazitäten von Intermediären gestärkt werden" auf den Seiten von Externer Link: Bonn International Center of Conversion 25. November 2020, online
Online-Fachtagung: Von Gesundheitsdiktatur bis Gottes Zorn. Setzt Corona der Radikalisierung die Krone auf?
Welche Auswirkungen hat die Coronakrise auf Radikalisierung? Wie kann die Gesellschaft an Krisen wachsen? Und wie können wir handlungsfähig bleiben? Am Vormittag gibt es zwei Vorträge, am Nachmittag können die Teilnehmenden sich zwischen vier verschiedenen Workshops entscheiden. Die Fachtagung findet über Zoom statt – in deutscher und französischer Sprache.
Termin: 25. November 2020, 9:00-16:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Seiten von Externer Link: Yallah! Fach- und Präventionsstelle Islamismus und antimuslimischer Rassismus 25.-26. November 2020, online
DVV-Fachaustausch: "EmPOWERment"
Wie kann die Stärkung von Fachkräften und Jugendlichen on- und offline gelingen, um extremistischen Haltungen entgegen zu treten? Im Rahmen des DVV-Fachaustausches werden unterschiedliche Ansätze des Empowerments exemplarisch thematisiert. Es werden sowohl die jeweiligen zielgruppenspezifischen Anforderungen als auch die entsprechenden digitalen und analogen Kommunikationsmuster hervorgehoben.
Die Veranstaltung wird vom Projekt "Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt" des Deutschen Volkshochschul-Verband e. V. organisiert. Sie richtet sich an Fachkräfte, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten.
Termin: 25.-26. November 2020, 9:30-17:30 Uhr und 9:30-15:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich
Weitere Informationen auf Externer Link: volkshochschule.de 25. November 2020, online
Multimediales Event: Extremismus als Herausforderung für Jugend, Pädagogik und Forschung – Reflexionen und Ausblicke
Die Arbeits- und Forschungsstelle für Demokratieförderung und Extremismusprävention (AFS) am DJI, begeht ihr 20-jähriges Bestehen. In einer Livestream- Podiumsdiskussion sprechen Expertinnen und Experten über "Die Zukunft des politischen Extremismus im Jugendalter". Zudem findet eine Live-Autorenlesung des Journalisten Yassin Musharbash statt sowie spannende Tagungsbeiträge im Video-Format.
Termin: 25. November 2020 Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Per E-Mail an Renate Schulze (E-Mail Link: schulze@dji.de). Der Link zur Tagungsseite wird zwei Wochen vor dem Event an alle Angemeldeten versendet. 26. November 2020, online
Online-Fachtag: Peer-Education in der universellen Islamismusprävention
Welche Fach-, Methoden- und Medienkompetenz und welche (strukturellen) Rahmenbedingungen sind erforderlich, um Teamende für ihre Rolle als Peer-Educator zu qualifizieren? Welche Rolle kommt der Reflexion der eigenen Haltung und der jeweils eigenen Privilegien und Wertvorstellungen zu? Worauf sollte bei der inhaltlichen und methodischen Begleitung geachtet und welche Prioritäten sollten dabei gesetzt werden?
Der Fachtag bietet Raum für den Austausch über Herausforderungen und Gelingensbedingungen in der Qualifizierung von Teamenden und leistet einen Beitrag zur Entwicklung von Leitlinien der Qualifizierung. Er richtet sich an Projekte der universellen Islamismusprävention, die mit dem Peer-Education Ansatz arbeiten oder arbeiten wollen.
ufuq.de veranstaltet den digitalen Fachtag im Rahmen des KN:IX – Kompetenznetzwerk "Islamistischer Extremismus". Er wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!" sowie von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert.
Termin: 26. November 2020, 9:30-16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Per E-Mail bis zum 13. November an E-Mail Link: canan.korucu@ufuq.de
Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq.de 27. November 2020, online
Online-Fachtag: PrEval 2020
Der PrEval-Fachtag bringt Fachpraxis, Behörden und Wissenschaft zusammen für einen Austausch über Evaluation und wissenschaftliche Begleitung in der deutschen Extremismus-prävention und der politischen Bildung. Neben Reflexionen zu Zielen, Bedarfen und Ansätzen von Evaluation, präsentiert der PrEval-Verbund
Termin: 27. November 2020, 10:00-16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: E-Mail Link: per E-Mail unter Angabe von Name, institutioneller Anbindung und Email-Adresse bis zum 23.11.2020, 12 Uhr
Weitere Informationen auf den Seiten des PrEval auf Externer Link: hfsk.de 27.-28. November 2020, online
Online-Workshop: Sozialisationsbedingungen und fehlende Vaterpräsenz als Radikalisierungsfaktoren?
Im zweitägigen Online-Workshop geht es um den Einfluss, den Sozialisationsbedingungen und Erziehung auf Kinder und Jugendliche im Kontext von Radikalisierung haben. Außerdem geht es um die Praxis einer Väterarbeit, die jenseits von Zuschreibungen emanzipatorische Geschlechterleitbilder und Resilienz vermittelt. Neben fachlichem Input und Arbeitsphasen gibt es Raum für Diskussion und Austausch. Der Online-Workshop ist Teil der Seminarreihe "Tafkir statt Takfir # Reflexion statt Exklusion" und richtet sich an Beschäftigte und Aktive in der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit sowie in Wissenschaft
Termin: 27.-28. November 2020, 14:00-15:30 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Interner Link: online möglich
Weitere Informationen auf den Seiten der bpb Dezember
10. Dezember 2020, online
Online-Diskussion: Europäische Ansätze bei der Reintegration von Rückkehrenden aus Syrien und Irak
Insbesondere Akteure aus Jugend- und Sozialämtern, Justizvollzug und Bewährungshilfe sowie der psychosozialen Grundversorgung spielen eine wichtige Rolle bei der Reintegration von Rückkehrenden aus Syrien und dem Irak. Im Rahmen von zwei Fallstudien aus Deutschland und Belgien wird die Rolle von beteiligten Institutionen diskutiert – insbesondere außerhalb des Sicherheitskontextes. Es wird erörtert, wie diese wirksam(er) eingebunden werden können. Die Diskussion wird veranstaltet von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
Termin: 10. Dezember 2020, 16:00-18:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich 10. Dezember 2020, online
Online-Seminar: Onlineberatung zu religiös begründetem Extremismus – Chancen und Herausforderungen eines "neuen" Beratungsfeldes
Wie funktioniert Online-Beratung? Lohnt sich der Aufbau eines Online-Beratungsangebot? Welche Hürden gibt es? Das Online-Seminar bietet den Teilnehmenden die Möglichkeit, nach einer Einführung in die Online-Beratung anhand eines Fallbeispiels Einblick in die Beratungsabläufe zu erhalten und so selbst erste Erfahrungen in dem Feld zu sammeln.
Termin: 10. Dezember 2020, 14:00-16:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Bis spätestens 4.12.2020 per E-Mail an E-Mail Link: emel@tgd.de. In einer gesonderten E-Mail erhalten Sie die Zugangsdaten. 14. Dezember 2020, online
Online-Fachgespräch: Religiös begründeter Extremismus: Zielgruppenerreichung über/und digitale Medien in Zeiten von Corona
Im digitalen Fachgespräch wird über folgende Fragen diskutiert: Wie können wir in Zeiten von Corona Zielgruppen erreichen? Welche Vorteile und Herausforderungen bieten die Sozialen Medien dabei? Wie erreichen wir eine Verbesserung der Suchmaschinenoptimierung (SEO)?
Drei Expertinnen und Experten vermitteln praktische Einblicke aus ihrer Arbeit:
Götz Nordbruch (Externer Link: ufuq e. V.)
Adrian Stuiber und Sabrina Behrens (Externer Link: streetwork@online)
Jona Hölderle (Externer Link: Pluralog – Online Marketing)
Termin: 14. Dezember 2020, 9:30-15:00 Uhr Ort: online Kosten: kostenfrei Anmeldung: Bis spätestens 4.12.2020 per E-Mail an E-Mail Link: emel@tgd.de. In einer gesonderten E-Mail erhalten Sie die Zugangsdaten.
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2023-02-06T00:00:00 | 2019-10-25T00:00:00 | 2023-02-06T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/infodienst/299407/termin-rueckblick-2020/ | Termine aus dem Arbeitsfeld "Radikalisierungsprävention" aus dem Jahr 2020. | [
"Termine",
"Islamismus",
"Prävention",
"Deradikalisierung",
"Präventionsarbeit",
"Veranstaltungshinweise und Fortbildungen",
"Weiterbildung",
"Vernetzung"
] | 179 |
Angriffe auf Informationstechnik und Infrastrukturen | Medienpolitik | bpb.de | Einleitung
'I Love You', 'Melissa', 'Morris Wurm' oder wie sie alle heißen: Computerviren und -attacken verursachen weltweit Milliardenschäden. 'Sie sind nur Vorboten eines massiven globalen Bedrohungspotenzials' - sagen die einen. 'Bloß ein begrenztes Sicherheitsrisiko, mit dem jede Hochtechnologie fertig werden muss' - beruhigen die anderen. Immerhin behauptet ein Insider: 'Mit zehn exzellenten Hackern und zehn Millionen Dollar kann man die USA in die Knie zwingen.' Die Zahl der entdeckten Angriffe auf die Netzwerke des Pentagons stieg 1998/99 von 5 844 auf 22 144 - bei gleichzeitig verbessertem Schutz der Systeme. Experten malen bereits das Schreckgespenst eines 'Electronic Pearl Harbor' an die Wand ; der frühere CIA-Chef John Deutch prognostiziert einen 'Cyber War'.
Was hat die globale Vernetzung wirklich verändert? Ihre Segnungen sind unbestritten und nicht mehr wegzudenken. Doch zugleich entstanden Bedrohungen, die ungeahnte und nicht kalkulierbare Schäden verursachen können. Die meisten z. T. lebenswichtigen Infrastrukturen - ob Bahn oder Sprach- und Datennetze, Energieversorgung oder Rettungsdienste, Banken oder Krankenhäuser - sind heute in hohem Maße von Informationstechnik und Vernetzung abhängig. Wegen ihrer diesbezüglichen Gefährdung bezeichnet man sie auch als 'Kritische Infrastrukturen'. Die damit verbundenen Risiken können sich - zumindest theoretisch - für Wirtschaftsunternehmen, die Politik oder ganze Bevölkerungsgruppen existenzbedrohend entwickeln. Sie müssen deshalb sowohl transparent als auch kalkulierbar gemacht werden.
Beides ist heute weitgehend nicht der Fall. Weder eine Dramatisierung noch Schönfärberei führen hier weiter. Was wir brauchen, ist eine nüchterne, objektive Bewertung und ein Zusammenwirken aller betroffenen Wirtschaftszweige, der Politik und der gesellschaftlichen Kräfte. I. Ein Szenario
Freitag Nachmittag, 16.00 Uhr: Die Verkehrsleitzentrale ist voll besetzt, fast jeder hat noch ein Handy mitgebracht, das eigene oder eines bei Freunden oder Verwandten geliehen. Drei Wochen vorher, bei kleiner Besetzung, ging der plötzliche Ausfall aller Ampelanlagen einher mit einem Fehler der internen Telefonanlage (TK-Anlage), so dass eine koordinierte Reaktion kaum möglich war. Die in der folgenden Woche in einer Krisensitzung vereinbarten Verhaltensmaßnahmen helfen zwar bei der Wiederholung des Vorfalls eine Woche später - wieder ist der Grund nicht erkennbar, wieder ist nach zwei Stunden wie von Geisterhand alles im Normalzustand.
Fast alles. Obwohl nach Aussagen des Herstellers ein Abhören der TK-Anlage von außen aufgrund der gewählten Konfiguration und Sicherheitsmaßnahmen ausgeschlossen sein sollte, gab es Hinweise, dass jemand mithört. Außerdem gab es beim zweiten Mal zur gleichen Zeit weitere Vorfälle. Jeder für sich sah nach einem zufälligen Ereignis aus, und bei keinem fanden sich klare Ursachen. Letzte Woche passierte dann nichts mit den Ampeln. Aber der Stromausfall beim E-Werk hatte einen Makel: Es gab zwar ein Gewitter, und ein Forschungsinstitut der Meteorologen registrierte auch Blitze, nur keinen, der den festgestellten 'Blitzeinschlag' hätte verursachen können: kein Blitz im Umkreis von 3 km. Und den schrittweisen Ausfall aller Geldautomaten in der Innenstadt kurz danach konnte weder dieser Stromausfall noch sonst etwas 'Natürliches' erklären.
Mittwoch dieser Woche sickerte dann durch, dass ein Teil der Bankautomaten während dieser 'Abschaltung' manipuliert worden sein musste, da sich Beschwerden über nicht von den Kontoinhabern durchgeführte Bargeldabhebungen häuften. Die Presse stellte bald fest, dass dieses Problem auch in anderen Städten auftrat. Und dass es in diesen Städten während der letzten vier bis sechs Wochen gehäuft zu Ereignissen gekommen war, bei denen 'kritische Infrastrukturen' zeitweilig gestört oder manipuliert waren. Am Freitag fanden sich dann Spuren, dass ein Außenstehender sich Zugang zum zentralen Computer der Leitzentrale verschafft hatte - und Hinweise, dass für heute weitere Aktionen geplant sind. Nur was, wann und wo weiß niemand.
Der plötzliche Ausfall des Stroms im Gebäude trifft uns nicht unerwartet. Unerwartet ist aber, dass das am Morgen überprüfte und mit zusätzlichen Tanks ausgestattete Notstromaggregat nicht anspringt. Und für die Handies, die eben noch bei allen Netzen guten Empfang anzeigten, ist nur noch ein Netz schwach verfügbar und schnell hoffnungslos überlastet.
Die Medien reagieren heftig auf die Kumulation der Ereignisse. Die Unruhe in der Bevölkerung wächst. Der Druck auf die Politik und der Ruf nach Sicherheit und Ordnung werden immer gewaltiger. Doch wer soll was tun? Welche Ziele, welche Akteure stecken dahinter, kommt die Bedrohung von innen oder von außen? Ist dies bald mögliche Realität oder noch reine Science Fiction? II. Lage und Prognose
Das 'Jahr-2000-Problem' wurde dank guter Vorsorge zum Nicht-Ereignis, obwohl viele Sicherheitsexperten gehofft hatten, dass einige spektakuläre Vorfälle die Gesellschaft aufrütteln würden - vom Normalverbraucher bis hin zum Top-Management. Die Internet-Task-Force des Innenministeriums und die von ihr bisher veröffentlichten Vorschläge oder die gemeinsame Initiative von Innenministerium, Wirtschaftsministerium und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) 'Sicherheit im Internet' sind Schritte in die richtige Richtung; sie sind erste Reaktionen auf Bedrohungen von außen, aber nicht die Lösung des Grundproblems.
Sicherheitsmaßnahmen wie Firewalls, Virenschutz, Virtual Private Networks (VPNs), digitale Signaturen und Verschlüsselung sind notwendig, aber nicht hinreichend, um mit einer Situation wie der oben geschilderten umgehen und sie richtig einschätzen zu können. Es ist erforderlich, Vorkehrungen zu treffen, damit die bestehenden Bedrohungen schnell entdeckt und so umfassend bekannt werden, dass auftretende Probleme auf diese Bedrohungen zurückgeführt werden können.
Die naheliegenden 'Bedrohungen im Informationszeitalter' - angefangen bei Viren bis hin zu Lücken in Betriebssystemen, Internet-Browsern oder Chips - werden von Sicherheitsexperten weltweit mit etwa ebensoviel Energie gesucht wie von Hackern, und zunehmend von kriminellen Kräften im Hinblick auf Wirtschaftsspionage oder Terrorismus. So verschieden wie die Täter und ihre Motivation, so unterschiedlich können ihre Ziele sein. Angreifer können Bedrohungen und Schwachstellen ausnutzen; die Gegenseite wird versuchen, sie zu identifizieren und zu verstehen, sie muss davor warnen und Gegenmaßnahmen entwickeln, diese anbieten und einsetzen.
Das Problem liegt weniger darin, dass es hier keine Erfolge gibt oder dass die Informationen über Vorfälle nicht schnell und offen verfügbar sind - das Internet bietet hier vielfältige Möglichkeiten -, als vielmehr darin, dass viele die Bedrohungen zwar sehen, sie aber nicht auch auf sich und ihre eigenen Systeme beziehen.
Die Gefährdung bedingt sich aber nicht allein dadurch, dass nicht alle bekannten Schwachstellen mit bekannten Maßnahmen geschlossen werden können, sondern vor allem dadurch, dass es grundsätzlich eine hundertprozentige technische Sicherheit nicht geben kann. Gleichzeitig stellen wir fest, dass lebenswichtige Infrastrukturen immer stärker von der Informationstechnik (IT) abhängen, bis hin zu selbststeuernden, ja sogar selbst entscheidenden IT-Systemen. Als Folge davon kumulieren in komplexen vernetzten Systemen die Risiken und werden immer schwerer vorhersehbar und kontrollierbar.
Tatsache ist, dass ständig neue Schwachstellen entdeckt werden, dass durch Einführen neuer Komponenten in Soft- und Hardware, selbst durch Änderungen der Dienste, die man nutzt, z. B. Telekommunikation, Internet-Provider, Web-Server, neue Schwachstellen entstehen. Gleichzeitig werden auf Seiten der Angreifer ständig neue Verfahren entwickelt und ausprobiert. Die zunehmende Komplexität der Systeme, hohe Innovationsraten, gegenseitige Abhängigkeiten und ihre Verzweigung in alle gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bereiche lassen diese neuen Risiken möglich werden, ja sie animieren geradezu, ständig neue Angriffsformen auszuprobieren.
Verschärft werden sich aber auch und vor allem die Abhängigkeiten von wenigen Hardware- und Software-Lieferanten auswirken, die sich über das Marktmonopol zu einem Machtmonopol entwickeln können. Die Abhängigkeit von der Versorgung, z. B. mit Speicherchips, ist die eher noch harmlose Seite der Medaille. Diffiziler wird die Sache, wenn man nicht mehr weiß, was eigentlich alles in die Hard- und Software 'eingebaut' ist. Aus diesem Grunde hat z. B. die EU eine eigene 'Kryptopolicy' gegenüber den USA formuliert.
Zusätzliche Schwächen entstehen durch die Vernetzung über die Grenzen hinweg, die sowohl die Lokalisierung und Identifizierung von Tätern wie auch die Strafverfolgung erschwert bis unmöglich macht. Diese Fakten müssen in das Bewusstsein aller Anwender eingeprägt werden wie das alltägliche Gefährdungsrisiko bei Teilnahme am Straßenverkehr. Erst dann wird es gelingen, geeignete Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die über die klassischen und lokalen IT-Sicherheitsmaßnahmen hinausgehen. Um dieses Bewusstsein zu schaffen und uns rechtzeitig auf diese Entwicklungen einzustellen, sind eine Reihe von Maßnahmen notwendig. Was andere Länder hier schon tun und was bisher in Deutschland geschieht , beschreiben die nächsten Kapitel. Der Artikel endet mit Vorschlägen, wie diese Arbeit in Deutschland fortgeführt und intensiviert werden sollte. III. Sicherheitsmaßnahmen in anderen Ländern
1. Die Situation in den USA
Die USA sind 'extrem verwundbar durch elektronische Attacken' . Der Grund für diese Verletzlichkeit liegt hauptsächlich in der Abhängigkeit der verschiedenen Infrastrukturen von Computernetzwerken. Am 13. 10. 1997 hat die Presidential Commission on Critical Infrastructure Protection (PCCIP) ihren Abschlussbericht 'Critical Foundations' vorgelegt, aus dem hervorgeht, wie wichtig es ist, die kritischen Infrastrukturen zu schützen . Bewertet werden die Infrastruktur-'Branchen' Information und Kommunikation, Banken- und Finanzwesen, Elektrizität-, Gas- und Ölversorgung, Verkehr und Transport, Wasserversorgung, Notfalldienste sowie die Systeme der Regierung und Verwaltung. Es wird dringend empfohlen, dass all diese Bereiche bei der Entwicklung entsprechend signifikanter Schutzmaßnahmen zusammenwirken.
Die Veröffentlichung der Presidential Decision Directive (PDD) 63 am 22. 5. 1998 diente dazu, die durch den Abschlussbericht der PCCIP gewonnenen Resultate in die Tat umzusetzen. Bis Ende des Jahres 2000 soll die Bereitschaft, gegen Attacken entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten, vorhanden sein; das wohl weitaus ehrgeizigere Ziel aber ist, bis Mai 2003 einen weitgehenden Schutz der kritischen Infrastrukturen zu erreichen. Der am 7. 1. 2000 vorgelegte Bericht 'National Plan for Information Systems Protection (Version 1.0)' beschreibt, wie ein umfassender Schutz dieser Bereiche innerhalb dieser Frist erreicht werden kann; er ist auch eine Aufforderung an alle betroffenen 'Branchen', sich an dem Programm zu beteiligen, und er bietet dazu den organisatorischen und finanziellen Rahmen auf Seiten der US-Regierung. Dieser Plan beinhaltet drei Ziele: 1. 'Vorbereiten und Verhindern' 2. 'Entdecken und Reagieren' sowie 3. 'Aufbau solider Grundlagen', ferner zehn Programme zur Erreichung dieser Ziele.
Hinsichtlich des ersten Ziels 'Vorbereiten und Verhindern' sind insbesondere Maßnahmen zu nennen, die darauf abzielen, die Interdependenzen der Infrastrukturen aufzuzeigen und die Schwachstellen in den Systemen zu beseitigen.
Zum zweiten Ziel 'Entdecken und Reagieren' zählen zum einen die Intrusion Detection Systems (IDS) - Systeme, die dazu dienen, Angriffe zu erkennen und unberechtigtes Eindringen aufzudecken. Diese IDS sollen auf Regierungsseite so vernetzt werden, dass ein sog. Federal Intrusion Detection Network (FIDNet) zur schnellen Entdeckung und leichteren Lokalisierung von Angriffen entsteht. Sobald eine Anomalie erkannt wird, werden entsprechende Maßnahmen eingeleitet und andere Behörden hiervon in Kenntnis gesetzt. Mechanismen sind zu entwickeln, um auf diese Angriffe mit entsprechenden Gegenmaßnahmen zu antworten, z. B. die Lokalisierung und Verfolgung von Angriffen. Beim dritten Ziel, dem 'Aufbau solider Grundlagen', handelt es sich zum einen um eine Gesetzgebung, die Gelder für die Umsetzung dieser Vorhaben bereitstellt: Im Jahr 2000 sind Ausgaben von 1,737 Mrd. US-Dollar vorgesehen. Zum anderen sollen Spezialisten für die IT-Sicherheit ausgebildet und eingestellt werden, womit auch den Bildungsstätten eine besondere Aufgabe zuteil wird.
Die zehn Programmpunkte umfassen u. a. die gemeinsame Nutzung von Informationen, den Aufbau von Fähigkeiten zur besseren Informationsgewinnung und Gegenreaktion, Forschungs-, Ausbildungs- und Öffentlichkeitsprogramme so-wie die notwendige Anpassung von Gesetzgebung und Strafverfolgung.
2. Die Situation in Europa
Bisher haben sich nur relativ wenige Staaten, unter ihnen in Ansätzen auch Deutschland, dazu veranlasst gesehen, Einrichtungen zu etablieren, die ihre Aufmerksamkeit dem Schutz der kritischen Infrastrukturen widmen. Die EU-Kommission hat begonnen, sich mit der Thematik zu befassen (vgl. unten Kap. V, 6).
Skandinavien
Sowohl Finnland als auch Norwegen sind im Begriff, sich mit dem Schutz der kritischen Infrastrukturen zu befassen, zumindest sind sie auf die Gefahren aufmerksam geworden. In Finnland hat z. B. das Finanzministerium auf Cyberkriminalität und Cyberbedrohungen hingewiesen und neue bzw. schärfere Gesetze in diesem Zusammenhang gefordert. Norwegen ist schon einen Schritt weiter. Das Parlament hat unter Vorsitz des ehemaligen Premierministers Kaare Willoch ein spezielles Komitee damit beauftragt, eine Analyse der Verletzlichkeiten und des Schutzes der kritischen Infrastrukturen durchzuführen. Schutz und Verteidigung der Infrastrukturen sind in Schweden stark militärisch geprägt. Die Gefahren sind offensichtlich erkannt; 1997/98 wurden zwei Berichte mit Empfehlungen zum Rundumschutz der schwedischen Infrastrukturen verfasst. An der Entwicklung entsprechender Maßnahmen ist das Schwedische National Defense College beteiligt.
Die Situation in Dänemark beschränkt sich hauptsächlich auf den Schutz der Netzwerke der Regierung. Hierfür ist das 1995 gegründete Danish Government IT Security Council im Ministerium für Forschung und IT zuständig. Meldungen über einen Bericht, der die Gefahren des Internets aufzeigen soll, sind ein Indiz dafür, dass auch Dänemark mit dem Schutz der kritischen Infrastrukturen ernst machen will.
Spanien
Über Spanien sind keine Bestrebungen bekannt, seine Infrastrukturen ausreichend zu schützen. Das dort vorhandene Rapid Alert Network dient nur der Überwachung der Systeme in der Regierung bzw. der öffentlichen Verwaltung. Die jeweiligen Netzwerke werden systematisch nach schädlichen Programmen (Viren, Trojanischen Pferden, Worms etc.) durchsucht.
Großbritannien
Hier ist das National Infrastructure Security Coordination Centre (NISCC) mit dem Schutz der Infrastrukturen beauftragt worden. Es soll die vorhandenen Bestrebungen in den verschiedenen Ministerien, Ämtern und im Privatsektor koordinieren. Die erhöhte Achtsamkeit gegenüber Informationsangriffen, Maßnahmen zum Schutz davor und die Einleitung entsprechender Gegenmaßnahmen sind weitere Ziele des NISCC. Das Forum Information Assurance Advisory Council (IAAC) wird von Infrastrukturbetreibern gesponsert; es arbeitet an Studien zum Infrastrukturschutz.
Italien/Frankreich
Obwohl Italien und Frankreich zu den weltweit führenden Wirtschaftsnationen zählen, ist man dort mit dem Schutz der Infrastrukturen nicht sehr intensiv beschäftigt. Zwar sind in den Geheimdiensten IT-Sicherheitsorganisationen vorhanden, jedoch mit dem Schutz der kritischen Infrastrukturen ist noch keine Stelle beauftragt worden. Auch hier begnügt man sich bisher mit dem Schutz der Systeme der Regierung bzw. der öffentlichen Verwaltung. Es handelt sich hierbei um die Autorità per l'Informatica nella Pubblica Amministrazione (AIPA) in Italien und das Service Central de la Securité des Systèmes Informatiques (SCSSI) in Frankreich. Erwähnenswert ist, dass in den Regierungssystemen nur Open-Source-Produkte benutzt werden: Software, deren Quellcode öffentlich zugänglich und damit transparent und gegen Sicherheitsfallen besser gewappnet ist.
Schweiz
In der Schweiz findet man wohl die am weitesten organisierte Einrichtung in Europa, die ihre Aufmerksamkeit dem Schutz der kritischen Infrastrukturen widmet, nämlich die 'Stiftung InfoSurance' . Sie wird von den Firmen gefördert, die die Infrastrukturen 'in ihren Händen' halten. Sie setzt sich aus Mitgliedern der Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft zusammen. Sensibilisierung und Koordination zwischen den Verantwortlichen der IT-Sicherheit zählen derzeit zu den Hauptaufgaben. In den folgenden Jahren kommen die Erkennung von Schwachstellen und deren Schutz hinzu. Präventivmaßnahmen, Frühwarnsysteme und die Erstellung von Notfallplänen gehören zu den weiteren Zielen. Die Arbeiten der Stiftung werden über Beiträge der Mitglieder finanziert. Das Budget für einen Zeitraum von vier Jahren beträgt nur 4,5 Mio. SFr. Allerdings hat der 'Bereich für IuK' des Bundesamtes für wirtschaftliche Landesversorgung weitere Unterstützung in Aussicht gestellt. IV. Deutschland
Obwohl Deutschland kein ganz so attraktives Ziel für kriminelle Organisationen oder Terroristen ist wie die USA es sind, kann es sich nicht leisten, den Schutz der Infrastrukturen weniger ernst zu nehmen. Bereits relativ früh wurde auf politischer Ebene durch eine 1995 beschlossene Enquete-Kommission auf IT-Sicherheitsrisiken hingewiesen .
Unmittelbar nach der Veröffentlichung des PCCIP-Berichtes der USA hat der damalige Innenminister Manfred Kanther das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) beauftragt, eine ähnliche Analyse der kritischen Infrastrukturen durchzuführen. Die Federführung der Initiative 'Kritische Infrastrukturen' (KRITIS) liegt beim BMI. Die nachgeordnete Arbeitsgruppe des BSI hat unter Mitwirkung aller möglicherweise betroffenen Bundesressorts schließlich dem BMI den Abschlussbericht vorgelegt. Er beinhaltet Vorschläge für Maßnahmen ähnlich denen der USA. Obwohl der Bericht immer noch nicht veröffentlicht wurde und mit der Veröffentlichung laut BMI auch noch nicht zu rechnen ist, sind einige Empfehlungen schon erkennbar, so die Einrichtung einer zentralen Virenmeldestelle.
Nachdem eine Reihe von namhaften Unternehmen wie Yahhoo.com, CNN.com, Ebay.com, ZDNet.com und Amazon.com Opfer von DDoS-Attacken wurden, hat Innenminister Otto Schily im Frühjahr eine Internet-Task-Force ins Leben gerufen. An dieser Task-Force sind zwölf ständige Mitglieder aus verschiedenen Ministerien (Innen, Justiz, Wirtschaft), dem BSI und dem Bundeskriminalamt (BKA) beteiligt. Zu ihren Kernaufgaben zählt die Analyse der Schwachstellen in Deutschland. Ihr erstes Ergebnis war die Bereitstellung von Maßnahmenkatalogen zum Schutz von PCs bzw. von Systemen sowohl für den Privatanwender als auch für Systemadministratoren. Vorwiegend werden technische Maßnahmen empfohlen, die vor schädlichen Programmen bzw. vor Attacken bisher bekannt gewordener Art schützen.
Die dritte Einrichtung, die sich dem Schutz kritischer Infrastrukturen widmet, ist der Arbeitskreis 'Schutz kritischer Infrastrukturen' (AKSIS), gegründet auf Initiative der Firma IABG und des Verteidigungsministeriums . In diesem Kreis sind Energieversorger, Telekommunikationsanbieter, Bahn- und Luftverkehr, Banken, kommunale Verwaltungen, interessierte Bundesländer und Bundesressorts, das BSI, Sicherheitsdienste, Forschungseinrichtungen u. v. m. vertreten. Was zunächst als freiwilliger Informations- und Erfahrungsaustausch begann, entwickelt sich mehr und mehr zu dem interdisziplinären Forum für kritische Infrastrukturen in Deutschland. Sobald eine politische Grundsatzentscheidung getroffen ist, steht dieser Kreis im Prinzip auch für die Erarbeitung und Umsetzung eines konkreten übergreifenden Programms zur Verfügung. Die Abstimmung mit KRITIS oder ggf. einer Nachfolgeorganisation ist gewährleistet. V. Ein Programm zum 'Schutz Kritischer Infrastrukturen'
Gehen wir von der leider nur theoretischen Annahme aus, dass jedes sicherheitsbewusste Unternehmen, jede öffentliche Behörde für sich IT-Sicherheitsprogramme und entsprechende Schutzvorkehrungen etabliert hat. So weit so gut. Allerdings haben weiträumige Vernetzung und die gegenseitigen Abhängigkeiten von Infrastrukturen ein Ausmaß erreicht, bei dem Einzelmaßnahmen oft nicht mehr ausreichen: Eine Bank funktioniert nur mit einem weltweit sicheren Datennetz und die Bahn nur mit einer entsprechenden Stromversorgung, ein Großflughafen ist nur mit hochkomplexen, vernetzten DV-Verfahren arbeitsfähig. Betriebe und ganze Branchen sind von Infrastrukturen abhängig, die andere bereitstellen, und fast alles hängt mit Informationstechnik - Rechnern, Software und Netzen - zusammen.
Es wird deshalb ein gemeinsames Schutzprogramm aller Beteiligten und potenziell Betroffenen - also Firmen, Branchen, Verbände, Sicherheitsdienste, öffentliche Verwaltung, Politik, Forschung und Medien - notwendig. In anderen Ländern ist diese Erkenntnis z. T. schon weiter fortgeschritten als in Deutschland. Die Initiative des damaligen Innenministers Kanther im Herbst 1997 war ein wichtiger erster Schritt auf Bundesebene. Viel hat sich seither in Deutschland allerdings nicht bewegt.
1. Eine Strategie
Eine konzertierte Aktion von Wirtschaft, Politik und Verwaltung wird immer dringlicher. Ein Grundkonsens muss unter den potenziell Beteiligten und Betroffenen herbeigeführt werden. Gemeinsam und rechtzeitig müssen wir Ziele definieren und uns auf das frühe Erkennen, die schnelle Abwehr und Schadensbegrenzung vorbereiten. In einer gemeinsamen, von einem sicherheitspolitischen Willen und Entschluss getriebenen Initiative müssen Wirtschaft und Politik, Öffentliche Verwaltung und Sicherheitsdienste, Verbände und gesellschaftliche Kräfte ein Aktionsprogramm definieren und etablieren, mit dem wir uns der veränderten Situation stellen (siehe Abbildung).
Die Bundeswehr hat sich schon seit den siebziger Jahren mit IT-Sicherheit und seit etwa fünf Jahren mit Informationskriegsführung und 'Informationsoperationen' intensiv befasst . Die zivile Seite ist demgegenüber relativ unvorbereitet. Einem gezielten, weltweit organisierten massiven Angriff auf das Datennetz einer Großbank z. B. können wir heute weder institutionell noch technisch (ausreichend schnell) begegnen. Auch wissen wir nicht, ab welchem Eskalationsgrad eigentlich wer zuständig ist: Der betroffene Betrieb, die Polizei oder gar die Bundeswehr?
2. Information
Zunächst müssen wir also erst einmal in Erfahrung bringen, welche IT-Strukturen durch realistisch anzunehmende Attacken wie verwundbar sind. Verwundbarkeiten und Risiken müssen kontinuierlich bewertet, die Informationen unter den Betroffenen über ein vertrauliches und vertrauenswürdiges Sicherheitsnetzwerk entsprechend ausgetauscht werden. Das Wissen über die gegenseitigen Abhängigkeiten der Infrastrukturen ist zu verbessern. Gleiches gilt für die gegenseitige Information über konkrete Vorfälle, über deren Auswirkungen sowie über die Wirksamkeit von Gegenmaßnahmen.
Doch wer teilt schon gerne seine Probleme und Schwachstellen anderen mit? Eine erste vertrauensbildende Maßnahme könnte daher ein Informationssystem sein, in das alle Partner anonymisiert Vorfälle melden und alle wiederum auf diesem anonymisierten Weg von den Erfahrungen anderer profitieren können. Ebenso dient die Verwendung vergleichbarer Methoden und Standards bei der Bewertung von Sicherheitsrisiken und der Einführung eines geeigneten Risiko-Managements dem besseren gemeinsamen Problemverständnis, der Bildung eines Kosten-Nutzen-Bewusstseins zu Sicherheitsmaßnahmen, der Kooperation bzw. der Verfolgung abgestimmter Schutzkonzepte innerhalb einer gemeinsamen Strategie. Es ist als außerordentlich problematisch zu bezeichnen, dass im Jahr 2000 die Hälfte aller befragten Unternehmen keine (Sicherheits-)Audits durchführen. Diese im Rahmen einer umfangreichen Studie gefundenen Schwachstellen im Sicherheitsbewusstsein und -handeln gilt es zu beseitigen.
Erfahrungsgemäß werden auch eine strengere Überwachung und Strafandrohung Angriffe nicht generell verhindern können. Neben Frühwarnung, Verfolgung und Krisenreaktion sind daher auch auf der Infrastrukturseite Verbesserungen wie fehlertolerante oder schadensresistente Strukturen notwendig. Die Möglichkeiten des Missbrauchs sind bereits bei der Produktentwicklung zu erkennen und zu berücksichtigen.
Aus einer staatlich-privaten Informations- und Kooperationspartnerschaft können schließlich entsprechende gemeinsame Versuche und Experimentalprogramme entstehen.
3. Warnung und Krisenreaktion
In einer weiteren Ausbaustufe können sich aus Informationszentren Lagezentren entwickeln, welche zeitnah Angriffsindikatoren und konkrete Vorfälle dokumentieren und über entsprechende Möglichkeiten der Alarmierung und Reaktion verfügen. Über verbreitete Standards zur Angriffserkennung (Intrusion Detection, Identifizierung von bösartigen Programmcodes, Methoden zur Rückverfolgung von Tätern usw.) sowie über ein geregeltes Meldeverfahren beteiligen sich die Mitglieder aktiv an der Erstellung und der Fortschreibung der aktuellen Lage.
Zunächst könnte eine solche Institution beratend-empfehlende Aufgaben wahrnehmen, im Zuge der Weiterentwicklung der Vertrauensbasis könnte sie aber auch aktiv im Sinne eines Krisenstabs in das Geschehen eingreifen und nach vereinbarten Regeln Schutz- und Gegenmaßnahmen sowie gegenseitige Hilfe einleiten, z. B. durch enge Zusammenarbeit lokaler Sicherungsmannschaften sog. CERTs (Computer Emergency Response Teams). Bereitstellen und Aktivieren von Mitteln für die Wiederherstellung der geschädigten Infrastruktur gehören ebenso zu den Aufgaben von Krisenzentren wie die gezielte Rückverfolgung und Identifizierung von Tätern.
Spätestens hier stellen sich Fragen nach regionalen und überregionalen Organisationsformen, nach Kompetenzen und Zuständigkeiten auf staatlicher Seite, auf privatwirtschaftlicher Seite und ggf. in einer staatlich-privaten Partnerschaft.
4. Politik und Rechtslage
Grundsätzlich sind Maßnahmen, welche die Lebensgrundlagen der Bevölkerung gefährden, völkerrechtlich gesehen kriegerische Handlungen. Es sollte allerdings nicht erst zum Äußersten kommen, um festzustellen, dass die Zuständigkeiten von Behörden und Organisationen mit sicherheitsrelevanten Aufgaben (BOS) für den Fall von Informationsangriffen nicht geregelt sind. Auch ist nicht klar, ab welcher Bedrohung welche Gegenmaßnahmen eingeleitet werden und welches Eskalationsschema greift - ganz zu schweigen von ggf. notwendigen Konsultationsprozeduren im internationalen Umfeld z. B. zu Nachbarländern, innerhalb der EU oder der NATO. Noch verzwickter kann die Situation werden, wenn massive Angriffe offensichtlich oder anscheinend in einem befreundeten Land ihren Ursprung haben. Und welche Zuständigkeiten haben in komplexen bedrohlichen Fällen die diversen Bundesressorts - Inneres, Äußeres, Wirtschaft, Verkehr, Verteidigung, Umwelt, die Länder, die Kommunen? Nach welchen Regeln wird verfahren?
Die Sicherheit unserer Infrastrukturen ist zu einem wichtigen Aktionsfeld politischen Handelns geworden: Wir müssen unsere Fähigkeiten verbessern und institutionalisieren, um die Absichten zur Ausnutzung der Informationstechnik für feindliche oder demokratiegefährdende Aktionen zu erkennen, zu beurteilen, zu verhindern oder, wenn es sein muss, zu bekämpfen. Dem Abwandern der rechtsradikalen Szene auf US-amerikanische Web-Server beispielsweise steht die deutsche Politik und Strafverfolgung hilflos gegenüber. Die Strafgesetze und die Mittel der Exekutive sind anzupassen und zu stärken. Die internationale Kooperation ist zu verbessern. Gleichzeitig sind auch die Chancen der Informationstechnologie besser zu nutzen, insbesondere die des Internets vor allem zur präventiven Strafverfolgung. Schließlich sind nach entsprechendem Regierungsbeschluss die Ressort-Federführung festzulegen, die Aufgaben zu organisieren und zu verteilen sowie Haushaltsmittel für ein Programm 'Schutz Kritischer Infrastrukturen' einzuplanen.
Bei aller Notwendigkeit zur Überwachung, Meldung, ggf. von Eingriffen in geschützten Sphären ist darauf zu achten, dass die Rechte aus dem Datenschutz und sonstige bürgerliche Freiheitsrechte, das 'Recht auf informationelle Selbstbestimmung' so wenig wie möglich eingeschränkt werden.
5. Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung
Sicherheit kostet Geld . Sicherheit ist nur in den seltensten Fällen ein Kriterium, das sich direkt in Umsatz, Gewinn oder sonstige positive Erfolgsfaktoren umsetzen lässt. Sicherheit macht in der Regel Negativschlagzeilen - kurzum, das Thema ist allgemein unbeliebt. Beim richtigen Umgang damit können Sicherheit und Schutz aber sehr wohl auch als Erfolg dargestellt werden. Es wird daher dringend empfohlen, das Thema 'Schutz Kritischer Infrastrukturen' sowohl auf politischer wie wirtschaftlicher Ebene zur Chefsache zu machen. Notwendig ist auch eine stärkere Ausrichtung von Forschung und Ausbildung auf diese Thematik, unterstützt durch gezielte Forschungsaufträge zu Schlüsselthemen wie Intrusion Detection oder Code-Analyse.
Die Energie von Hackern kann in solchen Programmen durchaus positiv genutzt werden , wie beispielsweise die Personalrekrutierung des CIA zeigt; schließlich müssen auch die Medien wesentlich intensiver als bisher für die Aufklärung und einen Bewusstseinsprozess in der Bevölkerung mobilisiert werden. IT-Sicherheit muss Bestandteil des Alltagsverhaltens bei der Nutzung von Datensystemen werden.
6. Internationale Kooperation
Großkonzerne arbeiten grenzüberschreitend. Gleiches gilt heute für alle größeren Infrastrukturen. Parallel zu einem nationalen Programm sind daher die Entwicklungen in den wichtigsten EU-Ländern, in der EU selbst (im Rat und in der Kommission), in den USA und in der NATO aufmerksam zu verfolgen, ggf. mitzugestalten. Zur Zeit entstehen z. B. im IST-Programm (Information Societies Technologies) und dem 'Europe2002 Action Plan' der EU erste Projekte zum Thema 'Critical Infrastructure Dependability and Protection'. Die NATO hat ihre Information Warfare-Strategie formuliert.
Sowohl seitens der Wirtschaft als auch der Politik wird darauf zu achten sein, dass nationale Aktivitäten und Programme zum Schutz kritischer Infrastrukturen möglichst widerspruchs- und konfliktfrei insbesondere zu europäischen Initiativen bleiben. Dies gilt sowohl für Fragen der IT-Standards, für die Gesetzgebung als auch für Formen des Informationsaustauschs und der Kooperation. Als positives Beispiel sei hier der Beschluss der Regierungschefs der G8-Staaten hervorgehoben, sich mit der Thematik aus rechtlicher und technischer Sicht auseinander zu setzen , ein Startpunkt für entsprechende internationale Vereinbarungen über Strafverfolgung und Rechtshilfe.
Arnaud de Borchgrave, Centre for Strategic and International Studies (CSIS).
National Plan for Information Systems Protection Version 1, The White House, Washington 2000.
Vgl. www.bsi.bund.de und www.sicherheit-im-internet.de.
Vgl. u. a. die Foren der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT), Chancen und Risiken des Faktors Information - Auswirkungen auf Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Militär, November 1997, und Information Warfare oder Information Assurance? - Szenarien, Konzepte, Methoden und Werkzeuge, November 1998.
National Plan (Anm. 2).
Vgl. Critical Foundations - Protecting America's Infrastructure, www.pccip.gov.
Vgl. www.infosurance.ch.
Vgl. Enquete-Kommission Zukunft der Medien und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, vierter Zwischenbericht zum Thema Sicherheit und Schutz im Netz vom 22. Juni 1998.
Vgl. Anm. 3.
Distributed Denial of Service-Attacken werden auf mehreren Rechnern gestartet. Der Sinn und Zweck dieser Attacken besteht darin, das Opfer (Server) mit vielen gleichzeitigen Internet-Anfragen zum Absturz zu bringen.
AKSIS: Arbeitskreis Schutz von Infrastrukturen; Kontakt: Reinhard Hutter, IABG mbH/IK, Einsteinstr. 20, 85521 Ottobrunn, Tel. 089/60 88-25 24; Fax 089/60 88-24 60; E-Mail: hutter@iabg.de, Dr. Uwe Nerlich, IABG mbH/Zentrum für Europäische Strategieforschung, Einsteinstr. 20, 85521 Ottobrunn, Tel. 089/60 88-39 00; Fax: 089/60 88-22 07, E-Mail: nerlich@iabg.de.
Vgl. Anm. 4 sowie Bernt Dunker/Wolfgang Haas, Battle for Information Superiority, AFCEA EUROPE, 20. April 1999.
Vgl. META Group, Enterprise Security in Deutschland, München 1999; Reinhard Hutter, Critical Infrastructures - What is new and what needs to be done, in: Armed Forces Communication and Electronic Association (AFCEA), München 1999.
Vgl. Wirtschaftlichkeit der IT-Sicherheit, Studie des BSI, Bonn 1999.
Böse Buben von einst wandeln sich zu Sicherheitsexperten, in: Computerwoche, Nr. 32 vom 11. 8. 2000.
eEurope2002, An Information Society for All, Draft Action Plan, Commission of the European Communities, 24. 5. 2000, COM (2000) 330 final.
Vgl. G8-Conference, A government/Industry dialogue on safety and confidence in cyberspace; Vorbereitung BMJ, GeschZ. 9520/9-69-6 vom 22. 3. 2000; Press Release G8-Conference, 15.-17. Mai 2000, Paris.
| Article | Hutter, Reinhard | 2021-12-07T00:00:00 | 2011-10-04T00:00:00 | 2021-12-07T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/25400/angriffe-auf-informationstechnik-und-infrastrukturen/ | Die IT-Sicherheit ist auch das Thema von Reinhard Hutter. Je wichtiger die elektronischen Netzwerke für alle Bereiche des Alltags werden, desto größer wird ihre Gefährdung. | [
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Pädagogik bei Nicht/Behinderung | inklusiv politisch bilden | bpb.de | Mit der Verwendung dieses Begriffes wird der Vorschlag von Christian Lindmeier (2018) aufgegriffen, der fordert, die Sonderpädagogik in eine »Pädagogik bei Nicht/Behinderung« zu transformieren. Der Gewinn dieser Perspektive liegt darin, Behinderung und Nichtbehinderung in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit zu thematisieren. Behinderung wird dabei als sozial hergestellt verstanden, was bedeutet, dass diese Herstellung nicht in allen Situationen relevant ist. Die Pädagogik bei Nicht/Behinderung setzt sich daher auch immer damit auseinander, was sie selbst zu einem solchen Herstellungsprozess beiträgt. Sie denkt die Ambivalenz aus Anerkennung von Differenz und ihre zugleich adressierende Wirkung mit: Die Anerkennung einer Behinderung hilft dabei, Inklusions- und Exklusionsprozesse zu reflektieren oder notwendige Ressourcen zuzuweisen, zugleich bringt diese Anerkennung auch die Festschreibung einer Behinderung mit sich.
Literatur: Lindmeier, Christian (2018): Differenz, Inklusion, Nicht/Behinderung. Grundlinien einer diversitätsbewussten Pädagogik. Stuttgart.
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-17T00:00:00 | 2021-06-17T00:00:00 | 2021-06-17T00:00:00 | https://www.bpb.de/lernen/inklusiv-politisch-bilden/335004/paedagogik-bei-nicht-behinderung/ | [
"Behinderung und Inklusion"
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Weltflüchtlingstag 2015 | Hintergrund aktuell | bpb.de | Weltweit knapp 60 Millionen Menschen auf der Flucht
Ende des vergangenen Jahres befanden sich 59,5 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht vor Kriegen, Konflikten und Verfolgung. Das berichtet der neue Externer Link: Global Trends Report, den das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, am 18. Juni 2015 veröffentlicht hat. Dabei handelt es sich um die größte Zahl an Flüchtlingen, die das Flüchtlingshilfswerk bisher verzeichnet hat. Zum Vergleich: Die Zahl entspricht in etwa der Einwohnerzahl Italiens. Täglich wurden durchschnittlich 42.500 Menschen zu Flüchtlingen, Asylsuchenden und Binnenvertriebenen. Die meisten von ihnen führte ihre Flucht in die Türkei (1,59 Millionen), nach Pakistan (1,51 Millionen), Libanon (1,15 Millionen), in den Iran (982.000), nach Äthiopien (659.500) und Jordanien (654.100).
Flucht, Vertreibung und Asyl
2001 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen den 20. Juni zum Weltflüchtlingstag erklärt. In jenem Jahr feierten das UNHCR und das "Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge" (Externer Link: Genfer Flüchtlingskonvention) ihren 50. Jahrestag. Letzteres definierte erstmals völkerrechtlich, wer als Flüchtling gilt und damit in den Unterzeichnerstaaten unter dem Schutz des Abkommens steht. Von den fast 60 Millionen Menschen, die sich derzeit auf der Flucht befinden, gelten 19,5 Millionen als anerkannte "Flüchtlinge" (2013: 16,7 Millionen). Flüchtling ist laut der Genfer Flüchtlingskonvention eine Person, die "...aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will." (Art. 1A Abs. 2 der Externer Link: GFK von 1951) Wer seine Heimat aus anderen – zum Beispiel wirtschaftlichen – Gründen verlässt, gilt hingegen als Migrant. Darüber, ob eine Person als Flüchtling oder Migrant gilt, entscheidet das Asylverfahren. Derzeit gibt es weltweit etwa 1,8 Millionen Asylsuchende (2013: 1,2 Millionen), die noch auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten. Hinzu kommen Binnenvertriebene; das sind Menschen, die zwar aus ähnlichen Gründen wie "Flüchtlinge" auf der Flucht sind, die aber ihr Heimatland nicht verlassen haben. Damit sind Binnenvertriebene besonders gefährdet, weil sie legal weiterhin offiziell unter dem Schutz ihrer eigenen Regierung stehen, auch wenn diese die Ursache für ihre Flucht ist. Gleichzeitig stellen sie die größte Gruppe von Menschen auf der Flucht dar: 38,2 Millionen (2013: 33,3 Millionen).
Viele Konflikte, kaum Lösungen
Auslöser für die verstärkte Flüchtlingswelle war der Interner Link: Syrienkonflikt im Jahr 2011. Es überrascht daher nicht, dass die meisten Flüchtlinge weltweit (3,88 Millionen) aus Syrien stammen – gefolgt von Afghanistan (2,59 Millionen Flüchtlinge) und Somalia (1,11 Millionen Flüchtlinge). Insgesamt sind innerhalb der vergangenen fünf Jahre mindestens 15 neue Konflikte auf der Welt entflammt oder erneut ausgebrochen, von denen bisher nur wenige wieder beigelegt wurden. Vielen Flüchtlingen bleibt dadurch der Weg zurück in ihre Heimat versperrt: Laut UNHCR-Bericht konnten 2014 nur 126.800 Menschen zurückkehren – so wenige, wie zuletzt vor 31 Jahren. Die Situation für die Flüchtlinge hat sich auch verschärft, weil wesentlich mehr Menschen den besonders gefährlichen Weg übers Meer suchen – über das Mittelmeer, den Golf von Aden, das Rote Meer oder die Gewässer in Südostasien.
Genfer Flüchtlingskonvention und UNHCR
Die Genfer Flüchtlingskonvention Die "Genfer Flüchtlingskonvention", genauer: das "Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge", steht in der Tradition internationaler Menschenrechtsdokumente, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Schutz des Individuums zur universellen Aufgabe erklärten. Sie wurde am 28. Juli 1951 in Genf auf einer UN-Sonderkonferenz verabschiedet und beinhaltet neben der Definition des Flüchtlingsbegriffs weitere Prinzipien, wie das Verbot der Ausweisung und Zurückweisung. Dies bedeutet, dass kein Flüchtling in eine Region abgeschoben werden darf, in der sein Leben oder seine Freiheit bedroht sind (Art. 33 Abs. 1). Gleichzeitig werden Rechte von Flüchtlingen definiert, wie die Religionsfreiheit und das Recht auf Arbeit, und bestimmte Personengruppen vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen – etwa Kriegsverbrecher. Da die Genfer Flüchtlingskonvention vor allem auf den Schutz europäischer Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg abzielte, wurde sie 1967 durch ein Protokoll erweitert, das Menschen weltweit Schutz und Unterstützung garantieren sollte. Die bis heute 147 Unterzeichnerstaaten von Konvention und/oder Protokoll sind unter anderem dazu verpflichtet, Flüchtlingen Zugang zu medizinischer Versorgung, Bildung und Sozialleistungen zu gewähren. Die Beachtung der Konvention ist im "Vertrag von Lissabon" (Artikel 78 und Protokoll Nr. 24) und in der "EU-Grundrechtecharta" (Artikel 18) festgeschrieben.
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) ist sowohl ein persönliches Amt als auch eine Behörde der Vereinten Nationen. Das persönliche Amt wird seit 2005 von António Guterres bekleidet. Für das UNHCR, gemeinhin auch als UN-Flüchtlingshilfswerk bezeichnet, arbeiten weltweit über 9300 Personen; es bietet Schutz und Hilfe für Flüchtlinge. Sein Budget beträgt im Jahr 2015 nach eigenen Angaben 6,8 Milliarden US-Dollar (ca. 6.1 Milliarden Euro).
Über das Meer
Hierzulande ist vor allem die Situation im Mittelmeer im Fokus der Öffentlichkeit, wo immer wieder Flüchtlinge auf der gefährlichen Überfahrt und auf zum Teil seeuntauglichen Schiffen ihr Leben riskieren. Auf die sich häufenden Schiffsunglücke hat die EU im April reagiert, indem sie die Mittel für die Seenotrettung auf das Niveau der italienischen Marineoperation Mare Nostrum anhob. Mare Nostrum war im Herbst 2014 aus Kostengründen eingestellt worden. Neben dem höheren Budget soll es ein härteres Vorgehen gegen Schlepper geben. Geplant ist, dass mehrere EU-Mitglieder, darunter Deutschland, (weitere) Kriegsschiffe ins Mittelmeer entsenden, um Boote von Schleusern zu zerstören, bevor diese sie einsetzen können. Außerdem sollen sie bei der Rettung im Mittelmeer mithelfen. Die deutsche Marine beteiligt sich seit Anfang Mai 2015 an den Rettungsmaßnahmen im Mittelmeer. In ihren ersten sechs Wochen hat sie fast 3.500 Menschen aus Seenot gerettet.
Prekär ist auch die Lage der Menschen, die auf Booten im östlichen Indischen Ozean treiben. Diese kommen meist aus Myanmar – viele von ihnen Angehörige der muslimischen Rohingya-Minderheit – oder Bangladesch und versuchen, nach Thailand, Malaysia und Indonesien zu gelangen. Im Mai wurden nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks fast 4.800 von ihnen auf hoher See gerettet. Nachdem sich die drei Länder zunächst weigerten, Flüchtlinge aufzunehmen, haben sich die Außenminister von Malaysia und Indonesien nun darauf geeinigt, ihnen ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zu gewähren. Thailand will die Flüchtlinge weiterhin auf den Booten versorgen, sie aber nicht im Land aufnehmen.
Die Situation in Deutschland
Deutschland erhält nach Russland (274.700 Gesuche, 99 Prozent davon aus der Ukraine) die meisten Asylgesuche der westlichen Industriestaaten. 173.100 Erstanträge auf Asyl wurden 2014 in Deutschland gestellt. Das sind über 60.000 mehr als im Vorjahr. Dies hat vor allem der Anstieg von Asylanträgen aus Syrien, Serbien und dem Kosovo bedingt. Ein Großteil erhält allerdings nicht die Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention: Von 128.900 Entscheidungen, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Vorjahr getroffen hat, haben 33.300 (25,8 Prozent) dieExterner Link: Rechtsstellung eines Flüchtlings erhalten. Hinzu kommen 5.200 Personen (4 Prozent), die Externer Link: subsidiären Schutz erhielten und 2.100 (1,6 Prozent), bei denen ein Abschiebungsverbot festgestellt wurde. Ein Drittel der Anträge (43.000) wurde abgelehnt, während 45.300 Anträge (35,2 Prozent) bereits erledigt waren (z.B. durch Interner Link: Dublin-Verfahren oder Verfahrenseinstellungen wegen Rücknahme des Asylantrages).
Im deutschen Asylrecht gibt es seit diesem Jahr einige Erleichterungen für Asylbewerber. Sie erhalten nun bereits nach drei Monaten (vorher neun Monaten) eine Arbeitserlaubnis. Dies gilt zuerst nur für Ausgebildete oder Hochschulabsolventinnen und –absolventen, die in sogenannten Engpassberufen tätig werden wollen. Nach 15 Monaten fallen diese Restriktionen weg. Gelockert wurde auch die Residenzpflicht, die Asylbewerber verpflichtet, sich im Bezirk ihrer Ausländerbehörde aufzuhalten. Sie entfällt nun nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland. Zudem erhalten Asylbewerber nur noch während der Zeit in einer Erstaufnahmeeinrichtung Sachleistungen wie Essenspakete, danach sollen sie Sozialleistungen vorrangig als Geld erhalten.
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Interner Link: Hintergrund aktuell (19.6.2014): Traurige Rekorde
Die Genfer Flüchtlingskonvention Die "Genfer Flüchtlingskonvention", genauer: das "Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge", steht in der Tradition internationaler Menschenrechtsdokumente, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Schutz des Individuums zur universellen Aufgabe erklärten. Sie wurde am 28. Juli 1951 in Genf auf einer UN-Sonderkonferenz verabschiedet und beinhaltet neben der Definition des Flüchtlingsbegriffs weitere Prinzipien, wie das Verbot der Ausweisung und Zurückweisung. Dies bedeutet, dass kein Flüchtling in eine Region abgeschoben werden darf, in der sein Leben oder seine Freiheit bedroht sind (Art. 33 Abs. 1). Gleichzeitig werden Rechte von Flüchtlingen definiert, wie die Religionsfreiheit und das Recht auf Arbeit, und bestimmte Personengruppen vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen – etwa Kriegsverbrecher. Da die Genfer Flüchtlingskonvention vor allem auf den Schutz europäischer Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg abzielte, wurde sie 1967 durch ein Protokoll erweitert, das Menschen weltweit Schutz und Unterstützung garantieren sollte. Die bis heute 147 Unterzeichnerstaaten von Konvention und/oder Protokoll sind unter anderem dazu verpflichtet, Flüchtlingen Zugang zu medizinischer Versorgung, Bildung und Sozialleistungen zu gewähren. Die Beachtung der Konvention ist im "Vertrag von Lissabon" (Artikel 78 und Protokoll Nr. 24) und in der "EU-Grundrechtecharta" (Artikel 18) festgeschrieben.
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) ist sowohl ein persönliches Amt als auch eine Behörde der Vereinten Nationen. Das persönliche Amt wird seit 2005 von António Guterres bekleidet. Für das UNHCR, gemeinhin auch als UN-Flüchtlingshilfswerk bezeichnet, arbeiten weltweit über 9300 Personen; es bietet Schutz und Hilfe für Flüchtlinge. Sein Budget beträgt im Jahr 2015 nach eigenen Angaben 6,8 Milliarden US-Dollar (ca. 6.1 Milliarden Euro).
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-11-23T00:00:00 | 2015-06-18T00:00:00 | 2021-11-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/208457/weltfluechtlingstag-2015/ | Aufflammende Konflikte haben in den letzten Jahren immer mehr Menschen gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen. In der Hoffnung auf mehr Sicherheit und ein besseres Leben setzen sie sich großen Gefahren aus. Die Flüchtlingszahl hat im vergangenen Jahr | [
"Flucht",
"Asyl",
"Asylpolitik",
"Asylrecht",
"Asylkompromiss",
"Asylantenproblem",
"Wirtschaftsflüchtlinge",
"Mittelmeer",
"FRONTEX"
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Die Hauptverwaltung des Leselandes | Leseland DDR | bpb.de | Einleitung
Die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel (HV) im Ministerium für Kultur der DDR war eine literaturpolitische Superbehörde, die als ökonomische Planzentrale die 78 lizenzierten Buchverlage, deren zentrale Auslieferung, die Leipziger Kommissions- und Großbuchhandelsgesellschaft (LKG), die über siebenhundert Filialen des Volksbuchhandels, den Buchaußenhandel(Buchexport und Messe), das zentralisierte Antiquariatwesen und die Bibliotheken steuerte, beziehungsweise, so die Selbstbeschreibung, "anleitete". Das "Leseland", wie es vom stellvertretenden Minister für Kultur und Leiter der HV, Klaus Höpcke, proklamiert wurde, war demnach im Prinzip (die Lebenswirklichkeit und das Selbstverständnis von Büchermachern, Autoren und Lesern geht in einer abstrakten institutionellen Verortung nicht auf) das mehr oder weniger wohl organisierte Hinterland, der Herrschaftsbereich dieser Behörde. Deren Zensurfunktion stellte einen für das System zwar besonders charakteristischen Ausschnitt dar, aber eben nur einen Ausschnitt.
Zensurentscheidungen hatten neben dem kulturpolitischen zugleich einen ökonomischen Aspekt. Die allgemeine Knappheit wirkte sich als permanenter Mangel an Papier und Devisen aus, und es war die Not, über deren Verwendung zu entscheiden, die offiziell die Zensur und das Druckgenehmigungsverfahren legitimierte. Aus diesem Grund ist es kaum sinnvoll, in der Darstellung die ökonomischen Zwänge vom Politischen zu trennen.
Die HV verwaltete, seit Anfang der 1970er Jahre im verwirrenden Wechselspiel mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und dem Deutschen Schriftstellerverband (DSV), zudem diverse Literaturpreise. Sie konnte Ausreiseanträge und Devisenprivilegien bewilligen, sie beeinflusste das Rezensionswesen und die Kommentare der Literaturführer. Sie entschied nicht nur über den Druck - gleichsam die literaturpolitische Schlüsselgewalt -, sondern auch über Auflagenhöhen und Bestsellerchancen, kurz: über das literarische Ranking. Sie verfügte also auf den ersten Blick in hohem Maß über das, was im bürgerlichen Literatursystem nach Pierre Bourdieu als "kulturelles Kapital" zu bezeichnen wäre. Trotzdem war ein literarischer Kanon von der HV zu keiner Zeit zu verordnen, sondern blieb grundsätzlich fremdbestimmt. Denn nicht alle Menschen lasen, was sie sollten, sondern schätzten tendenziell mehr das Verbotene, von der offiziellen Literaturpolitik Ausgegrenzte.
Die Konferenz "Der heimliche Leser in der DDR" hat im Herbst 2007 eine im Alltag bestimmter (konfessioneller, wissenschaftlicher, politischer) Milieus fundierte Gegenwelt zum staatlichen Literatursystem aufgezeigt und dokumentiert. Im Folgenden geht es darum, das offizielle Literatursystem, das "Leseland" der HV, mit der Gier nach Verbotenem in Beziehung zu setzen. Druckgenehmigte Literatur
Die Literatur der DDR spiegelt sich in Zensurakten. Es ist ein weltweites Unikum, dass diese für eine ganze Landesliteratur nahezu vollständig erhalten sind. Im Bundesarchiv lagern die Druckgenehmigungsakten der HV. Fast zu allen in der DDR zwischen 1951 und 1989 erschienenen Titeln, ob es sich um Romane oder Geschichtsbücher, um Lyrikanthologien oder Lexika handelt, sind jeweils ein Antragsbogen sowie in der Regel zwei Gutachten überliefert. Allein für die Schöne Literatur ist von etwa 20 000 solcher Druckgenehmigungsvorgänge auszugehen.
Beim Zensursystem der DDR handelt es sich um ein Phänomen, für dessen Erforschung Anfang der 1990er Jahre noch keine wissenschaftlichen Routinen existierten. Das undurchsichtige bürokratische Geflecht aus Kompetenzbereichen und Interessenlagen nachzuzeichnen wurde zur Aufgabe einer systematischen Zensurforschung, die sich nicht auf die Präsentation der großen Zensurfälle von öffentlichem Interesse beschränken wollte. Letztlich half nur die zeitraubende wie staubintensive induktive Methode, aus einer Unzahl von Mosaiksteinchen ein Bild der alltäglichen Funktionsweise der Zensur zu entwerfen. Aus den Akten ließ sich lernen, zwischen harten, stets gültigen, und weichen, veränderlichen Tabus zu unterscheiden. Man konnte das Auf und Ab in der ideologischen Großwetterlage nachzeichnen und Zonen ideologischer Ungleichzeitigkeit identifizieren, etwa Verlage (wie Hinstorff oder Reclam), in denen zeitweise besonders mutige Bücher publiziert werden konnten. Wer in den Akten nach spannenden Fällen sucht, sollte darauf achten, wie viel Zeit vom Eingang des Druckgenehmigungsantrags bei der Zensurbehörde bis zur Erteilung der Druckgenehmigung verging, weil eine lange Bearbeitungsdauer den sicheren Hinweis auf mit dem Manuskript verbundene "ideologische Probleme" darstellt. Im Zensurjargon sprach man von "Schmorfällen". Buchverbote waren die Ausnahme, gebräuchlicher war, dass ein Verlag nach entsprechenden Hinweisen von sich aus ein "moralisch verschlissenes" Manuskript zurückzog, um einer "ideologischen Panne" vorzubeugen.
Für den Zensor enthielt der Druckgenehmigungsantrag genug Informationen, um über die Publikationswürdigkeit eines Manuskripts zu entscheiden. Er hatte nur in Ausnahmefällen die Zeit, es selber in Augenschein zu nehmen, und die Alternative, ein zusätzliches Gutachten einzuholen, war kostspielig. Für einen mitteldicken Roman betrug das Begutachtungshonorar, gestaffelt nach Schwierigkeitsgrad, zwischen 150 und 250 Mark. Diese Summe wurde nur investiert, wenn ein begründeter Verdacht bestand, sich der Verlag in anderen Fällen als unzuverlässig gezeigt hatte oder der Autor als heimtückischer Querulant galt. Doch oft gerieten auch parteitreue Autoren in die Mühlen, weil ihr einstmals "politisch richtiger" Text zum falschen Zeitpunkt eingereicht wurde und eine offizielle Auftragsarbeit inzwischen durch eine veränderte Beschlusslage überholt war. In diesem System reichte der gute Wille zur Selbstzensur keineswegs aus, man musste auch auf der Höhe des aktuellen ZK-Plenums schreiben können.
Wenn ein Manuskript bei der HV zur Druckgenehmigung eingereicht wurde, hatten solche Probleme bereits überwunden, die Texte druckreif zu sein. Der Hauptteil der Zensurarbeit am Manuskript wurde nicht erst in der Zensurbehörde, sondern bereits in den Verlagen geleistet, und die HV beschied sich mit Stichproben, mit einer Art Endabnahme- und TÜV-Funktion. Brisante oder verdächtige Manuskripte mit unzureichenden Gutachten wurden noch einmal in Augenschein genommen oder an zuverlässige anonyme Außengutachter weitergeleitet. Deren "Einwände" wurden als Änderungsauflagen dem Verlag übermittelt, der diese beim Autor zu vertreten hatte. Durch diese perfide, den sensiblen Verlagslektor quälende Methode gelang es der Zensur, mehr oder weniger unsichtbar zu operieren. Die Rolle der Selbstzensur in der DDR wird meist überschätzt. Diese war anders als in der Bundesrepublik kein moralisches Problem eines korrumpierten Autorengewissens, sondern Folge eines institutionell vermittelten Erziehungsprozesses, einer Konditionierung durch elektrische Stromschläge.
Insgesamt ist zu konstatieren, dass sich im Lauf von vier Jahrzehnten die Begutachtungskriterien zivilisierten und verwissenschaftlichten und dass sich die Toleranzspielräume erstaunlich erweiterten. Es ist unstrittig, dass in der DDR der Schönen Literatur, zumal der Gegenwartsliteratur von Autoren wie Christoph Hein, Erich Loest, Landolf Scherzer, Erwin Strittmatter oder Christa Wolf, die Funktion einer kritischen Öffentlichkeit zuwuchs, in der über die stalinistische Vergangenheit, über Umweltfragen, korrupte Parteifunktionäre und sogar über die Zensur selbst verhandelt werden konnte. Das wird plausibel damit erklärt, dass die gelenkte Presse für eine solche Funktion nicht in Betracht kam. Aber die Belletristik wurde streng zensiert, und zwar eher noch gründlicher als die Tagespresse, systematischer, im Vorfeld, langfristig. Was die Effektivität der Buchzensur angeht, definierte die DDR unangefochten das Weltniveau. Dass man in dieser Hinsicht selbst das große Vorbild, die sowjetische Zensur, übertreffen konnte, lag sowohl an dernotorischen preußisch-bürokratischen Gründlichkeit als auch an den ungleich schwierigeren Arbeitsbedingungen in einem geteilten Land mit faschistischer Vergangenheit, welche die DDR-Zensur zur unablässigen Verfeinerung ihrer Methoden und zur effektiven Zentralisierung zwangen.
Autoren wie Franz Fühmann, Stefan Heym, Stephan Hermlin, Hermann Kant oder auch Jürgen Kuczynski haben sich an der Zensur abgearbeitet. Aber es gab auch Autoren, die mit dem MfS kooperierten und womöglich dort ihren wohl wollenden Zensor anschwärzten. Hingegen fanden sich unter den Zensoren durchaus engagierte Literaturfreunde: Das Studium verbotener Bücher erweiterte den Gesichtskreis und zerstörte die enge Auffassung vom "Sozialistischen Realismus". Angesichts strenger Kontrollen und literaturfremder, ideologisch bornierter übergeordneter Stellen im Zentralkomitee (ZK) und im Politbüro der SED hätte guter Wille allein wenig genützt. Es war zweckmäßig, handfeste Argumente ins Feld zu führen, um das eine oder andere literarische Experiment befürworten zu können. Auch im Sozialismus erwies sich der Hinweis auf ökonomische Zwänge als durchschlagend: Wenn Devisen auf dem Spiel standen, bereits Satzkosten angefallen waren oder der sensible Terminplan der Großdruckereien aus den Fugen zu geraten drohte, wurden beide Augen zugedrückt.
Der verdeckte Primat der Ökonomie erklärt, weshalb in der DDR Zensurentscheidungen oft Kompromisscharakter trugen und weniger dekretiert als ausgehandelt wurden. Im Zweifelsfall waren alle Seiten bestrebt, auch politisch schwierige, "problematische" Titel zu "machen". Zensoren und politisch verantwortliche Lektoren taten gut daran, zu dokumentieren, dass sie es sich nicht leicht gemacht und Vorsicht hatten walten lassen. Deshalb glichen etliche Verlagsgutachten im Druckgenehmigungsantrag Verhandlungsprotokollen, in denen alle in den Gutachten erhobenen Einwände aufgeführt waren und jede im Verlag oder der Zensurbehörde durchgesetzte Änderung als Verhandlungserfolg verzeichnet wurde. Besonders gern griff man zu dem Argument, ein gefährliches Buch durch ein kommentierendes Nachwort stigmatisiert oder durch eine kleine Auflage marginalisiert zu haben. War das Buch einmal genehmigt, konnte man in der Nachauflage ein als peinlich empfundenes Nachwort wieder wegfallen lassen.
Die zensurerfahrenen Verlagslektoren verwalteten ein unerschöpfliches Repertoire an Krücken, mit denen sie die unwahrscheinlichsten Projekte ermöglichten. So enthält eine 1987 erschienene Bibliographie des Verlags Volk & Welt bis auf Sartre und Proust, die bei Aufbau erschienen waren, die gesamte, einst als "dekadent" verpönte "literarische Moderne": Die Publikation von Autoren wie Apollinaire und Anouilh, Beckett und Benn, Camus und Canetti, Dürrenmatt, Enzensberger, Freud, Grass, Ionesco, Joyce, Kafka und Musil imponierte auch im brüchigen Kosmos des "Sozialistischen Realismus" als eindrucksvolle Kette kleiner Heldentaten. Wer zwischen den Zeilen der Akten liest, kann das Schauspiel beobachten, wie Schriftsteller, Lektoren, Verleger und Zensoren über zwei Jahrzehnte hinweg nicht müde wurden, Tabus anzuknabbern und die Grenzen des Publizierbaren auszuweiten. Infolge einer Eigenart des Druckgenehmigungsverfahrens handelte es sich bei solchen Zensurkämpfen keineswegs nur um Einzelgefechte. Ein druckgenehmigtes Buch wurde leicht zum Präzedenzfall. Es war offiziell erlaubt und gültig, man konnte einem DDR-Autor kaum verbieten, so zu schreiben, wie es internationale Protagonisten der literarischen Moderne vorgemacht hatten. Ungewöhnliche Bücher verschoben die literaturpolitische Linie und waren gerade deshalb heftig umstritten. Wenn, so wussten die Volk & Welt-Lektoren, Joyce möglich war, konnte man es auch mit Beckett versuchen, nachdem Ortega absolviert war, stand Nietzsche zur Diskussion, und von Camus schritt man weiter zu Genet.
Zum taktischen Repertoire gehörte es, suspekte Autoren nicht gleich mit ihren umstrittensten Werken, sondern zunächst an unauffälliger Stelle einzuführen. Als geeignetes Versteck für diskrete DDR-Premieren waren Anthologien beliebt. Hatte ein Autor auf diese Weise sein literarisches Aufenthaltsrecht erstritten, so konnte man sich an dessen berüchtigte Texte herantrauen. Diesem Muster entsprechend gelang es beispielsweise, von Henry Miller nach dessen Premiere in einer amerikanischen Prosasammlung ("Moderne amerikanische Prosa", 1965) und einem dezidiert unerotischen Taschenbüchlein ("Mademoiselle Claude", 1978) nach zwanzigjährigem Anlauf 1986 den "Wendekreis des Krebses" zu publizieren. Viele solcher Projekte erforderten langen Atem. Als sich eine Romanistik-Lektorin 1985 bei Volk & Welt daran wagte, endlich "Die Haut" von Curzio Malaparte durchzusetzen, musste sie im Gutachtenarchiv des Verlags feststellen, dass seit den 1950er Jahren schon drei ihrer Vorgänger an dieser Aufgabe gescheitert waren. "Stiller" von Max Frisch (1975) und drei Bände der Memoiren Ilja Ehrenburgs (1978) erschienen mit einer Verspätung von fünfzehn Jahren, nachdem diese Bücher Anfang der 1960er Jahre auf spektakuläre Weise vom ZK gestoppt worden waren.
Natürlich machte es einen erheblichen Unterschied, ob man es mit Texten von Weltautoren - die ein Zensor nicht gut ändern konnte - oder mit dem eigenen Schriftstellernachwuchs zu tun hatte, der vor allem im Mitteldeutschen Verlag in Halle einen Stützpunkt hatte. Hier arbeiteten die Lektoren intensiv mit am Text, was leicht zu legitimieren war, solange ein "Schreibender Arbeiter" auf Hilfestellungen angewiesen war. Ähnliche Einmischungen hätten sich Autoren der ersten Garde verbeten, die sich eher im Aufbau-Verlag versammelten. Wenn irgendwo ein so engagierter Literaturfreund wie Kurt Batt im Lektorat des Rostocker Hinstorff-Verlages am Werk war, sprach sich das herum, und eher ausgegrenzte Autoren wie Klaus Schlesinger und Ulrich Plenzdorf fühlten sich angezogen.
Belletristik-Zensur in der DDR funktionierte von Verlag zu Verlag unterschiedlich. Selbst im Nachhinein ist das Zensursystem nicht leicht zu durchschauen, die Autoren blieben auf Gerüchte angewiesen. Der Zensurforscher kann durch sein Ex-post-Wissen, durch die Kenntnis der Institutionen, Kader und Hintergrundintrigen, der dominierenden ökonomischen Zwänge und des Wechselspiels der ideologischen Großwetterlage leicht das Wichtigste verfehlen: die bedrohliche Offenheit einer undurchschaubaren Situation. Dem im Nebel stochernden Autor stand eine bunte Palette taktischer Manöver zur Verfügung, um seinen Text durchzusetzen. Er konnte ein aktuelles Anliegen durch ein historisches Gewand tarnen oder auf unverfängliches Terrain ausweichen. Stefan Heyms "König David Bericht" hatte beispielsweise weniger mit der Bibel als mit der Geschichtspolitik Walter Ulbrichts zu tun. Um zu vermeiden, dass ihre exotischen Abenteuer der strengen Zensur durch das Außenministerium unterlagen, ließen Krimiautoren ihre Abenteuer nicht mehr in Indien oder China, sondern auf einem Ozeandampfer spielen. Besonders beliebt wurden abgelegene Gegenden wie Grönland. Als einer Verfasserin von Eskimo-Märchen trotzdem abverlangt wurde, die Vorzüge der sowjetischen Eskimo-Politik herauszustreichen, verlegte sie die Handlung kurzerhand ins 14. Jahrhundert. Ganze Genres sind auf diese Weise entstanden. So hing die Vorliebe von Autoren wie Franz Fühmann und Christa Wolf für die Romantik damit zusammen, dass die gefürchteten Gutachter des Instituts für Marxismus-Leninismus erst für die Zeit ab 1844 zuständig waren.
Es gab spielerische Versuche, subversive Passagen in Texte einzuschmuggeln. Irmtraud Morgner gelang es, die umstrittensten Passagen eines verbotenen Manuskripts in einem neuen Roman zu verstecken. Die Strategie, so genannte "weiße Elefanten" oder "Porzellanhunde" als Streichmasse in den Text zu schmuggeln, um die Aufmerksamkeit des Zensors auf sich zu ziehen - man zitierte also etwa Trotzki, um von der Kritik an der staatlichen Umweltpolitik abzulenken -, wurde auch von Lektoren empfohlen: "Geh bis zur äußersten Grenze. Tue Dir keinen Zwang an. Streichen können wir dann immer noch!" In dieser Offensivstrategie, einer Art Selbstzensur mit umgekehrten Vorzeichen, trafen die Interessen von Autor, Verleger und Leser glücklich zusammen. Hingegen existierte kein sichereres Mittel, die Zensurbehörde in Wut zu versetzen und zugleich die Aufmerksamkeit der Stasi anzustacheln, als ein noch nicht genehmigtes Manuskript zunächst in der Bundesrepublik verlegen zu lassen. Für den Zensor erfüllte das den Tatbestand der Nötigung, denn er konnte einen im Westen bekannten Text nicht mehr ändern. Sonst passierte es wie bei Christa Wolfs Kassandra-Vorlesungen, dass DDR-Leser die gestrichenen Passagen auswendig lernten, und man erntete zusätzlich zum Schaden auch noch den Spott des westdeutschen Feuilletons.
Es gab provokative Versuche, aus dem Zensursystem auszuscheren. Kleinauflagen von Graphiken unter 100 Stück waren nicht dem Druckgenehmigungsverfahren unterworfen, eine Regelung, auf die der literarische Untergrund der 1980er Jahre seine subversiven, allerdings in der Wirkung beschränkten Praktiken stützte. Doch politische Wirksamkeit war nur über die großen Verlage zu erwarten. Hier ist ein bislang übersehenes Phänomen zu erwähnen, das entschieden zur Unterwanderung des Zensursystems beitrug. Es gehörte zum Berufsbild des Zensors, dass er als Kenner verbotener Literatur der Gefahr ideologischer Aufweichung und politischer Zersetzung durch dekadente, feindliche Einflüsse ausgesetzt schien. Deshalb griffen seine Vorgesetzten regelmäßig zu kaderpolitischen Sanktionen. Hauptsächlich als Folge von Strafversetzungen wurden schließlich beinahe alle großen Verlage von ehemaligen Zensoren geleitet. Sie erhielten, wie man sagte, einen Verlag als "Lehen" überreicht. Diese Strategie erwies sich als zweischneidig. Zwar kannten Verleger wie Günter Hofé vom Verlag der Nation, Jürgen Gruner von Volk & Welt, Gerhard Dahne vom Altberliner Verlag oder Eberhard Günther vom Mitteldeutschen Verlag die strengen Spielregeln, aber gerade wegen dieses Insiderwissens und ihrer Behördenkontakte waren sie in der Lage, nahezu jedes Buch durchzusetzen: Auf diesem Minenfeld wurde der erfahrene Zensor zum besten Verbündeten des Autors.
Schließlich kam es soweit, dass die Zensurbehörde daran ging, die Belletristik-Zensur abzuschaffen. Buchminister Höpcke und der Präsident des DSV Hermann Kant nutzten den Rückenwind des XI. Schriftstellerkongresses 1987, auf dem Christoph Hein die Zensur als "überlebt, nutzlos, paradox, menschenfeindlich, volksfeindlich, ungesetzlich und strafbar" gegeißelt hatte, um dem Chefideologen Kurt Hager im Politbüro die Aufhebung des Druckgenehmigungsverfahrens zum 1. Januar 1989 abzuringen. Hager stellte zwar die seltsame Bedingung, dass davon niemand erfahren dürfe - schließlich konnte man schlecht eine Zensur abschaffen, die offiziell gar nicht existiert hatte -, aber eine solche Sensation machte die Runde, und die Vermutung, dass die Abschaffung der Zensur das öffentliche Meinungsklima im Vorfeld der "Wende" entscheidend beeinflusst hat, ist kaum von der Hand zu weisen. Doch als endlich die lange erwarteten Bücher Stefan Heyms, Rainer Kunzes, Rudolf Bahros, Ernst Jüngers, Friedrich Nietzsches oder Alexander Solschenizyns erscheinen konnten, gab es keine DDR mehr. Wer interessierte sich 1990 noch für die "Fünf Tage im Juni", den einst sagenumwobenen vierten Band der Ehrenburg-Memoiren oder für Bahros "Die Alternative"? In jenem Jahr verdrängte im sterbenden Volksbuchhandel die westdeutsche Literatur die Bücher aus der DDR, deren mit Abstand interessantester Jahrgang sich schließlich auf der Müllkippe wiederfand. Unerlaubte Literatur
Es ist naheliegend und wäre bequem, als DDR-Literatur nur jene Bücher zu betrachten, die in der DDR erscheinen konnten, also druckgenehmigt waren. Schon damit hätten die zuständigen Literaturwissenschaftler und interessierten DDR-Forscher genug zu tun, da es sich um weit über 300 000 Titel handeln dürfte. Dabei geht es um Bücher, Broschüren, Zeitschriften und Drucksachen aller Genres, die zum Teil von regionalen Stellen und Institutionen mit "genereller Druckgenehmigung" autorisiert worden waren; nicht nur um Belletristik, sondern um Kinder- und Kochbücher, um politische Literatur und Briefmarkenalben, Militaria und Comics, konfessionelle Kleinschriften und Reiseführer. Zu all diesen Genres finden sich interessante Zensurgeschichten. In der DDR bedurfte selbst der Druck einer Eintrittskarte der Genehmigung.
Aus diesem Zusammenhang ergibt sich die hier durchgespielte Gegenüberstellung von genehmigter bzw. druckgenehmigter Literatur auf der einen und unerlaubter Literatur auf der anderen Seite. Unerwünschte Literatur war offiziell in der Regel nicht etwa verboten, sondern sie wurde nicht gedruckt, weil dafür angeblich das Papier oder die Devisen fehlten. Diese Fiktion, die kulturpolitischen Zwang als ökonomischen Mangel ausgeben konnte, ließ sich nicht mehr aufrecht erhalten, sobald sich der Leser seine unerlaubte Lektüre auf andere Weise zu beschaffen versuchte: in West-Berlin bis zum Mauerbau, aus den Giftschränken für Forschungsliteratur der großen Bibliotheken und Antiquariate, auf der Buchmesse, im befreundeten sozialistischen Ausland oder im Westen. Manche Bücher und Zeitschriften wurden an der Grenze kommentarlos einbehalten, der Besitz anderer zog Anzeigen oder gar Zuchthausstrafen nach sich. Als Baldur Haase nach der Lektüre von George Orwells "1984" verhaftet wurde, fand er besonders ungerecht, dass ein offizielles Verbot gar nicht bestand.
Die Mehrzahl suspekter Titel blieb nicht durchgängig ausgegrenzt. So erinnerte das internationale Verlagsprogramm von Volk & Welt in der Spätzeit an einen Verbotsindex der 1950er Jahre. Den entsprechenden Publikationen gingen zwar langwierige Zensurkämpfe voraus, aber selbst ein Autor wie Karl May, von dessen Werken der heimliche Leser Heinz Thümmler bis September 1979 an 2788 "Schreibtagen" 21 Bände mit insgesamt 11 933 Seiten eigenhändig abgeschrieben hatte, gehörte seit 1982 zum Kernbestand und wurde seit seiner literarischen Repatriierung vom Verlag Neues Leben gleich in riesigen Auflagen gedruckt. Hingegen verschwanden die anfangs in Massenauflagen verbreiteten Werke Stalins spätestens nach dem XXII. Parteitag der KPdSU 1961 aus den Buchhandlungen. Es gab eine Unzahl von Texten, die nur zwischenzeitlich "pausierten", etwa titoistische Titel, Bücher aus China, Albanien oder Israel, Romane von Theodor Plievier, Schriften von Georg Lukács. Allerdings gab es politische Texte von höchster Brisanz, die über die Jahrzehnte hinweg de facto verboten waren und deren Beschlagnahmung hohe Strafen nach sich ziehen konnte. Die Listen der auszusondernden Literatur enthielten seit 1948 neben der nationalsozialistischen und militaristischen Literatur auch kommunistische "Parteifeinde" wie Nikolai Bucharin und Leo Trotzki; neben George Orwells "1984" und Arthur Koestlers "Sonnenfinsternis" wären Wolfgang Leonhards "Die Revolution entlässt ihre Kinder" zu nennen, Hermann Webers "Ulbricht fälscht Geschichte" oder der "Archipel Gulag" von Alexander Solschenizyn.
Solche Titel waren indes kaum Objekte des volkssportartig betriebenen Massenschmuggels, von dem die Akten des Zolls und der Post berichten, wie ihn nach dem Mauerbau vor allem reisende Rentner betrieben. Diese wurden "von ihren Kindern und Enkeln rücksichtslos zu Schmugglern umfunktioniert", um die "regelrecht wie beim Buchhändler bestellte - in aller Regel politisch höchst harmlose - Konterbande durch den Zoll" zu bringen und sich so einen "Ehrenplatz in der Geschichte des deutschen Buchhandels" zu erwerben. Deren Erfahrungen an der Grenze mussten schon deshalb unterschiedlich ausfallen, weil die Organe keineswegs berechenbar agierten. Wenigstens zeitweise unterschied sich selbst die Beschlagnahmepraxis einzelner Zollbezirke voneinander. So wurde 1959 bei einigen Zolldienststellen mit, bei anderen ohne Beschlagnahmeprotokoll Literatur einbehalten. Bei der Grenzpolizei wurde den Betroffenen ein Schundschmöker belassen, und die Transportpolizei drückte bei der Reiselektüre älterer Reisender oft ein Auge zu.
In allen Beschlagnahmungsstatistiken von Post und Zoll dominieren über die Jahrzehnte hinweg triviale Textsorten, vom Western- und Liebesroman bis hin zum Versandhaus-Katalog. Allerdings wurden auch diese Genres weniger aus ästhetischen als aus politischen Gründen ausgegrenzt. So wurde die Gefährlichkeit von "Micky-Maus"-Heften wie folgt begründet: "Sogenannte Jugendzeitschriften wie Micky-Maus und andere. Mit diesen Schriften soll insbesondere unsere Jugend von der gesellschaftlichen Arbeit abgehalten werden. Hiermit wird das Ziel verfolgt, in der DDR sogenannte Jugendklubs zu bilden, um so die Jugend vom Eintritt in die FDJ und dem Verband der Jungen Pioniere abzuhalten. Damit wird praktisch der erste Schritt getan, um unsere Jugend für die verbrecherischen Machenschaften der westlichen Machthaber zu gewinnen."
Der heimliche Leser interessierte sich für "Die Alternative", "Angélique", Autoatlanten und Astrologie, für Wolf Biermann, "Bild" und "Bravo", für Comics, China und Camus, für von Däniken, "Dr. Schiwago" und Dürrenmatts "Die Ehe des Herrn Mississippi", evangelische Erbauungsliteratur und Erotika, Fernsehprogrammhefte und die FAZ, Grass und Gulag-Literatur, Hetzliteratur und Havemann, Illustrierte und Ionesco, James Bond und Ernst Jünger, für Künstlerbücher, Konsalik, den "Kicker" und Reiner Kunze, Konrad Lorenz und Wolfgang Leonhard, Militaria und Modejournale, Nietzsche und die "Neue Revue", Orwell und den Otto-Versand, Punk-Zeitschriften und den "Playboy", für die "Quick" und Quelle-Kataloge, Reisebücher und rororo, den "Spiegel" und den "Stern", Trotzki und Luis Trenker, die Umweltbibliothek und Underground, Vertriebenenblätter und den "Wachtturm", für den "Tag X" Stefan Heyms, Yoga-Bücher und amerikanische Zukunftsschmöker. In größerem Stil geschmuggelt wurde konfessionelle Literatur aller Kirchen. In einem einzigen VW-Bus hatten die Zeugen Jehovas über 44 000 Exemplare des "Wachtturm" eingeschweißt. Einer Zollstatistik zufolge wurden 1979/1980 in anderthalb Jahren 140 600 Grobsendungen und Päckchen mit konfessioneller Literatur kontrolliert, wovon 28 437 komplett, 4302 teilweise eingezogen und 561 in den Westen zurückgeschickt wurden. Der Versand konfessioneller Literatur wurde vom Westen aus ähnlich systematisch und organisiert betrieben wie die im Kalten Krieg forcierte millionenfache Verbreitung politischer Broschüren. Es wäre voreilig, aus den riesigen, von Bonn subventionierten Auflagenzahlen auf einen realen Bedarf der Bevölkerung zu schließen.
Welche politische Rolle wäre dem heimlichen Lesen von unpolitischer Gebrauchsliteratur als Massenphänomen zuzumessen? Aus heutiger Sicht einer im Wesentlichen frei zugänglichen Informationsflut gegebene Beliebigkeit besteht eher die Neigung, die Gefährlichkeit, die einem Text zuwachsen kann, zu unterschätzen. Doch in einem Zensursystem wurden die unterschiedlichsten Texte durch staatliche Billigung wie auch umgekehrt durch Ausgrenzung politisch aufgeladen und gewannen an Sprengkraft. So kommt dem heimlichen Lesen als der einfachsten Form der Demonstration von "Eigensinn" ein symbolischer Wert an sich zu. Staatliche Ökonomie des heimlichen Lesens
Was geschah mit den konfiszierten Büchern und Zeitschriften? Sie wurden verwertet. Die nahe liegende Vermutung, dass die Zöllner sie zunächst selbst lasen, lässt sich aus den Akten naturgemäß nur in Ausnahmefällen belegen. Um dem vorzubeugen, wurden die Objekte weitergereicht und landeten, soweit es sich um Massenliteratur handelte, in plombierten Säcken bei der Altpapierverwertung. Wertvollere Literatur wurde vermutlich sogar über das Zentralantiquariat reexportiert, soweit es sich um häufige Dubletten handelte. Um Unikate stritt sich die Deutsche Bücherei mit der Staatsbibliothek und mit der Bibliothek der Zensurbehörde, die schließlich wissen musste, was zu verbieten war. Der Wissenschaftsverleger Klaus G. Saur berichtet von einem Kollegen, der Jahr für Jahr zehn Exemplare eines verbotenen Buches über die Ungarn-Flüchtlinge von 1956 zur Leipziger Messe mitbrachte, das dort regelmäßig beschlagnahmt wurde, wonach dem Eigentümer der Preis von 298 DM pro Stück ersetzt werden musste: "Nachdem das Buch schon einige Jahre auf diese Weise langsam, aber sicher abgeflossen war, kam an einem Messe-Eröffnungstag am Sonntag der Vertriebsleiter des Verlags an den Stand und sah ganz erschrocken, dass diese fünf Bücher noch am Stand waren. Man wusste, dass die Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes im dritten Stockwerk ihr Büro hatten. Er ging dorthin und fragte nach, was denn nun los sei, warum die Bücher nicht beschlagnahmt worden seien. Ihm wurde dann treuherzig erklärt, das Thema sei nicht mehr so brisant und man hätte auch schon so viele Exemplare. Er bat händeringend darum, das Buch noch einmal zu beschlagnahmen, und man verständigte sich dann darauf, die Bücher noch einmal zu übernehmen, unter der Bedingung, dass sie zur nächsten Messe dann nicht mehr mitgebracht würden."
Im ZK der SED waren zwar nicht die Abteilungen für Propaganda und Agitation, aber dafür umso mehr die für die Parteibetriebe zuständige Finanzabteilung an ökonomischen Gesichtspunkten interessiert, zumal die Parteikasse auf die Einnahmen aus den Papierfabriken, Druckereien und Zeitungsverlagen der Parteiholding Zentrag angewiesen war. Seit 1963 waren der vormals parteieigene Volksbuchhandel und die größten Buchverlage der HV nachgeordnet, die jährlich dreistellige Millionenbeträge an die SED abführte. Die im Buchhandel erwirtschafteten Gelder flossen im Wesentlichen der SED zu, und dieser Umstand führte zu paradoxen Entwicklungen. Erste größere Zugeständnisse an den Lesergeschmack etwa erfolgten nach dem 17. Juni 1953, als einige der fortan beliebtesten DDR-Zeitschriften wie "Das Magazin", die Modezeitschrift "Sibylle", der "Eulenspiegel" und, als Gegengift gegen die amerikanische Comicflut, das "Mosaik" gegründet wurden. Die Zensur erlaubte auch kulturvolle Krimis, Science-Fiction und Heimatliteratur. Alle diese massenhaft produzierten und bestens verkäuflichen Kultartikel waren als Gegengewicht zu den damals in West-Berlin leicht zugänglichen Verlockungen von "Schmutz und Schund" konzipiert, die "Wochenpost" beispielsweise als sozialistische Antwort auf die "Grüne Post".
Bereits 1955 war registriert worden, dass Massen unverkäuflicher sowjetischer Belletristik wie Blei in den Lagern ruhten, ein peinliches Politikum, das die Parolen von der deutsch-sowjetischen Freundschaft konterkarierte. Beginnend mit Ilja Ehrenburgs "Tauwetter" verbesserten sich indes mit den Jahren die Absatzchancen für solche Titel, die in der Sowjetunion oder bei der DDR-Zensur als politisch umstritten galten; so profitierte Galina Nikolajewas "Schlacht unterwegs" vom Spitznamen "Unterwegs geschlachtet". Die Stalin-Kritik Jewgeni Jewtuschenkos, Konstantin Simonows und Michail Bulgakows, der im Rias verlesene Alexander Solschenizyn, schließlich die Gedichte von Anna Achmatowa, Ossip Mandelstam und Boris Pasternak bei Reclam und Volk & Welt, nicht zuletzt die Romane Juri Trifonows, Bulat Okudschawas, Tschingis Aitmatows und Walentin Rasputins, welche die Gorbatschow-Ära einläuteten: Diese sowjetische Literatur wurde breit rezipiert, weil sie dem Geschmack der heimlichen Leser entgegenkam, als subversiv galt und manchmal noch nicht einmal in der Sowjetunion zu haben war.
Während in der Bundesrepublik für ein Buch in der Regel massives Marketing notwendig ist, hatten es die Büchermacher der DDR in dieser Hinsicht einfach: Buchverbote und Tabus lieferten den Verlegern die zuverlässigsten Leitplanken, die Zensur bot den zuverlässigsten Kompass. Die in der DDR erscheinende internationale Literatur von Aufbau und Volk & Welt war im Volksbuchhandel meist schlagartig vergriffen. Lizenztitel aus dem Westen wurden in weit überhöhten Auflagen gedruckt. Die 1991 aufgedeckte Plusauflagenpraxis war kriminell, verweist jedoch eindringlich auf das riesige Bedürfnis nach westlicher Literatur. So betrug die reale Auflage von Raymond Chandlers "Die Tote im See" nicht, wie im Vertrag und in offiziellen Statistiken angegeben, 30 000, sondern 240 000 Exemplare, "Der kleine Prinz" von Antoine de St. Exupéry erschien nicht 98 000-, sondern 388 000-mal. Insgesamt musste allein Volk & Welt nach 1990 Schadensersatz für zwölf Millionen illegal gedruckter Bücher an Westverlage wie Suhrkamp, Rowohlt und S. Fischer leisten. Der Profit war in die Kassen der für die Plusauflagenpraxis verantwortlichen SED gewandert, die sich an dem von ihrer Zensur aufgestauten Lesebedürfnis systematisch bereichert hatte. Am Ende der Zensur
Jene Verlage, deren Lektoren zielstrebig, geduldig und fintenreich seit Mitte der 1960er Jahre an der Erweiterung der Publikationsspielräume gearbeitet hatten, erfreuten sich zumal bei den bemerkenswert zahlreichen literaturkundigen Bewohnern des "Leselandes", welche die Spielregeln kannten, großer Beliebtheit und einer gewissen Bewunderung, die zwar im Konsumverhalten der unmittelbaren Nachwendezeit kaum zu spüren war, aber offenbar überlebt hat. Dafür spricht das empörte Presseecho auf die Schließung von Volk & Welt und Reclam Leipzig, auf das drohende Ende von Henschel, Aufbau und Kiepenheuer. Diese Verlage verfügten bis 1990 bekanntlich über zahlreiche sorgfältig arbeitende Lektoren und Übersetzer, die sich ein unter Marktbedingungen operierender Verlag nicht leisten konnte. Die Male ihrer Triumphe, die mühsam erstrittenen Westtitel, fielen zudem an die Lizenzgeber zurück und durften nicht mehr verlegt werden. Es berührt bitter, dass ausgerechnet jene Verlage ein Opfer der Nachwendezeit wurden, welche die Ereignisse von 1989 mit tapferen, über Jahre hinweg verbotenen Büchern vorbereiten geholfen hatten.
Die heimlichen Leser lasen durchaus auch erlaubte Bücher. Das Selbstverständnis, die DDR sei ein "Leseland", oder besser, im Sinne Johannes R. Bechers, eine "Literaturgesellschaft", war keineswegs aus der Luft gegriffen, aber die Lesefreudigkeit der Bevölkerung war nicht nur auf die systematische staatliche Leseförderung, sondern auch auf den Wunsch nach von der Zensur vorenthaltener Literatur zurückzuführen. Die westdeutschen Bücherfreunde sollten zwanzig Jahre nach der "Wende" endlich verstehen lernen, warum DDR-Bürgerinnen und -Bürger ihre Bücher liebten. Denn nach dem Untergang ihrer wichtigsten Verlage und der Entsorgung von zehntausend Bibliotheken sind die Bücher selbst vom Zerfall bedroht. Das Papier ist so schlecht, dass ohne eine baldige, großzügige Rettungsaktion und systematische Entsäuerung die Bücher aus der DDR das nächste Jahrhundert nicht überleben werden.
Vgl. Ernest Wichner/Herbert Wiesner (Hrsg.), "Literaturentwicklungsprozesse". Die Zensur der Literatur in der DDR, Frankfurt/M. 1993; Carsten Gansel, Das Parlament des Geistes, Berlin 1996; Simone Barck/Martina Langermann/Siegfried Lokatis, Jedes Buch ein Abenteuer! Zensursystem und literarische Öffentlichkeiten in der DDR, Berlin 1997; Anna Christina Giovanopoulos, Die amerikanische Literatur in der DDR, Essen 2000; Michael Westdickenberg, Die Diktatur des anständigen Buches, Wiesbaden 2004.
Vgl. Siegfried Lokatis/Ingrid Sonntag (Hrsg.), Heimliche Leser in der DDR. Kontrolle und Verbreitung unerlaubter Literatur, Berlin 2008.
Vgl. Joachim Walter, Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und Staatssicherheit in der DDR, Berlin 1996.
Vgl. H. D. Tschörtner (Hrsg.), Bibliographie Verlag Volk und Welt. 40 Jahre internationale Literatur, Berlin 1987; Simone Barck/Siegfried Lokatis (Hrsg.), Fenster zur Welt. Eine Geschichte des Verlags Volk und Welt in der DDR, Berlin 2003.
Richard Zipser (Hrsg.), Fragebogen Zensur, Leipzig 1995, S. 219 (Dorothea Kleine).
Dieser die unterschiedlichsten Genres übergreifende Ansatz wird durchgespielt in: Simone Barck/Siegfried Lokatis, Zensurspiele, Halle 2008.
Vgl. Baldur Haase, Verführt durch "Schmutz und Schund". Mein Orwell, in: S. Lokatis/I. Sonntag (Anm. 2), S. 168 - 174.
Vgl. Christian Heermann, Karl May - Heimliches und Unheimliches, in: ebd., S. 358 - 372.
Mark Lehmstedt, Im Dickicht hinter der Mauer: Der Leser, in: ders./Siegfried Lokatis (Hrsg.), Das Loch in der Mauer. Der innerdeutsche Literaturaustausch, Wiesbaden 1997, S. 348 - 357, hier: S. 355.
Bericht betr. unentgeltliche Einfuhr von Literatur u.a. Druckerzeugnissen aus Westberlin und Westdeutschland, 10.11. 1959. BArch Berlin-Lichterfelde DL 203, 294, AZKW, HA 2. Vgl. Vorlage für die Dienstbesprechung beim Minister, Begründung, S. 4, ebd., AZKW, Leiter.
Bericht zur Ein-, Aus- und Durchfuhr von Druckerzeugnissen, 15.7. 1959. BArch Berlin-Lichterfelde DL 203, 294, AZKW, HA 2.
BArch Berlin-Lichterfelde DL 203/294/04 - 07 - 05, Information der Zollverwaltung der DDR, 7.8. 1980.
Klaus G. Saur, Die Leipziger Buchmesse 1946 bis 1989, in M. Lehmstedt/S. Lokatis (Anm. 9), S. 126.
Siehe die Auflagenstatistik im Volk-und-Welt-Archiv in der Akademie der Künste, Berlin.
Vgl. Thomas Reschke, Bücher haben die Wende von 1989 mit vorbereitet, in: S. Barck/S. Lokatis (Anm. 4), S. 68 - 72.
| Article | Lokatis, Siegfried | 2021-12-07T00:00:00 | 2011-10-05T00:00:00 | 2021-12-07T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/32144/die-hauptverwaltung-des-leselandes/ | Die Lesefreudigkeit der DDR-Bevölkerung war nicht nur auf die staatliche Leseförderung, sondern auch auf den Wunsch nach von der Zensur vorenthaltener Literatur zurückzuführen. | [
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Entwertung, Ausgrenzung, Totschweigen | Volksgemeinschaft - Ausgrenzungsgemeinschaft | bpb.de | "Dich hat man wohl vergessen zu vergasen". So äußerte sich ein Pfleger in den 1980er Jahren gegenüber einem Psychiatriepatienten. Im Interview erzählt die Psychologin und Medizingeschichtsforscherin Interner Link: Christina Härtel wie Ausgrenzungsstrategien des Nationalsozialismus bis heute nachwirken.
Das Interview führte Interner Link: Miriam Menzel.
Christina Härtel war Referentin im Workshop 7: "Die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen als Beispiel von Volksgemeinschaftsbildung im Nationalsozialismus. Und heute?"
Im Interview: Christina Härtel
Christina Härtel
Christina Härtel ist Vorsitzende des Vereins totgeschwiegen e.V. - Gesellschaft gegen Stigmatisierung psychisch kranker Menschen. Sie ist Kuratorin und Mitautorin der Ausstellung "totgeschwiegen 1933 bis 1945 - die Geschichte der Wittenauer Heilstätten, seit 1957 Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik", die als Dauerausstellung auf dem Gelände der ehemaligen Nervenklinik in der Oranienburger Straße 285 in Berlin Reinickendorf gezeigt wird. Seit 1984 forscht sie zu medizin-historischen Themen. Ihr Psychologie-Studium an der Freien Universität in Berlin schloss sie 1980 mit Diplom ab. Seit 1981 ist Christina Härtel als klinische Psychologin tätig, zunächst in der Nervenklinik Spandau, ab 1982 in der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik. 1999 erfolgte ihre Approbation als Psychologische Psychotherapeutin. Seit 2000 ist sie in der Tagesklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik tätig - heute Vivantes Humboldt-Klinikum. Seit mehreren Jahren ist sie dort als Leiterin der Tagesklinik für depressive Störungen zuständig.
Christina Härtel
Christina Härtel ist Vorsitzende des Vereins totgeschwiegen e.V. - Gesellschaft gegen Stigmatisierung psychisch kranker Menschen. Sie ist Kuratorin und Mitautorin der Ausstellung "totgeschwiegen 1933 bis 1945 - die Geschichte der Wittenauer Heilstätten, seit 1957 Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik", die als Dauerausstellung auf dem Gelände der ehemaligen Nervenklinik in der Oranienburger Straße 285 in Berlin Reinickendorf gezeigt wird. Seit 1984 forscht sie zu medizin-historischen Themen. Ihr Psychologie-Studium an der Freien Universität in Berlin schloss sie 1980 mit Diplom ab. Seit 1981 ist Christina Härtel als klinische Psychologin tätig, zunächst in der Nervenklinik Spandau, ab 1982 in der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik. 1999 erfolgte ihre Approbation als Psychologische Psychotherapeutin. Seit 2000 ist sie in der Tagesklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik tätig - heute Vivantes Humboldt-Klinikum. Seit mehreren Jahren ist sie dort als Leiterin der Tagesklinik für depressive Störungen zuständig.
Christina Härtel
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-01-05T00:00:00 | 2013-01-29T00:00:00 | 2022-01-05T00:00:00 | https://www.bpb.de/veranstaltungen/reihen/konferenz-holocaustforschung/154223/entwertung-ausgrenzung-totschweigen/ | "Dich hat man wohl vergessen zu vergasen". So äußerte sich ein Pfleger in den 1980er Jahren gegenüber einem Psychiatriepatienten. Im Interview erzählt die Psychologin und Medizingeschichtsforscherin Christina Härtel wie Ausgrenzungsstrategien des Nat | [
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1. Podcasts
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Interner Link: KN:IX talks: Aktuelle Themen der IslamismuspräventionFolgen jeweils 35-40 Minuten, Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus (KN:IX), seit 2022 Interner Link: RISE: Der Podcast zu Identität, Pluralismus und ExtremismusFolgen jeweils 32-53 Minuten, JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, seit 2021 Interner Link: Denkzeit-Podcast: RadikalisierungspräventionFolgen jeweils 25-30 Minuten, Denkzeit-Gesellschaft, Interdisziplinäres Kompetenznetzwerk Radikalisierungsprävention, 2021 Interner Link: PINs: Primärpräventive Intervention NiedersachsenFolgen jeweils 17-26 Minuten, Landes-Demokratiezentrum Niedersachsen, beRATen e. V., 2021 Interner Link: RADIKAL querdurchdachtFolgen jeweils 14-32 Minuten, Deutscher Volkshochschul-Verband e. V., seit 2020 Interner Link: "Wovon träumst du eigentlich nachts?"Folgen jeweils 20-25 Minuten, ufuq.de, seit 2020 Interner Link: modus I extremFolgen jeweils 12-35 Minuten, modus I zad, 2019-2021
KN:IX talks: Aktuelle Themen der Islamismusprävention
Folgen jeweils 35-40 Minuten, Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus (KN:IX), seit 2022
Wie funktioniert Islamismusprävention in Deutschland und international? Welche Methoden, Ansätze und Bereiche gibt es? Welche aktuellen Themen beschäftigten das Arbeitsfeld? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der Podcast-Reihe "KN:IX talks". Die Folgen befassen sich unter anderem mit zivilgesellschaftlichen Präventionsprojekten, globalgeschichtlichem Lernen in der Schule und Homofeindlichkeit in der Distanzierungsarbeit.
Verfügbar auf Externer Link: kn-ix.de
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RISE: Der Podcast zu Identität, Pluralismus und Extremismus
Folgen jeweils 32-53 Minuten, JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, seit 2021
Wie können Jugendliche darin gestärkt werden, sich kritisch mit antidemokratischen und antipluralistischen Weltbildern auseinanderzusetzen? Der RISE Podcast richtet sich an pädagogische Fachkräfte und liefert Grundlagen und Impulse für den Umgang mit Kontroversen und Konflikten über unterschiedliche Wertvorstellungen und Orientierungen. Die Folgen vermitteln Denkanstöße, Methodenskills und Informationen rund um die Themen Gender, Gesellschaftskritik, Pluralismus, Werte & Religion und Rassismus.
Verfügbar auf Externer Link: letscast.fm
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Denkzeit-Podcast: Radikalisierungsprävention
Folgen jeweils 25-30 Minuten, Denkzeit-Gesellschaft, Interdisziplinäres Kompetenznetzwerk Radikalisierungsprävention, 2021
Was haben Verschwörungserzählungen mit Radikalisierung zu tun? Wie erreicht man Kinder und Jugendliche in salafistisch geprägten Familien? Diese und weitere Fragen beantwortet das Netzwerk in einer Podcast-Reihe rund um die Radikalisierungsprävention. Wissenschaftliche Themen werden dabei kurz und praxisnah aufbereitet.
Verfügbar auf Externer Link: netzwerk-radikalisierungspraevention.com
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PINs: Primärpräventive Intervention Niedersachsen
Folgen jeweils 17-26 Minuten, Landes-Demokratiezentrum Niedersachsen, beRATen e. V., 2021
Pädagogischen Fachkräften Hilfestellungen für die Präventionsarbeit bieten – das ist das Ziel von PINs. Das Podcast-Angebot widmet sich Themen aus den Bereichen religiös-begründete Radikalisierung und antimuslimischer Rassismus.
Verfügbar auf Externer Link: soundcloud.com
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RADIKAL querdurchdacht
Folgen jeweils 14-32 Minuten, Deutscher Volkshochschul-Verband e. V., seit 2020
Im Podcast des Projekts Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt (PGZ) dreht sich alles rund um das Thema Radikalisierungsprävention. Inhaltlich stützt sich der Podcast auf die Vermittlung von Informationen zu den Themen Radikalisierung, Extremismus und Präventionsarbeit wie auch aus angrenzenden Themenfeldern. Es werden Interviews mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und Praxis umgesetzt.
Verfügbar auf Externer Link: podigee.io
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"Wovon träumst du eigentlich nachts?"
Folgen jeweils 20-25 Minuten, ufuq.de, seit 2020
ufuq.de spricht mit jungen Gästen aus der Zivilgesellschaft über gesellschaftliche Themen, die sie im Alltag beschäftigen. "Wovon träumst du eigentlich nachts?" lautet dabei die Leitfrage in jeder Folge, die sich sowohl zwei ufuq.de-Mitarbeiterinnen als auch ihre Gäste stellen. Welche Wünsche und Vorstellungen haben sie von der Gesellschaft? Wofür und wogegen setzen sie sich ein? Die Podcasts eignen sich für die Arbeit mit Jugendlichen und erleichtern den Einstieg in Gespräche über ebenso aktuelle wie kontroverse Fragen aus Politik und Gesellschaft.
Verfügbar auf Externer Link: ufuq.de
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modus I extrem
Folgen jeweils 12-35 Minuten, modus I zad, 2019-2021
Moderatorin Julia Straßer spricht mit Expertinnen und Experten über aktuelle Themen aus dem Bereich Radikalisierung und Extremismusprävention. Inhaltlich geht es dabei sowohl um fundamentale Fragen wie "Warum radikalisieren sich Menschen eigentlich?" als auch darum, ob, wie und wo man sich online radikalisieren kann, welche Rolle Verschwörungserzählungen spielen oder welche Rolle Musik in Hinwendungsprozessen zukommen kann.
Verfügbar auf Externer Link: modus-zad.de
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2. Podcast-Mini-Serien
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Interner Link: Deso Dogg. Der Rapper, der zum IS ging6 x 34-48 Minuten, funk (WDR), 2022 Interner Link: Leonora – Mit 15 zum IS12 x 30-47 Minuten, NDR, 2019 & 2022 Interner Link: Frauen und Kinder im Salafismus5 x 13-25 Minuten, bpb, 2019 Interner Link: Bilals Weg in den Terror5 x 30 Minuten, NDR und rbb, 2017
Deso Dogg. Der Rapper, der zum IS ging
6 x 34-48 Minuten, funk (WDR), 2022
Ein Rapper aus Berlin-Kreuzberg radikalisiert sich und zieht für den "IS" in den Krieg – wie konnte das passieren? Die Podcast-Reihe erzählt die Geschichte von Denis Cuspert alias Deso Dogg. Hörende werden mitgenommen in die Berliner Rapwelt der Nullerjahre, in das private Umfeld des Musikers und die islamistische Szene Deutschlands. Um Antworten zu finden, spricht Host Azadê Peşmen mit ehemaligen Vertrauten, Rap-Kollegen sowie Expertinnen und Experten.
Verfügbar auf Externer Link: ardaudiothek.de
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Leonora – Mit 15 zum IS
12 x 30-47 Minuten, NDR, 2019 & 2022
Ein Vater kämpft um seine Tochter, die sich der Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien angeschlossen hat. Vier Jahre lang begleiten Reporter den Vater dabei, wie er Schleuser trifft, mit Terroristen verhandelt und versucht, seinen Alltag als Bäcker in Sachsen-Anhalt zu meistern. Über Sprachnachrichten halten der Vater und seine Tochter Leonora Kontakt.
Ende 2020 wird Leonora von der Bundesregierung zurück in Deutschland geholt. Sie wird zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Wie ist die Rückkehr gelungen, wie funktioniert ein Neuanfang? Ein Reportage-Team hat Vater und Tochter weiterhin begleitet.
Verfügbar auf Externer Link: ndr.de
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Frauen und Kinder im Salafismus
5 x 13-25 Minuten, bpb, 2019
Im Rahmen der bpb-Tagung "Kind. Kegel. Kalifat. Frauen und Kinder: blinde Flecken in der Salafismusprävention?" ist eine Podcast-Reihe entstanden. Sie widmet sich unter anderem Kindern, die in salafistischen Familien aufwachsen, kommunalen Aspekten der Präventionsarbeit oder dem Thema Gefangenenhilfe.
Verfügbar auf Externer Link: bpb.de
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Bilals Weg in den Terror
5 x 30 Minuten, NDR und rbb, 2017
Mit 14 Jahren konvertierte Florent aus Hamburg zum Islam und benannte sich um in Bilal. Mit 17 Jahren zog er für den sogenannten Islamischen Staat nach Syrien in den Krieg, wo er nach nur zwei Monaten stirbt. Für eine fünfteilige Radio- und Podcast-Serie hat der Journalist Philip Meinhold mit Menschen aus Bilals Umfeld gesprochen – mit seinen Lehrern, Sozialarbeitern, einem Pastor und mit seiner Mutter. Aus den Gesprächen setzt sich wie ein Mosaik Bilals Geschichte zusammen. Sie zeigt exemplarisch, wie Jugendliche sich radikalisieren und schließlich sogar in den Dschihad ziehen.
Verfügbar auf Interner Link: bpb.de
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3. Einzelne Audio-Beiträge
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3.1 Radikalisierung, Prävention und Islamismus
Interner Link: Radikalisierung im Gefängnis22 Minuten, F. A. Z. Podcast für Deutschland, 2022 Interner Link: Wie sich die türkischen Faschisten der Grauen Wölfe bezwingen lassen58 Minuten, Dissens Podcast, 2021 Interner Link: Was tun mit radikalisierten Menschen?44 Minuten, WEHR51: Kantinengespräche, 2021 Interner Link: Pädagogik zwischen Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus63 Minuten, Europahaus Marienberg: Diskutabel, 2021 Interner Link: Islamismus bei Jugendlichen47 Minuten, Draussen mit Claussen, 2021 Interner Link: Hamburg und seine Islamisten-Szene: Überwachen und überzeugen gegen die Radikalisierung19 Minuten, Deutschlandfunk, 2020 Interner Link: Töten im Namen Allahs – Radikalisierung muslimischer Jugendlicher 25 Minuten, hr inforadio, 2019 Interner Link: Muslimische Jugendarbeit16 Minuten, Deutschlandfunk Kultur, 2019 Interner Link: Mädchen und junge Frauen und ihre Rolle im Dschihadismus29 Minuten, Radiofabrik – Frauenzimmer, 2016
3.2 Dschihadismus, Terrorismus & der "Islamische Staat"
Interner Link: Verbindungen des Dschihadismus in Deutschland, Syrien und dem Irak28 Minuten, SWR2 Wissen , 2022 Interner Link: Interview mit Terrorismusforscher Peter Neumann zum "IS" und zu Veränderungen der Szene26 Minuten, Deutschlandfunk Nova, 2021 Interner Link: Erfolg im Kampf gegen den Dschihadismus87 Minuten, FAZ: Einspruch Podcast , 2020
3.3 "IS"-Rückkehrende
Interner Link: Was erwartet "IS"-Rückkehrerinnen in Deutschland?15 Minuten, Bayerischer Rundfunk, 2021Interner Link: "IS"-Rückkehrerinnen: Wie gefährlich sind sie? 15 Minuten, Bayerischer Rundfunk, 2020 Interner Link: Wie geht die Justiz mit Rückkehrerinnen um?7 Minuten, Deutschlandfunk Kultur, 2019
3.4 Sonstige
Interner Link: Muslimfeindlichkeit in Deutschland30 Minuten, NDR/SR, 2022 Interner Link: Koran-Übersetzungen und ihre Auswirkungen5 Minuten, NDR Kultur, 2022 Interner Link: Kühnert und Lobo: Die Stille der Linken bei islamistischem Terror 103 Minuten, Spotify: Lobo – Der Debatten-Podcast, 2020
3.1 Radikalisierung, Prävention und Islamismus
Radikalisierung im Gefängnis
22 Minuten, F.A.Z. Podcast für Deutschland, 2022
Warum radikalisieren sich Menschen in Haft? Und wie kann das verhindert werden? Für den "F.A.Z. Podcast für Deutschland" beschäftigt sich Timo Steppat mit den Gründen für Radikalisierung in deutschen Gefängnissen und mit Gegenmaßnahmen. Dazu besucht er eine Haftanstalt in Oberbayern und spricht mit dem Psychologen Ahmed Mansour, der Workshops zur Extremismusprävention für Häftlinge gibt.
Verfügbar auf Externer Link: faz.net
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Wie sich die türkischen Faschisten der Grauen Wölfe bezwingen lassen
58 Minuten, Dissens Podcast, 2021
Journalist Lukas Ondreka spricht mit dem Politikwissenschaftler Ismail Küpeli über türkischen Faschismus, die Geschichte und Ideologie der Grauen Wölfe sowie mögliche Fehler der Integrationspolitik und Gefahren. "Ein Verbot wird nicht ausreichen, um den Einfluss der Grauen Wölfe in Deutschland zu schmälern", sagt Küpeli.
Verfügbar auf Externer Link: open.spotify.com
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Was tun mit radikalisierten Menschen?
44 Minuten, WEHR51: Kantinengespräche, 2021
Begleitend zur Theaterproduktion "IS deutsche Räuber im Dschihad" hat das Kölner Ensemble WEHR51 eine Podcast-Folge aufgenommen. Die Theatermacherinnen Andrea Bleikamp und Rosi Ulrich geben Einblicke in ihre Arbeit und diskutieren über Zusammenhänge und Hintergründe von Radikalisierung. Zu Gast sind unter anderem die Extremismusexpertin Claudia Dantschke sowie der Sozialpsychologe Ernst-Dieter Lantermann.
Verfügbar auf Externer Link: anchor.fm
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Pädagogik zwischen Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus
63 Minuten, Europahaus Marienberg: Diskutabel, 2021
Die Studienleiter des Europahaus Marienberg sprechen mit Pierre Asisi von ufuq.de über Islam, Islamfeindlichkeit und Rassismus.
Verfügbar auf Externer Link: europahaus-marienberg.eu
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Islamismus bei Jugendlichen
47 Minuten, Draussen mit Claussen, 2021
Im Gespräch sind der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche Deutschland, Johann Hinrich Claussen, und der Experte für Demokratiepädagogik, Kurt Edler. Es geht um Islamismus, Extremismus und wieso es wichtig ist, den Blick auf deutsche Schulen und nach Frankreich zu richten.
Verfügbar auf Externer Link: reflab.ch
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Hamburg und seine Islamisten-Szene: Überwachen und überzeugen gegen die Radikalisierung
19 Minuten, Deutschlandfunk, 2020
In einem umfangreichen Beitrag stellt der Deutschlandfunk die Entwicklungen der islamistischen Szene in Hamburg in den vergangenen Jahren vor. Demnach hat sich die Lage in Hamburg auch nach der militärischen Niederlage des "IS" nicht entspannt. Vielmehr wachsen Gruppen wie Hizb ut-Tahrir und die Furkan-Gemeinschaft. Ein weiteres Thema ist der andauernde Konflikt über die Beobachtung des Islamischen Zentrums.
Verfügbar auf Externer Link: deutschlandfunk.de
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Töten im Namen Allahs – Radikalisierung muslimischer Jugendlicher
25 Minuten, hr inforadio, 2019
Wie groß ist die Zahl der Jugendlichen, die sich für eine radikale Auslegung des Islams begeistern? Was weiß man über ihre Motive? Und was kann eine Gesellschaft dem entgegensetzen? Diese Fragen beantwortet der Podcast von hr info in 25 Minuten. Zu Wort kommen unter anderem Religionslehrerin und Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor, Psychologe Ahmad Mansour, Wissenschaftler Andreas Zick sowie Janusz Biene vom Projekt "PRO Prävention".
Verfügbar auf Externer Link: hr-inforadio.de
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Muslimische Jugendarbeit
16 Minuten, Deutschlandfunk Kultur, 2019
Deutschlandfunk Kultur berichtet in diesem Beitrag über die muslimische Jugendarbeit bei Jugendverbänden wie Mosaik und den Moslemischen Pfadfindern. Abseits der großen Islamverbände bemühen sie sich um einen Zugang zu Jugendlichen und haben dabei häufig mit fehlenden professionellen Strukturen zu kämpfen.
Verfügbar auf Externer Link: deutschlandfunkkultur.de
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Mädchen und junge Frauen und ihre Rolle im Dschihadismus
29 Minuten, Radiofabrik – Frauenzimmer, 2016
Sehnsucht, Emanzipation, WhatsApp-Anwerbung: Viele Mädchen begeistern sich für radikal-religiöse Tendenzen. Die Verheißungen des sogenannten Islamischen Staates erreichen Mädchen und junge Frauen aus allen Gesellschaftsschichten mit unterschiedlicher Herkunft. Claudia Dantschke berichtet in diesem Beitrag unter anderem darüber, warum der "IS" für junge Frauen attraktiv ist, mit welchen Vorstellungen die jungen Frauen nach Syrien oder in den Irak gehen und wie die Rekrutierung erfolgt. Sie zeigt außerdem notwendige Ansätze und Handlungsstrategien auf, um dies zu verhindern.
Verfügbar auf Externer Link: cultural broadcasting archive
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3.2 Dschihadismus, Terrorismus & der "Islamische Staat"
Verbindungen des Dschihadismus in Deutschland, Syrien und dem Irak
28 Minuten, SWR2 Wissen, 2022
Wie hat sich die dschihadistische Szene in Deutschland nach der militärischen Zerschlagung des "IS" neu organisiert? In welcher Beziehung stehen deutsche Dschihadistinnen und Dschihadisten zu islamistischen Terrororganisationen in Syrien und im Irak? Und welche Rolle spielen sie für deren Finanzierung? Der Beitrag von SWR2 Wissen beleuchtet diese und weitere Fragen anhand von Fallbeispielen und Expertenmeinungen aus Wissenschaft und Politik.
Verfügbar auf Externer Link: swr.de
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Interview mit Terrorismusforscher Peter Neumann zum "IS" und zu Veränderungen der Szene
36 Minuten, Deutschlandfunk Nova, 2021
Terrorismusforscher Peter Neumann spricht über die Veränderung der Szene nach dem Niedergang des "IS", die Rolle der Corona-Krise sowie die Kommunikationskanäle der Extremisten. Die Tatsache, dass in den nächsten zwei Jahren Hunderte Islamisten aus europäischen Gefängnissen entlassen werden, bezeichnet er als "Herausforderung für die Überwachung". Panik will er jedoch nicht schüren: "Die Rückfälligkeitsrate bei Terroristen ist relativ gering."
Verfügbar auf Externer Link: deutschlandfunknova.de
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Erfolg im Kampf gegen den Dschihadismus
87 Minuten, FAZ: Einspruch Podcast, 2021
Die Folge behandelt das Strafurteil gegen den islamistischen Hassprediger Abu Walaa und den Stand im Kampf gegen islamistischen Terror in Deutschland. Zu Gast ist FAZ-Redakteur Alexander Haneke, der den Prozess eng mitverfolgt hat.
Verfügbar auf Externer Link: faz.net
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3.3 "IS"-Rückkehrende
Was erwartet "IS"-Rückkehrerinnen in Deutschland?
15 Minuten, Bayerischer Rundfunk, 2021
Was erwartet mutmaßliche "IS"-Anhängerinnen nach ihrer Rückkehr nach Deutschland? Und wie kann ihr Leben in Deutschland aussehen? Das erklärt Thomas Mücke von Violence Prevention Network im Tagesticket-Podcast des Bayerischen Rundfunks. Seit 30 Jahren ist der Pädagoge in der Ausstiegsarbeit tätig.
Verfügbar auf Externer Link: br.de
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"IS"-Rückkehrerinnen: Wie gefährlich sind sie?
15 Minuten, Bayerischer Rundfunk, 2020
Seit drei Jahren gilt die Terrorgruppe "IS" in Syrien und im Irak militärisch als besiegt. Seitdem sind viele (Ex-)Angehörige in kurdischen Lagern in Gefangenschaft, darunter auch fünf bayerische Frauen. BR-Journalist Joseph Röhmel hat mit einer "IS"-Rückkehrerin über Gründe für ihre Ausreise sowie ihre Zeit im "IS" gesprochen. Außerdem sprach er mit Fachleuten über die Gefahr, die von zurückgekehrten Frauen ausgehen könnte.
Verfügbar auf Externer Link: br.de
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Wie geht die Justiz mit Rückkehrerinnen um?
7 Minuten, Deutschlandfunk Kultur, 2019
Claudia Dantschke von der Beratungsstelle HAYAT hat mit Deutschlandfunk Kultur über Frauen gesprochen, die vom "IS" zurückkehren und darüber, wie die deutsche Justiz mit ihnen umgeht.
Verfügbar auf Externer Link: deutschlandfunkkultur.de
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3.4 Sonstige
Muslimfeindlichkeit in Deutschland
30 Minuten, NDR/SR, 2022
Wie erleben muslimische Menschen in Deutschland Vorurteile und Diskriminierung im Alltag? Was lässt sich gegen Muslimfeindlichkeit tun, und wo stehen wir in deren Bekämpfung? Anlässlich des "Tages gegen antimuslimischen Rassismus" am 1. Juli 2022 gab ein NDR-Beitrag einen Überblick über die aktuelle Lage. Eine Reportage des SR erzählte von Musliminnen, die sich gegen Diskriminierung und für ihre Rechte stark machen.
Verfügbar auf Externer Link: ndr.de
Verfügbar auf Externer Link: sr.de
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Koran-Übersetzungen und ihre Auswirkungen
5 Minuten, NDR Kultur, 2022
Welche Konflikte ergeben sich durch unterschiedliche Übersetzungen des Korans? Inwiefern legen salafistische Gelehrte Suren anders aus als die Mehrheit der islamischen Gelehrten? Der Beitrag beschäftigt sich mit den theologischen und politischen Herausforderungen, die sich durch Koran-Übersetzungen ergeben. Die Islamwissenschaftlerin Johanna Pink bietet dabei Einblicke in das Forschungsprojekt "The Global Qur’an", das sich mit diesen Auswirkungen beschäftigt.
Verfügbar auf Externer Link: ndr.de
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Kühnert und Lobo: Die Stille der Linken bei islamistischem Terror
103 Minuten, Spotify: Lobo – Der Debatten-Podcast, 2020
Regelmäßig beobachtet Sascha Lobo nach islamistischen Anschlägen wie in Dresden als erste Reaktion der politischen Linken die Sorge über daraus resultierenden rechten Hass. Der scheidende JuSo-Chef Kevin Kühnert schrieb einen ähnlichen Debattenbeitrag im Spiegel. In der Podcast-Folge diskutieren Lobo und Kühnert gemeinsam über die Reaktionen auf ihre Beiträge.
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Infodienst RadikalisierungspräventionMehr Infos zu Radikalisierung, Prävention & Islamismus
Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten.
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| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-09-05T00:00:00 | 2020-04-02T00:00:00 | 2022-09-05T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/infodienst/307348/audio-podcasts-mini-serien-audio-beitraege/ | Bei den Beiträgen handelt es sich um Gespräche und Einblicke aus der Präventionspraxis sowie um Mini-Serien, die sich mit der Radikalisierungsbiografie einzelner Personen beschäftigen. | [
"Islamismus",
"Radikalisierung",
"Prävention",
"Salafismus",
"Extremismus",
"Audio",
"Podcast"
] | 185 |
Ohne Auto verlöre ich ein Stück Lebensfreude | Eine Stadt. Ein Land. Viele Meinungen. | bpb.de | Von Reinhold Osterhus (Pensionär) Kann das Auto weg? Natürlich kann das Auto weg! Die Frage ist nur: Für wen gilt das? Denken wir an unsere Verpflegung. Wie sollen Menschen, die über kein eigenes Land zum Pflanzen und Ernten verfügen, ernährt werden? Wie soll die Nahrung für Millionen ohne Auto verteilt werden? Denken wir an Ärzte, Pflegekräfte, Seelsorger, Polizisten, Feuerwehrleute, die Tag und Nacht ihren Dienst verrichten und spontan verfügbar sein müssen. Sollen diese zu Fuß gehen, mit dem Fahrrad fahren oder sich ein Auto teilen? Denken wir an die Alten auf dem Land, denen das Auto ihre Unabhängigkeit gewährleistet. Denken wir an die Behinderten auf dem Land und in der Stadt, die kein Fahrrad fahren können. Denken wir an die Menschen im Gebirge, an die, die in abgelegenen Dörfern und oder einzelnen Gehöften wohnen. Denken wir nicht zuletzt an unsere Verteidigung. Wie sollen Soldatinnen und Soldaten an die Front gelangen, wenn die Straßen zerstört sind und Flugzeuge ebenfalls abgeschafft wurden? Wie sollen die Ausrüstungsgegenstände und Waffen mitgeführt werden? Doch wohl nicht in Lastenfahrrädern. Natürlich kann das Auto weg. Die Frage ist nur für wen? Die Erde existierte die meiste Zeit ohne Auto. Aber auch ohne Menschen. Und jetzt spreche ich für mich. Arbeiterkind. Meine Eltern gaben alles, um ihren zwei Kindern eine Ausbildung und ein Studium zu ermöglichen. Sie hatten nie ein Auto. Dafür durfte mein Vater als 19-Jähriger vier Jahre für das Deutsche Reich in der Sowjetunion kämpfen. Er war überzeugter Sozialdemokrat und hat nur die SPD gewählt. Einige in meinem Arbeiterstadtteil in meiner geliebten Heimatstadt Hamburg konnten sich nach vielen Jahren harter Arbeit einen Kleinwagen leisten, Lloyd, Goggomobil, Isetta, Messerschmidt und wenige einen Opel Rekord und Kapitalisten einen Opel Kapitän oder einen Mercedes. Manchmal wurde ich von Familien meiner Mitschüler in ihrem Auto mit an die Ostsee genommen. Im Auto, das Sinnbild für individuelle Freiheit und Lebensfreude war. Da das Arbeiterkind fleißig und begabt war, wurde ihm als einzigem Arbeiterkind in der Klasse Anfang der siebziger Jahre das Abitur ausgehändigt. Im gleichen Jahr machte ich den Führerschein, bezahlt von der Behörde, in die ich inzwischen eingetreten war. Ich hatte nicht das Geld, um den Führerscheinkurs zu bezahlen. Als mir ein Kollege einen VW-Käfer für 500 D-Mark anbot und ich Fahrpraxis brauchte, kaufte ich meinen ersten Wagen. Das Auto wurde mein Freund. Ich kann gar nicht aufzählen, wie viele verschiedene Modelle ich fuhr. Ich war mit dem Auto am Nordkap, in Malaga, in der Türkei, ich bin mit dem Auto auf dem Balkan und in Afghanistan gefahren. Heute fahre ich einen Dacia Logan MCV Diesel mit einer Reichweite von bis zu 1500 Kilometern und zur Belohnung für mein hartes Arbeitsleben zusätzlich ein Goggomobil Coupé, wenn die Sonne scheint. Meine jährliche Fahrleistung beträgt etwa 45.000 Kilometer und das über Jahrzehnte hinweg. Mit meinen Ausführungen möchte ich den Spannungsbogen zwischen Rationalität und Emotionalität verdeutlichen. Kann das Auto weg? Ja! Natürlich! Aber für wen und wer wird diese Entscheidung treffen? Betrachten wir zuletzt die Konsequenzen: Die Wirtschaftsleistung geht wieder bergab. Deutschlands Alleinstellungsmerkmal war seine Automobilindustrie. Täglich lesen wir von geplanten Entlassungen in der Zulieferungsindustrie und von möglicher Kurzarbeit in der Produktion. Ohne Auto würde ich einen Großteil meiner Lebensfreude und Selbstständigkeit verlieren. Käme es trotzdem dazu, wäre ich nicht bereit, statt Auto zu fahren meine Zeit mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, mit Streamingdiensten oder Kommunikation am Telefon zu vergeuden. Dann würde ich lieber mein Öko-Obst zu Alkohol vergären, gemütlich auf der Terrasse sitzen und an die schöne Zeit mit Auto zurückdenken. Ganz zum Schluss verrate ich meinen Traum. Ich habe einen Freund in Zaporizhja in der Ukraine. Mit ihm möchte ich im Auto von Berlin nach Wladiwostok fahren und in jeder Stadt bei der Durchreise auf die deutsch-russisch-ukrainische Freundschaft anstoßen. Mehr Beiträge zum Thema
Interner Link: Lasst uns Wohlstand anders denken! Interner Link: Das Auto ist die Messlatte für Innovationen Interner Link: Die Verkehrsanarchie muss ein Ende haben Interner Link: Eine umweltgerechte Stadt ist das Ziel
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2019-08-28T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/eine-stadt-ein-land-viele-meinungen/294727/ohne-auto-verloere-ich-ein-stueck-lebensfreude/ | Pensionär Reinhold Osterhus gewinnt durch sein Auto Selbstständigkeit und Lebensfreude. | [
"Verkehr; Auto; Fahrrad; Meinungsvielfalt; Bundeszentrale für politische Bildung; Mauerfall; Umwelt"
] | 186 |
11. Festival „Politik im Freien Theater“ in Frankfurt am Main zum Thema „Macht“ | Presse | bpb.de | Unter dem Motto „Macht“ präsentiert das 11. Festival „Politik im Freien Theater“ vom 29. September bis 8. Oktober 2022 in Frankfurt am Main 16 innovative, interdisziplinäre und genreübergreifende Theaterproduktionen sowie vielfältige Kunst-, Kultur- und Diskursangebote.
Mit der Doppelbedeutung des Begriffs „Macht“ thematisiert das Programm die kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Herrschaftsverhältnissen, Privilegien und Verteilungsfragen im regionalen, nationalen wie globalen Kontext sowie die Möglichkeit der aktiven Mitgestaltung von Handlungsspielräumen.
Das Gastspielprogramm der Frankfurter Festivalausgabe präsentiert Theaterarbeiten aus dem deutschsprachigen Raum, die von einem kleinen Fenster internationaler Produktionen flankiert werden. Einen besonderen Schwerpunkt bilden bis zu sechs lokale Gastspiele von Künstlern aus der Region Frankfurt. Professionelle freie Theatergruppen und -künstler aus dem gesamten deutschsprachigen Raum können sich mit Produktionen bewerben, die einen dezidierten Bezug zum Festivalthema „Macht“ aufweisen und zwischen Oktober 2018 und März 2022 entstanden sind bzw. noch entstehen werden. Der Bewerbungsschluss ist der 10. Januar 2022.
Weitere Informationen zum Festival sowie die detaillierte Ausschreibung finden Sie unter: Interner Link: www.bpb.de/opencall-theaterfestival
Die Auswahl des Theaterprogramms trifft eine Fachjury, die aus den Festivalleitungen der vier Veranstalter sowie fünf externen Jurymitgliedern besteht.
Festivalleitungen der Veranstalter: Marcus Droß, Dramaturg, Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt Katja Herlemann, Dramaturgin, Schauspiel Frankfurt Milena Mushak, Referentin, Bundeszentrale für politische Bildung, Berlin Anne Paffenholz, Referentin, Bundeszentrale für politische Bildung, Berlin Jan Philipp Stange, Regisseur, Festival-AG Frankfurt
Externe Jurymitglieder: Saba-Nur Cheema, Politikwissenschaftlerin, Bildungsstätte Anne Frank, Frankfurt am Main Janis El-Bira, Theaterjournalist, Autor und Moderator, Berlin Thilo Grawe, Theaterpädagoge, Junges Ensemble Stuttgart Annett Gröschner, Dramen-/Romanautorin und Journalistin, Berlin Tunay Önder, Autorin, Publizistin, dramaturgische Beraterin und Kuratorin, München
Das Festival Politik im Freien Theater gastiert alle drei Jahre auf Initiative der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb in einer anderen deutschen Stadt. Für das Festival 2022 in Frankfurt kooperiert die bpb mit dem Künstlerhaus Mousonturm, dem Schauspiel Frankfurt und der Festival-AG, einem Netzwerk der lokalen Freien Szene in Frankfurt, in dem unter anderem ID_Frankfurt e.V., der Landesverband Professionelle Freie Darstellende Künste Hessen e.V. (laPROF) sowie das Theater Naxos vertreten sind. Das 11. Festival wird unterstützt und begleitet vom Kulturdezernat der Stadt Frankfurt am Main. Mit seinen umfassenden Angeboten richtet sich das Festivalprogramm an die Stadtgesellschaft aller Altersgruppen sowie an Fachpublikum.
Pressemitteilung als Interner Link: PDF
Pressekontakt
Bundeszentrale für politische Bildung Stabsstelle Kommunikation Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-200 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: presse@bpb.de
Pressemitteilungen der bpb abonnieren/abbestellen: Interner Link: www.bpb.de/presseverteiler | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-09-30T00:00:00 | 2021-07-06T00:00:00 | 2021-09-30T00:00:00 | https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/336054/11-festival-politik-im-freien-theater-in-frankfurt-am-main-zum-thema-macht/ | Bewerbung von Theatergruppen und -künstlern für das Festival im Herbst 2022 ab sofort möglich | [
"Politik im Freien Theater",
"Theater",
"Frankfurt"
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Chronik: 2. Juli 2019 – 2. September 2019 | bpb.de | 02.07.2019 Jacek Sasin (Recht und Gerechtigkeit/Prawo i Sprawiedliwość – PiS), Vizepräsident des Ministerrates, spricht sich gegen die Kandidatur von Frans Timmermans für das Amt des Präsidenten des Europäischen Parlaments aus. Timmermans verstehe die spezifische Situation Ostmitteleuropas und seine historischen Erfahrungen nicht, was u. a. sein Beharren auf der Anwendung des Artikels 7 des EU-Vertrags gegenüber Polen gezeigt habe. Seine Kandidatur stehe nicht für die europäische Einheit. 03.07.2019 Die ehemalige Ministerpräsidentin Polens, Beata Kopacz (Bürgerplattform/Platforma Obywatelska – PO), wird mit 461 Stimmen zur stellvertretenden Präsidentin des Europäischen Parlaments gewählt. Sie gehört der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) an. Der zweite polnische Bewerber, der Europaabgeordnete Zdzisław Krasnodębski (Recht und Gerechtigkeit/Prawo i Sprawiedliwość – PiS), der für die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) kandidiert, scheidet im dritten Wahlgang aus. Der Präsident des Europäischen Parlaments hat 14 Stellvertreter. 04.07.2019 Der Sejm stimmt für das sogenannte Sondergesetz Westerplatte (262 Ja-Stimmen, 164 Nein-Stimmen; eine Enthaltung), das von Abgeordneten der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) eingebracht wurde und den Bau eines Museums für den Kampf der polnischen Streitkräfte gegen diedeutsche Wehrmacht auf der Westerplatte (bei Danzig/Gdańsk) im September 1939 beinhaltet. Kritiker befürchten, dass die PiS den Ort für ihre Geschichtspolitik und Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Kriegsbeginns instrumentalisieren will. Das Gebiet der Westerplatte gehört mehreren Eigentümern, den größten Anteil hält die Stadt Danzig. 04.07.2019 Der Sejm stimmt mit 419 Stimmen bei vier Gegenstimmen für die Abschaffung der Einkommensteuer für Personen bis zum 26. Lebensjahr. Das Gesetz soll am 1. August in Kraft treten. Schätzungen zufolge wird es für über zwei Millionen Menschen gelten. 05.07.2019 In Posen (Poznań) endet die dreitägige Westbalkankonferenz, an der Teilnehmerstaaten des sogenannten Berliner Prozesses sowie die Ministerpräsidenten von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, der Republik Nordmazedonien und Serbien teilnehmen. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki unterstreichtauf der Pressekonferenz, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit und gegenseitige Investitionen ein Weg seien, historische Verschiedenheit, insbesondere zwischen den Westbalkanstaaten, zu überwinden. 06.07.2019 Władysław Kosiniak-Kamysz, Vorsitzender der Polnischen Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL), teilt nach der Sitzung des Hauptrates der PSL mit, dass die Partei für die Parlamentswahlen im Herbst kein Wahlbündnis mit linken Parteien eingehen werde. Vielmehr werde die PSL die gemäßigt konservative Polnische Koalition (Koalicja Polska) aufbauen und sei offen für Gespräche mit der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO). Mit Blick auf das breite Oppositionsbündnis in Polen für die Europawahlen im Mai sagt Kosiniak-Kamysz, nicht allein der Wille zum Wahlsieg sei entscheidend, sondern auch gemeinsame Ideen, Werte und politische Programme. 08.07.2019 Nach ihrem neusten Bericht geht die Polnische Nationalbank (Narodowy Bank Polski – NBP) für das Jahr 2019 von einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Höhe von 4,5 % aus; für das Jahr 2020 wird das BIP auf 4 % geschätzt und für das Jahr 2021 auf 3,5 %. 09.07.2019 Władysław Kosiniak-Kamysz, Vorsitzender der Polnischen Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL), sagt in einem Fernsehinterview, dass die Bürgerplattform (Platforma Obywatelska –PO) der natürliche Bündnispartner der PSL für die Parlamentswahlen im Herbst sei. Da die PSL beschlossenhabe, einen oppositionellen Block der gemäßigten Mitte aufzubauen, müsse sich die PO entscheiden, ob sie diesem angehören oder ihre Strategie eines eigenen Parteienbündnisses weiterverfolgen wolle. 11.07.2019 Aus Anlass des Gedenktages für die Opfer des Massakers von Wolhynien durch ukrainische Nationalisten im Jahr 1943 mahnt Präsident Andrzej Duda die Exhumierung der Opfer an, damit die Angehörigen einen Ort der Trauer erhielten. Die Erlaubnis der ukrainischen Seite für die Exhumierung sei die Bedingung für die konstruktiveErinnerung und Gestaltung der polnisch-ukrainischen Beziehungen. 12.07.2019 Władysław Kosiniak-Kamysz, Vorsitzender der Polnischen Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL), bekräftigt, dass die PSL einen Block der oppositionellen Mitte für die Parlamentswahlen im Herbst aufbauen werde. Gespräche mit der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) hättengezeigt, dass diese kein Interesse habe, diesem Block beizutreten. Kosiniak-Kamysz vertritt das Konzept, dass die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) nur abgelöst werden könne, wenn ihr die Opposition in zwei Bündnissen, einem linken und einem der Mitte,entgegen tritt. 13.07.2019 Am zweiten Tag des dem Wahlprogramm gewidmeten Parteitags der Bürgerkoalition (Koalicja Obywatelska – KO) in Warschau stellt Grzegorz Schetyna, Parteivorsitzender der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO), das Programm der KO für die Parlamentswahlen im Herbst vor. Es beinhaltet Forderungen nach Erneuerung der Demokratie und Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, höheren Löhnen, einem verbesserten Zugang zum Gesundheitswesen, insbesondere für Behinderte, und dem vollständigen Ausstieg aus der Kohleenergie bis zum Jahr 2040. 14.07.2019 Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nimmt in Tschenstochau (Częstochowa) an der Hl. Messe der "XXVIII. Pilgerfahrt der Familie des Radio Maryja" teil. In seiner Ansprache dankt er den Anwesenden dafür, dass sie für Polen und die christlichen Werte kämpfen, und plädiert für die Einheit der Nation unter der weiß-roten Fahne. An den Feierlichkeiten des nationalkatholischen Radiosenders nehmen auch Senatsmarschall Stanisław Karczewski, Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak, Justizminister Zbigniew Ziobro, der stellvertretende Parteivorsitzende von Recht und Gerechtigkeit(Prawo i Sprawiedliwość – PiS), Joachim Brudziński, und der stellvertretende Leiter der Präsidialkanzlei, Paweł Mucha, teil. 15.07.2019 Die Europaabgeordnete Beata Szydło, ehemalige Ministerpräsidentin von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS), unterliegt in der Abstimmung für den Vorsitz des Ausschusses für Beschäftigung und Soziales im Europäischen Parlament mit 34 Gegenstimmen bei 19 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen. Bereits in der vergangenen Woche (10. Juli) erhielt sie 27 Gegenstimmen, 21 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen. 16.07.2019 Nach der Wahl Ursula von der Leyens zur Präsidentin der Europäischen Kommission zeigt sich Ministerpräsident Mateusz Morawiecki vorsichtig optimistisch, dass nun eine neue Öffnung möglich sei. Mit von der Leyen habe man eine Partnerin, die sich von der Streitlust eines anderen Kandidaten, dessen emotionaler Behandlung Ostmitteleuropasund seiner sehr ungerechten Behandlung Polens grundlegend unterscheide. Damit bezieht sich Morawiecki womöglich auf den Kandidaten Frans Timmermans, der u. a. für das Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen Polen eintritt. Die EU-Abgeordneten von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość –PiS) hätten von der Leyen wegen ihrer Ansichten in Fragen der Sicherheit, zum russisch-ukrainischen Konflikt und Verhältnis zu Russland sowie zum gemeinsamen europäischen Markt unterstützt. 17.07.2019 Die Europäische Kommission beschließt, die nächste Stufe eines laufenden Vertragsverletzungsverfahrens gegen Polen einzuleiten, das die neuen Disziplinarregelungen für Richter an polnischen Gerichten betrifft. Kritikpunkte sind, dass die Regelungen die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen und die Richter nicht vor politischer Kontrolle geschützt sind. Polen hat nun zwei Monate Zeit, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme der EU-Kommission nachzukommen. Andernfalls kann die Kommission beschließen, den Fall vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu bringen. 18.07.2019 Die Slowakin LuciaĎuriš Nicholsonová wird in Brüssel zur Vorsitzenden des Ausschusses für Beschäftigung und Soziales im Europäischen Parlament gewählt. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki teilt mit, dass die ehemalige Ministerpräsidentin Beata Szydło (Recht und Gerechtigkeit/Prawo i Sprawiedliwość – PiS) ihre Kandidatur zurückgezogen hat.Szydło hatte bei der Abstimmung über dieses Amt zwei Niederlagen erfahren. 20.07.2019 In Białystok (Nordostpolen) findet zum ersten Mal ein "Marsch der Gleichheit" der LGBT-Bewegung statt, dessen Teilnehmer von Gegendemonstranten angegriffen werden. Die Polizei, die ebenfalls angegriffen wird, nimmt 20 Gegendemonstranten fest. Nach Schätzungen der Polizei nahmen an dem Marsch ca. 800 Personen teil. 21.07.2019 Innenministerin Elżbieta Witek verurteilt im Nachrichtendienst Twitter scharf die Ausschreitungen am Vortag gegen den "Marsch der Gleichheit" der LGBT-Bewegung in Białystok (Nordostpolen) und kündigt Konsequenzen für die Täter an. 22.07.2019 Der Bürgerrechtsbeauftragte Adam Bodnar zeigt sich in einem Brief an den Polizeichef der Woiwodschaft Białystok besorgt über das Ausmaß der Gewalt vonseiten der Gegendemonstranten anlässlich des "Marsches der Gleichheit", den die LGBT-Bewegung in der vergangenen Woche in Białystok organisiert hat. Bodnar ruft die Polizei auf, die Täter konsequent zu verfolgen. 23.07.2019 Regierungssprecher Piotr Müller unterstreicht, dass jede Demonstration, die in Übereinstimmung mit dem Gesetz durchgeführt wird, in Polen stattfinden dürfe. Hintergrund ist der "Marsch der Gleichheit", den die LGBT-Bewegung in Białystok in der vergangenen Woche durchgeführt hatte und der von Gegendemonstranten gewalttätig gestört worden war. Als Reaktion auf die Übergriffe gab Bildungsminister Dariusz Piontkowski zu Bedenken, ob Märsche der Gleichheit, die unkonventionelle Formen der Sexualität unterstützen, durchgeführt werden sollten, da sie offenkundig auf großen Widerstand stießen. 23.07.2019 Auf einer Pressekonferenzäußert sich Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zu dem gewaltsam gestörten "Marsch der Gleichheit" der LGBT-Bewegung in der vergangenen Woche in Białystok (Nordostpolen). Er verurteile die rowdyhaften Ausschreitungen der Gegendemonstranten scharf. In Polen sei Platz für jeden und jeder habedas Recht zu demonstrieren, aber es sei absolut kein Platz für rowdyhaftes Verhalten und die unmenschliche Behandlung der Mitmenschen. 25.07.2019 Ministerpräsident Mateusz Morawiecki empfängt in Warschau Ursula von der Leyen, designierte Präsidentin der Europäischen Kommission. Ihre Wahl sei für Europa der Beginn einer guten, neuen Zeit, so Morawiecki und äußert die Hoffnung, dass von der Leyen eine Politik des Kompromisses verfolgen werde. Thematisiert werden personelle Fragen zur Besetzung von EU-Funktionen sowie Themen der EU-Wirtschafts-, Migrations- und Klimapolitik. Morawiecki unterstreicht, dass die Verteilung der fachlichen Kompetenzen in der EU auch geographisch ausgeglichen sein müsse. 26.07.2019 Am Flüssiggasterminal in Swinemünde (Świnoujście) trifft die erste Flüssiggasladung (LNG) aus den USA im Rahmen des 24jährigen Vertrags mit dem US-Energiekonzern Cheniere Energy ein. Bei einer Feierstunde sind anwesend der Minister für Meereswirtschaft und Binnenschifffahrt, Marek Gróbarczyk, derRegierungsbeauftragte für strategische Energieinfrastruktur, Piotr Naimski, der Vorstand des polnischen Energiekonzerns PGNiG, Piotr Woźniak, sowie Adam Davies, Vertreter der US-Botschaft in Polen. Verlesen werden Briefe von Präsident Andrzej Duda, Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und Jarosław Kaczyński, Parteivorsitzender von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS), die u. a. die Diversifizierung des polnischen Energiebedarfs und die Stärkung der Energiesouveränität durch die LNG-Lieferungen aus den USA betonen. 28.07.2019 Das Außenministerium zeigt sich in einer Stellungnahme besorgt über die Lage in Moskau am Vortag, als die Polizei gegen Teilnehmer von Protesten gewaltsam vorging und Medienberichten zufolge über 1.000 Personen verhaftet wurden, und ruft die russische Regierung auf, die Verletzung der Versammlungs- undRedefreiheit als grundsätzliche bürgerliche und politische Freiheiten zu unterlassen. 30.07.2019 Die Partei Die Grünen (Zieloni) gibt bekannt, dass sie zu den Parlamentswahlen im Oktober im Rahmen der Bürgerkoalition (Koalicja Obywatelska – KO) antreten wird. Zur KO gehören außerdem die Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO), Die Moderne (Nowoczesna) und die Initiative Polen (Inicjatywa Polska). 30.07.2019 Adam Kwiatkowski, Staatsekretär der Präsidialkanzlei, eröffnet im Sitz des Polnischen Rundfunks in Warschau die Kampagne "Wir sind 60 Millionen". Mit dem Ziel, das Bewusstsein einer globalen Gemeinschaft der Polen aufzubauen, soll in Form von Bildungsprogrammen und kulturellen, historischen und anderen Sendungen in den polnischen Medien im In- und Ausland das Wissen über die Polen vermittelt werden, heißt es im Kommuniqué. Außerdem sollen polnische Emigranten zur Rückkehr ermuntert werden. Schätzungen zufolge sollen außer den knapp 40 Mio. Polen im Inland 20 Mio. Menschen polnischer Herkunft im Ausland leben. 31.07.2019 Bundesaußenminister Heiko Maas beginnt seinen zweitägigen Besuch in Warschau. Anlass ist der 75. Jahrestag des Warschauer Aufstands gegen die nationalsozialistische Besatzung. Neben dem Gedenken der Opfer des Aufstands standen Themen der bilateralen und der europäischen Zusammenarbeit im Mittelpunkt. 01.08.2019 In Warschau finden in Anwesenheit von Präsident Andrzej Duda, Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, weiteren Regierungsmitgliedern und Politikern, Veteranen des Warschauer Aufstands sowie des Außenministers der Bundesrepublik, Heiko Maas, die Hauptfeierlichkeiten zum Beginn des Warschauer Aufstands gegen die nationalsozialistische Besatzung vor 75 Jahren statt. Der Aufstand dauerte 63 Tage und endete mit der Kapitulation vor den deutschen Besatzern. 01.08.2019 In der Hl. Messe zum Gedenken des Warschauer Aufstands vor 75 Jahren sagt der Metropolit von Krakau (Kraków), Erzbischof Marek Jędraszewski, dass zwar die "rote Seuche" nicht mehr in Polen wirke, aber eine neue, aus dem neomarxistischen Geist entstandene "Regenbogenseuche die Seelen, Herzen und den Geist beherrschen" wolle. 03.08.2019 Verteidigungsminister Jacek Czaputowicz fordert die NATO auf, entschieden gegen die offizielle Aufkündigung des INF-Vertrags zunächst durch Russland und dann durch die USA vorzugehen. Der INF-Vertrag sei für die Sicherheit Polens von besonderer Bedeutung. Er stimme mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg überein, dass kein neues Wettrüsten beginnen dürfe. 04.08.2019 Am Rande eines Besuches in Nowy Targ erläutert Präsident Andrzej Duda, dass er der Staatlichen Wahlkommission (Państwowa Komisja Wyborcza – PKW) als Termin für die Parlamentswahlen in Polen den 13. Oktober vorgeschlagen hat, damit der Wahlkampf möglichst kurz ist. Er glaube, die Polen seien dafür, dass die Phase der politischen Konflikte und der sehr angespannten Politik während des Wahlkampfes schnellstmöglich zu Ende sei. Nach der Entscheidung der PKW über den Terminvorschlag kann der Präsident den Wahltermin verkünden. 05.08.2019 Adrian Zandberg, der Vorsitzende von Die Linke Gemeinsam (Lewica Razem), teilt auf einer Pressekonferenz mit, dass seine Partei, die Demokratische Linksallianz (Sojusz Lewicy Demokratycznej – SLD) und die Partei Frühling (Wiosna) für die Parlamentswahlen im Oktober das Wahlkomittee Die Linke (Lewica) unter der Führung der SLD bilden. 05.08.2019 Der Senat teilt mit, dass im Jahr 2019 rund 100 Mio. Zloty zur Unterstützung der im Ausland lebenden Polen (Polonia) bereitgestellt werden. Gefördert werden Projekte im Bereich Bildung, Kultur und historisches Erbe, außerdem Medien und Infrastruktur sowie karitative und soziale Aufgaben. 08.08.2019 Erzbischof Marek Jędraszewski, Metropolit von Krakau (Kraków), nimmt im katholischen Sender Radio Maryja Stellung zu den Reaktionen in Politik, Medien und Öffentlichkeit auf seine Predigt vom 1. August, in der er von der "Regenbogenseuche" sprach. Er habe sich auf die LGBT-Ideologie bezogen, aber nicht die Menschen verurteilt, die diese verkünden. Auch habe er nicht zum Kampf und zum Hass gegenüber den Menschen aufgerufen. Dies sei eine Verfälschung der Wahrheit und der Fakten, für die er eine Richtigstellung und Entschuldigung erwarte. 08.08.2019 Der Vorsitzende der Polnischen Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL), Władysław Kosiniak-Kamysz, und Paweł Kukiz, Parteichef von Kukiz ‘15, geben bekannt, dass beide Parteien gemeinsam als Polnische Koalition (Koalicja Polska) unter der Führung der PSL bei den Parlamentswahlen im Oktober antreten werden. 08.08.2019 Sejmmarschall Marek Kuchciński reicht seinen Rücktritt ein. Ihm wird vorgeworfen, in Dienstflugzeugen unberechtigt Familienmitglieder mitgenommen zu haben. 09.08.2019 Innenministerin Elżbieta Witek (Recht und Gerechtigkeit/Prawo i Sprawiedliwość – PiS) wird von ihrem Amt abberufen und mit 245 von 419 Stimmen zur Sejmmarschallin gewählt. Die Kandidatin der Bürgerplattform – Bürgerkoalition (Platforma Obywatelska – PO/Koalicja Obywatelska – KO) und derzeitige Vize-Sejmmarschallin, Małgorzata Kidawa-Błońska, erhielt 135 Stimmen, die stellvertretende Vorsitzende der Polnischen Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL), Urszula Pasławska, 29 Stimmen. Vorher war Sejmmarschall Marek Kuchciński zurückgetreten, da ihm die Mitnahme von Familienangehörigen in Dienstflugzeugen zur Last gelegt wurde. 10.08.2019 Vor dem Sitz der Kurie in Krakau (Kraków) versammeln sich nach Schätzungen der Polizei ca. 3.000 Menschen, um ihre Unterstützung für Erzbischof Marek Jędraszewski, Metropolit von Krakau, zu demonstrieren. Dieser hatte in seiner Predigt am 1. August von der "Regenbogenseuche" gesprochen, was heftige Reaktionen in der Politik, denMedien und der Öffentlichkeit hervorgerufen und Jędraszewski zu einer Stellungnahme veranlasst hatte. 13.08.2019 Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums belaufen sich die Verluste infolge der diesjährigen Trockenheit auf 1,88 Mrd. Zloty. Betroffen waren bis Anfang August ca. 134.000 landwirtschaftliche Betriebe mit einer Anbaufläche von insgesamt 1,8 Mio. Hektar. 14.08.2019 Präsident Andrzej Duda beruft Mariusz Kamiński zum neuen Innenminister. Außerdem bleibt Kamiński Beauftragter für die Nachrichtendienste. Kamiński war 2015 wegen Amtsmissbrauchs zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe und zu einem zehnjährigen Verbot, öffentliche Ämter auszuüben, verurteiltworden, jedoch hatte ihn Duda im selben Jahr begnadigt. 15.08.2019 Die diesjährige Militärparade am Feiertag der Polnischen Streitkräfte findet in Anwesenheit von Präsident Andrzej Duda, Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak in Kattowitz (Katowice) statt, wo vor einhundert Jahren der Erste Schlesische Aufstand begann. An derParade nehmen 2.600 Soldaten teil, eingesetzt werden 185 Militärfahrzeuge und 60 -flugzeuge und -hubschrauber. 16.08.2019 In einer Bekanntmachung drückt das Außenministerium seine Beunruhigung darüber aus, dass die von Russland unterstützten Kräfte in Zchinwali/Südossetien in einem Dorf in der Nähe der Verwaltungsgrenze künstliche Grenzen errichten, die die humanitäre Lage der Bevölkerung verschlechtern, da der Personen- und Warenverkehr eingeschränkt wird. Das Außenministerium ruft Russland auf, die illegalen Aktivitäten gegenüber Georgien umgehend einzustellen und alle Vereinbarungen des Friedensabkommens aus dem Jahr 2008 umzusetzen. 17.08.2019 In Plotzk (Płock) findet ein Parteitag der Polnischen Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL) – Polnische Koalition (Koalicja Polska) statt, auf dem das Programm und die Kandidaten für die Parlamentswahlen im Oktober vorgestellt werden. Das Programm umfasst die steuerfreie Rente, freiwillige Sozialversicherungen, die Förderung erneuerbarer Energien und die Verbesserung des Gesundheitssystems. Der PSL-Vorsitzende Władysław Kosiniak-Kamysz betont, das Wahlbündnis sei weder Anti-PiS noch Anti-Opposition, sondern für ein starkes, demokratisches und gerechtes Polen. Paweł Kukiz (Kukiz ‘15) sagt, die PSL – Polnische Koalition strebe ein zweistelliges Wahlergebnis an, um als Zünglein an der Waage über die künftige Regierung mit zu entscheiden. 19.08.2019 Präsident Andrzej Duda unterzeichnet ein Gesetz zur Vermeidung der Vergeudung von Lebensmitteln. Demnach müssen Geschäfte mit einer Größe von mehr als 250 m2, deren Einnahmen zur Hälfte aus dem Lebensmittelverkauf stammen, Verträge mit Nichtregierungsorganisationen über die Weitergabe unverkaufter Lebensmittel schließen. Außerdem müssen die Geschäfte regelmäßig Informationskampagnen für die Kunden über die wirtschaftliche Haushaltung mit Lebensmitteln durchführen. Nach zwei Jahren soll das Gesetz nur für Läden über 400 m2 Größe gelten. Schätzungen zufolge werden in Polen jährlich 9 Mio. Tonnen Lebensmittel weggeworfen. 20.08.2019 Der stellvertretende JustizministerŁukasz Piebiak reicht seinen Rücktritt ein. Hintergrund sind Nachrichten des Internetportals "Onet" am Vortag, dass Piebiak mit Hilfe einer Mitarbeiterin über Informationen verfügte und in sozialen Medien veröffentlichen wollte, um Richter zu kompromittieren, die der Justizreform gegenüber kritisch eingestellt sind. 21.08.2019 Regierungssprecher Piotr Müller teilt den Entschluss von Justizminister Zbigniew Ziobro mit, den ins Justizministerium delegierten Richter Jakub Iwaniec nicht weiter in der Einrichtung zu beschäftigen. Iwaniec soll an dem Vorhaben beteiligt gewesen sein, kompromittierendes Material über Richter zur Verbreitung in den sozialen Medien vorzubereiten. Informationen über die Rolle Iwaniec’ hatte am Vortag das Internetportals "Onet" veröffentlicht. 21.08.2019 Ministerpräsident Mateusz Morawicki sagt den Zeitungen der deutschen Funke Mediengruppe, dass Polen von Deutschland bisher keine angemessene Kompensation für die im Zweiten Weltkrieg erlittenen Verluste und Schäden bekommen habe. Polen werde die Summe, die es von Deutschland fordern werde, seriös ermitteln, dazu sei eine parlamentarische Kommission eingerichtet worden. Den Vertrag über einen Verzicht Polens auf Reparationszahlungen aus dem Jahr 1953 erkenne Polen nicht an, da er zwischen der Volksrepublik Polen und der DDR, zwei Staaten des sowjetischen Blocks, geschlossen worden sei. 21.08.2019 Jarosław Sellin, Minister für Kultur und Nationales Erbe, kündigt an, gemeinsam mit der Gewerkschaft Solidarność das Institut für das Erbe der Solidarność (Instytut Dziedzictwa Solidarności) zu gründen. Die gemeinsame Vereinbarung soll am 31. August unterzeichnet werden. Marek Lewandowski, Pressesprecher des Vorsitzenden der Gewerkschaft Solidarność, sagt, das 2014 in Danzig (Gdańsk) eröffnete Europäische Solidaritäts-Zentrum (Europejskie Centrum Solidarności – ECS) habe die Hoffnungen der Gewerkschaft Solidarność nicht erfüllt. 1980 war in der Volksrepublik Polen die Unabhängige Selbstverwaltete Gewerkschaft Solidarność gegründet worden, die als Gewerkschaft und oppositionelle demokratische Bewegung erheblich zum Zusammenbruch des kommunistischen Systems beitrug. 22.08.2019 Justizminister Zbigniew Ziobro kündigt ein entschlossenes Vorgehen im Falle von Łukasz Piebiak, zurückgetretener Vize-Justizminister, und Jakub Iwaniec, entlassener Mitarbeiter von Piebiak, an. Ihnen wird die Koordination von organisierter Bloßstellung von Richtern, die kritisch gegenüber der Justizreform eingestellt sind, vorgeworfen. Das Internetportal "Onet" hatte Informationen darüber bereits vor zwei Tagen veröffentlicht. 23.08.2019 Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak besucht in Wędrzyn (Woiwodschaft Lebuser Land/woj. lubuskie) eine Einheit der polnischen Streitkräfte vor ihrer Entsendung im Oktober/November in den Libanon im Rahmen einer UN-Mission. Am 80. Jahrestag der Unterzeichnung des Hitler-Molotow-Paktes sei es die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich ähnlich Ereignisse nicht wiederholen. Daher müssen die polnischen Streitkräfte zahlenmäßig stärker, mit neuester Technik ausgerüstet und präsenter sein, so Błaszczak. Die Polnische Armee müsse sich insbesondere in Friedensmissionen der UN engagieren, dies stärke die internationalePosition Polens. 26.08.2019 Regierungssprecher Piotr Müller teilt mit, dass Janusz Wojciechowski der neue Kandidat Polens für das Amt des EU-Landwirtschaftskommissars ist. Der bisherige Kandidat, Krzysztof Szczerski, hatte seine Kandidatur aus fachlichen Gründen zurückgezogen. Wojciechowski war von 2014 bis 2016 stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des Europäischen Parlaments. 27.08.2019 Die Regierung verabschiedet den Entwurf des Haushaltsgesetzes für das Jahr 2020. Finanzminister Marian Banaś unterstreicht, dass der öffentliche Haushalt zum ersten Mal seit 1990 kein Defizit aufweisen werde. Dies sei u. a. deshalb möglich, weil die Regierung von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) Steuerschlupflöcher gestopft habe. Der Haushaltsentwurf sieht Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 429,5 Mrd. Zloty vor. 28.08.2019 Im Rahmen der 6. Polnisch-Tschechischen Regierungskonsultationen in Warschau unterzeichnen die Verteidigungsminister beider Länder, Mariusz Błaszczak und Lubomir Metnar, eine Kooperationsvereinbarung der polnischen und der tschechischen Luftwaffe. Sie betrifft die Zusammenarbeit im Rahmen der NATO, Regeln für die Nutzung des Luftraumes des anderen Staates, Transport- und Schulungsflüge sowie die Aufklärung von Flugunfällen. 30.08.2019 Die Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) reicht im Sejm den Antrag auf ein Misstrauensvotum gegenüber Justizminister Zbigniew Ziobro ein. Der Anlass ist die Verunglimpfung von Richtern, die der Justizreform der Regierung kritisch gegenüber stehen, im Internet, was von Mitarbeitern des Justizministerium initiiert worden sein soll. Darüber hatte das Internetportal "Onet" in der vergangenen Woche berichtet. 31.08.2019 Präsident Andrzej Duda empfängt in Warschau den Präsidenten der Ukraine, Wolodimir Selenski, zum ersten offiziellen Staatsbesuch nach dessen Amtsantritt. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz spricht sich Duda für die Aufrechterhaltung der Sanktionen gegenüber Russland aus, da Russland die Krim undostukrainische Gebiete besetzt halte. Die Ukraine sei ein freier, souveräner und unabhängiger Staat, dessen territoriale Integrität wiederhergestellt werden müsse. Selenski zeigt sich bereit, die Exhumierung von polnischen Kriegsopfern des Zweiten Weltkriegs durch polnische Experten wieder zuzulassen, und fordert Polen auf, die ukrainischen Gedenkorte in Polen wiederherzustellen. Er habe Duda außerdem den Bau eines Denkmals der polnisch-ukrainischen Versöhnung vorgeschlagen. 01.09.2019 Am frühen Morgen findet in der Kleinstadt Wieluń eine Gedenkfeier aus Anlass des ersten Luftangriffs der deutschen Luftwaffe auf Polen im Jahr 1939 statt. Präsident Andrzej Duda empfängt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der sich in seiner Rede zur Schuld Deutschlands bekennt und um Vergebungbittet. Deutschland trage für Europa eine besondere Verantwortung, so Steinmeier. Duda bezeichnet die Anwesenheit Steinmeiers als eine Form der moralischen Wiedergutmachung. In Warschau findet am Nachmittag die zentrale Gedenkfeier zum Beginn des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren statt, an der Delegationen aus über 40 Ländern teilnehmen, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch hier bittet Steinmeier in seiner Rede Polen für die historische Schuld Deutschlands um Vergebung und bekennt sich zur bleibenden Verantwortung Deutschlands. 02.09.2019 In einem Interview mit der Tageszeitung "Dziennik" bewertet Senatsmarschall Stanisław Karczewski die Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vom Vortag als "moralische Genugtuung". Steinmeier hatte in seinen Reden bei den Gedenkfeiern zum Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren in Wieluń und Warschau um Vergebung fürdie deutsche Schuld gebeten. Karczewski kündigt an, dass Polen an den Forderungen nach Kriegsreparationen von Deutschland festhalten wird.
Sie können die gesamte Chronik seit 2007 auch auf Externer Link: http://www.laender-analysen.de/polen/ unter dem Link "Chronik" lesen. | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2019-09-04T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/europa/polen-analysen/296127/chronik-2-juli-2019-2-september-2019/ | Die Ereignisse vom 2. Juli bis zum 2. September 2019 in der Chronik. | [
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Integrale deutsche Nachkriegsgeschichte | Gemeinsame Nachkriegsgeschichte? | bpb.de | Einleitung
Ob man Josef W. Stalins bombastischem Diktum folgt, die Gründung der DDR stelle einen "Wendepunkt in der Geschichte Europas" dar, oder eher dem sarkastischen Ausspruch von Stefan Heym, die DDR verkörpere nach ihrem Ende nur noch eine "Fußnote in der Geschichte" - die historische Wahrheit liegt nicht einmal in der Mitte. Doch worin besteht die geschichtliche Relevanz des SED-Staates? Wie ist die DDR international und national während ihrer vierzigjährigen Existenz zu verorten, und auf welche Weise kann der zweite deutsche Staat historiographisch angemessen beschrieben und beurteilt werden?
Obwohl es hierzu bereits seit Jahren eine intensive Debatte gibt, konnten diese Fragen bis heute nicht abschließend beantwortet werden. Es fehlt nicht an umfassenden Darstellungen. Doch offensichtlich stellt es nach wie vor ein schwieriges historiographisches Problem dar, eine integrale deutsche Nachkriegsgeschichte zu verfassen. Sperrt sich die Historie der Historiographie? Oder handelt es sich weniger um eine "Krise der Geschichte" als vielmehr um eine "Krise der Geschichtsschreibung", wie dies schon vor längerem Joachim Fest konstatiert hat? Denn letztlich muss es "aller Geschichtsschreibung, die den Namen verdient", darum gehen, "dem gesamten Erkenntnismaterial einer Zeit Ordnung, Zusammenhang und Form zu geben, in dem Bewusstsein, dass jedes Werk auf Öffentlichkeit zielt". Weshalb ist es deutschen Historikern bisher nur ansatzweise gelungen, eine "Meistererzählung" gemeinsamer deutscher Nachkriegsgeschichte vorzulegen, die doch trotz ihrer diametralen Doppelung immer auch die Geschichte aller Deutschen war?
Dass die angemessene Einbeziehung der Geschichte der SBZ/DDR in die jüngste deutsche Geschichte das entscheidende Problem darstellt, wird kaum verwundern. Schon seit längerem wird ihre Historisierung, d.h. ihre stärkere Einbettung in den Gesamtverlauf deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert gefordert. Ihre außerordentlich intensive Erforschung seit 1990 hat nicht selten zu einer historiographischen Vereinzelung geführt, in welcher der historische Kontext manchmal marginalisiert wurde. Doch wenn Geschichte erzählen zugleich immer auch heißt, die Vorgeschichte zu erzählen, dann gilt das vielleicht ganz besonders für die jeweils spezifische Entwicklung beider deutscher Staaten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Dieser zentrale historische Tatbestand wird in der wissenschaftlichen Debatte um die Konzeption einer deutschen Nachkriegsgeschichte bisweilen unterbelichtet - tatsächlich aber reicht er bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts zurück. Hier handelt es sich um historische Vorbedingungen bzw. -belastungen, von denen nach dem Ende des Krieges die bis 1949 noch nicht einmal existenten beiden deutschen Staaten betroffen waren.
Zunächst schlägt der extrem diskontinuierliche Verlauf deutscher Geschichte zu Buche - ein Faktor von essentieller (Nach-)Wirkung für die deutsche Geschichte insgesamt. Im Verlauf der vergangenen 130 Jahre ist sie von einer "Kontinuität der Brüche" (Rudolf Vierhaus) gekennzeichnet; das stellt ihr historisches Charakteristikum dar. Genannt seien nur die Daten 1870/71, 1914/18, 1933, 1945/49, 1989/90. Diese Jahreszahlen mögen auf den ersten Blick abstrakt erscheinen, sie sind es aber keineswegs, wenn man sich kollektive und individuelle Biographien während dieses Zeitraums vor Augen hält. Die inzwischen fast ausgestorbene Generation von Deutschen, die noch im Kaiserreich geboren wurde und in der Weimarer Republik aufgewachsen ist, haben als Kinder und Jugendliche die NS-Diktatur und den Zweiten Weltkrieg erlebt; nach Kriegsende setzten sie ihr Leben in einer der vier Besatzungszonen fort. Mit Gründung der beiden deutschen Staaten im Herbst 1949 haben sie ihr Leben dann entweder in der Bundesrepublik oder in der DDR verbracht- manche z. T. auch in beiden Staaten, um dann nach 40 Jahren der Teilung Deutschlands durch die friedliche, demokratische Revolution in der DDR vom Herbst 1989 seit dem 3. Oktober 1990 wieder in einem deutschen Nationalstaat zu leben. Im Verlauf ihrer Biographie haben einige von ihnen somit in sechs verschiedenen Staaten bzw. Staatswesen (i.e. Besatzungszonen) gelebt, fünf Staatsformen erlebt und dabei zwei Weltkriege überlebt. Für eine kollektive Mehrheit von Deutschen dieser Generation(en) stellt das eine vergleichsweise "normale" Biographie dar; gleichwohl blieben sie trotz der mehrmaligen Staatswechsel hinsichtlich ihrer Staatsangehörigkeit immer Deutsche.
Nicht wenige Angehörige dieser Alterskohorte sahen sich in der gleichen Zeit auch mehrfach gezwungen, ihre Staatsangehörigkeit zu wechseln. Wer z.B. noch vor dem Ende des Ersten Weltkriegs in Westpreußen geboren wurde, wurde Ende 1918 polnischer Staatsangehöriger, um 1939 erneut Deutscher zu werden. Nach 1945 wurde er wieder Pole, wobei in einigen Fällen Deutsche als polnische Staatsangehörige auch in der Volksrepublik Polen blieben. Die große Mehrzahl der Deutschen aus diesen oder anderen ehemaligen Ostgebieten wurden nach Flucht und/oder Vertreibung Staatsangehörige der DDR oder der Bundesrepublik.
Das führt zu einem zweiten, eng damit zusammenhängenden Problem: Wo hat deutsche Geschichte eigentlich stattgefunden? Bekanntlich unterlagen auch die Staatsgrenzen im o.g. Zeitraum einem massiven Wandel. Wenn es darum geht, eine umfassende deutsche Nachkriegsgeschichte zu schreiben, kann diese nicht nur auf das Gebiet der Besatzungszonen nach 1945 bzw. der beiden deutschen Staaten nach 1949 beschränkt bleiben, vielmehr müssen auch die beträchtlichen territorial-staatlichen Veränderungen nach beiden Weltkriegen historiographisch in Betracht gezogen werden. Um jeden Verdacht "revanchistischer Geschichtsschreibung" von vorneherein obsolet werden zu lassen: Es war vor allem die Hybris deutscher Politik, welche diese massiven Grenzveränderungen veranlasste. Die Kritik der gegenwärtigen polnischen Staatsführung läuft ins Leere, wenn sie dem wiedervereinten Deutschland und seiner professionellen Geschichtswissenschaft unterstellt, dieser unbezweifelbare historische Sachverhalt würde ausgeklammert oder gar unterdrückt.
Jedenfalls schieden bis 1921 8,6 Millionen Deutsche aus dem deutschen Staatsverband aus; ab Ende 1944 verließen ca. 14 Millionen Deutsche, von denen etwa zwei Millionen umkamen, die Ostgebiete des Deutschen Reiches. Mehr als zwei Millionen blieben in den damaligen Ostblockstaaten, wenn auch bis 1989 in stark abnehmender Zahl. Die Geschichte dieser mehr als 20 Millionen Deutschen wird man nicht einfach ausklammern können, zumal der größte Teil von ihnen ihre individuellen wie kollektiven Biographien als Teil dieser Geschichte nach Kriegsende buchstäblich in die Besatzungszonen bzw. in die beiden deutschen Staaten hineintrug.
Drittens ist das 20. Jahrhundert, wie einmal konstatiert worden ist, vor allem vom Kampf zwischen Demokratie und Diktatur bestimmt worden. Diese Feststellung trifft besonders auf die deutsche Geschichte zu. Auf die Weimarer Demokratie folgte die nationalsozialistische Diktatur - der schlimmste Zivilisationsbruch der Weltgeschichte. Mehrheitlich getragen von der deutschen Bevölkerung, wurde die Entfesselung eines Weltkriegs in Kauf genommen, dessen Zielsetzung in der Durchführung eines bis dahin ungekannten Rassen- und Vernichtungskriegs bestand. In welcher Weise auch immer Deutsche am Nationalsozialismus und seinen Verbrechen direkt oder indirekt beteiligt waren - außer Zweifel steht, dass diese Generation in hohem Maße von den Folgen und Auswirkungen der nationalsozialistischen Diktatur geprägt worden ist. Zudem stellt es eine nahezu beispiellose Besonderheit der deutschen Zeitgeschichte dar, dass in Deutschland sowohl eine faschistische als auch eine kommunistische Diktatur existierten. Erst an dieser historischen Schnittstelle rückt übrigens die SBZ/DDR in den Blickwinkel. Insgesamt waren Nationalsozialismus und Realsozialismus im 20. Jahrhundert 52 Jahre lang an der Macht - die vier Jahre sowjetischer Besatzung nicht einmal eingerechnet. Generationsbedingt haben Millionen Deutsche einen Großteil ihres Lebens unter diktatorischen Verhältnissen verbracht; ältere, ehemalige DDR-Bürger sogar unter beiden Diktaturen. Dass die daraus resultierende politische und gesellschaftliche Sozialisation ihre kollektiven und individuellen Biographien stark geprägt hat, muss kaum hervorgehoben werden.
Eine weitere Besonderheit kommt indes noch hinzu: Die diktaturspezifische Erfahrung der DDR vollzog sich im Kontext der parallelen Existenz von Demokratie und Diktatur während der Teilung Deutschlands in den Jahren 1949 bis 1989. Entwurf und Gegenentwurf einer alternativen politischen Herrschaftsform, einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung standen sich in scharfem Kontrast gegenüber, allerdings in unterschiedlicher Konnotation und Intensität: Während die DDR für die (Alt-)Bundesbürger, von Familien- und Verwandtschaftsbeziehungen abgesehen, kaum einen Bezugspunkt und Vergleichsmaßstab bildete (den Spitzensport ausgenommen), stellte die (frühere) Bundesrepublik für die DDR in nahezu allen Belangen und auf allen Ebenen den entscheidenden Vergleichsparameter dar. Das galt für die SED nicht anders als für die Bevölkerung, mochte der "westdeutsche Klassenfeind" auch noch so negativ in der sozialistischen Propaganda porträtiert werden. Jedenfalls müssen die vielfältigen Beziehungs- und Perzeptionsebenen, die zwischen beiden Staaten in einem ungleichgewichtigen Verhältnis fortwährend bestanden, historiographisch adäquat wiedergegeben werden. Diese reichen von ganz oben bis nach ganz unten, von der Staats- und Regierungsebene bis hinunter in die Familien, und weisen - oft vermengt - sowohl einen makro- als auch mikrohistorischen Zuschnitt auf. Dieser permanente Bezug hat die ostdeutsche Diktaturerfahrung besonders geprägt und ist in vielen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen und Meinungsbefragungen bis hin zum differenten Wahlverhalten in Ost- und Westdeutschland bis heute immer wieder nachgewiesen worden.
Konrad Jarausch hat einen ersten, anerkennenswerten Versuch unternommen, die schrittweisen Veränderungen im politischen und gesellschaftlichen Bewusstsein der Deutschen in Ost und West seit Kriegsende nachzuzeichnen. Das mag methodisch nicht immer befriedigen, weil Aussagen Einzelner keineswegs durchweg die vorherrschende Meinung einer gesellschaftlichen Mehrheit widerspiegeln. Doch ohne eine Beschreibung und Bewertung der Ausprägung von spezifischen Mentalitäten in den beiden Gesellschaften wird man keine umfassende deutsche Nachkriegsgeschichte schreiben können. Darin eingeschlossen ist die in beiden deutschen Staaten zeitversetzt erfolgende Ausprägung einer postindustriellen Konsum- und Freizeitgesellschaft. Wie sonst könnte das 1989/90 zutage getretene einander Fremdgewordensein der Ost- und Westdeutschen erklärt werden? Ganz unzweifelhaft sind in diesen Jahrzehnten unterschiedliche "mental maps" entstanden. Divergente Entwicklungen gelten mutatis mutandis nicht minder für die Sozialgeschichte und die erheblichen konfessionellen Veränderungen, die sich in der Folge des Zweiten Weltkriegs in Deutschland vollzogen haben.
Für die Geschichte Deutschlands nach 1945, in der sich nach einer vierjährigen Übergangsphase zwei im Laufe der Zeit immer stärker divergierende Staaten, Wirtschaftsordnungen und Gesellschaften herausbildeten, hat Christoph Kleßmann bekanntlich die historiographische Formel einer "asymmetrisch verflochtenen Parallelgeschichte" geprägt. Ihm kommt das Verdienst zu, die bislang elaborierteste historiographische Konzeption einer integralen deutschen Nachkriegsgeschichte entwickelt zu haben. In der Tat implizieren die Parameter "Verflechtung" und "Abgrenzung" zentrale historiographische Perspektiven. Seine konzeptionellen Überlegungen hat Kleßmann zu sechs "Leitlinien einer integrierten Nachkriegsgeschichte" weiterentwickelt, sechs Bezugsfelder, deren unterschiedliche historische Phasen miteinander verbunden werden, um auf diese Weise einen differenzierten historischen Gesamtrahmen erstellen zu können. Es sind dies: 1. 1945 als Endpunkt der deutschen Katastrophe und Chance zum Neubeginn; 2. die beginnende Blockbildung und die inneren Folgen; 3. die Eigendynamik der beiden Staaten; 4. die Abgrenzung und asymmetrische Verflechtung; 5. die Problemlagen fortgeschrittener Industriegesellschaften; 6. Erosionserscheinungen.
Möglicherweise wird man nicht mit allen Phaseneinteilungen und ihren geschichtswissenschaftlichen Einschätzungen konform gehen, die Kleßmann in seinem Versuch vorschlägt, "dem Eigengewicht und der Verklammerung west- und ostdeutscher Geschichte besser gerecht zu werden als eine reine Kontrastgeschichte oder eine neue Nationalgeschichte". So scheint fraglich, ob sich die DDR angesichts ihrer im Vergleich zur Bundesrepublik immer weiter zurückfallenden Wirtschaftsleistung, vor allem gemessen am Kriterium Arbeitsproduktivität, noch als fortgeschrittene Industriegesellschaft bezeichnen lässt. Zudem kann die Benennung der Endphase der deutschen Teilung mit dem Begriff "Erosion" zu Missverständnissen führen; denn obwohl damit nur der Zusammenbruch der DDR im Herbst 1989 gemeint ist, werden darunter auch westdeutsche Entwicklungen subsumiert. Aber eine praktikable Matrix für eine zukünftige deutsche Geschichte nach 1945 steht damit zur Verfügung, in der auch der Staat der SED einen ausgewogenen Platz in der deutschen Zeitgeschichte erhält, ohne dass seine 40-jährige Existenz und die einmal davon ausgehende Beharrungskraft a priori marginalisiert werden. Freilich, die adäquate historiographische Umsetzung dieses Konzepts, die "deutsch-deutsche Meistererzählung" nach 1945, steht nach wie vor aus - diese Feststellung muss selbstkritisch auch an die Adresse der deutschen Zeithistoriker gerichtet werden.
Doch selbst das ausgefeilteste historiographische Konzept bietet keine Gewähr dafür, dass eine entsprechend verfasste deutsche Nachkriegsgeschichte auch die adäquate Rezeption erfährt. Zu selbstverständlich geht die wissenschaftliche Zeitgeschichtsforschung davon aus. Das scheint jedoch ein Trugschluss, zumal inzwischen eine Generation von Schülern (und Studenten) heranwächst, denen grundlegende Entwicklungen deutscher Nachkriegsgeschichte fast so fern sind wie die Geschichte der Karolinger oder der Ottonen. So liegt die Besatzungszeit für diese jüngste Generation vierzig Jahre und mehr zurück. Wer wollte ihnen verübeln, dass sie Schwierigkeiten haben, die richtigen Zuordnungen zur Geschichte der beiden deutschen Staaten vorzunehmen? Walter Ulbricht? War der nicht Bundeskanzler? Nur wer im akademischen Elfenbeinturm sitzt, wird darüber lauthals lachen können. Das Problem ist erkannt, wird sich aber nicht durch die Erstellung modifizierter Lehrpläne allein lösen lassen.
Die schwierige deutsche Nachkriegsgeschichte historiographisch umfassend und ausgewogen darzustellen, ist nicht das einzige Problem, das gelöst werden muss. Zusätzlich muss das Spannungsverhältnis deutsch-deutscher Geschichte auch so plastisch "erzählt" werden, dass sie für jüngere Generationen nachvollziehbar wird. Gerade die parallele Existenz der Besatzungsherrschaft(en) und der beiden deutschen Staaten mit diametral entgegengesetzten Herrschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnungen bietet Beispiele, die durch Quellentexte Authentizität erhalten und daher geschichtsdidaktisch wirksam werden. An Dokumenten fehlt es wahrlich nicht.
Nehmen wir z.B. das immense und heute kaum mehr vorstellbare Problem von Flüchtlingen und Vertriebenen nach Kriegsende 1945, das in allen Besatzungszonen, von der Bundesrepublik wie der DDR gleichermaßen bewältigt werden musste. Obwohl die Behandlung und Lösung dieses enormen Migrationsproblems sehr unterschiedlich erfolgte, führte dies letztlich zur Integration von Millionen von Deutschen in eine der beiden Nachkriegsgesellschaften. Dieser vor allem auch in mentaler Hinsicht Jahrzehnte andauernde Eingliederungsprozess lässt sich in seinen Erfolgen und Misserfolgen sehr gut durch Zeitzeugenaussagen, Ego-Dokumente, aber auch anhand behördlicher Verordnungen und Gesetzestexte in unterschiedlichen Zeitabschnitten verdeutlichen. In historiographischer Hinsicht sollte dieses Problem nicht nur in einem gemeinsamen, beide deutsche Staaten einbeziehenden Kapitel geschildert und dokumentiert, sondern auch in diachronischer Perspektive bis an die Jahrtausendschwelle dargestellt werden. Ein solcher übergreifender Abschnitt bietet zudem die Möglichkeit, die Mikro- (z.B. individuelle und kollektive Zeitzeugendokumente) und Makrohistorie (z.B. der Görlitzer Grenzanerkennungsvertrag der DDR 1950; die in der DDR verbotenen Vertriebenenverbände und ihre Entwicklung in Westdeutschland; die Anerkennung der polnischen Westgrenze durch die Bundesrepublik im Zwei-plus-Vier-Vertrag 1990) miteinander zu verbinden.
Mittel- und langfristig wird es nicht genügen, "nur" eine geschichtswissenschaftlich und historiographisch adäquate Darstellung einer integralen deutschen Nachkriegsgeschichte vorzulegen, so schwer das im Einzelnen nach wie vor fällt. Das didaktische Element bleibt unverzichtbar. Es darf keine Geschichtsdarstellung werden, die nur von Intellektuellen gelesen wird. Sie muss in ihrer geschichtswissenschaftlich-interpretatorischen Analyse und in ihrem historiographischen Narrativ so überzeugend sein, dass sie auch von breiteren Kreisen verstanden wird. Erst dann wird eine so konzipierte und formulierte deutsche Zeitgeschichte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ihren Zweck der Information, Aufklärung und politischen Bildung erfüllen. Gerade am Beispiel unserer jüngsten Geschichte sollte der alles überragende Wert des Rechtsstaates und demokratisch legitimierter Macht auf Zeit gegenüber usurpierter, diktatorischer Gewaltherrschaft verdeutlicht werden können, ja müssen.
Telegramm vom 13.10. 1949, zit. nach: Ilse Spittmann/Gisela Helwig (Hrsg.), DDR-Lesebuch. Von der SBZ zur DDR 1945 - 1949, Köln 1989, S. 266.
Die bislang vorliegenden Gesamtdarstellungen von Christoph Kleßmann, Adolf M. Birke, Peter Bender, Peter Graf Kielmansegg, Gerhard A. Ritter und Heinrich August Winkler sind hinsichtlich ihrer Vorzüge und Defizite in dieser Hinsicht mehrfach kritisch rezensiert worden; vgl. hierzu jüngst Hermann Wentker, Zwischen Abgrenzung und Verflechtung: deutsch-deutsche Geschichte nach 1945, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), (2005) 1 - 2, S. 10 - 17.
Joachim Fest, Noch einmal: Abschied von der Geschichte. Gedanken zur Entfremdung von Geschichtswissenschaft und Öffentlichkeit, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13.9. 2006, S. 39 (postum veröffentlicht).
Vgl. auch Henrik Bispinck u.a., Die Zukunft der DDR-Geschichte. Potentiale und Probleme zeithistorischer Forschung, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VfZ), 53 (2005), S. 547 - 570.
Vgl. die Dokumentensammlung aus polnischen Archiven, in denen Flucht und Vertreibung von Deutschen aus den einzelnen Regionen Polens ab 1945 widergespiegelt werden, oft mit erheblichen Auswirkungen für die jeweils kollektiv wie individuell Betroffenen: Wlodzimierz Borodziej/Hans Lemberg (Hrsg.), "Unsere Heimat ist uns ein fremdes Land geworden...". Die Deutschen östlich von Oder und Neiße 1945 - 1950. Dokumente aus polnischen Archiven, 4 Bde., Marburg 2003.
Vgl. Alexander Demandt (Hrsg.), Deutschlands Grenzen in der Geschichte, 2. verb. u. erw. Aufl. München 1991.
Zur schwierigen Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in der SBZ/DDR vgl. die ausgezeichnete Dokumentation von Manfred Wille (Hrsg.), Die Vertriebenen in der SBZ/DDR. Dokumente, Bde. I-III, Wiesbaden 1996 - 2003.
Zahlenangaben bei Wolfgang Benz (Hrsg.), Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten. Ursachen, Ereignisse, Folgen, Frankfurt/M. 1985, S. 12f. (nach Ermittlungen des Bundesministeriums für Vertriebene aus dem Jahr 1959).
Dass die Geschichte von Flucht und Vertreibung aktuell ist, zeigt die immer wiederkehrende Debatte darüber; aus der Fülle der Publikationen vgl. Stefan Aust/Stephan Burgdorff (Hrsg.), Die Flucht. Über die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, Bonn 2003. Von ähnlicher Brisanz und Relevanz für die öffentliche Diskussion bis heute sind der Luftkrieg und seine Auswirkungen sowie die familiäre Zersplitterung und soziale Entwurzelung, die der Krieg nach sich zog, vgl. stellvertretend Stephan Burgdorff/Christian Habbe (Hrsg.), Als Feuer vom Himmel fiel. Der Bombenkrieg in Deutschland, Bonn 2004, sowie Hermann Schulz/Hartmut Radebold/Jürgen Reulecke, Söhne ohne Väter. Erfahrungen der Kriegsgeneration, Bonn 2005.
Vgl. Uta Andrea Balbier, Kalter Krieg auf der Aschenbahn: Der deutsch-deutsche Sport 1950-1972, Paderborn 2007.
Vgl. Konrad Jarausch, Die Umkehr. Deutsche Wandlungen 1945 - 1995, Bonn 2004.
Hierzu grundsätzlich Christoph Conrad (Hrsg.), Mental Maps (= Geschichte und Gesellschaft, 28 [2002] 3), Göttingen 2002.
Vgl. für die DDR Arnd Bauerkämper, Die Sozialgeschichte der DDR, München 2005.
Vgl. hierzu die Diskussion in Bezug auf die Katholische Kirche in Ulrich von Hehl/Hans Günter Hockerts (Hrsg.), Der Katholizismus - gesamtdeutsche Klammer in den Jahrzehnten der Teilung? Erinnerungen und Berichte, Paderborn u.a. 1996. Im Hinblick auf den traditionellen Pluralismus der Evangelischen Kirchen gilt dies noch stärker.
Vgl. Christoph Kleßmann, Verflechtung und Abgrenzung. Aspekte der geteilten und zusammengehörigen deutschen Nachkriegsgeschichte, in: APuZ, (1993) 29 - 30, S. 30 - 41.
Vgl. Christoph Kleßmann/Peter Lautzas (Hrsg.), Teilung und Integration. Die doppelte deutsche Nachkriegsgeschichte, Bonn 2005.
Ders., Spaltung und Verflechtung - Ein Konzept zur integrierten Nachkriegsgeschichte 1945 bis 1990, in: ebd., S. 20 - 37; dort bes.S. 26 - 34. Kleßmann bezieht sich ausdrücklich auf die Darstellungen von Peter Graf Kielmansegg, Nach der Katastrophe. Eine Geschichte des geteilten Deutschland, Berlin 2000, und Peter Bender, Episode oder Epoche? Zur Geschichte des geteilten Deutschland, München 1996 (vgl. auch Anm. 2).
C. Kleßmann (ebd.), S. 33.
Vgl. Ulrich Arnswald/Ulrich Bongertmann/Ulrich Mählert (Hrsg.), DDR-Geschichte im Unterricht. Schulbuchanalyse - Schülerbefragung - Modellcurriculum, Berlin 2006.
| Article | Heydemann, Günther | 2021-12-07T00:00:00 | 2011-10-05T00:00:00 | 2021-12-07T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/30708/integrale-deutsche-nachkriegsgeschichte/ | Es stellt ein schwieriges historiographisches Problem dar, eine integrale deutsche Nachkriegsgeschichte zu verfassen. Sperrt sich die Historie der Historiographie? Oder handelt es sich um eine "Krise der Geschichtsschreibung"? | [
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Der Bus kommt! | 70 Jahre bpb | bpb.de |
Das bpb-Infomobil. (© bpb)
Anlässlich des 70. Geburtstages der Bundeszentrale für politische Bildung fährt das bpb-Infomobil vom 25. Oktober 2022 bis zum 25. November 2022 unter dem Motto "Hier kommt Demokratie in Fahrt!" durch ganz Deutschland. Von Dresden über Gera, Berlin, Hamburg, Frankfurt, Beutelsbach und Friedrichshafen besuchen wir alle Standorte der bpb und sind wir zu Gast bei zahlreichen Freunden und Partnern der politischen Bildung. Kommen Sie mit uns auf die Reise, wenn es heißt: Der Bus kommt! #bpbBustour #bpb70Jahre #bpbbus
Unsere Reiseroute
Klicken Sie sich hier durch die interaktive Karte:
Das bpb-Infomobil. (© bpb)
Dresden (25. - 27.10.2022)
Es geht los! Dresden
25. Oktober, 14:00 – 18:00 Uhr: Kick off Veranstaltung Hier findet man den Bus: Externer Link: Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, Schützenhofstraße 36, 01129 Dresden.
26. Oktober, 10:00 - 14:00 Uhr: Politische Bildung vor der Mensa der TU Dresden Der bpb-Bus öffnet sich für alle Studierenden der TU Dresden, mit im Gepäck, 1.500 spannende Materialien der bpb, fürs Studium und die nächste Reise
Hier findet man den Bus:Externer Link: Vor der Alten Mensa der TU, Mommsenstraße 13, 01069 Dresden
26. Oktober, 15:00 - 18:00 Uhr: der Bus steht vor dem JoDDiD Die John-Dewey-Forschungsstelle für die Didaktik der Demokratie (kurz: JoDDiD) ist eine neu gegründete Einrichtung an der Professur für Didaktik der politischen Bildung. Die Bonner Kolleginnen und Kollegen der bpb besuchen die neue Forschungsstelle und freuen sich auf den Austausch.
Hier findet man den Bus: Externer Link: Vor dem JoDDiD, Von-Gerber-Bau, Bergstraße 53.
27. Oktober, 9:00 - 17:00 Uhr: Politische Bildung am Blauen Wunder – der bpb-Bus auf dem Wochenmarkt auf dem Schillerplatz Hier findet man den Bus: Externer Link: Wochenmarkt auf dem Schillerplatz in Dresden-Blasewitz
27. Oktober. 19:00 – 21:00 Uhr: Eine ziemlich ungewöhnliche Behörde! 70 Jahre Bundeszentrale für politisch Bildung, oder was Sie schon immer über die Erfinder von Wahl-O-Mat und Informationen zur politischen Bildung wissen wollten! Ein Abend mit dem Pressesprecher der Bundeszentrale für politische Bildung, Daniel Kraft, in der Brücke-Villa. Mit dabei: ein Koffer voller Publikationen und viel Informationen über die weltweit wohl einmalige Einrichtung aus Bonn (die inzwischen auch einen Sitz in Berlin und Gera hat).
Hier findet man den Bus: Externer Link: Brücke/Most-Stiftung, Reinhold-Becker-Straße 5, 01277 Dresden.
Sebnitz und Sächsische Schweiz (28.10.2022)
28.10.2022, ab 11:00 Uhr: Besuch in Sebnitz Ab 11.00 Uhr treffen wir uns mit Akteuren der politischen Bildung in Sebnitz auf dem Marktplatz. Bei einem kleinen Stadtrundgang wollen wir mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen. Während unser Bücherbus von 11 Uhr bis 15 Uhr auf dem Marktplatz in Sebnitz zahlreiche Materialien ausgibt, wird die Arbeit der Sebnitzer Kolleginnen und Kollegen in den Räumlichkeiten der Aktion Zivilcourage vorstellt.
Gera/Leipzig/Jena/Weimar (31.10. - 06.11.2022)
31.10.2022: Bei der Reformationswanderung in Gera dabei Es ist Reformationstag und damit Feiertag in Thüringen. Der Bus steht in der Nähe der jährlichen Reformationswanderung, an der bis zu 400 Menschen teilnehmen. Am Nachmittag ist der Bus in der Nähe des Hofwiesenparkplatzes zu finden, wo das Volksfest an diesem Tag endet.
01.11.2022, ab 10:00 Uhr: Der Bus in Leipzig und Gera Im Stadtzentrum von Leipzig am Kurt-Masur-Platz wird der Bus gemeinsam neben einem Stand der Amadeu-Antonio-Stiftung zu sehen sein. Ab 10 Uhr könnten Interessierte hier ins Gespräch kommen. Am Nachmittag ist der Bus ab 15 Uhr in Gera in der Schlossstraße / Ecke Bachgasse zu finden.
Hier steht der Bus: Kurt-Masur-Platz, 04109 Leipzig
02.11.2022, 10:00 - 15:00 Uhr: Stiftung Europäische Jugendbildungsstätte Weimar Der bpb-Bus fährt zur Stiftung Europäische Jugendbildungsstätte Weimar und trifft Jugendliche.
Hier steht der Bus: Externer Link: Stiftung Europäische Jugendbildungsstätte Weimar, Jenaer Str. 2/4, 99425 Weimar
03.11.2022, 8:00 - 14:00 Uhr: IGS Lusan Weiter geht es nach Gera zur Kindervereinigung Integrierte Gesamtschule Lusan, wo wir beim Projekttag Politische Bildung dabei sein werden. Denn für die Schülerinnen und Schüler der IGS Lusan findet am 3.11. ein Projekttag zum Thema „Demokratie – früher und heute statt“. Auf dem Gelände der Kindervereinigung wird es mehrere Stationen geben.
Hier steht der Bus: Externer Link: Kindervereinigung Integrierte Gesamtschule Lusan, Ahornstraße 1, 07549 Gera
03.11.2022, 14:30 - 16:00 Uhr: Die bpb stellt sich vor Unter dem Motto "Die bpb stellt sich vor" kann die Geraer Stadtgesellschaft in der Stadtbibliothek Gera mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundeszentrale für politische Bildung ins Gespräch kommen. Wir stellen uns vor! Lehrkräfte aus der Stadt Gera und Umgebung sowie alle Interessierten sind herzlich in die Stadtbibliothek eingeladen.
Hier steht der Bus: Externer Link: Stadt- und Regionalbibliothek Gera, Puschkinpl. 7a, 07545 Gera
04.11.2022, 8:15 - 11:00 Uhr: Besuch der Kaleidoskop Jena Staatliche Gemeinschaftsschule Lobenda in Jena In Jena trifft das Externer Link: teamGLOBAL auf drei Ethik-Kurse der Kaleidoskop Jena Staatliche Gemeinschaftsschule Lobenda. Ab 8:15 Uhr können Schülerinnen und Schüler in Workshops den Teamenden von teamGLOBAL Rede und Antwort stehen. Anschließend können alle Kinder und Jugendlichen auf dem Schulhof Bekanntschaft machen mit dem bpb-Bus.
Hier ist der Bus: Externer Link: Kaleidoskop Jena Staatliche Gemeinschaftsschule Lobenda, Karl-Marx-Allee 11, 07747 Jena
04.11.2022, 12:00 - 15:00 Uhr: Auf dem Campus der Friedrich-Schiller-Universität Jena Studis aufgepasst: die bpb-Bus steht am 4. November 2022 ab 12 Uhr auf dem Campus der FSU Jena. Wir freuen uns auf den Austausch mit den Studierenden!
Hier ist der Bus: Externer Link: Friedrich-Schiller-Universität Jena, Ernst-Abbe-Platz 8, 07743 Jena
05.11.2022, 19:00 - 21:00 Uhr: APuZ-Science Slam Gera Wissenschaft unterhaltsam verpackt in einem etwa 10-minütigen, spannenden und anschaulichen Vortrag: Das ist ein Science Slam!
Jetzt anmelden zum Externer Link: APuZ-Science Slam in Gera. Eintritt frei!
Hier steht der Bus: Externer Link: Havanna Lounge Gera, De-Smit-Straße 2, 07545 Gera
Wittenberg/Halle (07.11.2022)
07.11.2022, 8:50 - 13:00 Uhr: Besuch des Luther-Melanchthon-Gymnasiums Wittenberg Die Bundeszentrale für politische Bildung macht einen Abstecher nach Wittenberg an das Luther-Melanchthon-Gymnasium. Dort werden wir Schülerinnen und Schüler treffen und in einzelnen Workshops von Externer Link: teamGLOBAL über Demokratie und Partizipation sprechen.
Hier steht der Bus: Externer Link: Luther-Melanchthon-Gymnasium, Schillerstraße 22a, 06886 Lutherstadt Wittenberg
07.11.2022, 16:00 - 18:30 Uhr: „Demokratie und Vielfalt“ - Ein gemeinsamer Nachmittag von LAMSA e.V. und Bundeszentrale für politische Bildung Die Migrant/-innenorganisationen und weitere Partner/-innenorganisationen in Sachsen-Anhalt diskutieren über „Demokratie und Vielfalt.“ Im Rahmen der Beratungs- und politischen Bildungsarbeit haben sich in den letzten Jahren viele Migrant/-innenorganisationen die Teilhabe- und Partizipationshindernisse identifiziert. Schier im gesamten Lebensbereichen, also von den Sandkasten bis zum Gerichtssaal, erleben viele Menschen unterschiedliche Barriere und Benachteiligung. Eine angemessene Reaktion ist nicht immer leicht. Dafür bedarf es u. a. Wissen über das eigene Recht und das demokratische und politische System aber auch Resilienz und Kommunikationsfähigkeit. Eine inklusive Gesellschaft braucht zugleich interkulturell geöffnete und diskriminierungskritische Akteur/-innen, die die Transformation unterstützen wie zulassen. Demokratie und Vielfalt ist daher das Motto des gemeinsamen Nachmittags in Halle. LAMSA e.V. und die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb stellt kreative und überraschende Produkte zur Partizipation vor. Die Teilnehmenden können an unterschiedlichen Stationen mit den Akteur/-innen ins Gespräch kommen. Ein sicheren Raum für Vielfalt, inklusive Safer-Space natürlich!
Hier steht der Bus: Externer Link: Literaturhaus Halle, Bernburger Str. 8, 06108 Halle (Saale)
Potsdam/Berlin (08.11.2022)
08.11.2022, 10:00 - 14:00 Uhr: Der bpb-Bus kommt zum Filmmuseum Potsdam Treffen Sie die Bundeszentrale für politische Bildung vor dem Filmmuseum in Potsdam, kommen Sie mit uns ins Gespräch und nehmen Sie kostenlose Materialien mit nach Hause. Wir möchten erfahren was Sie bewegt!
Hier steht der Bus: Externer Link: Platz vor dem Filmmuseum Potsdam, Breite Str. 1A, 14467 Potsdam
08.11.2022, 16:30 - 18:00 Uhr: ABGESAGT // „Young Citizens. Handbuch politische Bildung in der Grundschule“ - Besuch der Lina-Morgenstern-Gemeinschaftsschule in Berlin Kinder im Grundschulalter sind Young Citizens – junge Bürgerinnen und Bürger. Wie können sie in der Grundschule aktuelle, auch sie betreffende politische Herausforderungen verstehen und motiviert werden für eine lebenslange Teilhabe an demokratischen Entscheidungsprozessen? Darüber hätten wir an der Lina-Morgenstern-Gemeinschaftsschule in Friedrichshain-Kreuzberg gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern diskutiert.
Die Veranstaltung musste krankheitsbedingt leider abgesagt werden.
Berlin (09. - 11.11.2022)
09.11.2022, ab 9 Uhr: Der bpb-Bus an der ehemaligen Berliner Mauer Der 9. November ist in vielerlei Hinsicht ein besonderer Tag für Deutschland. Am 9. November 2022 wird die bpb an der Bernauer Straße / Ecke Ackerstr. 1 in Berlin, entlang der ehemaligen Berliner Mauer, mit dem bpb-Bus vor Ort sein.
Hier steht der Bus: Externer Link: Ehemalige Berliner Mauer an der Bernauer Straße/ Ecke Ackerstr. 1
09.11.2022, 13:00 - 14:30 Uhr: Zeitzeugen-Gespräch in der Gedenkstätte Kapelle der Versöhnung Nachdem der bpb-Bus an der ehemaligen Berliner Mauer zu besuchen war, werden wir an der Gedenkstätte Kapelle der Versöhnung stehen und ein Zeitzeugen-Gespräch führen. Eberhard Aurich, ehemaliger FDJ-Vorsitzender in der DDR und Thomas Jeutner, Pfarrer der Versöhnungsgemeinde werden über den Mauerfall und Zusammenbruch der DDR sowie über die Lehren dieses historischen Ereignisses aus heutiger Sicht sprechen.
Hier steht der Bus: Externer Link: Gedenkstätte Kapelle der Versöhnung, Bernauer Straße 111, 13355 Berlin
09.11.2022, 16:00 - 19:00 Uhr: Die bpb auf dem Sportplatz Wie eng Sport und politische Bildung miteinander zusammenhängen, möchten wir beim Fußballverein Viktoria-Mitte mit Frank Willmann diskutieren. Er hat zusammen mit Anne Hahn das Zeitbild "Mittendrin" geschrieben, dass im bpb-Shop erhältlich ist. "Was in den Fanszenen passiert, ist auch ein Seismograph gesellschaftlicher Debatten und Konflikte", heißt es darin. Beim Fußballverein Viktoria-Mitte erfahren wir mehr!
Hier steht der Bus: Externer Link: Fußballverein Viktoria-Mitte auf den Sportplatz, Wattstraße 5
10.11.2022, 10 bis 17 Uhr: Die bpb beim Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Schöneweide Ab 10 Uhr sind wir mit dem Bus auf dem Gelände des Dokumentationszentrums NS Zwangsarbeit in Schöneweide und haben für Besucherinnen und Besucher geöffnet.
Es findet der Workshop Externer Link: "Geschichte(n) zeichnen", statt in dem die Teilnehmenden Zeichnungen von Zwangsarbeiter/-innen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs ansehen und erfahren, wie sie leben mussten, sowie selbst eigene Comics zeichnen. Hier stößt das bpb-Team dazu und spricht über Comics und Graphic Novels in der politischen Bildung.
Hier steht der Bus: Externer Link: Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit, Berlin-Schöneweide, Britzer Str. 5
10.11.2022, 19:00 - 20:00 Uhr: bpb:salon "Wir in der Wirtschaft" - Gespräch mit Autor Casper Dohmen und Dr. Hans-Jürgen Wolf über ökonomische Bildung, Wirtschaftskrisen und -kriege Am Abend geht es in Berlin weiter in den Räumlichkeiten der bpb selbst, im 4. OG in der Krausenstraße 4 /Ecke Friedrichstraße mit dem bpb:salon zum neu erschienenen Zeitbild Externer Link: "Wir in der Wirtschaft". Zusammen mit dem Wirtschaftsjournalisten Caspar Dohmen sprechen wir über unsere Rollen und Handlungsspielräume in der Wirtschaft. Mit ihm und dem Völkerrechtsexperten Dr. Hans-Jürgen Wolff, Co-Autor des Buches Externer Link: „Wirtschaftskriege. Geschichte und Gegenwart“, diskutieren wir aktuelle Fragen zu Wirtschaftskriegen und -krisen und die Bedeutung von ökonomischer Bildung für alle. Eintritt frei!
Moderation: Miriam Shabafrouz, Dr., Referentin im Fachbereich Print der Bundeszentrale für politische Bildung
Externer Link: Eintritt frei, bitte melden Sie vorab an!
11.11.2022, 11:00 - 15:00 Uhr: Die bpb am Brandenburger Tor mit musikalischer Begleitung von Esh Loh Der bpb-Bus steht auf der einmonatigen Tour durch Deutschland natürlich auch am Brandenburger Tor. Passantinnen und Passanten, die uns besuchen wollen, sind herzlich eingeladen mit uns ins Gespräch zu kommen. Dazu gibt es musikalische Begleitung, so viel sei schon einmal gesagt!
Hier steht der Bus: Externer Link: Brandenburger Tor, Platz des 18. März, 10117 Berlin
11.11.2022, 19:00 - 20:30 Uhr: Checkpoint bpb SPEZIAL: Poetry Slam in der bpb Berlin Nicht nur ein Science Slam wie der in Gera ist im Programm der Bus-Tour. Im Veranstaltungsraum der Bundeszentrale für politischen Bildung in Berlin wird es am 11. November 2022 poetisch: beim Checkpoint Poetry Slam in der bpb Berlin wird die Demokratie in popkulturellen Gedichten gefeiert. Damit feiern wir nicht nur 70 Jahre bpb insgesamt, sondern auch 30 Jahren Präsenz in Berlin.
Externer Link: Eintritt frei, bitte melden Sie vorab an!
Hamburg (13. - 14.11.2022)
13.11.2022, 13:00 bis 16:00 Uhr: Am Hamburger Michel Am 13. November ist Volkstrauertag – ein Tag, an dem in ganz Deutschland der Opfer von Gewalt und Krieg gedacht wird. Am Nachmittag steht der bpb-Bus vor dem sogenannten Hamburger „Michel“, der Kirche St. Michaelis - einem der Wahrzeichen der Hansestadt. Dort findet die Zentrale Gedenkstunde der Stadt statt. Alle Interessierten können gern vorbeikommen. Hier steht der Bus:Externer Link: Englische Planke 1, 20459 Hamburg
14.11.2022, 10-14 Uhr: Haus Rissen Wir sind zu Gast bei Haus Rissen und die Bus-Tür steht Ihnen offen! Kommen Sie vorbei. Hier steht der Bus: Externer Link: Rissener Landstraße 193, 22559 Hamburg
Lüneburg (15.11.2022)
15.11.2022, ab 10 Uhr: Leuphana Universität Lüneburg Für die Studierenden der Leuphana Universität Lüneburg steht der Bus am Vormittag auf dem UNi-Campus. Wir freuen uns auf den Austausch! Nachmittags sind wir dann zu Gast in der Lüneburger Fußgängerzone bei der Buchhandlung Externer Link: Lünebuch. Kommen Sie vorbei, stöbern Sie durch das Sortiment der Buchhandlung und nehmen Sie Lehr-, Lern- und Informationsmaterialien aus dem Demokratie-Bus mit.
Hier steht der Bus: Externer Link: Grapengießerstr. 4, 21335 Lüneburg
15.11.2022, 16:00 bis 18:30 Uhr: In der historischen Lüneburger Altstadt bei Lünebuch Am Nachmittag stehen wir bei der Buchhandlung Lünebuch, die wir bereits im Rahmen der digitalen Externer Link: Buchhandlungs-Roadshow 2022 besucht haben. Für Passantinnen und Passanten steht der bpb-Bus bereit.
Hier steht der Bus: Externer Link: Lüneburger Fußgängerzone, Grapengießerstraße gegenüber Hausnummer 5, 21335 Lüneburg
Frankfurt am Main (16. - 17.11.2022)
16.11.2022, 8:30 bis 14:30 Uhr: Gemeinsam für Demokratie und Debatte – Die Bundeszentrale für politische Bildung zu Gast bei der Börsenvereinsgruppe Wir sind zu Gast beim Externer Link: Börsenverein des deutschen Buchhandels. Ab 9 Uhr steht dafür der Demokratie-Bus beim Haus des Buches im Hof. Wir legen ein Buch in den Bücherschrank und öffnen den Bus. Um 13.30 Uhr gibt es eine Gesprächsrunde mit Martina Stemann und Thomas Koch vom Börsenverein und dem bpb-Team unter der Überschrift „Gemeinsam für Demokratie und Debatte - Die Bundeszentrale für politische Bildung zu Gast bei der Börsenvereinsgruppe".
Hier steht der Bus: Externer Link: Haus des Buches, Innenhof
17.11.2022: Vernetzung mit der Bildungsstätte Anne Frank e.V. Die bpb trifft sich zu einer internen Netzwerkveranstaltung mit der Bildungsstätte Anne Frank e.V. Mit am Start: Der Demokratie-Bus und Materialien der bpb. Im Austausch geht es um politische Bildung, Antisemitismus und digitale Methoden der Vermittlung.
Beutelsbach (18.11.2022)
18. November, 14:00 - 16:00 Uhr: Beutelsbach - ein besonderer Ort für die politische Bildung Der Beutelsbacher Konsens leitet politische Bildungsarbeit seit 1976. Am 18. November 2022 geht die bpb auf eine Wanderung auf die Spuren des Konsenses. Treffen Sie uns außerdem auf dem Landgut Burg, wenn wir Grundlagen und Zielsetzungen politischer Bildung besprechen.
Hier steht der Bus: Externer Link: Landgut Burg, Landgut Burg 1, 71384 Beutelsbach-Weinstadt
Waiblingen (19.11.2022)
19. November, 8:30 - 13:00 Uhr: Auf dem Markt von Waiblingen Eingebettet in die schöne Altstadtkulisse von Waiblingen steht der bpb-Bus von Samstagmorgen bis zum frühen Mittag auf dem Waiblinger Wochenmarkt. Wir freuen uns darauf mit Bürgerinnen und Bürgern vor Ort in den Austausch zu kommen! Mit dabei sind auch zwei Kolleg/-innen des Magazins drehscheibe, das Branchen-Magazin für Lokaljournalismus der bpb, das in Kooperation mit Raufeld Medien umgesetzt wird. Das Lokaljournalistenprogramm der Bundeszentrale für politische Bildung fördert seit inzwischen 30 Jahren aktiven, qualifizierten Lokaljournalismus.
19. November, 16:00 - 17:00 Uhr: Zu Gast in einer Lokalredaktion in Aalen Je besser die Tageszeitung, desto besser „funktioniert“ die Demokratie – das ist die Philosophie des Lokaljournalistenprogramms der bpb. Getreu diesem Mottos möchten wir Samstagnachmittag den Chefredakteur der Schwäbischen Post und des Gmünder Tagesblatts in Aalen treffen. Lars Reckermann ist Teil des Projektteams Lokaljournalisten und somit langjähriger Freund der bpb.
Friedrichshafen (21.11.2022)
21. November, 8:30 - 11:00 Uhr: Besuch des Karl-Maybach-Gymnasium mit den Young European Professionals Die Young European Professionals (YEPs) sind ein Netzwerk junger Menschen aus ganz Deutschland. Ehrenamtlich und engagiert, haben sie sich zum Ziel gesetzt, ‚Peers‘ (Gleichaltrige) über die EU, Europa und alles zwischendrin zu informieren. In Form von Einsätzen besuchen sie bspw. Schulen, Festivals und andere Veranstaltungen, um mit jungen Menschen auf Augenhöhe über die EU & Europa zu sprechen. Im Rahmen der Bus-Tour anlässlich von 70 Jahren Bundeszentrale für politische Bildung werden die YEPs das Karl-Maybach-Gymnasium in Friedrichshafen besuchen und den Schülerinnen und Schülern mehr über die EU erzählen.
Hier steht der Bus: Externer Link: Karl-Maybach-Gymnasium, Maybachplatz 2, 88045 Friedrichshafen
21. November, 13:00 -17:00 Uhr: Mit Studierenden der Zeppelin Universität Friedrichshafen ins Gespräch kommen Die Zeppelin Universität (ZU) versteht sich als offene, inspirierende, forschungsorientierte Denkwerkstatt, die im universitären Bildungsbereich neue Wege geht. Diese Wege besucht die bpb mit ihrem Bus und zwar am 21. November 2022 zwischen 13 und 17 Uhr. Wir werden vor der Mensa zu finden sein, mit im Gepäck: spannende Materialien der bpb, fürs Studium und die nächste Reise!
Hier steht der Bus: Externer Link: Auf dem Campus der Zeppelin Universität, Fallenbrunnen 3, 88045 Friedrichshafen
21. November, 19:00 - 20:30 Uhr: Ideenwerkstatt Lernort ‘Landshut’ Die Entführung und anschließende Befreiung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ im Jahr 1977 ist mit ihren Medienbildern Teil des kollektiven Gedächtnisses der alten Bundesrepublik Deutschland und das Flugzeug selbst zum Symbol für den sogenannten „Deutschen Herbst“ geworden. Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb hat Ende 2020 den Auftrag erhalten, die „Landshut“ in Bildungskontexte einzubinden. Die bpb plant, in Friedrichshafen einen Lernort zu errichten und befindet sich für dieses Projekt in einem offenen Konzeptionsprozess. In einer Ideenwerkstatt, am 21. November 2022 um 19 Uhr, will die Projektgruppe der bpb ihre bisherigen Ideen vorstellen und zusammen mit den Studierenden diskutieren: Wie sollte ein solcher Lernort gestaltet sein? Welche Ansätze sind vorstellbar, um jüngere Generationen an das Thema heranzuführen? Was würden sich Studierende konkret von einem solchen Ort wünschen?
Bad Kissingen (23.11.2022)
23. November, 08:00 – 10:00 Uhr: Besuch der staatlichen Realschule Bad Kissingen Die Bundeszentrale für politische Bildung macht auf ihren letzten Metern einen Abstecher nach Bad Kissingen an die staatliche Realschule. Die Schülerinnen und Schüler können sich am Bus über die bpb informieren und zahlreiche Materialien für ihren Unterricht mitnehmen.
Hier steht der Bus: Externer Link: Staatliche Realschule Bad Kissingen, Valentin-Weidner-Platz 4, 7688 Bad Kissingen
23. November, 11:00 – 14:00 Uhr: Besuch beim Bildungsträger Heiligenhof Gegen frühen Mittag macht der bpb-Bus Station beim von der bpb anerkannten Bildungsträger Heiligenhof. Dort steht ein Besuch der dort stattfindenden Fachtagung und Mitgliederversammlung des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten e.V. (AdB) an. Die bpb freut sich vor Ort mit den verschiedensten Vertreterinnen und Vertretern der politischen Bildungsarbeit ins direkte Gespräch zu kommen.
Hier steht der Bus: Externer Link: Heiligenhof, Alte Euerdorfer Straße 1, 97688 Bad Kissingen
23. November, 15:00 – 17:30 Uhr: In der Bad Kissinger Innenstadt Am Nachmittag wird der bpb-Bus auf dem Rathausplatz in Bad Kissingen zu finden sein. Alle Interessierten können ab 15 Uhr mit der bpb ins direkte Gespräch kommen. Auch zahlreiche kostenlose Lese-, Lehr- und Lernmaterialien stehen für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort bereit.
Hier steht der Bus: Rathausplatz, zwischen Jacobuskirche und Rathaus
Mainz (24.11.2022)
24. November, 11:00 – 15:00 Uhr: Auf dem Campus der Uni Mainz Am 24. November 2022 von 11 Uhr bis 15 Uhr ist die bpb in Mainz zu Gast. Gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz steht der bpb-Bus am letzten Tag der Bustour auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität und öffnet sich für alle Studierenden. Mit im Gepäck: 1.500 spannende Materialien der bpb, fürs Studium und die nächste Reise.
Hier steht der Bus: Georg-Forster-Gebäude, Jakob-Welder-Weg 12 auf dem Gelände der Uni Mainz
Bonn (25.11.2022)
25. November, 13:30 – 22:00 Uhr: Festakt "70 Jahre bpb" als Bürger/-innenfest Im Alten Plenargebäude und heutigem World Conference Center freuen wir uns sehr mit Ihnen das 70-jährige Bestehen der Bundeszentrale für politische Bildung und Finale der Bus-Tour zu feiern.
Ausführliche Informationen und die Möglichkeit der Externer Link: Anmeldung finden Sie hier.
Hier steht der Bus: Externer Link: World Conference Center, Platz der Vereinten Nationen 2, 53113 Bonn
Weitere Veranstaltungen in Bonn finden Sie im Veranstaltungskalender auf bpb.de . | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-12-06T00:00:00 | 2022-10-06T00:00:00 | 2022-12-06T00:00:00 | https://www.bpb.de/die-bpb/ueber-uns/auftrag/bustour/ | Anlässlich des 70. Geburtstages der Bundeszentrale für politische Bildung fährt der bpb-Bus vom 25. Oktober 2022 bis zum 25. November 2022 unter dem Motto "Hier kommt Demokratie in Fahrt!" durch ganz Deutschland. | [
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Besonderheiten des bürgerschaftlichen Engagements in den neuen Bundesländern | Neue Bundesländer - Gesellschaftlicher Wandel | bpb.de | I. Regionale Unterschiede oder Besonderheiten?
Elf Jahre nach der Vereinigung ist es keineswegs selbstverständlich, von Besonderheiten in Ostdeutschland auszugehen. Gleiche Institutionen haben zu Angleichungen in vielen Lebenslagen geführt. Täglich hören wir Meldungen über schwindende Differenzen. Für die nachwachsende Generation ist die DDR bereits ferne Geschichte.
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In Befragungen zu ihren Motiven und zur Bereitschaft, sich "bürgerschaftlich" zu engagieren, unterscheiden sich Jugendliche in Ost und West nicht nennenswert. Sollten wir nicht entspannt von den üblichen regionalen "kleinen" Unterschieden ausgehen, wie sie etwa zwischen Bayern und Hessen bestehen? Vier historisch-strukturelle Gründe sprechen gegen die Mutmaßung, wir könnten hinsichtlich des Bürgerengagements generell von einer raschen Angleichung ausgehen:
1. Auch wer der häufig vordergründigen, polemisch-politischen Auseinandersetzungen über den Charakter der DDR überdrüssig ist, wird nicht umhin können, die Präge- und Folgewirkungen von 40 Jahren Systemdifferenz zu beachten. Politische Kulturen zeichnen sich durch Beharrungsvermögen aus. Mit dem Erbe der DDR ist vorerst - trotz aller historischen und aktuellen deutsch-deutschen Gemeinsamkeiten - positiv wie negativ zu rechnen. Dies gilt vor allem für die in der DDR aufgewachsenen Generationen. In wichtigen Dimensionen, wie Personal und Organisationskultur, in unveränderten Sozialisations- und Bildungseinrichtungen können entsprechende Mentalitäten noch auf Jahre gefördert werden.
2. Die DDR ist durch Bürgerprotest untergegangen. Es wäre zwar überzogen, von einer revolutionären Neugründung der Bundesrepublik zu sprechen, denn schließlich vollzog sich die Vereinigung als Beitritt zum Gebiet der Bundesrepublik. Aber das Zusammenspiel von oppositionellen Bürgerbewegungen, Massenprotesten, wie den Montagsdemonstrationen in Leipzig, und einer breiten Ausreisebewegung ermöglichte - unter günstigen internationalen Bedingungen - einen überraschend friedlichen Systemwechsel. Ihre Projekte und "Dritten Wege" hatten zumeist nur eine kurze Halbwertzeit, und prominente Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler verteilen sich heute auf fast alle Parteien, aber die Wende-Erfahrungen wirken bis in die Gegenwart nach.
3. Im letzten Jahrzehnt war Ostdeutschland, verglichen mit den anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks, eine Transformationsgesellschaft besonderen Typs. Mit dem Beitritt wurden die Institutionen der alten Bundesrepublik als Blaupause übernommen, die durch personelle und finanzielle Transfers zur Wirklichkeit werden sollte. Der Zwang und die Chance, eigene Wege zu gehen, entfiel zunächst weitgehend, und die Transfers beschleunigten die Anpassung an die westlichen Zustände. Aber Institutionen lassen sich nicht klonen. Neben den langsamen Prozessen des Einholens, etwa in den Lohneinkommen, haben sich frühzeitig eigensinnige Entwicklungspfade herausgebildet, die sich einer Mischung aus DDR-Erbe, unvollständigen Transformationen und eigenen ostdeutschen Umwidmungen institutioneller Vorgaben verdanken.
4. Schließlich haben sich in den letzten Jahren zwischen Ost und West Ungleichheiten verfestigt, teilweise sogar verstärkt, die nicht ohne Wirkung auf das Bürgerengagement bleiben können. Dies gilt zuerst für den Zugang zur Erwerbsarbeit, der einem Drittel der Erwerbsbevölkerung verwehrt und für ein weiteres Drittel vor allem ungesichert ist, d. h. oft nur über einen ausgedehnten zweiten Arbeitsmarkt möglich ist. Abwanderung ist eine weitere, damit eng verknüpfte Hypothek.
Aus all diesen Gründen können wir davon ausgehen, dass in den neuen Bundesländern in Sachen Bürgerengagement nicht nur regionale Unterschiede ins Gewicht fallen. Die Debatte über diese strukturellen Besonderheiten Ostdeutschlands fällt allerdings schwer. Jede der vier Dimensionen löst heftige Kontroversen hinsichtlich der politischen Beurteilung aus. Die jeweiligen Bewertungen liegen nicht nur bei Ost- und Westdeutschen weit auseinander, sondern sind auch bei "gelernten" DDR-Bürgerinnen und -bürgern heftig umstritten. Einige Hinweise und Fragen sollen genügen:
Gab es überhaupt Bürgerengagement in der DDR? Fehlten hierfür unter der Kuratel eines "vormundschaftlichen Staats" nicht wesentliche Voraussetzungen, wie z. B. Freiwilligkeit oder garantierte zivile und politische Bürgerrechte? Solche Fragen lenken den Blick auf eine oktroyierte Kollektivkultur, die "gesellschaftliche Aktivitäten" so erfolgreich abforderte, dass sich nur eine kleine Minderheit entziehen konnte. Wenn sich unter diesen Bedingungen in der DDR nur fünf Prozent der Bevölkerung einer Mitgliedschaft in den Massenorganisationen entziehen konnte und jede(r) zweite Bürger(in) ehrenamtlich aktiv war , ist der Einwand zu prüfen, ob sich nicht innerhalb der "gesellschaftlichen Massenorganisationen" und vor allem unterhalb der Leitungsebene, z. B. im Sport- und Kulturbereich, bei der Altenbetreuung und den Kleingärtnern, doch eine "Nischenkultur" freiwilligen Engagements mit solidarischen Einstellungsmustern entwickeln konnte.
Zur Realität des unvollständigen Transfers westlicher Institutionen gehört, dass im Osten Parteien und Wohlfahrtsverbände (mit Ausnahme spezifischer Ostschöpfungen wie der PDS oder der "Volkssolidarität") keine bzw. weit geringere Milieubindungen aufweisen und weniger korporatistisch geschlossen sind. Sie sind "moderner", d. h., sie können weniger auf traditionelle Loyalitäten und Beteiligungsmotive setzen, haben aber gleichzeitig die Chance, unbelastet neue Formen des ehrenamtlichen Engagements zu ermöglichen.
Bürgerschaftliches Engagement weist in den neuen Bundesländern nicht nur strukturelle Besonderheiten auf, sondern deren Effekte sind ambivalent und werden kontrovers diskutiert. Ein prominenter ausländischer Beobachter, der nicht im Verdacht steht, die DDR absichtlich zu romantisieren, spitzt die Nach-Wende-Entwicklungen negativ zu: "Im Falle der ehemaligen DDR scheinen die traumatischen Ereignisse nach 1989 ausgesprochen negative Wirkungen auf die meisten messbaren Formen des sozialen Engagements gehabt zu haben." Andererseits schätzen auch Engagierte, die bereits zu DDR-Zeiten aktiv waren und die Wende nicht als "Stunde null" erfahren haben, den positiven Zugewinn an Freiheit im Sinne der "Möglichkeit der Mitgestaltung gesellschaftlicher Wirklichkeit ohne staatliche Vorgaben" . Der in Vergleichen oft unterstellte Vorbildanspruch des Westens wird jedoch von vielen Engagierten in den neuen Bundesländern explizit zurückgewiesen. "Wir haben hier keine Generalswitwen", lautet eine Formel, die starke Zustimmung findet, wenn es darum geht, ein traditionell westliches Klischee vom Ehrenamt als einer wohltätigen Praxis von bürgerlichen, gutsituierten und vor allem nicht erwerbstätigen Frauen zurückzuweisen.
Auch im bürgerschaftlichen Engagement, wie in vielen anderen Lebensbereichen, mehren sich die Stimmen derer, die heute von einer eigenständigen ostdeutschen "Identität" ausgehen und sie als Mischung von Tradition, Reaktion auf Transformationserfahrungen und Eigensinn beschreiben. Ob diese aktuelle Kultivierung der Differenz mehr als eine vorübergehende Reaktionsbildung auf Enttäuschungen und Fremdheitserfahrungen darstellt, wird sich erst in Zukunft zeigen. II. Umfang und Profil des bürgerschaftlichen Engagements in Ostdeutschland
Die inzwischen in größerer Zahl vorliegenden empirischen Studien können diese Kontroversen nur bedingt entscheiden helfen. Meist handelt es sich um Ergebnisse aus der Umfrageforschung, die uneinheitlich, teilweise auch widersprüchlich sind. Während die vergleichende Eurovol-Studie 1996 in Ostdeutschland mit 24 Prozent um die Hälfte mehr Engagierte gefunden hat als im Westen (16 Prozent) , diagnostiziert das Gros der Untersuchungen der letzten Jahre ein West-Ost-Gefälle. Der umfangreiche "Freiwilligensurvey" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von 1999 weist bei den über 14-Jährigen für den Westen 35 Prozent ehrenamtlich Engagierte aus, für den Osten 28 Prozent ; irgendwo aktiv in Initiativen, Vereinen, Organisationen oder Einrichtungen sind 55 Prozent in den neuen und 68 Prozent in den alten Bundesländern. Im Sozioökonomischen Panel von 1994 waren nach eigenen Angaben ein Drittel der West- und ein Fünftel der Ostdeutschen ehrenamtlich aktiv. In ihrem "Wertesurvey" von 1997 stellen Helmut Klages und Thomas Gensicke dagegen fest: "Interessanterweise sind die Ost-West-Unterschiede . . . nicht signifikant." Bei Extremwerten zwischen 37 und 9 Prozent bürgerschaftlich Aktiver in Ostdeutschland kann noch immer von einem empirischen Chaos gesprochen werden.
Wie kommt es zu solch eklatanten Unterschieden? Eine Quelle liegt in der unscharfen Begrifflichkeit. Für die gleiche Betätigung kursieren unterschiedlichste Selbstbezeichnungen. So favorisieren 48 Prozent der Befragten des "Freiwilligensurveys" den Begriff Freiwilligenarbeit, 32 Prozent Ehrenamt und nur 6 Prozent die Bezeichnung Bürgerengagement . Es überrascht, dass sich die unterschiedlichen Begriffstraditionen in Ost und West nicht nennenswert auf die heute bevorzugten Bezeichnungen auswirken. Die zweite Quelle liegt in den Grenzziehungen, d. h., welche Tätigkeitsbereiche werden einbezogen, und wie intensiv muss eine Aktivität ausgeübt werden, um als Engagement zu gelten. So verdanken sich die vergleichsweise hohen Engagementzahlen des "Freiwilligensurveys" auch einer sehr breiten Definition des Feldes und einer Ausweitung auf zeitlich eher gelegentliches Engagement. In manchen Studien genügt die schlichte Mitgliedschaft als Aktivitätsausweis. Ein genauer Blick auf die Befunde hilft z. B. bei der Auflösung des Widerspruchs, dass einerseits das freiwillige Engagement zugelegt habe und andererseits viele Organisationen über den Rückgang ehrenamtlichen Engagements klagen. Zuwächse hat es lediglich im Bereich der gelegentlichen und projektorientierten Aktivitäten gegeben.
Wenn schon die allgemeinen Aussagen zum bürgerschaftlichen Engagement mit Vorsicht zu behandeln sind, empfiehlt sich eine bereichs- und altersspezifische Betrachtung. Hier lassen sich Kontinuität und struktureller Wandel genauer ablesen. Mit Blick auf repräsentative Erhebungen überrascht, wie klein die Unterschiede zwischen Ost und West ausfallen. Die Bereiche Sport und Bewegung stehen beim Engagement unangefochten an der Spitze, es folgen Schule und Kindergarten, dann Freizeit und Geselligkeit. Die größte, aber durchaus erwartbare Ausnahme bilden Kirche und Religion, die in den neuen Ländern weit weniger Engagierte finden. Auch wenn für viele Bereiche die gleiche Rangfolge auf einem geringeren Engagementniveau zu beobachten ist, gibt es aber eine bemerkenswerte Ausnahme. In der Selbstorganisation von Arbeitslosen weisen die neuen Bundesländer einen deutlich höheren Aktivitätsgrad aus. In Ost wie West bieten Vereine für rund die Hälfte aller freiwillig Aktiven den organisatorischen Rahmen. Auf Platz zwei liegen in Westdeutschland Kirchen und religiöse Gruppen (15 Prozent), im Osten sind es staatliche und kommunale Einrichtungen (14 Prozent). Ähnlich gelagert sind auch die Erwartungen und Motive der Engagierten. Die eigene Lebensfreude und Lebensqualität dominieren, aber auch der Wunsch, anderen Menschen zu helfen und zum Gemeinwohl beizutragen, rangiert hoch in den Erwartungen an das Ehrenamt. Ebenso einheitlich ist erstaunlicherweise das politische Beteiligungsverhalten in beiden Landesteilen nach der kurzen Umbruchphase. III. Potenziale des bürgerschaftlichen Engagements in Ostdeutschland
Wesentliche Besonderheiten und ihre Ambivalenzen erschließen sich erst unterhalb der Reichweite repräsentativer Befragungen. Gerade für den sensiblen Bereich des bürgerschaftlichen Engagements gilt es, neuere Einsichten der Transformationsforschung zu beherzigen. Danach sind weder die Angleichungs- noch die Kolonisierungsthese angemessen, um die heutigen Verhältnisse in den neuen Bundesländern zu erfassen. Auch Besonderes, Eigenes und Neues sind entstanden.
Dies gilt zunächst für die Ebene der Akteure, d. h. die Organisationen, Vereine und Verbände, die freiwilliges Engagement dauerhaft mobilisieren. Auch wenn das Gros der DDR-Massenorganisationen mit ihren zentralen politischen und ökonomischen Institutionen rasch zerfallen ist, gibt es ein beachtliches historisches Erbe. Einige DDR-Verbände und Massenorganisationen haben überlebt und organisieren bis heute in erheblichem Umfang freiwilliges Engagement in ihren Reihen. Dies gilt z. B. für die "Volkssolidarität", die noch heute der dominierende Verband in der Altenhilfe in den neuen Bundesländern ist. Aber auch im Sport- und Kulturbereich, bei den Kirchen (Diakonie) oder dem Deutschen Roten Kreuz sowie in Sozial- und Gesundheitseinrichtungen gibt es solche Traditionen. In diesem Kontext gibt es auch große personelle Kontinuitäten. Viele Engagierte waren schon in der DDR aktiv. In den ehrenamtlichen Gruppen der "Volkssolidarität" liegt das Durchschnittsalter bei deutlich über 70 Jahren. Gleichwohl hat sich dieser Verband, wie viele aus dieser Tradition, modernisiert und tritt heute auch als Dienstleister an, wie z. B. als Großveranstalter von Seniorenreisen nach Mallorca. In Sportvereinen sind die Kader ausgetreten, die dort gesellschaftspolitische Pflichtaufgaben zu verrichten hatten. Geblieben sind die an Geselligkeit und Sport Interessierten. In der DDR geprägte Milieus und Netzwerke, Mentalitäten und Einstellungen wirken weiter, sind aber auch vielerorts aufgebrochen und "durchlüftet" worden.
Durch ihre schnelle Marginalisierung in der Parteienkonkurrenz sind für viele Beobachter die Initiativen und Projekte der Bürgerbewegungen und des Umbruchs aus dem Blickfeld verschwunden. Wer erinnert sich noch an den Unabhängigen Frauenverband (UFV), das Neue Forum, die Grüne Liga? Dabei wird übersehen, dass sich viele der themenspezifischen Projekte der Bürgerbewegungen und neuen sozialen Bewegungen vor allem in den Groß- und Mittelstädten etablieren und stabilisieren konnten. Daran haben auch rückläufige Transferleistungen aus dem Westen oder Schwankungen der für viele Projekte bedeutsamen ABM- und SAM-Mittel wenig geändert. Allerdings sind sie meist ohne überregionale Ausstrahlung.
In Ostdeutschland sind nach der Wende eigene Verbände entstanden, die erheblich zum ehrenamtlichen Engagement beitragen. Während im Westen gewerkschaftliche und unabhängige Zusammenschlüsse von Arbeitsloseninitiativen aktiv sind, hat sich in den neuen Bundesländern der "Arbeitslosenverband" (ALV) als dominierende Kraft etabliert, der nicht nur ehrenamtliches Engagement und Selbsthilfe organisiert, sondern auch - häufig ABM-gestützt - Beratung, Bildung und Weiterbildung.
Aber wir haben es in den neuen Bundesländern nicht nur mit eigenen Akteuren unterschiedlicher Herkunft zu tun, sondern treffen auch auf andere Organisationsmuster und Strukturprobleme. Traditionsbedingt und transformationsgefördert weisen viele Selbsthilfe- und Freiwilligeninitiativen in den neuen Bundesländern eine große Staatsnähe auf. Oft sind ihre Einrichtungen aus öffentlichen Förderprogrammen entstanden und von ihnen weiterhin abhängig. Zahlreiche Transfers und Programme - bis hin zur Europäischen Union - führten zur schnellen Ausbreitung von entsprechenden Einrichtungen (Werkhaus-Projekten, Selbsthilfekontaktstellen, Freiwilligenagenturen etc.).
Da es keine starke Tradition eigensinniger ziviler Selbstorganisation ohne, gelegentlich auch gegen den Staat gibt, ist die Mehrzahl der Akteure dieses Feldes ohne weiteres Zögern bereit, "Staatsknete" zu verlangen bzw. entgegenzunehmen. Dies gilt selbst für die politischen Bereiche, in denen zu DDR-Zeiten oppositionelle Orientierungen gediehen. Damit könnte auch der Eigensinn bürgerschaftlicher Selbstorganisation gefährdet sein. Öffentliche Programme und Förderrichtlinien entscheiden möglicherweise über das Profil und die Arbeitsschwerpunkte der Initiativen. Kritische öffentliche Impulse dürften eher schwach ausfallen. Zudem muss die Frage offen bleiben, ob sie auch jenseits öffentlicher Alimentierung eine Bestandschance haben. Diese spezifische Staatsabhängigkeit im Osten wiegt umso schwerer, als sie doch ohnehin schon ein Charakteristikum des gesamten deutschen Dritten Sektors darstellt.
Große Arbeitsmarktnähe prägt das freiwillige Engagement in den neuen Bundesländern. Dieser Befund steht nur auf den ersten Blick im Widerspruch zur behaupteten Staatsnähe. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und andere Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind das erklärende Zwischenglied. Da mit ABM-Mitteln nicht dem ersten Arbeitsmarkt Konkurrenz gemacht werden darf, drängen solche Maßnahmen naturwüchsig in öffentliche Bereiche, die klassisch von ehrenamtlich Engagierten wahrgenommen werden oder in den Bereich der freiwilligen kommunalen Aufgaben fallen (etwa in der offenen Altenhilfe, der Ehrenamtsförderung etc.). Nach dem Verlust vieler Industriearbeitsplätze ist in den neuen Bundesländern eine eigene ABM-Landschaft entstanden - quantitativ erheblich bedeutsamer als im Westen, von dauernden Umbrüchen und "einstürzenden Neubauten" begleitet und oft wahlpolitisch überformt. Die Folgen für das bürgerschaftliche Engagement sind ambivalent:
- Oft beschrieben worden sind die direkten Verdrängungseffekte. Was zuvor ehrenamtlich betrieben wurde, ist nun Objekt einer Arbeitsamtsmaßnahme. Die Engagierten werden überflüssig gemacht - oft von weit weniger qualifizierten und motivierten Beschäftigten.
- Häufig kommt es zu einem Nebeneinander von ABM-Kräften, Festbeschäftigten und ehrenamtlichen Kräften in sozialen Einrichtungen. Über ABM werden Projekte und Einrichtungen stabilisiert, die sonst keine Bestandschance hätten, ebenso wenig das dort angelagerte Ehrenamt.
- Nicht selten kommt es zum "Phasing", d. h., in einem Projekt wechseln die dort Tätigen von einer Rolle in die andere. Nach einer Weile ABM folgt eine Phase ehrenamtlicher Mitarbeit, oft mit der Hoffnung, sich erneut in die Erwerbsarbeit einfädeln zu können - und sei es auch nur über eine weitere Maßnahme der Bundesanstalt für Arbeit. Gelegentlich werden die zumeist jährlich wechselnden ABM-Kräfte auch als Reservoir begriffen, aus denen wesentlich von Ehrenamtlichen getragene Projekte ihre "Perlen" für das freiwillige Engagement fischen können. Diese stärkere Arbeitsmarktorientierung schlägt sich auch in der Befragung nach den Motiven für das freiwilligen Engagement nieder. Immerhin knapp die Hälfte aller Befragten in den neuen Bundesländern erwartet auch einen beruflichen Nutzen, während dies im Westen lediglich ein Drittel tut.
Die Zentralität von Erwerbsarbeit hat auch eine "gender"-Dimension. In den geschlechtsspezifischen Zugängen und Ungleichheiten im ehrenamtlichen Engagement unterscheiden sich die beiden Landesteile kaum. Das soziale Ehrenamt ist hier wie dort überwiegend weiblich, während das öffentliche Ehrenamt und die Vorstandsarbeit weitgehend Männersache sind. Allerdings gibt es in Ostdeutschland eine größere "Frauenlücke", weil ostdeutsche Frauen mittleren Alters trotz schlechter Arbeitsmarktlage an ihrer Erwerbsarbeitsorientierung unvermindert festhalten. "Unter den Frauen in den alten Ländern gibt es dagegen eine vier Mal größere Gruppe von Hausfrauen (20 % gegenüber 5 % in den neuen Bundesländern), von denen sich mit 39 % überdurchschnittlich viele freiwillig engagieren."
Fehlende Milieubindung kennzeichnet viele der nach der Vereinigung transferierten Institutionen, vor allem die neuen Parteien und Wohlfahrtsverbände. Die Folgen sind durchaus ambivalent. Einerseits können sie dadurch "moderner" agieren, d. h., ihre Dienstleistungs-, Kampagnen- bzw. Marktorientierung wird nicht durch eine traditionsverhaftete Mitgliedschaftslogik behindert. Andererseits können sie auch weniger aktive Beteiligung mobilisieren. Besonders dem bürgerschaftlichen Engagement droht dadurch eine Nischenexistenz. Zudem verschärft sich in vielen Dienstleistungsbereichen die Konkurrenz mit privaten Anbietern. Betriebswirtschaftliche Orientierungen und professionelle Lösungen drängen ehrenamtlich Engagierte an den Rand, wenn nicht die "Pflege" von Mitgliedern und freiwillig Engagierten als eigenständige Organisationsaufgabe begriffen wird.
Während die "moderneren" Dienstleistungsstrukturen eher in Richtung Verdrängung wirken, hat der "unvollständige Institutionentransfer" auch positive Rückwirkungen auf die Entfaltung von Bürgerengagement. Bei ostdeutschen Parteien und Verbänden lässt sich eine geringere korporatistische Schließung beobachten. Dies erleichtert experimentelle Konstellationen und überraschende Vernetzungen, die jenseits der westlichen Lager- und Milieulogik liegen. Konkret zeigt sich dies an einer erstaunlichen lokalen Vielfalt von "bunten" Projekten und Initiativen, die kreativ alle möglichen Formen von Beschäftigung und Ehrenamt, von Fördermitteln und Trägerarrangements, von Arbeitsfeldern und Organisationslogiken kombinieren. Unterstützt wird dieses lokale Experimentierfeld auch durch ein vergleichsweise starkes Engagement von Stiftungen - wie z. B. der Töpfer, Körber, Bosch oder Bertelsmann Stiftung - in den neuen Bundesländern.
In die gleiche Richtung wirken auch die stärker an Konsens und Gleichheit orientierten Elemente in der politischen Kultur der neuen Bundesländer, die vor allem auf der lokalen Ebene wirksam werden. In der Tradition der Wendezeit finden wir in vielen ostdeutschen Kommunen auch heute deliberative, an Sachproblemen orientierte Runde Tische und Foren zu solchen Themen wie Gewalt, Armut, Arbeitslosigkeit, Drogen etc., die repräsentative Strukturen der kommunalen Selbstverwaltung ergänzen. Konsensdemokratische Orientierungen prägen auch das lokale Parteiensystem in Ostdeutschland. Sie sollten nicht, so eine neuere empirische Studie, als schwindendes Anpassungsdefizit an die Konkurrenz- und Konfliktmuster des Westens, sondern als "konsolidierte Eigenständigkeit" begriffen werden. Eine auf das Gemeinsame gestimmte politische Teilkultur dürfte jedenfalls eher in der Lage sein, bürgerschaftliches Handeln im Sinne von gemeinwohlorientiertem zu mobilisieren, und auf Ungleichheitsentwicklungen in den sozialen Bürgerrechten sensibler zu reagieren. IV. Gesellschaftliche Blockaden und politische Widerstände
Wer von den positiven und ambivalenten Besonderheiten des Bürgerengagements in den neuen Bundesländern berichtet, darf von den dunklen Seiten nicht schweigen. Teilweise bilden sie die Unterseite der bereits beschriebenen Entwicklungen.
Eine sozial extrem gleiche Gesellschaft sah sich nach der Wende einer rasanten sozialen Ungleichheitsentwicklung mit vielfältigen Ausgrenzungsprozessen ausgesetzt. Anhaltende Abwanderung, Ab- und Aufwertung einzelner Stadtteile, die Herausbildung sozialer Problemquartiere, von Speckgürteln um die Kernstädte, die Entvölkerung ländlicher Regionen und wachsende regionale Unterschiede sind einige der aktuellen Erscheinungsformen. Die Dynamik geht wesentlich von den Arbeitsmärkten aus, d. h. von dem anhaltend hohen Niveau dauerhafter Massenarbeitslosigkeit. Sie schlägt, nach allem, was wir über den positiven Zusammenhang von gesicherter Erwerbsarbeit und Ehrenamt wissen, auf die Chancen und die Bereitschaft zum Bürgerengagement durch. Nach dem Zusammenbruch von politischen und betrieblich eingebundenen Engagementstrukturen ("gesellschaftliche Arbeit") nach der Wende, der für viele der zuvor Aktiven zum dauerhaften Rückzug führte, und dem Fehlen bzw. nur allmählichen Aufbau von alternativen Trägern (Vereinen etc.), was vor allem bei Jüngeren in den neuen Bundesländern eine große Kluft zwischen Engagementbereitschaft und faktischem Engagement zur Folge hatte, sorgt die soziale Ungleichheitsdynamik für eine dritte Hürde in der Entfaltung einer Engagementkultur.
Auf der Unterseite des konsensuellen Politikverständnisses lassen sich unschwer autoritäre, paternalistische, professionelle und elitäre Orientierungen aufspüren, die bürgerschaftlichem Engagement eher entgegenstehen. Antipluralistische Einstellungen sind in Ostdeutschland mehrheitsfähig und machen aktiven Bürgerinnen und Bürgern das Leben immer dann schwer, wenn sie sich nicht im Rahmen eines präformierten Allgemeinwohls bewegen oder gar offenen Widerspruch vorbringen. Sighard Neckel hat in einer einfühlsamen Gemeindestudie dokumentiert, wie stark die Hochschätzung ist, "die ,Ordnung' als Grundlage jedweder Politik noch immer erfährt" . Die Politisierung und Konfliktorientierung, die der Kommunalpolitik in Westdeutschland seit den siebziger Jahren widerfahren ist, hat in Ostdeutschland keine Entsprechung. Damit ist der politische Raum bürgerschaftlicher Selbsttätigkeit eng begrenzt.
Hinzu kommt die Formierung antibürgerschaftlicher Einstellungen und Milieus. Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus sind zwar keine ostdeutsche Besonderheit, aber es gibt ein deutliches Ost-West-Gefälle. Regionale Erfahrungen verweisen auf einen Umschlag von Quantität in Qualität, von Ghettokultur in Mehrheitskultur. Rechtsextreme Jugendkulturen und sie duldende oder unterstützende Erwachsenenmilieus haben sich in zahlreichen Großsiedlungen und ländlichen Regionen des Ostens als dominierende Kultur etablieren können. Nicht selten werden ihre Cliquen und Kameradschaften als Ordnungskraft wahrgenommen und genutzt, solange sie nicht durch spektakuläre Gewalttaten für negative überregionale Aufmerksamkeit sorgen. Demokratische Gegenkulturen sind hier entweder nicht vorhanden oder in der Minderheit. Einmal als "übliche Jugendkultur" verankert, dürften von den rechtsextremen Szenen nachhaltige Sozialisationswirkungen ausgehen. V. Mögliche Konsequenzen, nicht nur für Ostdeutschland
Schattenseiten, Ambivalenzen und Potenziale fordern politische Gestaltung heraus. Aktive Bürgerschaft lässt sich zwar nicht erzwingen oder verordnen, aber sie kann ermöglicht, anerkennend gepflegt, gefördert und unterstützt werden. Auch wenn wir davon ausgehen dürfen, dass sich Bürgerengagement immer wieder überraschend und selbsttätig Bahn brechen wird, können seine Gestaltungschancen dennoch politisch erweitert oder aber institutionell eingeschnürt und entmutigt werden. Nicht zuletzt ist Engagement zu erlernen. Dies geschieht meist früh im Lebenslauf entweder durch Vorbilder im Nahbereich oder weil es, wie vielerorts in den USA, selbstverständlicher Bestandteil eines schulischen Curriculums ist. Von dem vielen, was geschehen könnte, sollen wenigstens vier Gestaltungsaufgaben benannt werden:
1. Gerade wenn, wie so viele "soziologische Spatzen" auf dem "Theoriedach" pfeifen, immer neue Individualisierungsschübe zu erwarten sind und mit der Erneuerung naturwüchsiger, "mechanischer" Solidaritäten nicht gerechnet werden darf, sollte eine möglichst gleichheitsorientierte Engagementförderung als öffentliche Infrastrukturaufgabe begriffen werden. Es liegt inzwischen eine Fülle von Erfahrungen mit entsprechenden Einrichtungen, wie z. B. Bürgerhäusern, soziokulturellen Zentren, Selbsthilfekontaktstellen oder Freiwilligenagenturen, vor. Wir wissen, wie sie besetzt und ausgestattet sein sollten, damit sie ihre Aufgabe erfüllen können; und es gibt Beispiele einer klugen Förderpolitik der öffentlichen Hand, die den Eigensinn der freiwillig Aktiven achtet und zugleich die Vereinnahmung durch Partikularinteressen verhindert, die Offenheit zwischen den Generationen fördert und Vernetzungen wie Eigenaktivitäten stimuliert. In der Praxis haben wir es allerdings nur mit einigen wenigen "Leuchttürmen" zu tun. Halbherzig und schlecht ausgestattet, hat das Gros der Initiativen zur Zeit einen eher schweren Stand.
2. Die Klage vieler schon zu DDR-Zeiten freiwillig Engagierter, sie hätten es damals leichter gehabt und mehr Anerkennung gefunden, hat einen, der Nostalgie unverdächtigen, harten Kern. Das Ideal, d. h. gesicherte und einträgliche Erwerbsarbeit, einen flexiblen und porösen Arbeitstag, der dem gewünschten Engagement durch großzügige Freistellungen und unkomplizierte Aufwandsentschädigungen Raum gibt, kennen wir auch im Westen - allerdings als Mittelschichtprivileg. Wer ernsthaft an einer Erweiterung und Demokratisierung von Engagementchancen interessiert ist, muss auch die Fragen nach der sozialen Grundsicherung und den Zugangschancen zur Bürgerschaft über Erwerbsarbeit zulassen. Sonst gerät die neue aktive Bürgerschaft zum Privileg für diejenigen, die es sich leisten können - und sich über ihr Engagement weitere Privilegien verschaffen. Hinzu kommt die Gefahr geschlechtsspezifischer Rollenzuweisungen. Fehlen für diese Fallstricke das Augenmerk und die nötigen Gegenmittel, droht die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements zu einer exklusiven Einladung an wenige zu werden. Die größere Arbeitsmarktnähe des freiwilligen Engagements in den neuen Bundesländern bietet eine Chance, die dort gemachten Erfahrungen auf mögliche Passungen zwischen Erwerbsarbeit und Bürgerengagement abzuklopfen, die heute entwickelt werden können.
3. Bürgerschaftliches Engagement benötigt nicht nur öffentliche Unterstützung und möglichst gleiche individuelle Zugangschancen. Auch wenn die öffentliche Rhetorik die Illusion nährt, alle gesellschaftlichen Einrichtungen warteten sehnsüchtig und hoffnungsvoll auf die aktiven Bürgerinnen und Bürger, werden sie andere Erfahrungen machen, wenn sie sich auf den Weg in die Institutionen begeben. Sie werden ihre Handlungsspielräume vielfach erst erkämpfen müssen. Wo kämen wir da hin, wenn die Abläufe in Kindergärten und Hochschulen, in Krankenhäusern und Altenheimen, in Schulen, Sozialstationen und Kommunalverwaltungen nicht mehr in der ausschließlichen Verfügung von den dort professionell Tätigen und ihren Vorgesetzten (inklusive des rechtlichen Überbaus) lägen? Bürgerschaftliches Engagement stärken heißt deshalb, mehr Demokratie in gesellschaftlichen Institutionen zu wagen. Es geht um mehr Macht für die Bürgerinnen und Bürger. Dies erfordert neue institutionelle "Passungen" zwischen Hauptamtlichen einerseits und den Ehrenamtlichen, Nutzern, Patienten, Klienten, Kunden, Schulpflichtigen etc. andererseits. Erst unter diesen Bedingungen einer neuen Machtbalance kann bürgerschaftliches Engagement ein Weg zur Überwindung "politischer Armut" sein und bislang fehlende Artikulationsmöglichkeiten freilegen.
4. Die ostdeutschen Erfahrungen verweisen auf eine brisante Problematik, die gerne verdrängt wird: Freiwilliges Engagement, Ehrenamt, Vereinsmitgliedschaft, "soziales Kapital" sind nicht mit demokratischem und zivilgesellschaftlichem Engagement gleichzusetzen. Gerade die deutsche Geschichte bietet genügend Anlass, an dieser Gleichsetzung zu zweifeln. Erinnert sei nur an die bürgerliche Vereinskultur in der Kaiserzeit, der Heinrich Mann in "Der Untertan" ein literarisches Denkmal setzte. Kleingartenvereine brachten in der Nazizeit an Kolonieneingängen Tafeln an, auf denen zu lesen war: "Gartenluft verträgt keinen Judenduft." Im Begriff "bürgerschaftliches Engagement" steckt ein demokratischer Anspruch, der in den realen Engagementformen auch unterschritten werden kann. Ob es in der DDR überhaupt bürgerschaftliches Engagement anders als in Form von Dissidenz und Opposition geben konnte, ist heute nicht mehr die entscheidende Frage. Aber wie demokratisch sind die heute praktizierten Formen von Selbstorganisation, freiwilligem Engagement und Selbsthilfe wirklich, wie demokratisierend könnten sie wirken? Können sie die seit Alexis de Tocqueville immer wieder gefeierte freiheits- und demokratiebegründende Funktion freiwilliger Zusammenschlüsse tatsächlich unter den gegenwärtigen Bedingungen erfüllen? Gerade wer das demokratische Potenzial bürgerschaftlichen Engagements stärken möchte, sollte auch in diesem politischen Feld den Abstand zwischen Norm und Wirklichkeit als Herausforderung verstehen.
Ohne auf diesen Begriff und die darum geführte aktuelle Debatte näher einzugehen, soll betont werden, dass im Konzept der Bürgerschaft (""citizenship") ein demokratischer Anspruch enthalten ist, denn er markiert jene politischen, zivilen und sozialen Ansprüche, Rechte, Handlungsmöglichkeiten und Erwartungen, die wir uns wechselseitig in einem politischen Gemeinwesen - bei allen sonstigen Unterschieden - als Gleiche zugestehen; vgl. ausführlicher Roland Roth, Bürgerschaftliches Engagement - Formen, Bedingungen, Perspek"tiven, in: Annette Zimmer/Stefan Nährlich (Hrsg.), Engagierte Bürgerschaft. Traditionen und Perspektiven, Opladen 2000, S. 25-48. Anmerkung der Redaktion: Zum "bürgerschaftlichen Engagement" siehe auch die Themenausgabe von Aus Politik und Zeitgeschichte, B 25-26/2001.
Zu dieser Variante der Zweidrittelgesellschaft in Ostdeutschland vgl. Berthold Vogel, Ohne Arbeit in den Kapitalismus. Der Verlust der Erwerbsarbeit im Umbruch der ostdeutschen Gesellschaft, Hamburg 1999.
Anmerkung der Redaktion: Siehe hierzu auch den Beitrag von Nikolaus Werz in diesem Heft.
So die prägnante und einflussreiche Charakterisierung von Rolf Henrich, Der vormundschaftliche Staat. Vom Versagen des real existierenden Sozialismus, Reinbek 1989.
Zur Beteiligung in der DDR vgl. Eckhard Priller, Veränderungen in der politischen und sozialen Beteiligung in Ostdeutschland, in: Wolfgang Zapf/Roland Habich (Hrsg.), Wohlfahrtsentwicklung im vereinten Deutschland, Berlin 1996, S. 283-305.
Robert D. Putnam, Schlussfolgerungen, in: ders. (Hrsg.), Gesellschaft und Gemeinsinn. Sozialkapital im internationalen Vergleich, Gütersloh 2001, S. 763.
David Kramer/Stephan Wagner/Konstanze Billeb, Soziale Bürgerinitiative in den neuen Bundesländern. Untersuchungen zu einem Förderprogramm 1993-1997, Robert Bosch Stiftung, Materialien und Berichte 49, Stuttgart 1998, S. 84.
Vgl. Katharine Gaskin/Justin Davis Smith/Irmtraut Paulwitz u. a., Ein neues bürgerschaftliches Europa. Eine Untersuchung zur Verbreitung und Rolle von Volunteering in zehn Ländern, Freiburg 1996.
Vgl. Bernhard von Rosenbladt, Freiwilliges Engagement in Deutschland. Ergebnisse der Repräsentativerhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement. Band 1: Gesamtbericht, Stuttgart 2000.
Helmut Klages/Thomas Gensicke, Bürgerschaftliches Engagement im Ost-West-Vergleich, in: dies., Wertewandel und bürgerschaftliches Engagement an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, Speyer 1999, S. 57.
So die Lagebeschreibung in einer Sekundäranalyse von 43 empirischen Studien zum Ehrenamt, vgl. Karin Beher/Reinhard Liebig/Thomas Rauschenbach, Das Ehrenamt in empirischen Studien - ein sekundäranalytischer Vergleich, Stuttgart 1998, S. 26.
Vgl. B. von Rosenbladt (Anm. 9), S. 51. "Tatsache ist, dass alle Aussagen zur Zahl der freiwillig oder ehrenamtlich engagierten Menschen in Deutschland in hohem Maße von methodischen Unsicherheiten bestimmt sind. Das ist im Grunde nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, wie vielfältig und schwer greifbar das Spektrum an Tätigkeiten ist, das hier erfasst werden soll" (ebd., S. 53).
Zur politischen Semantik in der DDR und den neuen Bundesländern vgl. D. Kramer/St. Wagner/K. Billeb (Anm. 7), S. 79 ff. Zum Selbstverständnis der Engagierten vgl. Thomas Gensicke, Freiwilliges Engagement in den neuen und alten Bundesländern. Ergebnisse des Freiwilligensurveys 1999, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 25-26/2001, S. 24-32, hier S. 28.
In dieser Perspektive vgl. Karin Beher/Reinhard Liebig/Thomas Rauschenbach, Strukturwandel des Ehrenamts. Gemeinwohlorientierung im Modernisierungsprozess, Weinheim-München 2000.
Vgl. Th. Gensicke (Anm. 13), S. 25.
Vgl. Hugo Reister/Kurt Nikolaus/Norbert Klippstein, Gesellschaftliche Organisationen und Erwerbslose. Unterstützung von Arbeitslosen durch Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände, Arbeitslosenorganisationen, Kirchen und Kommunen in den neuen Bundesländern und Berlin, Berlin 2000, S. 389 ff.
Th. Gensicke (Anm. 13), S. 29.
Iris Krimmel, Politische Beteiligung in Deutschland - Strukturen und Erklärungsfaktoren, in: Jürgen Falter/Oscar W. Gabriel/Hans Rattinger (Hrsg.), Wirklich ein Volk? Die politischen Orientierungen von Ost- und Westdeutschen im Vergleich, Opladen 2000, S. 634.
Vgl. Rolf Reißig, Der Systemschock von 1989, die Transformation und die deutschen Sozialwissenschaften, in: Hans Misselwitz/Katrin Werlich (Hrsg.), 1989: Später Aufbruch - Frühes Ende? Eine Bilanz nach der Zeitenwende, Potsdam 2000, S. 29.
Vgl. die Studie von Dieter Rucht/Barbara Blattert/Dieter Rink, Soziale Bewegungen auf dem Weg zur Institutionalisierung. Zum Strukturwandel ,alternativer` Gruppen in beiden Teilen Deutschlands, Frankfurt/M.-New York 1997; sowie die Aktualisierung einiger Befunde von Dieter Rink, Blockierte Entfaltung. Soziale Bewegungen in den Konfliktlinien der ostdeutschen Transformationsgesellschaft, in: H. Misselwitz/K. Werlich (Anm. 19), S. 126-143.
Vgl. D. Rucht/B. Blattert/D. Rink, ebd.
Vgl. Lester M. Salamon/Helmut K. Anheier u. a., Global Civil Society. Dimensions of the Nonprofit Sector. The Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project, Baltimore 1999.
Zu dieser Beobachtung vgl. D. Kramer/St. Wagner/K. Billep (Anm. 7), S. 147 ff.
Vgl. Thomas Gensicke, Freiwilliges Engagement in den neuen und alten Ländern, in: Freiwilligensurvey (Anm. 13), Bd. 2, S. 93; Anmerkung der Redaktion: Siehe auch den Beitrag von Th. Gensicke in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 25-26/2001.
Während in der geschlechtsspezifischen Verteilung freiwilligen Engagements nach allen vorliegenden Studien Männer dominieren (der "Freiwilligensurvey" weist 30'% engagierte Frauen und 38'% engagierte Männer aus) und auch den höheren Zeitaufwand betreiben, sind im Sozialbereich zwei Drittel aller Engagierten Frauen - detailliert bei Johanna Zierau, Genderperspektive - Freiwilligenarbeit, ehrenamtliche Tätigkeit und bürgerschaftliches Engagement bei'Männern und Frauen, in: "Freiwilligensurvey", Bd. 3, S. 21 ff.; entsprechende Daten für Niedersachsen bieten Bernhard Blanke/Henning Schridde, Bürgerengagement und aktivierender Staat, in: Rolf G. Heinze/Thomas Olk (Hrsg.), Bürgerengagement in Deutschland. Bestandsaufnahmen und Perspektiven, Opladen 2001, S. 127 ff.; für die Sozialprojekte der Bosch Stiftung vgl. die Auswertung von D. Kramer./St. Wagner/K. Billeb (Anm. 7), S. 50 ff.
J. Zierau (Anm. 25), S. 111.
Eine Analyse von Beispielen aus Mecklenburg-Vorpommern bietet Tadahisa Izeki, Das Erbe der Runden Tische in Ostdeutschland. Bürgerorientierte Foren in und nach der Wendezeit, Frankfurt/M u. a. 1999.
Vgl. Günter Pollach/Jörg Wischermann/Bodo Zeuner, Ein nachhaltig anderes Parteiensystem. Profile und Beziehungen von Parteien in ostdeutschen Kommunen. Ergebnisse einer Befragung von Kommunalpolitikern, Opladen 2000, S. 291 ff.
Die allgemeine Regel lautet schlicht: "Je erwerbsferner die Bevölkerungsgruppe und je niedriger das Haushaltseinkommen, desto geringer das ehrenamtliche Engagement", so Bernhard Blanke/Henning Schridde, Bürgerengagement und aktivierender Staat, in: R. G. Heinze/T. Olk (Hrsg.), (Anm. 25), S. 135.
Der Forderung, Gruppen- und Verbandsinteressen sollten sich bedingungslos dem Allgemeinwohl unterordnen, stimmt 1998 im Osten eine Mehrheit von 54'% der Befragten zu, im Westen sind es 37'% - vgl. Kai Arzberger/Markus Klein, Gesellschaftliche Wertorientierungen und Staatszielvorstellungen, in: J. Falter/O.W. Gabriel/H. Rattinger (Anm. 8), S. 373.
Vgl. Sighard Neckel, Waldleben. Eine ostdeutsche Stadt im Wandel seit 1989, Frankfurt/M.-New York 1999, S. 97.
Vgl. die Schilderung der "rechten Ecke" von S. Neckel, ebd., S. 113 ff., die für zahlreiche ähnlich gelagerte Berichte stehen kann.
Diese Gefahr analysieren Norbert Brömme/Hermann Strasser, Gespaltene Bürgerschaft? Die ungleichen Folgen des Strukturwandels von Engagement und Partizipation, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 25-26/2001, S. 6-14.
Zu dieser Tendenz am Beispiel von Aktivierungs"politiken in den USA vgl. Steven E. Schier, By Invitation Only. The rise of exclusive politics in the United States, Pittsburgh 2000.
| Article | Roth, Roland | 2021-12-07T00:00:00 | 2011-10-04T00:00:00 | 2021-12-07T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/26011/besonderheiten-des-buergerschaftlichen-engagements-in-den-neuen-bundeslaendern/ | Auch hinsichtlich des Bürgerengagements stehen die Zeichen nicht auf Angleichung. DDR-Traditionen wirken positiv wie negativ weiter, und der kurze Aufbruch der Bürgerbewegungen hat Spuren hinterlassen. | [
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"Parteien im Deutschen Reich" | AV-Medienkatalog | bpb.de | Regie: Georg Armin/Karl-Heinz Ibe Buch: Georg Armin/Horst Hellwig/Karl-Heinz Ibe/Paul Mommertz/Karl-Ernst Moring Produktion: NDR, Bundesrepublik Deutschland 1975 Format: 30 Min. - VHS-Video - farbig FSK: 6 Jahre Kategorie: Dokumentarfilm Stichworte: Deutschland im 19. Jahrhundert - Deutschland nach 1945 - Geschichte - Parlamentarismus - Parteien - Politische Systeme
Inhalt: Der Film dokumentiert folgende Themenbereiche: Fraktionen der Frankfurter Nationalversammlung - politische Grundströmungen und Parteigründungen ab 1860 - Reichsverfassung - Wahlsystem - Organisationsformen der Parteien, ihre Interessen und Ideologien. Das Werk gliedert sich in drei Teile: 1. Die Darstellung der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. Die eigentliche Parteiengeschichte begann erst mit der Gründung der preußischen Fortschrittspartei, die sich 1866 in eine nationalliberale und eine liberaldemokratische Gruppierung spaltet. Ihr folgte 1867 die Gründung der Freikonservativen Partei, 1870 die des Zentrums, 1875 die der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands. 2. In großen Zügen werden die Gründungsprogramme dieser Parteien umrissen. In Statements der Vorsitzenden der Bundestagsparteien 1975 (Hans-Dietrich Genscher, Franz Josef Strauß, Helmut Kohl, Willy Brandt) wird die Frage nach politischer Herkunft, bleibenden Grundsätzen und aktuellen Zielvorstellungen zu beantwoen versucht. 3. Die Stellung der Parteien, ihre verfassungsmäßige Einordnung im parlamentarischen System des ausgehenden Jahrhunderts, die Entwicklung des Parteiensystems und der Einfluß des Wahlrechts auf die Wirkungsmöglichkeiten der Parteien. | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2012-10-17T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/lernen/filmbildung/146452/parteien-im-deutschen-reich/ | Das Werk gliedert sich in drei Teile: 1. Die Darstellung der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. 2. In großen Zügen werden die Gründungsprogramme dieser Parteien umrissen. 3. Die Stellung der Parteien, ihre verfassungsmä | [
"Deutschland nach 1945",
"Parlamentarismus",
"politische Systeme"
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Aktuelle Probleme der Pflegeversicherung | Gesundheitspolitik | bpb.de | Die Pflegeversicherung und die Langzeitpflege sehen sich großen Problemen gegenüber. Zwei dieser Probleme, die eng miteinander verknüpft sind, sollen im Folgenden erörtert werden:
der Fachkräftemangel in der Langzeitpflege, der häufig auch als „Pflegenotstand“ bezeichnet wird; der in den letzten Jahren deutlich gestiegene Eigenanteil von Pflegebedürftigen.
1. Fachkräftemangel in der Pflege
Trotz steigender Beschäftigtenzahlen ist die Langzeitpflege bekanntlich schon seit langer Zeit mit einem eklatanten Fachkräftemangel konfrontiert. Die Pflege durch Fachkräfte wird in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter an Bedeutung gewinnen, denn der wachsende Pflegebedarf (s. Artikel Interner Link: Pflegebedürftigkeit als soziales Risiko) wird vermutlich weniger stark als bisher durch Angehörige, Nachbarn oder Ehrenamtliche zu bedienen sein. Die Gründe dafür liegen vor allem in einem vielgestaltigen sozialen Wandel (s. Artikel Interner Link: Leistungserbringer – Leistungserbringung – Leistungsinanspruchnahme):
die wachsende Zahl pflegebedürftiger Menschen bei einem gleichzeitigen Rückgang der Zahl von Menschen im erwerbsfähigen Alter; die (weitere) Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit, die hohe und vermutlich weiterwachsende Zahl von 1-Personen-Haushalten, die in den letzten Jahrzehnten gestiegenen Flexibilitätserwartungen in der Arbeitswelt.
Die Verfügbarkeit einer angemessenen Zahl von Pflegefachkräften ist für die Gewährleistung der pflegerischen Versorgung von herausragender Bedeutung. Aus den oben genannten Gründen muss für die nächsten Jahre eine Zuspitzung des Fachkräftemangels befürchtet werden. Der zukünftige Bedarf und das zukünftige Angebot an Pflegekräften lassen sich zwar nicht zuverlässig abschätzen (Sell 2020), aber es herrscht eine breite Übereinstimmung, dass Pflegefachkräfte in ganz erheblichem Umfang fehlen werden. Prognosen für das Jahr 2030 beziffern ie Versorgungslücke auf gut 260.000, manche sogar auf 500.000 Vollzeitarbeitskräfte, wenn die Politik keine geeigneten Gegenmaßnahmen ergreift (Rothgang et al. 2012: 51-55; Radtke 2020). Dabei dürfte der Mangel an Pflegekräften regional und lokal unterschiedlich ausfallen (Rothgang et al. 2012).
Zu den wichtigsten Ursachen des Fachkräftemangels zählen die schlechten Arbeitsbedingungen und die geringe Bezahlung in der Langzeitpflege. Aussagekräftige Befunde über die Arbeitsbedingungen liegen seit vielen Jahren vor (z.B. Hasselhorn et al. 2005). Demzufolge sind die Beschäftigten hohen körperlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Die Gründe für diese Belastungen sind vielfältig (Schmucker 2020):
Die Arbeitsverdichtung ist hoch und wird durch den Personalmangel häufig noch verstärkt. Die Lage der Arbeitszeiten ist wegen der unvermeidlichen Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit ungünstig. Häufiges Heben und Tragen belastet den Stütz- und Bewegungsapparat. Die Konfrontation mit dem Leid der Betroffenen und die gleichzeitig starke Motivation der Beschäftigten, anderen zu helfen, begünstigen eine übermäßige Verausgabung von Arbeitskraft.
Aus einer jüngeren repräsentativen Befragung von Pflegekräften, die im Auftrag des vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) getragenen „Index Gute Arbeit“ durchgeführt wurde, gehen die Belastungen in der Langzeitpflege hervor. Demnach gaben Pflegefachkräfte an, dass sie oft oder sehr oft u.a. folgenden Belastungen bei der Arbeit ausgesetzt seien (Schmucker 2020):
69 Prozent arbeiten unter Zeitdruck (alle Beschäftigten: 56 %), 78 Prozent nehmen eine starke körperliche Belastung wahr (alle Beschäftigten: 30 %), 42 Prozent mussten Abstriche an der Qualität ihrer Arbeit machen (alle Beschäftigten: 22 %).
In den letzten Jahren hat der Gesetzgeber seine Bemühungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege verstärkt:
Im Jahr 2018 verständigten sich das Bundesgesundheits-, das Bundesarbeits- und das Bundesfamilienministerium auf ein Sofortprogramm, mit dem 13.000 zusätzliche Stellen in der Langzeitpflege geschaffen werden sollten. Diese Stellen werden von den Krankenkassen finanziert. Die Kosten für die Vergütung von Auszubildenden in der stationären Pflege werden im ersten Jahr von den Krankenkassen getragen, nicht wie zuvor vom Pflegeheim oder von den Auszubildenden selbst. Damit soll der Anreiz für die Schaffung und Besetzung von Ausbildungsstellen in der Langzeitpflege gestärkt werden. Um die Arbeitsbedingungen in Pflegeheimen zu verbessern, sollen die Krankenkassen zusätzliche Maßnahmen auf dem Gebiet der betrieblichen Gesundheitsförderung ergreifen. Schließlich ist mit der schrittweisen Einführung eines Personalbemessungsverfahrens in Pflegeheimen begonnen werden. Dabei handelt es sich um ein Instrument, mit dem eine angemessene Personalausstattung erreicht werden soll.
Den hohen Arbeitsbelastungen stehen vergleichsweise geringe Arbeitseinkommen gegenüber (Bogai 2017). Im Dezember 2020 belief sich das durchschnittliche Bruttoarbeitseinkommen einer Fachkraft in der Altenpflege auf 3.174 Euro pro Monat und das einer Pflegehelferin bzw. eines Pflegehelfers auf 2.241 Euro. Die Einkommen aller Fachkräfte auf der jeweiligen Qualifikationsstufe betrugen Durchschnitt aller Fachkräfte: 3.166 Euro bzw. 2.357 Euro (Carstensen et al. 2021: 3). Dabei sind die Einkommen in der Altenpflege in den letzten Jahren – ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau – überdurchschnittlich stark gestiegen (Carstensen et al. 2021). Dieser Anstieg geht vor allem auf Interventionen des Gesetzgebers zurück, insbesondere auf die Erhöhung der Mindestlöhne. Im September 2022 wurden sie für Fachkräfte auf 17,10 Euro pro Stunde angehoben (zuvor: 15,40 Euro), für qualifizierte Pflegehilfskräfte auf 14,60 Euro (zuvor: 13,20 Euro) und für Pflegehilfskräfte auf 13,70 Euro (zuvor: 12,55 Euro). Zudem verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Tarifbindung im Pflegesektor zu erhöhen. Im Jahr 2018 zahlten nur rund 40 Prozent der Pflegeheime und 26 Prozent der ambulanten Pflegedienste die tariflich vereinbarten Löhne (Bundesagentur für Arbeit 2021: 8), die selbst dringend erhöht werden müssten. Vor diesem Hintergrund sieht das 2021 verabschiedete „Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung“ vor, dass die Pflegekassen ab September 2022 neue Versorgungsverträge nur noch mit Einrichtungen abschließen dürfen, die ihre Beschäftigten nach Tarifverträgen oder mindestens in vergleichbarer Höhe bezahlen (§ 72 Abs. 3a u. 3b SGB XI). Die schwache Tarifbindung steht im Zusammenhang mit dem niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad in der Langzeitpflege und ist Ausdruck der geringen Organisations- und politischen Handlungsfähigkeit der Langzeitpflegekräfte insgesamt. Zudem ist der Widerstand der Träger von Pflegeeinrichtungen gegen die Übernahme von Tariflöhnen, auch angesichts des insgesamt restriktiven Finanzrahmens der Pflegeversicherung, sehr stark. Das Bundesministerium für Gesundheit für Gesundheit geht davon aus, dass die Gehaltssteigerungen zwischen 10 und 30 Prozent liegen werden (BMG 2022a). Außerdem verstärkte die Bundesregierung in den letzten Jahren ihre Anstrengungen, ausländische Arbeitskräfte für die Pflege zu rekrutieren, vornehmlich aus Südosteuropa und Asien (Kordes 2019). In diesem Zusammenhang wurden 2019 Vereinbarungen mit Mexiko, den Philippinen und dem Kosovo geschlossen. Außerdem soll die „Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe” Pflegeeinrichtungen bei ihren Bemühungen zur Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland unterstützen. Die Versuche zur Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte werden aber wohl nur einen kleinen Beitrag zur Lösung des Problems leisten (Sell 2020). Zudem ist die Abwerbung auch unter ethischen Gesichtspunkten problematisch, denn das wohlhabende Deutschland entzieht damit ärmeren Ländern qualifizierte Pflegekräfte, die in ihren Heimatländern ausgebildet wurden und dort in der Regel dringend gebraucht werden. Die genannten Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zur Erhöhung der Löhne und Gehälter in der Langzeitpflege weisen in die richtige Richtung, dürften aber bei weitem nicht ausreichen, um den Fachkräftemangel zu überwinden. So sind die Einkommen bei weitem noch nicht hoch genug, um die Attraktivität des Pflegeberufs spürbar zu steigern. Trotz der genannten Verbesserungen bleiben Tempo und Reichweite der in den letzten Jahren beschlossenen Maßnahmen deutlich hinter den Erfordernissen zurück. Angesichts der Arbeitsbedingungen und der unzureichenden Vergütung ist der Pflegeberuf unattraktiv, die Arbeitszufriedenheit gering, die Fluktuation zwischen den Einrichtungen hoch sowie der vorzeitige Berufsausstieg oder der Gedanke daran weit verbreitet (Isfort et al. 2018; Schmucker 2020). Zudem wirken sich die schlechten Arbeitsbedingungen negativ auf die Pflegequalität aus (Isfort et al. 2018). Notwendig sind eine wirklich weitreichende Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine noch deutlich stärkere Erhöhung der Arbeitseinkommen.
2. Finanzierung der Pflegekosten: Steigende Eigenanteile und Abhängigkeit von der Sozialhilfe
Neben dem Fachkräftemangel sind die zum Teil hohen Eigenanteile der Pflegebedürftigen ein wachsendes Problem. Insgesamt sind die Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung seit ihrer Gründung kräftig gestiegen (s. Tabelle 1). Die wichtigsten Gründe liegen in der steigenden Zahl der Pflegebedürftigen und in den Leistungsverbesserungen der letzten Jahre (s. Artikel Interner Link: Pflegebedürftigkeit als soziales Risiko und Interner Link: Leistungserbringer – Leistungserbringung – Leistungsinanspruchnahme). Nicht zuletzt die Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und die damit verbundene Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten hat zu einem weiteren Ausgabenanstieg beigetragen. Im Jahr 2021 beliefen sich die Gesamtausgaben der sozialen Pflegeversicherung auf 53,85 Milliarden Euro (s. Tabelle 1). Die Zunahme der Pflegebedürftigkeit und die Leistungsverbesserungen haben den Gesetzgeber in den zurückliegenden Jahren mehrmals veranlasst, die Beitragssätze anzuheben. Künftig werden die Ausgaben für die Langzeitpflege allein schon wegen der Zunahme der Pflegebedürftigkeit weiter steigen.
Es sind jedoch nicht die Ausgaben der Pflegeversicherung, aus denen erhebliche soziale Probleme erwachsen, sondern ihr Charakter als Teilkostenversicherung (s. Artikel Interner Link: Organisation und Finanzierung der Pflegeversicherung). Der Eigenanteil der Pflegebedürftigen bzw. ihrer Angehörigen ist in den letzten Jahren kräftig gestiegen, insbesondere in der vollstationären Pflege. Im Jahr 2019 belief sich der Eigenanteil der Pflegebedürftigen bzw. ihrer Angehörigen auf rund 23 Prozent der gesamten Leistungsausgaben für Pflegebedürftigkeit (s. Tabelle 2).
Im ersten Quartal 2021 lag die durchschnittliche finanzielle Belastung je Heimbewohner bei immerhin 2.135 Euro im Monat. Davon entfielen 894 Euro auf die reinen Pflegekosten, 785 Euro auf Unterkunft und Verpflegung sowie 456 Euro auf die Investitionskosten (Rothgang & Kalwitzki 2021: 7). Hingegen lag der durchschnittliche Zahlbetrag für die Altersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung (abzüglich des Eigenanteils für die Beiträge in der Kranken- und Pflegeversicherung) Mitte 2020 bei 988 Euro (BMAS 2021: 17). Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Eigenanteil insbesondere bei vollstationärer Pflege einen erheblichen Teil der Pflegebedürftigen überfordert. Dies lässt sich auch an den wieder gestiegenen Zahlen der Empfängerinnen und Empfänger von Hilfe zur Pflege ablesen (s. Artikel Interner Link: Organisation und Finanzierung der Pflegeversicherung). Ende 2019 waren immerhin rund 30 Prozent der Heimbewohnerinnen und -bewohner von der Sozialhilfe abhängig. Dieses Problem dürfte sich mit der absehbaren Zunahme der Altersarmut (Bertelsmann Stiftung 2017) weiter verschärfen, wenn die politischen Entscheidungsträger nicht zu wirksamen Gegenmaßnahmen greifen. Dabei beschränkt sich das Problem hoher Eigenanteile nicht auf die wieder gewachsene Abhängigkeit von der Sozialhilfe. Auch viele Angehörige, die bei einer Überforderung der Pflegebedürftigen zunächst zur Finanzierung herangezogen werden, müssen durch die Kostenbeteiligung z. T. erhebliche Wohlstandseinbußen hinnehmen. Zugleich stellt sich mit den weithin befürworteten und in Aussicht gestellten weiteren Lohnerhöhungen in der Langzeitpflege mit fortgesetzter Dringlichkeit die Frage, wer den finanziellen Mehrbedarf in der Pflege tragen soll. Darauf gibt es bei den politischen Parteien und den Interessenverbänden unterschiedliche Antworten. Die im Zusammenhang mit den Folgen des Kriegs gegen die Ukraine gestiegenen Energiekosten verschärfen das Problem der Kostenverteilung zusätzlich. Angesichts der wachsenden Kritik am steigenden Eigenanteil hat der Gesetzgeber in den letzten Jahren eine Reihe von Bestimmungen verabschiedet, mit denen die Belastungen der Pflegebedürftigen oder ihrer Kinder begrenzt werden sollen:
Seit 2020 sind Kinder mit einem Jahreseinkommen bis unter 100.000 Euro nicht mehr zur Übernahme des Eigenanteils für ihre pflegebedürftigen Eltern verpflichtet. Seit 2022 sinkt der Eigenanteil an den Pflegekosten im Vergleich zur vorherigen Regelung im ersten Jahr des Heimaufenthalts um 5 Prozent, im zweiten um 25 Prozent, im dritten um 45 Prozent und ab dem vierten um 70 Prozent. Die von der Pflegeversicherung an die Pflegeheime zu entrichtenden Zahlungen steigen entsprechend. Auf diese Weise sollen die Eigenanteile in der stationären Pflege zu reduzieren, wofür aus der Pflegeversicherung höhere Zuschüsse an die Einrichtungen fließen sollen.
Die Gegenfinanzierung der ab 2022 geltenden Verbesserungen speist sich aus unterschiedlichen Quellen:
Die Bundesregierung verzichtet – außer für die Bezieher von Pflegesachleistungen – auf die ursprüngliche Dynamisierung von Leistungen für alle Pflegebedürftigen. Diese Anhebungen sind grundsätzlich in mehrjährigen Abständen vorgesehen, um den mit der Preisentwicklung einhergehenden Kaufkraftverlust zu kompensieren. Seit 2022 beteiligt sich der Bund erstmals an der Finanzierung der Pflegeversicherung durch einen steuerfinanzierten Zuschuss in Höhe von jährlich einer Milliarde Euro, also knapp zwei Prozent der Gesamtausgaben der sozialen Pflegeversicherung in 2021. Der Zusatzbeitrag für Kinderlose ab dem vollendeten 23. Lebensjahr wurde von 2022 an um 0,1 Prozentpunkte auf 0,35 Prozent vom Bruttoarbeitseinkommen erhöht. Die betreffenden Versicherten müssen seither Beiträge in Höhe von insgesamt 3,4 statt bisher 3,3 Prozent entrichten.
Die mit diesen Maßnahmen einhergehenden Verbesserungen sind weithin als unzureichend kritisiert worden. Im Mittelpunkt der Kritik steht der Hinweis, dass die Entlastung der Pflegebedürftigen insgesamt deutlich zu schwach ausfalle und überdies nur kurzfristig wirksam sein dürfte. Weil der Gesetzgeber an einer prozentualen Kostenbeteiligung festhält, werden die Pflegebedürftigen weiterhin an den steigenden Gesamtkosten beteiligt. Auf sie entfallen nach wie vor rund 61 Prozent der Mehrkosten, während die Pflegeversicherung nur 39 Prozent trägt (Rothgang 2021: 9). Die reale Entlastung fällt somit deutlich geringer aus, als die beschriebenen Prozentwerte suggerieren, und „[s]chon 2023 erreichen die Eigenanteile […] wieder den aktuellen Wert“ (Rothgang 2021: 25). Künftige Verteilung der Pflegekosten
Die mit der bisherigen Kostenverteilung einhergehenden Probleme verlangen weiter reichende Reformen. Die Bundesregierung steht dabei vor einem Dilemma: Einerseits werden die Pflegekosten weiter steigen, nicht zuletzt wegen der wünschenswerten und unverzichtbaren Anhebung der Löhne und Gehälter in der Langzeitpflege sowie angesichts der steigenden Energiekosten. Diese wird man andererseits aber kaum den ohnehin schon stark belasteten Pflegebedürftigen auferlegen können. Ein höherer Pflegeversicherungsbeitrag wiederum ist politisch nicht erwünscht, unter anderem, weil dadurch das politisch gesetzte Ziel der Begrenzung der Sozialversicherungsbeiträge auf 40 Prozent der Lohnkosten gefährdet ist. Einer Erhöhung des Bundeszuschusses zur Pflegeversicherung steht die von manchen geforderte strikte Einhaltung der Schuldenbremse entgegen. Mit dem Vorschlag für eine Pflegebürgerversicherung steht ein Vorschlag im Raum (Rothgang & Domhoff 2019; Lüngen 2020), der auf einen grundlegenden Umbau der Pflegeversicherung hinausläuft und sowohl das Leistungsrecht als auch die Finanzierung der Pflegeversicherung einschließt. Eine Pflegebürgerversicherung würde die bisher getrennten Systeme der sozialen und der privaten Pflegepflichtversicherung zusammenführen. Sie könnte ergänzt werden durch die Umstellung auf eine Vollfinanzierung der Pflegekosten. Die Finanzierung der Langzeitpflege würde damit auf eine breitere und solidere finanzielle Basis gestellt werden: Mitglieder der privaten Pflegepflichtversicherung würden aufgrund ihrer im Durchschnitt deutlich höheren Einkommen entsprechend höhere Versicherungsbeiträge entrichten und damit Druck von den Beitragssätzen nehmen. Zudem sind die durchschnittlichen Pflegequoten bei privat Versicherten niedriger als bei den Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung, womit sich auch die Pflegekosten je versicherter Person reduzieren würden (Rothgang & Domhoff 2019; Lüngen 2020).
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Richtige Antwort: Das Verbot von Wochenend-, Schicht- und Nachtarbeit in Pflegeheimen
Richtige Antwort: Die Pflegebedürftigen werden prozentual an den Pflegekosten beteiligt.
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Richtige Antwort: Die Pflegebedürftigen werden prozentual an den Pflegekosten beteiligt.
Quellen / Literatur
Bertelsmann Stiftung (2017) (Hrsg.), Entwicklung der Altersarmut bis 2036. Trends, Risikogruppen. und Politikszenarien. Externer Link: https://www.econstor.eu/bitstream/10419/168442/1/89093620X.pdf.
Bogai, Dieter (2017). Der Arbeitsmarkt für Pflegekräfte im Wohlfahrtsstaat, Berlin/Boston: de Gruyter Oldenbourg.
Bundesagentur für Arbeit (2021). Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt – Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich, Mai 2021, Nürnberg: BA.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2021). Die Rentenbestände in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 1. Juli 2020, Bonn: BMAS.
Bundesministerium für Gesundheit (2022a). Tarifliche Bezahlung in der Altenpflege verpflichtend. Gehaltssteigerungen um bis zu 30 Prozent. Externer Link: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/tarifliche-bezahlung-in-der-altenpflege-verpflichtend.html
Bundesministerium für Gesundheit (2022b). Die Finanzentwicklung der sozialen Pflegeversicherung. Ist-Ergebnisse ohne Rechnungsabgrenzung. Externer Link: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Statistiken/Pflegeversicherung/Finanzentwicklung/03-Finanzentwicklung-der-sozialen-Pflegeversicherung__2021_bf.pdf.
Carstensen, Jeanette, Seibert, Holger & Wiethölter, Doris (2018). Aktuelle Daten und Indikatoren: Entgelte von Pflegekräften. Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, 29. November 2021. Externer Link: https://doku.iab.de/arbeitsmarktdaten/Entgelte_von_Pflegekraeften_2020.pdf.
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| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-12-20T00:00:00 | 2022-12-09T00:00:00 | 2022-12-20T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/gesundheit/gesundheitspolitik/516205/aktuelle-probleme-der-pflegeversicherung/ | Der Fachkräftemangel und gestiegene Eigenanteile von Pflegebedürftigen zählen zu den aktuellen Problemen in der Pflegeversicherung. | [
"Personalmangel",
"Pflegepersonal",
"Arbeitsbelastung",
"Arbeitseinkommen",
"Eigenanteil",
"Sozialhilfe",
"Anspruchsberechtigte",
"Ausgabenanstieg",
"Leistungsverbesserungen",
"Pflegeversicherung"
] | 194 |
Neues Publikationsverzeichnis der Bundeszentrale für politische Bildung zur Leipziger Buchmesse | Presse | bpb.de | 56 Jahre nach ihrer Gründung ist das Publikationsangebot der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb umfangreicher als je zuvor. Der interessierte Bürger kann aus insgesamt 360 Publikationen - davon 40 Neuerscheinungen - wählen. Mit dabei sind Klassiker, wie die Informationen zur politischen Bildung ("Schwarze Hefte"), zahlreiche Bände aus der Schriftenreihe, aber auch junge Formate wie "Pocket" oder das bei Schülern und Studenten beliebte Jugendmagazin "fluter".
Themenschwerpunkt in diesem Frühjahr ist China. Mit dem kommenden Olympialand setzen sich zahlreiche Publikationen und eine Veranstaltungsreihe kontrovers auseinander (Externer Link: www.meeting-china.de). Daneben gibt es zahlreiche Neuerscheinungen anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Staates Israel sowie einen umfangreichen Themenschwerpunkt zu europapolitischen Themen.
Die Publikationen kosten zwischen zwei und sechs Euro und können in einem der Medienzentren der bpb in Bonn oder Berlin oder im Online-Shop erworben werden (Externer Link: www.bpb.de/shop). Die am häufigsten nachgefragten Bände der Schriftenreihe werden monatlich in einer "Bestseller-Liste" zusammengestellt: Interner Link: www.bpb.de/bestseller
Neben Büchern, Magazinen und gedruckten Unterrichtsmaterialien wird insbesondere das Multimedia-Angebot der Bildungseinrichtung aus Bonn immer umfangreicher. So gibt z.B. die europäische Presseschau Externer Link: www.eurotopics.net einen täglichen Überblick über politische Debatten in Europa. Mit Online-Angeboten wie Externer Link: www.hanisauland.de, Externer Link: www.du-machst.de oder Externer Link: www.jugendopposition.de erreicht die bpb Jugendliche und junge Erwachsene. Zudem ist kürzlich das 3D-Softwarespiel "Genius - Im Zentrum der Macht" erschienen, hier können Spieler von zwölf bis 99 Jahren nach den Spielregeln der Demokratie politische Macht erlangen und Bundeskanzler/in werden.
Auf der Leipziger Buchmesse ist die bpb mit einem Stand vertreten (Halle 3, Stand G 302) und erstmalig mit zahlreichen Veranstaltungen im Rahmen von "Leipzig liest". Diskutiert wird u.a. über die Bedeutung des Auslandsrundfunks im 21. Jahrhundert (13.3.), den Prager Frühling 1968 (15.3.) und den neuen osteuropäische Film (16.3.). Darüberhinaus finden mehrmals täglich Aktionen am Messestand der bpb statt.
Alle Neuerscheinungen zur Buchmesse und eine Veranstaltungsübersicht unter: Externer Link: www.bpb.de/messen
Das Publikationsverzeichnis kann kostenfrei bestellt werden unter: Externer Link: www.bpb.de/publikationen/9FFNFM Die bpb auf der Leipziger Buchmesse: Halle 3, Stand G 302.
Pressekontakt
Bundeszentrale für politische Bildung Daniel Kraft Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99 515-200 Fax +49 (0)228 99 515-293 E-Mail Link: presse@bpb.de Externer Link: www.bpb.de/presse | Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2011-12-23T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/50439/neues-publikationsverzeichnis-der-bundeszentrale-fuer-politische-bildung-zur-leipziger-buchmesse/ | Aus insgesamt 360 Publikationen - davon 40 Neuerscheinungen - kann der interessierte Bürger wählen. 56 Jahre nach ihrer Gründung ist das Publikationsangebot der bpb somit umfangreicher als je zuvor. | [
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Sicherheit in der globalisierten Welt | bpb.de | Sicherheit – ein komplexes Konzept
Sicherheit ist ein menschliches Urbedürfnis. Dieses im Rahmen einer umfassenden Sicherheitspolitik für seine Bevölkerung zu gewährleisten, ist eine Grundfunktion des modernen Staates. Dass sich die Erfüllung dieser Aufgabe zunehmend schwieriger gestaltet, liegt bereits im Begriff der Sicherheit selbst begründet. Dieser beschreibt keinen fassbaren Gegenstand, sondern ein facettenreiches Konzept, welches individuell-persönliche wie auch kollektive Dimensionen, etwa auf der nationalen bzw. gesellschaftlichen Ebene, aufweist. Eine Definition von Sicherheit fällt daher schwer. Als Annäherung an dieses komplexe Konzept wird hier Sicherheit als ein Zustand aufgefasst, in welchem Individuen, Gesellschaften oder Staaten meinen, die wichtigsten Risiken und Bedrohungen so existenzieller Güter wie Leben, Gesundheit, Wohlstand, Lebensform oder politisch-kultureller Ordnung mit wirksamen Mitteln kontrollieren bzw. abwehren zu können. Sicherheit ist also kein statischer Zustand, sondern ein dynamischen Veränderungen unterworfenes Konstrukt, das fortwährend diskutiert und politisch überprüft werden muss. Dies beginnt bei der Frage nach den drängendsten Sicherheitsbedrohungen: Sind es Gesundheitsgefahren, wirtschaftliche Probleme, der transnationale Terrorismus, Russlands Aggression gegen die Ukraine, der Klimawandel oder vielleicht außer Kontrolle geratene Finanz- und Wirtschaftsstrukturen, welche die sozioökonomische Stabilität ganzer Gesellschaften in Frage stellen können? Jede Antwort beruht auf letztlich subjektiven Einschätzungen und Bewertungen, die je nach geografisch, politisch, sozial oder religiös-kulturell geprägter Sichtweise sehr unterschiedlich ausfallen können. Die kritische Auseinandersetzung mit Sicherheitsrisiken ist deshalb so grundlegend bedeutsam, weil die zur Abwehr einer Bedrohung eingesetzten (Macht-)Instrumente ihre Wirkungen auch auf ganz unterschiedlichen Feldern und Ebenen entfalten: Inwieweit dürfen – auf der innerstaatlichen Ebene – im Zuge der Terrorismusabwehr bürgerliche und Menschenrechte eingeschränkt werden, ohne dass die Prinzipien von Freiheit und Demokratie Schaden nehmen? Unter welchen Bedingungen und zu welchen Zielen ist ein – internationales – militärisches Vorgehen gegen Organisationen wie den "Islamischen Staat" in Syrien und im Irak vorstellbar, ohne damit den Krieg und die Gewalt in der Region noch weiter zu befeuern? Wie kann Russland Einhalt geboten werden, ohne die europäische Energiesicherheit vor größere Herausforderungen zu stellen? Sicherheitsfragen führen zumeist in Dilemma-Situationen, in denen es darauf ankommt, Risiken und zu schützende Güter abzuwägen, negative Nebenwirkungen möglichst zu minimieren und unter den beteiligten Akteuren einen größtmöglichen Konsens über das gemeinsame Vorgehen herzustellen. Eindeutige Antworten gibt es gerade in pluralistischen und demokratischen Gesellschaften nur äußerst selten. Globalisierung als Gestaltungsfaktor internationaler Sicherheit
Neben dieser konzeptionellen Problematik gestalten sich staatliche und internationale Sicherheitspolitik auch deshalb immer schwieriger, weil sich die Entstehung von Risiken und Bedrohungen wie auch deren Bewältigung unter grundlegend veränderten Rahmenbedingungen vollzieht. Bis zum Ende des Ost-West-Konflikts war die Staatenwelt durch gesicherte Grenzen und eine eingeschränkte bzw. kontrollierte Mobilität von Menschen und Gütern gekennzeichnet. So konnte sie noch die Vorstellung von getrennten Sphären der "inneren" und der "äußeren" Sicherheit aufrechterhalten. Im Inneren waren Verwaltung, Katastrophenschutz, Polizei und Justiz dafür zuständig, die allgemeinen Lebensrisiken der Bevölkerung abzusichern, nach außen hin waren dies vor allem Diplomatie und Militär, die etwa in Westeuropa eine Bedrohung durch militärische Angriffe seitens der Sowjetunion abwehren sollten. Globales Dorf
Diese klassische Unterscheidung hat unter den Vorzeichen der Globalisierung keinen Bestand mehr. In diesem weltumspannenden Prozess werden eine wachsende Zahl staatlicher und nicht staatlicher Akteure sowie politischer Handlungs- und Problemfelder immer enger miteinander vernetzt. Die Interaktionsbeziehungen zwischen den Akteuren beschleunigen sich rasant, und der räumliche Zusammenhang zwischen dem Eintritt eines Ereignisses und der Entfaltung seiner Wirkungen löst sich zunehmend auf. Dieser Globalisierungsprozess eröffnet Staaten und Gesellschaften ungeahnte Möglichkeiten: Schnellere Kommunikationskanäle und bessere Verkehrsverbindungen führen zu weltweit engeren Handelsbeziehungen und damit zumindest potenziell zu wachsendem Wohlstand, zu vermehrtem kulturellem Austausch und Verständigung. Der Zugang zu globalen Medien und frei verfügbare Informationen vergrößern den Einfluss der internationalen Zivilgesellschaft auf die politischen Prozesse, verbessern die öffentliche Kontrolle staatlichen Handelns und verhelfen kollektiven Gütern wie Menschenrechten, Umweltschutz oder sozialer Gerechtigkeit zu stärkerer globaler Aufmerksamkeit. Die Welt entwickelt sich zunehmend zu einem global village (so der kanadische Philosoph und Geisteswissenschaftler Herbert Marshall McLuhan 1968), dessen Einwohner immer enger aufeinander angewiesen sind. Neue Risiken und Bedrohungen
Allerdings ist dieses globale Dorf kein romantischer Ort. Wechselseitige Abhängigkeit (Interdependenz) bedeutet immer auch Verletzlichkeit, die für Freiheit und Wohlstand unentbehrlichen offenen Wege und Kanäle können auch von kriminellen oder terroristischen Vereinigungen genutzt werden. Zudem sind die Früchte des Globalisierungsprozesses ausgesprochen ungleich unter den Bewohnerinnen und Bewohnern des Weltdorfes verteilt. Die so entstandenen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten haben auch eine spürbare Fragmentierung des Internationalen Systems entlang kultureller, religiöser oder ideologischer Bruchlinien bewirkt. Anstelle einer alles überlagernden militärischen Bedrohung durch einen mächtigen Gegner sehen sich die Staaten heute zumeist mit einem ganzen Bündel direkter und indirekter Risiken konfrontiert, die sich zudem vielfach überlagern und zu immer komplizierteren Szenarien verknüpfen. Die Palette dieser Herausforderungen umfasst Kriege und zerfallende Staaten, den transnationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität, Migrations- und Fluchtbewegungen, die Ausbreitung von Krankheiten und nicht zuletzt Umwelt- und Klimaschäden. Hinzu kommt, dass Entwicklungen und Ereignisse in einem Teil der Welt immer rascher auch Staaten und Gesellschaften in vermeintlich weit entfernten Regionen betreffen. Krieg und Gewalt im Nahen und Mittleren Osten bringen nicht nur existenzielle Not und Vertreibung für die betroffenen Bevölkerungen, sondern ziehen auch zahlreiche Nachbarstaaten in Mitleidenschaft. Die fortbestehenden Entwicklungsdefizite in Teilen Afrikas führen in Verbindung mit der Unfähigkeit vieler Staaten, ihre Bevölkerungen vor den Übergriffen von Terrororganisationen oder Milizen zu schützen, zu Massenflucht und Wanderung in Richtung Europa. Die seit 2008 andauernde globale Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise zeigt, wie massiv und umfassend sich Fehlentwicklungen in einem Sektor dieses eng vernetzten globalen Systems auf praktisch alle anderen Handlungsfelder auswirken. Die immer schnelleren weltumspannenden Verkehrsverbindungen sorgen dafür, dass Infektionskrankheiten wie vor einigen Jahren die Lungenkrankheit SARS oder in jüngster Zeit das Ebola-Virus nicht auf einige lokale Herde begrenzt bleiben, sondern sich schnell auf andere Länder und Kontinente ausbreiten können. Neben der Gefahr regionaler oder gar weltweiter Krankheitsübertragung, sogenannten Pandemien, haben Infektionen mit hohem Verbreitungsgrad Auswirkungen in den Ursprungsländern und -regionen selbst. So werden etwa durch HIV/AIDS oder jüngst durch Ebola in Afrika gesellschaftliche und politische Strukturen zerstört und das wirtschaftliche und soziale Leben kommt zum Erliegen. Medien bringen Kriege und Katastrophen in Echtzeit ins Bewusstsein der globalen Öffentlichkeit und können so politischen Handlungsdruck in den Hauptstädten und in internationalen Organisationen wie NATO oder UNO auslösen. Es handelt sich um den sogenannten CNN-Effekt, einen Mechanismus, der seine Bezeichnung der Berichterstattung des gleichnamigen US-Nachrichtensenders aus dem kriegsgeschüttelten Somalia zu Beginn der 1990er-Jahre verdankt: Drastische und emotionale Bilder mobilisieren in vielen Staaten die öffentliche Meinung zugunsten internationaler Interventionen und Maßnahmen. Neben die professionellen Nachrichtensender sind längst auch Individuen und Gruppen getreten, die mit Smartphones und Digitalkameras Bilder und Augenzeugenberichte in kürzester Zeit verfügbar machen. Dies verspricht zwar zunächst Authentizität – da mit den modernen Kommunikationsmedien wie Facebook und Twitter jedoch jedermann zum Kriegsberichterstatter in eigener Sache werden kann, wird gerade angesichts der oft weitreichenden Konsequenzen solcher Informationen die Frage nach deren Herkunft und Zuverlässigkeit immer wichtiger. Erosion staatlicher Souveränität
Die Globalisierung hat auch entscheidenden Einfluss auf die internationale Politik. Dabei wird deutlich, dass die Spielräume einzelner, auch sehr mächtiger Staaten, die Chancen des Globalisierungsprozesses zu nutzen und seine Risiken zu reduzieren, immer enger werden. Dies drückt sich auch in einer fortschreitenden Erosion staatlicher Souveränität aus: Staaten und Regierungen können immer weniger die Folgen und Wirkungen kontrollieren, die äußere Entwicklungen in ihre Territorien hineintragen. Selbst innenpolitisches Handeln kann sich so nicht mehr ausschließlich auf das eigene Staatsgebiet konzentrieren, sondern muss grenzüberschreitende Erfordernisse im Blick behalten. Da das internationale System aber auch unter den Vorzeichen der Globalisierung bislang keine zentralen politischen Steuerungsmechanismen hervorgebracht hat, obliegt es weiterhin den Staaten, geeignete Strategien für die eigene Sicherheitsvorsorge zu entwickeln. Vor allem aber müssen sie international zusammenarbeiten, um eine globale Sicherheitsordnung zu schaffen und um einem zunehmend breiteren Spektrum schwieriger Problemfelder gerecht zu werden. Reaktionsmöglichkeiten
Die modernen Risiken sind komplex in ihren Ursachen, Entwicklungen und Wirkungen. Es bedarf daher komplexer Strukturen und Instrumentarien sowohl auf der einzelstaatlichen wie auf der internationalen Ebene, um Herausforderungen angemessen zu analysieren, ihre Ursachen zu bestimmen, Gefährdungspotenziale abzuschätzen und die geeigneten Mittel zu ihrer Bewältigung einzusetzen. Erweiterter Sicherheitsbegriff
Die vorrangige Verantwortung für die Sicherheitsvorsorge bleibt auch unter den Vorzeichen der Globalisierung bei den Staaten und Regierungen. Ihr langjährig vorherrschendes Verständnis nationaler Sicherheit als militärischer Bedrohungsabwehr wurde allerdings in den vergangenen zwei Jahrzehnten weitgehend durch einen "erweiterten Sicherheitsbegriff" ergänzt, der die oben aufgezeigte Vielzahl neuer Risiken erfasst. In Deutschland geschieht dies seit 2006 unter dem Schlagwort der "Vernetzten Sicherheit", in anderen Ländern unter dem des Whole of Government Approach. Gemeinsam ist ihnen das Anliegen, alle mit der öffentlichen Sicherheitsvorsorge befassten staatlichen (und teils auch zivilgesellschaftlichen) Einrichtungen sowie deren spezifische Instrumente und Fähigkeiten so miteinander zu verbinden, dass komplexe Risiken wirksam kontrolliert und bewältigt werden können – getreu dem Motto: Komplexe Probleme verlangen komplexe Antworten. Gemeinsam ist den meisten Staaten aber auch die Herausforderung, die je unterschiedlichen Rechtsvorschriften, vor allem aber auch die institutionellen Kulturen und die aus ihnen resultierenden Wahrnehmungen von Sicherheitsproblemen und den Mitteln zu deren Bewältigung zu harmonisieren. Geheimdienste arbeiten anders als die Polizei, das Militär anders als Zivilschutzagenturen. Hinzu kommen bürokratische Hindernisse, Zuständigkeitskonflikte, Kämpfe um Ressourcen und häufig auch das Fehlen einer Instanz, die dieses Zusammenspiel so unterschiedlicher Kräfte koordinieren soll. Bereits auf der nationalen Ebene fällt es schwer, ein schlüssiges Bild von Sicherheitsrisiken und den Erfordernissen zu ihrer Bewältigung zu entwerfen. Multilaterale Kooperation
Wenn die drängendsten Sicherheitsrisiken nicht nur grenzüberschreitender, sondern zunehmend globaler Natur sind, müssen die Staaten entsprechende Formen und Foren zur Zusammenarbeit finden. Unter dem Begriff "Multilateralismus" hat sich ein Handlungsmuster der internationalen Politik herausgebildet, nach welchem Staaten ihre nationalen Politiken auf der Grundlage gemeinsamer Regeln und Prinzipien wie Gewaltfreiheit oder Gleichberechtigung miteinander koordinieren. Dabei gehen sie auch von gemeinsamen Wertvorstellungen aus, etwa bei den Menschenrechten, im Umweltschutz oder bei sozioökonomischen Standards. Im Gegensatz zum Unilateralismus, nach welchem insbesondere die mächtigeren Staaten ihre partikularen Anliegen im Alleingang durchsetzen wollen, sind für multilaterale Ansätze die gemeinsamen Interessen der beteiligten Staaten entscheidend. Hinter diese müssen dann im Falle des Falles auch kurzfristige nationale Gewinnerwartungen zurücktreten. Ein funktionierender oder effektiver Multilateralismus beweist sich zudem darin, dass kollektive Maßnahmen und deren Ergebnisse zumindest von den meisten Beteiligten auch akzeptiert werden. Indem es willkürliches Handeln einzelner Staaten zulasten anderer reduziert, stellt ein multilaterales Vorgehen in einer von wechselseitigen Abhängigkeiten geprägten Welt eine wesentliche Quelle der Legitimation politischen Handelns dar. Dies ist gerade auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik entscheidend, in dem einseitig formulierte Sicherheitsinteressen immer wieder zu Kriegen und dramatischen Folgen auch für zunächst unbeteiligte Staaten und Gesellschaften führen. Wichtige Foren, in denen multilaterale Sicherheitspolitik gestaltet wird, sind internationale Organisationen. Diese basieren in der Regel auf einem völkerrechtlichen Vertragswerk mit bindenden Normen und formalisierten Verfahren der Entscheidungsfindung. Zudem verfügen sie oft über einen institutionellen Apparat, welcher der jeweiligen Organisation ein mehr oder minder hohes Maß an eigenen operativen Fähigkeiten im internationalen System verleiht. Die wichtigste dieser Organisationen auf der globalen Ebene bilden die Vereinten Nationen (UNO) mit ihrem Sicherheitsrat, der Friedensbedrohungen feststellen und sanktionieren kann. Zudem gibt es kaum ein internationales Problem, für das die UNO nicht Zuständigkeiten besäße und – zumindest in Ansätzen – auch Lösungswege aufzeigen könnte. Aber auch im Verteidigungsbündnis NATO, in der EU und in regionalen Staatenzusammenschlüssen wie der Afrikanischen Union (AU) oder der Gemeinschaft südostasiatischer Staaten (ASEAN) gibt es Mechanismen und Verfahren, um gemeinsame Risiken festzustellen und Strategien zu ihrer Bewältigung zu entwickeln. Allerdings sind internationale Organisationen immer wieder mit dem Problem konfrontiert, dass sich nicht alle Mitglieder an die vereinbarten Regeln halten und einzelne immer wieder versuchen, ihre Interessen auf Kosten der anderen durchzusetzen. Auch die verlässliche Mitwirkung an gemeinsamen Beschlüssen und Maßnahmen lässt oft zu wünschen übrig. Internationale Organisationen können die Mitgliedstaaten und deren Verantwortung für die internationale Sicherheit nicht ersetzen. Sie können aber helfen, einzelstaatliche Willkür zu reduzieren und nach kollektiven Lösungsansätzen zu suchen.
QuellentextWorum geht es beim Ringen um die neue Weltordnung?
Dass sich der Fokus der großen Mächte auf die Lenkung und Überwachung der Flüsse von Kapital, Information und anderen Gütern verschieben würde, diese Tendenz ist für das 21. Jahrhundert seit Längerem prognostiziert worden. Man hatte freilich damit gerechnet, dass sich die Verschiebung der weltpolitischen Gewichte weitgehend auf dem Feld der Wirtschaft abspielen und kriegerischen Auseinandersetzungen nur eine marginale Rolle zukommen würde. Das dürfte eine allzu optimistische Prognose gewesen sein. Der Krieg im Osten der Ukraine könnte stattdessen für eine Rückkehr des Krieges in das Ringen um die weltpolitische Ordnung sprechen; in ihm geht es noch einmal um die Verfügung über Territorien. […] Zurzeit setzen […] [die Europäer] darauf, dass der Gebrauch militärischer Macht durch den Einsatz wirtschaftlicher Macht blockiert werden könne. Das Problem ist freilich, dass diese beiden Machtsorten unterschiedlichen Zeitregimen unterliegen: Militärische Macht zeitigt kurzfristige Effekte, wirtschaftliche Macht entfaltet ihre Wirkung über längere Zeiträume. Militärische Macht verhindert eher, als dass sie gestaltet; wirtschaftliche Macht kann Entwicklungen gestalten, aber einen Gegenspieler nicht kurzfristig ausschalten. […] […] Die Messlatte […] [der] herkömmlichen Landimperien war das kontrollierte Territorium. Im Vergleich dazu ist das imperiale Projekt der USA auf die Kontrolle von Strömen angelegt: Strömen von Kapital und Informationen, Gütern und Dienstleistungen, Rohstoffen und Personen. Nicht um die Inbesitznahme eines strategisch wichtigen Stücks Boden geht es dabei, sondern um die Kontrolle und Steuerung eines Gesamtzusammenhangs. Globale Überwachungs- und Spähprogramme sowie Flugzeugträger und Kampfdrohnen sind dafür wichtiger als Panzer und Raketenwerfer. Insofern sind einige der Kriege und Konflikte, die uns zurzeit beschäftigen, auch Auseinandersetzungen um die Frage, welche Art von Ordnung im 21. Jahrhundert dominant sein wird: die Kontrolle von Territorien und die Verfügung über Grenzen oder die Kontrolle und Beeinflussung des Fluiden und sich permanent Verändernden. Mit der Alternative zwischen der Kontrolle des Festen und des Fluiden als Grundlage der Weltordnung ist auch die Reichweite der je geltend gemachten Werte und Normen verbunden: Wer sich auf Territorien beschränkt, kann seine Normansprüche räumlich begrenzen; wer aufs Fluide setzt, muss auf universellen Werten bestehen […]. […] Allerdings ringen […] [in den USA] beide geopolitischen Schulen noch miteinander um die Vorherrschaft, die der Territorien und die des Fluiden. […] In deren Logik sind Herausforderungen wie die durch Al-Kaida, Boko Haram in Teilen Afrikas sowie jetzt durch die IS-Milizen in Syrien und im Irak viel gefährlicher und folgenreicher als das aus dieser Sicht antiquierte Vorgehen Putins; Al-Kaida, der IS und ihresgleichen sind Konkurrenten um die Kontrolle des Fluiden: Sie sind für die USA gefährlich, weil sie analogen Denk- und Handlungsmodellen folgen. Fasst man die Entwicklung des Dschihadismus vom ersten Afghanistankrieg (dem der Mudschahedin gegen die Rote Armee) bis zu den jüngsten Kämpfen in Syrien und im Nordirak zusammen, so haben wir es mit einem neuen Typus der "internationalen Brigaden" zu tun, die sich mal hier, mal dort konzentrieren, Territorien erobern und zeitweilig kontrollieren, deren Existenz aber nicht an der Gebietskontrolle hängt, sondern die sich jederzeit ins Fluide auflösen können, um dann an anderer Stelle erneut feste Gestalt anzunehmen. Folgenreich verwundbar sind diese neuen Gewaltakteure für die USA nur dort, wo sie eine territoriale Gestalt angenommen, sich also verkörperlicht haben, denn nur dann lassen sie sich mit militärischen Mitteln attackieren. […] Ansonsten führen […] [die USA] einen permanenten Krieg gegen diese Organisationen mit Kampfdrohnen. Schon jetzt ist dies ein tendenziell global angelegter Krieg, der eher einer Polizeiaktion als dem klassischen Duell ähnelt. […] Das, was wir als Krieg bezeichnen, stellt sich inzwischen vielgestaltiger dar als noch vor Jahrzehnten. Die herkömmlichen Unterscheidungen zwischen Angriffs- und Verteidigungskrieg oder zwischen Staaten- und Bürgerkrieg haben ihre orientierende Kraft verloren. Sie sind analytisch nicht bedeutungslos, aber die Mehrzahl der Kriege, mit denen wir es heute zu tun haben, sind Hybride zwischen diesen Unterscheidungen oder sind Neuformatierungen der Gewalt, die sich diesen Begriffen entziehen. Über kurz oder lang wird das auch für das Kriegsvölkerrecht Folgen haben. Das Insistieren auf einer Rechtsordnung, die durch die Erfahrung der beiden Weltkriege geprägt ist, wird für die Regulation und Begrenzung der Gewalt in den neuen Weltordnungskonflikten nicht mehr genügen. Das Ringen um die neue Weltordnung ist darum auch ein Ringen um die Regeln, die dabei zu beachten und einzuhalten sind. […] Herfried Münkler, "Soldat ohne Staat", in: DIE ZEIT Nr. 39 vom 18. September 2014
QuellentextStresstest für die globale Sicherheitsarchitektur
[…] [W]as sind […] die "Spielregeln des 21. Jahrhunderts"? Sind sie […] klar definiert? Und haben sie sich so beträchtlich gegenüber früheren Zeiten verändert – oder haben wir es mit Kontinuitäten aus verschiedenen Epochen zu tun? Als der Kalte Krieg mit dem Fall der Mauer für beendet erklärt wurde, herrschte im Westen Siegestaumel. Francis Fukuyama diagnostizierte das "Ende der Geschichte" und den endgültigen Sieg der liberalen Demokratie. Tatsächlich waren die neunziger Jahre durch eine Welle der Demokratisierung hauptsächlich in den ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes gekennzeichnet. Die USA erlebten ihren unipolaren Moment als "Hyperpower" ohne wirkliche Konkurrenz, der sie zum Versuch verleitete, durch "regime change" auch eine Demokratisierung des Iraks und womöglich des gesamten Nahen und Mittleren Ostens und Afghanistans herbeizuführen. Noch die späteren Aufstände in vielen arabischen Ländern wurden zunächst als eine Art arabisches 1989 interpretiert, das die arabischen Diktaturen ähnlich den zentraleuropäischen Staaten auf den Weg der Demokratie bringen würde. Endlich, glaubte man, habe auch in der arabischen Welt der mühsame, aber letztlich unvermeidliche Aufbruch in eine Epoche der Demokratie und Entwicklung begonnen. Allerdings: Weder war, wie wir heute wissen, die Demokratisierung per regime change und Nation-Building im Irak und in Afghanistan sonderlich erfolgreich. Noch erwiesen sich die arabischen Aufstände als Beginn eines demokratischen Frühlings. […] Das vergangene Jahrzehnt ist gekennzeichnet durch den Aufstieg von Mächten, die dem westlichen liberalen System nichts abgewinnen können. Als wirtschaftlich erfolgreiche autoritäre Macht setzt China das Modell "Demokratie mit Marktwirtschaft" unter Druck, weil seine weniger komplexen Entscheidungsstrukturen schnellere und flexiblere Reaktionen erlauben, als dies in einer konsens-basierten westlichen Ordnung möglich ist. Wladimir Putin stellt sich sein Russland als Kernland einer "konservativen Revolution" vor, als ideologischen Gegenpol zu den westlichen Werten des Liberalismus, der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Integration auf der Grundlage freier Entscheidungen. Mit China, Russland und dem politischen Islam sind in den vergangenen Jahrzehnten drei ideologische Herausforderer herangewachsen, die das westliche Modell nicht nur nicht teilen, sondern unter Berufung auf eine eigene, glorreiche Geschichte unter Druck setzen. Ist Geschichte also wirklich nur etwas Vergangenes, heute nicht mehr Gültiges? "Für Amerikaner mag Geschichte oder Geografie nicht von allzu großer Bedeutung sein", schrieb Aaron Miller jüngst in Foreign Policy. Aber andere Nationen knüpften ihre politische Identität "an nationale Ehre und Würde, an Relikte einer längst vergessenen Welt. Man muss nur Iraner, Palästinenser, Ägypter, Israelis, Türken oder Russen fragen, ob sie unsere fortschrittliche Welt so wunderbar finden wie wir." Wie zur Antwort schrieb der russische Autor Viktor Jerofejew in der FAZ: "Wer sagt denn, dass wir in Russland uns um die Zeitrechnung scheren? Wir leben im 21. Jahrhundert und im 17. Jahrhundert gleichzeitig." Vielleicht ist das 21. Jahrhundert dem 19. Jahrhundert ähnlicher, als wir uns eingestehen. Niemand hätte noch im Sommer 1913 geglaubt, dass ein Krieg diese wirtschaftlich so dicht wie noch nie verknüpfte Welt "entknüpfen" und in eine Katastrophe stürzen könnte. Doch gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten waren eben kein Bollwerk gegen Nationalismus, kein Schutz vor einem unstillbaren Durst nach Heroismus, keine Absicherung gegen die Verstrickungen von Geschichte und Identitätspolitik. Nun verfügte das 19. Jahrhundert nicht über die supranationalen Institutionen des 20. und 21. Jahrhunderts. Aber können wir heute sicher sein, dass unsere Sicherheitsarchitektur trägt? Wir haben keine Antwort auf die Frage, wie wir mit Akteuren umzugehen haben, die die Verknüpfung der Globalisierung nutzen, aber sich nicht an Regeln halten, die weitgehend vom Westen aufgestellt wurden – oder die aus nationalistischen Motiven heraus sich mit Bedacht "entknüpfen". Es ist nicht ausgemacht, ob es nicht allein der Westen ist, der im 21. Jahrhundert lebt. Shimon Stein und Sylke Tempel, "Helden brauchen keine Regeln", in: DIE ZEIT Nr. 24 vom 5. Juni 2014
Fazit
Internationale Sicherheit bleibt ein schwieriges Politikfeld, das hohe Anforderungen an alle beteiligten staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteure stellt. Nationale Egoismen und Interessen sind weiterhin dominante Orientierungsmarken für die Politik von Staaten, sie sind aber den Erfordernissen einer globalisierten Welt immer weniger angemessen. Das globale Dorf, das trotz seiner vielen Unterschiede stetig enger zusammenwächst, kann den Bedrohungen seiner Sicherheit letztlich nur gemeinsam entgegentreten.
Dass sich der Fokus der großen Mächte auf die Lenkung und Überwachung der Flüsse von Kapital, Information und anderen Gütern verschieben würde, diese Tendenz ist für das 21. Jahrhundert seit Längerem prognostiziert worden. Man hatte freilich damit gerechnet, dass sich die Verschiebung der weltpolitischen Gewichte weitgehend auf dem Feld der Wirtschaft abspielen und kriegerischen Auseinandersetzungen nur eine marginale Rolle zukommen würde. Das dürfte eine allzu optimistische Prognose gewesen sein. Der Krieg im Osten der Ukraine könnte stattdessen für eine Rückkehr des Krieges in das Ringen um die weltpolitische Ordnung sprechen; in ihm geht es noch einmal um die Verfügung über Territorien. […] Zurzeit setzen […] [die Europäer] darauf, dass der Gebrauch militärischer Macht durch den Einsatz wirtschaftlicher Macht blockiert werden könne. Das Problem ist freilich, dass diese beiden Machtsorten unterschiedlichen Zeitregimen unterliegen: Militärische Macht zeitigt kurzfristige Effekte, wirtschaftliche Macht entfaltet ihre Wirkung über längere Zeiträume. Militärische Macht verhindert eher, als dass sie gestaltet; wirtschaftliche Macht kann Entwicklungen gestalten, aber einen Gegenspieler nicht kurzfristig ausschalten. […] […] Die Messlatte […] [der] herkömmlichen Landimperien war das kontrollierte Territorium. Im Vergleich dazu ist das imperiale Projekt der USA auf die Kontrolle von Strömen angelegt: Strömen von Kapital und Informationen, Gütern und Dienstleistungen, Rohstoffen und Personen. Nicht um die Inbesitznahme eines strategisch wichtigen Stücks Boden geht es dabei, sondern um die Kontrolle und Steuerung eines Gesamtzusammenhangs. Globale Überwachungs- und Spähprogramme sowie Flugzeugträger und Kampfdrohnen sind dafür wichtiger als Panzer und Raketenwerfer. Insofern sind einige der Kriege und Konflikte, die uns zurzeit beschäftigen, auch Auseinandersetzungen um die Frage, welche Art von Ordnung im 21. Jahrhundert dominant sein wird: die Kontrolle von Territorien und die Verfügung über Grenzen oder die Kontrolle und Beeinflussung des Fluiden und sich permanent Verändernden. Mit der Alternative zwischen der Kontrolle des Festen und des Fluiden als Grundlage der Weltordnung ist auch die Reichweite der je geltend gemachten Werte und Normen verbunden: Wer sich auf Territorien beschränkt, kann seine Normansprüche räumlich begrenzen; wer aufs Fluide setzt, muss auf universellen Werten bestehen […]. […] Allerdings ringen […] [in den USA] beide geopolitischen Schulen noch miteinander um die Vorherrschaft, die der Territorien und die des Fluiden. […] In deren Logik sind Herausforderungen wie die durch Al-Kaida, Boko Haram in Teilen Afrikas sowie jetzt durch die IS-Milizen in Syrien und im Irak viel gefährlicher und folgenreicher als das aus dieser Sicht antiquierte Vorgehen Putins; Al-Kaida, der IS und ihresgleichen sind Konkurrenten um die Kontrolle des Fluiden: Sie sind für die USA gefährlich, weil sie analogen Denk- und Handlungsmodellen folgen. Fasst man die Entwicklung des Dschihadismus vom ersten Afghanistankrieg (dem der Mudschahedin gegen die Rote Armee) bis zu den jüngsten Kämpfen in Syrien und im Nordirak zusammen, so haben wir es mit einem neuen Typus der "internationalen Brigaden" zu tun, die sich mal hier, mal dort konzentrieren, Territorien erobern und zeitweilig kontrollieren, deren Existenz aber nicht an der Gebietskontrolle hängt, sondern die sich jederzeit ins Fluide auflösen können, um dann an anderer Stelle erneut feste Gestalt anzunehmen. Folgenreich verwundbar sind diese neuen Gewaltakteure für die USA nur dort, wo sie eine territoriale Gestalt angenommen, sich also verkörperlicht haben, denn nur dann lassen sie sich mit militärischen Mitteln attackieren. […] Ansonsten führen […] [die USA] einen permanenten Krieg gegen diese Organisationen mit Kampfdrohnen. Schon jetzt ist dies ein tendenziell global angelegter Krieg, der eher einer Polizeiaktion als dem klassischen Duell ähnelt. […] Das, was wir als Krieg bezeichnen, stellt sich inzwischen vielgestaltiger dar als noch vor Jahrzehnten. Die herkömmlichen Unterscheidungen zwischen Angriffs- und Verteidigungskrieg oder zwischen Staaten- und Bürgerkrieg haben ihre orientierende Kraft verloren. Sie sind analytisch nicht bedeutungslos, aber die Mehrzahl der Kriege, mit denen wir es heute zu tun haben, sind Hybride zwischen diesen Unterscheidungen oder sind Neuformatierungen der Gewalt, die sich diesen Begriffen entziehen. Über kurz oder lang wird das auch für das Kriegsvölkerrecht Folgen haben. Das Insistieren auf einer Rechtsordnung, die durch die Erfahrung der beiden Weltkriege geprägt ist, wird für die Regulation und Begrenzung der Gewalt in den neuen Weltordnungskonflikten nicht mehr genügen. Das Ringen um die neue Weltordnung ist darum auch ein Ringen um die Regeln, die dabei zu beachten und einzuhalten sind. […] Herfried Münkler, "Soldat ohne Staat", in: DIE ZEIT Nr. 39 vom 18. September 2014
[…] [W]as sind […] die "Spielregeln des 21. Jahrhunderts"? Sind sie […] klar definiert? Und haben sie sich so beträchtlich gegenüber früheren Zeiten verändert – oder haben wir es mit Kontinuitäten aus verschiedenen Epochen zu tun? Als der Kalte Krieg mit dem Fall der Mauer für beendet erklärt wurde, herrschte im Westen Siegestaumel. Francis Fukuyama diagnostizierte das "Ende der Geschichte" und den endgültigen Sieg der liberalen Demokratie. Tatsächlich waren die neunziger Jahre durch eine Welle der Demokratisierung hauptsächlich in den ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes gekennzeichnet. Die USA erlebten ihren unipolaren Moment als "Hyperpower" ohne wirkliche Konkurrenz, der sie zum Versuch verleitete, durch "regime change" auch eine Demokratisierung des Iraks und womöglich des gesamten Nahen und Mittleren Ostens und Afghanistans herbeizuführen. Noch die späteren Aufstände in vielen arabischen Ländern wurden zunächst als eine Art arabisches 1989 interpretiert, das die arabischen Diktaturen ähnlich den zentraleuropäischen Staaten auf den Weg der Demokratie bringen würde. Endlich, glaubte man, habe auch in der arabischen Welt der mühsame, aber letztlich unvermeidliche Aufbruch in eine Epoche der Demokratie und Entwicklung begonnen. Allerdings: Weder war, wie wir heute wissen, die Demokratisierung per regime change und Nation-Building im Irak und in Afghanistan sonderlich erfolgreich. Noch erwiesen sich die arabischen Aufstände als Beginn eines demokratischen Frühlings. […] Das vergangene Jahrzehnt ist gekennzeichnet durch den Aufstieg von Mächten, die dem westlichen liberalen System nichts abgewinnen können. Als wirtschaftlich erfolgreiche autoritäre Macht setzt China das Modell "Demokratie mit Marktwirtschaft" unter Druck, weil seine weniger komplexen Entscheidungsstrukturen schnellere und flexiblere Reaktionen erlauben, als dies in einer konsens-basierten westlichen Ordnung möglich ist. Wladimir Putin stellt sich sein Russland als Kernland einer "konservativen Revolution" vor, als ideologischen Gegenpol zu den westlichen Werten des Liberalismus, der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Integration auf der Grundlage freier Entscheidungen. Mit China, Russland und dem politischen Islam sind in den vergangenen Jahrzehnten drei ideologische Herausforderer herangewachsen, die das westliche Modell nicht nur nicht teilen, sondern unter Berufung auf eine eigene, glorreiche Geschichte unter Druck setzen. Ist Geschichte also wirklich nur etwas Vergangenes, heute nicht mehr Gültiges? "Für Amerikaner mag Geschichte oder Geografie nicht von allzu großer Bedeutung sein", schrieb Aaron Miller jüngst in Foreign Policy. Aber andere Nationen knüpften ihre politische Identität "an nationale Ehre und Würde, an Relikte einer längst vergessenen Welt. Man muss nur Iraner, Palästinenser, Ägypter, Israelis, Türken oder Russen fragen, ob sie unsere fortschrittliche Welt so wunderbar finden wie wir." Wie zur Antwort schrieb der russische Autor Viktor Jerofejew in der FAZ: "Wer sagt denn, dass wir in Russland uns um die Zeitrechnung scheren? Wir leben im 21. Jahrhundert und im 17. Jahrhundert gleichzeitig." Vielleicht ist das 21. Jahrhundert dem 19. Jahrhundert ähnlicher, als wir uns eingestehen. Niemand hätte noch im Sommer 1913 geglaubt, dass ein Krieg diese wirtschaftlich so dicht wie noch nie verknüpfte Welt "entknüpfen" und in eine Katastrophe stürzen könnte. Doch gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten waren eben kein Bollwerk gegen Nationalismus, kein Schutz vor einem unstillbaren Durst nach Heroismus, keine Absicherung gegen die Verstrickungen von Geschichte und Identitätspolitik. Nun verfügte das 19. Jahrhundert nicht über die supranationalen Institutionen des 20. und 21. Jahrhunderts. Aber können wir heute sicher sein, dass unsere Sicherheitsarchitektur trägt? Wir haben keine Antwort auf die Frage, wie wir mit Akteuren umzugehen haben, die die Verknüpfung der Globalisierung nutzen, aber sich nicht an Regeln halten, die weitgehend vom Westen aufgestellt wurden – oder die aus nationalistischen Motiven heraus sich mit Bedacht "entknüpfen". Es ist nicht ausgemacht, ob es nicht allein der Westen ist, der im 21. Jahrhundert lebt. Shimon Stein und Sylke Tempel, "Helden brauchen keine Regeln", in: DIE ZEIT Nr. 24 vom 5. Juni 2014
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2021-06-23T00:00:00 | 2015-07-15T00:00:00 | 2021-06-23T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/209654/sicherheit-in-der-globalisierten-welt/ | Die Kriege und Krisen von Syrien über den Irak bis in die Ukraine zeigen ebenso wie das allgegenwärtige Flüchtlingselend im Mittelmeerraum und die Ebola-Epidemie in Westafrika, dass es in der globalisierten Welt keine Stabilitätsoasen mehr gibt. Inte | [
"Sicherheitspolitik",
"globalisiert",
"Internationale Sicherheit",
"globale Gefährdungen",
"Staatliche Souveränität",
"Sicherheitsbegriff",
"Weltordnung",
"weltweit"
] | 196 |
Ereignis Reformation | bpb.de | Luther verwarf die Ansicht, man könne vor Gott bestehen, wenn man beichte, Interner Link: Ablass zahle und gute Werke tue. Nach seiner Erkenntnis brachte nur die unmittelbare Beziehung jedes Gläubigen zu seinem Schöpfer Erlösung von der Verdammnis. Auf dieser Grundlage formulierte Luther seine Sola-Theologie: solus Christus / allein Christus; sola fide / allein durch Glaube; sola gratia / allein durch Gnade; sola scriptura / allein durch die Schrift (d. h. durch die Bibel).
QuellentextWas ist ein Ablass?
[…] Zum Verständnis der Attraktivität des Ablasses hilft ein Blick auf die Lebensumstände im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Das Leben der Menschen war geprägt durch Leiderfahrungen: Einseitige Mangelernährung, wiederholte Hungersnöte, Enge, Armut, Krankheiten, Schmerzen, Kindstod und harte, kräftezehrende körperliche Arbeit machten das Dasein zu einer Tortur, die durch den omnipräsenten Tod begleitet wurde. Wenn das Dasein von Not und Tod geprägt ist, ist es logisch, dass das Diesseits lediglich als Phase vor dem Tod galt, die der Mensch durchleiden musste. Fixpunkt des Denkens war das himmlische Jenseits, das Hoffnung und damit Halt bot. […]
In dieses erlösende Jenseits konnte der Mensch nach vorreformatorischer Überzeugung jedoch nicht durch eigene Kraft gelangen. Gefangen in der eigenen, unabwendbaren Sündhaftigkeit, bedurfte er der Hilfe der katholischen Kirche. Sie […] verstand sich als eine zwischen Gott und Mensch vermittelnde Instanz. Nur die katholische Kirche konnte, so ihr damaliges, heute nicht mehr derart exklusives Selbstverständnis, die Sünden der Gläubigen in Gottes Namen vergeben und ihnen damit den Zugang ins Paradies ermöglichen – oder sie auch unvergeben lassen, was in die Hölle führte. Der Ablass hing mit dieser eminent wichtigen Frage des Seelenheils eng zusammen. Das Ablasssystem beruht auf dem Selbstverständnis der katholischen Kirche. Als Stellvertreter Christi den reuigen Gläubigen nach der Beichte Gnade gewährend, erlegte sie den von der Sünde Freigesprochenen Bußleistungen auf, die zur Tilgung der Schuld zu absolvieren waren. Konnten diese zu Lebzeiten nicht mehr vollbracht werden, verblieben die Gläubigen die Zeit bis zur vollständigen Sündentilgung im zwar reinigenden, aber qualvollen Fegefeuer […]. Das Fegefeuer setzte also die Vergebung der Sünden voraus. In einem mittelalterlichen Bußbuch heißt es: "Wenn ein Heranwachsender mit seiner Schwester schläft, soll er fünf Jahre lang büßen" – starb er jedoch bereits nach zwei Jahren, hatte er die übrige Buße im Fegefeuer abzuleisten. Allein von diesen Bußleistungen konnte der Ablass befreien […].
Zur Zeit Luthers hatte der Papst einen Ablass für den Neubau des Petersdoms ausgeschrieben, was zunächst nicht ungewöhnlich war. In Luthers Umgebung war der bei den Fuggern hochverschuldete Albrecht von Brandenburg für den Ablass zuständig, dem die Kurie die Einbehaltung von 50 % der Ablasseinnahmen gewährt hatte. […] Angesichts dieser finanziellen Interessen ging im Bistum Halberstadt der Ablassprediger Johann Tetzel, den Instruktionen seines Bischofs gemäß, derart aggressiv vor, dass im Bewusstsein der Gläubigen die eigentliche theologische Intention des Ablasses verloren ging. Man konnte nicht nur, so predigte Tetzel, für bereits Verstorbene einen Ablass erwerben. Wie Luther bei einigen seiner Beichtkinder feststellte, hatten Tetzels Predigten und Flugblätter die Gläubigen zudem zu der Annahme verleitet, dass die von ihm erworbenen Ablassbriefe den Sünder auch ohne Beichte freisprechen würden […]. Dies widersprach jedoch der eigentlichen katholischen Lehre.
Gegen diese Ablasspraxis zog Luther zu Felde, indem er seine 95 Thesen verfasste und an ausgewählte Personen verschickte […].
Thomas Diehl, "Der Ablass oder: die Frage, was die Kirche mit dem Himmel zu tun hat", in: Geschichte lernen 173: Wunder wirken © 2016 Friedrich Verlag GmbH, Seelze, S. 18 f.
Wenn aber der Gläubige keinen Vermittler zu seinem Schöpfer benötigt, braucht es kein besonderes geistliches Amt, es erübrigen sich eine kirchliche Hierarchie, Interner Link: Konzilien und das Amt des Papstes. Die reformatorische Bewegung (1517–1555) war somit zwar rein theologisch begründet, aber zugleich institutionenkritisch. Diese Infragestellung der römischen Kirche war im 16. Jahrhundert hochpolitisch, hatte die Kirche doch als geistliche Macht zugleich erheblichen weltlichen Einfluss. Obgleich Luther gerade diese Verzahnung von Religion und Politik kritisierte, bestärkte seine Theologie dennoch viele Zeitgenossen in ihren politischen Reformanliegen. Zunächst im Alten Reich (Deutschland im 16. Jh.), später auch in ganz Europa nutzten sie Luthers Theologie, um ihre weltlichen Forderungen zu legitimieren.
Die hochadligen Reichsstände verlangten von Karl V. (1500–1558, seit 1519 Kaiser) eine Reichsreform: Während der Kaiser die Konzentration monarchischer Gewalt im kaiserlichen Amt anstrebte, beharrten die Reichsstände auf ihren politischen Teilhaberechten und setzten seinem Machtanspruch aristokratische Ordnungsvorstellungen (Herrschaft der Besten) entgegen. Dieser Gegensatz wurde bereits im ausgehenden Mittelalter heftig diskutiert. Auch wohlhabende Handels- und Handwerkerfamilien in den großen Reichs- und Hansestädten des Alten Reichs verlangten seit Beginn des 16. Jahrhunderts mehr Teilhabe an den politischen Entscheidungen in ihren Stadtgemeinden. Dort lag die Entscheidungsgewalt zumeist in der Hand weniger Ratsfamilien, die als Oligarchien charakterisiert werden können. Die Frage, wie stark wirtschaftlicher Erfolg auch zu politischer Teilhabe berechtigen sollte, mündete in stadtintern häufig kontrovers geführte Debatten über die Verwirklichung des städtischen Gemeindebegriffs. Danach verstand sich die städtische Gemeinde als Genossenschaft, als corpus christianum im Kleinen (so der Kirchenhistoriker Bernd Moeller). Dieser Begriff von der Gemeinde als theologische und politische Einheit spielte für das frühneuzeitliche Selbstverständnis der protestantischen Kirchen nach der Reformation eine entscheidende Rolle – vor allem auch im Unterschied zur hierarchisch bleibenden katholischen Kirche. Die bäuerliche Bevölkerung beteiligte sich ebenfalls an den sozialpolitischen Kontroversen. Seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert hatte sich im Alten Reich und in Europa ein wirtschaftlicher Strukturwandel vollzogen. Kennzeichen des Wandels war die Verlagerung der Handelsrouten innerhalb Europas und damit der Beginn der europäischen Arbeitsteilung in einen agrarischen Osten und einen Fertigprodukte bzw. Luxusgüter produzierenden Westen. Infolgedessen sollten die Bauern auf Verlangen der adligen und kirchlichen Grundherren intensivere Erträge erwirtschaften. Im Osten mündete dies in eine zweite Leibeigenschaft, im Westen sahen sich die bäuerlichen Gemeinden einem erhöhten Abgabendruck durch den Adel ausgesetzt. Die Bauern wollten diese Veränderungen der Eigentums- und Agrarstrukturen nicht akzeptieren. Vor allem die wohlhabenderen Bauern protestierten. Sie forderten die Wiederherstellung ihres "guten alten Rechts", die Rückkehr zu den mittelalterlichen Rechtsnormen, die ihnen bestimmte Anteile an der Allmende (Waldnutzung, Viehweiderechte, Jagdrechte, weniger Abgaben) zugestanden hatten. Dabei beriefen sie sich auf das "biblische Recht" des Neuen und Alten Testaments. Auf diese kontroversen Debatten wirkte Luthers Sola-Theologie beschleunigend und motivierend. Seine Forderung nach Rückkehr zu den ursprünglichen Ordnungsformen des Urchristentums und seine Kritik an den hierarchischen Strukturen der katholischen Kirche boten eine theologische Legitimation für die Forderung nach Reformen "in der Welt". Dies war der Versuch einer Integration der theologischen Reformforderungen, keine bloße Funktionalisierung. Zumindest in den ersten Jahren der Reformation verstärkten sich reformatorischer Aufbruch und politischer Reformwille wechselseitig und bewirkten gemeinsam Veränderungen. Die zeitgenössische Wirkung der reformatorischen Theologie blieb nicht auf das Alte Reich beschränkt, denn auch in anderen Teilen Europas gab es vergleichbare Strukturprobleme. Das gilt für die schweizerische Eidgenossenschaft ebenso wie für Frankreich, Polen-Litauen, die nördlichen Niederlande, die Anrainerregionen der Ost- und Nordsee sowie für England, Schottland und Irland. Zugleich erleichterte die technische Erfindung des Buchdrucks die Verbreitung der Lutherschriften und der zahllosen Flugschriften und Predigten, die die Reformation im Alten Reich zwischen 1517 und 1520 vorantrieben. In Südeuropa (Italien, Spanien und Portugal) stieß die reformatorische Theologie dagegen auf nur sehr geringe Resonanz. Denn in Spanien und Portugal gab es zu diesem Zeitpunkt im Vergleich zum Alten Reich ein weniger entwickeltes Bürgertum mit ausgeprägtem politischem Selbstbewusstsein. Ebenso wenig gab es dort ein rechtlich freies Bauerntum, das seine Rechte einforderte, die bäuerliche Bevölkerung lebte weiterhin in Abhängigkeit zum Adel. In Italien wiederum war die Rolle der katholischen Kirche als politische Macht zu stark.
[…] Zum Verständnis der Attraktivität des Ablasses hilft ein Blick auf die Lebensumstände im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Das Leben der Menschen war geprägt durch Leiderfahrungen: Einseitige Mangelernährung, wiederholte Hungersnöte, Enge, Armut, Krankheiten, Schmerzen, Kindstod und harte, kräftezehrende körperliche Arbeit machten das Dasein zu einer Tortur, die durch den omnipräsenten Tod begleitet wurde. Wenn das Dasein von Not und Tod geprägt ist, ist es logisch, dass das Diesseits lediglich als Phase vor dem Tod galt, die der Mensch durchleiden musste. Fixpunkt des Denkens war das himmlische Jenseits, das Hoffnung und damit Halt bot. […]
In dieses erlösende Jenseits konnte der Mensch nach vorreformatorischer Überzeugung jedoch nicht durch eigene Kraft gelangen. Gefangen in der eigenen, unabwendbaren Sündhaftigkeit, bedurfte er der Hilfe der katholischen Kirche. Sie […] verstand sich als eine zwischen Gott und Mensch vermittelnde Instanz. Nur die katholische Kirche konnte, so ihr damaliges, heute nicht mehr derart exklusives Selbstverständnis, die Sünden der Gläubigen in Gottes Namen vergeben und ihnen damit den Zugang ins Paradies ermöglichen – oder sie auch unvergeben lassen, was in die Hölle führte. Der Ablass hing mit dieser eminent wichtigen Frage des Seelenheils eng zusammen. Das Ablasssystem beruht auf dem Selbstverständnis der katholischen Kirche. Als Stellvertreter Christi den reuigen Gläubigen nach der Beichte Gnade gewährend, erlegte sie den von der Sünde Freigesprochenen Bußleistungen auf, die zur Tilgung der Schuld zu absolvieren waren. Konnten diese zu Lebzeiten nicht mehr vollbracht werden, verblieben die Gläubigen die Zeit bis zur vollständigen Sündentilgung im zwar reinigenden, aber qualvollen Fegefeuer […]. Das Fegefeuer setzte also die Vergebung der Sünden voraus. In einem mittelalterlichen Bußbuch heißt es: "Wenn ein Heranwachsender mit seiner Schwester schläft, soll er fünf Jahre lang büßen" – starb er jedoch bereits nach zwei Jahren, hatte er die übrige Buße im Fegefeuer abzuleisten. Allein von diesen Bußleistungen konnte der Ablass befreien […].
Zur Zeit Luthers hatte der Papst einen Ablass für den Neubau des Petersdoms ausgeschrieben, was zunächst nicht ungewöhnlich war. In Luthers Umgebung war der bei den Fuggern hochverschuldete Albrecht von Brandenburg für den Ablass zuständig, dem die Kurie die Einbehaltung von 50 % der Ablasseinnahmen gewährt hatte. […] Angesichts dieser finanziellen Interessen ging im Bistum Halberstadt der Ablassprediger Johann Tetzel, den Instruktionen seines Bischofs gemäß, derart aggressiv vor, dass im Bewusstsein der Gläubigen die eigentliche theologische Intention des Ablasses verloren ging. Man konnte nicht nur, so predigte Tetzel, für bereits Verstorbene einen Ablass erwerben. Wie Luther bei einigen seiner Beichtkinder feststellte, hatten Tetzels Predigten und Flugblätter die Gläubigen zudem zu der Annahme verleitet, dass die von ihm erworbenen Ablassbriefe den Sünder auch ohne Beichte freisprechen würden […]. Dies widersprach jedoch der eigentlichen katholischen Lehre.
Gegen diese Ablasspraxis zog Luther zu Felde, indem er seine 95 Thesen verfasste und an ausgewählte Personen verschickte […].
Thomas Diehl, "Der Ablass oder: die Frage, was die Kirche mit dem Himmel zu tun hat", in: Geschichte lernen 173: Wunder wirken © 2016 Friedrich Verlag GmbH, Seelze, S. 18 f.
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-02-04T00:00:00 | 2017-08-11T00:00:00 | 2022-02-04T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/info-aktuell/254210/ereignis-reformation/ | Am Anfang war Luthers Glaubenszweifel: Wie erlange ich die Gnade Gottes? Damit stellte der Wittenberger Theologieprofessor die Lehre der Werkgerechtigkeit in Frage, wie sie die römische Kirche des 15./16. Jahrhunderts predigte. | [
"Reformation",
"Luther"
] | 197 |
In rauen Gewässern | USA | bpb.de | Die Corona-Pandemie, die seit dem Winter 2019/20 den Erdball überzieht, hat die bestehenden geoökonomischen Rivalitäten zwischen den USA und China nochmals verstärkt. Durch die Auswirkungen der Seuche ist auch Chinas Kommunistische Partei in Gefahr geraten – weshalb sie im Innern die Debatte über das Virus unterdrückte und mit einer aggressiven Außenpolitik davon ablenkte. Ebenso benötigte der damalige US-Präsident Donald Trump einen äußeren Feind, um zu Hause die Reihen zu schließen: Indem er mit scharfer Rhetorik China für die Ausbreitung des Virus verantwortlich machte, versuchte er vom eigenen Versagen abzulenken und seine Wiederwahl zu retten. So sprach er vom "China-Virus", dessen Ursprung er medienwirksam in chinesischen Labors vermutete, und von einem "Angriff", der schlimmer als Japans Überfall auf Pearl Harbor oder die Terrorattacken vom 11. September 2001 sei. Eine kritische Haltung gegenüber China nahm indes auch sein demokratischer Herausforderer Joe Biden ein: Wie Trump machte er China zu einem zentralen Wahlkampfthema, und beide Kandidaten versuchten, sich mit ihrer China-Kritik gegenseitig zu überbieten.
Auch nach der Wahl Bidens zum US-Präsidenten sollten deutsche und europäische Entscheidungsträger also mit einem härteren Vorgehen der USA gegenüber China rechnen, was auch Europas Wirtschaft und Außenpolitik beeinträchtigen wird. Mittlerweile artikulieren die politischen Verantwortlichen sowohl der Republikaner als auch der Demokraten mit immer schärferen Worten die merklich negativer gewordenen Haltungen ihrer Wählerinnen und Wähler gegenüber China.
Entkopplung statt Einbindung
In Washington gibt es einen parteiübergreifenden Konsens darüber, dass dem strategischen Rivalen China künftig auch nicht mehr durch wirtschaftlichen Austausch geholfen werden darf, ökonomisch und technologisch aufzusteigen. Vielmehr soll mit allen Mitteln verhindert werden, dass China die USA in den technologischen Schlüsselbereichen überholt. Chinas technologische Fähigkeiten verbreiten in Washington heute einen ähnlichen Schrecken wie im Herbst 1957 der Start des sowjetischen Satelliten "Sputnik 1". Um Chinas ökonomische und militärische Modernisierung zu drosseln, forcieren die Vereinigten Staaten anstelle der früheren Politik der Einbindung und Integration insbesondere seit der Amtszeit Trumps eine Strategie der wirtschaftlichen "Entkopplung" (decoupling).
In dem immer dominanter werdenden geoökonomischen Denken der Weltmächte sind wirtschaftliche Verflechtung und weltweite Arbeitsteilung nicht mehr notwendigerweise Garanten für Wohlstand und Frieden. Stattdessen werden sie zum Risiko, da Ungleichgewichte in der gegenseitigen Abhängigkeit ausgenutzt werden können. Wertschöpfungsketten und Handelsbeziehungen sind weaponizeable geworden: Das heißt, sie werden zum Objekt geostrategischer Ambitionen und können wie Waffen genutzt werden. Insbesondere international agierende deutsche Unternehmen sind in das Fadenkreuz geoökonomischer Strategien der Großmächte USA und China geraten. Denn Deutschland ist eine der international verflochtensten und somit am meisten verwundbaren Volkswirtschaften der Welt.
Steigende chinesisch-amerikanische Spannungen werden nicht nur spaltende Wirkung auf multilaterale Organisationen und regionale Handelsvereinbarungen, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf "Dual-Options"-Länder wie Deutschland haben, die starke nationale Sicherheitsbeziehungen zu den USA unterhalten, aber ebenso umfangreiche wirtschaftliche Beziehungen mit den USA und China pflegen. Die Kosten dieser Doppelstrategie werden in Zukunft steigen, wie dies bereits im Technologiesektor sichtbar wird.
Der transatlantische Streit um die 5G-Mobilfunktechnologie des chinesischen Anbieters Huawei ist nur die Spitze des Eisbergs grundlegender Rivalitäten im technologischen Bereich. Big Data und die Fähigkeit, große Datenmengen mit künstlicher Intelligenz (KI) für wirtschaftliche Entwicklung sowie politische und militärische Macht nutzbar zu machen, sind die eigentlichen Game-Changer: Denn sie werden den Ausschlag darüber geben, wer im künftigen wirtschaftlichen und militärischen Wettbewerb führen und dann auch die Spielregeln, die Welt(wirtschafts)ordnung, in seinem Interesse bestimmen wird. Beim Konfliktthema 5G/Huawei werden die USA demzufolge gegenüber ihren Verbündeten unnachgiebig bleiben.
Im Kampf um technopolitische Einflusssphären, in denen die künftige wirtschaftliche und militärische Vorherrschaft auf dem Spiel steht, wird Washington den Druck auf Drittländer wie Deutschland und deren Unternehmen erhöhen und sie vor die Wahl stellen, entweder Geschäfte mit China oder den USA preiszugeben. Eine in chinesische und amerikanische Standards und Systeme zweigeteilte Welt ist die Folge.
In dieser verschärften geoökonomischen Rivalität sind Deutschland und Europa in die Zwickmühle geraten, denn China ist ebenso im Begriff, die gegenseitigen Abhängigkeiten und Verflechtungen mit den USA zu minimieren, indem es seine Währungsreserven aus der sogenannten Dollar-Falle nimmt, seine Absatzmärkte diversifiziert, geopolitisch Raum greift und neue Abhängigkeiten schafft – nicht zuletzt auch in Europa.
Chinas raumgreifende Aktivitäten
Während die Vereinigten Staaten unter Trump damit beschäftigt waren, sich ökonomisch in das nationalistische Schneckenhaus zurückzuziehen und eigene Alliierte zu verprellen, zeigte sich China äußerst aktiv, was diplomatische Initiativen und wirtschaftliche Investitionen angeht, um den Welthandel zu seinen Bedingungen neu zu ordnen. Die umfassende sogenannte Seidenstraßeninitiative ("One Belt, One Road") ist dafür nur das bekannteste Beispiel.
Mittlerweile ist es China sogar gelungen, seine Initiative zur Regionalen Umfassenden Wirtschaftspartnerschaft (Regional Comprehensive Economic Partnership, RCEP) auszubauen. Die RCEP wurde am 15. November 2020 auf einem virtuellen Gipfel des Verbandes Südostasiatischer Nationen (ASEAN) unterzeichnet und umfasst neben China und den zehn ASEAN-Ländern Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam auch Australien, Japan, Neuseeland und Südkorea. Im Rahmen dieser von China vorangetriebenen Partnerschaft werden in der Wachstumsregion Asien-Pazifik, in der etwa ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung erbracht wird, Zölle gesenkt, Handelsregeln festgelegt und nicht zuletzt auch der Trend zu regionalen Wertschöpfungsketten verstärkt. Die RCEP verdeutlicht zudem, dass selbst die asiatisch-pazifischen Verbündeten der USA skeptisch gegenüber Washingtons Forderungen sind, sich technologisch und wirtschaftlich von China zu "entkoppeln".
Um sich gegen die von Washington betriebene wirtschaftliche Entkopplung zu wappnen, hat China nach siebenjährigen Verhandlungen mit Europa schließlich eingelenkt und zum Jahresende 2020 einer Investitionspartnerschaft zugestimmt. Künftig sollen hüben wie drüben die Investitionsbedingungen verbessert, weil fairer gestaltet werden – sobald Europas Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger diesem in seinen Details noch nicht ausgehandelten Deal zugestimmt haben werden. Trotz dieses vorläufigen "Erfolges" werden Europas Beziehungen zu China auf absehbare Zeit – auch im Hinblick auf die transatlantischen Beziehungen – ambivalent bleiben. In einem Strategiedokument vom März 2019 benannten die Europäische Kommission und die damalige Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, vier Beziehungsebenen im Verhältnis der EU mit China: So ist China in einigen Politikfeldern, etwa beim Klimaschutz, ein Kooperationspartner und in anderen ein Verhandlungspartner, mit dem ein Interessenausgleich gefunden werden kann. Gleichwohl gilt China auch als Wettbewerber, wenn es etwa um technologische Innovation und Infrastruktur geht, und sogar als systemischer Rivale, der ein alternatives Global-Governance-Modell verfolgt. Chinas Seidenstraßeninitiative, die in europäischen Hauptstädten lange Zeit übersehen oder nicht ernst genommen wurde, wird nunmehr auch auf dem "Alten Kontinent" als geoökonomische Bedrohung gesehen. Denn Chinas Infrastrukturinvestitionen in weit über hundert Ländern machen auch vor Europa nicht halt und unterminieren mittlerweile sogar die Handlungsfähigkeit der EU in einer sich verschärfenden Systemrivalität.
Bislang gibt es auch noch keine gemeinsame Haltung europäischer Staaten gegenüber dem Ansinnen des chinesischen Tech-Giganten Huawei, seine 5G-Technologie in den Netzinfrastrukturen europäischer Länder zu integrieren – und diese, so insbesondere die Befürchtung Washingtons, dadurch für Chinas Einfluss und mögliche Industriespionage zu öffnen. Deutschland, dessen wirtschaftliche Beziehungen mit der Volksrepublik besonders umfangreich sind, kann durch seine Entscheidungen die Spaltung innerhalb der EU – und im transatlantischen Verhältnis – vertiefen oder sie überwinden helfen. Nicht zuletzt aufgrund des massiven Drucks der USA ist mittlerweile auch in der deutschen Debatte klarer geworden, dass die noch ausstehende Entscheidung für oder gegen den chinesischen Anbieter Huawei nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine geoökonomische und sicherheitspolitische Zukunftsfrage ist. Die US-Regierung unter Trump drohte bereits offen damit, Deutschland keine Geheimdienstinformationen mehr zu geben und deutsche Firmen, die mit Huawei weiterhin Geschäfte machen, zu sanktionieren. Unter der Biden-Administration ist diesbezüglich nur eine Änderung im Ton zu erwarten, jedoch nicht in der Sache.
Es steht viel auf dem Spiel: Sollte es China gelingen, sein autoritär-digitales Modell über Teile Asiens und Afrikas hinaus weltweit zu verbreiten, würde dies nicht nur europäische und transatlantische Bemühungen untergraben, gemeinsame globale Standards bei aufstrebenden Technologien und KI zu entwickeln, sondern auch autoritären Versuchungen Vorschub leisten – selbst bei (bislang) demokratischen Staaten. Chinas Export von Überwachungstechnologie und Techniken sozialer Kontrolle hilft zugleich, illiberale Governance- und Gesellschaftsvorstellungen zu popularisieren. Nicht zuletzt etabliert China neue internationale Foren und Organisationen, die seinen eigenen Werten und Ordnungsvorstellungen entsprechen. Darüber hinaus sollten Chinas Desinformationskampagnen, beispielsweise um die westliche Corona-Krisenbekämpfung schlecht und sich selbst in einem guten Licht erscheinen zu lassen, seine Cyberangriffe sowie seine territorialen Ansprüche und Aggressionen im Südchinesischen Meer den EU-Verantwortlichen sicherheitspolitisch zu denken geben.
Amerikas Hinwendung nach Asien
Die Region Asien-Pazifik ist im vitalen amerikanischen Sicherheits- und Wirtschaftsinteresse. Washington will in jedem Fall verhindern, dass ein möglicher Rivale den USA die See- oder Lufthoheit im eurasischen Raum streitig macht und wirtschaftliche Aktivitäten der USA unterbindet oder ihnen den Zugang zu Ressourcen verwehrt. Obwohl dies selten offen ausgesprochen wird, haben die Militäroperationen und diplomatischen Aktivitäten der USA in den vergangenen Jahrzehnten genau dieses zentrale Ziel verfolgt – so die Analyse des Congressional Research Service, des überparteilichen wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses.
Die USA und China manövrieren sich immer mehr in ein Sicherheitsdilemma: Das individuelle Streben der beiden Protagonisten nach mehr Sicherheit erzeugt am Ende mehr Unsicherheit auf beiden Seiten. Die schon seit Längerem gehegte Befürchtung amerikanischer Sicherheitsstrategen, China wolle in Ostasien eine exklusive Einflusssphäre etablieren, wird durch Chinas zunehmend aggressiven Expansionsdrang genährt. Um die für seine Wirtschaft – und seine politische Stabilität – überlebenswichtigen indopazifischen Seewege abzusichern, baut Peking seine sogenannte Blue-Water-Navy auf, das sind hochseetaugliche Marine-Einheiten, die über die Küstenverteidigung hinaus auch eine globale Machtentfaltung zur See ermöglichen sollen. Im Zuge dieser "aktiven Verteidigung" soll zunächst der Raum innerhalb der "ersten Inselkette" kontrolliert werden, der das durch Korea und Japan begrenzte Gelbe Meer, den westlichen Teil des Ostchinesischen Meeres mit Taiwan und das Südchinesische Meer umfasst. Im Anschluss soll auch der erweiterte Raum, die "zweite Inselkette", unter eigene Kontrolle gebracht werden, der sich weiter östlich von den Kurilen über Japan und südostwärts über die Bonin-Inseln und die Marianen bis zu den Karolinen-Inseln erstreckt.
Chinas raumgreifende Aktivitäten beunruhigen vor allem seine Nachbarn und drängen diese zur Zusammenarbeit in der indopazifischen Region – nicht zuletzt auch mit den USA als Schutzmacht. Dieses Auftreten Chinas in der Region hat bereits dazu geführt, dass die 2007 ins Leben gerufene Quadrilaterale Allianz (QUAD) zwischen Australien, Indien, Japan und den USA reaktiviert wurde – ein bislang informeller Sicherheitsdialog, um dem wachsenden chinesischen Einfluss im Indischen und Pazifischen Ozean entgegenzuwirken. Während die USA schon seit Längerem engere Sicherheitsbeziehungen mit Japan und Australien pflegen, war Indien bislang um Äquidistanz zu den beiden Großmächten USA und China bemüht, um seine Unabhängigkeit zu wahren und seine Beziehungen zu China nicht zu belasten. Doch die jüngsten Spannungen zwischen China und Indien haben "die größte Demokratie" der Welt, Indien, bewogen, sich der "ältesten Demokratie", den USA, wirtschaftlich und militärisch anzunähern. Ebenso wollen Indien und Australien ihre Wirtschafts- und Verteidigungsbeziehungen stärken.
Die Biden-Administration wird in der Region Asien-Pazifik weitere Anstrengungen unternehmen – auch um das Vertrauen in die USA wiederherzustellen, das von der Vorgängerregierung schwer beschädigt wurde. Die US-Regierung unter Trump hatte einen radikalen außenpolitischen Kurswechsel vollzogen und die asiatischen Verbündeten im Regen stehen lassen, nachdem diese sich zuvor, nicht zuletzt auf Druck der Obama-Regierung, für die USA und gegen ihre wirtschaftlichen Interessen mit China entschieden hatten. Zum Entsetzen seiner Alliierten hatte Trump in einer seiner ersten Amtshandlungen im Januar 2017 die US-Teilnahme an der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) gekündigt. Damit verunsicherte er die Alliierten umso mehr in der für sie existenziell wichtigen Frage, ob die USA weiterhin für ihren Schutz sorgen würden. Denn das stärkste Argument der USA unter Obama, mit dem sie Länder wie Japan dazu bewegen konnten, sich gegen ihre wirtschaftlichen Interessen mit China zu entscheiden und sich der amerikanischen TPP-Initiative anzuschließen, war der Schutzschild der USA. China wiederum antwortete auf die Ausgrenzungsversuche der USA mit der Gründung der RCEP, bei der die USA außen vor blieben.
Die Transpazifische Partnerschaft war während der Amtszeit Obamas ein Kernstück von Amerikas vielbeachteter "Hinwendung nach Asien" ("Pivot to Asia"). Dem damaligen US-Handelsbeauftragten zufolge ging es dabei längst nicht nur um ökonomische, sondern auch um strategische Ziele in der asiatisch-pazifischen Region: "In wirtschaftlicher Hinsicht würde TPP eine Gruppe zusammenbinden, die 40 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und ein Drittel des Welthandels repräsentiert. Strategisch gesehen ist TPP der Weg, über den die USA in Zusammenarbeit mit knapp einem Dutzend weiterer Länder (ein weiteres halbes Dutzend in Wartestellung) eine Führungsrolle einnehmen können, um die Regeln in einer entscheidenden, im Wandel begriffenen Region zu bestimmen." Der damalige US-Verteidigungsminister Ashton Carter brachte noch schwereres rhetorisches Geschütz in Stellung: Für ihn sei das transpazifische Handelsabkommen "genauso wichtig wie ein weiterer Flugzeugträger". Angesichts der ökonomischen und geopolitischen Perspektiven in der Wachstumsregion Asien-Pazifik gerieten der "Alte Kontinent" und die transatlantischen Freihandelsgespräche, namentlich die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), mit den Europäern ins Hintertreffen.
Die Biden-Administration wird versuchen, die innenpolitisch schon damals schwierige, aber geoökonomisch umso dringlicher gewordene Transpazifische Partnerschaft neu zu beleben. Im härter werdenden Wettbewerb in der Region Asien-Pazifik geht es zuvorderst darum, Trumps größten strategischen Fehler zu korrigieren, der darin bestand, die TPP-Beteiligung und -Führung der USA aufzugeben. Schon für Präsident Obama und den damaligen Vizepräsidenten Biden war – zum Entsetzen der Europäer – TPP wichtiger als TTIP, um Chinas Handelspolitik einzudämmen und von ihren Verbündeten wirtschaftlichen Tribut zu fordern. Amerikas "Hinwendung nach Asien", der bereits unter der Obama/Biden-Regierung eingeschlagene "Pivot-to-Asia"-Kurs, wird von der Biden/Harris-Regierung somit wieder fortgeführt – weiterhin auf Kosten von TTIP und europäischen Interessen.
Europa muss Farbe bekennen
Obwohl die transatlantische Wirtschafts- und Sicherheitsgemeinschaft künftig auch durch die Biden-Regierung auf eine Nagelprobe gestellt werden könnte, wie der französische Präsident Emmanuel Macron befürchtet, wären eine Äquidistanz Europas zwischen den USA und China oder gar eine stärkere Annäherung an China in keinem Fall sinnvolle Optionen, allein schon wegen der Werte-Distanz zu China und der sicherheitspolitischen Abhängigkeit von den USA. Gleichwohl sollten sich Europas Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auf härtere Markt-Macht-Bedingungen Amerikas einstellen, die bereits von Präsident Trump forciert wurden. Die Vereinigten Staaten werden auch unter Bidens Führung ihre Wirtschafts- und Militärmacht als kompetitiven Wettbewerbsvorteil einsetzen; das gilt erst recht gegenüber schutzbedürftigen Ländern in Europa. Für militärischen und sicherheitsdienstlichen Schutz werden die USA in Verhandlungen mehr ökonomische Gegenleistungen fordern.
Um die in den USA parteiübergreifend immer deutlicher artikulierten Forderungen an die Verbündeten nach höheren Militärausgaben zu entkräften und für die eigene Sicherheit zu sorgen, sollten europäische Regierungen den seit 2017 bestehenden Verteidigungsfonds, den European Defence Fund (EDF), aufstocken. Damit sollten Rüstungsanstrengungen ausgebaut werden – auch in Kooperation mit amerikanischen Unternehmen. So könnten die in Washington bereits seit den 1990er Jahren gehegten Befürchtungen, dass Europa die USA bei Auftragsvergaben diskriminiert, die Fähigkeiten der USA gewissermaßen dupliziert und sich damit sicherheitspolitisch von der Schutzmacht emanzipieren will, als unbegründet zerstreut werden. Im Gegenzug sollten die Europäer Sicherheitsgarantien einfordern. Damit die europäischen und asiatischen Alliierten in strategischer Sicht auch künftig bereit sind, ihre wirtschaftlichen Interessen, vor allem auch mit China, preiszugeben, um weiterhin Schutz von den USA zu erhalten, wird die Schutzmacht ihrerseits dafür sorgen müssen, dass die "Pax Americana" in den Augen der Alliierten wieder glaubwürdiger und verlässlicher wird.
Damit könnte einmal mehr die Nato gefragt sein – und wiederholt dazu aufgefordert werden, sich den neuen Sicherheitsbedingungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Nachdem Donald Trump die Allianz mit einem "Rammbock" malträtierte (so Joe Biden) und sie auch in den Augen vieler anderer US-Beobachter zu zerstören drohte, sieht der neue US-Präsident in Allianzen nach wie vor ein nützliches Instrument, um Amerikas Macht zu vermehren und Lasten zu teilen. Neben einem klaren beiderseitigen Bekenntnis zu einer möglicherweise zu erweiternden, globalen Nato (Stichwort: "Allianz der Demokratien") wäre auch die Aufnahme europäischer Staaten in die bislang exklusive Geheimdienstallianz der "Five Eyes" denkbar, der neben den USA bislang nur Australien, Kanada, Neuseeland und das Vereinigte Königreich angehören.
Gleichzeitig sollten sich die Europäer aber nicht nur auf die Schutzmacht USA verlassen. Worthülsen wie "strategische Unabhängigkeit" oder "Autonomie" kaschieren bislang den Mangel an Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit der EU, die dringend nötig wäre, um sich auf die neue, durch den sino-amerikanischen Großkonflikt geprägte Weltordnung einzustellen. Die EU ist in besonderem Maße anfällig für "Teile und herrsche"-Strategien der Großmächte. Um diese Schwäche zu überwinden und die eigene "Weltpolitikfähigkeit" zu stärken, sollte die EU in der Außen- und Sicherheitspolitik von der Illusion der Einstimmigkeit hin zu einer realistischeren Konsenssuche in Form einer qualifizierten Mehrheitsentscheidung finden. Nur ein entscheidungsfähiger europäischer Verbund gewährleistet Marktmacht und Handlungsoptionen, damit Europas Länder weiterhin selbstbestimmt wirtschaften und leben können.
Teile dieses Beitrags erschienen im Januar 2021 bereits in der Zeitschrift "Die Bundeswehr".
Der Begriff "Geoökonomie" bezeichnet nicht-militärische Instrumente staatlichen Handelns, "non-military instruments of statecraft", wie es Stuhlberg bezeichnete: Adam N. Stuhlberg, Moving Beyond the Great Game. The Geoeconomics of Russia’s Influence in the Caspian Energy Bonanza, in: Geopolitics 1/2005, S. 1–25. Vgl. auch Robert D. Blackwill/Jennifer M. Harris, War by Other Means: Geoeconomics and Statecraft, Cambridge MA 2016.
So die Einschätzung des Politikwissenschaftlers Walter Russell Mead im Interview mit Anna Sauerbrey, "Trumps Weg zur Wiederwahl führt durch Peking", 2.5.2020, Externer Link: http://www.tagesspiegel.de/25791216.html.
Vgl. Trump Says Coronavirus Worse "Attack" than Pearl Harbor, 7.5.2020, Externer Link: http://www.bbc.com/news/world-us-canada-52568405.
Vgl. Laura Silver/Kat Devlin/Christine Huang, Republicans See China More Negatively Than Democrats, Even as Criticism Rises in Both Parties, 30.7.2020, Externer Link: http://www.pewresearch.org/fact-tank/2020/07/30; Deb Riechmann/Jonathan Lemire, Trump, Biden Try to Outdo Each Other On Tough Talk on China, 12.7.2020, Externer Link: https://apnews.com/article/025d0fea834a4c0c60b33fe56e632758.
Laut einer Umfrage des Pew Research Center von Juni/Juli 2020 haben 73 Prozent der Wahlberechtigten in den USA eine schlechte Meinung von China. Das sind 26 Prozentpunkte mehr als 2018. Unter den Amerikanern herrscht ein weit verbreitetes Gefühl, dass China für den Ausbruch und auch die Ausbreitung des Corona-Virus in den USA verantwortlich ist. Vgl. Laura Silver/Kat Devlin/Christine Huang, Americans Fault China for Its Role in the Spread of COVID-19, 30.7.2020, Externer Link: http://www.pewresearch.org/global/2020/07/30.
Seit der von den USA ausgegangenen Finanzkrise 2008 gilt der US-Dollar in den Augen von Chinas Entscheidungsträgern nicht mehr als "sicherer Hafen". China sieht sich deshalb in der "Dollar-Falle": Wenn Peking damit anfinge, in größerem Umfang US-Staatsanleihen zu verkaufen, würde der Dollar-Kurs merklich sinken und die bestehenden Bestände entwerten. Man würde damit nicht nur den USA, sondern auch sich selbst massiven Schaden zufügen und ist deshalb bemüht, das "ökonomische Gleichgewicht des Schreckens" nicht nachhaltig zu stören. Gleichwohl versucht China seit geraumer Zeit, sich langsam, aber sicher aus dieser "Falle" zu lösen.
European Commission/High Representative of the Union for Foreign Affairs and Security Policy, EU-China – A Strategic Outlook, Joint Communication to the European Parliament, The European Council and the Council, Straßburg, 12.3.2019.
Weitere Denkanstöße für die Europäer liefert ein Bericht des US-Kongresses: The United States Senate Committee on Foreign Relations, The United States and Europe: A Concrete Agenda for Transatlantic Cooperation on China, Majority Report, Washington, D.C., November 2020.
Vgl. Ronald O’Rourke, A Shift in the International Security Environment. Potential Implications for Defense – Issues for Congress, Congressional Research Service (CRS), CRS Report for Congress, Washington, D.C., 14.7.2015, S. 8.
90 Prozent der chinesischen Handelsgüter sowie 40 Prozent des nach China eingeführten Erdöls werden über See befördert. Vgl. Gabriel B. Collins, China’s Dependence on the Global Maritime Commons, in: Andrew S. Erickson/Lyle J. Goldstein/Nan Li (Hrsg.), China, the United States, and 21st Century Seapower, Annapolis 2010, S. 14–37, hier S. 18.
Vgl. Michael Paul/Marco Overhaus, Sicherheit und Sicherheitsdilemmata in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen, in: Barbara Lippert/Volker Perthes (Hrsg.), Strategische Rivalität zwischen USA und China, Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-Studie 1/2020, S. 22–26, hier S. 24.
Vgl. Michèle Flournoy, Treat China’s Border Clash With India as a Clarion Call, 19.6.2020, Externer Link: http://www.ft.com/content/3757b62e-8882-4b53-8fd0-75a9bad2bc3e. Flournoy war in der Clinton-Administration Deputy Assistant Secretary of Defense for Strategy und Hauptautorin des Quadrennial Defense Review (QDR) vom Mai 1997.
Michael Froman, The Strategic Logic of Trade. Remarks by Ambassador Froman at the Council on Foreign Relations, New York, 16.6.2014.
Zit nach Jane Perlez, U.S. Allies See Trans-Pacific Partnership as a Check on China, 6.10.2015, Externer Link: http://www.nytimes.com/2015/10/07/world/asia/trans-pacific-partnership-china-australia.html.
"We amplify our own strength, extend our presence around the globe, and magnify our impact while sharing global responsibilities with willing partners. We need to fortify our collective capabilities with democratic friends beyond North America and Europe by reinvesting in our treaty alliances with Australia, Japan, and South Korea and deepening partnerships from India to Indonesia to advance shared values in a region that will determine the United States’ future." Joseph R. Biden Jr., Why America Must Lead Again: Recusing U.S. Foreign Policy after Trump, in: Foreign Affairs 2/2020, S. 64–76, hier S. 73.
Diese in ihren Grundzügen von der Clinton-Administration inspirierte Idee wurde auch schon seit Längerem von Demokraten und ihnen nahestehenden Experten in Thinktanks befürwortet. Vgl. Ivo Daalder/James Lindsay, An Alliance of Democracies. Our Way or the Highway, in: Financial Times, 6.11.2004, Externer Link: http://www.brookings.edu/opinions/an-alliance-of-democracies-our-way-or-the-highway.
| Article | , Josef Braml | 2022-02-09T00:00:00 | 2021-04-21T00:00:00 | 2022-02-09T00:00:00 | https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/usa-2021/331742/in-rauen-gewaessern/ | In der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden ist mit einem härteren geoökonomischen Vorgehen der USA gegenüber China zu rechnen. Die sino-amerikanische Rivalität wird Europas Wirtschaft und Außenpolitik beeinträchtigen und sollte Europäern strategisch | [
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"5G",
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Die 1950er Jahre: Anfänge | Deutsche Fernsehgeschichte in Ost und West | bpb.de |
Filmregisseur Jürgen Roland (© picture-alliance/dpa)
Noch ohne besonderes Profil
In den Anfangsjahren gab es beim Fernsehen des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) zunächst wenige programmatische Untergliederungen der Sendungen. Als "Kultur" tauchten im Programm häufig "Kulturfilme" auf. Damit waren – nach einem Begriffsverständnis der 1920er Jahre – Dokumentarfilme gemeint, die vielfach aus den Beständen der Kinoverleiher oder anderer Institutionen kamen. Häufig waren es exotische Filme wie "So tanzt Shiva" (1951), "Die achte Plage" über Heuschrecken in Afrika (1951) oder "Das Goldene Vlies" (1951). Daneben gab es kunstwissenschaftliche Vorträge mit Lichtbildern wie "Meisterwerke der bildenden Kunst" (1951). Kunstsendungen blieben im Programm der 1950er Jahre jedoch selten, und wenn es sie gab, orientierten sie sich an klassischen Kulturthemen wie "Niederdeutsche Marienplastiken" (1953) oder "Geschnitzte Botschaft" (1955) über den mittelalterlichen Bildhauer Tilman Riemenschneider. Selten einmal wurde auch ein moderner Künstler wie Ernst Barlach (1953) behandelt. Kulturfilme prominenter Vorkriegsregisseure wie "Michelangelo" von Curt Oertel wurden ebenfalls gezeigt, waren jedoch keine fernsehspezifischen Produktionen. Axel von Ambesser versuchte sich auch darin, eine neue Fernsehform, die er das "Fernseh-Feuilleton" nannte, zu entwerfen (1953), doch blieben diese Versuche, eine dem Zeitungsfeuilleton nachgebildete Form der kulturellen Betrachtung der Welt zu etablieren, im Ansatz stecken. Sendungen über Architekturdenkmäler
Vereinzelt kamen auch Sendungen über prominente Architekturdenkmäler wie den Kölner Dom ins Programm. Unter dem Titel "Geschichte einer Wiederkehr" (1956) ging es um die Wiederaufbauarbeiten am Dom nach dem Zweiten Weltkrieg. Meistens hatten diese Sendungen einen aktuellen Anlass, hier z. B. die Wiedereröffnung des Doms am 708. Jahrestag seiner Grundsteinlegung. Vereinzelt kritische Berichterstattung über Künste und Medien
Die anderen ARD-Anstalten, die sich neben dem NWDR ab 1954 am Gemeinschaftsprogramm der ARD beteiligten, legten ihre Schwerpunkte zunächst auf andere Programmsparten: Fernsehspiel, Unterhaltung, Sport und Dokumentation. Sendereihen, die sich der kritischen Berichterstattung anderer Künste und Medien zuwandten, etwa die Reihe "Filmkritik mit Dr. Manfred Barthel" (ab 1952), "Das klingende Filmmosaik" oder Jürgen Rolands Sendereihe "Der Hauptfilm hat noch nicht begonnen" (1954–1956) blieben vereinzelt. Das Theater wurde nur am Rande behandelt, erst ab 1954 fing der Sender Freies Berlin (SFB) an, über die "Berliner Festwochen" zu berichten, von Literatur war anfangs gar nicht die Rede. Frühe Kultursendungen im DDR-Fernsehen
Im DDR-Fernsehen wurden schon ab 1952/53 Kultursendungen über einzelne Kunstbereiche (z. B. "(Berliner) Theater- und Filmspiegel", "Das Gute Buch") ins Programm gebracht. Die Titel variierten später, aber die Vermittlung dieser Kunstbereiche an die Fernsehzuschauer wurde zu einer Daueraufgabe des Fernsehens. Auch Theateraufführungen wurden im Fernsehen gezeigt. Das erste Studiogastspiel des Deutschen Fernsehfunks kam Mitte 1953 vom Berliner Ensemble: Bertolt Brechts Inszenierung "Die Gewehre der Frau Carrar". Kulturbericht und Kulturpräsentation
Schnittmeisterin Bettina Beissert in einem DFF-Übertragungswagen. Theateraufführungen und Konzerte wurden seit den 1950er Jahren auch im DDR-Fernsehen live übertragen.
Deutlich zeichnete sich sowohl im Westen wie im Osten schon in der Anfangszeit des Fernsehens eine Zweiteilung ab: Zum einen wurde über Kultur berichtet, informiert, zumeist in der Form von Magazinen, in regelmäßigen Reihen sowie in ereignisbezogenen Sonderbeiträgen. Zum anderen wurde Kultur präsentiert, indem man kulturell herausragende Leistungen ins Programm brachte. Herausragende Theateraufführungen
Dabei war man anfangs natürlich auf die kulturellen Artefakte beschränkt, die sich für ein audiovisuelles Medium mit Bewegtbildern eigneten: also herausragende Theateraufführungen, Operndarbietungen, Konzerte. So ist es kein Zufall, dass am Vorabend des offiziellen Beginns des ARD-Gemeinschaftsprogramms "Deutsches Fernsehen" eine Übertragung aus dem Göttinger Deutschen Theater gezeigt wurde: Heinz Hilperts Inszenierung von Shakespeares "Was ihr wollt" – ein anspruchsvolles Projekt, hatte man doch mit Hilpert einen der großen Theaterregisseure seit den 1920er Jahren nun auch im Fernsehen. Theaterklassiker aus dem Studio
Gleichwohl inszenierte das Fernsehen in den 1950er Jahren die Theaterklassiker eher selbst in seinen Studios, als dass es sich den Mühen einer Theaterübertragung per Ü-Wagen unterzog. Außerdem gab es noch die Erinnerung daran, dass die Übertragung von Franz Lehars "Lustige Witwe" aus dem Operettentheater St. Pauli 1953 abgebrochen werden musste, weil das Theaterpublikum gegen die als störend empfundene Übertragung protestierte. Die Zweiteilung zwischen der Berichterstattung über Kultur (und dies war dann zumeist die Kultur außerhalb des Fernsehens) und der Kulturpräsentation im Medium blieb weiterhin bestehen, auch wenn es dann vor allem in den 1960er Jahren Vermischungen gab. Übertragungen von Theateraufführungen im DDR-Fernsehen
Auch im DDR-Fernsehen übertrug man früh große Theateraufführungen (so z. B. "Der Zerbrochene Krug" vom Deutschen Theater in Ost-Berlin; "Der Teufelskreis" vom Nationaltheater Weimar oder "Kaution" vom Staatsschauspiel Dresden, alle 1955) und Konzerte ("Das große Konzert", 1953, Übertragung der Festveranstaltung zum "Tag der Republik" aus der Staatsoper Unter den Linden in Berlin).
Filmregisseur Jürgen Roland (© picture-alliance/dpa)
Schnittmeisterin Bettina Beissert in einem DFF-Übertragungswagen. Theateraufführungen und Konzerte wurden seit den 1950er Jahren auch im DDR-Fernsehen live übertragen.
Quellen / Literatur
Interner Link: Fernsehen und Kultur Interner Link: Fernsehen und Kulturbegriff in der 50er Jahren Interner Link: NWDR: Bildung und Kultur Interner Link: DDR-Kultursendungen
Interner Link: Fernsehen und Kultur Interner Link: Fernsehen und Kulturbegriff in der 50er Jahren Interner Link: NWDR: Bildung und Kultur Interner Link: DDR-Kultursendungen
Vgl. Winter/Dobbe/Schreier 1994, S.88.
Vgl. Hickethier 2008.
| Article | Bundeszentrale für politische Bildung | 2022-07-04T00:00:00 | 2017-03-24T00:00:00 | 2022-07-04T00:00:00 | https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/deutsche-fernsehgeschichte-in-ost-und-west/245381/die-1950er-jahre-anfaenge/ | Als "Kultur" tauchten in den Anfangsjahren im Programm häufig "Kulturfilme" auf. Damit waren – nach einem Begriffsverständnis der 1920er Jahre – Dokumentarfilme gemeint, die vielfach aus den Beständen der Kinoverleiher oder anderer Institutionen kame | [
"Fernsehgeschichte",
"50er Jahre",
"kulturelle Bildung",
"Kultursendungen",
"Kulturvermittlung"
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