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Dr.
Dr. Franziska Brantner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Franziska
Brantner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie erinnern sich an die Coronaausbrüche bei Tönnies im Sommer. Vor zwei Wochen gab es wieder einen Coronaausbruch in einer Tönnies-Fabrik: 172 Beschäftigte wurden im Schlachtbetrieb Weißenfels positiv getestet. Sie arbeiten im Schichtdienst in schlecht belüfteten Hallen und schlafen zu eng in den Unterkünften zusammen. Die Coronapandemie zeigt wie ein Brennglas die katastrophalen Arbeitsbedingungen, die schon seit Jahren in vielen Niedriglohnbranchen bestehen. Und seit Langem ist bekannt, wer in diesen Unternehmen arbeitet: Menschen aus Mittel- und Osteuropa, die über Werk- und Leihverträge zu schlechten Löhnen beschäftigt sind. Hier hat die Bundesregierung viel zu lange weggeschaut, und das ist beschämend! Mit dem heute beschlossenen Arbeitsschutzkontrollgesetz reagieren Sie zwar auf die unzähligen Skandale in der Fleischindustrie. Bundesminister Heil wollte hier aufräumen, aber er hat mit dem Putzen nur angefangen; denn was immer noch fehlt, ist ein Verbandsklagerecht, mit dem die Gewerkschaften endlich Betroffenen helfen können, ihre Rechte auch durchzusetzen. Auf unsere Anfrage hin lehnt das Bundesarbeitsministerium dies ab und spricht hier nur von Einzelfällen. Das zeugt doch wirklich von Realitätsverweigerung. Das sind keine Einzelfälle, sondern das ist systematische Ausbeutung, die bei uns passiert. Wir reden nicht nur über die Fleischbranche, sondern auch über die Logistik, die Landwirtschaft und auch die Pflege. Hier arbeiten Hunderttausende Leih- und Saisonarbeiter – wir haben es in der Krise auch gemerkt – oder angeblich Selbstständige am Rande der Ausbeutung. Also belassen Sie es nicht dabei, nur den einen Bereich anzugehen, sondern gehen Sie endlich durch alle Sektoren durch! Wir müssen in Deutschland dafür sorgen – und das bedeutet ein soziales Europa auch –, dass alle Europäer, die bei uns arbeiten, gut arbeiten können und dass ihre Rechte wirklich garantiert sind. Dass Sie während der deutschen Ratspräsidentschaft nicht den Mut finden, endlich in allen Bereichen vorzugehen, das ist eigentlich ein trauriges Zeichen. Auch sonst haben Sie mit Blick auf das soziale Europa während Ihrer Ratspräsidentschaft nichts erreicht. Es geht aber nicht nur um die Ausbeutung, sondern es geht auch darum, dass jene, die die Freizügigkeit in rechtem Maße und völlig regelkonform umsetzen wollen, immer noch mit bürokratischen Hürden zu tun haben. Diese Hürden sind in Deutschland sehr hoch mit dem A1-Formular, das man bei jeder einzelnen Reise wieder neu beantragen muss. Es gibt dafür eine super Lösung: eine europäische Sozialversicherungsnummer. Das würde alle bürokratischen Hürden abbauen und endlich die Freizügigkeit erleichtern. Machen Sie sich also auf den Weg! Unterstützen Sie dieses Vorhaben einer europäischen Sozialversicherungsnummer. Das hilft, Betrug zu bekämpfen, und es hilft, die Freizügigkeit für jene, die sie rechtmäßig nutzen wollen, auch wirklich zu vereinfachen. Führen Sie bitte endlich verschärfte Kontrollen in den Betrieben durch! Stärken Sie die Europäische Arbeitsbehörde! Fördern Sie mehrsprachige Beratungsangebote und regulieren Sie Vermittlungsagenturen, die häufig die Arbeitskräfte ausbeuten! Setzen Sie sich auch für eine EU-Initiative für Mindeststandards bei Unterkünften ein! Und wenn man das nicht europäisch hinbekommt, dann sollte man wenigstens bei uns bessere Standards setzen. Führen Sie vor allem – das ist unsere große Forderung – im Rahmen der Entsenderichtlinie ein Verbandsklagerecht in Deutschland ein, und setzen Sie sich auf europäischer Ebene dafür ein! Denn was bringt einem ein Recht, das man nicht einlösen kann, weil man gar nicht die Möglichkeiten dazu hat, weil man die Sprache nicht kann, weil man das Geld dafür nicht hat, weil man wieder zurück in sein Land muss und dann diese Rechte gar nicht einklagen kann? Setzen Sie sich daher endlich für ein Verbandsklagerecht auch in diesem Sektor ein, damit die Arbeitnehmerfreizügigkeit fair ist und alle davon profitieren können! Nächster Redner mit Mund-Nase-Schutz: der Kollege Peter Aumer.
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Sevim Dağdelen DIE LINKE
Sevim
Dağdelen
DIE LINKE
Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Linksfraktion im Bundestag hat die Verhandlungen zum UN-Migrationspakt von Anfang an begrüßt. Migration ist ein globales Thema, und es ist höchste Zeit, dass wir auch eine internationale Verständigung zu einem solch globalen Thema haben. Jetzt aber führt Rechtsaußen eine regelrechte Angstkampagne gegen diese UN-Erklärung. Sie führen hier Argumente an, wie etwa: Infolge dieses Paktes würden Millionen Menschen nach Deutschland zuwandern. – Das hält der Realität schlicht nicht stand. Und es verwundert umso mehr, als die AfD die Möglichkeit einer Beteiligung an den Debatten der UNO in New York nicht wahrgenommen hat, als dieser Pakt verhandelt wurde. Ja wo waren Sie denn mit Ihrer Kritik? Den Boden für diese schäbige Angstkampagne der AfD hat allerdings diese Bundesregierung mit ihrer Informationspolitik bereitet. Ich war im zurückliegenden Jahr dreimal als einzige Abgeordnete des Deutschen Bundestages bei den Debatten und Verhandlungen des Migrationspaktes in New York. Immer wieder wurde seitens der Bundesregierung gesagt, dass das auch im Bundestag und in Deutschland öffentlich debattiert werden würde. Nichts davon ist passiert. Das finde ich wirklich unverantwortlich. Frau Dağdelen, gestatten Sie eine Zwischenfrage von der AfD? Nein. Keiner der Punkte übrigens, die wir als Linke angemahnt haben, wurde aufgenommen. Es geht beim Migrationspakt eben nicht um die Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Migration. Weder ein Stopp der Rüstungsexporte noch ein Stopp der zerstörerischen Freihandelsabkommen mit den Ländern des Südens haben in den Pakt Eingang gefunden. Menschen verlassen ihre Heimat aber nicht freiwillig. Sie haben auch ein Recht darauf, nicht zu migrieren. Ich sage Ihnen von der AfD: Sie geben vor, die Ursachen von Migration und Flucht zu bekämpfen. Aber wer von Freihandelsabkommen und Rüstungsexporten nicht sprechen möchte, der sollte dann auch zur Bekämpfung von Fluchtursachen schweigen. Die Stimmen der afrikanischen und lateinamerikanischen Länder mit ihrer Forderung nach Ursachenbekämpfung und Finanzierung wirtschaftlicher Entwicklung in den Herkunftsländern wurden in New York nicht gehört. Diese Länder haben zu Recht die Fixierung auf die – Zitat – Nutzbarmachung von „Humankapital“ für den reichen Norden kritisiert. Sie riefen nach globaler Gerechtigkeit, aber was sie jetzt bekommen, ist ein Braindrain, eine Abwanderung ihrer Fachkräfte. Dieser Braindrain zugunsten der Profite großer Konzerne dient letztendlich der Enteignung der Länder des Südens. Ich finde, dieses neoliberale Nützlichkeitsdenken ist zynisch. Ein letztes Wort an die AfD: Gerade in puncto Braindrain ist Ihre Kritik am Migrationspakt unredlich und heuchlerisch. Denn Sie fordern ja Einwanderung nach Nützlichkeitskriterien des großen Kapitals nach dem Vorbild Kanadas. Das ist Ihr Denken: Nützlichkeitsrassismus. Das hat Die Linke schon früher abgelehnt, und wir werden es wieder ablehnen. Sehen Sie der Wahrheit ins Auge: Deutschland ist seit der Gründung des Kaiserreichs 1871 ein Einwanderungsland. Hören Sie auf, im Namen einer völkischen Ideologie den Migrantinnen und Migranten gleiche Rechte zu verweigern! Hören Sie auf mit Fake News! Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Abgeordnete Filiz Polat.
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Petra Pau DIE LINKE
Petra
Pau
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion Die Linke lehnt Hass und Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung, auch der politischen, strikt ab. Hass und Gewalt sind demokratiefeindlich und unmenschlich. Gleichwohl nehmen Hass und Gewalt dramatisch zu, im Internet und im wahren Leben. Sie betreffen nicht nur namhafte Persönlichkeiten, sondern ebenso Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, Fußballschiedsrichter, Journalisten, Migranten, Menschen mit Behinderungen, Obdachlose – und ich könnte die Liste fortsetzen. Das ist besorgniserregend und nicht hinzunehmen. Aber wir müssen auch ehrlich sein, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das kommt nicht überraschend; es war vorhersehbar. Ich war dabei, als Professor Heitmeyer und sein Wissenschaftlerteam am 11. November 2011, also lange bevor zahlreiche Flüchtlinge zu uns kamen, die Ergebnisse einer Langzeitstudie über „Deutsche Zustände“ vorstellten. Das Fazit der Wissenschaftler in Kurzfassung: Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nimmt zu, ebenso die Akzeptanz von Gewalt als Politikersatz. Zu den Ursachen sprachen sie ebenso kurz: Das Soziale wird ökonomisiert, die Demokratie entleert. Auf Politikdeutsch nennt man das „neoliberal“. Die Linke lehnt das bekanntlich konsequent ab. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Hass und Gewalt wüten nicht nur irgendwo da draußen. Seit dem Einzug der AfD in den Bundestag werden sie auch hier an diesem Pult gepredigt. Herr Jongen, drei Zitate: ... wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen ... – Herr Gauland. ... Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand ... nicht sichern. – Frau Weidel. Wir haben ... mit ... Sozialleistungen Menschen nach Marxloh gelockt, die ... dafür gesorgt haben, dass es dort nun Kakerlaken- und Rattenplagen gibt. – Herr Sichert. Deshalb wiederhole ich: Die AfD ist demokratisch gewählt, völlig klar. Aber deshalb sind Sie noch lange keine demokratische Partei. Wer so etwas hier in den Raum stellt, ruft zu Hass auf. Nun ist diese Aktuelle Stunde zum Thema „Hass und Gewalt“ sicher richtig, entscheidend ist aber, dass Hass und Gewalt im Alltag erkannt und auch geahndet werden. Ich nannte gerade den 11. November 2011. An diesem Tag geschah noch etwas anderes, das sich mir tief eingeprägt hat. Im Bundesamt für Verfassungsschutz wurden massenhaft Akten vernichtet und somit den parlamentarischen Untersuchungen zum NSU-Nazi-Mord-Komplex entzogen. Zur Verantwortung gezogen wurden die dafür Zuständigen nie. Drei Monate später versprach die Bundeskanzlerin Angela Merkel den Angehörigen und Überlebenden des NSU-Terrors die bedingungslose Aufklärung. Davon kann bis heute keine Rede sein. Die Zuständigen haben die Kanzlerin hier in den Meineid getrieben. Staatliches Versagen dieser Art ist kein Einzelfall, Stichwort „Neukölln“, wo Nazis – Faschisten, sage ich – seit Jahren wüten, Anschläge verüben – gefasst und belangt wurden sie bis heute nicht. Das ist ein Skandal. Damit zum Schluss. Die Lösung zu alledem liegt nicht in immer noch mehr Personal und immer neuen Befugnissen für die Sicherheitsbehörden. Ich denke, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen besser ausgebildet, mehr sensibilisiert und auch konsequent geführt werden. Wir müssen uns eingestehen: Wir haben hier ein gesellschaftliches Problem – und nicht erst dann, wenn etwas passiert ist. Es ist eine Alltagsaufgabe, dass wir uns um die Demokratie nicht nur kümmern, sondern für sie kämpfen. Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Irene Mihalic für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Albert H. Weiler CDU/CSU
Albert H.
Weiler
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Zuallererst möchte ich mich einmal bei den vielen Menschen bedanken, die das Rad in Deutschland am Rollen gehalten haben, die gerade in dieser harten Zeit Tag für Tag gearbeitet haben, damit wir ordentlich versorgt wurden. Seien es die Lkw-Fahrer, die Verkäuferinnen im Lebensmittelladen, die Dienstleister bis hin zum medizinischen Personal: Vielen Dank an Sie alle für Ihre geleistete Arbeit. In den letzten Wochen waren die Bundesregierung und auch das Parlament als Krisenmanager stark gefordert. Ich denke, wir alle haben hierbei einen guten Job gemacht. Dazu gehörte auch, dass von fast allen Seiten einhellig die wichtigsten Maßnahmen im Rekordtempo beschlossen wurden: Maßnahmen zur Erleichterung des Zugangs zum Kurzarbeitergeld, Maßnahmen zur Soforthilfe für Unternehmen, insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen, Maßnahmen zur Unterstützung der Solo-Selbstständigen und nicht zuletzt auch Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Außerdem wurden in dieser Zeit viele neue Vorschläge, wie wir diese Krise so gut wie möglich meistern können, aus der Bevölkerung, von allen Seiten in Gremien und Abgeordnetenbüros getragen, was sehr hilfreich war. Die wirklich praktikablen Vorschläge wiederum waren auch gleich mit einer soliden Finanzkalkulation versehen. Das, meine Damen und Herren von den Linken und auch von den Grünen, vermisse ich in Ihren Anträgen zutiefst. Aber lassen Sie uns die Konsequenzen Ihrer Anträge kurz gedanklich durchspielen. Sie fordern den erheblichen Ausbau des Kurzarbeitergeldes. Das müsste konsequenterweise auch eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes I nach sich ziehen, da wohl nur schwer zu vermitteln ist, warum jemand mit 60 Prozent des Nettogehalts durch ALG I auskommen soll und jemand, der Kurzarbeitergeld bezieht, eben nicht. Das bedeutet also mit einem Schlag eine Erhöhung der Haushaltsbelastung um ein Vielfaches und in der Folge auch eine erhöhte Belastung der Beitragszahler. Wir haben durchgesetzt, dass die Beitragszahler entlastet werden, indem wir den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung reduzieren. Durch Maßnahmen, deren Finanzierung nicht durchdacht ist, wie von Ihnen vorgeschlagen, müssten wir dies gerade wieder umkehren. Gerade in Zeiten einer wieder anzukurbelnden Wirtschaft wäre das absolutes Gift. Das wollen und machen wir nicht. Es ist schon erstaunlich, wie konsequent Sie den Leistungsgrundsatz ignorieren. Es darf auch der aus Steuermitteln finanzierte Regelbedarf der Sozialhilfe nicht zu einem höheren verfügbaren Einkommen führen als der Einsatz der eigenen Arbeitskraft bei Vollzeitarbeitstätigkeit. Arbeit, meine Damen und Herren, soll und muss sich lohnen. Wenn Lohnersatzleistungen fast genauso hoch sind wie ein normales Einkommen, gibt es keine Anreize, Situationen wie Arbeitslosigkeit zu verändern; auch das wollen wir nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns auch weiterhin einen ganzheitlichen Ansatz, der alle Akteure einschließt, verfolgen. Die Kosten unserer Instrumente sind im Gegensatz zu Ihren Vorschlägen seriös kalkuliert, und viele Maßnahmen laufen bereits heute erfolgreich, wofür die Regierungsparteien auch sehr gelobt werden. Ich würde mir wünschen, dass Ihre Anträge in Zukunft konzeptionell mehr durchdacht und vor allem finanziell untersetzt sind. Dann können wir auch konstruktiv über Ihre Vorschläge diskutieren. Solange das aber nicht der Fall ist, müssen wir die Vorschläge leider ablehnen. Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben. Vielen Dank. Vielen Dank. – Als Nächster spricht der fraktionslose Abgeordnete Uwe Kamann.
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Pascal Meiser DIE LINKE
Pascal
Meiser
DIE LINKE
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass die unwürdigen Arbeitsbedingungen in den industriellen Schlachtanlagen unseres Landes endlich eine größere Aufmerksamkeit erfahren. Doch das, was ausländischen Beschäftigten dort tagtäglich widerfährt, ist leider nur die Spitze des Eisberges. Ob auf deutschen Baustellen, bei den Paketzustellern oder auch im Schiffbau – seit mehr als 20 Jahren erleben wir gerade bei der grenzübergreifenden Entsendung von Arbeitnehmern systematisches Lohndumping und systematische Ausbeutung. Wir als Linke fordern schon lange, dass damit endlich Schluss gemacht wird. Damit da keine Missverständnisse aufkommen: Wir reden nicht über das Recht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus anderen europäischen Ländern, hier zu arbeiten und sich zu hiesigen Bedingungen ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Da machen auch wir als Linke keinerlei Abstriche. Wir reden darüber, dass immer mehr Beschäftigte von ausländischen Unternehmen, meist mit Sitz in Osteuropa, in den Heimatländern angeheuert, dann über Monate hinweg für Dumpinglöhne nach Deutschland entsandt werden. Wenn man sich dann noch das extrem niedrige Lohnniveau in Ländern wie Rumänien oder Bulgarien anschaut, liegt es auf der Hand, dass das ohne klare Regeln und Kontrollen fast zwangsläufig zu Problemen führt. Hiesige Lohnstandards geraten ins Rutschen, und Tarifverträge werden umgangen. In die Röhre schauen am Ende auch diejenigen Unternehmen – mit Blick auf die FDP: das sollten Sie sich mal anschauen –, die hierzulande ordentlich nach Tarif bezahlen. Es ist wirklich skandalös, dass dieser Entwicklung so lange tatenlos zugesehen wurde. Lange Zeit konnte man zugegebenermaßen mit einer gewissen Berechtigung lamentieren, dass das europäische Recht es nicht erlaube, ein solches Lohndumping umfassend zu unterbinden. Doch mit dieser Ausrede – das muss jedem hier klar sein – ist bei diesem Thema jetzt Schluss. Mit der 2018 beschlossenen Reform der europäischen Entsenderichtlinie liegt es nunmehr in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass für die europaweit rund 2,3 Millionen entsandten Beschäftigten endlich gilt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Doch, Herr Bundesarbeitsminister, mit dem, was Sie uns heute hier als großen Wurf zu verkaufen versuchen, wird die Bundesregierung ihrer Verantwortung bei Weitem nicht gerecht. Mit der neuen Entsenderichtlinie wurde Ihnen, Herr Heil, eine hervorragende Möglichkeit zur Stabilisierung des Tarifsystems quasi auf dem Silbertablett präsentiert. Was machen Sie? Sie vergeben eine Riesenchance, die Sie vermutlich so schnell nicht wieder bekommen. Bevor Sie jetzt den Kopf schütteln, hören Sie sich lieber das vernichtende Urteil an, das beispielsweise die Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt über Ihren Gesetzentwurf fällt. Ich zitiere: Wir, die Gewerkschaft der Beschäftigten ..., die von Entsendung und der damit oft einhergehenden Ausbeutung und unfairem Wettbewerb besonders betroffen sind, erwarten ... eine grundlegende Überarbeitung dieses in weiten Teilen missglückten und teilweise sogar im Widerspruch zum Europarecht stehenden Entwurfes ... Die Kolleginnen und Kollegen wissen aus der Praxis auf den Baustellen und andernorts nur zu gut, wovon sie reden. Ich sage Ihnen: Hören Sie auf diese Leute, und handeln Sie entsprechend! Gerne können Sie auch noch mal detailliert im Antrag meiner Fraktion Die Linke nachlesen, an welchen Punkten Sie Ihren Gesetzentwurf dringend nachbessern müssen. Ich will hier nur einige wenige nennen: Erstens. Sorgen Sie dafür, dass künftig alle allgemeinverbindlichen Lohntarifverträge ab dem ersten Tag auch für entsandte Beschäftigte gelten! Warum Sie hier europarechtswidrig regionale Tarifverträge – Herr Schummer, was Sie gesagt haben, stimmt nicht; regionale allgemeinverbindliche Tarifverträge sind ausgeschlossen in dem Gesetzentwurf – in den ersten bis zu 18 Monaten der Entsendung außen vor lassen wollen, ist und bleibt in keiner Weise nachvollziehbar. Dabei wissen Sie, Herr Heil, doch selbst nur zu genau, dass das deutsche Tarifvertragssystem bis heute in vielen Branchen aus regionalen Tarifverträgen besteht und nicht bloß aus bundesweiten. Zweitens. Warum begrenzen Sie im Entwurf die Möglichkeit, Tarifverträge über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf entsandte Beschäftigte zu erstrecken, auf Tarifverträge mit maximal drei Entgeltstufen? Ich sage Ihnen: Streichen Sie diese völlig überflüssige Beschränkung, so wie es im Übrigen auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme fordert. Drittens. Warum wollen Sie ohne Not die Möglichkeit eröffnen, dass entsandte Arbeitnehmer auch außerhalb eines gerichtlichen Vergleichs auf Ansprüche aus allgemeinverbindlichen Tarifverträgen verzichten? Sie wissen doch nur zu gut, Herr Heil, mit welchen erpresserischen Methoden diese Leute häufig um ihren Lohn geprellt werden. Schaffen Sie hier nicht gleich wieder Schlupflöcher, nur um dann hinterher beklagen zu müssen, dass das Gesetz keine Wirkung zeigt. Viertens. Erhöhen Sie stattdessen die Bußgelder für diejenigen Unternehmen, die sich nicht an die Spielregeln halten, und sorgen Sie somit dafür, dass geltendes Recht künftig auch eingehalten wird. Fünftens. Schaffen Sie endlich ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften, damit die Gewerkschaften gerade die Rechte entsandter Beschäftigter effektiver und schneller durchsetzen können, weil die Beschäftigten alleine häufig dazu nicht in der Lage sind. Anderenfalls existieren berechtigte Lohnansprüche für viele weiterhin bestenfalls auf dem Papier. Und sechstens. Stoppen Sie auch hier die organisierte Verantwortungslosigkeit. Nehmen Sie für die ordnungsgemäße Zahlung aller Lohnbestandteile – nicht nur des Mindestlohns und der Mindestentgelte – diejenigen mit in Haftung, die von diesem ganzen System am meisten profitieren: die Unternehmen am Ende der Auftragskette, deren Geschäftsmodell maßgeblich darauf beruht, dass andere für sie die Drecksarbeit machen. Nur so kann es tatsächlich gelingen, Lohndumping und Ausbeutung bei der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerentsendung konsequent zu unterbinden. Vielen Dank. Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Beate Müller-Gemmeke, Bündnis 90/Die Grünen.
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Kevin Kühnert SPD
Kevin
Kühnert
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Vorfeld dieser Debatte über den WSF habe ich in die Protokolle des Deutschen Bundestages geschaut, um mir zu vergegenwärtigen, wie das eigentlich aussah, als vor zweieinhalb Jahren der WSF, damals unter den frisch aufkommenden Bedingungen der Coronapandemie, auf den Weg gebracht wurde. Es ist ganz erstaunlich, welche Zitate man in der damaligen Plenardebatte zu diesem Thema finden kann. Ich möchte einen kleinen Ausschnitt präsentieren, damit Sie ein Gefühl dafür kriegen, wie relativ manche Wertevorstellungen von einigen hier im Haus sind. Damals wurde an diesem Pult zum Beispiel geäußert: Es gibt Situationen, da muss man vielleicht auch Entscheidungen treffen, deren Wirkung man nicht bis zum langen Ende bedenken und sehen kann. Aber man muss Entscheidungen treffen, um in der Situation die größte Not zu bekämpfen. Das hat der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier, CDU, hier im Plenum gesagt. Ihr damaliger Fraktionsvorsitzender Herr Brinkhaus, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, sagte Folgendes: Wir werden in dieser Krise, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch entscheiden; denn das Schlimmste, das man in einer Krise machen kann, ist, sich wegzuducken und nichts zu tun, zu warten, bis der Sturm vorübergeht. Das sind weise Worte, die Herr Brinkhaus damals gesprochen hat. Aber leider wollen Sie sich heute, in einer vergleichbaren Situation der Krise und mit genau diesem Instrument vor Augen, nicht mehr so recht daran erinnern. Es geht noch weiter: Sie haben damals in der Debatte im Deutschen Bundestag den damaligen demokratischen Oppositionsfraktionen, Grünen und FDP, großherzig dafür gedankt, dass sie trotz einer unklaren Gemengelage, in der nicht bis ins letzte Detail schon alles entschieden war, ihre staatspolitische Verantwortung auch in der Opposition wahrgenommen und eingelöst haben, dass die demokratische Mehrheit zusammensteht. Warum sind Sie heute eigentlich nicht zur selben staatsmännischen und ‑fräulichen Tat fähig, meine Damen und Herren? Stattdessen verstecken Sie sich hinter ziemlich fadenscheinigen Argumenten: 200 Milliarden Euro, aber man wisse ja gar nicht so genau, wofür das eigentlich aufgewendet werden solle. Sagen Sie das eigentlich auch Ihren sechs Ministerpräsidenten, die in der Ministerpräsidentenkonferenz unter Punkt 4 genau dafür ihre Zustimmung gegeben haben? Unter der Nennung von 200 Milliarden Euro als Rahmen für die Kreditermächtigung steht dort in einzelnen Bulletpoints – Sie können das alles nachlesen –, wofür genau das am Ende gedacht ist: zur Implementierung einer Gaspreisbremse für den Grundbedarf und für die Industrie in Deutschland, zur Absicherung, und zwar kurzfristig, der Strompreisbremse in Deutschland, für die Liquiditätshilfen für Betriebe, gerade für die energieintensiven, in Deutschland und vieles anderen mehr. Da steht das drin. Das hat Ihren Ministerpräsidenten gereicht, um zu sagen: Jawohl, dahinter versammeln wir uns. Vielleicht ist das einfach der Unterschied zwischen Leuten, die Verantwortung tragen in einem Land, und Leuten, die es jetzt einfach mal ganz nett finden, aus der Opposition heraus ein bisschen krakeelen zu können. In Ihrem Entschließungsantrag, den ich sehr genau gelesen habe, steht, „mit vollen Händen“ würde das Geld jetzt ausgegeben werden, „übermäßige Haushaltspolster“ lege die Regierung hier an. Das ist eine verräterische Sprache, die da zum Ausdruck kommt. Denn „übermäßige Haushaltspolster“ unterstellt nicht, wer vielleicht noch ein paar Detailfragen zur genauen Umsetzung hat, sondern „übermäßige Haushaltspolster“ unterstellt jemand, der findet, dass das einfach eine unangemessen große Hausnummer ist, über die wir hier sprechen. Das wäre aber eine spannende Einschätzung in Zeiten, in denen BDI und andere davon ausgehen, dass wir in den nächsten Jahren vielleicht noch viel mehr brauchen werden, um die Volkswirtschaft in Deutschland und die Gesellschaft durch diese Krise zu bekommen. Sie kleckern schon am Anfang der Krise. Sehen Sie: Es ist das gute Recht der demokratischen Opposition, die Regierungskoalition zu kritisieren, Ungeduld zum Ausdruck zu bringen und auch harte Fragen zu stellen. Es ist auch das gute Recht der demokratischen Opposition, dabei keine wirklich greifbaren eigenen Pläne vorzulegen, wie wir auch heute in der Debatte noch mal gemerkt haben. Wir erwarten aber von der demokratischen Opposition Klarheit und Wahrheit darüber, wo sie eigentlich selbst in dieser Debatte steht. Dazu gehört, dass man nicht behauptet, aus politisch handwerklichen Gründen heute nicht zuzustimmen, wenn man eigentlich aus politisch taktischen Gründen nicht zustimmen will. Sie wollen heute aus politisch taktischen Gründen nicht zustimmen, weil die nächsten Monate schwierig und ungewiss werden und Sie da lieber kein Risiko eingehen. Stehen Sie doch einfach dazu und schreiben Sie dann nicht in Ihren Entschließungsantrag: „Es braucht eine pragmatische Politik, die das Wohl des Landes über wahl- und parteitaktische Fragen stellt.“ Diesem Anspruch werden Sie heute leider selbst nicht gerecht. Das erledigt die Koalition für Sie. Wir schreiten daher jetzt zur Tat und stimmen zu. Ich danke Ihnen recht herzlich.
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Alexander Dobrindt CDU/CSU
Alexander
Dobrindt
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, der Brexit ist in der Tat ein Warnschuss, aber nicht nur für die Nationalstaaten, sondern auch für die Europäische Union selbst. Die Briten verlassen die EU doch nicht wegen zu wenig Institutionen, zu wenig Umverteilung, zu wenig Regulierung oder zu wenig Kompetenzen. Nein, sie verlassen die EU, weil sie das Gefühl haben, dass Brüssel ihnen mehr nimmt, als es ihnen gibt. Dieses Gefühl ist aber falsch, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Ich stehe dabei auf der Seite der jungen Generation in Großbritannien, die bei den demokratischen Wahlen anders entschieden hat als die Mehrheit. Es war gerade die junge Generation, die für einen Verbleib und eine Zukunft in der Europäischen Union gestimmt hat. Unsere Aufgabe ist es, genau an diese junge Generation die Botschaft zu schicken: Wir wollen euch weiter haben. Wir wollen engste Zusammenarbeit. Wir wollen die Zukunft mit euch gemeinsam gestalten. Viele Stellungnahmen in den letzten Tagen und Wochen machen einen schon etwas betrübt, man hört teilweise Freude am Chaos in Großbritannien. Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Europaparlament hat den Brexit und seine Folgen für Großbritannien sogar als Glück für die EU bezeichnet, weil er andere Länder vom Austritt abhalte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Art der Häme ist kein europäischer Gedanke, weil dies nicht den Zusammenhalt fördert. Wir müssen den Zusammenhalt und die Vorteile eines Verbleibs in der Europäischen Union in den Vordergrund stellen und nicht die Nachteile des Austritts aus der Europäischen Union. Die Lust an Europa muss doch größer sein als die Angst vor einem Austritt aus der EU, meine Damen und Herren. Klar ist auch: Wenn wir ein Austrittsabkommen mit den Briten bekommen sollten, dann endet nicht unsere Arbeit, sondern dann beginnt erst unsere Arbeit. Diese Arbeit hängt maßgeblich damit zusammen, dass wir für die Zukunft ein Modell finden müssen, das Großbritannien möglichst nah an die Europäische Union bindet. Eine „Partnerschaft Doppelplus“ haben wir das genannt. Wir wollen eine engste Partnerschaft deswegen, weil natürlich der Umgang mit dem Brexit über das Schicksal Europas entscheidet. Der Umgang mit dem Brexit, genauso wie der Ausgang der Europawahl im Jahr 2019 entscheiden über das Schicksal Europas. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss aufpassen, dass man nicht denjenigen auf den Leim geht, die sich vermeintlich als die guten Europäer bezeichnen, aber ganz offensichtlich nur ein Interesse daran haben, Europa zu spalten. Herr Gauland, wenn Sie sich als guten Europäer bezeichnen, dann erinnere ich nur an die Entscheidungen auf Ihrem Parteitag. Sie wollen das Europäische Parlament auflösen. Sie fordern den deutschen Brexit. Sie wollen den Euro abschaffen. Meine Damen und Herren, wer den Brexit in Deutschland will, wer das Europaparlament und den Euro abschaffen will, der ist kein guter Europäer; der ist nicht einmal ein guter Patriot. Wenn wir über nationale Souveränität reden – selbstverständlich muss man in einem gemeinsamen Europa weiterhin über seine nationale Souveränität reden –, dann muss man aber auch akzeptieren, dass man vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen in der Welt – wirtschaftlicher, militärischer und kultureller Art –, die an Schärfe ständig weiter zunehmen, die nationale Souveränität Deutschlands nur dann erhalten kann, wenn wir in einem gemeinsamen Interesse in Europa eng zusammenarbeiten und nicht gegeneinander arbeiten, meine Damen und Herren. Es geht auch gar nicht so sehr um die Frage, die der eine oder andere aufwirft: Wollen wir ein Europa, ja oder nein? – Diese Frage haben wir schon lange für uns entschieden. Wir wollen natürlich eine Europäische Union, ja. Die Frage ist aber, wie wir die Europäische Union gestalten und wie wir sie fitmachen für die aktuellen Herausforderungen, die, anders als in der Vergangenheit, gar nicht so sehr von innen heraus als Auftrag an sie herangetragen werden, sondern die heute wesentlich mehr von außen kommen: durch die Handelskonflikte, durch den verschärften Wettbewerb, durch den Migrationsdruck. Dies hängt weniger von der Frage ab, wie wir jetzt innerhalb der EU Frieden und Wohlstand schaffen können, sondern wesentlich mehr von der Frage: Wie können wir Frieden und Wohlstand für die Zukunft verteidigen? – Das heißt, wir stehen international vor einem Druck wie niemals zuvor, und zwar ökonomisch, geopolitisch und auch kulturell. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns mit Reformvorschlägen auseinandersetzen, auch gerade mit den Reformvorschlägen von unserem engsten Verbündeten Frankreich. Frankreich ist unser natürlicher Verbündeter innerhalb der Europäischen Union. Aber nicht automatisch jeder Vorschlag des französischen Präsidenten ist im Sinne des gemeinsamen Bündnisses, sondern wir müssen schon auch selbst noch in der Lage sein, zu unterscheiden: Was an Vorschlägen, auch aus Frankreich, ist für die Zukunft in Europa zielführend, und was könnte vielleicht anderen Zielen dienen? Deswegen: Ein gemeinsames Budget innerhalb der Euro-Zone, wie es vonseiten der Franzosen vorgeschlagen worden ist – ja, das wollen wir. Das vereinbaren wir gemeinsam. Es liegt in unserem strategischen Interesse, gerade Investitionen für Zukunftstechnologien auch gemeinsam zu organisieren. Wenn es aber darum geht, dass wir gerade im Bereich der Sozialversicherungen und der Arbeitslosenversicherungen zu einer Vergemeinschaftung kommen sollen und zukünftig Beiträge der deutschen Arbeitnehmer in die Arbeitslosenversicherung zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit in anderen europäischen Staaten beitragen sollen, dann ist das ein falscher Weg. Der ist nicht europäisch, und wir unterstützen ihn deswegen nicht. Diese enge Partnerschaft kann dazu dienen, dass wir den wirtschaftspolitischen Reformbedarf Europas gemeinsam vorantreiben. Dazu gehört aber auch, zu erkennen – das zeigt die Analyse –, dass wir gerade bei den uns alle sehr stark elektrisierenden Technologien, der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz, in der Vergangenheit in Europa offensichtlich nicht so erfolgreich waren. Vieles haben wir vielleicht auch versäumt. Die größten Unternehmen in diesem Bereich sind nicht in Europa angesiedelt. Wenn man das ändern will, dann muss man auch bereit sein, über die Fragen des Wettbewerbsrechts in Europa zu reden, weil die Unternehmen heute weniger innerhalb Europas in Konkurrenz stehen, sondern eher mit den Märkten außerhalb Europas, den amerikanischen und den chinesischen Märkten. Deswegen ist es geradezu ein falsches Signal, wenn die Wettbewerbsfähigmachung von Unternehmen in Europa, der Zusammenschluss von Unternehmen in Europa und der Versuch, die Augenhöhe mit internationalen Konzernen aus Amerika und den asiatischen Märkten zu erreichen, mit Blick auf ein altes Wettbewerbsrecht immer wieder verhindert werden. Einzelne Unternehmen – egal ob das Siemens oder Alstom im Bereich der Zugverkehre ist – sind alleine nicht mehr wettbewerbsfähig in der Welt, sondern müssen zusammenarbeiten, wenn sie erfolgreich sein wollen und Arbeitsplätze in Europa sichern sollen. Aber wer das verbietet, der hat noch nicht erkannt, wie die neue Aufstellung in der Welt und die Wettbewerbssituation sind. Ein Hinweis: Europa ist eine Wertegemeinschaft. Dennoch argumentieren immer sehr viele der Befürworter der EU mit rationalen Argumenten: mit dem freien Warenverkehr, dem gemeinsamen Wirtschaftsraum und vielen anderen Dingen mehr. Die Gegner, auch die Brexiteers in Großbritannien, argumentieren emotional mit falsch verstandenem Patriotismus und erzählen von Ängsten und vielem mehr. Ich glaube, wir dürfen die emotionale Seite Europas schlichtweg nicht den Radikalen überlassen. Wir haben allen Grund, stolz auf dieses Europa zu sein. Wir haben einen Kontinent des Krieges zu einem Kontinent des Friedens und der Freiheit entwickelt, auf Basis gemeinsamer christlich-abendländischer Werte. Es ist der Auftrag für die Zukunft, diese Wertegemeinschaft nicht als Zweckbündnis zu verstehen, sondern als gemeinsamen Kulturraum, der sich weiterentwickeln will. Diejenigen, die das so verstehen, sind überzeugte Europäer, meine Damen und Herren. Alexander Graf Lambsdorff, FDP, ist der nächste Redner.
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Canan Bayram BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Canan
Bayram
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die digitale Welt birgt für Kinder und Jugendliche verschiedenste Gefahren. Dazu gehören unbeabsichtigte Vertrags- und Urheberrechtsverletzungen ebenso wie eigenes strafrechtlich relevantes Verhalten, vor allem aber die Gefahr, selbst Opfer einer Straftat zu werden. Kinder und Jugendliche sind besonders gefährdet, Opfer von Hate Speech, Cybergrooming oder sexueller Gewalt zu werden. Effektiver Schutz vor sexuellem Missbrauch von Kindern braucht mehr als den wohlfeilen Ruf nach mehr Strafrecht. Zentral ist die Erhöhung des Entdeckungsrisikos für Straftäter – also mehr Personal und Technik bei der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung und mehr Aktivität für Prävention auf allen Ebenen, im Netz und in der Bildung. Daran mangelt es vielfach. Das führt dazu, dass sich Straftäter im Netz sicher fühlen, keine Angst haben, entdeckt und verurteilt zu werden. Notwendig ist aber nicht nur eine bessere Ausstattung der Polizei, sondern auch eine koordinierte Vernetzung aller kinderschutzrelevanten Akteure. Darauf kommt es an, meine Damen und Herren. Beim einschlägigen Strafrecht muss die Bundesregierung über die bisherigen Änderungen hinaus die Reform von Gesetzen mit Blick auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung endlich systematisch angehen. Hierfür liegt seit Mitte 2017 ein Bericht der dazu vom Bundesjustizministerium eingesetzten Reformkommission vor, der nicht länger in der Schublade verbleiben darf. Beim sogenannten Cybergrooming ist die Bedeutung des einschlägigen Straftatbestandes nach den Verurteilungszahlen gering. Denn kommt es zu keinem Treffen mit dem Kind, bestehen Beweisprobleme. Kommt es zu einem Treffen, ist bereits der Hauptstraftatbestand des sexuellen Missbrauchs erfüllt. Das Dunkelfeld aber ist nach allseitiger Einschätzung sehr hoch, und darum müssen wir uns kümmern. Gerade deshalb hätte sich das Bundesjustizministerium vor allem mit den bestehenden Möglichkeiten der Gefahrenabwehr und mit Ermittlungsmaßnahmen beim untauglichen Versuch des sogenannten Cybergroomings auseinandersetzen müssen, etwa mit Ermittlungsmaßnahmen wie der Durchsuchung und Beschlagnahme aufgrund eines Anfangsverdachts des Missbrauchs, weil nach kriminalistischer Erfahrung von den Verdächtigen vielfach weitere einschlägige Straftaten begangen werden. Dazu zählt auch die Gefährderansprache; der Kollege hat das hier schon angeführt. Da hätte man Maßnahmen ergreifen können oder könnte sie ergreifen, ohne den Tatbestand zu ändern. Sexueller Missbrauch von Kindern wird nach § 176 Absätze 1 bis 3 StGB mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren, in schweren Fällen mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. Diese Strafbarkeit wollen Sie jetzt vorverlagern, und wegen dieser Vorverlagerung wollen Sie eine ausdrückliche Strafbarkeit des Versuchs dieser Vorbereitungshandlung einführen. Wir finden das deswegen falsch, weil es rechtsstaatlich gar keinen Grund dafür gibt. Wir sind der Auffassung, dass die Entwurfsverfasser sich zwar bemüht haben, keine generelle Versuchsstrafbarkeit zu schaffen, sondern die Versuchsstrafbarkeit allein auf den genannten Fall des untauglichen Versuchs zu beschränken, aber auch das ist danebengegangen. Fazit: ein auch handwerklich holpriger Gesetzentwurf. Wir setzen daher darauf, dass wir das in der Anhörung im Ausschuss am 6. November korrigieren können. Danke schön. Vielen Dank, Canan Bayram. – Nächste Rednerin: Elisabeth Winkelmeier-Becker für die CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Petra Sitte DIE LINKE
Petra
Sitte
DIE LINKE
Meine Damen und Herren! Ich komme aus Halle. Bis letzten Mittwoch habe ich, wie so viele in Halle, gedacht: Ein Anschlag bei uns? Nein, das ist ausgeschlossen. Wir haben in Halle gerade Oberbürgermeisterwahlen, und in diesen Tagen haben wir, wie andere auch, Wahlkampf gemacht. Ich stand mit Freunden und Unterstützern am Uniklinikum, als die Katastrophen-App der Stadt plötzlich Gefahr signalisiert hat. Es sollte Verletzte gegeben haben; es sollte Tote gegeben haben. Wie Sie sich denken können, waren wir in diesem Moment gelähmt; wir waren völlig fassungslos. Später hat sich dann gezeigt, dass es tatsächlich zwei wehrlose Opfer getroffen hatte: eine Frau, die in Halle von vielen gekannt wurde, sie war eine leidenschaftliche Autogrammsammlerin, und einen jungen Mann, der einfach nur Mittagessen war. Man fragt sich natürlich: Wie konnte das passieren, in Halle, in meiner Stadt? Wir haben eine lebendige, internationale Stadtgeschichte. Wir haben eine Kulturszene, die international ist. Wir haben die Universität, die Hochschulen. Wir haben eine lebendige, weltoffene Stadtgesellschaft. Und wir haben ein breites Bündnis „Halle gegen Rechts“. Und trotzdem: Es gibt auch in dieser Stadt dunkle, es gibt braune Seiten, die wir seit Jahren durchaus erfolgreich bekämpft haben. Wenn beispielsweise in Halle die Identitäre Bewegung marschieren wollte, deren Haus im Übrigen unweit der Synagoge liegt, dann kam sie genau bis vor die Haustür und keinen Schritt weiter. Genau in diesem Haus hatte der Landtagsabgeordnete Tillschneider von der AfD jahrelang sein Wahlkreisbüro. Im Nachbarkreis, in Schnellroda, liegt das rechtsextreme Institut für Staatspolitik vom Vordenker der AfD Götz Kubitschek. Da werden die rassistischen, antisemitischen Parolen der AfD bürgerlich ummantelt, und die ganze Führungsriege der AfD geht dort ein und aus; zuletzt Alice Weidel am 20. September. Dort wird vorgedacht und über das Netz verbreitet, was andere Rechtsextreme in die Tat umsetzen. Wenn AfD-Brandner twittert, warum vor Moscheen und Synagogen herumgelungert wird, wenn doch die Opfer Deutsche waren, dann verhöhnen Sie auf eine unglaubliche Weise die Opfer. Meine Damen und Herren, dieser Mann gehört nicht in den Bundestag. Dass in diesem Land wieder ein Klima von Angst und Ohnmacht herrscht, ist Ihrer Hetze und Ihrem Menschenhass zuzuschreiben. Wir Demokraten werden das nicht zulassen. Die Synagoge war nicht nur an diesem Tag schutzlos, und das, obwohl der Innenminister und die zuständigen Behörden um die Gefahren gewusst haben müssen. Ich begreife auch bis heute nicht, wie der Innenminister des Landes die Ereignisse ohne den Hauch eines Selbstzweifels über eigenes Handeln bewerten kann. Das macht mich wütend. Aber die Menschen sind mehr denn je zusammengerückt – nicht nur in Halle, sondern auch an vielen anderen Orten sind sie solidarisch zusammengerückt. Das haben die Gedenken an den Tagen danach beeindruckend gezeigt. Wir bieten auch weiter den Nazis unsere Stirn. Dass das Engagement gegen Nazis in den Jahren zuvor immer wieder kriminalisiert, immer wieder diffamiert wurde, ist ein empörendes Versagen deutscher Politik. Wir haben Vereine und Initiativen, die seit Jahren aufklären, bilden, Opfer beraten, kurzum: die das leisten, was staatliche Einrichtungen und Behörden nicht getan haben. Diese Vereine müssen endlich dauerhaft unterstützt werden. Dazu gehört, dass die Bundesregierung endlich aufhört, die Mittel für Programme wie „Demokratie leben!“ zu kürzen. Stocken Sie diese endlich verlässlich auf! – Ich wusste, dass das kommt. Genau das ist das Problem in diesem Land. Dass hier der Innenminister als Erster spricht und in den Medien fast nur Innenpolitiker zu Wort kommen, führt mich dazu, folgende Schlussfolgerung hier noch einmal ausdrücklich zu ziehen: Es ist kein sicherheitspolitisches, es ist kein innenpolitisches Thema. Es ist ein gesellschaftspolitisches Thema. Meine Damen und Herren, rechtsextreme Strategien, antisemitische Strategien und Strategen sind durchschaubar. Sie, ob getarnt als angebliche Demokraten oder offen rechtsextrem, wollen uns Angst machen durch Gewalt und Worte. Sie wollen, dass wir uns zurückziehen. Sie wollen die Hoheit in unseren Köpfen und auf der Straße übernehmen. Ich sage Ihnen: Sie werden sich täuschen. Wir sind wach, wir bleiben wach, und wir werden das nicht zulassen. Die deutsche Geschichte hat gezeigt, was nach dem Schweigen kommt. Deshalb sage ich Ihnen ausdrücklich: Nie wieder Faschismus! Das Wort hat Katrin Göring-Eckardt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
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Dr.
Dr. Franziska Brantner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Franziska
Brantner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der Aachener Vertrag, den wir heute diskutieren, kann das reale Zerwürfnis zwischen deutscher und französischer Regierung nicht übertünchen. Es gibt gerade keinen deutsch-französischen Schulterschluss in und für Europa. Diese Bundesregierung zeigt Frankreich nur noch die kalte Schulter. Das ist angesichts des aktuellen Stresstests für Europa einfach nur verantwortungslos. Ich nenne Ihnen drei Beispiele. Erstens: Klima. Macron initiiert eine europaweite Klimainitiative zum EU-Gipfel letzte Woche. Schweden, Dänemark, Spanien, Portugal, Belgien, Luxemburg und die Niederlande – sie sind alle mit an Bord. Und Deutschland? Fehlanzeige. – Niederlande nicht, Schweden nicht. – Die anderen, die dabei sind, machen echten Klimaschutz. Dann soll Deutschland dazukommen und echten Klimaschutz machen. Es ist keine Ausrede, um einfach nichts zu tun, liebe Kollegen von der SPD. Genauso ist es beim Artensterben. 1 Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Frankreich macht einen Plan, bietet Deutschland Kooperation an. Was macht Deutschland? Nada, nichts! Zweites Beispiel: Steuern. Wenn ich momentan vor Ort unterwegs bin, ist Fairness ein großes Thema: Frau Brantner, wie kann es sein, dass sich Betrüger und Internetgiganten die Taschen vollmachen, während wir Bürgerinnen und Bürger unseren fairen Anteil zahlen? – Diese Frage ist absolut berechtigt. Mehr als 50 Milliarden Euro wurden dem Staat durch Umsatzsteuerbetrug geklaut. Vorschläge von der Europäischen Kommission liegen auf dem Tisch. Wer blockiert? Diese Regierung! Google, Amazon und Co zahlen weniger Steuern als jeder Bäcker an der Ecke. Es gab Vorschläge von der Kommission zur Digitalsteuer. Herr Schäuble war noch dafür. Wer hat es kleingehäckselt und auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben? Die Kanzlerin und der Finanzminister dieser Regierung, Olaf Scholz! Ich gebe Ihnen heute ein weiteres, ganz konkretes Beispiel. Im Aachener Vertrag und in seiner Vorhabenliste steht zum Beispiel der Wiederaufbau der Eisenbahnbrücke auf der Strecke Colmar–Freiburg – die letzte Brücke, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Es handelt sich um ein gemeinsames Projekt aus dem Anhang zum Aachener Vertrag. Andi Scheuer sagt heute: Dafür haben wir auf Bundesebene kein Geld; das ist keine Priorität für uns; das muss Baden-Württemberg alleine stemmen. – Auch das ist die kalte Schulter in Richtung Frankreich: ein Vorzeigeprojekt und kein Geld aus Deutschland! Nichts kommt da. Das Einzige, was kommt, ist ein emotionsloser Gastbeitrag der CDU-Chefin, um Straßburg als Sitz des Europaparlaments zu beseitigen. Das ist einfach nur verantwortungslos. Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann Europa auch durch Nichtstun zerstören, und das ist das, was diese Regierung gerade tut. Und sind wir doch mal ehrlich: Die Aufgaben sind riesig – Klimaschutz, Digitalisierung, Zukunft der Arbeit, China, USA, die großen Herausforderungen –, und wir wissen doch, dass wir in dieser Welt nur gemeinsam mehr erreichen können, dass wir es nur gemeinsam besser machen können. Es gibt in Europa zwei Arten von Ländern: die kleinen Länder und die, die noch nicht verstanden haben, dass sie klein sind. Zu Letzteren gehören insbesondere wir. Diese Bundesregierung muss endlich aufwachen, handeln. Frau Merkel sagt heute in der „Süddeutschen Zeitung“ – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis –, sie habe jetzt ein „gesteigertes Gefühl der Verantwortung“ für Europa. Ich habe heute gedacht: Das darf doch eigentlich gar nicht wahr sein. – Es ist doch der Hammer, dass Frau Merkel nach diesen Jahren der Kanzlerschaft sagt, sie habe jetzt ein gesteigertes Gefühl der Verantwortung für Europa. Da frage ich mich nur: Ja was hat sie denn die ganzen letzten Jahre getan? Was macht sie denn jetzt als Kanzlerin? Vielleicht wäre das ja mal ein Zeichen, dass sie endlich aufwacht und was tut, und zwar hier in diesem Land. Ich wünsche mir, dass sie endlich handelt. Danke schön. Vielen Dank, Franziska Brantner. – Gehe ich recht in der Annahme, dass der nächste Redner, Jürgen Hardt, zwar anwesend ist, aber die Rede zu Protokoll gibt? – Vielen herzlichen Dank. Dann ist der nächste leibhaftige Redner1  Anlage 8 – jetzt wusste ich auch nicht, was ich sagen sollte – Christian Petry für die SPD-Fraktion. Das heißt nicht, dass Herr Hardt nicht leibhaftig ist. Jetzt rede ich mich um Kopf und Kragen. Der nächste Redner in der Debatte: Christian Petry für die SPD-Fraktion.
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Stefan Gelbhaar BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stefan
Gelbhaar
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Februar 1990 gab es die Idee, das Volkseigentum der DDR den Bürgern der DDR zukommen zu lassen. Diese Idee ging auf Wolfgang Ullmann zurück, der damals Demokratie Jetzt, später Bündnis 90, am Runden Tisch vertrat. Das Konzept hieß: „Vorschlag der umgehenden Bildung einer Treuhandgesellschaft zur Wahrung der Anteilsrechte der Bürger mit DDR-Staatsbürgerschaft am Volkseigentum der DDR“. Wir hätten nun ein Volk von Unternehmern gehabt. Das hätte der FDP doch gut gefallen müssen. Diese Idee ist aber von der Modrow-Regierung nicht mehr umgesetzt worden. Wir wissen auch nicht, ob diese Idee besser funktioniert hätte. Was wir aber wissen, ist, dass diese Idee später keine politische Mehrheit mehr gefunden hat. Die Regierung de Maizière und auch die Kohl-Regierung haben wie bekannt andere Ziele verfolgt: Privatisierung um jeden Preis. Auch muss man sagen: Ja, Rot-Grün hätte wahrscheinlich einen besseren, einen sozialeren Weg gefunden. – Aber 1994 ist die Kohl-Regierung trotz ihrer häufig verfehlten Treuhandpolitik wiedergewählt worden, trotz Untersuchungsausschuss, auch in Ostdeutschland. Das heißt, das muss man auch politisch ein wenig zur Kenntnis nehmen. Die Rolle der Treuhandanstalt ist für viele Menschen in den neuen Ländern ein Fixpunkt der Nachwendeerfahrung und bestimmt bis heute deren Umbruchserfahrung – bis heute. Auch andere wirtschaftliche Besonderheiten in Ostdeutschland können womöglich zumindest teilweise mit dem Wirken der Treuhand erklärt werden, Stichwort: Lohnunterschiede zwischen Ost und West, die Abwesenheit großer Firmenhauptquartiere im Osten, die fehlende Repräsentation von Ostdeutschen in den Führungsetagen. Auch hier scheint Aufarbeitung geboten. Ich wünsche mir dafür eine Bundesregierung, die sich zuständig fühlt. Wir haben witzigerweise so etwas wie einen Ostbeauftragten der Bundesregierung. – Davon hört man nichts, ganz genau. Ich würde sagen: Viel in dieser Debatte hat mit Gefühl zu tun, und das Gefühl ist, nicht repräsentiert zu werden. Ich kann die Frustration darüber gut verstehen. Ich wünsche mir einen Ostbeauftragten, der Ostdeutschland in der Bundesregierung vertritt, der Stimmungen wahrnimmt, vor allem, wenn sie seit Jahrzehnten existieren, und mit diesen politisch umgeht, der das Thema Repräsentanz aufnimmt, selbst wenn er nicht für eine Ostquote ist – da sucht man halt andere Wege –, der Foren organisiert, um Treuhanderfahrung aufzuarbeiten, und zwar gemeinsam, der die historische Aufarbeitung über 2020/2021 hinaus vorbereitet – ehrlich gesagt, da beginnt sie erst richtig; denn da werden die Akten geöffnet –, der die Ansprüche für den Osten geltend macht, der sich auch mal unbeliebt macht und Seehofer in Sachen Wohnungsgesellschaften und Altschulden fordert, der Scheuer in Sachen Schienenreaktivierung treibt, der Verkehrsverbindungen nach Polen und Tschechien thematisiert und so vieles mehr. Es ist schon reingerufen worden: Einen solchen Ostbeauftragten der Bundesregierung haben wir nicht. Stattdessen kennt kein Mensch im Osten den Namen des Ostbeauftragten. Deswegen reden wir nun einmal mehr über einen Untersuchungsausschuss, der aber das falsche Mittel ist, um die Arbeitsverweigerung eines Ostbeauftragten zu kompensieren. Denn was steckt denn hinter den Anträgen auf Einrichtung eines Untersuchungsausschusses? Ich denke, es geht genau um dieses Gefühl. Aber gleichwohl ist ein Untersuchungsausschuss an dieser Stelle kaum das richtige Mittel. Ich gehe das mal im Einzelnen am Antrag der Linkspartei durch. – Das können Sie dann bei Ihrem Stammtisch weiter erklären. Ja, wir brauchen weiterhin Aufarbeitung und Verarbeitung. Dazu brauchen wir Historikerinnen und Historiker. Die politische Wertung hier im Haus über den Vorgang Treuhand ist, wenn wir uns ehrlich machen, relativ klar. Wir brauchen Austausch und Begegnung in Foren. Wir brauchen Verarbeitung. Es darf eben nicht einfach darüber hinweggegangen werden. Wo es Schäden gibt, muss das thematisiert werden. Konkrete Schäden kann man in Untersuchungsausschüssen aber gar nicht thematisieren. Das funktioniert nicht; das ist gar nicht möglich. Und ja, die Akten müssen einsehbar werden, und zwar für alle. Die Technik dafür gibt es. Man muss das digitalisieren und öffentlich machen, am besten mit Open Data, um das Wort in dieser Debatte und in dieser interessanten Konstellation anzubringen. Dann können alle, die sich interessieren, sich das auch anschauen. Und ja, das ist eine Herkulesaufgabe. Ganz ehrlich: Auch das kann ein Untersuchungsausschuss nicht leisten. Im Antrag ist auch zu finden, dass wir das Thema Bodenverwertung aufarbeiten müssen. Da sage ich auch: Ja, Böden und Seen dem Gemeingebrauch zu entziehen, das ist nicht der richtige Weg, aber das sollte man mit dem Blick nach vorne und nicht mit dem Blick nach hinten thematisieren. Wenn man das zusammenfast: Aufarbeitung heißt, dass wir gesellschaftlich darüber reden müssen. Die Organisation dieser Debatte fehlt. Das ist der Auftrag, und ich sehe die Bundesregierung in der Pflicht, hier endlich tätig zu werden. Vielen Dank. Der Kollege Patrick Schnieder hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Oliver Kaczmarek SPD
Oliver
Kaczmarek
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Schluss der Wahlperiode möchte ich auf die Forschungspolitik aus drei Perspektiven blicken. Zum einen: Nach dem Wortbeitrag zur Hightech-Strategie eben müssen wir das Ganze wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Natürlich leistet die Hightech-Strategie einen unverzichtbaren Beitrag für die Erreichung der großen Zukunftsmissionen, der Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht. Natürlich ist sie als Bündelungsstrategie unverzichtbar, um das 3,5-Prozent-Ziel zu erreichen. Es geht darum, mehr Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Staat und Wirtschaft zu induzieren. Sie hat die gesamte Innovationskette im Blick. Und was uns besonders wichtig ist: Sie berücksichtigt Grundlagenforschung und Anwendungsbezug gleichermaßen. Frau Ministerin, Sie haben es angesprochen: Sie folgt dem Grundsatz „Forschung, die den Menschen dient“, und Forschung, die den Menschen dient, muss auch mit den Menschen kommuniziert und entwickelt werden. Hier haben wir große Fortschritte erreicht, und ich freue mich, dass wir in der Koalition gerade in dieser Woche einen weiteren Schritt gehen, die Hightech-Strategie zu ergänzen und der Wissenschaftskommunikation einen neuen Stellenwert zu geben. Zweiter Blick. Die Pandemie beschleunigt die soziale, ökologische und digitale Transformation – das ist eine Binsenweisheit. Wir müssen jetzt die richtigen Schlussfolgerungen aus dem ziehen, was wir in den letzten anderthalb Jahren erlebt haben. Die Entwicklung des Impfstoffes in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte, gar keine Frage. Aber sie ist kein Zufallstreffer oder ein Lotteriegewinn, sondern sie ist das Ergebnis jahrelanger Forschungsförderung, jahrelanger Forschungspolitik, die begünstigt hat, dass in Deutschland Impfstoff entwickelt werden konnte. Die Erkenntnisse daraus machen Hoffnung für viele andere Anwendungen, beispielsweise in der Krebsprävention. Aus Sicht der SPD ist es wichtig, dass wir die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Erstens: die Grundlagenforschung weiter stärken, sie nicht einem Transferzwang aussetzen, sondern Grundlagenforschung in ihrer eigenen Mission betonen. Zweitens: die Medikamentenforschung verstärken. Long Covid ist ein Phänomen, das wir noch viel stärker erforschen müssen. Wir müssen Medikamentenentwicklung vorantreiben, aber wir müssen Medikamentenentwicklung auch mit Produktionskapazitäten zusammendenken; denn diese haben uns nach der Impfstoffentwicklung gefehlt. Das ist eine Lehre und wichtige Schlussfolgerung aus der Coronapandemie: Wir müssen Medikamentenforschung und ‑entwicklung und Produktionskapazitätenausweitung zusammendenken. Drittens: den Transfer von Forschungsergebnissen in die medizinische Versorgung stärken. Ich glaube, das Netzwerk Universitätsmedizin hier in Berlin unter der Führung der Charité ist ein Beispiel dafür, wie Transfer gelingen kann. Das müssen wir auch auf andere Felder ausweiten. Der dritte Blickwinkel. Sie waren es in den letzten 23 Jahren gewohnt, dass mein Kollege René Röspel die Forschungspolitik der SPD kommentiert hat. Ich finde, es ist einen Blick wert: Wie war das eigentlich vor 23 Jahren, 1998, und was hat sich seitdem in der Forschungspolitik getan? 1998 war Deutschland geprägt vom Reformstau, den die Kohl-Ära uns hinterlassen hat. Es gab keinen Pakt für Forschung und Innovation. Es gab keine Exzellenzstrategie, keinen Hochschulpakt, kaum Aufwuchs im Bundeshaushalt. Es standen damals gerade mal umgerechnet 7,2 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung zur Verfügung. Heute stehen 21 Milliarden Euro zur Verfügung – eine Kraftanstrengung, die in verschiedenen Regierungskoalitionen erreicht worden ist. Das war wirklich eine große Kraftanstrengung, die für die Forschung in Deutschland etwas gebracht hat. Wenn ich mir überlege, wie die Situation vor 23 Jahren aussah und wie sie in 23 Jahren aussehen soll, wo wir die Klimaneutralität schon geschafft haben wollen für dieses Land, dann sage ich: Wir haben kaum Zeit. Wir brauchen eine Forschungspolitik, die zum einen der Wissenschaft ganz klar den Rücken stärkt, die zum anderen nicht in einem vagen Weiter-so verbleibt, sondern ganz konkrete Ziele und Entwicklungsziele benennt und die nicht dem Wunsch einiger nach Steuersenkungen für Besserverdienende oder steigenden Rüstungsausgaben geopfert wird. Wir brauchen in den nächsten 23 Jahren Forschungspolitik einen mindestens genauso großen Schritt wie in den letzten 23 Jahren. Herzlichen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Dr. Thomas Sattelberger, FDP.
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Axel Knoerig CDU/CSU
Axel
Knoerig
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Versuche, die Mindestlohnkommission zu beeinflussen und einen politisch gewollten Mindestlohn festzusetzen, sei es über den nationalen Weg oder den europäischen, stellen einen schweren Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie dar. Das sind Worte – jetzt muss ich erst mal schauen, wo die FDP ist – aus einem Antrag der FDP aus der vergangenen Wahlperiode, der den Titel trägt: „Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission garantieren, Subsidiarität achten“. Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, ich habe diesen Antrag mal mitgebracht, und – Herr Vogel, Sie nicken schon – ich werde nach meinem Redebeitrag zu Ihnen kommen und Ihnen diesen Antrag mit den Inhalten, die Sie vergessen haben, geben. Meine Damen und Herren, treffender als die FDP-Fraktion unter dem damaligen Vorsitzenden Christian Lindner hätte ich es nicht formulieren können. Es beschreibt wirklich eindrücklich das Problem des Vorgehens von Bundesarbeitsminister Heil bei der Anhebung des Mindestlohns, Frau Griese. Damit kein Missverständnis entsteht: Es geht um das Vorgehen, nicht um das Ziel. Der Mindestlohn in Deutschland – das sagen wir ganz klar – muss höher ausfallen und muss auch schneller steigen als bisher. CDU und CSU sind angetreten, die Regierungsarbeit kritisch und auch konstruktiv zu begleiten, und deswegen will ich hier auch unsere Positionen darlegen. Wir befürworten die Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro. Weshalb? Erstens. Die Mindestlohnbezieher haben tendenziell stärker unter Corona gelitten als die Gut- und Durchschnittsverdiener. Oftmals haben sie in kritischen Bereichen, wie der Logistik, lebenserhaltende Arbeit geleistet. Hier sagen wir als Union: 12 Euro sind eine Art Anerkennung dieser Leistungen unter diesen erschwerten Bedingungen. Zweitens. Die Mindestlohnbezieher sind von der gestiegenen Inflation, nicht zuletzt aufgrund der Energiepreise, besonders hart getroffen. In einer sozialen Marktwirtschaft ist es der bessere Weg, dies über eine höhere Entlohnung für selbst geleistete Arbeit zu kompensieren als durch eine Aufstockung der Bundesregierung. Herr Kollege, der Kollege Markus Kurth erwägt, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen. Möchten Sie das gerne zulassen? Das machen wir doch, Herr Kurth. Bitte schön. Herr Knoerig, Sie geben an, das Ziel von 12 Euro Mindestlohn als Unionsfraktion mit uns zu teilen, sagen aber, der Weg sei eben nicht der richtige. Das hieße also, die Mindestlohnkommission müsste die 12 Euro festschreiben. Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberseite – die BDA, Gesamtmetall und die anderen Arbeitgeberverbände – auch nur die leiseste Andeutung gemacht hat, in der Mindestlohnkommission zu diesem Schritt bereit zu sein? Wenn Sie dafür keine Anhaltspunkte haben: Wie anders, als mit einer gesetzlichen Änderung, würden Sie denn dann das ja angeblich auch von Ihnen geteilte Ziel erreichen wollen? Werter Herr Kollege Kurth, Sie haben Ihren Einstieg gut gewählt; Sie haben das, was ich hier zum Ausdruck bringen wollte, gut reflektiert. Ich sage Ihnen aber auch eines ganz klar: Es wird versucht, dass wir als Union uns an dem Verfahren festbeißen, sodass Sie als Regierung sagen können: Seht ihr, die wollen die 12 Euro im Grunde genommen nicht. – Ich sage Ihnen ganz klar: Das ist mit uns nicht zu machen. Wir stehen an der Seite derer, die einen Mindestlohn bekommen, und ich habe Ihnen gerade zwei gute Gründe genannt: nicht nur die Coronapandemie, sondern auch die Energiepreise und die Inflation. Deswegen sagen wir: Das Ziel von 12 Euro ist richtig. – Ich lade Sie ein: Hören Sie meinem Redebeitrag weiterhin so aufmerksam zu. Dann werde ich Ihnen auch noch darlegen, wie wir das – gegebenenfalls auch mit Ihnen, wenn Sie es wünschen – optimieren möchten. Ich komme zu meinem dritten Punkt – da gucke ich auch noch mal zur FDP, und ich sage es in aller Klarheit und Deutlichkeit –: Für uns kann es keine faktische Ausschaltung der Mindestlohnkommission geben. – Das will ich hier noch mal auf den Punkt bringen. Meine Damen und Herren, die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände müssen in die Lohnfindung eingebunden werden; ohne sie geht es nicht. Dafür hat ja auch die SPD bei der Einführung entsprechend mitgestimmt. Die Gewerkschaften müssen die Möglichkeit haben, wenn erforderlich, ihre Tarifverträge nachzuzeichnen. Man sieht ja jetzt, dass das bis Juni, Juli in Teilen auch vorgenommen wird. Ich mache Ihnen noch einen konstruktiven Vorschlag der Union: Ergänzen Sie den Auftrag der Mindestlohnkommission um ein Kriterium für eine angemessene Alterssicherung! Bislang bildet die Mindestlohnkommission die tarifliche Lohnentwicklung nach. Um die Mindestlöhne schneller anheben zu können – das sagen wir –, sollte die Nachzeichnung beendet werden. Dieser Koalition fehlt schon zu Beginn der Mut, der Lage im Land ins Gesicht zu sehen. Das gilt insbesondere für die Rentenpolitik. Eine echte Reform der Rente ist dringend erforderlich. Ihre vielgerühmten doppelten Haltelinien nimmt Ihnen angesichts der demografischen Entwicklung wirklich niemand mehr ab. Das ist keine Politik des Respekts, wie der Herr Bundeskanzler so gerne sagt, das ist das Gegenteil: Das ist respekt- und auch verantwortungslos. Meine Damen und Herren, wer sein Leben lang hart gearbeitet hat, der muss auch im Alter ein gutes Auskommen haben, und dafür setzen wir uns ein. Wir brauchen Lösungen, die auch über diese Legislaturperiode hinaus Wirkung zeigen, und daran werden wir entsprechend mitwirken. Meine Damen und Herren, Sie werden jetzt sicherlich – und da gucke ich auch zur FDP – auf Ihr Vorhaben Aktienrente hinweisen. Das ist schön und gut; wirklich eine nette Idee. 10 Milliarden Euro werden aber vorne und hinten nicht ausreichen, um die Rente zu sichern. Die Rentenversicherung hat in 2021 dargelegt, dass sie 340 Milliarden Euro an die Rentnerinnen und Rentner ausgeschüttet hat; die Tendenz ist steigend. Wir brauchen deshalb schnell Geld. Es kommen jetzt die sogenannten Babyboomer-Zeiten. In der Mitte des Jahrzehnts werden viele in den Ruhestand wechseln, und für den langfristigen Aufbau eines Kapitalstocks reicht die Zeit schlichtweg nicht aus. Wir haben viel Zeit verloren, weil die SPD eine aktienbasierte Rente wie der Teufel das Weihwasser bekämpft hat. Ich frage Sie: Was ist denn sozialer, als auch Normalverdiener an den steigenden Aktienkursen teilhaben zu lassen? Ich betone: Bei der Rente müssen alle drei Säulen angegangen werden. Die private und auch die betriebliche Altersvorsorge müssen ebenfalls gestärkt werden. Wachen Sie endlich auf! Da gucke ich zum Arbeitsministerium. Auch hier gilt: Respekt vor der Lebensleistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! Das zeigt sich vor allem, indem man die Realität annimmt und dann auch entsprechend handelt. Deswegen sage ich: Wagen Sie doch mal einen großen Wurf! Ein weiteres Thema will ich noch ganz kurz ansprechen: die Pflege. Ich meine, Minister Spahn hat hier ein gutes Fundament vorgelegt; darauf kann der Herr Lauterbach aufbauen. Es gab jetzt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das sich mit der häuslichen Pflege beschäftigt hat und viele Fragen aufwirft. Da geht es um 300 000, 400 000 Pflegedienstleistende aus Mittel- und Osteuropa. Da sagen wir ganz klar: Wir wollen, dass für unsere älteren Mitbürger weiter eine 24-Stunden-Pflege zu Hause möglich gemacht wird, dass das hier also weiterhin vollzogen werden darf. Und da frage ich mich mit Blick zum Arbeitsministerium: Warum handeln Sie hier nicht? Herr Kollege. Sie haben hier jetzt doch Verantwortung. Da muss gehandelt werden. Herr Kollege. Ducken Sie sich nicht weg! Wir helfen gerne mit Vorschlägen, aber handeln müssen Sie schon selbst. Herr Kollege, Ihre Zeit wäre vorbei gewesen. Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin, für die großzügig eingeräumte Überziehung um 40 Sekunden. Danke. Es ist gut, dass Sie das gesagt haben, weil das jetzt sicherlich dazu führen wird, dass Ihr PGF hierherkommt und dem nächsten Kollegen sagen wird, wie es weitergeht. – Schonend beibringt. – Die nächste Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Stephanie Aeffner.
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Mathias Stein SPD
Mathias
Stein
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen mehr Güter vom Lkw auf die umweltfreundliche Schiene verlagern. Dafür müssen wir das Schienennetz fit machen, und das tun wir als Koalition. Für viele Anwohnerinnen und Anwohner bedeuten große Schienengütertrassen aber eben auch mehr Lärm, mehr Erschütterung und mehr Einschränkungen. Im Jahr 2016 haben SPD und Union mit dem sogenannten TEN-Trassen-Antrag einen Vorschlag erarbeitet, um besonders betroffene Regionen zu unterstützen. Diese können nun Schutzmaßnahmen erhalten, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen. Konkret bedeutet das: mehr Lärmschutz. Das gilt für Gütertrassen, die Teil der transeuropäischen Netze sind und zu denen in einem strukturierten Beteiligungsprozess Forderungen erarbeitet worden sind. Der Antrag der Koalition wurde 2016 einstimmig im Bundestag beschlossen, auch mit Stimmen der Linken und der Grünen; die FDP hatte damals eine kurze Pause im Bundestag eingelegt. All die Regionen, die die Kriterien des TEN-Trassen-Beschlusses erfüllen, können entsprechende Forderungen an die Politik richten. Einen Automatismus, dass die Forderungen dann auch umgesetzt werden, gibt es allerdings nicht. Es obliegt uns Parlamentarierinnen und Parlamentariern, bei jedem Projekt genau zu prüfen, welche Forderungen wir verantworten können. Hanau–Gelnhausen ist das erste Projekt, bei dem der TEN-Trassen-Beschluss angewendet wird. Mit unserem Entschließungsantrag, im Ausschuss vorgelegt, beweisen wir als Koalition, dass wir es ernst meinen mit dem Schutz der besonders betroffenen Regionen. Wir haben uns die Kernforderungen und auch die Einschätzung des Verkehrsministeriums, des Eisenbahn-Bundesamtes und der Deutschen Bahn dazu genau angesehen und können den Forderungen fast vollständig zustimmen. Unser Entschließungsantrag ermöglicht mehr Lärmschutz, weil sowohl beim Ausbau als auch beim Neubau ein höherer Lärmschutzstandard gilt, mehr Barrierefreiheit, weil alle Stationen barrierefrei gebaut werden und Bahnsteige möglichst drei Meter breit sein müssen, und mehr Sicherheit bei allen Neu- und Umbauten, weil wir eine Videoüberwachung ermöglichen. Wir investieren in den Schutz der Menschen 24 Millionen Euro mehr, als in der Standardvariante vorgesehen ist. Darüber hinaus sind wir sogar bereit, die Kommunen finanziell mit bis zu 5 Millionen Euro für eine schönere Gestaltung der Lärmschutzwände zu unterstützen. Wir zeigen: Wir nehmen die Sorgen der Menschen vor Ort ernst. Ich danke allen Bürgerinnen und Bürgern aus der Region, die sich engagiert in den Planungsprozess eingebracht und ihre Anliegen sachlich erstritten haben. Mit dem heutigen Beschluss wird ihr Engagement belohnt. Das Projekt Hanau–Gelnhausen ist damit Blaupause für eine Reihe noch kommender Projekte wie die Hinterlandanbindung der Fehmarnbeltquerung bei uns in Schleswig-Holstein, die Wallauer Spange in Hessen oder das Alpha-E-Projekt in Niedersachsen. Mit diesem Entschließungsantrag zeigen wir als Koalition, dass wir es mit einer klimafreundlichen Verkehrswende ernst meinen und sie gemeinsam mit den Menschen gestalten wollen. Schade, dass Grüne und FDP im Ausschuss unserem Koalitionsantrag nicht zugestimmt haben. Sie haben jetzt die Gelegenheit, das im Plenum zu tun. Meinem Kollegen Donth und seiner Frau gratuliere ich natürlich zur silbernen Hochzeit. Ich hätte nie gedacht, dass Sie, so jung wie Sie sind, schon so lange verheiratet sind. Feiern Sie noch schön! Herzlichen Dank. Vielen Dank, Mathias Stein. – Ja, und dass er immer noch so glücklich aussieht! Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Dr. Christian Jung.
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Astrid Damerow CDU/CSU
Astrid
Damerow
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! 1,6 Millionen Tonnen Altmunition alleine in deutscher Nord- und Ostsee, ausgesetzt der fortschreitenden Korrosion und vor allem in der Nordsee natürlich den Gezeiten, ob als Beifang in der Fischerei, als Schadstoff aus Abbauprodukten in Fischen und Muscheln, als explosives Hindernis für den Ausbau und die Entwicklung von Häfen, Schifffahrtsrouten, Pipelines, Kabeltrassen oder Offshorewindparks oder als fälschlicherweise wie Bernstein anmutender Strandfund – Altmunitionsreste sind ein erhebliches Umweltproblem und ein leider durchaus auch schwer einzugrenzendes Sicherheitsrisiko für Mensch und nicht zuletzt auch für die Natur in unseren Meeren. Dazu kommt: Bergung und Vernichtung sind aufwendig und sehr kompliziert. Verehrte Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP, die Intention und die Zielrichtung Ihres Antrages teilen wir ja durchaus; es hat ja dazu im Vorfeld schon Gespräche gegeben. Auch uns ist die Größe der Munitionsmengen vollkommen klar. Wir alle, wie Sie auch, wissen, dass die Problemlösung ein Marathon ist. Im Gegensatz zu Ihnen will ich aber darauf hinweisen, dass wir und die Bundesregierung sich schon sehr lange in diesem Marathon befinden, und das auch sehr aktiv. Die Komplexität, das immense Gefahrenpotenzial, die unabsehbaren Kosten, aber auch die Fülle an betroffenen und zuständigen Institutionen und Ressorts verlangen auch in Zukunft einen verantwortungsvollen sachlichen Umgang mit der gesamten Thematik. In Deutschland als föderalem Staat liegt die Hauptzuständigkeit im Rahmen der Gefahrenabwehr in wesentlichen Teilen bei unseren Bundesländern. Hierbei erfahren sie aber – im Gegensatz zu dem, was der Kollege der FDP gesagt hat – durchaus die Unterstützung des Bundes mit Übernahme – Stand heute – von bis zu 50 Prozent der Kosten. Aber natürlich kommt auch die Bundesregierung ihrer Verantwortung nach. Das tut sie vor allem in der Zusammenarbeit mit den Ländern: ob in der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Nord- und Ostsee oder auch regelmäßig in den Konferenzen unserer Umweltminister. Die Bundesregierung fördert und unterstützt seit Jahren Forschung sowie technische und organisatorische Entwicklungen zur Erfassung und Bergung von Munitionsresten in unseren Meeren. Wir sind dabei weltweit führend. Ob im UDEMM-Projekt oder auf internationaler Ebene bei DAIMON und DAIMON 2: Der Bund trägt hierzu eine Menge bei, auch finanziell. Im Einzelfall übernimmt der Bund auch Kosten bei der Gefahrenabschätzung und bei der Kampfmittelbeseitigung, soweit der Schiffsverkehr gefährdet ist oder eigene Baumaßnahmen durchgeführt werden müssen. Zudem werden Aktivitäten der Kampfmittelräumdienste der Länder durch unsere Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung unterstützt. Man kann nun wirklich nicht sagen, dass sich der Bund bei diesem Thema vollkommen heraushält. Ebenfalls zu kurz kommt in Ihrem Antrag unserer Ansicht nach die internationale Dimension dieses Problems. Auf diplomatischem Wege war Deutschland bisher Vorreiter und wird es auch in Zukunft sein, um auch das Problembewusstsein bei den Anrainern am Leben zu erhalten, vor allem im Ostseeraum, aber durchaus auch im Nordseeraum. Ein gemeinsames Problembewusstsein wird immer die Grundlage für einen länderübergreifenden Lösungsansatz sein. Ganz aktuell hat Deutschland den Vorsitz der HELCOM, und die Munitionslast im Meer ist hier zu einem Schwerpunktthema erklärt worden. Ich möchte auch darauf hinweisen – Sie wissen das –, dass meine Fraktion und unser Koalitionspartner aktuell in der Abstimmung eines Antrages zu genau diesem Thema sind. Es gab dazu auch Gespräche mit Ihnen. Hier war der Kollege Peter Stein maßgeblicher Initiator, der hierzu nachher noch sprechen wird. Sie sehen also: Das Problem ist bei uns durchaus erkannt. Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren dieses Thema ständig auf ihrer Agenda gehabt. Diese Darstellung, das wäre nicht so, möchte ich nun wirklich zurückweisen. Aber selbstverständlich müssen wir noch mehr wissen. Die Wissenschaft schreitet voran, die technologische Entwicklung schreitet voran. Wir müssen all dies zusammenbringen. Deshalb möchte ich hier auch noch mal appellieren: Ich glaube, wir sind alle nicht so weit voneinander entfernt, was die Inhalte unserer Anträge anbelangt, Da die Länder hier auch eine wesentliche Zuständigkeit haben und wir sehr unterschiedliche Länderregierungen haben, bin ich sehr gespannt auf die Diskussionen in unseren Ausschüssen und freue mich darauf, wenn wir Ihren Antrag und, wenn wir es hinbekommen, dann auch unseren Antrag gemeinsam in den Ausschüssen diskutieren können und damit für das Thema und im Sinne der Menschen und auch der Umwelt einen Schritt weiterkommen. Ganz herzlichen Dank. Vielen Dank. – Das Wort hat Karsten Hilse von der AfD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Achim Kessler DIE LINKE
Achim
Kessler
DIE LINKE
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne! Herr Minister Spahn, schon 2012 haben Sie vom „einheitlichen Versicherungsmarkt“ als Ihrer Zukunftsvision gesprochen. Nach Ihrer Vorstellung sollen sich die gesetzliche und die private Krankenversicherung angleichen – in einem, wie Sie sagen, „offenen Wettbewerbssystem“. Mit dem vorliegenden Gesetz kommen Sie dieser Horrorvision wieder ein Stück näher. Noch unterliegt die gesetzliche Krankenversicherung dem Sozialrecht. Aber erstmals schreiben Sie den Wettbewerb in das fünfte Sozialgesetzbuch. Schritt für Schritt bereiten Sie vor, dass die gesetzliche Krankenversicherung wie die private dem Wettbewerbsrecht und damit letztendlich dem EU-Recht unterworfen wird. Dem stellt sich Die Linke konsequent entgegen. Herr Minister, Sie untergraben die Selbstverwaltung durch Gewerkschaften und Arbeitgeber, indem Sie dem betriebswirtschaftlichen Management der Kassenvorstände mehr Macht geben. – Jetzt hätte ich eigentlich Applaus von der FDP erwartet. – Aus Krankenkassen, die den Versicherten gehören, werden Unternehmen, die aus den Bedürfnissen ihrer Kunden Profit schlagen. Meine Damen und Herren, Sie müssen sich entscheiden: Wollen Sie entweder den Wettbewerb, oder wollen Sie einen funktionsfähigen Sozialstaat? Beides zusammen geht nicht. Die Linke jedenfalls will einen Sozialstaat, auf den sich die Menschen auch wirklich verlassen können. Aber ein wenig scheint auch Ihnen zu dämmern, dass Markt und Gesundheit nicht zusammenpassen; denn in diesem Gesetz stehen auch Maßnahmen, die einige Auswüchse des Wettbewerbs immerhin begrenzen sollen. Wir begrüßen, dass Sie endlich eine seit zehn Jahren von der Linken vorgetragene Forderung umsetzen. Statt wie bisher nur 80 sollen künftig alle Krankheiten zur Berechnung der Erstattungen an die Kassen herangezogen werden. Das ist ein Fortschritt. Aber, meine Damen und Herren, das reicht nicht aus; denn weiterhin profitieren solche Kassen im Wettbewerb, die viele Ablehnungsbescheide verschicken und Filialen vor Ort schließen, und es gewinnen diejenigen, die mit Hochglanzwerbebroschüren und oft unsinnigen freiwilligen Leistungen Versicherte ködern. Die Versicherten müssen Brillen und Zahnersatz zum großen Teil selbst bezahlen. Gleichzeitig werden Leistungen aus ihren Beiträgen finanziert, deren Nutzen – wie zum Beispiel bei der Homöopathie – wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist. Meine Damen und Herren, das ist Unsinn, und das muss beendet werden. Die Kassen bekommen Geld für die Krankheitsdiagnosen ihrer Versicherten, und nicht für die tatsächlichen Kosten, die sich aus der Behandlung ergeben. Solange das so ist, wird es Manipulationsversuche geben. Niemand käme auf die Idee, Schulen nach den Noten ihrer Schülerinnen und Schüler, niemand käme auf die Idee, die Polizei nach der Anzahl ihrer Festnahmen zu finanzieren. Aber bei den Krankenkassen soll das funktionieren? Meine Damen und Herren, das ist absurd. Hören Sie auf, immer mehr Markt und Wettbewerb in die Gesundheitspolitik zu bringen! Das schadet den Versicherten. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Die Kollegin Maria Klein-Schmeink hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
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Mahmut Özdemir SPD
Mahmut
Özdemir
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Seitz, es hält Sie keiner hier. Es ist an Geschmacklosigkeit und Ekelhaftigkeit nicht zu überbieten, dass sich jemand von russischem Kapital beim Redenschreiben die Hand führen lässt und gleichzeitig ein Gesetz zur Regelung von parteinahen Stiftungen schreibt, das Ihnen auf den Leib geschneidert ist. Das ist Selbstbedienungsmentalität. Das ist schäbig und ekelhaft. Langwierige Gesetzgebung ist nicht immer gute Gesetzgebung, und gute Gesetzgebung ist nicht immer langwierig. Deshalb lasse ich an dieser Stelle den Oppositionsfraktionen das Zeitargument auch nicht durchgehen, weil gute Argumente nie etwas mit Zeit bzw. mangelnder Zeit zu tun haben. Wenn man Gedanken gehabt hätte, dann hätte man diese Gedanken auch im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses einbringen und in der Sachverständigenanhörung mitteilen können. Damit möchte ich direkt zu Beginn dem Eindruck entgegentreten, dass es sich bei den vorliegenden Änderungen im Parteiengesetz um eine Überrumpelung der anderen Fraktionen handelt. Die von den Regierungsfraktionen vorgelegte Änderung im Parteiengesetz in Gestalt des Änderungsantrages bezieht sich nämlich nur auf zwei wesentliche Punkte: erstens die Erhöhung des absoluten Höchstbetrages und zweitens die Festsetzung in Höhe von 190 Millionen Euro zum Jahre 2019. Diese beiden Punkte sind schnell zu erfassen und auch parlamentarisch zu würdigen. Die parlamentarische Würdigung nach der ersten Lesung im Deutschen Bundestag haben wir mit der Anhörung fortgesetzt. Das war im Übrigen eine den Sachverhalt vertiefende, notwendige Anhörung, die trotz des engen Zeitplans der Sache auch gerecht geworden ist. Ich bedanke mich daher ausdrücklich bei den Oppositionsfraktionen für die kritische Diskussion im Rahmen der Anhörung der geladenen Sachverständigen. Das Ergebnis war aber deutlich. Neben der vereinzelten Kritik, dass die Parteien in eigener Sache entscheiden und bedauerlicherweise keine parteiübergreifende Einigung vorliegt, wurden die Änderungen von der Mehrheit der Sachverständigen als maßvoll, bescheiden und sinnvoll bezeichnet. Entscheidungen in eigener Sache mögen teilweise eigenartig anmuten. Doch das Grundgesetz legt die Demokratie und die Demokratie durch die Parteien bewusst und mit klarem Verstand in die Hand des Gesetzgebers. In der Öffentlichkeit dann den Eindruck zu erwecken, als täten der Deutsche Bundestag und insbesondere die Regierungsfraktionen etwas Unmoralisches oder Unzulässiges, ist schlicht unanständig, zumal alle diejenigen, die scharfe Kritik üben, selber keinen Bedarf haben, weil sie irgendwelche zwielichtigen Finanzquellen haben oder aber auch stiller Nutznießer dieser Änderungen sind. Daher halte ich es für geboten, dass wir uns in der Sache mit den Änderungen auseinandersetzen. Lassen Sie uns darüber streiten, ob die finanzielle Teilausstattung der Parteien in der Höhe nachvollziehbar ist. Lassen Sie uns darüber reden, ob die gesetzliche Ausgestaltung des Parteiengesetzes zeitgemäß ist. Nichts dazu habe ich heute an Argumenten gehört. Aber lassen Sie uns zum Schutze des Vertrauens in die Parteien deutlich machen, dass es hier um Gelder geht, die treuhänderisch und verantwortungsvoll in unser Gemeinwesen zurückfließen. Der Stehtisch mit dem Schirm, der Handzettel für die Befragung der Bürgerinnen und Bürger dazu, was sich in ihrem Umfeld ändern soll, die Unterstützung und Würdigung von Forderungen aus Bürgerbegehren genauso wie das zielgerichtete Aufbereiten von Informationen über Parteitage für Twitter und Facebook und das Bedienen von Kurznachrichtendiensten auf dem Smartphone: Das alles wird daraus finanziert. Das Geld fließt hier nicht in die Parteien, sondern durch die Parteien zurück in die Willensbildung des Volkes. Die Menschen müssen in die Lage versetzt werden, zu wissen, was eine Partei will. Und das ist eben keine Einbahnstraße. Die Änderungen sind auch notwendig geworden, weil das beträchtliche Ungleichgewicht zwischen der relativen und der absoluten Höchstgrenze im Parteiengesetz den Gesetzgeber zum berichtigenden Handeln nahezu aufruft. Die relative Höchstgrenze führt derzeit bei allen berechtigten Parteien – und auch Sie streichen diese Gelder ein; jetzt tun Sie mal nicht so scheinheilig! – zu einem Anspruch von rund 190 Millionen Euro. Das ist sachlich nachvollziehbar. Diese relative Höchstgrenze achtet darauf – ich erkläre Ihnen das auch gerne noch einmal persönlich –, dass den Parteien nicht mehr gegeben wird, als sie selber erwirtschaftet haben. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Hoffmann, FDP? Nein, ich würde gerne im Zusammenhang vortragen und möchte fortfahren. Die relative Höchstgrenze haben wir gerade angesprochen. Die absolute Höchstgrenze bleibt demgegenüber bei 165 Millionen Euro stehen. Das heißt, obwohl ein höherer Anspruch besteht, steht nicht mehr Geld zum Verteilen zur Verfügung. Wenn die relative Höchstgrenze also mit ihrer überschießenden Innentendenz regelmäßig die absolute Höchstgrenze überschreitet und damit zur Kappung von tatsächlich bestehenden Ansprüchen führt, ist Handlungsbedarf gegeben. Diesem kommt die gesetzgeberische Lösung mit der Erhöhung auf den tatsächlichen Bedarf – auf den nachvollziehbaren Bedarf – auch nach, zumal seit 2011 überhaupt keine Anpassung oder Erhöhung stattgefunden hat. Die absolute Höchstgrenze ist ein verfassungsrechtliches Stoppschild, dass das Maß gewahrt werden soll. Sie ist nicht streng rechnerisch zu betrachten. Sie ist vielmehr eine mahnende, eine strenge Darlegungslast. Aber sie gewährt auch dem Gesetzgeber einen Beurteilungsspielraum, einen Spielraum, um auf wesentliche Veränderungen der politischen Willensbildung und der Landschaft zu reagieren. Die Kappung der wesentlich höheren Ansprüche durch die absolute Grenze ist auch ein Zeichen dafür, dass die eigene Erwirtschaftung von Mitteln durch die Parteien immens gestiegen ist. Das System der Teilfinanzierung nach dem Parteiengesetz in Zusammenschau mit der öffentlichen Rechenschaftspflicht der Parteien bietet die Sicherheit dafür, dass die Parteien weder zu staatsabhängig noch zu wirtschaftsabhängig werden. Wenn man sich das Ganze anschaut, dann sieht man, dass es auch eine Schutzpflicht des Gesetzgebers ist, die wir heute ausüben, die aus Artikel 21 Grundgesetz fließt und die wir gegenüber den Parteien haben. Die Erhöhung der staatlichen Teilfinanzierung von Parteien ist nachvollziehbar und begründet und entspricht dem tatsächlichen Bedarf. Die Art und Weise der Verwendung der Mittel folgt immer noch dem innerparteilichen Selbstverständnis von Teilhabe. Die Parteien müssen Rechenschaft darüber ablegen können, dass sie die Mittel zum Zweck der politischen Willensbildung auch aufgebracht haben. Politische Willensbildung bedeutet im Jahre 2018, dass man die Lebenswirklichkeiten der Menschen berücksichtigt. Die Kommunikation hat sich wesentlich verändert. Während früher die Mitgliederversammlungen der Ort für die Einflussnahme oder die Tageszeitungen die Informationsquelle war, so ist es heute zusätzlich – zusätzlich, auch zusätzliche Kosten verursachend – ein Messenger-Dienst, eine Internetseite, eine App, die gepflegt werden muss. Während früher von 19 bis 21 Uhr in Sitzungen der Raum zur Diskussion bestand, so besteht heute der Raum zur Diskussion rund um die Uhr, und das teilweise mit dem Anspruch einer nahezu postwendenden Rückmeldung auf irgendwelche Internetbeiträge, Posts oder auch Nachrichten. Das Angebot vom Flugblatt über die Tageszeitung bis hin zu Facebook setzt voraus, dass wir diese Entscheidungen den Parteien nicht im Sinne eines Entweder-oder aufzwingen, sondern dass wir ihnen gestatten, dass sie mit einem Sowohl-als-auch auf allen Wegen der politischen Willensbildung unterwegs sein können. Parteien, die auf der Höhe der Zeit sind und Schritt halten mit der Erneuerung der Lebenswirklichkeiten, das sind die wahren Garanten unserer Demokratie und nicht irgendwelche zwielichtigen russischen Co-Finanzierungen. Deshalb brauchen wir eine Parteienfinanzierung. Wir brauchen ein strenges Regiment vom Bundestagspräsidium, das auf Spenden, auf Sponsoring, auf Einnahmen, auf relative, auf absolute Höchstgrenzen ganz genau guckt. Deshalb bin ich stolz auf die Parteienfinanzierung in diesem Land. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Hermann Otto Solms, FDP.
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Gerold Otten AfD
Gerold
Otten
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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Region Darfur ist seit 2003 der Schauplatz eines blutigen Konflikts. Menschenrechte werden missachtet, Zivilisten werden getötet, und Hilfslieferungen für Flüchtlinge fallen brutalen Milizen zur Beute. Um dem ein Ende zu setzen, hat die Afrikanische Union zusammen mit den Vereinten Nationen im Jahr 2007 die Friedensmission UNAMID ins Leben gerufen. Die Zielsetzung von UNAMID ist vom Ansatz her sicherlich gut, geht es doch um den Schutz von Zivilisten in einer der ärmsten Regionen der Welt, um die Sicherheit von Hilfsorganisationen und um die Schaffung eines dauerhaften Friedens. Dennoch stand die UNAMID-Mission wegen unterlassener Hilfeleistung bereits mehrere Male in der Kritik. Darüber hinaus haben in den zehn Jahren des Einsatzes bereits mehr als 70 Angehörige der Mission ihr Leben verloren. Nun bittet die Bundesregierung zum sechsten Mal darum, der Bundestag möge beschließen, die Beteiligung der Bundeswehr an diesem Einsatz zu verlängern. Sie tut das mit einem in sich widersprüchlichen Argument. Zum einen heißt es dort: Die Menschenrechtslage habe sich auch im Jahr 2017 nicht signifikant gebessert und es gelte mit hoher Priorität, die Entwaffnung der Milizen voranzubringen. Andererseits will man aber auch eine Neuausrichtung der Mission mit einer signifikanten Reduzierung des militärischen Anteils. Nur einen Absatz weiter heißt es in derselben Begründung: Bewaffnete Milizen stellen die Mission weiterhin vor große Herausforderungen. Wie es scheint, will man jetzt, im zehnten Jahr von UNAMID, den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Man glaubt nun, mithilfe von Mediations- und Beratungsleistungen in einer Region, in der Hunger und Wasserknappheit zu verzweifelten Kampfhandlungen geführt haben, einen Versöhnungsprozess anstoßen zu können. Entspricht diese Neuausrichtung von UNAMID tatsächlich der Situation im Sudan? Sollten nicht zuerst lokale Krisenherde nachhaltig stabilisiert werden, bevor man bei UNAMID über eine 45‑prozentige Reduzierung des militärischen Anteils nachdenkt? In erster Linie geht es doch um den Schutz der Zivilbevölkerung. Hier sollte die Bundesregierung ihr Gewicht in die Waagschale werfen, nicht zuletzt, weil Deutschland der drittgrößte Beitragszahler der Vereinten Nationen ist. Sie sollte darauf dringen, eine Strategie zu entwickeln, die den Realitäten im Lande Rechnung trägt. Deutschland, das als einziges europäisches Land an UNAMID beteiligt ist, trägt hier eine besondere Verantwortung, nämlich die, sicherzustellen, dass die Anfangsziele dieser Friedensmission schlussendlich doch erreicht werden. Dazu gehört auch, dass Hilfsgüter dort ankommen, wo sie dringend benötigt werden. Meine Damen und Herren, wir dürfen nicht vergessen, dass in dieser Region Hunderttausende Binnenvertriebene auf Schutz und Unterstützung von Hilfsorganisationen angewiesen sind. Der Schutz dieser Organisationen und deren Helfer, von denen die meisten ehrenamtlich tätig sind, sollte oberste Priorität genießen, will man sich nicht erneut dem Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung aussetzen. Mit einer 45‑prozentigen Reduzierung des militärischen Personals ist dieser Schutz kaum zu gewährleisten. Auch hier ist die Bundesregierung gefordert, nachzubessern. Meine Damen und Herren, den Menschen in Darfur geht es zuallererst um die Sicherstellung der Grundbedürfnisse Sicherheit und Nahrung, Rechtsstaatlichkeit und Demokratisierung stehen eher am Ende des Prozesses. Wir vermissen hierzu einen Zeitplan mit konkreten Zielsetzungen und Meilensteinen, die es zu erreichen gilt. Es bleibt die Verantwortung der Bundesregierung, eine solche Planung auf diplomatischem Wege einzufordern, sofern sich die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes nicht auf Dauer immer wiederholen soll. An dieser Stelle möchte ich deutlich machen: Unser Dank gebührt unseren Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, die auch in diesem Jahr aufgrund der anstehenden Parlamentsentscheidungen das Weihnachtsfest voraussichtlich nicht mit ihren Familien und Angehörigen in der Heimat verbringen können. Meine Damen und Herren, Sie haben die Soldatinnen und Soldaten in den Einsatz geschickt. Da hätte ich auch von den anderen Fraktionen etwas Beifall erwartet. Genau wie alle anderen demokratischen Parteien fühlen auch wir von der AfD uns selbstverständlich humanitären Zielen verpflichtet. In ihrem Grundsatzprogramm bekennt sich die AfD zu den Werten der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts. In diesem Programm sprechen wir uns unter anderem dafür aus, Fluchtursachen zu bekämpfen und Entwicklungsländern Hilfe z ur Selbsthilfe zu leisten. Aus diesen Gründen und auch, weil wir zutiefst davon überzeugt sind, dass die Krise in Darfur ohne die Intervention der UN noch wesentlich schlimmere Ausmaße angenommen hätte, spricht sich die AfD zugunsten einer Fortsetzung der deutschen Beteiligung an UNAMID aus und damit auch der Überweisung des vorliegenden Antrags an den Hauptausschuss. Vielen Dank. Als nächste Rednerin hat, ebenfalls zu ihrer ersten Rede, das Wort Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann für die FDP.
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Thomas L. Kemmerich FDP
Thomas L.
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Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Liebe Besucher auf der Tribüne! Liebe Zuschauer, die die Debatte über das Internet verfolgen! Selbstverständlich werden wir zustimmen. Schließlich wird hier ein Förderprogramm für den Mittelstand aufgelegt, das in erster Linie dazu dient, Wachstum, private Kapitalgesellschaften, Innovation und Export zu fördern. Es ist keine Regionalförderung. So weit zu meinem Vorredner. Die Sache mit den Eiern lasse ich einmal weg. Ich halte es allerdings für zu wenig, wenn wir dies als Erfolg für den Mittelstand feiern und damit innehalten. Blicken wir zunächst auf die Instrumente des ERP-Programms. Ist es denn noch zeitgemäß, oder handelt es sich nur um eine immerwährende Fortführung der Maßnahmen aus den Vorjahren? Wir wissen schon heute, dass die Fördermittel insgesamt nicht abgerufen werden. Welche Gründe wird das wohl haben? Im Umfeld der Niedrigzinspolitik ist es für viele Unternehmen trotz der Tatsache, dass Unternehmenskredite noch relativ teuer sind, wenig attraktiv, ein dermaßen bürokratisch überladenes Instrument in Anspruch zu nehmen, das von der Programmatik her unübersichtlich ist und deshalb in Durchführung und Umsetzung sehr schwierig ist. Auch Banker lehnen es ab. Man bedient sich lieber herkömmlicher Instrumente, der Annuitätenkredite der Sparkassen und Volksbanken, die Kapital im Überfluss haben und händeringend nach Anlagemöglichkeiten suchen. Natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass die Nettoinvestitionen des deutschen Mittelstandes seit Jahren aufgrund konjunktureller Einflüsse rückläufig sind. Der Mittelstand denkt nicht wie der Wirtschaftsbericht von 2018 bis 2019, sondern in längeren Perioden. Wenn man einmal auf einen Horizont von zehn Jahren schaut, erkennt man durchaus dunkle Wolken in Form von Überhitzungstendenzen, in Form von Bürokratie – das wurde genannt –, aber auch in Form eines Fachkräftemangels. Kurz etwas zum Thema Wagnisfinanzierung. In unseren Augen ist es besser, hier einen privaten Rechtsrahmen zu schaffen, um Wettbewerbsgleichheit mit den angelsächsischen Räumen und mit anderen Strukturen, die viel erfolgreicher sind, herzustellen. Ich denke, wir sind viel zu spät und Deutschland ist das Schlusslicht. Ein Mytaxi könnte Weltmarktführer sein; es ist aber Uber. Das sollte uns zu denken geben. Wir sollten mehr der Frage nachgehen, was wir in Deutschland, in Europa wirklich dafür tun können, damit sich solche Unternehmen hier ansiedeln. Ich möchte noch kurz auf den KMU-Begriff eingehen. Er ist seit 2005 unverändert. Ich war die Tage bei einem mittelständischen Unternehmen. Es hat jetzt 350 Mitarbeiter und einen Umsatz von 80 Millionen Euro. Dort sagt man: Wir gehörten zu den KMU; ab heute befinden wir uns auf Augenhöhe mit BASF und anderen Global Playern. Auch da sollten wir uns fragen: Tun wir da dem unternehmerisch handelnden Mittelstand nicht einen Bärendienst? Wir sollten alles als Mittelstand definieren, wo Eigentum und Verantwortung in einer Hand liegen. Ich denke, das sollte das Hauptkriterium sein und nicht nur schiere Größe. Schauen wir zurück auf das, was in den letzten Jahren für den Mittelstand passiert ist. Ist das bürokratische Chaos entrümpelt worden? Jeder trägt „Bürokratieabbau“ wie ein Mantra vor sich her; passieren tut nichts. Wir haben Mindestlohndokumentationspflichten. Wir haben das Lohnentgeldgleichheitsgesetz, das Teilzeit- und Befristungsgesetz, die Arbeitsstättenverordnung, Statistiken, die zum Himmel schreien. Ich könnte das Ganze endlos ausführen. Meine Redezeit gibt es nicht her. Wir fordern die Bundesregierung und auch die noch zu bildende GroKo dazu auf, endlich zuzupacken und etwas für den Mittelstand zu tun, und zwar nicht wie bisher: Entbürokratisierung – Fehlanzeige! Digitalisierungsstrategie für den Mittelstand – Fehlanzeige! Ein entsprechender Rechtsrahmen für die Mittelstandsfinanzierung – Fehlanzeige! Einwanderungsgesetz, das dem Mittelstand nützt – Fehlanzeige! Hier besteht ein großer Bedarf, etwas zu tun. Einen weiteren großen Bedarf sehe ich darin, etwas gegen die insgesamt schwache Akzeptanz mittelständischer Unternehmen in dieser Gesellschaft zu tun. Diese schwache Akzeptanz merkt man an Ihren Äußerungen und leider auch an dem nicht so prall gefüllten Saal. Wir mittelständische Unternehmer tun eben nicht, was immer behauptet wird: dass wir das Finanzamt hintergehen, dass wir Mitarbeiter ausbeuten oder Kunden hintergehen. Nein, weit gefehlt. Ihr Misstrauen sollten Sie endlich überwinden. Mittelständler sind vielmehr Leute, die für sich, ihr Umfeld, ihre Familien und vieles andere eine große Verantwortung tragen und sie täglich leben. Wir sollten in Deutschland endlich dazu übergehen, dem Mittelstand eher etwas zuzutrauen, als ihm zu misstrauen. Wir sollten mehr mit Vertrauen als mit Verboten arbeiten. Auch das ist eine Aufgabe der Gesellschaft. Es ist nicht selbstverständlich, was im Wirtschaftsbericht niedergeschrieben ist. Es ist wichtig, dass der Mittelstand geachtet wird. Der Aufschwung ist nicht selbsttragend und keine Selbstverständlichkeit. Der Mittelstand finanziert all die Programme, die wir hier in diesem Parlament gern auflegen. Deshalb: Mehr Respekt und Hochachtung vor dem Mittelstand. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Kemmerich. – Nächster Redner: Alexander Ulrich für die Fraktion Die Linke.
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Sebastian Fiedler SPD
Sebastian
Fiedler
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich versuche mal, ein bisschen in der Historie zu rütteln und das ganze Thema einzuordnen. Das hat den Vorteil, dass sich vielleicht auch die Union an das eine oder andere aus der Vergangenheit erinnern kann. Ich bearbeite dieses Thema beim Bund Deutscher Kriminalbeamter in verschiedenen Funktionen seit fast 13 Jahren und habe noch eine präzise Erinnerung daran, welche Rolle Wolfgang Schäuble bei der Geldwäschebekämpfung eingenommen hat. Deswegen ist es wirklich bemerkenswert, was Sie da aufgeschrieben haben. Ich komme darauf noch zu sprechen. Ich habe noch wahnsinnig gute Erinnerungen daran, wie der Trilog in Brüssel gelaufen ist, als es darum ging, ein Transparenzregister einzuführen. Und ich weiß noch, welches Ministerium in Brüssel mit aller Kraft auf der Bremse gestanden hat bei der Einführung eines Transparenzregisters. Das ist alles ganz bemerkenswert, was Sie dazu aufgeschrieben haben. Aber ich will zunächst das Thema Sanktionen in das rechte Licht rücken. Denn die Verordnung zur Ukraine – Sie haben die richtige Verordnung herausgesucht – ist tatsächlich schon aus dem Jahr 2014; es ist die EU-Verordnung Nummer 269/2014. Wer das noch mal nachschauen möchte, der gibt zwei Suchbegriffe ein – „Bundesbank“ und „Sanktionen“ – und findet, ich glaube, inzwischen 30 Sanktionsregime. Wir in der SPD-Fraktion haben als einzige Fraktion eine Arbeitsgruppe „Kriminalpolitik“ eingerichtet, die sich übergreifend mit solchen Fragen beschäftigt. Sie hat im März schon festgestellt, dass wir überhaupt keine gescheiten Rechtsgrundlagen haben. Ich habe von keiner politischen Partei in der Vergangenheit Initiativen dazu finden können. Ich habe keine kritischen Journalisten gefunden, die in der Vergangenheit darüber berichtet hatten. Ich habe in der Wissenschaft kaum jemanden gefunden, der sich mit den Sanktionen beschäftigt hat. – Das ist die Wahrheit. In dieses Licht gehören alle Vorhaben gerückt, die wir heute besprechen. Wir haben uns natürlich auch angeguckt, wie das woanders ist. In den USA gibt es das OFAC, das Office of Foreign Assets Control. Es gibt in Italien die Guardia di Finanza, die immer mal wieder diskutiert wird. Ich komme gleich noch auf einige Aspekte zu sprechen, wenn die Zeit reicht. Ein zweiter Kontext bietet eine gute Brücke zu den Hinweisen, die der Bundesfinanzminister vorhin richtigerweise gemacht hat. Etwa 100 Milliarden Euro werden hier jedes Jahr kriminell erwirtschaftet, und der Staat sieht weniger als 1 Prozent davon. Jetzt wollen wir alle nicht in der Haut des Bundesfinanzministers stecken, wenn er historisch größte Staatsausgaben zu organisieren hat – jeder einzelne Euro ist wahnsinnig wichtig –; aber dass wir 99 Prozent von den 100 Milliarden Euro liegen lassen, ist die größte Ungerechtigkeitslücke überhaupt. Deswegen sollten wir alle die Reformbereitschaft, die der Bundesfinanzminister hier mutig an den Tag legt, so würdigen, wie es sich gehört. Denn solche Reformen, die wir hier gerade auf dem Tisch liegen haben, haben wir seit Jahrzehnten nicht gesehen in der Geldwäschebekämpfung, und schon gar nicht von der Union, Herr Hauer. Da das alles nötig ist und damit wir das richtig machen, gilt, würde ich sagen, die große Überschrift: Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Sie sehen – das ist ja schon dokumentiert –, dass das die ersten Schritte sind, an verdächtiges Vermögen heranzugehen. Seit März arbeiten wir in der Fraktion schon daran. Das Bundesfinanzministerium, das Justizministerium und die ganze Bundesregierung arbeiten an einem rechtsstaatlich sicheren Konzept. Ich komme auf den Anfang der Rede noch mal zurück. Ich kann wirklich nicht anders, als meine Verwunderung zum Ausdruck zu bringen; denn Ihr gemeinsamer Applaus mit den Linken hat wirklich alles gezeigt. Als ich gestern hier am Pult stand, habe ich gedacht: Sie nutzen im Innenbereich auch schon mal die gleichen Überschriften für Anträge wie die AfD und versuchen, die Regierung mit Ihren Themen rechts zu überholen – Stichwort „schärfere Strafen“. Mit diesem Antrag versuchen Sie aber, ganz links auf der Spur zu überholen. Denn Sie haben lustigerweise zwar „Zollpolizei“ in die Überschrift geschrieben; aber das sind Programme, die von linken Parteitagen kommen. – Zu Ihrem Antrag sage ich sehr viel. Sie müssen nur zuhören, dann hätten Sie die Inhalte erkannt; das hätte Ihnen geholfen. Der entscheidende Punkt ist, dass man daran arbeitet; das machen wir jetzt. Nach dem, was ich Ihnen gerade gesagt habe, müssen wir Jahrzehnte nachholen. Ich habe Herrn Schäuble als ein prominentes Beispiel für das Bremsen genannt. Ein Satz ist in dem Zusammenhang wichtig – Herr Lindner konnte nicht wissen, dass ich mir den schon aufgeschrieben habe; Sie haben nämlich schon 2017 mit diesem Satz aufgewartet –: Der Staat muss die Sicherheit besser organisieren als die Verbrecher. – Es ist ein kluger Satz. Wir müssen bei den neuen Strukturen bedenken und daran arbeiten, dass wir Ermittlungsorganisationen mit neuen Instrumenten brauchen, um dieses eine Prozent signifikant zu steigern und um mehr schmutziges Geld in die Finger zu kriegen; das gehört übrigens den Opfern und dem Staat, je nachdem, welcher Sachverhalt das ist. Dann, glaube ich, kriegen wir tatsächlich Reformen hin, die diese Republik so noch nicht gesehen hat. Und – das kann man sagen – an alle Mafiosi, Schwerverbrecher und Steuerhinterzieher: Ziehen Sie sich warm an! Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Carsten Müller das Wort.
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Christian Petry SPD
Christian
Petry
SPD
Ja. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mal wieder geht es um einen Antrag der AfD, der unter dem Motto gestellt worden ist: Fakten tun nichts zur Sache. – Wenn Sie uns dann zuhören, sagen Sie: Das sind ja alles nur Argumente. – Das kann man doch wohl nicht ernst nehmen, was Sie hier fabrizieren. Es ist fachlich so schlecht. Das gibt uns allerdings die Gelegenheit, unseren Standpunkt zu wiederholen. Wir wollen die Agrarmittel, wir wollen die Regionalmittel, wir wollen die Sozialfonds, wir wollen Erasmus+ als Bildungsprogramm aufwerten, wir wollen Horizon 2020, und wir wollen einen stärkeren Außenschutz. – Das alles wollen wir. Wenn ich den österreichischen Kanzler – mit seinem Vizekanzler Strache – heute richtig verstanden habe, dann will er in Europa 10 000 Menschen im Grenzbereich einsetzen. Er sagt aber, er will nicht mehr Geld dafür ausgeben. Das ist die Quadratur des Kreises; das kommt schon Ihrer Philosophie näher. Wir wollen all die Dinge, die anstehen, erledigen; denn Europa ist das fantastischste Modell, das wir in unserem Gebiet haben. Wir haben ein Friedensprojekt. Sie sind eine antieuropäische Partei, und damit sind Sie eine antideutsche Partei und sonst überhaupt nichts. Sie versündigen sich am deutschen Volk und vor allem an der deutschen Jugend. Das muss man Ihnen entgegenrufen; denn Sie haben keinen Plan und führen ins Unheil. Wir wollen die Mitte Europas stärken. Wir wollen die Ziele ausbauen. Wir wollen ein friedliches, ein souveränes Europa. Dazu dient der mehrjährige Finanzrahmen, der seriös aufgestellt ist. Ich finde den Vergleich Klasse. Was mit diesem einen Euro alles gemacht wird, das ist fantastisch. Das müssen wir unterstützen. Das heißt nicht, dass wir nicht hart in der Sache verhandeln werden, dass wir unsere Position nicht einbringen werden. In diesem Sinne freue ich mich auf spannende und konstruktive Diskussionen hier in diesem Haus und auf europäischer Ebene. In diesem Sinne: Glück auf! Vielen Dank, Christian Petry. – Der letzte Redner in der Debatte: Alois Rainer für die CDU/CSU-Fraktion.
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Karsten Hilse AfD
Karsten
Hilse
AfD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Regierung begibt sich mit ihrem Gesetz – Windkraft an Land – in eine unselige Tradition. In den 1930ern wollte das damalige Terrorregime die sogenannten Reichskrafttürme errichten, um fossile Energieträger nicht mehr zur Stromproduktion nutzen zu müssen und sich unabhängig von Rohstoffimporten zu machen. Der Plan scheiterte, da die dafür notwendigen Werkstoffe nicht vorhanden waren. Damals sollten die Reichskrafttürme direkt in die Städte gestellt werden. Heute zerstören deren Nachfolger unsere Kulturlandschaften und töten Hunderttausende Vögel und Fledermäuse. Wenn es allerdings nach der grünen Bundesregierung ginge, würden diese Killermaschinen mitten in den Vorgärten der ländlichen Bevölkerung stehen. Den grünen Kommunisten, die faktisch die Regierungspolitik bestimmen, trotten die jämmerlichen Reste von Sozis und ehemals Liberalen nur noch hinterher. Zwar mimt Herr Lindner Herrn Kubicki, der sich während der letzten zwei Jahre immer wieder einmal gegen den Rest der Magentasozialisten stellte, wenn es um Grundgesetz und Impfpflicht ging; aber seine Worte fliegen dahin wie ein gelbes, verwelktes Blatt im Wind. Wenn Herr Lindner zu Recht fordert, ergebnisoffen den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken zu diskutieren und ein Verbot von Verbrennungsmotoren auszuschließen, dann schert das die „Die Partei, die Partei, die hat immer recht“ vor sich hin summenden grünen Kommunisten herzlich wenig. Sie gehen ihren Weg der Deutschlandzerstörung und Kriegstreiberei konsequent weiter. Ob sie ihre Weisungen direkt von „Sleepy Joe“ bekommen, ob sie Überzeugungstäter oder einfach nur willenlose und für die Globalisten nützliche Idioten sind, spielt kaum eine Rolle. Das Wirken gegen die Interessen des deutschen Volkes ist nur verachtenswürdig. An der Spitze dieser eiskalten Deutschlandvernichter steht das Duo Infernale, eine Außenministerin, die geschichtsvergessen dem deutschen Volk nach zwei verlorenen Weltkriegen Kriegsmüdigkeit vorwirft, und ein Wirtschaftsminister, der knallhart amerikanische, aber nicht deutsche Interessen vertritt. Schon vor drei Jahren warnte ich hier, an dieser Stelle, dass die Klimareligion, die ja die Begründung für die heute eingebrachten Gesetze ist, nur als Vehikel dient, um sozialistische Verhältnisse einzuführen: Planwirtschaft, Mangelwirtschaft, Verelendung des Volkes, Zerstörung der Natur und die Umerziehung der Menschen zu willenlosen, die Freiheit verachtenden Sklaven. So wie die Partei in George Orwells „1984“ erkannte, dass das Volk im permanenten Ausnahmezustand gehalten werden muss, damit es nicht auf die Idee kommt, den Weg der Regierung zu hinterfragen, so haben das auch die Kommunisten von heute erkannt. Die sinnlosesten und zerstörerischsten Gesetze, wie zum Beispiel das Windkraft-an-Land-Gesetz, können durchgesetzt werden, wenn das Volk nur ständig in Angst gehalten wird: Angst vor Covid, Angst vor Klimainferno, Angst vor Russland. Dann, so die Hoffnung der grünen Kommunisten, fällt den Menschen auch nicht auf, dass die nach außen propagierten Ziele aus den Gründungszeiten, Frieden und Umweltschutz, schon immer nur die Feigenblätter von Menschen waren, die letztendlich ganz andere Ziele hatten: Legalisierung der Pädophilie, Kampf gegen die Bourgeoisie, Zerstörung menschlicher Bindungen, Einführung sozialistischer Verhältnisse. Von der Legalisierung der Pädophilie hat man sich gottlob, bis auf wenige Ausnahmen, verabschiedet. Die anderen Ziele werden heute mehr oder weniger offen verfolgt. In der Zwischenzeit hat man sich potente Unterstützer gesucht und sie auch gefunden: weltweit agierende NGOs wie die Open Society Foundations von George Soros, verschiedene Stiftungen des World Economic Forum und natürlich die Wind- und die Rüstungslobby in Deutschland. Jeder, der sich mit den grünen Kommunisten ins parlamentarische Bettchen legt, versündigt sich an unserem Vaterland. Jeder, der die Altparteien wählt, macht sich mitschuldig an der Zerstörung unserer Umwelt und unserer Lebensgrundlagen. Ich bedanke mich. Dem Kollegen Dr. Lukas Köhler gebe ich jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.
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Dr.
Dr. Manuela Rottmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Manuela
Rottmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Wirtschaft muss einen drastischen Schock bewältigen, und in Normalzeiten völlig gesunde Unternehmen kämpfen jetzt unverschuldet um ihre Liquidität. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in dieser Situation ist richtig, auch die Erleichterung der Zuführung von Liquidität an schwankende Unternehmen durch Gesellschafter oder Gläubiger. Wir halten damit die Uhr für einen Moment an. Wir halten sie für die Unternehmerinnen und Unternehmer an, die mit dieser Situation verantwortungsbewusst umgehen. Denjenigen, die an ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer denken, die an eigene Reserven gehen, um ihren Lieferanten zu helfen, die Forderungen gegenüber ihren Kunden stunden, helfen wir mit diesen Eingriffen ins Insolvenzrecht. Ihnen danken wir dafür, dass auch sie mit dieser Krise so verantwortungsvoll umgehen. Die Erleichterungen im Insolvenzrecht bergen allerdings auch Risiken; darauf will ich hinweisen. Sie können missbraucht werden. Deswegen ist es unerlässlich, dass staatliche Hilfen mit klaren, vollstreckbaren Auflagen versehen werden. Wir müssen in dieser Situation verhindern, dass die Erleichterungen im Insolvenzrecht genutzt werden, um die Renditen von kurzfristig engagierten Investoren zu verbessern, anstatt unsere Unternehmen zu stabilisieren. Die befristete Aussetzung der Kündigung wegen ausstehender Mietzahlungen für nicht leistungsfähige Verbraucherinnen und Verbraucher und Kleinstunternehmer ist für uns tragbar. Das Leistungsverweigerungsrecht für wesentliche Dauerschuldverhältnisse greift jedoch tief in die bewährte Risikoverteilung des allgemeinen Schuldrechts ein. Auch das birgt Risiken. Klare Regelungen zu den Darlegungspflichten hätten der Praxis die rechtssichere Anwendung erleichtert. Eine klare Aussage zur Gegenleistungspflicht wäre notwendig gewesen. Eine bloße Verschiebung von Zahlungspflichten birgt die Gefahr späterer Überschuldung. Hier müssen wir über andere Lösungen nachdenken, zum Beispiel über Sonderkündigungsrechte für nicht wesentliche Leistungen. Dieses Paket kann nur ein erster Schritt sein. Wir brauchen auch ein Signal dafür, dass es nach der Krise weitergeht. Die ohnehin geplante Verkürzung der Frist bis zur Restschuldbefreiung vorzuziehen, wäre ein solches starkes Signal. Lassen Sie mich noch kurz ein Wort zu den Änderungen im Infektionsschutzgesetz sagen, die später beraten werden. An diesen Beratungen wurden wir nicht beteiligt. Es ist richtig, dass der Bundestag entscheidet, ob eine epidemische Notlage von nationalem Ausmaß entsteht, und nicht die Bundesregierung. Ein demokratischer Rechtsstaat kann, muss und wird zeigen, dass sich eine solche Krise auch mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln bewältigen lässt. Es ist aber nicht gut und für mich nicht verständlich, dass der Bundestag beim Erlass von Rechtsverordnungen, die tief in die Grundrechte eingreifen, nicht beteiligt ist. In diesem Gesetz, das wir gerade behandeln, ist das anders. Hier haben wir das geändert. Aber warum man es dann angesichts der tiefen Eingriffe in die Grundrechte im Infektionsschutzgesetz nicht genauso macht, ist für mich nicht verständlich. Vielen Dank. Ich komme kurz zu der namentlichen Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 4 a zurück. Die ersten 30 Minuten sind inzwischen vorüber, sodass ich nun die Abgeordneten, deren Nachname mit den Anfangsbuchstaben L bis Z beginnt, daran erinnere, dass auch sie zur Abstimmung gehen – nicht alle auf einmal, aber in den nächsten 30 Minuten. Natürlich können und sollen alle Kolleginnen und Kollegen in den nächsten 30 Minuten ihre Stimmkarte in die Urne werfen. Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Eva Högl, SPD.
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Sonja Amalie Steffen SPD
Sonja Amalie
Steffen
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum Inhalt des Antrages komme, will ich kurz etwas zu dem Titel sagen. Sie möchten „Einfach frei leben“. Und Sie wollen „Mehr Demokratie wagen“. Und dafür wollen Sie eine Bürgerstunde im Bundestag einführen. Ich muss zugeben, da verstehe ich etwas nicht. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Aber eine andere Sache stört mich noch viel mehr. – Was ist los mit Ihnen, Herr Kollege Brandner? Durften Sie nicht reden? Hat man Sie hier nicht reden lassen? Herr Brandner, jetzt hören Sie auf, hier zu stören, bitte. Haben Sie Tourettesyndrom? Sie können einen Zwischenruf machen, aber nicht ständig diese Störerei. Was stimmt gerade nicht mit Ihnen? Herr Brandner, Sie kriegen jetzt von mir einen Ordnungsruf wegen fortgesetzter Störung der Debatte. Es ist wirklich unerträglich – unerträglich! Mit dem Begriff „Bürgerstunde“ tun Sie gerade so, als würden Sie den Kontakt zu den Bürgern und Bürgerinnen suchen. Dabei könnten Sie mit den Bürgerinnen und Bürgern in Ihrem Wahlkreis ganz einfach in Kontakt treten. Aber das scheint gar nicht Ihr Ding zu sein. Mein Kollege Helge Lindh hat vorhin schon ein Beispiel aus dem Landkreis Teltow-Fläming erwähnt. Ich muss nur bei mir in den Wahlkreis schauen. In meinem wunderschönen Wahlkreis – wahrscheinlich dem schönsten Deutschlands, wie so viele hier sagen – haben wir das große Glück, mit vier starken Frauen als Bundestagsabgeordnete hier im Parlament vertreten zu sein. Und wer möchte, kann bei Claudia Müller von den Grünen, kann bei Kerstin Kassner von den Linken, kann bei Angela Merkel von der CDU oder auch bei mir im Büro einfach vorbeikommen und sein Anliegen vortragen. Weniger Glück haben wir allerdings mit unserem fünften Abgeordneten, dem von der AfD; der hat nämlich gar kein Büro in Vorpommern. Außerhalb von den Listenaufstellungen und den Wahlkampfveranstaltungen fasst er unseren schönen Wahlkreis nicht mal mit der Kneifzange an, und das, Herr Huber, das ist ein Armutszeugnis. Das macht mich auch schon etwas traurig, allerdings nicht allzu traurig, weil wir Rechtsausleger wie Sie in unserem Wahlkreis eigentlich gar nicht haben wollen. Dabei sind wir uns bestimmt alle einig – und das ist heute schon vielfach gesagt worden –: Das Petitionswesen ist ein ganz besonders wichtiger Teil unseres demokratischen Systems, und als langjähriges Mitglied des Petitionsausschusses weiß ich, wie wichtig dieser Ausschuss ist. Wir verdanken dem Petitionsausschuss zum Beispiel die ganz wichtige Petition 91015 – Herr Storjohann weiß bestimmt, was dahintersteckt. Das ist nämlich die Petition, die gefordert hat, dass der Mehrwertsteuersatz für Damenhygieneprodukte, die sogenannte Tamponsteuer, auf 7 Prozent gesenkt wird. Das hat bundesweit für Aufsehen gesorgt, und das ist auf eine Petition zurückzuführen. Wir sollten tatsächlich überlegen, und zwar immer überlegen, wie wir das Petitionsrecht noch besser ausgestalten können. Herr Thomae, ich habe 2011 auch geredet. Damals hatte Ihr Antrag durchaus eine Berechtigung; heute in der Form nicht mehr. Ich sage noch eins dazu: In Ihrer Begründung, Kolleginnen und Kollegen von der AfD, da schreiben Sie, Sie wollten diese Bürgerstunde aus „Ängsten vor dem Souverän“. Sie schreiben davon, dass diese Ängste durch Bürgerstunden abgebaut werden können – ausgerechnet Sie, die Fraktion, die direkte Bürgerkontakte scheut wie der Teufel das Weihwasser und sich lieber hinter Youtube-Videos versteckt! Wir werden Ihren Antrag ablehnen. Vielen Dank.
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Falko Mohrs SPD
Falko
Mohrs
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Komning, Sie haben gleich am Anfang Ihres Redebeitrags zum Besten gegeben, worum es Ihnen eigentlich geht: Es geht Ihnen um Angst, es geht Ihnen um Skandalisierung, es geht darum, Sorgen zu streuen, indem Sie schreiben: Autoland abgebrannt. – Das war ja der Titel, unter dem Sie diese Aktuelle Stunde eigentlich beantragt haben. Das zeigt ja, auf welchem geistigen Niveau Sie sich hier bewegen. Was Sie als AfD tun, ist, Nationalismus nach vorne zu stellen. Ich bin sicher: Das ist das Letzte, was eine globale Industrie braucht. Was Sie tun, ist, alle Förderungen im Bereich Ladeinfrastruktur streichen zu wollen. Das ist mit Sicherheit das Letzte, was der Autoindustrie in Deutschland hilft. Das, was Sie tun, ist, zu glauben: Wenn alles so bleibt, wie es ist – man möchte eigentlich sagen: wenn alles so ist, wie es mal war –, dann wird schon alles gut. – Das ist Ihre Logik. Ich muss Ihnen leider sagen: Nein, wenn alles so bleibt, wie es ist oder war, dann wird es noch viel schlimmer, Herr Komning. Denn das Thema ist viel zu wichtig, um es mit Ihrer rückwärtsgewandten Logik anzupacken. Es ist doch völlig klar: Natürlich hat die Automobilindustrie einen radikalen Wandel vor sich und steckt schon mittendrin. Natürlich ist durch die Digitalisierung der Autoindustrie eine völlige Veränderung von Produkt, Produktion und Prozess zu bewältigen. Und natürlich gibt es doch auch angesichts der Klimaveränderungen und der Umweltdebatte die Notwendigkeit, dass Industrie in Deutschland moderner und umweltfreundlicher wird. Und natürlich ist es ein radikaler Wandel, vor dem die Automobilindustrie steht. Aber, meine Damen und Herren, den Kopf in den Sand der Ignoranz zu stecken, wie Sie es von der AfD tun, das ist doch mit Sicherheit keine Strategie, um die Industrie in Deutschland in die Zukunft zu führen. Das ist wirklich einfach nur einfältig, meine Damen und Herren. – Sie sprechen von „technologieoffenen Innovationen“. Alles, was Sie tun, ist, am Verbrennungsmotor festzuhalten. Alles, was Sie tun, ist, sämtliche Fördergelder streichen zu wollen, die zukunftsgerichtet für die Automobilindustrie notwendig sind. Alles, was Sie tun, ist gegen die Autoindustrie in Deutschland und gegen die Beschäftigten in diesem Land gerichtet. Das, meine Damen und Herren, ist die Realität der AfD. Wenn man sich die Studie anguckt, die die Nationale Plattform „Zukunft der Mobilität“ Anfang der Woche veröffentlicht hat, dann sieht man, was passiert, wenn die E-Mobilität schneller eingeführt wird und Deutschland es nicht schafft, eine aktive Industriepolitik zu machen, um zusätzliche Wertschöpfung im Bereich der Batterieforschung und der Batterieproduktion in unser Land zu holen. Das, meine Damen und Herren, ist aber genau das, was wir gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsminister in der Koalition nach vorne stellen. Herr Komning, Sie behaupten, es gebe gar keine Elektrofahrzeuge, die in Deutschland gebaut werden. Gehen Sie doch mal nach Zwickau! Gucken Sie sich das mal an! Da ist doch für Milliarden das Werk umgerüstet worden, um Elektromobile produzieren zu können. Gehen Sie doch nach Salzgitter, wo die Forschung von Volkswagen angesiedelt wird und in Zukunft Batterien gebaut werden, oder gehen Sie nach Braunschweig! Machen Sie doch mal die Augen auf, Herr Komning! Nehmen Sie doch mal die Realität zur Kenntnis! Stecken Sie nicht – ich habe es gesagt – einfach nur den Kopf in den Sand. Das ist mit Sicherheit keine Vorwärtsstrategie, meine Damen und Herren. Das, was wir in den nächsten Jahren machen, ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur, damit die E-Mobilität eben wirklich zukunftsfähig ist. Das, was wir machen, ist, Gesetze zu ändern, damit der Ausbau der Infrastruktur – das war gerade Anfang der Woche in Bezug auf den Mietwohnungsbau zu lesen – voranschreiten kann. Was wir machen, ist die Ansiedlung von Batterieforschung und ‑produktion in Deutschland. Das, was wir machen, ist, die Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern voranzutreiben, damit Sicherheit im Wandel entstehen kann. Das, was wir machen, ist, mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten dafür zu sorgen, dass Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt entsteht. Herr Houben, vielleicht auch das noch mal ganz kurz: Dass das Land Niedersachsen 20 Prozent an Volkswagen hält, ist eine der Beschäftigungsgarantien dieses Unternehmens und überhaupt nicht schädlich, meine Damen und Herren. Das, was Sie wollen, ist die Privatisierung von Volkswagen in vollem Umfang. Das ist schädlich, meine Damen und Herren. Wir wollen, dass unsere Industrie Zukunft hat und Innovationen voranbringt. Wir wollen die Sicherheit von Arbeitsplätzen erhalten. Sie von der AfD stehen für Angst und Vergangenheit. Herr Kollege, die Zeit ist abgelaufen. Wir stehen für Innovationen und Sicherheit. Das musste gesagt werden, Herr Präsident. Ich danke für die Aufmerksamkeit. Der Kollege Alexander Ulrich hat das Wort für Die Linke.
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Jens Koeppen CDU/CSU
Jens
Koeppen
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir mussten ja lange auf den Antrag warten. Seit 2012 ist er in jeder Legislaturperiode jedes Jahr regelmäßig dabei. Allerdings ist er nicht besser geworden. Sie haben die gleichen alten Argumente, die nachweislich – ich werde Sie darauf noch hinweisen – falsch sind. Allerdings hat sich eins geändert, zumindest bei Ihnen von den Grünen, bei Ihnen von den Linken noch nicht. Sie haben früher davon gesprochen, Stromsperren gesetzlich zu verbieten. Jetzt reden Sie wenigstens davon, dass Stromsperren zu verhindern sind. Das ist ja schon mal was, wo man zueinanderkommen kann. Man kann darüber reden, wie man das macht, wie man Stromsperren verhindert. Es ist natürlich ein ernstzunehmendes Thema. Aber in Deutschland gibt es doch bereits ganz strenge und klare Regeln bei Stromsperren, und zwar, ob, wann und für wen der Energieerzeuger Stromsperren überhaupt verhängen darf. Das ist ganz klar geregelt. Es gibt Schuldnerberatungen. Die Sozialämter erteilen Auskunft, geben Hilfe, wenn eine Stromsperre droht oder bereits verhängt ist. Es gibt ein gutes Netz von Ansprechpartnern. Es gibt Hilfe für die betroffenen Menschen bei der Kommunikation mit dem Stromanbieter. – Sie können sich doch gerne melden und eine Zwischenfrage stellen. – Ja, genau. In § 19 Absatz 2 der Stromgrundversorgungsverordnung ist generell geregelt, dass der Kunde mit mindestens 100 Euro im Rückstand sein muss, bevor der Energieversorger überhaupt aktiv werden darf. In den meisten Fällen darf der Energieversorger überhaupt keine Sperre verhängen, und zwar, wenn im Haushalt eine schwangere Frau wohnt, wenn im Haushalt Kinder leben, wenn im Haushalt alte oder behinderte Menschen leben. Wenn all diese Kriterien nicht vorliegen, muss die Sperre außerdem vier Wochen vorher angekündigt werden. Daher sind sowohl Ihre Ausführungen und Ihr Gekrähe falsch, weil wir hier eine ganz klare Rechtslage haben. Was ist außerdem in Ihrem Antrag inhaltlich falsch? Beide Anträge reden davon, dass es eine wachsende Anzahl von Sperren gibt. Richtig ist: Wir haben eine Abnahme der Zahl von Stromsperren. Das stand ganz klar in der Antwort auf die Kleine Anfrage, die Sie an die Bundesregierung gestellt haben. Wir haben eine Tendenz zu weniger Stromsperren. Ich weiß gar nicht, was Sie da erzählen. Lesen Sie doch einfach mal Ihre eigenen Anfragen. – Sie könnten sie übrigens auch lesen. Hinzu kommt, dass bei der Grundsicherung im Regelsatz ein Betrag – er wird ständig dynamisiert – zur Deckung der Energiekosten enthalten ist. Mittlerweile liegt er bei 36 Euro. Verschiedene Studien und Portale haben gesagt, in solchen Fällen greift bei 39 Euro dieser Energiesatz. Also reden Sie nicht davon, dass nichts gemacht wird. Es gibt noch zu viele Betroffene; aber es liegt nicht an den Regelungen, sondern das Problem liegt möglicherweise – lassen Sie uns mal schauen, wie man das verbessern kann – an der Kommunikation, an der Anwendung der Regelungen, an der Transparenz und möglicherweise daran, wie man die Regeln, die es gibt, vermittelt. Es fehlt aber nicht – und das ist ganz klar – an den Schutzinstrumenten. Die Statistik ist eindeutig. Die Hälfte aller Stromsperren betrifft Haushalte innerhalb der Grundsicherung; das ist richtig. Aber die Gründe der Stromsperren lassen sich nicht auf, wie Sie es schreiben, Energie- oder Einkommensarmut reduzieren. Vielmehr liegt das Problem vielleicht darin, dass es plötzliche Veränderungen im Leben bzw. im Lebensumfeld dieser Menschen gibt, etwa eingeschränkte Finanz- und Planungsfähigkeiten. Darüber, meine Damen und Herren, kann man doch aber reden, anstatt das Problem so zu verteufeln, wie Sie das machen. – Ich habe Ihnen doch gerade – ich weiß nicht, ob Sie überhaupt zugehört haben - die Maßnahmen, die jetzt gesetzlich geregelt sind, alle vorgetragen. Ich fange doch nicht noch mal von vorne an. Dann müssen Sie auch zu später Stunde, auch wenn es der letzte Antrag ist, mal zuhören, Herrgott noch mal! Das ist doch nicht so schwer. Das müssen doch alle machen. Es müssen alle zuhören, und das verlange ich auch von Ihnen. Wenn Sie einen Antrag einbringen, müssen Sie vor allen Dingen auch mal zuhören, was man Ihnen sagt, damit Sie nicht nächstes Jahr wieder mit der ollen Kamelle kommen. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir es besser machen, wie wir die Kommunikation aufbauen, damit so etwas nicht passiert. Studien haben auch ergeben, dass ein Teil der Stromsperren – auch darüber müssen wir reden - auf das bewusste Ausnutzen der Grundversorgungspflichten zurückzuführen ist. Deswegen ist für mich klar: Ein Verbot von Stromsperren ist ein Fehlanreiz, und zwar zulasten der Energieversorgung und letztlich zulasten der Allgemeinheit; denn diejenigen, die sagen: „Ich bezahle die Stromrechnung nicht, weil ich es einfach nicht kann oder nicht will“, tun das aufgrund eines Fehlanreizes, und das müssen wir verhindern, liebe Kolleginnen und Kollegen von Grünen und Linken. Abschließend noch ein Wort zu den Energiepreisen. Trotz steigender Strompreise – und ein Grund dafür sind ja auch unsere Maßnahmen bei Energieversorgung und Energiewende – ist die Anzahl der Stromsperren zurückgegangen. Der Staat hat aber auch die Zuständigkeit, dafür zu sorgen, dass Energie kein Luxusgut wird. Deswegen müssen wir bei allen Maßnahmen, die wir bei der Energiewende, bei der Energieversorgung ergreifen, im Zieldreieck bleiben. Ich bleibe dabei, dass das Zieldreieck für uns alle sein sollte: Versorgungssicherheit, natürlich Umweltverträglichkeit, aber auch Bezahlbarkeit, damit so etwas nicht passiert. Vielen Dank und schönes Wochenende! Steffen Kotré, AfD, hat jetzt das Wort.
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Daniel Föst FDP
Daniel
Föst
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Am 9. November feiern wir den 30. Jahrestag des Mauerfalls. Wir feiern die Überwindung des menschenverachtenden Sozialismus, den Sieg der Freiheit, den Sieg der liberalen Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft. Aber, Freunde von den Linken, wenn ich mir euren Antrag hier anschaue, dann befürchte ich, dass Ihr ein anderes Jubiläum feiern wollt. Statt Mauerfall vor 30 Jahren wollt ihr die DDR-Gründung vor 70 Jahren feiern. Denn Ihr Euphemismus „Mietendeckel“ ist nichts anderes als Sozialismus. Ihr Euphemismus „Mietendeckel“ ist nichts anderes als staatlich organisierte Mangelwirtschaft, ist nichts anderes als die Rückkehr zur Planwirtschaft, von der wir froh waren, dass wir sie endlich überwunden haben. Hinzu kommt, wenn Sie sich einmal ehrlich machen: Dieser Mietendeckel ist die Bankrotterklärung Ihrer eigenen Politik. In allen Städten mit den größten Wohnkostenproblemen – auch Frankfurt – regieren SPD, Grüne und Linke. Wir wissen aus der Geschichte, wir wissen aus der Wissenschaft, wir wissen aus der gescheiterten Mietpreisbremse, dass solche Überregulierungen wie ein Mietendeckel gar nichts bringen, überhaupt nichts. Der Mietendeckel wird die Probleme am Wohnungsmarkt nicht lösen, sondern verschärfen. Die Neubauzahlen – Berlin macht es vor – gehen zurück, weil niemand mehr in Wohnraum investiert. Die Schlangen bei den Wohnungsbesichtigungen werden deshalb noch länger. Statt 300, die keine Wohnung bekommen, müssen Sie Wohnraum für 500 regulieren. Die Klimaziele werden nicht erreicht, weil wegen des Mietendeckels niemand in den Klimaschutz investiert. Die Häuser werden vor sich hingammeln wie die Menschen. Die Menschen werden in Bruchbuden leben wie zu DDR-Zeiten. Der Mietendeckel zerstört den Wohnungsmarkt. Er zerstört das Vertrauen und beendet den Neubau. Und damit schadet der Mietendeckel den Mietern. Das ist mit uns Freien Demokraten nicht zu machen. – Es freut mich immer: Wenn die Linken nervös werden, kommen sie mit der AfD-Keule, meinetwegen. Leider reden wir wegen der ständigen sozialistischen Nonsensideen nie über die tatsächliche Ursache des Problems. Die Mieten steigen, weil Millionen Wohnungen dort fehlen, wo die Menschen leben wollen, weil der ländliche Raum ausblutet. Ich finde es beinahe traurig, dass ich in jeder Rede immer wieder erklären muss – ich sage es gern noch einmal, vielleicht bleibt es hängen –: Wohnungsmangel kann man nicht verbieten, Wohnungsmangel kann man nicht verwalten, Wohnungsmangel muss man beheben. Deswegen empfinde ich es als umso trauriger, dass die SPD als Regierungspartner diesen Überbietungswettbewerb mitmacht. Ich will jetzt nicht beraten, aber, liebe Genossinnen und Genossen, Sie werden doch die Grünen und die Linken nicht links überholen können, sie haben dort dichtgemacht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, statt zu deckeln, statt zu enteignen, statt zu verteuern und zu besteuern, müssen wir schneller bauen, müssen wir günstiger bauen, und wir dürfen den ländlichen Raum nicht länger vergessen. Das schaffen wir nur durch weniger Bürokratie, durch mehr Anreize, durch schnellere Verfahren, durch Planungssicherheit für Bauunternehmen, durch die Digitalisierung der Baubranche. Und das schaffen wir nur durch mehr Bauland. Genau dieses Bauland, das wir brauchen, liegt auf den Dachböden und den Dächern unserer Städte. Wir müssen das Potenzial des Dachausbaus heben. Wir, die FDP, haben das vorgelegt. – Dann hätte sie es machen sollen. Jetzt einmal ohne Scheiß: Dann hätte sie es machen sollen. Die SPD feiert sich für Ideen, die sie nie umsetzt. Das ist doch ein Käs. Sie verschärfen die Problematik. 1997 haben die Zeitungen getitelt: Die Mieten sinken. Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende. Letzter Satz. Ich bin im Crescendo. – 1997 haben die Zeitungen getitelt: Die Mieten sinken. Grund war laut Berichterstattung, dass in drei Jahren 1 Million Wohnungen entstanden sind. So lösen wir das Problem, alles andere ist geschichtsvergessen und ein Schaden für den Mieter. Das machen wir nicht mit. Vielen Dank. Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort der Kollege Christian Kühn.
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Tim Klüssendorf SPD
Tim
Klüssendorf
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir den Antrag der AfD so anschaue – ich spreche aber speziell zum steuerpolitischen Antrag –, unabhängig von meiner grundsätzlichen Ablehnung – Sie können auch weiterreden; ich habe das Mikro, ich bin lauter –, dann stellen sich mir zwei Fragen, zum einen nach der Absicht, nach der Motivation und zum anderen nach dem Handwerk, nach der Umsetzbarkeit. Ich will mit der Umsetzbarkeit anfangen. Wir haben eben schon eine Menge gehört; der Kollege Mordhorst hat ja fein säuberlich ausgearbeitet, wie es mit dem Handwerk aussieht. Um noch mal auf Europa einzugehen: Dass Polen das jetzt versucht, heißt nicht, dass es dadurch rechtmäßiger wird. Alle anderen europäischen Staaten versuchen nämlich andere Wege, den Weg, den wir auch eingeschlagen haben, nämlich den zulässigen Weg über die Energiesteuer, und zwar über eine Absenkung und nicht über eine Abschaffung bzw. Aussetzung. Das ist auch der richtige Weg, der wird uns weiterbringen, und deswegen vertreten wir ihn auch. Was mich aber an dieser Debatte wirklich ärgert – deswegen möchte ich darüber auch ein bisschen ausführlicher sprechen –, ist, dass Sie – das hat auch Herr Gottschalk hier sehr ausführlich dargelegt – sich immer als Vertreter des kleinen Mannes und der kleinen Frau verkaufen. – Das sind Sie eben nicht. Wenn man nämlich die Wissenschaft zurate zieht – und ich weiß ja, dass Sie weder Freund der Wissenschaft noch der Demokratie sind –, dann sollte man sich das Gutachten des ZEW aus dem letzten Jahr anschauen, das die Steuerprogramme der unterschiedlichen Parteien nebeneinanderlegt. Dann kann man nämlich sehen, welche Auswirkungen die gesamten steuerpolitischen Forderungen auf das verfügbare Jahreseinkommen haben. Ich habe mir vorhin noch mal die Zahlen angeschaut. Für alle Bruttojahreseinkommen bis 40 000 Euro werden Ihre Steuerentlastungen gerade mal 85 Euro mehr verfügbares Jahreseinkommen bringen. Bei den Jahreseinkommen bis 30 000 Euro werden es nur noch 22 Euro sein. Und bei Jahreseinkommen bis 20 000 Euro brutto gewinnen die Leute gerade mal 4 Euro dazu. Auf der anderen Seite: Bei einem Jahreseinkommen von 250 000 Euro plus sorgen Sie für 18 000 Euro mehr im Jahr. – Das ist Ihre Politik. Das ist wirklich eine Umverteilung von unten nach oben, wie sie nicht mal die FDP zu ihren besten Zeiten vorgeschlagen hat. Wenn Sie sich hierhinstellen und über Inflation sprechen und darüber, wie sehr die kleinen Leute darunter zu leiden haben, dann kann ich nur sagen: Ihr Antrag ist unglaubwürdig, weil er überhaupt nicht in Ihr steuerpolitisches Konzept passt. Wenn man sich nämlich anschaut, welche Steuern Sie alle abschaffen wollen – Grunderwerbsteuer, Grundsteuer, Erbschaftsteuer – und dass Sie die Vermögensteuer nicht wieder einsetzen wollen, dann ist klar, dass dadurch die Abhängigkeit von der Umsatzsteuer noch viel, viel größer würde. Und die wollen Sie jetzt absenken? Sie haben eh schon den Vorschlag mit dem größten fiskalischen Loch. Es stimmt hinten und vorne nicht. Das kann man nur ablehnen. Ihr Antrag ist also weder gut gemeint noch gut gemacht. Und die letzten fünf Sekunden gebe ich Ihnen noch zum Nachdenken. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Klüssendorf. Schöner Ansatz, fünf Sekunden werden aber nicht reichen. Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Klaus Wiener, CDU/CSU-Fraktion.
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Alexander Dobrindt CDU/CSU
Alexander
Dobrindt
CDU/CSU
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Ja, es ist in der Tat so: Die doppelte Herausforderung dieser Zeit heißt: Klimawandel bekämpfen und Konjunktur und Wirtschaft stützen. Das ist das, was wir zusammendenken. Da meinen manche ja, das sei ein unauflösbarer Gegensatz. – Nein, wir glauben, es ist sogar eine doppelte Chance, wenn wir Klima und Konjunktur zu einem Zukunftspaket für Deutschland mit dem klaren Ziel zusammenführen: mehr wirtschaftliches Wachstum bei weniger CO2. Dann haben wir die Herausforderung im Griff, um die es sich in den nächsten Monaten dreht, meine Damen und Herren. Es hat hier ja einige Beiträge gegeben, in denen eine sehr einfache Lösung dafür präsentiert wurde, wenn man auf der einen Seite sehr viel in den Klimaschutz investieren und auf der anderen Seite Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft ergreifen wolle. Diese ganz einfache Lösung hieß Staatsverschuldung. Die einfache Antwort auf die Probleme unserer Zeit: Staatsverschuldung! Der Chefökonom von Verdi hat beispielsweise diese Woche verkündet, dass die 100-Euro-Scheine auf der Straße lägen und man sie nur aufheben müsse. – Meine Damen und Herren, wer die Staatsverschuldung hochtreibt, der sammelt kein Geld von der Straße, sondern der klaut es den nächsten Generationen. Das ist die Wahrheit. Übrigens sei an dieser Stelle der Hinweis erlaubt: Das sind genau die Rezepte der Vergangenheit. Das sind die Rezepte, die uns in eine europäische Schuldenkrise hineingeführt haben. Damals waren die Zinsen niedrig und die Ausgabenwünsche der Politik riesengroß. Das Ergebnis ist doch bekannt. Das lief nach dem Motto „heute billige Schulden machen, morgen teuer zurückzahlen“. – Das ist weder ökonomisch klug noch politisch verantwortungsvoll, meine Damen und Herren. Das Schlimme dabei ist, dass manche aus der Euro-Schuldenkrise offensichtlich überhaupt nichts gelernt haben. Das zeigt ein Blick auf die Wortmeldungen dieser Woche: Der Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, hat gesagt, er will pro Jahr 35 Milliarden Euro neue Schulden in Deutschland machen und dafür sogar das Grundgesetz ändern. Liebe Kollegin Katrin Göring-Eckardt, Sie haben das dann vorhin „Schuldenbremse reformieren“ genannt. Das Grundgesetz zu ändern, nennen Sie „Schuldenbremse reformieren“. Ich sage Ihnen, was Sie eigentlich wollen: Sie wollen unter dem Deckmantel der grünen Politik den Haushalt in rote Zahlen treiben. Das ist Ihr eigentliches Ziel. Das werden wir übrigens nicht tun, weil wir genau für Politiker wie Sie mit solchen Ideen die Schuldenbremse ins Grundgesetz hineingeschrieben haben. Deswegen ändern wir sie an dieser Stelle nicht. Herr Kollege Dobrindt, erlauben Sie eine Zwischenfrage? Nein, ich erlaube keine. Ich will in dem Zusammenhang auf das eingehen, was Sie vorhin angesprochen haben, Frau Göring-Eckardt. Sie haben sinngemäß gesagt: Landwirtschaft zerstört die Landschaft. Also, die Landwirtschaft, die seit Jahrhunderten die Kulturlandschaft in Deutschland erst ermöglicht und gepflegt hat, zerstört Ihrer Meinung nach die Landschaft. Die Frau Bundeskanzlerin hat vorhin von der Arroganz gegenüber den ländlichen Räumen gesprochen. Sie haben diese Arroganz hier im Deutschen Bundestag eindrucksvoll zur Schau gestellt mit Ihrer Verunglimpfung eines ganzen Berufsstands. Entlastungen der Bürger, Investitionen in die Wirtschaft, die schwarze Null: Das alles ist kein Widerspruch; es ist eine Frage der politischen Schwerpunkte. Wir halten die schwarze Null. Wir entlasten die Menschen mit über 13 Milliarden Euro. Wir investieren in Infrastruktur und vieles andere mehr. Das ist alles im Sinne von Generationengerechtigkeit: Sicherheit, Klimaschutz, Infrastrukturinvestitionen, die übrigens gerade von unseren Ministerien der CSU maßgeblich mit besetzt werden. Die Verkehrsinvestitionen von Andi Scheuer sind auf Rekordniveau. Die innere Sicherheit wurde deutlich gestärkt mit über 1 000 Stellen, auch bei der Bundespolizei. Der Entwicklungshilfeetat von Minister Müller wurde erstmals über die 10-Milliarden-Euro-Grenze gebracht. Ja, wir wollen auch mehr in die Verteidigung investieren. Dietmar Bartsch hat hier noch mal darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung viel zu viel für Verteidigung ausgebe. Meine Damen und Herren, das Gegenteil ist richtig. Wir sind in einem Bündnis eine Verpflichtung eingegangen, haben Zusagen über die 2 Prozent gemacht und wollen ein Zwischenziel von 1,5 Prozent erreichen. Das werden wir in den Haushaltsberatungen auch weiterverfolgen, damit dies möglich ist. Ich sage Ihnen an dieser Stelle, meine Damen und Herren von den Linken: Ja, wir wollen Verantwortung in der Welt übernehmen. Wer Verantwortung in der Welt übernehmen will, der muss erst einmal sagen, dass er seine Soldaten unterstützen will. Dazu gehört, dass sie die bestmögliche Ausstattung von uns bekommen und hier nicht einfach so dargestellt werden, als würden sie Geld verschwenden. Ich habe die zwei großen Herausforderungen, die parallel existieren, mit „Klimawandel bekämpfen“ und „Konjunktur und Wirtschaft stützen“ beschrieben. Es gibt den einen oder anderen, der jetzt ruft: „Kümmert euch erst mal nur ums Klima und nicht so sehr um die Wirtschaft!“, und es gibt andere, die sagen: „Kümmert euch doch einfach mal um die Wirtschaft und die Konjunktur und vergesst den Klimaschutz! Der ist ja ein Wirtschaftskiller.“ Liebe Frau Weidel, Sie haben gesagt, es handele sich um „Klimaschutzwahn“ in unseren Debatten und Beiträgen hier. Ich glaube, dass Sie damit sehr deutlich belegt haben, dass Sie sich mit bürgerlich-konservativer Politik mehr als nur schwertun und damit in Wahrheit nichts anfangen können. Die Bewahrung der Schöpfung ist gerade der Nukleus der bürgerlich-konservativen Politik und kein Wahn. Deswegen schützen wir das Klima, meine Damen und Herren. Wenn wir es schaffen, jetzt auch in den Verhandlungen bis zum Klimakabinett am 20. September dafür zu sorgen, dass wir eine vernünftige Kombination von Konjunkturmaßnahmen, Maßnahmen für Wirtschaftsförderung und Klimaschutz zusammenbringen, dann haben wir mit diesem Zukunftspaket auch eine echte Chance auf ein ökologisches Wirtschaftswunder in unserem Land. Wir waren in der Vergangenheit auch immer die Marktführer, wenn es um Green Technology ging. Wir waren auch immer die Marktführer, wenn es um neue Technologien im Bereich der Energie ging. Wir haben die Energiewende bewusst gestaltet. Wir sind heute so weit, dass wir bei den erneuerbaren Energien unsere Ziele für 2020 eindeutig erfüllen, sogar übererfüllen. Das haben wir nicht geschafft, indem wir ein Verbot für konventionellen Strom ausgesprochen haben, sondern indem wir auf erneuerbare Energien und Innovationen gesetzt haben und sie gefördert haben. Wir sorgen für Innovation. Das ist der Fortschrittsmotor. Verbote sind nur Stillstand. Deswegen wählen wir den Fortschritt. Da wollen wir die Menschen mitnehmen. Das geht nicht einfach mit einer CO2-Steuer, die alles nur verteuert. Wir wollen keine Entscheidungen treffen, die nur dazu führen, dass der Spritpreis an der Zapfsäule steigt. Wir wollen, dass die Menschen dabei sind, wenn es um Klimaschutz geht. Deswegen darf Klimaschutz nicht die neue soziale Frage werden, sondern Klimaschutz muss die Innovationsfrage sein in diesem Land, bei der alle Menschen mitgenommen werden, meine Damen und Herren. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Dobrindt. – Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, muss ich bedauerlicherweise eine geschäftsleitende Bemerkung machen. Sie haben gesehen, dass die Parlamentarischen Geschäftsführer, die offensichtlich zwischenzeitlich aufgewacht waren, festgestellt haben, dass die Rednerliste nicht den ursprünglichen Überlegungen entsprochen hat. Das hat zeitweise zu Verwirrung bei uns und dem Sitzungsdienst des Bundestages beigetragen. Ich habe entschieden, dass jetzt alles bleibt, wie es ist, weil die Liste vom Bundestagspräsidenten bereits genehmigt ist. Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Marc Jongen, AfD-Fraktion.
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Erhard Grundl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Erhard
Grundl
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordnete von CDU/CSU und SPD! In Ihrem Antrag steht einiges, was ich gerne unterschreibe. Selbstbewusst Orte der Entstehung von Demokratie und Freiheit zu würdigen, ist heute wichtiger denn je. Diese Orte vergegenwärtigen uns die Errungenschaften der ersten deutschen Demokratie. Sie rufen uns aber auch schmerzhaft ins Bewusstsein: Demokratien können scheitern. Weimar ist gescheitert, weil eine Demokratie – ich wiederhole es gerne – Demokratinnen und Demokraten braucht, und sie fehlten in Weimar. Entscheidend für uns heute ist es, das Scheitern der Weimarer Republik zu begreifen, zu verstehen, wie rechter Extremismus in einem demokratischen Rahmen so stark werden konnte, dass die nationalsozialistischen Verbrechen möglich wurden. Es geht dabei nicht, wie Sie im Antrag schreiben, um Angriffe rechtsradikaler und linksradikaler Gruppierungen. Es geht um das Erstarken von Rechtsextremismus mit seiner menschenverachtenden Ideologie. Es geht um die Machtergreifung durch die NSDAP. Es geht um singuläre Menschheitsverbrechen, für die Deutsche verantwortlich sind. Die Gleichsetzung, die Sie in Ihrem Antrag vornehmen, wonach radikale Linke wie extreme Rechte gleichermaßen die gesellschaftlichen Ränder des Hufeisens besetzten, verharmlost das, wofür die Rechte steht. Es verharmlost die gegen Menschenleben gerichtete Gewalt militanter Nazis damals und heute. Gerade nach den Morden und dem versuchten Massenmord in der Synagoge von Halle ist klar: Wir können diese Verharmlosung nicht mehr hinnehmen. Diese Gleichsetzung ist nicht nur historischer Unfug; sie ist darüber hinaus der Kern des durchschaubaren Schmierentheaters, das die Rechtsradikalen und ihre Spießgesellen aufführen, besonders die, die hier im Bundestag „höcken“. Streichen Sie diese Verharmlosung aus Ihrem Antrag; dann könnten wir zustimmen. Meine Damen und Herren, die Weimarer Vordenker der Demokratie sollten wir ehren. Wir dürfen aber nicht vergessen: Die Weimarer Verfassung hatte ihre schönsten Momente auf Papier. Es herrschte nach wie vor der von Heinrich Mann so klug charakterisierte Untertanengeist, der das deutsche Bürgertum prägte, und den der Autor Jörg Mielczarek so beschreibt: „… Kriecherei gegenüber allem Mächtigen und Starken, unerbittliche Brutalität gegenüber Schwächeren und Untergebenen …“ Dieser Ungeist wurde zum Wegbereiter für die brutale Verfolgung und Ermordung von Minderheiten, sozial Benachteiligten und Andersdenkenden im Nationalsozialismus. Mit einer Vorstellung von Gleichheit und der Sozialethik einer demokratisch verfassten Gesellschaft, wie wir sie heute leben können, hatte das sehr wenig zu tun. Die Geschichte der Weimarer Verfassung führt uns vor allem eines vor Augen: dass die Demokratie nicht schläfrig werden darf, dass wir uns jederzeit gegen menschenverachtende Undemokraten zur Wehr setzen müssen, dass es mit den als Biedermännern getarnten „Brandner-Stiftern“ niemals eine Händereichung geben darf – auf keiner politischen Ebene, dass wir die Umschreibung und Verfälschung unserer Geschichte nicht hinnehmen dürfen, ganz egal, ob der Versuch von Vogelschisstheoretikern oder von den Nachfahren der Steigbügelhalter des Nationalsozialismus, wie es die Hohenzollern waren, unternommen wird. Unser Auftrag heute ist es, das Demokratieversprechen des Grundgesetzes zu erfüllen – ein Auftrag, der Demokratinnen und Demokraten erfordert, damals wie heute. Ich danke Ihnen. Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Volker Kauder, CDU/CSU-Fraktion.
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Robin Wagener BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Robin
Wagener
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Verleihung des Kandidatenstatus für die Ukraine ist ein Meilenstein auf dem mühseligen, schwierigen und bisweilen auch tragischen Weg in die EU. Und die Ukraine verdient den Kandidatenstatus als ein Land, das sich seit 2014 wegen seiner europäischen Ausrichtung dem russischen Krieg ausgesetzt sieht und trotz aller Schwierigkeiten in dieser Zeit und trotz der russischen Destabilisierung an seiner Reformagenda festhält und auch schon Fortschritte zu verzeichnen hat. Der Kandidatenstatus für die Ukraine ist der Beleg dafür, dass Putin den souveränen Pfad dieses Landes eben nicht verhindern kann. Der Kandidatenstatus ist noch lange kein Sieg über Putin, aber er ist ein Gewinn für die Ukraine und für uns alle: als Friedensprojekt, als Wiederaufbauleistung, für die wirtschaftliche Integration und Stärkung und für eine nachhaltige Energiepolitik in Europa, die uns gemeinsam unabhängig macht von russischer Erpressung. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, so politisch unbedeutend Russlands Ex-Präsident Medwedew mittlerweile auch sein mag: Seine Behauptung, der Kandidatenstatus der Ukraine sei irrelevant, weil die Ukraine in zwei Jahren nicht mehr auf der Weltkarte existiere, macht einmal mehr deutlich, dass sich der Kreml gegen nichts und niemanden verteidigen muss, sondern vielmehr einen aggressiven Vernichtungskrieg gegen die Ukraine führt. Das sind ebenjene weitverbreiteten russischen Erzählungen, die die Warnungen von renommierten Wissenschaftlerinnen, von Historikern und von Völkerrechtlern stützen: Russlands völkerrechtswidriger Angriffskrieg weist Charakteristika auf, die auch im Rahmen der Völkermordkonvention geächtet sind. Aus dieser Erkenntnis heraus haben wir im Haus mit breiter Mehrheit beschlossen, die Ukraine zusätzlich durch schwere Waffen zu unterstützen. Diese breite Mehrheit, das ist unsere Stärke hier in Deutschland gegen ein spalterisches Regime. Es darf überhaupt keinen Zweifel daran geben, dass diese Politik, die wir hier beschlossen haben, bis zum Sieg der Ukraine engagiert und ohne den Eindruck von Zögerlichkeit umgesetzt wird. Schwere Waffen sind eine zentrale Form der Unterstützung zum Schutz der Ukraine und zur Wiederherstellung der territorialen Integrität. Sie müssen der Ukraine ermöglichen, besetzte Gebiete zu befreien; denn das beendet die russischen Kriegsverbrechen in diesen Gebieten. Jeder befreite Kilometer bedeutet weniger ermordete, vergewaltigte und verschleppte Menschen. Die stärkste humanitäre Hilfe, die wir für die Ukraine leisten können, ist die konsequente Unterstützung auch mit schweren Waffen. Abschließend möchte ich den Herrn Bundeskanzler zitieren: Die Ukraine soll leben. Slawa Ukrajini! Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat das Wort Sanae Abdi.
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Dr.
Dr. Petra Sitte DIE LINKE
Petra
Sitte
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Das war schon immer so“, „Das haben wir noch nie so gemacht“ und „Da könnte ja jeder kommen“: alles Sätze, die wir schon einmal gehört haben und bei denen man schon gar keine Lust mehr hat. Uns geht es bei diesem Antrag darum, durchaus darüber nachzudenken, wie mit Innovationen umgegangen werden kann, quasi als Ausdruck kreativer Ideen, außergewöhnlicher Ansätze und unbekannter Wege. Mit Innovationspolitik – dafür sind wir ja hier zuständig – und flexibler Forschungs- und Technologieförderung können wir sehr wohl Innovationsverlusten entgegensteuern. Ministerin Karliczek – das ist schon gesagt worden – hat unlängst in einem Interview mit dem Wissenschaftsmagazin „Spektrum“ gesagt, dass ungefähr 100 Millionen Euro dafür gedacht sind und dass sie beabsichtigt, eine Agentur für Sprunginnovation einzurichten. Jetzt hat die FDP einen Antrag zur Gründung einer staatlichen Agentur für Sprunginnovation vorgelegt. Auch okay. Ich muss ehrlich sagen: Ich habe kein Problem damit, dass das ein Remix der acatech-Vorschläge ist. Das gehört ja dann auch ins Haus. Deshalb schreiben sie das auch auf; sie sollen ja Politikberatung machen. Beim Lesen habe ich zwar auch manchmal gedacht, das ist „Jugend forscht“ für Erwachsene, aber Scherz beiseite. Es soll – ich zitiere – frei von „politischer Steuerung, Einflüssen und Kontrolle“ eine Agentur mit öffentlichen Mitteln gegründet werden, die – ich zitiere weiter – „eine große Freiheit und absolute Flexibilität beim Management ihrer Programme“ erhält. Durch den Einsatz von vermutlich – es kann ja nicht anders sein – Steuergeldern sollen Innovationen zumindest so weit vorangetrieben werden, dass Wagniskapitalgeber oder eben auch innovative Unternehmen Anreize empfinden nach dem Motto „Das versuchen wir jetzt; das hat einen Stand erreicht, bei dem wir uns einklinken“. Erwartet werden, wie schon gesagt, Innovationssprünge, ganz im Sinne des High Risk – High Gain. Aber das große Risiko wäre für uns nicht das Problem. Wenn allerdings No Gain am Ende steht, müssen wir uns schon fragen – da haben Sie nicht ganz unrecht –: Wie gehen wir mit dem Gewinn um? Wie gehen wir mit dem Verlust um? Gibt es da Lösungen, dass die öffentliche Hand, mithin in Treuhand der Steuerzahlenden, alleinige Trägerin des Risikos wäre? Dennoch möchte ich die Idee einer Agentur und ihrer Ausgestaltung nicht leichtfertig abtun. Lassen Sie uns über die genaue Ausgestaltung und den Mehrwert für das Gemeinwesen diskutieren. Mithin ist das auch mit der bestehenden Forschungsförderung abzugleichen. Wir haben zum Beispiel den High-Tech Gründerfonds. Wie kann sich das ergänzen? Schließlich geht es um nicht weniger als um Fragen unserer Innovationskultur. Da finde ich schon, dass wir in diesem Land Nachbesserungsbedarf haben. Aber wollen wir mit öffentlichen Mitteln noch stärker als bisher in das Risiko des Totalverlustes gehen? Das kann uns ja auch bei anderen Förderanträgen und bei nicht eintretenden Förderergebnissen passieren. Und soll der Ertrag dann tatsächlich, wie Sie gesagt haben, vollständig privatisiert werden? Es wäre auch durchaus innovativ, darüber nachzudenken, einen revolvierenden Fonds daraus zu machen, aus dessen Ertrag zukünftig ein bestimmter Prozentsatz wieder in die Agentur zurückfließt, den man dann auch weiter nutzen könnte. Wir legen Wert darauf, nicht nur zu fragen, was den Leuten gerade einfällt, sondern wir wollen wissen, was für das Gemeinwesen und für die Menschen herauskommt. Da sind für uns beispielsweise auch soziale Innovationen extrem wichtig. Kurze Anmerkung zum Vorbild Amerika: Dort wurde das vor allem vor dem Hintergrund der militärischen Nutzung vorangetrieben. Sie schreiben in Ihrem Antrag ausdrücklich, dass die zivile Nutzung im Zentrum stehen soll. Das unterstützen wir natürlich. Dual-Use – darüber sollten wir reden – ist nie auszuschließen. Aber auch darauf müssen wir als öffentliche Geldgeber ein Auge haben. Insofern sollten wir alle hier über unseren Schatten springen – um im Bild zu bleiben –, und ich freue mich auf eine intensive Beratung im Ausschuss. Vielen Dank, Dr. Sitte. – Nächste Rednerin: Dr. Anna Christmann für Bündnis 90/Die Grünen.
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Dr.
Dr. Manja Schüle SPD
Manja
Schüle
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuschauer! Im Normalfall schätze ich meinen Koalitionspartner wirklich, auch wenn wir oft unterschiedlicher Meinung sind. Das ist hier im Hause auch keinem entgangen. Als ich gestern aber die Pressemitteilung der Kollegen Schön und Schipanski gelesen habe, wurde meine Einstellung zur heutigen Debatte ein bisschen strapaziert. Aber der Reihe nach. Wir diskutieren heute die KI-Strategie der Bundesregierung. Diese Debatte wird für meinen Eindruck manchmal etwas zu spöttelnd, zu vereinfachend oder aber sogar panikverursachend geführt. Da ist der Vorwurf immer: zu wenig, zu langsam, zu unambitioniert. Ich wiederhole gerne noch einmal, was darin steht: Zwölf KI-Zentren werden gegründet. 100 zusätzliche Professuren werden eingerichtet. Jedes ostdeutsche Bundesland erhält ein Zukunftszentrum. Über die nächsten fünf Jahre unterstützen wir ein europäisches KI-Innovationscluster. Das alles wird 3 Milliarden Euro kosten. Also, so etwas wie „zu unambitioniert, zu langsam und zu wenig“ kann ich da nicht erkennen. Das ist auch kein Hausaufgabenheft, das ist eine Umsetzungsstrategie. Natürlichen müssen wir darüber diskutieren, wie wir mit der datengetriebenen Ökonomie umgehen. Es ist ja nun schon fast eine Binsenweisheit, dass wir mit unseren klassischen industriellen Erfolgsmodellen in Europa und in Deutschland unter Wettbewerbsdruck geraten. Aber weder lassen wir uns auf die Einschätzung ein, der nächste Technologieschritt werde uns automatisch ins dystopische Unheil führen – frei nach dem Motto: Terminator statt C-3PO –, noch sind wir, die Sozialdemokraten und Andrea Nahles, das rote Gespenst, das staatlich verordnet, Daten offenzulegen. Der erste Satz ist nur eine pessimistische Einstellung, der zweite Satz ist eine Unterstellung aus Ihrer Pressemitteilung, und das finde ich unlauter. Richtig ist, dass auch der Zugang zu Daten über Entwicklung und Innovationskraft eines Landes entscheidet. Über das Wie können wir noch streiten, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber lassen Sie uns die Debatte seriös führen. Hören Sie auf damit, zu behaupten, wir würden die kleinen und mittelständischen Unternehmen zwingen, ihre Daten offenzulegen, sie mit asiatischen, chinesischen oder amerikanischen Plattformen zu teilen. Hören Sie auf damit! Im Übrigen waren gestern in unserer Anhörung die kleinen und mittelständischen Unternehmen sogar dafür, dass es mehr Datenoffenheit gibt. Was wir brauchen, sind Anreizsysteme für Datenkooperationen. Das ermöglicht nämlich Innovation und Wettbewerb. Dazu wird auch Falko Mohrs gleich noch etwas sagen. Und nein, ich finde nicht, dass unser wertvoller Rohstoff, unsere Daten, ausschließlich ein paar wenigen Digitalunternehmen zugänglich sein soll. Warum sollen Monopole im Übrigen nur in klassischen Wirtschaftsbereichen aufgebrochen werden dürfen? Ich bin fest davon überzeugt, dass Europa und speziell Deutschland die einmalige Chance besitzen, bei der Entwicklung – da stimme ich Ihnen zu, Frau Karliczek – selbstdenkender Maschinen an erster Stelle zu stehen, und zwar durch den sorgsamen Umgang mit Daten und durch eine europäische Forschungs-, Investitions- und Innovationslandschaft; da können wir nämlich in der Tat noch eine Schippe drauflegen. Dabei werden wir weder das Verhalten der Menschen in unserem Land überwachen wie in China, noch werden wir es ausschließlich ökonomisch verwerten wie in den Vereinigten Staaten von Amerika. Ja, bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt, aber nicht als Objekt, sondern als mündiger Bürger, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Pessimisten behaupten, niemals würden KI-Experten aus Harvard, Berkeley oder dem MIT nach Potsdam, Greifswald oder Dresden kommen. Die Grünen haben sich in der letzten Sitzung des Bildungsausschusses sogar zu der Behauptung verstiegen, deutsche KI-Forschende würden keinerlei Rolle auf internationalem Parkett spielen. Da frage ich Sie: Wofür halten Sie eigentlich das DFKI in Saarbrücken? Für eine Kita? Dort wird seit 30 Jahren geforscht, und zwar im Bereich der künstlichen Intelligenz: 1 000 Wissenschaftler aus 60 Nationen und mittlerweile 240 Projekte. Beispiele gefällig, Frau Christmann? Gerne! Die Wissenschaftler Schmeier, Kiefer und Bernardi forschen beispielsweise an Pepper. Pepper ist ein kleiner künstlicher Kumpel für ein krankes Kind, der ihm helfen soll, wieder gesund zu werden. Es wird daran geforscht, der Mutter und dem Kind einen schnellen Weg zum nächsten Zug zu zeigen, wenn im Hauptbahnhof wieder der Aufzug ausgefallen ist. Ja, es wird auch daran geforscht, KI-Start-ups mit der Landwirtschaft zusammenzubringen, um den besten Zeitpunkt der Düngung von Gerste zu ermitteln; für die Biertrinker unter uns vielleicht eine relevante Information. Auf dieser deutschen Forschungstradition möchten wir aufbauen. Ja, wir werden KI zur Schlüsseltechnologie für unser Land machen – für unser Land, aber vor allem für die Menschen. Herzlichen Dank. Mario Brandenburg, FDP, ist der nächste Redner.
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Kai Gehring BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kai
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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 428 Hochschulen gibt es in Deutschland, darunter riesige wie die Unis in Köln, Bochum, München oder Frankfurt, aber auch kleine wie die Hochschule im sächsischen Mittweida oder in Furtwangen auf den Höhen des Schwarzwaldes. Ob groß, ob klein, für alle Hochschulen gilt: Sie legen die Basis für Wachstum und Wohlstand. Sie entfachen Kreativität und Innovation. Sie befeuern den Transfer von Wissen in Wirtschaft und Gesellschaft. Wer Zukunft gestalten will, braucht starke Hochschulen. Daher müssen Bund und Länder die Hochschulen weiter gemeinsam finanzieren, verlässlich und dynamisch. Derweil laufen zwischen Bund und Ländern die Verhandlungen um den nächsten Hochschulpakt auf Hochtouren. Uns Grünen im Bundestag sind dabei drei Ziele besonders wichtig: Wir wollen erstens ausreichend Studienplätze, zweitens mehr Chancengerechtigkeit für Studierende und drittens eine höhere Qualität in Studium und Lehre. Bisherige Hochschulpakte liefern hier Licht und Schatten. Licht sehe ich bei den Studienplätzen. Bis 2023 werden rund 1,7 Millionen zusätzliche Studienanfänger vom Pakt profitieren. Das wird Bund und Länder viele Milliarden Euro kosten – wahrlich bestens investiertes Geld. Damit eröffnen wir nicht nur 1,7 Millionen Mal Studienchancen, sondern investieren auch in Fortschritt und Gemeinwohl unseres Landes. Allen Prognosen zufolge bleibt die Nachfrage nach Studienplätzen sehr hoch. Den Studienpakt abzuwürgen oder aus ihm einen Wettbewerb zu machen, wie es manche Fraktionen wollen, wäre daher grundverkehrt. Es braucht verlässliche Finanzierung. Düster sieht es bei der Chancengerechtigkeit aus. Aktuell beginnen von 100 Kindern aus Akademikerfamilien 79 ein Studium. Von 100 Kindern aus nichtakademischen Elternhäusern schaffen gerade einmal 27 den Sprung an unsere Hochschulen. Deshalb sage ich als Arbeiterkind: Das muss sich dringend ändern. Cool wäre es, wenn mehr Akademikerkinder eine Berufsausbildung anstreben. Cool wäre, mehr Arbeiterkinder zum Studium zu ermuntern. Zugangschancen zur Hochschule dürfen nur vom Grips, nicht vom Geburtsort oder Geldbeutel der Eltern abhängen. Deswegen muss das BAföG erhöht werden – dafür wird es höchste Zeit –, und deswegen muss die Pauschale pro Studienanfänger erhöht werden. Und wir brauchen eine klare Ansage an unsere Universitäten: Unis, öffnet euch für vielfältigere Studierende! Schatten gibt es auch bei der Frage, was der Hochschulpakt für gute Lehre und Studium gebracht hat. Lehre schultern vielerorts Lehrbeauftragte, das heißt freie Mitarbeiter, die Großes leisten für klitzekleines Honorar. Das grenzt oftmals an Ausbeutung. Das ist kein Zustand, liebe Kolleginnen und Kollegen. Einen leibhaftigen Professor bekommen die Studierenden immer seltener zu Gesicht. Auf einen Uniprofessor kommen durchschnittlich 63 Studierende. Bei den Ingenieuren ist das Verhältnis 1 : 90. Solche Betreuungsrelationen sind international nicht konkurrenzfähig, und sie müssen dringend verbessert werden. Wir wollen mehr Dauerstellen für Daueraufgaben. Wir wollen verlässlichere Karrierewege für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Auch an Hochschulen muss endlich gelten: Es gibt faire Arbeitsbedingungen. Diese Schwächen müssen im nächsten Hochschulpakt behoben werden. Darum fordern wir erstens: Bund und Länder sollen dauerhaft in Erhalt und Ausbau der Studienplätze investieren. Was bei einzelnen Exzellenzuniversitäten möglich ist, soll auch bei der Finanzierung von Studienplätzen in der Breite gelten. Eine gute Grundfinanzierung der Hochschulen ist überfällig. Zweitens. Der Hochschulpakt soll dynamisiert werden. Das heißt, nicht nur die außeruniversitären Forschungseinrichtungen sollen künftig Jahr für Jahr einen garantierten Aufwuchs von 3 Prozent bekommen, sondern auch die Hochschulen. Die Schere zwischen beiden darf nicht weiter auseinanderdriften. Das ist wichtig für alle Studierenden im Land. Verstetigung und Dynamisierung sind elementar, um Studien- und Arbeitsbedingungen sowie Betreuungsrelationen an Hochschulen zu verbessern. Unis und Fachhochschulen brauchen hier Planungssicherheit. Wir dürfen auch nicht das soziale Drumherum eines Studiums vergessen. Studierende brauchen nicht nur einen Platz im Hörsaal, sondern auch Bibliotheken, Mensen, gute Studienberatung und bezahlbares studentisches Wohnen in den Hochschulstädten. Hier braucht es dringend mehr Impulse von Bildungsministerin Karliczek – wo ist sie eigentlich? – und von Bauminister Seehofer. Dazu ist nichts zu hören. Da kann man sich richtig ins Zeug legen. Eine Stärke des Hochschulpaktes ist, dass die Länder das Geld flexibel vor Ort in Fachhochschulen und Universitäten einsetzen können. Das wollen wir bewahren, statt 16 bürokratische Zielvereinbarungen einzuführen. Bund und Länder können zu einer unkomplizierten und gemeinsamen Kooperationskultur finden, bei regional höchst unterschiedlichen Ausgangslagen. Dafür gibt der Hochschulpakt ein sehr gutes Beispiel. Meine Damen und Herren, Studieren eröffnet Horizonte. Unter Akademikerinnen und Akademikern herrscht faktisch Vollbeschäftigung. Bei solchen Aussichten wundert es nicht, dass sich viele junge Menschen für ein Studium entscheiden. Ich hoffe, dass Schauermärchen wie „Magister, arbeitslos, und die sieben promovierten Taxifahrer“ nicht mehr geglaubt werden. So etwas tischen nur noch Leute auf, die von der Bedeutung von Wissenschaft in unserem Land keinen blassen Schimmer haben. Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte? Ich komme zum Schluss. – Hochschulen sind unschätzbar wichtig als Orte demokratischen Diskurses und der Wissenschaftsfreiheit, als Zugpferde und Jungbrunnen der Region, als Bildungsorte und Talentschmiede, als Treffpunkt für Tüftler, Dichter und Denker. All das zu unterstützen, das sollte uns mehr wert sein. Dafür wünschen wir Bund und Ländern mehr Mut und Wumms bei den Paktverhandlungen. Vielen Dank, Herr Kollege Gehring. – Als Nächster spricht für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Dr. Stefan Kaufmann.
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Gerrit Huy AfD
Gerrit
Huy
AfD
Danke schön. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundesregierung lässt sich ausgiebig feiern für die höchste Rentenerhöhung seit 40 Jahren. Und auch die Medien sind begeistert. Obwohl wir diesem Gesetz grundsätzlich positiv gegenüberstehen, können wir in diesen Jubel nicht mit einstimmen; denn die Rentner haben in den letzten drei Jahrzehnten einen Kaufkraftverlust von über 30 Prozent erlitten. Von einem Leben in Würde können viele von ihnen nur noch träumen. Auch die jetzige Rentenanpassung, obwohl nominell hoch, kann die expandierende Inflation – die Grünen sprechen von sieben- bis achtmal höheren Gaspreisen – nicht kompensieren. Ein weiterer Kaufkraftverlust wird die Folge sein. Wir haben es daher sehr bedauert, dass die Regierung in ihren Entlastungspaketen die Rentner vergessen hat. 300 Euro als Inflationskompensation hätten doch noch drin sein müssen. Aber der Regierung war anderes wichtiger. Wir werden daher in Kürze einen eigenen Antrag vorlegen, in dem wir Sie auffordern, diese 300 Euro für unsere Rentner noch nachzulegen. Es ist traurig, aber wahr: Die deutschen Rentner schneiden im europäischen Vergleich sehr schlecht ab. Franzosen bekommen im Schnitt 60 Prozent mehr Rente, Österreicher 80 Prozent mehr, Niederländer doppelt so viel wie wir und die Schweizer mehr als viermal so viel. Und die Italiener, die von uns über den Covid-Wiederaufbaufonds, also dem „Next Generation EU“-Programm, zig Milliarden Euro mal eben so geschenkt bekommen haben, erhalten 60 Prozent mehr Rente als wir und müssen dafür sieben Jahre weniger arbeiten. Da sie auch noch einige Jahre länger leben als wir, können sie ihre Renten insgesamt auch einige Jahre länger beziehen. Nach Eurostat sind mittlerweile fast 30 Prozent aller über 65‑Jährigen in unserem Land armutsgefährdet, Tendenz steigend; denn laut einer Auskunft der Bundesregierung von vor zwei Jahren verdienen 15 Millionen Beschäftigte nicht genug, um im Alter eine Rente zu erhalten, die über der Grundsicherung liegt. Grundsicherung – das ist Sozialhilfe, und die bekommt auch jeder andere, egal ob er gearbeitet hat oder nicht. Meine Damen und Herren, was unsere Rentner wirklich brauchen, sind nicht finanzielle Trostpflaster, die immer der Entwicklung hinterherhinken, sondern das ist eine grundlegende Rentenreform, die diesen Namen auch wirklich verdient, damit wieder geradegerückt wird, was in den letzten drei Jahrzehnten kaputtgemacht worden ist. Andernfalls wird unser Land zum Armenhaus der Alten. Damit das nicht passiert, braucht es einen ganzen Strauß von Maßnahmen. Eine der wichtigsten ist, den Niedriglohnsektor überflüssig zu machen; in diesem Punkt stimmen wir mit unseren Kollegen von der SPD durchaus überein. Denn Voraussetzung für gute Renten sind gute Löhne. Dabei muss allerdings Augenmaß bewahrt werden, damit unsere Wirtschaft das überhaupt bewältigen kann, die ja gerade durch die Sanktionspolitik der Ampel vor nahezu unlösbare Aufgaben gestellt wird. Natürlich sind Voraussetzung für gute Löhne bestens ausgebildete Arbeitskräfte; denn der internationale Wettbewerb erlaubt uns gute Löhne nur bei entsprechend guten Leistungen. Das heißt, wir brauchen wieder Schulen, die auch funktionieren. Aber das, meine Damen und Herren, wird nur möglich werden, wenn die Regierenden endlich ihre ideologischen Scheuklappen ablegen. Bonne Chance! Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Ottilie Klein.
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Britta Haßelmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Britta
Haßelmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Diskussion über eine der größten Sozialreformen der letzten Jahrzehnte, nämlich das Bürgergeld, ist eine sehr wichtige, und sie wird sehr kontrovers geführt. Lieber Hermann Gröhe, ich habe Sie hier schon sehr oft reden gehört, und ich schätze Sie sehr. Aber Ihre Rede hat gezeigt, wie schwer es Ihnen fällt, die Position von Friedrich Merz und Söder zu vertreten. Meine Damen und Herren, wer keine Argumente in der Sache hat, verliert sich im Verfahren, und das wird dem Anliegen, das mit dem Bürgergeld verbunden ist, den vielen Menschen, die davon profitieren werden und die betroffen sind, in keiner Weise gerecht. Und eins steht auch fest: Friedrich Merz spitzt zwar die Lippen öffentlich, ergeht sich in Vorurteilen gegenüber Menschen, die betroffen sind, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, die arm sind, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen sind, schürt Sozialneid ohne Ende – eine solche soziale Kälte in Krisenzeiten: kaum zu ertragen und verantwortungslos –, aber hier im Parlament kneift er heute. Es ist auch einfacher, Interviews zu geben, bei denen keiner widersprechen kann, meine Damen und Herren. Denn heute wären wir mit Ihren Argumenten, die Sie öffentlich anführen, und mit Ihnen hier scharf ins Gericht gegangen. Aber es geht halt um die Lebenswirklichkeiten; die sind in diesem Land verschieden. Wie soll sich jemand, der in einer ganz anderen Lebenswirklichkeit lebt und sich vielleicht überlegen muss, ob er zur Party mit dem Privatjet oder mit dem Auto oder dem Zug kommt, in die Lebenswirklichkeit einer alleinerziehenden Frau versetzen, die überlegen muss, ob sie ein paar neue Turnschuhe für das Kind kaufen kann oder ob sie vielleicht heute einen Ausflug in eine Eisdiele machen kann und mehr als drei Kugeln Eis für ihre drei Kinder drin sind? Da kann man auch nicht erwarten, dass man sich da hineinversetzen kann. Aber was ich von Ihnen erwarte, ist Respekt, Respekt vor der Lebenslage eines jeden Menschen, und den haben Sie nicht. Meine Damen und Herren, das Bürgergeld ist viel mehr als eine Regelsatzerhöhung, und deshalb beschließen wir es heute auch insgesamt. Es ist Reform des Arbeitsmarktes. Es wird Veränderungen bringen; denn das Bürgergeld schafft Qualifizierung und Weiterbildung. Es schafft Perspektiven für Menschen. Selbstverständlich geht es um Vermittlung. Aber es geht nicht mehr einfach nur um bloße Vermittlung, sondern um Qualifizierung und Beschäftigung. Es geht um Fortbildung, es geht um Kooperationsperspektiven. Wenn man vom Thema keine Ahnung hat, dann kann man das vielleicht nicht sehen. Aber es ist der Ansatz, die Brücke für Menschen in den Arbeitsmarkt zu verbessern, indem man ihnen Qualifizierung und Weiterbildung gibt und nicht einfach nur auf prekäre Arbeits- oder Hilfsarbeitsangebote setzt. Das ist mit der Bürgergeldreform verbunden, und dagegen kann niemand sein. Wenn man die Rede von Karl-Josef Laumann im Bundesrat gehört hat, ist klar: Er hat Hubertus Heil doch gerade bei diesem Punkt unterstützt: Wir brauchen mehr Qualifizierung, Weiterbildung, wir brauchen Fortbildung und, und, und. Das alles sind wichtige Maßnahmen; von denen ist auf dieser Seite nichts mehr zu hören; denn Sachargumente spielen keine Rolle, meine Damen und Herren. Es ist auch eine enorme Chance zur Entbürokratisierung. Es ist eine enorme Chance auch für Wirtschaft, Handwerk und Industrie; denn die warten alle auf Facharbeitskräfte. Wir haben eine Fachkräftekrise in dieser Gesellschaft. Deshalb ist es wichtig, diese beiden Fragen zu verknüpfen. All das ist mit dem Bürgergeld verbunden, und Sie wissen es im Kern auch, meine Damen und Herren. Die Anpassung der Regelsätze in dieser Krisenzeit ist natürlich mehr als notwendig; denn viele der Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, wissen doch am 20. des Monats nicht mehr, wie sie angesichts der Verteuerung der Lebenssituation bis zum 31. kommen. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es insgesamt ein gutes Paket, eine soziale Reform, die eben auf Vermittlung, auf Qualifizierung und Beschäftigung, auf Ermutigung und Hilfe setzt. Deshalb lassen Sie uns darüber weiter diskutieren. Wir hoffen auf die Zustimmung und Unterstützung vieler. Danke. Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Norbert Kleinwächter.
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Ingrid Arndt-Brauer SPD
Ingrid
Arndt-Brauer
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Ich finde es schön von der FDP, dass man der neuen Vorsitzenden des Finanzausschusses gleich die Möglichkeit gibt, eine Rede zu halten. Man hat überlegt: Wie schafft man das am besten? Man macht eine Aktuelle Stunde. – Es hätte heute viele Themen für eine Aktuelle Stunde gegeben. Man hätte beispielsweise über den Stand der Sondierungen zum Thema „Steuern und Finanzen“ reden können. Man hätte über die Boni der Deutschen Bank reden können. Man hätte über das Fehlen von Grundschullehrern und die finanziellen Auswirkungen auf die Haushalte reden können. Man hätte über die Hausdurchsuchungen des Zolls reden können. Sogar über die Sturm- und Hochwasserschäden der letzten Wochen hätten wir reden können. Wir hätten auch über die aktuelle Besetzung des Finanzausschusses reden können. Aber ich habe mir wirklich die Frage gestellt: Was ist an dem Thema der von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde „Positionierung der Bundesregierung zu einer europäischen Bankenunion“ aktuell? Es ist deswegen nicht aktuell, weil wir eine geschäftsführende Bundesregierung haben, die alles das umsetzt, was wir in der Vergangenheit beschlossen haben. Ich habe heute bei den Nachrichtenagenturen und in Tickerberichten nachgesehen, aber ich habe nichts Aktuelles gefunden, und es kam ja auch nichts Aktuelles. Es gibt also in dieser Woche nichts richtig Aktuelles. Sie sind länger nicht hier gewesen, aber Aktuelle Stunden beinhalten in der Regel aktuelle Themen. – Nein, das ist nicht peinlich. Ich will etwas zur Bankenunion sagen. – Das hätten Sie auch beantragen können, haben Sie aber nicht. Deswegen rede ich jetzt zu Ihrem Antrag. Die EZB hat, so wie wir alle es mitbeschlossen haben, im November 2014 die Verantwortung für den Einheitlichen Europäischen Bankenaufsichtsmechanismus übernommen; das wissen wir alle. Das ist, wie gesagt, schon mehrere Jahre her. Seitdem ist sie für signifikante Banken zuständig. Das sind Banken, deren Bilanzsumme mindestens 30 Milliarden Euro oder 20 Prozent des BIP des Mitgliedstaates umfasst und die zu den drei größten Banken des jeweiligen Mitgliedstaats gehören. Nicht signifikante Banken werden weiterhin von nationalen Aufsichtsbehörden überwacht. Wir haben einen Einheitlichen Abwicklungsmechanismus. Das heißt, diese eben von mir angesprochenen Banken und große, grenzüberschreitende Banken werden jetzt auf europäischer Ebene einheitlich abgewickelt. Risiko und Haftung haben bei uns von Anfang an zusammengehört. Wir haben von Anfang an gesagt: Wir müssen das zusammen betrachten. Was haben wir für Banken vor uns, welche Risiken gehen sie ein, und wie müssen sie abgewickelt werden? – Bis zum 31. Dezember 2023 soll ein gemeinsamer Abwicklungsfonds eingerichtet werden, der mit 55 Milliarden Euro ausgestattet wird. Vorrangig werden Anteilseigner und Gläubiger herangezogen – das sogenannte Bail-in –, dann erst der Staat. Es gibt also keine Gemeinschaftshaftung der teilnehmenden Mitgliedstaaten durch den Fonds. Das war uns allen sehr wichtig. Auch in den Sondierungspapieren, über die Sie ja heute nicht reden wollten, steht das drin. Wir haben mit der CDU/CSU noch einmal aufgeschrieben, dass wir Haftung und Risiko nicht auseinanderfallen lassen wollen. Gerade laufen die Koalitionsverhandlungen zum Thema „Finanzen und Steuern“. Ich kann Ihnen nicht sagen, was dort gerade neu verhandelt wird; aber das können wir zu gegebener Zeit hier weiter diskutieren. Der geschäftsführende Finanzminister Altmaier hat Schwachstellen in der europäischen Währungsunion angesprochen. Er hat auch darauf hingewiesen – Kollegin Tillmann hat es angesprochen –, dass auf dem EU-Gipfel im Juni wichtige Entscheidungen für die Architektur der Euro-Zone gefällt werden müssen. Wir haben auch die Bedenken von Sparkassen und Volksbanken immer sehr ernst genommen. Dass sie ein eigenes Absicherungssystem haben und am liebsten überhaupt nicht in irgendeiner anderen Form in Anspruch genommen werden wollen, haben wir immer berücksichtigen wollen, und wir haben auch versucht, das nach Brüssel zu tragen. Dazu gibt es Anträge und Resolutionen; da haben wir in den letzten vier Jahren eine ganze Menge gemacht. Trotzdem brauchen wir eine Risikoabsicherung. Wir brauchen auch einen einheitlichen Mechanismus. Wir wollen alle zusammen in Europa weiter vorankommen. Dafür ist es wichtig, dass wir eine gute Zusammenarbeit im Euro-Raum haben. Sie können sicher sein: Der nächste Finanzminister oder die nächste Finanzministerin wird diese erfolgreiche Politik fortführen. Ich freue mich darauf. Freuen würde ich mich auch, wenn Sie nächstes Mal eine etwas aktuellere Thematik für Ihre Aktuelle Stunde aussuchen würden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächster Herr Professor Dr. Harald Weyel.
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Frank Junge SPD
Frank
Junge
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zu Beginn noch mal ausdrücklich unterstreichen: Der ostdeutsche Arbeitsmarkt ist nicht im Niedergang begriffen. Ich sage das so ausdrücklich, weil Sie, liebe Fraktion Die Linke, im Titel der von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde – „Niedergang des ostdeutschen Arbeitsmarktes stoppen“ – bewusst den Eindruck vermitteln wollen, dass das so sei. Das ist nicht so, und das will ich auch noch mal an einigen Zahlen deutlich machen. Die Wirtschaftskraft und das Pro-Kopf-Einkommen haben sich seit der Wende verdoppelt. Das BIP liegt gegenwärtig bei 75 Prozent Westniveau. Die Arbeitslosigkeit lag vor Corona bei 6,4 Prozent, auf einem historischen Tiefststand. Wenn man auch noch mal darauf schaut, dass die Arbeitslosenquote 2005 im Vergleich zum Westen 10 Prozent auseinandergelegen hat, und wenn man sieht, dass das 2020 nur noch 2 Prozent waren, dann kann hier keiner behaupten, im Osten wäre am Arbeitsmarkt der Teufel los. Vielmehr zeigt sich: Hier sind richtige Entscheidungen getroffen worden, und diese Entscheidungen sind in die richtige Richtung entwickelt worden. Ich sage das so ausdrücklich deshalb, weil Sie offenbar das Kalkül haben, das Thema „Haribo“ zu benutzen, um den Eindruck zu vermitteln, im Osten sei alles verloren. Dagegen können wir uns zu Recht wehren. Dennoch bin ich weit davon entfernt – das will ich hier ebenfalls ausdrücklich sagen –, die Geschehnisse um Haribo schönzureden oder nicht ernst zu nehmen. Ich will damit auch zum Ausdruck bringen, dass wir hier zwar exemplarisch über Haribo reden, aber wir auch über Majorel, über MAN, über Mahle, über Continental und über Stena Line sprechen. Das alles sind Beispiele von Unternehmen, die die Gelegenheit nutzen, sich aufgrund fragwürdiger Entscheidungen, wie ich finde, aus dem Osten zu verabschieden, obwohl über Jahre hinweg dort Wertschöpfung betrieben worden ist und an Unternehmensgewinnen mitgearbeitet wurde. Das ist aus meiner Sicht verantwortungslos, sozialpolitisch untragbar und gesellschaftspolitisch äußerst fahrlässig. Denn es spielt denen in die Hände, die dieses Thema bewusst politisch nutzen wollen, um es gegen die Menschen zu verwenden. Es offenbart auch – das will ich ganz klar sagen – eine unternehmerische Rücksichtslosigkeit, auf dem Rücken der Beschäftigten solche Entscheidungen zu treffen und damit auch die Kommunen vor Ort mit den fatalen Kettenreaktionen im Stich zu lassen. Das hat aus meiner Sicht nichts mit verantwortungsbewusstem Unternehmerhandeln zu tun. Gleichzeitig will ich hier aber auch sagen, dass das Einzelfälle sind und dass damit nicht eine Gesamtsituation im Osten belegt werden kann. Diese Einzelfälle sind dennoch stark zu kritisieren. Was können wir tun? Das will ich hier auch ganz klar sagen: Wir können uns – erstens – an die Seite der Beschäftigten stellen, uns mit ihnen solidarisieren und all die Möglichkeiten, die wir als MdBs vor Ort haben, nutzen, um das Problem öffentlich zu machen. Diesen öffentlichen Druck dürfen wir nicht unterschätzen; er ist unbedingt nötig. Zweitens – das will ich auch ganz klar sagen – müssen wir im Rahmen einer guten Wirtschaftsförderung, einer guten Strukturpolitik alles dafür tun, nach wie vor ähnlich gut zu arbeiten, wie wir das bisher gemacht haben. Aus Kulissen, liebe Claudia Müller, wie dem ERP-Sondervermögen oder der GRW sind seit 1990 fast 100 Milliarden Euro in die Förderung des Ostens geflossen. Ohne diese Mittel wäre der Osten lange nicht dort, wo er jetzt ist. Unser Bemühen muss dahin gehen, diese Mittel weiter zu verstetigen, damit die entsprechenden Strukturschwächen weiter abgebaut werden können. Drittens – das erscheint mir an dieser Stelle mit der wichtigste Punkt –: Das wichtigste Instrument, solchen fragwürdigen Unternehmensentscheidungen wirksam entgegenzutreten und damit auch für die Interessen der Ostdeutschen einzutreten, sind starke Gewerkschaften und Betriebsräte. Ich unterstreiche das ausdrücklich. Wo immer solche Arbeitnehmervertretungen den Arbeitskampf führen können, sind die Aussichten auf Erfolg wesentlich höher. Das beste Beispiel ist Görlitz – ich sage auch das ausdrücklich –; denn dort konnte der Schließung des Siemens-Dampfturbinenwerks auch durch den massiven Widerstand der Gewerkschaften Einhalt geboten werden. Das ist ein Punkt, den wir an der Stelle zur Kenntnis nehmen müssen. Ich will zum Abschluss sagen: Wo immer wir Möglichkeiten haben, Gewerkschaften zu stärken, fängt das bei uns selbst an. Damit will ich auch einen frommen Wunsch zu Weihnachten verbinden: Neben einem besinnlichen Fest und dem Wunsch, dass Sie alle gesund bleiben, wünsche ich mir, dass Sie alle überprüfen, ob Sie schon in einer Gewerkschaft sind. Wenn nicht, überlegen Sie mal, ob das nicht gut wäre. Vielen Dank, Herr Kollege Junge. – Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Jana Schimke, CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Bruno Hollnagel AfD
Bruno
Hollnagel
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema: fehlgeleitete Steuergelder und Haftungsrisiken in der EU. Um Steuergelder sinnvoll verwenden zu können, bedarf es zwingend einer strategischen Konzeption. Diese Konzeption fehlt in der EU. Das belegt das Beispiel „Wiederaufbaufonds“. Dort wird erst Geld angesammelt, dann wird das Geld an Staaten verteilt, und dann wird anschließend überlegt, wofür das Geld überhaupt ausgegeben werden soll. Dieses verkehrte Vorgehen erzeugt Chaos. Das sehen wir aktuell an Italien, wo der Streit um die Geldverteilung zur Regierungskrise geführt hat. Die aktuelle EU-Politik ist nicht in der Lage, Gelder effizient einzusetzen. Das führt mich zum Amtseid. Der verpflichtet dazu, stets zum Wohle des deutschen Volkes zu handeln, seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm zu wenden. Die Frage ist: Wird diesem Auftrag entsprochen? Antwort: Nein! Dazu Beispiele: Die Bundesrepublik Deutschland soll ab 2021 jährlich 42 Prozent mehr an Brüssel überweisen; aber die Leistungen von Brüssel an Deutschland steigen nicht. Wir zahlen zwar mehr, bekommen aber nichts dafür. Wir verschenken Geld. Das ist zum Schaden unseres Landes und der Bürger; das widerspricht dem Amtseid. Im Rahmen von „Next Generation EU“ wird ein 750 Milliarden Euro schwerer Coronaaufbaufonds aufgelegt. Dieser soll durch Kredite finanziert werden. Für diese Kredite haften alle Mitgliedstaaten gemeinsam. Für die Italiener zum Beispiel ist das durchaus ein interessantes Geschäft; denn sie bekommen deutlich mehr, als sie an Tilgung zurückzahlen müssen. Wer zahlt dann aber die Zeche? Unter anderem die deutschen Steuerzahler! Wir zahlen durch Tilgung 52 Milliarden Euro mehr, als wir bekommen. Meine Damen und Herren, das Geld könnten wir selbst sehr gut für unsere Lockdown-Geschädigten gebrauchen. Zu dem alten Anleihekaufprogramm der EZB stellt das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 5. Mai 2020 fest, dass durch die Anleihekäufe ein erhöhtes Risiko für Immobilien- und Aktienblasen ausgeht, und es testiert ausdrücklich negative ökonomische und soziale Auswirkungen für nahezu alle Bürger. Ergänzend hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die EZB gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstoßen als auch seine Kompetenz überschritten hat. Das gilt nun ebenso für das neue Anleihekaufprogramm PEPP, weil es eine Fortsetzung des alten Programms ist, nur unter neuem Namen. Es ist Aufgabe der Regierung, Schaden abzuwenden. Handeln Sie entsprechend! Sie, Frau Bundeskanzlerin, postulierten: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.“ Dieses Dogma führte dazu, dass billionenschwere Rettungsprogramme aufgelegt worden sind, für die auch Deutschland geradesteht. Ich höre Sie schon sagen: Ja, wir sind doch aber die Nutznießer Europas. – Das ist falsch! Denn wie titelte „Die Welt“ zutreffend? „Der Euro bremst sogar Deutschland aus“! In dem Artikel wird eine EZB-Studie besprochen. Sie belegt, dass der Euro das Wachstum Deutschlands dämpft. Der Euro ist eben nicht im Interesse Deutschlands und seiner Bürger; denn er schmälert unseren Wohlstand. Wir fordern klar definierte Zielsetzungen des mittelfristigen Finanzrahmens der EU und einen Mehrwert für Deutschland und seine Bürger. Meine Damen und Herren, Vertragsbrüche sind gewiss keine Grundlage, um dem Wohle Deutschlands und seiner Bürger zu dienen. Der Artikel 311 AEUV besagt: „Der Haushalt wird unbeschadet der sonstigen Einnahmen vollständig aus Eigenmitteln finanziert.“ Doch was passiert? Der Kommission soll das Recht eingeräumt werden, Ausgaben aus Krediten zu finanzieren. Fremdkapital sind aber keine Eigenmittel. Das Vorhaben verstößt gegen EU-Verträge. Wir fordern Vertragstreue. Wir fordern die Wahrung bundesdeutscher Interessen, und wir fordern die Erfüllung des Amtseids. Vielen Dank. Danke schön, Dr. Hollnagel. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. André Berghegger.
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Katja Suding FDP
Katja
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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenige Entscheidungen, die ich in meiner inzwischen neunjährigen Abgeordnetenzeit zu treffen hatte, haben mich so intensiv beschäftigt wie diese heute, weil sie eine riesige Tragweite hat. Jeden Tag sterben Menschen, weil sie kein lebensrettendes Organ erhalten. Im letzten Jahr haben wir im Bundestag strukturelle Verbesserungen in den Krankenhäusern beschlossen, um bessere Voraussetzungen für die Organtransplantation zu schaffen. Das war notwendig und richtig; das bestreitet auch niemand. Aber das allein reicht nicht. Es fehlen potenzielle Spender. Deshalb müssen wir viel mehr dafür tun, um deren Zahl zu erhöhen. Die Debatte hier zeigt noch mal, dass wir alle dieses Ziel teilen. Das ist schon mal ein sehr wichtiges Signal, das wir aussenden. Aber dieses Signal alleine hilft den Betroffenen eben nicht, die verzweifelt um ihr Leben bangen. Um ihnen zu helfen, müsste sich in Deutschland an der Einstellung gegenüber der Organspende etwas grundlegend verbessern. Deutlich mehr Menschen müssten Organspender werden, damit es Hoffnung für die vielen Menschen gibt, die dringend auf ein Spenderorgan angewiesen sind, um weiterleben zu können. Doch was ist der beste Weg, um dieses Ziel tatsächlich zu erreichen? Ich bin überzeugt: Die hier vorgelegte Zustimmungslösung ist es nicht; denn an der bestehenden Praxis würde sich nur wenig ändern. Mit Information und Aufklärung, mit direkter Ansprache, mit Kampagnen haben wir es doch schon seit Jahren versucht – leider ohne Erfolg. Auf diesem Weg kommen wir nicht weiter. Die Zahl der Organspenden ist zuletzt sogar wieder gesunken, obwohl eine Mehrheit der Bevölkerung der Organspende positiv gegenübersteht. Genau da müssen wir ansetzen. Wenn die Mehrheit der Menschen zu einer Spende bereit ist, aber nur eine Minderheit diese Bereitschaft auch dokumentiert: Wie lässt sich das ändern? Wie erreichen wir, dass diejenigen Menschen, die zu einer Organspende bereit sind, diese Bereitschaft auch mitteilen? Darum geht es. Ich bin mir sicher: Wir müssen jetzt einen wirklich großen Schritt tun. Wir müssen jetzt einen mutigen Schritt gehen. Aus meiner Sicht ist die doppelte Widerspruchslösung dieser richtige Schritt. Als Freie Demokratin – wir tragen ja die Freiheit im Namen – habe ich mich natürlich besonders eingehend gefragt, wie es mit der persönlichen Freiheit zu vereinbaren ist, Menschen zu etwas zu zwingen: sie dazu zu zwingen, sich zu der Frage zu verhalten, ob sie Organspender sein wollen oder nicht. Das greife doch in die Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen ein, habe ich hier heute oft gehört. – Ja, das stimmt, das tut es. Das tun allerdings auch viele Gesetze, die wir hier beschließen. Deshalb greift diese Frage zu kurz; denn wir dürfen nicht übersehen, um was es geht. Es geht um Menschen, die todkrank sind und die ohne eine Organspende nicht weiterleben können. Diese Menschen haben Angehörige: Ehepartner, Kinder, Eltern, Schwestern und Brüder. Für sie geht es um Leben und Tod. Mag diese Debatte für viele von uns eine theoretische sein, wir sollten nicht vergessen: Es kann jeden von uns treffen – jederzeit. Wer in diese Situation gerät, als Betroffener oder als Angehöriger, der wird darauf hoffen, dass es Menschen gibt, die bereit sind, ihre Organe zu spenden. Schon alleine deshalb haben wir die Verantwortung, nicht nur über die Spender, sondern auch über die Empfänger nachzudenken. Für mich gehören persönliche Freiheit und Verantwortung untrennbar zusammen. Das bedeutet: Natürlich muss der Mensch die Freiheit haben, über sich und seinen Körper selbst zu entscheiden. Aber diese Freiheit nimmt die Widerspruchslösung ja gar nicht. Jeder kann der Organspende widersprechen. Sie bleibt selbstverständlich freiwillig. Zur Verantwortung, die der Mensch in meinen Augen hat, gehört für mich aber auch, dass wir ihm zumuten können und dürfen, bei einer so existenziellen Frage eine Entscheidung zu treffen. Für mich war es damals eine einfache und glasklare Entscheidung: Ich trage seit Langem einen Organspendeausweis bei mir. Aber mir ist auch vollkommen bewusst, dass diese Entscheidung nicht für jeden so leicht zu treffen ist. Sie mag unbequem sein. Sie mag schwer auf jemandem lasten. Und manch einer wird sie als Freiheitseinschränkung wahrnehmen. Aber reicht das in Anbetracht der Dramatik, in Anbetracht dessen, dass es um das Überleben von Menschen geht, als Argument, eine Befassung mit dem Thema nicht verpflichtend einfordern zu dürfen, wenn genau das doch dazu dienen kann, dass mehr Menschen gerettet werden können? Das muss man sorgfältig abwägen. Aber ich komme zu dem Schluss: Nein, das reicht nicht. Wer seine Organe nicht spenden will oder wer auch nur einen Zweifel daran hat, der kann und der soll widersprechen. Wer nicht darüber nachdenken will, was nach seinem Tod passiert, der kann ebenfalls widersprechen. Die Widerspruchslösung ändert nichts daran, dass die Entscheidung für oder gegen die Organspende eine freie und persönliche Entscheidung bleibt, die auch niemand begründen muss. Jede Entscheidung in dieser Frage verdient Respekt – eine gegen die Organspende genauso wie eine für die Organspende. Aber dass sich die Menschen mit dieser Frage beschäftigen, das können und das dürfen wir zur Pflicht machen, um den vielen Menschen zu helfen, die genau das für ihr Überleben brauchen. Ich bitte Sie daher ganz herzlich: Stimmen Sie für die doppelte Widerspruchslösung! Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Ulla Schmidt.
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von Gottberg
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Herr Präsident! Herr Minister Seehofer! Meine Damen und Herren! Wir wollen hier und heute den vorgelegten Bericht zur Stadtentwicklung erörtern. Der Bericht ist ein Konvolut von 156 Seiten. Er ist eine Fleißarbeit. Aber wie soll ein derartig umfangreicher Bericht in wenigen Minuten Redezeit, die der Opposition zur Verfügung stehen, sachgerecht bewertet werden? Wir praktizieren hier parlamentarisches Alltagsgeschehen in eingefahrenen Gleisen. Eine verantwortungsbewusste Arbeit der Legislative geht anders, meine Damen und Herren. Der Bericht enthält wesentliche Fakten und wissenswerte Informationen, aber auch Unwesentliches und Überflüssiges; was dem Bericht einen unnötigen Umfang gibt. Beispiele: Das Abkürzungsverzeichnis umfasst drei Seiten. Der Bericht enthält überdurchschnittlich viele Abbildungs- und Kartenverzeichnisse. Was soll beispielsweise ein Schaubild über die Antragsbestätigung für das Baukindergeld im Bericht? Wichtig und überraschend ist andererseits die Aussage im Bericht, dass die Bundesregierung Projekte der nachhaltigen Stadtentwicklung im sogenannten Globalen Süden mit mehr als 22 Milliarden Euro fördert. Das ist bemerkenswert. Die künftigen Vorgaben für die Stadtentwicklung in der EU sind in der Neuen Leipzig-Charta formuliert. Diese Charta wurde am 30. November von den zuständigen Ressortchefs der EU fortgeschrieben. Es ist zumindest zu hinterfragen, ob eine Stadtentwicklung in den ländlichen Regionen Nord- und Südeuropas nicht andere Schwerpunkte zu setzen hat, als dies im hochverdichteten Industriestaat Deutschland der Fall ist. Im Bericht auf Seite 148 heißt es in Bezug auf die Stadtentwicklung, dass sich die Rahmenbedingungen sowie die stadtpolitischen Herausforderungen seit 2007 deutlich gewandelt haben. Stichworte dazu: Klimawandel, Digitalisierung, demografischer Wandel, Globalisierung und verstärkte soziale Disparitäten. – Richtig, aber es ist eine jahrhundertealte menschliche Erfahrung: Alles ist ständig im Fluss. Zukunft ist nach vorne immer offen. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Politik der vergangenen Jahre einen Großteil der sogenannten Probleme selbst verschuldet hat. Einige dieser Entwicklungen wurden bereits im Stadtentwicklungsbericht 2008 angestoßen, Stichworte: Klimaschutz, Energiesparen und – besonders wichtig – Flächenreduzierung. Der Bericht lässt viele Fragen offen. Politik hat den Menschen und dem allgemeinen Wohl zu dienen. Die Bedürfnisse der Menschen sind zeitlos. Sie sind 2021 nicht anders als 2007 oder 1920. Dazu gehören vorrangig eine angemessene Wohnung bzw. angemessene Mieten auf dem Wohnungsmarkt. Ebenso bedeutsam ist der Wunsch, Wohneigentum zu erwerben; die vielen Hunderttausend Häuslebauer belegen dies. Sie haben jahrzehntelang Konsumverzicht geübt, um sich ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung anzuschaffen. Eigentum gewährt ein Stück weit Unabhängigkeit und Freiheit. Stadtentwicklung muss zum Ziel haben, den Menschen ein bezahlbares Angebot zum Erwerb von Wohneigentum zu machen. Neben anderen wichtigen Indikatoren muss Wohnen oberste Priorität bei der Stadtentwicklung haben. Wohnen ist ein Grundrecht. Wohnen ist Zu-Hause-Sein – das reicht vom Eigentum bis zum Mietobjekt. Weite Kreise der Bevölkerung streben auf ihre Weise danach. Schlussbemerkung. Eine den Menschen dienende Stadtentwicklung muss sich auch von der Warnung des großen Ökonomen Wilhelm Röpke leiten lassen – Zitat –: Der Aufbau des Sozialstaates bewirkt den Verlust des Freiheitsankers Privateigentum. Danke. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Bernhard Daldrup, SPD.
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Sybille Benning CDU/CSU
Sybille
Benning
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Aufbruch in ein Jahrzehnt der Nachhaltigkeit“, das war das Motto des 20. Jahrestages des Rates für Nachhaltige Entwicklung am Dienstag. Innerhalb der planetaren Belastungsgrenzen wirtschaften und zugleich ein Leben in Würde für alle Menschen ermöglichen, das hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen als „die größte wirtschaftliche Transformation und Modernisierungschance seit der deutschen Einheit“ bezeichnet. Unser Fahrplan dafür ist die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Ich bin überzeugt, dass wir für die gelungene Transformation zu einer nachhaltigen Lebensweise eine aktive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger brauchen. Wir müssen uns als Gesellschaft darüber verständigen, wie wir uns ein gutes Leben künftig vorstellen und wie wir zu einem wertorientierten, nachhaltigen Wachstum kommen. Als Mitglied des Bildungs- und Forschungsausschusses bin ich gerne Botschafterin für Nachhaltigkeit innerhalb und außerhalb des Parlaments; denn das BMBF fokussiert schon große Bereiche seines Handelns auf Nachhaltigkeit. Im Bildungsbereich wird der Nationale Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung konsequent umgesetzt. Wir haben die Mittel für die FONA-Strategie, die Strategie der Forschung für Nachhaltige Entwicklung, jetzt auf 4 Milliarden Euro verdoppelt. Zum Beispiel erforscht FONA ressourceneffiziente Stadtquartiere für die Zukunft. Wissenschaft und Forschung helfen, die Transformation real werden zu lassen und Chancen zu nutzen und geben der Wirtschaft Planungssicherheit. Nachhaltigkeit ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Politikbereiche betrifft. Wir haben großen Handlungsbedarf bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie, denn wir verfehlen ihre Ziele in vielen Bereichen. Der PBnE hat in mehreren Stellungnahmen in dieser Wahlperiode formuliert, wie wir Nachhaltigkeitspolitik strukturell wirksamer umsetzen können. Dazu zählt ein kohärenteres Handeln der einzelnen Ministerien und, in jeder Legislaturperiode eine Bestandsaufnahme zur Umsetzung und Erreichung der 17 Ziele zu erarbeiten, als Grundlage für Etappenziele, die die Bundesregierung sich jeweils vornimmt. Das haben wir schon beschlossen. Für die kommende Wahlperiode hoffe ich, dass die Plenarwoche „Nachhaltigkeit und Klima“ eine feste Institution im Parlamentskalender werden wird, weil das Plenum des Bundestags der Ort für gesamtgesellschaftliche Zukunftsfragen ist. Wir müssen das große Ganze bei unseren Zielen für Klimaneutralität, Ressourcenschonung, Artenvielfalt, nachhaltiges Wachstum im Blick behalten, und es muss regelmäßig Grundsatzdebatten dazu geben. Die vielleicht noch wichtigere Empfehlung ist, einen echten Nachhaltigkeitscheck für Gesetze durchzuführen. Ich erhoffe mir davon mehr Transparenz über Zielkonflikte, die es häufig zwischen einzelnen Zielen der nachhaltigen Entwicklung gibt, und eine für jeden nachvollziehbare Bewertung dieser Dilemmata. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es war mir eine große Ehre, die Arbeit des PBnE der letzten beiden Wahlperioden zu begleiten. Da dies voraussichtlich meine letzte Rede im Plenum des Bundestages ist, möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen, die sich für die konsensuale Arbeit in diesem Beirat konstruktiv engagiert haben, für die gute, fraktionsübergreifende Zusammenarbeit danken. Wir sollten den Aufbruch in ein Jahrzehnt der Nachhaltigkeit beherzt angehen. Ich drücke die Daumen, dass dafür in der kommenden Wahlperiode auch ein neuer Ausschuss für nachhaltige Entwicklung einen Schub gibt. Vielen Dank. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Marco Bülow.
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Dr.
Dr. Marcel Klinge FDP
Marcel
Klinge
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Monaten diskutieren wir hier im Deutschen Bundestag in Dauerschleife über die Coronawirtschaftshilfen und kommen dabei nur in Trippelschritten voran. Dabei könnte das Ganze doch so einfach sein: Wer monatelang ganze Wirtschaftszweige lahmlegt – ich denke hier an den Handel, an die Reise- und Veranstaltungswirtschaft, an Schausteller, Hotels, Gastronomie und die dahinterstehende Food-Service-Industrie –, der muss genauso blitzschnell und unkompliziert helfen. Doch genau diesen Anspruch erfüllt die Bundesregierung bislang nicht. Schwarz-Rot hangelt sich doch von einer Panne zur nächsten. Zehntausende Betriebe und Selbstständige haben die Novemberhilfen weiterhin nicht auf ihrem Konto. Ich frage Sie: Warum muss das eigentlich alles so kompliziert sein? Warum führen Sie immer neue Kriterien ein, die am Ende überhaupt keiner mehr versteht? Zunächst waren es die Fixkosten, dann war es der Umsatz, dann waren es die ungedeckten Fixkosten. Dazu verlangt der Wirtschaftsstabilisierungsfonds auch noch Wucherzinsen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht doch alles viel einfacher: Wir Freie Demokraten schlagen vor, die Hilfen direkt über die Finanzämter auszuzahlen und den Rückgang des Betriebsergebnisses als Grundlage für alle Unterstützungszahlungen zu nehmen, Stichwort „Kieler Modell“. Mit diesem Vorschlag helfen wir nicht nur schnell und unkompliziert – denn jeder Tag zählt für die Betroffenen –, sondern wir verhindern damit auch die Diskriminierung bestimmter Branchen, Rechtsformen und Unternehmensgrößen. Als Sprecher für Tourismus möchte ich heute an dieser Stelle noch darauf hinweisen, dass eine kluge Pandemiehilfe eben nicht immer was mit Geld zu tun haben muss. Folgende zwei Punkte sind ähnlich wichtig: Erstens. Wir brauchen eine verlässliche und klare Öffnungsperspektive, und das bitte für die gesamte Tourismuswirtschaft. Dazu habe ich im Papier der Ministerpräsidentenkonferenz nichts gelesen. Eine der wichtigsten Wirtschaftsbranchen in Deutschland wird von Ihnen konsequent ignoriert. Damit sind wir Freie Demokraten nicht einverstanden. Wenn wir möchten, dass das Ostergeschäft in diesem Jahr für die Betroffenen und für viele Familien eben nicht ins Wasser fällt, dann muss diese Woche noch ein ganz klares Signal von Ihnen kommen. Wenn nichts passiert, wird man über Ostern in den Urlaub nach Mallorca fliegen, aber nicht in die Ferienwohnung an der Ostsee fahren können. Das ist kein gutes Krisenmanagement. Zweitens. Meine Damen und Herren, pfeifen Sie doch endlich mal den Altmaier und den Söder zurück! Also, was die in den vergangenen Wochen, ohne sich groß einen Kopf zu machen, zum Thema Reisen gesagt haben, hat unglaublich viele Menschen verunsichert und eine ganze Wirtschaftsbranche demoralisiert. Dabei, meine Damen und Herren, ist Reisen doch nicht per se das Problem. Am Ende des Tages ist es doch das Verhalten der Menschen. Im letzten Sommer haben wir doch gesehen, dass mehr Urlaub eben nicht bedeutet, dass die Pandemiezahlen insgesamt steigen. Hören Sie also bitte auf, Reisen schlechtzureden. Das ist unfair und nicht in Ordnung. Lassen Sie uns endlich nach vorne schauen und darüber sprechen, was in diesem Jahr noch möglich ist! Dazu brauchen wir endlich eine klare Öffnungsperspektive für die Branche. 3 Millionen Beschäftigte im Tourismus warten darauf, dass es endlich wieder losgeht. Das Wort geht an Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Kay Gottschalk AfD
Kay
Gottschalk
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Lassen wir uns das auf der Zunge zergehen: 445,6 Milliarden Euro. Nein, das ist nicht die Summe des Bundeshaushalts – man könnte das vermuten –, das ist allein die Summe der Kreditaufnahmen für die Jahre 2020, 2021 und 2022. Dazu kommen noch einmal 43,6 Milliarden Euro für die Jahre 2023 bis 2026. Wir reden hier also von knapp 490 Milliarden Euro, also einem Fünftel der öffentlichen Staatsverschuldung, einem Drittel der Bundesschulden, die hier innerhalb von nur sechs Jahren – daran sind Sie auch beteiligt, meine Damen und Herren der CDU/CSU – auflaufen. Das ist eine Bankrotterklärung der deutschen Finanzpolitik. Eurorettungspolitik, Südländerrettung, EZB-Staatsschulden, Target2-Saldo, Inflation – nun kommen wir zum Endpunkt dieser Weichwährung genannt Euro. Ihre Aufhäufung von Staatsschulden ist aus unserer Sicht verfassungswidrig, und Sie sind da genauso mitbeteiligt, meine Damen und Herren von der CDU/CSU. Herr Lindner, Ihr Bekenntnis zur Rückkehr zur schwarzen Null klingt da wie blanke Blasphemie. Sie haben den Ausnahmezustand zum Regelfall der Finanz- und Haushaltspolitik erklärt, meine Damen und Herren. Wollen Sie wissen – wenn Sie denen überhaupt noch zuhören –, was der Bund der Steuerzahler als Ursache für die Entstehung von Schulden sieht? Nicht etwa die Konjunktur oder Krisen, sondern die gewählten Politiker in den Parlamenten, die über die Einnahmen und Ausgaben des Staates entscheiden, also Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der die Regierung tragenden Fraktionen, auch der Regierung der 16 Jahre davor. Kein Corona, kein Krieg ist Ursache für diesen desolaten Zustand unseres Landes, meine Damen und Herren. Corona und Krieg sind gewiss Treiber, vielleicht auch Beschleuniger oder Brennglas; aber letztlich fördern sie nur viel schneller das zutage, was Sie in diesem Land in den letzten 16 Jahren an Missmanagement betrieben haben. Ich erinnere an dieser Stelle noch mal an den aus meiner Sicht verfassungswidrigen Nachtragshaushalt – mein Kollege Boehringer hat das auch getan –, in dem Kreditermächtigungen für Corona in Höhe von 60 Milliarden Euro mal so mir nichts, dir nichts für grüne Projekte und wahrscheinlich zur Wahrung Ihres Koalitionsfriedens umetikettiert worden sind – Dinge, die die FDP-Fraktion in Baden-Württemberg sogar mit Verfassungsklage belegt hat. So glaubwürdig sind Sie noch, Herr Lindner: Sie sind ein Zwerg der Glaubwürdigkeit geworden. Reiner Holznagel, den ich hier mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere, bringt es auf den Punkt: Allgemein sehe ich den Trend, dass starke Meinungen immer häufiger eine sachgerechte Politik aushebeln. Dabei spielen Lenkungs- und Umverteilungsambitionen – meine Damen und Herren von dieser Koalition – eine so große Rolle, dass marktwirtschaftliche Grundprinzipien, Ordnungspolitik und systemkonforme Reformen fast schon verpönt werden. Meine Damen und Herren, ich füge hinzu: Sie haben schon längst Moral über das Recht gestellt, und das bedeutet Rechtsbruch ohne Ende und, am Ende des Tages, das Ende des Rechtsstaates. Wir als AfD sind die einzige Partei, die für diese Verfassung und den Rechtsstaat noch eintritt. – Ja, durch Ihr politisch instrumentalisiertes Organ, Herr Kollege; dazu kommen wir gleich noch. Eigentlich müssten Sie vom Verfassungsschutz beobachtet werden, was Ihre Haushaltsqualität angeht. Willkommen also im grünen Sozialismus! Und die FDP: Herr Lindner, Sie machen sich zum Steigbügelhalter – diesen Ausdruck kann man hier gebrauchen; Sie verdienen es – für unsolide Staatsfinanzierung. Mit Ihren grünen Fantastereien erschaffen Sie immer mehr eine Gefahr für unseren Wohlstand; denn durch immer höhere Steuern, gerade bei der Energie, feuern Sie die Inflation weiter an. Wir stehen jetzt wahrlich vor den faulen Früchten, meine Damen und Herren, die Sie in verschiedenen Kombinationen, auch unter Frau Merkel, zu züchten anfingen und die durch die aktuelle Regierung weitergetragen werden. Die deutsche Verteidigungspolitik ist ein Desaster; ob da 100 Milliarden Euro helfen, bleibt abzuwarten. Der Energiemarkt in Deutschland ist ruiniert – ich spreche gar nicht von der Versorgungssicherheit. Mit dem Euro haben wir eine ruinierte Weichwährung, die die Stabilität der deutschen D‑Mark vergessen lässt. Herr Kollege, – Allein im September sind bei Sparguthaben 8,9 Milliarden Euro – – Sie kommen zum Schluss, bitte. – durch Inflation aufgefressen worden. Das sind auch Opfer Ihrer Politik, meine Damen und Herren. Herr Kollege, Sie kommen zum Schluss, bitte. Ich komme zum Schluss. – Insoweit ist dieser Haushalt aus Sicht meiner Fraktion ein Offenbarungseid. Herr Kollege. Das werden wir nicht mittragen. Vielen Dank. Lisa Paus hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
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Sebastian Brehm CDU/CSU
Sebastian
Brehm
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz, in Nordrhein-Westfalen, in Sachsen und auch in Bayern hat uns zutiefst erschüttert. Wir mussten fassungslos mitansehen, wie über 180 Menschen verstarben. Wir sind in Gedanken bei den Familien und möchten ihnen hier vom Deutschen Bundestag aus unsere tiefe Anteilnahme aussprechen. Wir mussten zusehen, wie unzählige Menschen alles verloren haben, wie binnen kürzester Zeit Lebenswerke zerstört wurden, die die betroffenen Personen über eine lange Zeit aufgebaut hatten. Das hat nicht nur finanzielle Lücken gerissen, sondern auch die Menschen vor Ort zutiefst seelisch belastet. Die Flut war extrem. Dort, wo Messeinrichtungen funktioniert haben und noch standen, lag der Messwert bisweilen bei mehr als 50 Prozent über dem Höchstwert der letzten 75 Jahre. Ich kann nur sagen: Wir als Deutscher Bundestag lassen Sie nicht alleine; denn wir werden mit diesem Fluthilfefonds helfen. Dieses Signal senden wir heute vom Deutschen Bundestag aus. Selbstverständlich machen wir eine Sondersitzung, um nach der ersten Stufe der Soforthilfe diese zweite Stufe der Hilfe auf den Weg zu bringen. Wir werden schnell handeln: Heute haben wir die erste Lesung, am 7. September beschließen wir das Gesetz, und am 10. September wird es im Bundesrat beraten. Also: Auch hier gibt es eine schnelle Hilfe. Ich möchte Danke sagen: Danke an die vielen Helferinnen und Helfer von Polizei, Bundeswehr, Verwaltung, Hilfsorganisationen, THW, Rotem Kreuz, Johannitern und vielen, vielen anderen. Ich möchte aber auch Danke sagen für die vielen privaten Initiativen von Handwerkern, von Privatleuten. Dieses Engagement hat gezeigt, dass in unserem Land zusammengehalten wird und dass wir dort helfen, wo es dringend notwendig ist. Danke von ganzem Herzen an alle Beteiligten und Gottes Segen für die Betroffenen! So wie die Flut das uns bekannte Maß massiv überschritten hat, so muss auch unsere Hilfsbereitschaft einen deutlich größeren Schritt als bisher machen. Bisher hatten Hilfsfonds immer eine Höhe von 8 Milliarden Euro; so war auch der letzte Fonds gestaltet. Heute bringen wir einen Fluthilfefonds mit 30 Milliarden Euro für die Länder Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Bayern auf den Weg. Übrigens ist auch wichtig, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis 31. Januar 2022 und einen Pfändungsschutz für Privatleute zu erwähnen. Auch das ist ein wichtiges und notwendiges Signal. Wir werden sicherstellen, dass das Geld aus diesem Fonds bei den Privathaushalten und bei den Unternehmern, bei den Vereinen und bei den sonstigen Betroffenen schnell und unbürokratisch ankommt. Es ist für alle, die durch das Hochwasser im Juli geschädigt wurden. Hier möchte ich aus bayerischer Sicht noch eine Besonderheit mit einbringen – das sei mir in der Debatte erlaubt –: Es gibt eine Stadt in Bayern, Landshut, die am 29. Juni ein Hochwasser erlebt hat, also unmittelbar vor dem Hochwasser im Juli. Ich bitte darum, diese Schäden, die in einem engen Zusammenhang mit der gesamten Fluthilfe stehen, aufzunehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden mit diesem Fonds die Infrastruktur wiederaufbauen. Wir flankieren das mit der Regelung, dass es bei dem Wiederaufbau zu keinem neuen Planfeststellungsverfahren kommen muss, auch wenn nicht eins zu eins aufgebaut wird, auch dann nicht, wenn vielleicht ein Stück mehr Hochwasserschutz, ein Stück mehr Klimaschutz in die neuen Gebäulichkeiten, in die neue Infrastruktur kommt. Das ist wichtig für die Planungsverfahren, die sonst sehr, sehr lange dauern. Wir müssen hier natürlich den Hochwasserschutz verbessern. Lieber Herr Kollege Krischer, ich will jetzt noch am Schluss sagen: Sie machen NRW dafür verantwortlich, dass kein Hochwasserschutz gemacht worden ist. Der Ministerpräsident ist seit vier Jahren im Amt. Sie wissen, wie lange die Planungsverfahren dauern. Wer hat denn vorher die Verantwortung getragen? Rot-Grün war das. Sie haben in Nordrhein-Westfalen gar nichts gemacht. Gar nichts! Die Folgen Ihres schlechten Handelns sind jetzt in diesem Land zu spüren. Armin Laschet packt das an und setzt es um. Auch das muss man in dieser Debatte einmal sagen. Also seien Sie nicht so scheinheilig, und kehren Sie vor Ihrer eigenen Türe. Sie blockieren die vielen Planungsverfahren. Sie haben verhindert, dass in NRW etwas vorangegangen ist. Herzlichen Dank. Dr. Lukas Köhler, FDP, ist der nächste Redner.
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Gökay Akbulut DIE LINKE
Gökay
Akbulut
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP möchte mit ihrem Antrag „Deutschland braucht ein Einwanderungsrecht aus einem Guss“ die Regierungsparteien im Grunde genommen von rechts überholen. Anders kann man diesen Antrag nicht bewerten. Sie fordert unter anderem die Einführung eines weiteren Schutzstatus, der vorübergehend den humanitären Schutz für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge gewährleisten soll. Der Status soll unbürokratisch und nach Identitätsfeststellung innerhalb von drei Monaten erteilt werden. Darunter würde nach derzeitigem Stand ein Großteil der Schutzsuchenden fallen. Damit würde das derzeitige Asylverfahren abgewertet, indem Massenentscheidungen ohne Einzelfallprüfungen ergehen. Es gibt bereits den subsidiären Schutz. Jetzt noch einen weiteren Schutzstatus einzuführen, würde nicht mehr Rechtssicherheit, sondern nur mehr Unsicherheit schaffen. Statt weitere Aufenthaltsformen einzuführen, fordern wir ein klares Bekenntnis zu der Verpflichtung, schutzsuchenden Menschen ihre Rechte zu gewähren, wie zum Beispiel das Recht auf uneingeschränkte Familienzusammenführung. Außerdem spricht sich die FDP in ihrem Antrag für zentrale Unterbringungseinrichtungen aus. Das klingt für mich ganz klar nach dem bekannten Konzept der AnKER-Zentren; das lehnen wir ganz klar ab. Wir als Linke sind für eine dezentrale Unterbringung an Orten, an denen die Menschen soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte haben. Die FDP zieht sogar Zurückweisungen an der EU-Binnengrenze in Betracht – keine Freizügigkeit für die Menschen innerhalb der EU, aber grenzenloser Waren- und Kapitalhandel. Es ist nicht nur europarechtswidrig, sondern auch zum Fremdschämen, diese Forderung hier erneut aufzustellen, und das von einer Partei, die Rechtsstaatlichkeit einmal sehr hoch gehalten hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt verschiedene Formen der Zuwanderung nach Deutschland; darüber sind wir uns ja alle einig. Die FDP befasst sich in diesem Antrag auch mit dem Thema der Arbeitsmigration. Alle Vorschläge, die das Einwanderungsrecht betreffen, egal ob es das Eckpunktepapier der Bundesregierung ist oder dieser Antrag der FDP, haben eine Gemeinsamkeit: Sie folgen dem Gedanken einer Verwertungslogik, bei der es um die Nützlichkeit von Menschen geht. Dabei stehen die Interessen von Unternehmen und Wirtschaft im Vordergrund. Eine Gesellschaft braucht aber mehr als Menschen, die den Kapitalinteressen dienen. Sie braucht Vielfalt. Alle Menschen sollen im Leben die gleichen Möglichkeiten haben, wie zum Beispiel das Recht auf gute Bildung, den Zugang zum Gesundheitssystem und auch zu Arbeitsplätzen. Wir unterstützen die Schaffung von legalen Wegen und auch die Erleichterung der Einwanderung durch unbürokratischere Verfahren. Schon aus Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ergibt sich, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind. Mit den Gesetzen, über die wir hier diskutieren, gerät dieser Grundsatz aber immer weiter in den Hintergrund. Ich habe diese Woche mit der UN-Sonderbeauftragten für Internationale Migration, Louise Arbour, über den globalen Migrationspakt diskutiert. Dieser Pakt ist zwar kein verpflichtendes Instrument für die Mitgliedstaaten, aber es ist sicherlich richtig, dass die heutigen Fragen zur Migration ohne eine internationale Perspektive nicht gelöst werden können, eine Perspektive, die die Gründe für die Entscheidung, zu migrieren, auch global in Betracht zieht. Wir brauchen kein weiteres Regelwerk, das die Interessen der Menschen, die es betrifft, nicht in Betracht zieht. Es ist im Grunde genommen der falsche Ansatz, ein Regelwerk zu schaffen, um die potenziellen Rechtsaußenwählerinnen und -wähler hier zu beruhigen. Wir müssen in die Zukunft schauen und uns die Frage stellen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Ich setze mich für eine offene und solidarische Gesellschaft ein und werde deshalb auch am Wochenende gemeinsam mit vielen Tausend Menschen hier in Berlin auf die Straße gehen und an der Demonstration unter dem Motto „#unteilbar – Für eine offene und solidarische Gesellschaft“ teilnehmen. Vielen Dank. Vielen Dank, Gökay Akbulut. – Nächste Rednerin: Filiz Polat für Bündnis 90/Die Grünen.
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Stephan Brandner AfD
Stephan
Brandner
AfD
Herr Präsident! Hass macht hässlich. Wer wusste es besser, diesen Grundsatz von diesem Pulte aus deutlich zu machen und vorzuleben, als ein bis gestern noch einflussreicher Strippenzieher der SPD-Fraktion, der auch wunderbar zu diesem Gesetzentwurf hätte sprechen können? Wer junge Damen als „Schlampe“ bezeichnet oder Kollegen hier im Hause in übelster Attitüde und Diktion mit Gossensprüchen beschimpft, meine Damen und Herren, der und dessen Partei kennen sich mit Hass wirklich aus. Wer weiß, vielleicht hat sich der Genosse Kahrs ja aus den sozialen Netzwerken zurückgezogen, weil er einfach Angst vor Ihrem Gesetzentwurf hatte, Frau Lambrecht. Meine Damen und Herren, Hass macht hässlich, auch hässliche Gesetze, wie man an diesem Gesetz aus dem SPD-geführten Justizministerium sieht, das wieder einmal ein paar Milliönchen verschlucken wird und sich liest wie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für den einen oder anderen Genossen, der nun oder demnächst ohne Pöstchen dasteht oder sich einfach anders orientieren möchte. Meine Damen und Herren, wir als AfD sagen ganz klar – das können Sie in der Begründung des von der Kollegin Cotar federführend formulierten Antrages ganz klar lesen –: Ihr Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das nichts anderes als ein Netzwerkzersetzungsgesetz, ein Meinungsfreiheitseinschränkungsgesetz ist, darf nicht weiter verschärft, es muss vielmehr abgeschafft werden, freilich nach Maßgabe unseres Änderungsantrages, den Sie in der Drucksache 19/16919 finden. Meine Damen und Herren, das Netz ist natürlich kein rechtsfreier Raum, aber das war es auch vor der Einführung des NetzDG nicht. Es ist aber einer der wenigen Räume, in dem der politische Meinungsaustausch noch mehr oder weniger offen – zugegeben in abnehmendem Maße –, unzensiert und ohne staatliche und quasistaatliche Beeinflussungen stattfinden kann. Und das hat in den allermeisten Fällen mit Hass und Hetze nichts zu tun, Frau Lambrecht – ganz abgesehen davon, dass es sich bei „Hass“ und „Hetze“ inzwischen um inflationär verwendete, inhaltsleere linke Kampfbegriffe handelt, die nicht nur mich sehr an die Diktion der Gott sei Dank untergegangenen DDR erinnern. Meine Damen und Herren, mit unserer Überzeugung, dass diese Gesetzesvorlage in Gänze und das NetzDG ganz weit überwiegend überflüssig sind, haben wir natürlich recht. Ich kann Ihnen von den Altfraktionen daher nur raten, sich uns anzuschließen; denn jedem müsste klar sein, dass die AfD in nahezu sämtlichen Einschätzungen bisher richtig lag und richtig liegt. Ich sehe es Ihnen an: Sie wollen Beispiele. Die nenne ich Ihnen gerne. Wir sind es, meine Damen und Herren von den Altfraktionen, die seit Jahren fordern, die Grenzen zu kontrollieren. Angeblich war es unmöglich, nun ist es Realität und funktioniert wunderbar. Wir waren es, die zuerst forderten, unser Land in der Coronakrise erst gar nicht herunterzufahren und jetzt endlich wieder hochzufahren. Und was passiert nun? Die Länder liefern sich einen Wettbewerb um die schnellsten Lockerungen. Wir von der AfD waren es, die immer wieder sagten, dass Fahrverbote und Autofahrerschikanen wirkungslos seien. Und was ist nun? Durch den Shutdown, seitdem kaum Autos gefahren sind, ist bewiesen, dass die ganzen Stickoxidgrenzwerte und was weiß ich, welche Werte noch, unverändert sind. Schließlich waren wir es – damit kommen wir zur aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts –, die immer wieder erklärt haben, dass die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank verfassungswidrig seien. Gestern hat es das Bundesverfassungsgericht genau so ausgeurteilt. Wenn sich meine Redezeit nicht dem Ende nähern würde, könnte ich noch bis morgen früh Positionen der AfD nennen, wo wir goldrichtig und Sie völlig danebenlagen. Blamieren Sie sich von den Altfraktionen also nicht weiter, sondern stimmen Sie einfach – immer – so wie wir von der AfD, dann liegen Sie nämlich politisch richtig – im Sinne unseres Landes und im Sinne unserer Bürger. Vielen Dank. Als Nächstes hat das Wort für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Carsten Müller.
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Ulrich Lechte FDP
Ulrich
Lechte
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Soldatinnen und Soldaten, die uns draußen zuhören! Die Sicherheit der internationalen Seewege sollte für uns alle von größter Priorität sein; denn so findet schließlich der Großteil des Warenverkehrs über die Weltmeere statt. Als öffentliches Gut leisten freie und vor allem sichere Seewege einen unabdingbaren Beitrag zur Verknüpfung der Welt. Themen – für die Feinschmecker – wie Südchinesisches Meer oder die Straße von Taiwan usw. kommen da in den Sinn. Die Operation Sea Guardian und insbesondere auch die deutsche Beteiligung leisten für diese Sicherheit einen wichtigen Beitrag in der für uns zentralen Mittelmeerregion. Vor allem bei der Seeraumüberwachung und zum Lagebildaustausch kommt die volle Stärke dieses Einsatzes zum Tragen, sind doch gerade ein guter Überblick und der schnelle Austausch unter Verbündeten das A und O für die Gewährung der Sicherheit auf dem viel befahrenen Mittelmeer und damit von unabdingbarer Bedeutung. Das betrifft nicht nur den Austausch unter beteiligten Staaten innerhalb dieser Mission, sondern auch zwischen den verschiedenen maritimen Mittelmeermissionen von NATO und der EU. Dieser Informationsaustausch und eine Unterstützung bei der Logistik zwischen der mittlerweile beendeten EU-Mission Sophia und der NATO-geführten Mission Sea Guardian waren bisher gängige Praxis. Zwischen der jetzt existierenden EU-Mission Irini und der NATO-geführten Mission Sea Guardian sind sie das bisher jedoch bedauerlicherweise nicht. Während man beim letztjährigen Mandatstext – die Bundesregierung wird sich erinnern – gebetsmühlenartig die Fortsetzung der Kooperation zwischen der Nachfolgeoperation von Sophia und Sea Guardian unterstrich, scheint diese heutzutage kein drängendes Thema mehr zu sein. Im jetzt vorliegenden Mandatstext ist zwar die Rede von der Möglichkeit dieses Austausches und der Zusammenarbeit bei der Logistik beider Missionen, jedoch ist auf diesem Gebiet bis heute leider nichts geschehen. Dabei ist es in unser aller Interesse, dass gerade auch der langanhaltende Konflikt in Libyen endlich endet und das zarte Pflänzchen des Friedens in diesem krisengeschüttelten Land nachhaltig gesichert wird. Mit einem Informationsaustausch zwischen beiden Missionen könnten wir zur Befriedung Libyens beitragen. Umso unverständlicher ist es für mich, dass wir hierfür nicht alle Hebel in Bewegung setzen. Die Bundesregierung möge sich deshalb dafür einsetzen, diesen Austausch zwischen den Missionen, der zwischen der Vorgängermission Sophia und Sea Guardian bestand, auch endlich für die Nachfolgemission Irini und Sea Guardian zu bewerkstelligen: für die Sicherheit der Seewege, aber auch für die Sicherstellung und die Wahrung des Friedens in Libyen und der ganzen Region. Sea Guardian trägt zur Sicherheit an der Südflanke Europas maßgeblich bei. Die FDP-Fraktion stimmt diesem Mandat daher zu. Zuletzt: Liebe Bundesregierung, Verstimmungen und Konflikte sowie deren Lösung zwischen Partnern in der NATO und in Europa wie zwischen Frankreich, Griechenland und Zypern auf der einen und der Türkei auf der anderen Seite gehören zu den dringlichsten Themen der europäischen und damit der deutschen Außenpolitik! Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Das Wort geht an Matthias Höhn von der Fraktion Die Linke.
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Cornelia Möhring DIE LINKE
Cornelia
Möhring
DIE LINKE
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte wirft tatsächlich einige Fragen auf, die nicht einfach mit Ja oder Nein zu beantworten sind. Für mich waren in der Annäherung dafür zwei Grundsätze wichtig. Der erste: Menschliches Leben darf keine unterschiedliche Wertigkeit haben. Der zweite: Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen über ihren Körper gilt zu jeder Zeit und ohne Einschränkungen. Frauen dürfen aus keinem Grund gezwungen werden, eine Schwangerschaft fortzusetzen, wenn sie das nicht wollen. Ich denke, wir müssen aufpassen, dass wir diese Gegensätze nicht gegeneinander ausspielen. Denn eine inklusive Gesellschaft braucht Selbstbestimmung. Die Frage nach der Kassenleistung finde ich hingegen relativ einfach zu beantworten. Ich betone, dass es dabei nicht um eine Regelleistung oder das Gießkannenprinzip geht. Deshalb: Eine Untersuchung ohne Risiko für Fötus und Schwangere ist deutlich besser als eine mit Risiko. Also sollte sie auch für alle bezahlt werden; sonst bleiben Frauen und Paare mit geringem Einkommen benachteiligt. Es geht aber nun mal um mehr als um eine Kassenleistung. pro familia berichtet eindrucksvoll aus der Beratungspraxis, wie schwer die Entscheidung für die werdenden Eltern ist. In einer Stellungnahme zum Bluttest heißt es – Zitat –: Sie hadern mit einer Entscheidung, die eigentlich nicht zu treffen ist. Sich gegen das eigene Wunschkind oder für ein Leben mit einem Kind mit Behinderung zu entscheiden, ist ein kaum auflösbarer Konflikt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es ist auch deshalb ein kaum auflösbarer Konflikt, weil unsere Gesellschaft eben noch nicht so inklusiv ist, wie sie sein sollte, weil umfassende Teilhabe nicht gesichert ist und die notwendige Unterstützung für Eltern und auch für Alleinerziehende nicht gewährleistet ist. Ich finde es deshalb nachvollziehbar, dass es die Angst gibt, in wirtschaftliche Not zu geraten, sozial isoliert zu sein oder vielleicht die Unterstützung für ein eventuell pflegebedürftiges Kind nicht zeitlebens absichern zu können. Eine Behinderung ist in Deutschland nun mal immer noch ein Armutsrisiko, und das müssen wir abstellen. Eine Gesellschaft hat nicht zu entscheiden, ob eine Frau ein Kind bekommt oder nicht. Eine Gesellschaft hat auch erst recht nicht festzulegen, welches Kind das sein darf. Aber eine Gesellschaft hat die Bedingungen zu schaffen, um allen Menschen und künftigen Kindern ein gutes Leben in ihrer ganzen Vielfalt zu ermöglichen, Bedingungen, unter denen Frauen und Paare eine selbstbestimmte Entscheidung treffen können – im Kontext von Pränataldiagnostik und dennoch orientiert an Vielfalt und Menschlichkeit und nicht an Produktivität und Leistungsfähigkeit, auch nicht an vorgegebene Normen, wie ein Mensch in unserer Gesellschaft zu sein hat. Genau darüber möchte ich mit Ihnen diskutieren. Vielen Dank. Corinna Rüffer, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin.
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Katja Hessel FDP
Katja
Hessel
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich habe mir jetzt mehrmals in dieser Debatte anhören können, dass wir eine Klientelpartei sind. Und ich sage: Ja, wir sind die einzige Partei, die sich hier noch für die Mitte einsetzt, die eben nicht immer nur versucht, am linken Rand irgendwie noch etwas zu kriegen. Die reflexartigen Antworten beim Thema Unternehmensteuerreform von der von mir aus gesehen linken Seite heißen immer: Steuervermeidung, Steuerkomplexität. Liebe Frau Kollegin Kiziltepe, der allererste Antrag zum Thema Steuerrecht, den wir hier eingebracht haben, hat sich mit Steuervermeidung und den Panama Papers beschäftigt; da kann ich mich noch entsinnen. So viel Ehrlichkeit gehört zur Debatte dazu. Herr Kollege Dr. Bayaz, ja, wir brauchen eine gerechte CO2-Bepreisung. Da haben Sie uns als Partner an der Seite. Daher haben wir auch dieser Tage gesagt, dass wir das Vorgehen der Bundesregierung noch einmal prüfen möchten. Herr Kollege Brehm, es ist schön, dass Sie hier in den gesamten zehn Minuten Ihrer Redezeit vorgetragen haben, wie die Vorschläge der Union sind, die im Übrigen – weil wir ja immer das Thema Abschreiben haben – in Ihrer Fraktion Anfang November beschlossen worden sind, wenn ich mich nicht täusche. Es waren Pressemitteilungen. Nur so viel zum Thema Ehrlichkeit. Und, ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen ein modernes Unternehmensteuerrecht. Wir haben heute schon viel davon gehört, wie der Steuerwettbewerb ist, wie die konjunkturelle Lage ist. Alle, die sich mit Unternehmensteuerrecht und mit der Konjunktur auskennen, wissen auch, dass eine Unternehmensteuerreform sich ganz oft selbst trägt, weil nämlich die Ersparnisse auch wieder hier investiert werden und dadurch wieder mehr Steuern ausgelöst werden. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Nein. – Wir haben einen Vorschlag mit 20 Punkten gemacht, die man sicherlich noch mit dem einen oder anderen Punkt ergänzen kann. Aber wir machen gerne unsere Punkte auch ordentlich. Dass das Außensteuergesetz reformiert werden muss, wissen wir alle. Auch dazu wird von uns noch etwas kommen. Die steuerliche Forschungszulage ist inzwischen beschlossen. Als wir unseren Antrag im Februar dieses Jahr eingebracht haben, stand sie noch in weiter Ferne. Dementsprechend ist es schön, dass der Bundesregierung auch etwas gelingt und für Unternehmer auch etwas umgesetzt wird. Meine lieben Kollegen, wir geben Ihnen heute die Gelegenheit, mit uns dafür zu sorgen, dass Deutschland, dass die Bundesrepublik auch in schwierigen Zeiten und im schwierigen Fahrwasser gut aufgestellt wird und wir unseren Unternehmen die Möglichkeit geben, hier konkurrenzfähig zu sein. Vor allem – auch das muss noch mal gesagt werden – ist ein modernes Unternehmensteuerrecht auch ein Standortvorteil für diesen Wirtschaftsstandort. Hier braucht es dringend eine Reform. Sie haben heute die Möglichkeit, unserem Antrag zuzustimmen. Vielen Dank, Frau Kollegin Hessel. – Der Kollege Dr. Dehm erhält das Wort zu einer Kurzintervention.
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Dr.
Dr. Gesine Lötzsch DIE LINKE
Gesine
Lötzsch
DIE LINKE
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern war der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Jede Stunde wird in Deutschland eine Frau zum Opfer einer gefährlichen Körperverletzung. Ich finde, das ist eine Schande für unser Land, und wir dürfen nicht wegsehen. Im Bundeshaushalt wurden 5 Millionen Euro zusätzlich zur Unterstützung von Frauen und ihrer Kinder, die Opfer von Gewalt wurden, beschlossen. Das ist leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. In Deutschland fehlen 140 000 Plätze in Frauenhäusern. Ich weiß, diese Plätze zu schaffen, ist Aufgabe der Länder, doch ich denke, auch der Bund muss hier mehr tun, und zwar Grundsätzliches. Die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett haben Dutzende Studien aus der ganzen Welt zum Thema Gewalt ausgewertet. Ergebnis: Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Einkommensungleichheit und Gewaltverbrechen. Es reicht also nicht, Frauenhäuser zu bauen. Wir müssen die Ungleichheit in unserer Gesellschaft bekämpfen. Das sagt Die Linke sehr deutlich. Solange, meine Damen und Herren, die reichsten 10 Prozent in Deutschland über mehr als die Hälfte des Vermögens verfügen, die ärmere Hälfte aber nur 1,3 Prozent hat, brauchen wir uns über zunehmende Gewalt nicht zu wundern. Tatsache ist auch, dass die Ungleichheit in unserer Gesellschaft, in Deutschland, schneller wächst als in vielen anderen Ländern Europas, und – man muss es so deutlich aussprechen – schuld daran ist die Regierung aus CDU/CSU und SPD. Sie tragen die Verantwortung. Denn Sie stemmen sich seit Jahren mit Händen und Füßen gegen eine gerechte Steuerpolitik. Das muss sich endlich ändern, meine Damen und Herren. Finanzminister Scholz ist immer noch so stolz auf die schwarze Null. Doch der ökonomische Sachverstand sagt deutlich: Die schwarze Null ist ökonomischer Unsinn und verbaut die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Die Rufe nach mehr Investitionen werden immer lauter, und zwar zu Recht. Sogar BDI und DGB – also Arbeitgeber und Arbeitnehmer – verlangen gemeinsam eine Investitionsoffensive. Michael Hüther vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft und Sebastian Dullien, Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, haben einen Investitionsbedarf von 450 Milliarden Euro für unser Land errechnet. Sie fordern unter anderem 138 Milliarden Euro für Maßnahmen in den Kommunen und 110 Milliarden Euro für Bildung und Wissenschaft. Ich sage Ihnen: Diese Forderungen kann unsere Fraktion sofort unterschreiben. Nun wurde auf dem CDU-Bundesparteitag ein wirklich richtungsweisender Antrag beschlossen: Vor jeder Schule soll zukünftig eine Deutschlandflagge wehen. Damit will die CDU offensichtlich darauf hinweisen, dass die Bildung in unserem Land mit 100 Milliarden Euro unterfinanziert ist. Ich würde diesen Antrag noch erweitern: In jedem Funkloch sollte eine Deutschlandfahne wehen. Dann sieht es in unserem Land bald wieder so aus wie bei der Fußballweltmeisterschaft 2006. Und auf diese Weise würden wir der Welt zeigen, wie offen die Bundesregierung mit ihrem Versagen umgeht, meine Damen und Herren. Die Regierung will nicht mehr investieren – Kollege Rehberg ist ja ausführlich darauf eingegangen –, weil schon die beschlossenen Milliarden nicht abfließen. Doch ich kann Ihnen sagen: Diese Ausrede höre ich seit Jahren. Die Bundesregierung tut doch nichts dafür, dass die Gelder auch ausgegeben werden können. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Entschulden Sie endlich die Kommunen! Dann können Kommunen nämlich aus eigener Kraft investieren. Union und SPD sind stolz darauf, dass sie nicht mehr ausgeben, als sie einnehmen. Damit lenken sie davon ab, für welchen Unsinn und für welche Verschwendung Steuergelder ausgegeben werden. Viel zu viel Geld fließt in die Rüstung. Dazu sagt Die Linke: Das wollen wir nicht. Wir wollen weniger Geld für Rüstung, mehr Geld für Friedensprojekte. Sie geben weiterhin viel Geld für die NATO aus, eine Organisation, die immerhin der französische Präsident als „hirntot“ bezeichnet hat. Man muss ja diese Wortwahl nicht teilen; aber man sollte zumindest darüber nachdenken. Sie müssen dreistellige Millionenbeträge für Strafzahlungen ausgeben, weil Sie die Klimaziele nicht erreicht haben, und auch die Mautbetreiber werden millionenschwere Forderungen stellen. Meine Damen und Herren, es geht also nicht darum, Steuergelder mit vollen Händen für die falschen Dinge aus dem Fenster zu werfen, wie die Bundesregierung es macht, sondern es geht darum, in die Zukunft zu investieren, wie wir es vorgeschlagen haben. Wir wollen Steuergelder für mehr Bildung, für mehr bezahlbare Wohnungen, für bessere Pflege, für Klimagerechtigkeit und gegen Armut einsetzen. Das wäre der richtige Weg. Vielen Dank. Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin.
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Heidrun Bluhm-Förster DIE LINKE
Heidrun
Bluhm-Förster
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie kennen mich ja schon einige Zeit. Ich werde nicht müde, zu betonen, dass die Agrar- und Landwirtschaftspolitik ohne Zusammendenken mit der Wirtschafts- und Umweltpolitik heute nicht mehr möglich ist. Jedes aufmerksame Beobachten des Strukturwandels im ländlichen Raum lässt dies offenkundig werden. Die Frage, wie nachhaltig Agrarbetriebe heute wirtschaften und wie die gesamte Ernährungsindustrie funktioniert, ist sowohl eine Gewissens- als auch eine politische Frage, die vernünftigerweise auch durchdachte Antworten von uns Politikerinnen und Politikern einfordert. Und da gehen die Meinungen aus unserer Sicht noch zu weit auseinander. Bezeichnend ist der Etatentwurf des BMEL für 2020, der sich weder in seiner Größenordnung noch in seiner Stoßrichtung im Vergleich zu vergangenen Haushalten wesentlich verändert hat. Schon im letzten Jahr habe ich an dieser Stelle kritisch angemerkt, dass die seinerzeitigen 6,3 Milliarden Euro des Einzelplans für Ernährung und Landwirtschaft kein Budget eines Weiter-so sein dürfen und dass die Gelder, die wir auch über die EU in die Agrarwirtschaft stecken, nicht zur Stabilisierung des Status quo verschwendet werden sollten. Nun ist es dem Entwurf zufolge mit wenig mehr als 6,5 Milliarden Euro und kaum signifikanten Änderungen in den Einzelposten doch leider wieder genau das geworden. Die viel diskutierten notwendigen Veränderungen in der Landwirtschaft bleiben dabei aus unserer Sicht weitgehend auf der Strecke. Nach wie vor ist die Linke der Überzeugung, dass die dringenden Reformvorhaben in der Debatte um die Neuordnung der kompletten Agrarförderung in der Gemeinsamen Agrarpolitik auf EU-Ebene und auch unter deutscher Beteiligung an der Gemeinschaftsaufgabe weitaus größere Anstrengungen einfordern, als es die Bundesregierung umzusetzen vermag. Es geht dabei nach wie vor unter anderem darum, wie wir die agrarpolitischen Leistungen für das Gemeinwohl und ihre Effekte für den sozialökologischen Umbau der Landwirtschaft in Zukunft gerecht honorieren, statt öffentliche Gelder bedingungslos und undifferenziert in die Fläche zu verteilen. Bei der Förderung von Unternehmensgründungen und von Start-ups im ländlichen Raum dürfen sich die zuständigen Ministerien aber auch nicht im Wege stehen, sondern müssen eine gemeinsame Strategie entwickeln. Hier erwarte ich auch vom Wirtschaftsministerium eine stärkere Konzentration auf den ländlichen Raum. Das habe ich Herrn Altmaier heute Mittag in der Etatberatung auch schon mit auf den Weg gegeben. Meine Damen und Herren, wenn wir uns den Haushaltsplan des Ministeriums genauer anschauen, dann fällt auf, dass es eine Steigerung um 50 Millionen Euro im Sonderrahmenplan Förderung der ländlichen Entwicklung im Rahmen der GAK geben soll. Wofür diese Mehrausgabe aber eingesetzt werden soll, bleibt das Geheimnis der Ministerin. Hier fordern wir Linken zum einen Transparenz bei der Mittelvergabe und bitten, dies auch den Abgeordneten des Parlaments mitzuteilen – vielleicht wissen die Koalitionäre mehr, aber wir wissen nichts –, und zum anderen brauchen wir ein definitives Umsteuern in der Förderpolitik insgesamt. Unsere Maxime lautet: öffentliches Geld für öffentliche Leistungen. Nicht weniger auffällig ist die Reduzierung der Gelder im Bereich nachwachsender Rohstoffe um mehr als 10 Millionen Euro, wovon aber neben Forschung und Entwicklung selbst der Aufbau von Produktlinien und der Bereich von der Erzeugung bis zur Verwendung nachwachsender Rohstoffe betroffen sind. Auch die Position „Energieeffizienz in Landwirtschaft und Gartenbau“ scheint nicht mehr so förderungswürdig zu sein; denn ein Großteil der Mittel ist im Haushalt 2019 bisher gar nicht abgerufen worden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, allen Unkenrufen zum Trotz sind doch Ansätze zum ressortübergreifenden Handeln vorhanden. Die Ministerin hat für Ende September 2019 zum Nationalen Waldgipfel eingeladen, der nach eigener Aussage in Zusammenarbeit mit den Bundesländern ein Ergebnis- und Tatengipfel werden soll. In Anbetracht der großen Probleme, Schäden und Kalamitäten der Waldflächen ist das sicherlich ein hehrer Anspruch, dem nun natürlich auch Taten folgen müssen. Zahlen dazu findet man im Haushalt 2020 allerdings noch nicht. Interessanterweise hat das Umweltministerium vor einiger Zeit Leitlinien für die Wiederbewaldung in Deutschland vorgestellt und sich dabei konkret auf das Wiederbewaldungsprogramm des BMEL bezogen. Außerdem wird darin ein Paradigmenwechsel im Wald zur Sicherung ökologisch hochwertiger Waldökosysteme dargestellt. Jetzt muss nur noch die Waldwirtschaft mit ins Boot. Dann könnte man sagen: Na, geht doch. Die Linke erwartet, dass mit politischer Vernunft und sozialökologischer Weitsicht endlich zielgenaue Maßnahmen ergriffen werden. Wenn Sie unseren Antrag vom Mai 2019 auf Einrichtung eines Nothilfefonds hervorholen, dann wissen Sie jetzt schon, was Sie im September auf Ihrem Waldgipfel beschließen müssen. Ich freue mich jedenfalls auf die Ergebnisse und bin gespannt, ob unsere Vorschläge Eingang finden. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der nächste Redner: Dr. Tobias Lindner, Bündnis 90/Die Grünen.
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Anja Hajduk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Anja
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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Ich kann gut an meinen Vorredner anschließen, da ich das Thema der nachhaltigen Finanzierung ansprechen will. Gute Entwicklungszusammenarbeit muss nachhaltig sein, und das heißt aber auch: Sie muss nachhaltig finanziert sein. Deswegen brechen wir uns keinen Zacken aus der Krone, wenn wir sagen: 12,4 Milliarden Euro im Haushaltsplanentwurf 2021 ist schon eine beachtliche Summe. Zwar weiß man, dass der Haushalt 2020 zusammen mit dem Nachtragshaushalt genauso hoch war, aber der Haushalt 2019 lag immerhin nur bei 10,1 Milliarden Euro. Aber ein Minister sitzt – im Unterschied zu uns im Bundestag – in einem Kabinett, und der Finanzplan wird ja auch im Kabinett beraten. Wenn dann im Finanzplan – deswegen sage ich das so deutlich – ein Absturz um 25 Prozent in den Jahren 2022, 2023 und 2024 vorgesehen ist, dann ist das keine verantwortungsvolle Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit, die Sie uns hier vorlegen, und das vor dem Hintergrund der Pandemie. Seit 1998 gibt es zum ersten Mal leider wieder einen Anstieg der absoluten Armut. Die bisherigen Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit – Herr Minister, Sie wissen das – können durch diese Pandemie leider mit einem Fingerschnippen, sage ich mal, kurzfristig zunichtegemacht werden. Deswegen kann uns dieser Haushaltsplanentwurf in keiner Weise zufriedenstellen, Frau Steffen. Zweiter Punkt. Was ist mit den multilateralen Programmen? Das ist gerade schon von meinem Kollegen Link sehr zu Recht angeführt worden. Wir sehen: Mensch, wir haben so viel Geld für das Jahr 2021. – Und dann sehen wir: Da wachsen die sogenannten bilateralen Vorhaben an. – Gleichzeitig muss man leider zur Kenntnis nehmen, dass viele Programme – multilaterale Programme, Programme der Vereinten Nationen – auf das Vorcoronaniveau zurückgestrichen sind. Das passt doch nicht zusammen mit der Aussage des Ministers Müller im „Handelsblatt“ am 22. September 2020, die da lautet: An den Folgen der Lockdowns werden weit mehr Menschen sterben als am Virus. … Allein auf dem afrikanischen Kontinent rechnen wir dieses Jahr mit zusätzlich 400 000 Malaria-Toten und HIV-Opfern sowie einer halben Million mehr, die an Tuberkulose sterben werden. Dann darf man genau diese Programme, die gegen diese Entwicklungen ankämpfen, nicht auf Vorcoronaniveau kürzen; das passt überhaupt nicht zusammen. Deswegen möchte ich Sie auch bitten, Herr Müller, und auch die die Regierung tragenden Fraktionen: Zu der BMZ-Strategie 2030, also der Strategie des Ministeriums, nach der die Entwicklungszusammenarbeit mit einigen Ländern beendet werden soll, um sich auf bestimmte Länder stärker zu fokussieren, würde ich sagen: Im Grundsatz kann man so eine Idee verfolgen; wir werden das sehr kritisch beleuchten. Aber wenn man sagt: „Die Länder, aus denen wir uns zurückziehen, die sollen dann wiederum durch multilaterale Zusammenarbeit gut bedient werden“, dann passt dazu auch wieder nicht die Schwächung der multilateralen Programme. Es ist also mehr als widersprüchlich. Mein letzter Punkt muss auch, leider, wieder sehr kritisch ausfallen. Da schaue ich jetzt noch mal auf den Haushalt 2021, der in der Höhe durchaus beachtlich ist. Aber wie steht es mit der Qualität, der qualitativen Ausrichtung unserer Entwicklungszusammenarbeit? Da steht Deutschland, gewertet durch viele NGOs, leider mit einem „mangelhaft“ da. Da habe ich mich sehr gewundert. Liebe Sonja Steffen, wir arbeiten seit Jahren gut und gerne zusammen. Ich finde, dass der Anteil der ODA-relevanten Mittel, die aus Deutschland in die am wenigsten entwickelten Länder fließen, immer noch weit zu gering ist. Wir müssen es jetzt noch mal mit dem Aufwuchs analysieren; aber es waren bislang unter 20 Prozent, und das ist weit zu gering und gegen die internationale Zusage, gerade die ärmsten Länder stärker zu unterstützen. Aber noch gravierender wird das Problem, wenn wir auf den qualitativen Anteil schauen: Wie viel der ODA-Mittel, die wir zur Verfügung stellen, dienen eigentlich der Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter, also Frauen und Mädchen, die in der Pandemie ganz besonders leiden? Der Anteil liegt bei sage und schreibe einem einstelligen Prozentsatz unserer ODA-Mittel. Auch das ist qualitativ sehr zu bemängeln. Deswegen, Herr Minister: Wir haben in diesem Etat noch ungeheuer viel zu arbeiten, bis wir zufrieden sein können. Wir werden Sie und die Kanzlerin daran messen, ob Sie mit zusätzlichen Millionen nicht nur im nächsten Jahr, sondern bis in die Mitte des nächsten Jahrzehnts sicherstellen, dass ein Impfstoff gegen Covid-19 für alle Menschen auf diesem Globus zugänglich wird. Auch das wird zu klären sein am Ende dieses Jahres. Danke schön. Der nächste Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Hermann Gröhe.
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Fabio De Masi DIE LINKE
Fabio
De Masi
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Frau Bundeskanzlerin, meine Fraktion lehnt CETA und auch ein TTIP light ab. Aber Weltwirtschaft beginnt ja vor der eigenen Haustür. Millionen von Menschen in Deutschland strengen sich jeden Tag hart an, aber ihnen fehlt die Zuversicht. 40 Prozent der Beschäftigten haben heute niedrigere Reallöhne als noch Mitte der 90er-Jahre; Leiharbeit, Befristung boomen. Die Infrastruktur in den Kommunen bröckelt, und wir verkaufen deswegen mehr und billiger an das Ausland, als wir von dort einkaufen. Jetzt hat Herr Trump Strafzölle, unter Umständen auch auf deutsche Autos, angekündigt, eine Ankündigung, die er übrigens bereits 1990 ausgerechnet im „Playboy“ machte. Ich frage Sie daher: Was haben Sie konkret vor, um die Lebensverhältnisse für die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland zu verbessern und einen Handelskrieg abzuwenden? Wäre es nicht an der Zeit, sich auch wieder mit Russland an einen Tisch zu setzen, wenn wir mit den USA so große Schwierigkeiten haben?
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Nicole Höchst AfD
Nicole
Höchst
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Herr Präsident! Werte Kollegen! Hochverehrte Bürger! Jeder ist in Deutschland frei, zu lieben, wen er will und wie er will, solange es unter Erwachsenen und einvernehmlich geschieht. Liebe Kollegen, lieber Herr Lehmann, Ihr Zetern um angebliche Homo- und Transfeindlichkeit der AfD läuft komplett ins Leere. Homosexuelle werden bei uns ohne viel Getöse Mitglieder, Parlamentarier und Vorsitzende. Die AfD stellt zudem völlig unaufgeregt den ersten transsexuellen Parlamentarier Deutschlands. Das alles sind Tatsachen, die Sie von den Gender- und Gedönsparteien offensichtlich schier wahnsinnig machen. Wir von der AfD befeuern mit diesen Menschen im Gegensatz zu Ihnen keine Profilneurosen, sondern leben gesellschaftliche Normalität und respektieren gegenseitig unser Privatleben, wie es alle tun sollten, ohne es ständig ins Rampenlicht zu zerren. Haben wir uns gestern mit der großen Errungenschaft der deutschen Politik, dem Grundgesetz, befasst, müssen wir uns heute mit dem Befehl einer der einflussreichsten Lobbygruppen weltweit, der LGBT, an ihren willigen politischen Vollstrecker, die Grünen, auseinandersetzen. Dieser Befehl lautet wohl unmissverständlich, dieses großartige Grundgesetz wegen Maßnahmen gegen Homo- und Transfeindlichkeit zu ändern. Hier soll nicht etwa Diskriminierung abgeschafft, sondern eine gesellschaftszersetzende Ideologie durchgesetzt werden. Damit wollen Sie ganz bestimmte Lebensweisen explizit fördern und andere eben nicht. Homosexualität ist schon lange entkriminalisiert und straffrei gestellt. Homosexualität und Transsexualität sind als Ausnahmeerscheinung längst in der Normalität der Gesellschaft angekommen. Es gibt die Ehe für alle und den selbst bei Transgendermenschen umstrittenen Geschlechtseintrag „divers“. Aber das ist Ihnen anscheinend noch lange nicht genug. Die Bürger sollen nun Homosexualität und Transsexualität nicht nur tolerieren; sie sollen sie akzeptieren. „Akzeptieren“ – dieses Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet ursprünglich „annehmen, gutheißen“. Und was kommt denn dann als Nächstes? Wird Homo- und Transsexualität unter dieser verstrahlten Regierung noch zur Staatsnorm erhoben und somit zur heiligen Pflicht für jeden Bürger? Das spezialdemokratische Familienministerium stützt diese steile These mit Veröffentlichungen, die unter www.regenbogenportal.de nachzulesen sind: „Mein Kind ist inter*“, „Jung und schwul, lesbisch, bi, pan, a, queer …“ usw., ein Bilderbuch, das Drei- und Vierjährigen einbläut, „dass es mehr als zwei Geschlechter gibt“, Vorlesegeschichten, um Gespräche über schwul-lesbische „Liebensweisen“ zu führen – mit Kindern ab fünf! Das ist übergriffig, meine Damen und Herren, und das ist schon allein aus erziehungspsychologischer Sicht ein Riesenskandal. Das Hissen der Regenbogenflagge vor dem Familienministerium gehört schon zur Folklore. Für Familien hingegen wird nicht geflaggt, Unterstützung ist auch nicht finanziell spürbar. Gefördert werden dafür mit Inbrunst Organisationen, die irgendeinen „Anti-ismus“ im Namen tragen. Die Liste dieser Organisationen gleicht dabei dem offiziellen Programm einer Antifa-Jugendgruppe. Fazit: Die Genderista dringen mittels dieser steuergeldabsaugenden Helfershelfer auf allen Ebenen, mit aller Perfidie und Macht in die Köpfe der Menschen vor, so wie einst im autoritären Volkserziehungsapparat der DDR vorgelebt. Dabei wird so getan, als sei das Geschlecht frei wählbar – jetzt hören Sie mal gut zu! – und als könne jeden Moment wieder ein weiteres, bislang unbekanntes Geschlecht aus der Hecke hüpfen. Mit Ihren unwissenschaftlichen Lügen über angebliche Vielfalt und Beliebigkeit legen Sie nicht nur die Axt an die Keimzelle unserer Gesellschaft, die Familien. Nein, Sie verletzen die Würde von Homosexuellen und Transgendermenschen und zeigen sogar Homophobie und Transphobie in übelster Form. Denn Sie sprechen diesen Menschen ihre Gefühle und die Normalität ihres Seins ab. Aber Gefühle und Sein sind eben nicht frei wählbar. Diese Menschen haben sehr konkrete Vorstellungen davon, wer sie sind und wen sie lieben, und das ist eben Mann oder Frau und nicht divers. Liebe Bündnisseurinnen 90 der Grüninnen, Sie sind wahrhaft die größten Heuchler der deutschen Politik: Sie geben vor, Homo- und Transgenderfeindlichkeit zu bekämpfen, und holen gleichzeitig massenhaft die Intolerantesten der Intoleranten, die größten Schwulenhasser zu Tausenden in unser Land. Pfui, wie schäbig! Die AfD wird Diskriminierungen und tatsächliche Angriffe auf egal wen, also natürlich auch auf Homosexuelle und Transgender in Deutschland, niemals dulden. Dieses Versprechen ist – allen Verleumdungen zum Trotz – unser Alleinstellungsmerkmal. Vielen Dank. Leni Breymaier, SPD, hat als Nächste das Wort.
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Karsten Klein FDP
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade im Zuge des unwürdig zelebrierten Asylstreits sollte man nicht vergessen, darauf hinzuweisen, dass die Bundeswehr einen sehr wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Fluchtursachen durch ihre Auslandseinsätze leistet. Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, und für die Landesverteidigung benötigt die Bundeswehr dringend zusätzliche Mittel. Die Bundeswehr muss so ausgestattet werden, Frau Ministerin, dass wir den internationalen Verpflichtungen nachkommen können, und dabei, Frau Ministerin, würden wir Sie gerne kraftvoll unterstützen. Dafür sind aber zwei Dinge zwingend nötig: Das Erste ist: Legen Sie dem Parlament transparent dar, in welcher Höhe Sie Mittel für welche Maßnahme in welchem Bereich und in welchem Zeitkorridor benötigen. Vielleicht nennen Sie das einfach – ich mache mal einen Vorschlag – „Bericht zur Entwicklung des Finanzbedarfs der Bundeswehr“ und legen das dem Parlament endlich mal vor. Das Zweite, Frau Ministerin, ist noch viel entscheidender: Sorgen Sie dafür, dass die Mittel auch bei der Truppe ankommen, und zwar an den Stellen, für die wir, das Parlament, Ihnen die Mittel zugestanden haben. Steigern Sie die Effizienz der Bundeswehrverwaltung. Das ist dringend nötig. Die Bundeswehr, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine Parlamentsarmee, und verteidigungspolitisch muss dann vor allem gelten: maximale Sicherheit für die Soldatinnen und Soldaten bei gefährlichen Einsätzen im Ausland. Das wiederum erfordert die Beschaffung einer bewaffneten Drohne. Aber auch haushaltspolitisch ist es gefordert, keine Mittel für die Bewaffnungsfähigkeit einer Drohne auszugeben, wenn dieser Leistungsumfang am Ende überhaupt nicht genutzt wird. Auch das macht die Beschaffung einer bewaffneten Drohne und nicht einer bewaffnungsfähigen Drohne dringend nötig. Die ethische, verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Würdigung, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, hat doch längst in den Fraktionen und im Deutschen Bundestag stattgefunden. Zum Beispiel fand schon am 30. Juni 2014 eine Anhörung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages zu diesem Thema statt. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat allein 22 Arbeiten zum Thema Drohne vorgelegt. Die Bundeswehr beteiligt sich seit 2016 an der Entwicklung einer bewaffneten Drohne, nämlich der Eurodrohne. Wir Freien Demokraten sind der Auffassung, dass die Beschaffung einer bewaffneten Drohne ethisch vertretbar ist. Wir werden aber vor allem nicht der Ausgabe von Steuergeldern für etwas zustimmen, dessen Nutzung von den Regierungsfraktionen selbst infrage gestellt wird. Deshalb möchte ich Sie an dieser Stelle noch mal auffordern: Wir sind heute hier entscheidungsbereit – stimmen Sie unserem Antrag auf Bewaffnung der Drohne zu! Das verhindert die Gefahr von Steuerverschwendung, und das gewährleistet die maximale Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten. Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben auch einen sehr großen haushalterisch neuen Punkt in Ihrem Einzelplan stehen: Es ist ein absolutes Novum, dass für einen Einzelplan in einem eigenen Kapitel eine Rücklage eingerichtet wird. Wir als Parlament haben aber dafür Sorge zu tragen, dass sie eben nicht zur Sparbüchse des Verteidigungsministeriums verkommt. Wir haben die Verantwortung, dass Haushaltsklarheit und -wahrheit sichergestellt werden. Das sind nicht nur Einwendungen, die von Oppositionsseite kommen, sondern auch der Bundesrechnungshof hat dies klar artikuliert und die Haushaltsklarheit und -wahrheit eingefordert. Wir Freien Demokraten sehen klar die Anforderung, dass am Ende des Jahres gerade im Verteidigungshaushalt große Summen, die nicht verausgabt werden, liegen bleiben können. Aber es muss trotzdem bei den Grundsätzen der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit bleiben, und das macht die Zweckbindung dieser Rücklage zwingend nötig. Wenn der Deutschen Bundestag Ihnen Mittel beispielsweise zur Beschaffung von Fregatten zur Verfügung stellt, dann darf das Geld, wenn es in diesem Jahr nicht verausgabt werden kann, im nächsten Jahr nur für die Beschaffung von Fregatten ausgegeben werden. Frau Ministerin, in diesem Bereich gilt: Wehret den Anfängen! Der Kontrollverlust des Parlaments kann hier einsickern. Ich kann nur alle Kolleginnen und Kollegen darum bitten und dafür werben, dass sie unserem Antrag zustimmen, diese Zweckbindung im Haushaltsgesetz festzuschreiben. Ich möchte zum Schluss kurz etwas zum Kollegen Dr. Brandl sagen. Es ist sehr beruhigend, dass es in Ingolstadt langfristig noch gute Politiker gibt, auch vonseiten der CSU. Aber weil Sie auf den Bereich der Cybersicherheit eingegangen sind: Wir haben im Haushaltsausschuss etliche Anträge zum Thema IT-Ausstattung, Digitalisierung und Cyber vorgelegt. Sie haben sie leider alle abgelehnt. Aber ich habe Ihrer Rede entnommen, dass Sie Besserung geloben. Vielen Dank für diese Zusage. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Das Wort hat der Abgeordnete Thomas Hitschler für die SPD-Fraktion.
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Matthias Hauer CDU/CSU
Matthias
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CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschließen heute das Brexit-Steuerbegleitgesetz. Wir tun das, weil der Brexit Tag für Tag näher rückt. Es sind jetzt noch 36 Tage, dann wird aller Voraussicht nach Großbritannien die Europäische Union verlassen. Auch wenn ich die Entscheidung der Briten respektiere, ist das alles andere als ein Grund zur Freude für mich. Das sage ich als deutscher Christdemokrat – aus der Partei von Konrad Adenauer und Helmut Kohl – ebenso wie als überzeugter Europäer. Leider wissen wir 36 Tage vor diesem Datum immer noch nicht, ob der Brexit geordnet vollzogen wird oder nicht. Das mit Premierministerin May ausgehandelte Abkommen hat bekanntlich im britischen Unterhaus bislang keine Mehrheit gefunden. Mit jedem Tag, der verstreicht, rückt die Entscheidung näher, dass es – vielleicht – zu einem ungeregelten, zu einem harten Brexit kommt. Ich weigere mich, die Hoffnung ganz aufzugeben, die Hoffnung, dass sich das Vereinigte Königreich doch noch anders entscheidet, dass uns England, Wales, Nordirland und Schottland in der EU erhalten bleiben. Zumindest hoffe ich darauf, dass in der verbleibenden Zeit eine Lösung gefunden wird, dass es zu einem geregelten Brexit kommt. Ich begrüße, dass die Gespräche zwischen Großbritannien und den Vertretern der EU-27 weitergeführt werden. Gestern Abend haben sich Theresa May und Jean-Claude Juncker in Brüssel getroffen. Zuvor war der britische Außenminister hier in Berlin. Dennoch gibt es bislang keine Lösung. Klar ist: Wir stehen zu dem ausgehandelten Abkommen. Ich hoffe, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in Großbritannien, gerade im Interesse ihres eigenen Landes, dem Abkommen zustimmen. Beide Seiten sind darin Kompromisse eingegangen. Ein Nachverhandeln – zulasten der EU und nur aus Rücksicht auf Hardliner im britischen Parlament –, das darf keine Option sein. Vielmehr muss klar sein: Wer die EU verlässt, kann nicht weiter von allen Vorteilen der Gemeinschaft profitieren. Es gibt in der EU Rechte und Pflichten. Beides gehört untrennbar zusammen. Die Pflichten ablehnen und sich auf die Rechte berufen, das wird es nicht geben. Unabhängig davon, wie sich das Vereinigte Königreich schlussendlich entscheidet: Wir in Deutschland müssen auf alle Varianten bestmöglich vorbereitet sein. Der Brexit wird negative Folgen haben – man muss nur die aktuellen Meldungen verfolgen: zu Honda, zu Nissan, zu Airbus, zu UBS, zu Panasonic oder zu weiteren Unternehmen –, negative Folgen für Großbritannien; aber der Brexit wird eben auch negative Folgen für Deutschland und die gesamte EU haben. Unser Ziel ist es, diese negativen Folgen für unser Land so weit wie möglich zu minimieren. Dazu dient auch dieses Brexit-Steuerbegleitgesetz, das wir heute abschließend beraten. Wir treffen damit auf nationaler Ebene Vorkehrungen für die Bereiche Steuern und Finanzmarkt, um für alle Fälle gewappnet zu sein. Auf den Steuerteil ist mein Kollege Fritz Güntzler bereits eingegangen. Ich darf mich daher auf den Finanzmarktteil konzentrieren. Wir sorgen mit dem Gesetz dafür, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die BaFin, Maßnahmen ergreifen kann, um die Finanzmärkte über den Brexit hinaus zu stabilisieren, um Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen und Verbraucher zu gewährleisten. Gleichzeitig stärken wir den Finanzplatz Frankfurt durch eine Änderung des KWG, durch die sich große Banken künftig leichter von hochbezahlten Risikoträgern, für die ja Die Linke hier ihr Herz entdeckt hat, trennen können. Für alle anderen Beschäftigten – da können wir Sie sehr beruhigen; denn das ist auch in unserem eigenen Interesse – ändert sich beim Kündigungsschutz nichts. Das haben wir als Große Koalition in den Beratungen sehr deutlich gemacht. An mehreren Stellen haben wir das Gesetz noch verändert. So ändern wir zum Beispiel die Vorschriften für Zahlungsdienste, damit Kunden weiterhin mit ihren Kreditkarten bezahlen können, damit Händlern kein Umsatz entgeht, wenn die Kreditkartenbank ihren Sitz in Großbritannien hat. Wir treffen darüber hinaus Vorkehrungen, damit britische Institute nicht vom Handel in Deutschland ausgeschlossen werden, damit sie hier für mehr Liquidität sorgen können. Gleichzeitig stellen wir sicher, dass deutsche Handelsteilnehmer weiter an dem bedeutenden Finanzplatz London agieren können. Schließlich greifen wir eine Initiative des Bundesrates auf: Wir sichern die Marktposition deutscher Pfandbriefbanken, indem wir die Deckungsfähigkeit britischer Vermögenswerte dauerhaft anerkennen. Wir handhaben es dann also mit Großbritannien so ähnlich, wie wir es jetzt schon mit Ländern wie Japan, der Schweiz, den USA oder Kanada tun. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hat im Vorfeld viel Lob erfahren. Das hat auch die Anhörung der Sachverständigen gezeigt. Diesen Gesetzentwurf haben wir im Laufe des Verfahrens noch besser gemacht. Die FDP findet es ja erstaunlich, wenn man Gesetze im Parlament noch verändert. Sie wollen anscheinend lieber abnicken. Wir sehen es als gelebte Demokratie und als unsere Aufgabe an, Gesetze noch besser zu machen. Ich freue mich, dass es nach den Beratungen im Ausschuss aus der gesamten Opposition – auch aus der FDP – nicht eine einzige Gegenstimme zu den elf Änderungsanträgen von CDU/CSU und SPD gab. Für die konstruktiven Beratungen des Gesetzentwurfs möchte ich mich ausdrücklich bedanken: bei den Mitarbeitern des Ministeriums, bei den Sachverständigen, bei meinen Berichterstatterkollegen Güntzler, Feiler, Binding und Hakverdi, aber auch bei den Berichterstatterkollegen aus der Opposition. Zum Abschluss meiner Rede möchte ich mit Blick auf die Europäische Union sehr deutlich sagen: Lassen Sie uns mutig sein und in der EU näher zusammenrücken, anstatt nur nationale Lösungen zu suchen – denn die EU ist weit mehr als die Summe ihrer Mitgliedstaaten –, mutig als starkes Europa mit starken Mitgliedstaaten, das sein Schicksal konsequenter in die eigene Hand nimmt, gerade in einer Welt, die unübersichtlicher geworden ist. Und selbstverständlich wird auch Großbritannien – unabhängig vom Brexit – ein wichtiger Partner und Verbündeter Deutschlands bleiben. Vielen Dank. Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen gibt es nicht. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über steuerliche und weitere Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/7959, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 19/7377 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/7962 vor. Darüber müssen wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Änderungsantrag mit der Mehrheit des Hauses gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit der Mehrheit des Hauses bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? – Gibt es nicht. Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf bei Enthaltung der Fraktion Die Linke von der Mehrheit des Hauses angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/7964. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bei Enthaltung von AfD und Fraktion Die Linke ist der Antrag der FDP von der Mehrheit von CDU/CSU und SPD abgelehnt. – Und Grünen? – Dann füge ich die noch hinzu.
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Sonja Amalie Steffen SPD
Sonja Amalie
Steffen
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Als ich den Antrag der Linken zum ersten Mal überflogen habe, da habe ich mich erst einmal gefreut und habe gedacht: Es ist ja eher selten, dass aus Ihrer Fraktion Lob für unseren Investitionshaushalt kommt. – Denn immerhin haben wir – das haben wir schon gehört – in diesem Haushalt 2020 43 Milliarden Euro für Investitionen vorgesehen und – auch das ist schon erwähnt worden – noch einmal obendrauf mindestens 13,5 Milliarden Euro in 2019 durch sparsame und gute Haushaltsführung eingespart, die wir für Investitionen nutzen können. Aber: Als ich den Antrag ein bisschen gründlicher gelesen habe, da hat meine Freude etwas nachgelassen. Denn unsere Arbeit, die Arbeit der Großen Koalition, wie Sie sie nennen, wird deutlich weniger gelobt, als sie es eigentlich verdient hätte. Sie sind anscheinend nicht zufrieden mit unseren Investitionen und fordern in Ihrem Antrag tatsächlich zusätzliche 45 Milliarden Euro pro Jahr für die nächsten zehn Jahre. Das sind 450 Milliarden Euro für die nächsten zehn Jahre – nicht vier, sondern zehn Jahre. Das wollen Sie – das haben Sie gerade gesagt, Herr Ulrich – komplett mit neuen Schulden finanzieren. Ehrlicherweise: Wir halten davon nichts. Ich denke mir auch, dass Sie die Haushalte der letzten Jahre und eben auch den Haushalt 2020 nicht ganz genau gelesen haben. Denn sonst müssten Sie sehen, dass wir seit 2013 die Investitionen kontinuierlich erhöhen. Wir hatten 2013 Investitionen in Höhe von 25 Milliarden Euro und liegen jetzt bei über 40 Milliarden Euro. Übrigens – weil Sie so oft von DGB und BDI sprechen –: Die Zahlen, die Sie da präsentieren, kommen aus dem November, und das war noch vor der Verabschiedung unseres Haushalts. Vielleicht sollten Sie sich noch einmal erkundigen; denn die jetzige Situation wird auch vom DGB anders beurteilt. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Von wem denn? Die Fraktion Die Linke hat Nachfragebedarf. Ja. Frau Kollegin, ich danke Ihnen, dass Sie die Zwischenfrage gestatten. Ich bin ein ganz freundlicher Kollege, und deswegen will ich ganz freundlich nachfragen; denn Sie kritisieren ja eine Forderung, die nach meiner Kenntnis der SPD-Parteitag kürzlich selbst beschlossen hat. Von daher möchte ich gerne fragen, ob Sie nicht Ihr Verhältnis zu Ihren eigenen Parteitagsbeschlüssen einmal klären sollten. Sie können jetzt die Frage freundlich beantworten. Vielen Dank für die Frage. – Ich muss gestehen: Ich habe schon ein bisschen damit gerechnet; denn das hätte ich an Ihrer Stelle auch gefragt. Aber wenn Sie sich den Parteitagsbeschluss einmal genau anschauen, dann sehen Sie, dass wir uns von der Schuldenbremse nur dann verabschieden wollen, wenn es auch wirklich gerechtfertigt ist. Insofern bleibe ich bei meiner Meinung, dass jetzt in der Zeit der sprudelnden Steuereinnahmen die Schuldenbremse nicht gelockert werden kann. Ich sage Ihnen im Nachgang meiner Rede auch einmal, warum ich das denke. Ich habe es schon angekündigt: Blindes Investieren und eine noch stärkere Neuverschuldung sorgen in diesen Zeiten nicht automatisch für eine goldene Zukunft. Ich bin übrigens auch davon überzeugt: Ohne die aktuelle Zinsentwicklung, die wir jetzt haben, also ohne die derzeitige Nullzinsphase, hätten selbst Sie diesen Antrag nicht gestellt; davon bin ich überzeugt. Aber wir wissen eben nicht, ob diese Nullzinsphase in den nächstens Jahren noch so bleiben wird. Deshalb meine ich: Der Antrag kann kein Plan sein, um die Investitionskraft unseres Landes nachhaltig zu stärken. Beim Thema Nachhaltigkeit will ich auf die Verantwortung unsererseits für die zukünftigen Generationen verweisen. Ich will, ehrlich gesagt, meinen drei Töchtern nicht in 20, 30 Jahren erklären müssen, dass wir in einer Zeit, in der wir wirklich über viel, viel Geld verfügen konnten, noch viel, viel mehr Schulden gemacht haben. Das möchte ich ihnen nicht erklären müssen. Ich möchte auch nicht, dass unsere Kinder das ausbaden, was wir in dieser Zeit an unvorsichtigen Maßnahmen treffen würden, wenn wir Ihrem Antrag folgen würden. Was kann man noch tun, um mehr Steuereinnahmen zu erhalten? Die Finanztransaktionsteuer ist von unserem Finanzminister angekündigt worden. Ich finde, man kann auch wirklich über die Erhöhung des Spitzensteuersatzes reden; da sind wir vielleicht relativ eng beieinander. Aber es reicht nicht, es ist keine gute Idee, jetzt neue Schulden zu machen, erst recht nicht in dieser Dimension. Ich will noch ein paar Punkte zu der Frage der Umsetzung sagen. Wir müssen – das hat mein Kollege Mattfeldt vorhin schon gesagt – schauen, was möglich ist. Ich finde, man kann die derzeitige Situation so ein bisschen mit einer Kaffeemühle vergleichen. Also: Wenn Sie die Investitionsmittel als Kaffeebohnen sehen und Sie die Kaffeebohnen in die Kaffeemühle tun und guten Kaffee bekommen wollen – das wären dann die Investitionen –, dann werden Sie nicht, wenn Sie merken, die Kaffeemühle schafft es nicht mehr, noch mehr Kaffeebohnen obendrauf kippen; denn dann verstopft es erst recht. Das ist das, was Sie vorhaben. Wir kriegen das ja gar nicht auf die Straße, was Sie da gerade verlangen. Ich finde: Wir müssen uns über andere Dinge unterhalten. Wir müssen uns tatsächlich darüber unterhalten, ob wir eine Entlastung bei den Altschulden der Kommunen vornehmen; da bin ich wieder mit Ihnen einer Meinung. Ich finde übrigens auch – das hat Kollege Mattfeldt auch gesagt –: Wir müssen das Bauplanungsrecht und das Vergaberecht vereinfachen, und wir müssen sicherstellen, dass das Fachkräfteangebot verbessert wird. Alles in allem appelliere ich an dieser Stelle an uns alle für eine weitere Verbesserung bei der Umsetzung in Verbindung mit einer geregelten und guten Investitionssteigerung. Wir erwarten übrigens im März 2020 die Eckpunkte für 2021, und wir erwarten den mittleren Finanzplan von der Bundesregierung für die Jahre 2021 bis 2025. Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass oberste Zielsetzung sein wird, dass wir Investitionen in allen Bereichen tätigen werden, dass wir Investitionssteigerungen haben werden. Ich bin mir übrigens sicher, dass der BDI und der DGB das auch gut finden werden. Und wissen Sie was: Wenn uns die Investitionen nicht reichen, dann sind wir als Bundestag stark genug – das haben wir in der Vergangenheit oft genug bewiesen –, den Finanzrahmenplan der Bundesregierung an der einen oder anderen Stelle kräftig zu ändern. Lassen Sie uns gemeinsam an einer zukunftsorientierten, aber auch an einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik arbeiten. Vielen Dank. – Zu einer sehr kurzen Kurzintervention erhält das Wort der Kollege Alexander Ulrich. Ich mache darauf aufmerksam, dass man darauf antworten kann, aber nicht antworten muss.
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Steffen Kotré AfD
Steffen
Kotré
AfD
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu meinem Vorredner kann ich einfach nur sagen: Das ist wieder ein sehr gutes Beispiel, wie man die Dinge genau umgekehrt und auf dem Kopf darstellen kann. – Nein. Diese Richtlinie behindert Nord Stream 2. Sie macht Nord Stream 2 nicht möglich; denn Nord Stream 2 war von vornherein möglich. Es ist ein binationales wirtschaftliches Projekt zwischen einem Drittstaat und uns, Deutschland, einem EU-Mitgliedstaat. Die EU braucht dort gar nicht mitzureden. Wenn wir jetzt sagen, die EU solle da mitreden, dann verschlechtern wir unsere Gasversorgung. Ja, wir verschlechtern sie, machen sie teurer und auch unsicherer. Es ist eben nicht so, wie mein Vorredner sagte: Wir verbessern die Versorgung. – Nein, wie gesagt, wir verschlechtern hier unsere Gasversorgung. Es besteht aus diesen Gründen auch gar keine Notwendigkeit, hier eine EU-Richtlinie umsetzen zu müssen. Wir kennen den Hintergrund: Die EU-Kommission wollte Nord Stream 2 komplett verhindern. Deshalb hat sie hier den Mitgliedstaaten und damit auch Deutschland die Pistole auf die Brust gesetzt. Was steht denn dahinter, hinter der EU-Kommission? Na klar, die USA. Die USA haben Mitgliedstaaten bedrängt, Nord Stream 2 zu behindern. – Das können Sie überall nachlesen. Warum ist das so? Die USA wollen Unternehmen sanktionieren, die am Bau beteiligt sind. Warum ist das so? Weil die USA einfach in Wildwestmanier versuchen, hier Wirtschaftspolitik zu betreiben, und eben ihr schlechteres Flüssiggas bei uns loswerden wollen. Die EU ist leider so dumm und macht da mit. Ausfluss dessen ist dann eben, dass sich die EU und die USA geeinigt haben, dass wir mehr Flüssiggas aus den USA beziehen, das teurer ist, das unsicherer ist und das durchaus auch dreckiger sein kann, wenn es sich um verflüssigtes Fracking-Gas handelt. Die Folge dieser Gasrichtlinie mit den Auflagen, die jetzt auf uns zukommen und die vorher gar nicht da gewesen sind, ist, dass die Gasversorgung teurer wird. Die Folge ist auch, dass unsere Gasversorgung jetzt durchaus eingeschränkt werden kann. Wir sehen das am Beispiel von OPAL, wie die Nutzung der Gasleitungen innerhalb der Europäischen Union für Nord-Stream-Gas behindert worden ist. Damit ist klar, dass eine gesicherte Gasversorgung, so wie wir es kennen, schon nicht mehr zu 100 Prozent gewährleistet werden kann. Das ist nicht in unserem Interesse, auch nicht im Interesse Europas. Deswegen lehnen wir das ab. Nebenbei bemerkt: Nord-Stream-2-Gas hat auch einen besseren CO2-Fußabdruck. Wenn die Bundesregierung dieses Projekt nun behindert, kann es mit ihrem Postulat, dass CO2 der Klimakiller schlechthin sei, zu 100 Prozent, nicht weit her sein. Aber, wie dem auch sei: In jedem Fall macht sich die Bundesregierung unglaubwürdig. Vielen Dank. – Bevor wir in der Debatte fortfahren, möchte ich das Ergebnis der namentlichen Schlussabstimmung über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes in den genannten Drucksachen verkünden, das die Schriftführerinnen und Schriftführer ermittelt haben. Es wurden 631 Stimmkarten abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 358, mit Nein haben gestimmt 212, Enthaltungen 61. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.1 Anlage 6 Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 630; davon ja: 358 nein: 211 enthalten: 61 Ja CDU/CSU Dr. Michael von Abercron Stephan Albani Norbert Maria Altenkamp Peter Altmaier Philipp Amthor Artur Auernhammer Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Melanie Bernstein Peter Beyer Marc Biadacz Steffen Bilger Peter Bleser Norbert Brackmann Michael Brand (Fulda) Dr. Reinhard Brandl Silvia Breher Sebastian Brehm Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Dr. Carsten Brodesser Gitta Connemann Astrid Damerow Alexander Dobrindt Michael Donth Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Thomas Erndl Hermann Färber Uwe Feiler Enak Ferlemann Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Michael Frieser Hans-Joachim Fuchtel Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Jürgen Hardt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Thomas Heilmann Frank Heinrich (Chemnitz) Rudolf Henke Michael Hennrich Marc Henrichmann Ansgar Heveling Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Alexander Hoffmann Karl Holmeier Dr. Hendrik Hoppenstedt Erich Irlstorfer Hans-Jürgen Irmer Thomas Jarzombek Andreas Jung Ingmar Jung Alois Karl Anja Karliczek Torbjörn Kartes Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Michael Kießling Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Alexander Krauß Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Michael Kuffer Dr. Roy Kühne Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Silke Launert Jens Lehmann Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Andreas Lenz Antje Lezius Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Nikolas Löbel Bernhard Loos Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Gisela Manderla Dr. Astrid Mannes Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Jan Metzler Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach Dietrich Monstadt Karsten Möring Elisabeth Motschmann Axel Müller Dr. Gerd Müller Sepp Müller Carsten Müller (Braunschweig) Dr. Andreas Nick Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Josef Oster Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Joachim Pfeiffer Stephan Pilsinger Dr. Christoph Ploß Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Stefan Rouenhoff Erwin Rüddel Albert Rupprecht Stefan Sauer Anita Schäfer (Saalstadt) Andreas Scheuer Jana Schimke Tankred Schipanski Christian Schmidt (Fürth) Dr. Claudia Schmidtke Nadine Schön Felix Schreiner Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Torsten Schweiger Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Thomas Silberhorn Björn Simon Jens Spahn Katrin Staffler Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Andreas Steier Peter Stein (Rostock) Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Dr. Peter Tauber Dr. Hermann-Josef Tebroke Hans-Jürgen Thies Alexander Throm Dr. Dietlind Tiemann Antje Tillmann Markus Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Kerstin Vieregge Volkmar Vogel (Kleinsaara) Christoph de Vries Kees de Vries Dr. Johann David Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Kai Whittaker Annette Widmann-Mauz Bettina Margarethe Wiesmann Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer SPD Ingrid Arndt-Brauer Heike Baehrens Ulrike Bahr Nezahat Baradari Doris Barnett Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Eberhard Brecht Leni Breymaier Dr. Karl-Heinz Brunner Katrin Budde Dr. Lars Castellucci Bernhard Daldrup Dr. Karamba Diaby Esther Dilcher Sabine Dittmar Dr. Wiebke Esdar Saskia Esken Yasmin Fahimi Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Dr. Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Martin Gerster Angelika Glöckner Timon Gremmels Kerstin Griese Michael Groß Uli Grötsch Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Sebastian Hartmann Dirk Heidenblut Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Elisabeth Kaiser Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Elvan Korkmaz-Emre Anette Kramme Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Helge Lindh Kirsten Lühmann Isabel Mackensen Katja Mast Christoph Matschie Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Falko Mohrs Claudia Moll Siemtje Möller Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Josephine Ortleb Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Detlev Pilger Florian Post Achim Post (Minden) Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Martin Rabanus Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Nils Schmid Uwe Schmidt Ulla Schmidt (Aachen) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Johannes Schraps Michael Schrodi Dr. Manja Schüle Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Frank Schwabe Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Svenja Stadler Sonja Amalie Steffen Mathias Stein Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Markus Töns Carsten Träger Ute Vogt Marja-Liisa Völlers Dirk Vöpel Dr. Joe Weingarten Bernd Westphal Dirk Wiese Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Nein CDU/CSU Albert H. Weiler AfD Dr. Bernd Baumann Marc Bernhard Andreas Bleck Peter Boehringer Stephan Brandner Jürgen Braun Marcus Bühl Matthias Büttner Petr Bystron Tino Chrupalla Dr. Gottfried Curio Berengar Elsner von Gronow Dr. Michael Espendiller Peter Felser Dietmar Friedhoff Dr. Anton Friesen Markus Frohnmaier Dr. Götz Frömming Dr. Alexander Gauland Albrecht Glaser Franziska Gminder Kay Gottschalk Armin-Paulus Hampel Mariana Iris Harder-Kühnel Verena Hartmann Dr. Roland Hartwig Jochen Haug Martin Hebner Udo Theodor Hemmelgarn Waldemar Herdt Martin Hess Dr. Heiko Heßenkemper Karsten Hilse Nicole Höchst Martin Hohmann Dr. Bruno Hollnagel Leif-Erik Holm Johannes Huber Fabian Jacobi Dr. Marc Jongen Jens Kestner Stefan Keuter Norbert Kleinwächter Jörn König Steffen Kotré Dr. Rainer Kraft Rüdiger Lucassen Jens Maier Dr. Lothar Maier Dr. Birgit Malsack-Winkemann Corinna Miazga Andreas Mrosek Hansjörg Müller Volker Münz Sebastian Münzenmaier Christoph Neumann Jan Ralf Nolte Ulrich Oehme Gerold Otten Frank Pasemann Tobias Matthias Peterka Paul Viktor Podolay Jürgen Pohl Stephan Protschka Martin Reichardt Martin Erwin Renner Roman Johannes Reusch Ulrike Schielke-Ziesing Uwe Schulz Thomas Seitz Martin Sichert Detlev Spangenberg Dr. Dirk Spaniel René Springer Beatrix von Storch Dr. Alice Weidel Wolfgang Wiehle Dr. Heiko Wildberg Dr. Christian Wirth FDP Grigorios Aggelidis Renata Alt Christine Aschenberg-Dugnus Nicole Bauer Jens Beeck Dr. Jens Brandenburg (Rhein-Neckar) Mario Brandenburg (Südpfalz) Dr. Marco Buschmann Karlheinz Busen Carl-Julius Cronenberg Britta Katharina Dassler Bijan Djir-Sarai Christian Dürr Hartmut Ebbing Dr. Marcus Faber Daniel Föst Otto Fricke Thomas Hacker Peter Heidt Katrin Helling-Plahr Markus Herbrand Torsten Herbst Katja Hessel Dr. Christoph Hoffmann Reinhard Houben Ulla Ihnen Olaf In der Beek Thomas L. Kemmerich Karsten Klein Daniela Kluckert Pascal Kober Dr. Lukas Köhler Konstantin Kuhle Alexander Kulitz Alexander Graf Lambsdorff Christian Lindner Michael Georg Link (Heilbronn) Oliver Luksic Till Mansmann Dr. Jürgen Martens Christoph Meyer Alexander Müller Roman Müller-Böhm Frank Müller-Rosentritt Dr. Martin Neumann (Lausitz) Hagen Reinhold Bernd Reuther Dr. Stefan Ruppert Dr. h. c. Thomas Sattelberger Frank Schäffler Dr. Wieland Schinnenburg Matthias Seestern-Pauly Frank Sitta Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Bettina Stark-Watzinger Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann Benjamin Strasser Katja Suding Linda Teuteberg Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Dr. Andrew Ullmann Gerald Ullrich Johannes Vogel (Olpe) Sandra Weeser Nicole Westig Katharina Willkomm DIE LINKE Doris Achelwilm Gökay Akbulut Simone Barrientos Dr. Dietmar Bartsch Lorenz Gösta Beutin Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm-Förster Michel Brandt Christine Buchholz Dr. Birke Bull-Bischoff Jörg Cezanne Sevim Dağdelen Fabio De Masi Dr. Diether Dehm Anke Domscheit-Berg Klaus Ernst Susanne Ferschl Nicole Gohlke Dr. André Hahn Heike Hänsel Matthias Höhn Andrej Hunko Ulla Jelpke Kerstin Kassner Dr. Achim Kessler Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Pascal Meiser Amira Mohamed Ali Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Zaklin Nastic Dr. Alexander S. Neu Petra Pau Victor Perli Tobias Pflüger Martina Renner Bernd Riexinger Dr. Petra Sitte Helin Evrim Sommer Kersten Steinke Friedrich Straetmanns Dr. Kirsten Tackmann Jessica Tatti Alexander Ulrich Kathrin Vogler Harald Weinberg Katrin Werner Hubertus Zdebel Pia Zimmermann Sabine Zimmermann (Zwickau) Fraktionslos Marco Bülow Mario Mieruch Enthalten CDU/CSU Dr. Peter Ramsauer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Lisa Badum Margarete Bause Dr. Danyal Bayaz Canan Bayram Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katharina Dröge Harald Ebner Matthias Gastel Kai Gehring Stefan Gelbhaar Katrin Göring-Eckardt Erhard Grundl Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Bettina Hoffmann Dr. Anton Hofreiter Ottmar von Holtz Dieter Janecek Dr. Kirsten Kappert-Gonther Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Sven Lehmann Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Dr. Irene Mihalic Claudia Müller Beate Müller-Gemmeke Dr. Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Filiz Polat Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Dr. Manuela Rottmann Corinna Rüffer Ulle Schauws Dr. Frithjof Schmidt Stefan Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Margit Stumpp Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Gerhard Zickenheiner Abgeordnete, die sich wegen gesetzlichen Mutterschutzes für ihre Abwesenheit entschuldigt haben, sind in der Liste der entschuldigten Abgeordneten (Anlage 1) aufgeführt. Wir fahren in der Debatte fort. Nächster Redner ist für die Fraktion der SPD der Kollege Timon Gremmels.
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Dr.
Dr. Katja Leikert CDU/CSU
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sind außen‑ und sicherheitspolitisch herausfordernde, ernste Zeiten. Und ja, lieber Kollege Nouripour, die Demokratien befinden sich aktuell in einem Stresstest. Angesichts der massiven Drohkulisse, die Russland an der Grenze zur Ukraine aufgebaut hat, vergeht kein Tag, an dem wir hier in Berlin nicht inständig von unseren Partnern aufgefordert werden, unseren Verpflichtungen als Bündnispartner klar und eindeutig nachzukommen. Wir werden aufgefordert, unsere Werte von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und territorialer Unversehrtheit gegen autokratische Ansprüche zu verteidigen. Die Signale, die die Ampel aussendet, sind leider alles andere als klar. Wir vonseiten der CDU/CSU sind da unmissverständlich: Was wir brauchen, ist viel Verständnis und Unterstützung für die Ukraine und weniger Verständnis für Russland. Was wir brauchen, ist eine echte Verteidigung unserer Lebensweise und eine klare Absage an Putins Provokationen. Und ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Partner können diese Klarheit und eine feste Zusage von uns verlangen; denn dafür sind Partner ja da. Wir brauchen Verlässlichkeit, wenn es zum Äußersten, wenn es zu einer militärischen Bedrohung kommt; aber wir brauchen diese Verlässlichkeit eben auch grundsätzlich. Wir brauchen sie in der NATO, wir brauchen sie in der Europäischen Union, wir brauchen sie auf Ebene der G-7-Staaten. Die größten demokratischen Industrienationen müssen sich auf Deutschland verlassen können. Deshalb bringen wir heute einen Antrag zur deutschen G-7-Präsidentschaft ein mit der klaren und dringenden Aufforderung an die Bundesregierung – so lautet auch unser Titel –: „In schwierigen Zeiten Führung zeigen“. Genau das wünschen wir uns von Ihnen. Die G-7-Präsidentschaft ist wichtig; sie ist vielleicht die wichtigste in den letzten Jahren. Putin wird sich die Gelegenheit nicht nehmen lassen – er tut es ja bereits jetzt –, die Agenda zu bestimmen, weil er weiß, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der SPD, Schwierigkeiten haben, damit umzugehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampelfraktionen, aber wenn Putin schon die Tagesordnung bestimmen will, dann müssen wir eben etwas dagegenstellen. Als Teil der demokratischen Gemeinschaft stehen wir in Systemkonkurrenz nicht nur zu Russland, sondern auch zu China. Wir fordern Sie mit diesem Antrag dringend auf, dass Sie klarmachen, dass die G 7 als Wertegemeinschaft sehr selbstbewusst antritt, um weltweit Regeln und Standards zu setzen. Wir brauchen dringend Regeln für den Cyberraum, für KI, für Blockchains, für die internationale Finanzwelt. Und wir stehen für einen fairen und freien Handel und lehnen Protektionismus ab. Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere im links-grünen Spektrum der Ampel, zu diesen Regeln gehört auch Mercosur, und dazu gehört auch CETA. Das sind Musterbeispiele für Regelsetzungen, die Sie ständig verteufeln. Ich hoffe, dass die Kolleginnen und Kollegen von der FDP da noch Überzeugungsarbeit leisten können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich sagen: Damit diese Präsidentschaft gelingen kann, reicht es nicht, sie nur mit wolkigen Überschriften zu füllen. Von der Präsidentschaft wird zu Recht Authentizität und eine Vorbildrolle verlangt. Nehmen Sie bitte diese Führungsrolle im Rahmen der G-7-Präsidentschaft an! Kämpfen wir gemeinsam für unsere Werte! Herzlichen Dank. Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Markus Töns.
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Helge Lindh SPD
Helge
Lindh
SPD
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ist der heute in erster Lesung eingebrachte Gesetzentwurf der abschließende Schritt in Fragen der Steuerung und Ordnung in der Migrationspolitik? Nein. Ist das der entscheidende, abschließende Schritt, mit dem wir sicherstellen, dass Menschen, die keinen Anspruch und letztlich keine Chance auf Schutz haben, gewiss nicht hierherkommen? Nein. Das müssen wir feststellen, wenn wir ehrlich sind. Ist das jetzt ein Grund, aufzutrumpfen oder Genugtuung zu empfinden oder euphorisch zu sein, weil uns das gelingt? Nein. Ist es aber andererseits, wie suggeriert wird, die Abschaffung des individuellen Anspruchs auf Asyl? Nein, gewiss ist es das auch nicht. Ich plädiere da für viel Ehrlichkeit; denn es ist – wir wissen es genau – ein hochemotionales, hochkontroverses Thema. Wir sehen es an den Kräfteverhältnissen im Bundesrat. Wir sehen es innerhalb der Fraktionen, auch innerhalb derjenigen, die diesen Gesetzentwurf wahrscheinlich mehrheitlich ablehnen werden. Ich selbst habe es im Zusammenhang mit meinem politischen Förderer erlebt, der in den 1990er-Jahren aktiv war, als wir das Asylrecht reformiert haben und im Zuge dessen das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten eingeführt wurde. Er rang damit und wurde Mitglied der SPD. Wir sprechen also über ein kontroverses Thema. Dass es kontrovers ist, ist nicht das Problem. Die Frage ist aber, wie wir darüber miteinander sprechen und was wir einander vorwerfen. Im Kern geht es – so denke ich, und so sehen wir es – darum, dass wir ein Signal an diejenigen aussenden, die de facto keinen Anspruch und keine Chance haben, hier als Asylbewerber, als Flüchtlinge anerkannt zu werden, die sich aber immer noch in ebendieser Hoffnung hierherbewegen. Wir sind davon überzeugt, dass es nicht Sinn einer Asylpolitik sein kann, Menschen diese Hoffnung zu machen. Das ist eine Illusion, und es ist aus unserer Sicht nicht verantwortungsbewusst, diese Hoffnung zu nähren. Vielmehr ist es sinnvoll, in einem Gesamtpaket ohne Scheuklappen und ohne Isolation dieses zu betrachten. Damit ist der Schritt heute, diese vier Länder zu sicheren Herkunftsländern zu machen, gleichzeitig sinnvollerweise damit verbunden, die Gesamtkonzeption von Migrationspolitik zu denken und auch die Frage des Einwanderungslandes und eines Einwanderungsgesetzes als höchst virulent und aktuell zu begreifen. Ich denke, wir bewegen uns hier nicht als Technokraten der Migration – das ist in diesem Fall auch gut –, sondern wir sollten uns die betroffenen Menschengruppen anschauen. Das sind mindestens vier, wenn nicht fünf. Da sind zum einen – es wurde eben angesprochen – diejenigen, die tatsächlich Verfolgung erfahren, die schutzbedürftig sind. Unsere Aufgabe ist es, im Rahmen dieser Gesetzgebung sicherzustellen, dass diejenigen hier tatsächlich Schutz finden; denn Ziel dieser Gesetzgebung ist es nicht – das war auch nicht so in anderen Fällen der Deklaration als sichere Herkunftsstaaten –, die Anerkennungsquote zu senken. Das ist nachweislich nicht der Fall. Aber wir haben zu gewährleisten – das ist nachweislich Aufgabe des BAMF und des Bundesinnenministeriums –, dass die vereinbarte spezielle Rechtsberatung für besonders vulnerable Gruppen Realität wird. Das BAMF muss liefern, und wir erwarten, dass es liefert. Die zweite Gruppe, die unsere Beachtung verdient, sind diejenigen aus diesen Ländern, die – deshalb enthält dieser Gesetzentwurf eine Stichtagsregelung – hier schon erwerbstätig sind, die eine Ausbildung durchlaufen oder die einen solchen Vertrag bis zum Stichtag abgeschlossen haben. Es wäre ja irrsinnig, diesen nicht die Möglichkeit zu geben, als Integrierte in den Arbeitsmarkt, als in Ausbildung Integrierte dieses Land nicht wieder verlassen zu müssen. Das berücksichtigen wir in diesem Gesetzentwurf. Eine dritte Gruppe ist zu beachten – sie ist heute nicht das Thema –; aber ich glaube, für einen gesamtheitlichen Blick sollten wir darauf achten. Es gibt schon seit Jahrzehnten viele Menschen aus diesen Ländern in Deutschland, besonders Marokkaner, aber nicht nur diese. Sie haben aber in der Vergangenheit nicht wirklich Angebote von Integrationspolitik von uns erfahren. Wir sollten in dem Gesamtzusammenhang auch sie nicht aus dem Blick verlieren. Dazu kommt eine vierte Gruppe. Es kann nicht sein – wie ich versuche zu erläutern –, dass wir diejenigen, die in den genannten Ländern wirtschaftlich, akademisch, beruflich keine Perspektive haben, über das Asylrecht hierherholen. Das kann für uns keine Antwort und keine Lösung sein. Weil das so ist, ist aber unsere Verantwortung diejenige, ihnen in ihren Ländern Perspektiven zu eröffnen. Wir sollten schauen, mit welchen Instrumentarien es eben nicht dauerhaft Massenarbeitslosigkeit von gut ausgebildeten Tunesierinnen und Tunesiern gibt. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Polat? – Ich sehe, dass Sie es zulassen. Ja, selbstverständlich. Sehr geehrter Herr Präsident! Jetzt bin ich etwas irritiert. Ich wusste nicht, dass die SPD sich von einem Einwanderungsgesetz verabschiedet hat, das schon im Verfahren ist und das durchaus legale Einreisewege für genau die Gruppe, die Sie gerade genannt haben, vorsieht: Die Arbeitsmigrantinnen und -migranten aus Marokko, die den Wunsch haben, nach Deutschland zu kommen, sollen durch das Gesetz jenseits des Asylgesetzes die Möglichkeit dazu bekommen. Oder habe ich das jetzt falsch verstanden? Frau Polat, Sie haben es falsch verstanden und selbst gerade die Antwort gegeben. Deshalb wies ich ja darauf hin, dass gerade für diejenigen, die nicht über das Nadelöhr der Asylpolitik hierherkommen, es Sinn macht, dass wir Einwanderungspolitik machen. – Frau Polat, es ist eine etwas simple Wahrnehmung, das eine gegen das andere auszuspielen. – Ich glaube, der Sinn eines Einwanderungsgesetzes kann doch nicht sein, dass alle Tunesierinnen und Tunesier, die das Land Tunesien schätzen und es aufbauen, nach Deutschland kommen und diesem Land fehlen. Es ist ein Sowohl-als-auch. Es ist doch nicht ein Entweder-oder. Diejenigen, die hier arbeiten wollen, werden in einer bestimmten Größenordnung die Möglichkeit dazu haben. Sie werden dauerhaft oder zeitweilig hier bleiben, und sie werden die Menschen in ihrem Land unterstützen. Gleichwohl muss es doch auch unser Interesse sein, dass ganz viele Akademikerinnen und Akademiker die Demokratie und die Wirtschaft in Tunesien aufbauen, dass sie nicht hierherkommen, sondern in ihrem Land Perspektiven haben. Alles andere ist aus meiner Sicht verantwortungslos. Ich wollte noch eine fünfte Gruppe nennen. Die fünfte Gruppe sind diejenigen, die hier eben keine Perspektive haben und nicht unter die Schutzberechtigten fallen. Unsere Verantwortung ist es auch, bei diesem Verfahren mit der Vermutungsregelung und mit dem Kriterium „offensichtlich unbegründet“ dafür zu sorgen, dass die Betroffenen nicht als Wirtschaftsflüchtlinge diffamiert werden. Ihr Begehren passt nicht in das Asylsystem, aber es ist nachvollziehbar. Wahrscheinlich würden wir uns in ähnlichen Situationen nicht anders verhalten. Genauso ist es mit Georgiern, die teilweise über Schlepperbanden, teilweise über organisierte Kriminalität, teilweise über Menschenhandel hierhergelangen. Es gibt keinen Grund, sie als die Schuldigen darzustellen, aber es ist deutlich zu machen, dass wir die Wege schließen, aufgrund derer sie in Kriminalität geraten. Erlauben Sie mir abschließend, die letzten Minuten nutzend, noch etwas Grundsätzliches zu sagen. Diese Veränderung, die teilweise, wie wir eben erlebt haben, hochemotional diskutiert wird, ist ein Anlass, auch einmal Bilanz in Fragen der gesamten Migrations- und Asylpolitik zu ziehen, die wir erleben. Nach jeder Debatte, in der ich hier diskutieren darf, bekomme ich im Regelfall zig Posts, Briefe und Ähnliches, die mich als „zu ausländerfreundlich“ diffamieren, die mir – Highlight der letzten Wochen – ankündigen, man solle mich „an der nächsten Laterne aufhängen“ oder mir „den Kopf abschlagen“. Ich bekomme in geringerer Zahl und auch nicht mit Morddrohungen, was ich schätze, von anderer Seite den Vorwurf, Regelungen wie diese seien Verrat, seien Mord, seien ein Verlassen des humanitären Bodens der Bundesrepublik. Ich glaube, diese Zuspitzung der Debatte tut uns allen und tut diesem Land nicht gut, und wir müssen sie dringend verlassen. Es kann nicht weiter sein, dass wir Auseinandersetzungen über soziale Fragen, über zentrale Identitätsfragen dieses Landes allein auf dem Boden der Migrations- und Asylpolitik austragen. Es wird dieses Land auseinanderjagen. Es kann nicht funktionieren. Deshalb leite ich daraus klare Aufträge ab. Diese Vorlage, dieser Gesetzentwurf ist ein Baustein. Später heute werden wir noch einen anderen beraten. Wir können ihn aber nicht ohne Integrationspolitik denken. Das ist auch mein Appell an das Bundesinnenministerium, an Herrn Seehofer, an Herrn Mayer: Sie haben verkündet, Sie wollen Integration betreiben; machen Sie es! Liefern Sie auch in diesem Bereich! Denken Sie beides zusammen! Denken Sie, dass diejenigen, die hier sind, auch Angebote von uns brauchen und wir nicht in den Kategorien „Grenzen zu“, „Augen zu“, „abschieben, fertig“ denken können. Nein, das kann nicht funktionieren. Das ist zudem auch ziemlich unpolitisch. Ebenso ziemlich unpolitisch ist es aber auch, zu denken, dieses Thema würde keinen bewegen und wäre nicht mit Unsicherheiten verbunden; wir könnten weitermachen wie bisher. Nein, wir müssen zur Kenntnis nehmen, so mein Eindruck, dass ein großer Teil der Bevölkerung dieses Landes Asylrecht will, gleichzeitig aber Unsicherheit, Verängstigung, Unklarheit empfindet, weil Unzufriedenheit herrscht – da müssen wir uns auch an die eigene Nase fassen – mit dem Migrationsmanagement der letzten Jahre. Das war nicht optimal. Das ist uns nicht gelungen. Es ist der Auftrag, zu begreifen, dies besser zu machen. Letzten Endes ganz unpolitisch ist es aber, nicht nur „Grenzen zu“ zu wollen, sondern – das erleben wir jedes Mal, das haben wir heute auch wieder gehört – die Politik der Integration und des Asyls zu nutzen, Stimmung auf Kosten von Flüchtlingen zu machen, ob sie nun als Wirtschaftsflüchtlinge oder eben Kriminelle verunglimpft werden. Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte. Das ist das Ende der Politik. Deshalb appelliere ich an uns alle: Bringen wir Nüchternheit und Sachlichkeit in dieses Thema! Wagen wir einfach mehr Politik bei der Migration! Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Lindh. – Als Nächstes spricht zu uns die Kollegin Linda Teuteberg, FDP-Fraktion.
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Dr.
Dr. Anton Hofreiter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Anton
Hofreiter
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege von der FDP, ich gebe Ihnen ja recht, dass das Sondierungspapier der sich vielleicht bildenden Großen Koalition etwas dünn geraten ist. Es stimmt auch, dass das Sondierungspapier einer möglichen Jamaika-Koalition, auf das wir uns im Bereich Landwirtschaft geeinigt hatten, deutlich besser gewesen wäre. Aber warum beklagen Sie sich denn hier darüber? Sie hätten das alles mit uns gemeinsam haben können, wenn Ihr Parteivorsitzender nicht zu feige zum Regieren gewesen wäre. Wissen Sie, in welchem Moment Ihr Parteivorsitzender davongelaufen ist? Er ist in dem Moment davongelaufen, als er die Komplettabschaffung des Solis bekommen hatte, die Abschaffung der anlasslosen Vorratsspeicherung und das Digitalpaket. Da ist er davongelaufen. Also bitte! Wenn Sie etwas zu kritisieren haben, dann kritisieren Sie erst einmal Ihren eigenen Vorsitzenden, und fassen Sie sich an die eigene Nase. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich mir das Sondierungspapier der sich vielleicht bildenden Großen Koalition anschaue, dann verstehe ich bestimmte Dinge nicht. Wieso haben Sie von der CDU/CSU die Punkte, die wir gemeinsam erarbeitet haben – wir hatten den Eindruck, dass Sie hier wirklich gelernt und diese unterstützt haben –, so schnell vergessen, als Sie mit der SPD an einem Tisch saßen? Wir hatten doch eine verpflichtende Haltungskennzeichnung vereinbart und nicht ein solches Wischiwaschi, wie es jetzt in Ihrem Papier steht. Wir hatten uns doch auf ein Programm zur Reduktion aller Pestizide verständigt, nicht nur der glyphosathaltigen Pestizide. Warum haben Sie all das so schnell vergessen? Ist es vielleicht so, dass man Sie von der Union einfach nicht allein lassen kann, wenn es um solche Fragen geht, dass Sie, wenn die Grünen nicht auf Sie aufpassen, bei Ökologie, Tierschutz und all diesen wichtigen Fragen sofort ausbüxen? Auch beim Thema Klimaschutz haben Sie das eindrücklich bewiesen. Jetzt zur SPD. Die SPD hatte viele dieser Themen vorbildlich in ihrem Wahlprogramm stehen. Deshalb frage ich mich ehrlich gesagt schon: Wieso haben Sie, die Sie immerhin noch 20 Prozent der Stimmen erhalten haben, so viel weniger durchgesetzt als wir mit unseren 8 Prozent, zumal wir mit CDU/CSU und FDP verhandeln mussten? Liegt das daran, dass diese Punkte bei der SPD sozusagen nur im Schaufenster, also nur im Wahlprogramm stehen, dass Sie sich aber in den Verhandlungen, wenn es hart auf hart kommt, für all diese wichtigen Fragen zur Ökologie, zum Tierschutz und – angesichts des Höfesterbens – zum Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft überhaupt nicht mehr interessieren? Ist das vielleicht die Ursache? Was ist jetzt notwendig? Notwendig ist nicht, dass in einer politischen Debatte anlässlich der Eröffnung der Grünen Woche vonseiten der SPD und der CDU/CSU ein bisschen Ernährungsberatung gemacht wird. Ich glaube, Ernährungsberatung ist nicht die Hauptaufgabe des Deutschen Bundestages, auch in einer Debatte über Ernährung und Landwirtschaft nicht, sondern unsere Hauptaufgabe ist es, Gesetze zu machen, und nicht, den Leuten zu sagen, wie sie zu essen haben. Aber das nur am Rande. Was ist also notwendig? Notwendig wäre, ein echtes Reduktionsprogramm für alle Pestizide aufzulegen. Notwendig wäre die Einführung einer klaren Haltungskennzeichnung. Notwendig wäre, die Vergabe der Gelder so zu gestalten, dass das Höfesterben nicht einfach weitergeht. Es hilft nicht, wenn sich die jetzige Politik lippenhaft zur Landwirtschaft bekennt; die Rahmenbedingungen sind es, die den Bäuerinnen und Bauern das Leben schwer machen. Diese Rahmenbedingungen müssen wir ändern. Wenn man zum Beispiel einen Großteil des Geldes einfach nach der Größe der Fläche vergibt, dann führt das höchstens dazu, dass die Pachtpreise steigen. Deshalb muss man das Geld nach qualitativen Kriterien vergeben, nach Ideen, wie wir sie in unserem Sondierungspapier festgehalten haben. Man könnte sich wirklich ärgern, wenn man sich die jetzigen Ergebnisse anschaut und diese mit dem vergleicht, was im Sondierungspapier der Jamaika-Sondierer stand. Da stand: Ställe der Zukunft, klimaschutzangepasste Produktion, Erhalt der Kulturlandschaft und der biologischen Vielfalt, gesunde Ernährung, Technologisierung und Digitalisierung sowie Präzisierungslandwirtschaft einsetzen. Mensch, wir waren doch schon einmal so weit! Wenn sich die SPD schon nicht traut, dann traut wenigstens ihr von der CDU/CSU euch, das, worauf wir uns schon geeinigt haben, umzusetzen, wenn schon die FDP davongelaufen ist! Für uns ist am Ende nicht entscheidend, dass wir nicht die Posten haben, sondern für uns ist entscheidend, dass endlich inhaltlich sinnvolle Politik gemacht wird. Darauf kommt es an. Deshalb mein Appell an die CDU/CSU und die SPD, wenn Sie wirklich eine Regierung bilden sollten: Ändern Sie die Politik, und schauen Sie sich die Papiere an, die wir gemeinsam erarbeitet haben. Darin finden Sie viel Gutes. Vielen Dank. Lieber Kollege Hofreiter, ich erlaube mir die Feststellung, dass es sich hier nicht um eine Ernährungsberatung handelt, sondern um eine vereinbarte Debatte der Fraktionen des Deutschen Bundestages. Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Dr. Maria Flachsbarth.
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Carsten Schneider SPD
Carsten
Schneider
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Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich will darauf hinweisen, dass der Kollege Bundestagspräsident Schäuble die Großzügigkeit vorgegeben hat, die auch ich jetzt gewähren werde. – Der nächste Redner ist der Kollege Carsten Schneider, SPD-Fraktion. Herr Präsident! Vielen Dank, die Einladung nehme ich gerne an. Zunächst kurz zu dieser Legislaturperiode: Sie ist zum Ende hin anders gelaufen, als wir alle uns das gedacht haben, insbesondere bedingt durch die Coronasituation. Ich finde aber, dass die Bundesrepublik das insgesamt sehr gut gemanagt hat, insbesondere was den Gesundheitsschutz betrifft, aber auch den Erhalt von Arbeitsplätzen und die soziale Balance in unserem Land. Wir haben in dieser Legislatur für 1,3 Millionen Menschen die Grundrente eingeführt. Wir haben den Soli für die unteren 95 Prozent der Steuerzahler abgeschafft. Das ist die größte Steuersenkung seit einem Jahrzehnt. Das ist ein Vorschlag der SPD gewesen. Wir haben das Kurzarbeitergeld verlängert und die Transfereinkommen erhöht, um die Familien in ihrem alltäglichen Leben zu sichern. Wir haben das Kindergeld erhöht, den Kinderbonus gezahlt und den Kinderzuschlag geändert. Wir haben Ordnungspolitik betrieben, indem wir gegen die organisierte Lobbykraft der deutschen Industrie und den Willen wesentlicher Teile der Unionsfraktion ein Lieferkettengesetz verabschiedet haben. Herr Ministerpräsident Laschet, Sie haben von Wirtschaftskompetenz gesprochen. Ich muss sagen: Ich habe oftmals den Eindruck, dass Sie Wirtschaftskompetenz mit Lobbyismus verwechseln und Sie das, was Ihnen die Wirtschaftsverbände in ihrem ureigenen Interesse erzählen, mehr oder weniger eins zu eins in Politik ummünzen. Als Zweites ein kurzer Ausblick: Das, was ich heute von Union und FDP hier gehört habe, insbesondere zur Finanzsituation, war frappierend unehrlich. Nehmen Sie das Unionswahlprogramm: Es enthält die Abschaffung des Solis für die oberen Zehntausend. Diejenigen, die ein Jahreseinkommen von über 110 000 Euro brutto haben, sollen steuerlich entlastet werden; sie sollen weniger Steuern zahlen. Das kostet 12 Milliarden Euro. Die Unternehmen sollen auch unterstützt werden, indem Steuern gestrichen werden. Das entspricht einer Lücke von 35 Milliarden Euro. Dazu kommen die Kosten für die Erfüllung der NATO-Quote, die Sie festgeschrieben haben. Das sind noch mal 20 Milliarden Euro obendrauf, und das alles bei einem Haushalt, der nicht ausgeglichen ist. Ja, der Haushalt ist nicht ausgeglichen. Wir leben von der Substanz der vergangenen Jahre; wir lösen die Asylrücklage auf. So funktioniert Mathematik nicht. Sie haben nicht deutlich machen können, jedenfalls mir nicht – vielleicht macht das der Kollege Dobrindt nachher noch –, wie Sie diese Lücken schließen wollen. Entweder wollen Sie nach der Wahl soziale Leistungen kürzen, was Sie vor der Wahl nicht ankündigen, oder die Wahlversprechen, die Sie machen, sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Herr Laschet ist auf NRW zu sprechen gekommen, und er hat sehr bemerkenswerte Ziele vorgegeben, insbesondere den Aufstieg durch Bildung. Ich habe die NRW-Zahlen mal verglichen: NRW liegt bei den Pro-Kopf-Ausgaben pro Grundschüler im deutschlandweiten Vergleich auf dem vorletzten Platz. Das heißt, da, wo es am meisten drauf ankommt, sind Sie mit am schlechtesten. Das ist kein Vorbild für Deutschland! Ich will Ihnen noch etwas zu den Schulden sagen: Wir haben in den vergangenen Jahren 400 Milliarden Euro Neuverschuldung aufgenommen. Ich weiß nicht, ob Sie das noch mittragen und akzeptieren oder nicht. Ich habe hier den Eindruck, Sie empfinden das als böse. Ich kann Ihnen nur Folgendes sagen: Wir haben hier im Bundestag festgelegt, unter Finanzminister Olaf Scholz, dass wir diese Schulden ab dem Jahr 2026 in 20 Jahren tilgen werden. In 20 Jahren! Wie sieht es im schwarz-gelben Vorzeigeland NRW aus, das auch Schulden in enormer Höhe aufgenommen hat? Wie lange brauchen Sie zur Tilgung, Herr Ministerpräsident? Ich kann es Ihnen sagen: 50 Jahre! Kein anderes Bundesland nimmt sich so viel Zeit, um die Schulden zu tilgen. Von daher ist auch dies, meine Damen und Herren, nichts weiter als Voodoo. Noch einen Punkt möchte ich kurz ansprechen. Das ist die Situation bei den Energiepreisen. Sie haben in Ihrem Wahlprogramm – ich habe es mir genau angeguckt – einen euphemistischen Satz. Da steht, Sie wollen beim CO2-Preis – das ist das, was Benzin und Heizöl und Gas verteuert – eine Straffung des Preispfades und einen schnelleren Übergang in die Marktphase. Das heißt nichts anderes als eine Erhöhung ohne irgendeine Kompensation für Leute mit kleinen Einkommen. – Meine Damen und Herren, der Lobbyismus der Union schlägt wieder zu! Zum Abschluss: Meine Kollegen haben sich gerade die neuesten Umfrageergebnisse durchsagen lassen. Ich kann die Panik, die heute hier geherrscht hat, und die Unsouveränität verstehen. Ich muss Ihnen, Frau Bundeskanzlerin Merkel, aber sagen: Ich habe Sie als Abgeordneter dreimal gewählt, und ich schätze Sie auch; aber dass Sie heute wieder in die Rolle der CDU-Generalsekretärin zurückgehen mussten, das tut mir ganz ehrlich leid. Vielen Dank, Herr Kollege Schneider. – Hier werden gar keine Wahlkampfreden gehalten, Kollege Grosse-Brömer. Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Jan Korte, Fraktion Die Linke.
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Thomas Dietz AfD
Thomas
Dietz
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Liebe Zuschauer! Vor wenigen Monaten hat das gesamte Hohe Haus mit Ausnahme der AfD und weniger Abweichler der anderen Fraktionen die Änderung des Infektionsschutzgesetzes zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht beschlossen. Und jetzt will die CDU/CSU dieses längst beschlossene Gesetz auf einmal „solide vorbereiten“ lassen? Haben Sie den Gesetzentwurf damals nicht gelesen, sondern nur blind den Arm gehoben? Statt die einrichtungsbezogene Impfpflicht noch heute vollständig und ersatzlos abzuschaffen, will man nun die arbeits- und sozialrechtlichen Folgen für die Beschäftigten und die Betriebe klären. Man fordert die Regierung auf, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, welche es den Einrichtungen und Krankenhäusern ermöglichen, ungeimpfte Mitarbeiter nach Belieben freizustellen und zu entlassen. Hauptsache in der Einrichtung steht genügend geimpftes Personal zur Verfügung. Sobald jedoch die Versorgungssicherheit der Patienten gefährdet ist, können plötzlich ungeimpfte Ärzte, Krankenschwestern und Pflegekräfte eingesetzt werden. Ihre Arbeitskraft kann dann weiterhin zur Verfügung stehen. Ist das Ihr Ernst? Erkennt das Virus Personalmangel? Dieser Antrag ist an Zynismus wohl kaum zu überbieten. Die Beschäftigten, die sich aus persönlichen Gründen entschieden haben, sich nicht impfen zu lassen, aber auch die, die nun auf eine Boosterimpfung verzichten wollen, sind praktisch ab diesem Zeitpunkt in vakanten Beschäftigungsverhältnissen. Das ist untragbar und unsozial. Deshalb gehört der § 20a des Infektionsschutzgesetzes umgehend abgeschafft. Alle zurzeit eingesetzten Impfstoffe gegen Covid-19 können weder eine Ansteckung des Geimpften ausschließen noch die Weitergabe der Krankheitserreger an Dritte verhindern. Im Gesundheitswesen hat das zur Folge, dass der Patient durch die Impfung des Personals kaum geschützt werden kann. Das heißt: Grundrechtseinschränkungen für das Personal trotz nicht existentem Schutz. Dazu kommen immer häufiger auftretende Nebenwirkungen, die von Kanzler Scholz und den Altparteien in Deutschland negiert werden. Mit einer Impfpflicht, ob einrichtungsbezogen oder allgemein, werden Tür und Tor für Zwangsbehandlungen geöffnet. Wenn erst die letzten Hemmungen gefallen sind und die roten Linien überschritten, gibt es kein Halten mehr vor weiteren Grenzüberschreitungen. Deshalb lehnen wir als AfD-Fraktion diesen Antrag ab. Die Herabsetzung des Genesenenstatus auf 90 Tage war von Anfang an rechtswidrig. Das hat das Berliner Verwaltungsgericht bereits in zwei Fällen entschieden. Der Bundestag wollte sich jedoch den sechsmonatigen Genesenenstatus nur für sich selbst exklusiv sichern, was durch den lauten Protest der AfD inzwischen wieder rückgängig gemacht wurde. Meine Damen und Herren, wie Sie sehen: Die AfD wirkt. Die Politik hat durch dieses Verhalten und ihre ständigen Kurswechsel in der Pandemiebekämpfung das Vertrauen der Bürger vollkommen verloren. Letztlich kann es nicht um Korrekturen, sondern nur um die völlige Abschaffung aller Maßnahmen gehen. Danke. Es folgt eine weitere erste Rede im Deutschen Bundestag, nämlich von Linda Heitmann für Bündnis 90/Die Grünen.
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Kees de Vries CDU/CSU
Kees
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CDU/CSU
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren auf der Tribüne! Eines möchte ich eingangs gleich klarstellen: Die Landwirte setzen sich schon aus eigenem Interesse für eine gesunde Umwelt ein und sind die aktivsten und effektivsten Umweltschützer. Erlauben Sie mir einen kurzen Rückblick. In den 60er-Jahren hat EU-Kommissar Mansholt von der Landwirtschaft gefordert, mehr Chemie und mehr Düngemittel einzusetzen. Die Landwirtschaft musste – das war ganz klar – eine stark wachsende Bevölkerung ernähren. Wir Landwirte haben gut zugehört. Und ja, wenn ich zurückdenke, dann muss ich sagen: Wir haben in den 70er- und 80er-Jahren unsere Umwelt ausgebeutet und verschmutzt, obwohl, Herr Hofreiter, wir uns immer an geltendes Recht gehalten haben. Das zunehmend vernetzte Agieren von wissenschaftlicher Grundlagenforschung und guter fachlicher Praxis hat immer wieder neue umweltrelevante Erkenntnisse hervorgebracht, und die Landwirte – immer noch gute Zuhörer – haben ihre Arbeitsweise immer wieder an die neuen Erkenntnisse angepasst. Das führte dazu, dass ich seit 27 Jahren – so lange lebe ich inzwischen in Deutschland – alle Jahre wieder in der Zeitung lesen kann, dass die Oberflächengewässer wieder sauberer geworden sind. Leider aber haben wir in unserem Grundwasser punktuell immer noch zu hohe Nitratwerte. Die Ursache dafür ist eindeutig in der Langzeitwirkung zu finden. Für Fehler, die wir vor 20 bis 30 Jahren gemacht haben – und die haben wir gemacht –, tragen wir heute die Konsequenzen. Wer aber glaubt, dass zum Beispiel mit einem emissionsarmen Ausbringen von Gülle das Problem gelöst ist, dem möchte ich sagen: Gut gedacht ist nicht immer gut gemacht. Holland hat hier viel Erfahrung gesammelt. Dort ist man inzwischen deutlich zurückgerudert. Zum Glück aber haben wir die Grünen: Einfach pauschal einen maximalen Überschuss von 30 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr sowie eine flächengebundene Tierhaltung beschließen, und das Problem ist gelöst. – Bei Ihren pauschalen Forderungen verkennen Sie nicht nur die Langzeitwirkung, sondern auch die unterschiedlichen natürlichen Ursachen und den Umfang der Nitratbelastung. Schauen wir uns einfach mal die roten Gebiete an. Ein Grundwasserkörper mit einer mittleren Größe von etwa 200 Quadratkilometern wird schon zum roten Gebiet, wenn an nur zwei Messstellen die Grenzwerte überschritten werden. Es lohnt sich, die Fließbewegungen und die Eintragswege genauer zu untersuchen, um genaue Nitratbelastungen festzustellen. Mein Heimatbundesland Sachsen-Anhalt hat dies getan. Die roten Gebiete konnten um zwei Drittel verringert werden. Ich möchte auf mögliche Ursachen für die Nitratbelastung und mögliche Lösungen eingehen: Ja, klar, es ist so: Neben zu wenig Niederschlag und zum Beispiel intensivem Gemüseanbau kann auch ein regional zu hoher Tierbestand die Ursache sein. Allerdings ist Ihre Forderung nach einem Abbau der Tierbestände komplett unsinnig. Mit bundesweit durchschnittlich 1,38 Großvieheinheiten pro Hektar liegen wir sogar weit unter Ihrer Forderung. Aber der Viehbestand ist ungünstig verteilt. Und wo besonders viele Tiere gehalten werden, werden Grenzwerte auch mal überschritten. Vernünftig wäre also eine optimale Verteilung der Bestände, um damit flächendeckend zu gesünderen Böden in Deutschland zu kommen. Dieser Umstand trifft übrigens eins zu eins auch für Europa zu. Es liegt auf der Hand, dass die neuen Verschärfungen der Düngeverordnung auf Dauer zu einer Verlagerung der Tierbestände führen werden – der erste Schritt wäre gemacht –; aber nur, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Grünen, mal etwas richtig Gutes für unsere Umwelt tun wollen, dann setzen Sie sich für Stallneubauten in Gebieten mit geringer Viehdichte ein. Wir haben viele Regionen, in denen organischer Dünger gebraucht wird. Aber in diesen Regionen können neue, moderne, umwelt- und tierschutzgerechte Ställe von unseren Landwirten nur dann errichtet werden, wenn Sie, liebe Grünen, nicht bei jeder Initiative den Weltuntergang prophezeien und durch diese Angstmacherei jeden Bauantrag torpedieren. Ganz nebenbei würde der Stallneubau übrigens dazu führen, dass deutlich weniger Gülle quer durch Deutschland und Europa transportiert wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer mir wirklich zugehört hat, der hat längst erkannt, dass gezielte Maßnahmen dazu führen, dass wir insgesamt weniger Stickstoffbedarf und weniger Emissionen haben werden, sowohl in der Luft als auch im Grundwasser. Im Übrigen ist dieser Fakt auch auf der kürzlich in Hamburg zu Ende gegangenen Umweltministerkonferenz bestätigt worden. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, Sie haben die Wahl: Weitermachen mit der grünen Anti-Massentierhaltungspropaganda, die jedes konstruktive Gespräch mit Bürgern zum Thema Stallneubau unmöglich macht, oder ein ehrliches Agieren Ihrerseits im Sinne unserer Umwelt, und zwar gemeinsam mit unseren Landwirten und nicht gegen sie. Stand heute kann ich Ihren Antrag leider nur als populistischen Aktionismus ansehen, der stark nach Wahlkampf riecht und deshalb abzulehnen ist. Ob Sie es mit unserer Umwelt wirklich ernst meinen, können Sie selbst unter Beweis stellen. Ich freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit und danke für Ihre Aufmerksamkeit. Für die AfD-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Heiko Wildberg.
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Dr.
Dr. Bernd Baumann AfD
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frankreich brennt, vor allem das christliche: 874 Kirchen gingen in einem Jahr in Flammen auf oder wurden verwüstet, darunter fast tausend Jahre alte Kathedralen. Schlimmer noch: Hunderte Franzosen wurden massakriert. Vor zwei Wochen schnitt ein islamischer Eiferer dem Lehrer Samuel Paty den Kopf ab, auf offener Straße, am helllichten Tag, bei lebendigem Leib. Warum? Meine Damen und Herren, Samuel Paty, dieser aufrechte Mittelschullehrer aus dem Städtchen Moulins in der Auvergne, hatte ein Ziel: Er wollte seine Kinder zu freien Menschen erziehen, zu freien Bürgern der stolzen Republik Frankreich; deshalb musste er so bestialisch zugrunde gehen. Er hatte seinen Schülern Mohammed-Karikaturen gezeigt, um sie das hohe Gut der Meinungsfreiheit zu lehren. Meine Damen und Herren, Samuel Paty verkörperte das Beste unserer Kultur, den Glauben an die Erziehung freier Menschen. Er hat sein Leben dafür riskiert, und er hat sein Leben dafür gegeben. Wir verneigen uns vor dem Mut dieses Mannes. Und die Lage verschlimmert sich täglich. Erst gestern schnitten islamische Täter einer alten Frau den Kopf ab, mitten in der Kathedrale von Nizza. Ganz Frankreich stürzt in eine Identitätskrise. Im Land geht die nackte Angst um; denn die Probleme reichen noch viel, viel tiefer. In immer mehr Städten und Regionen wachsen Gegengesellschaften, wuchern geradezu. Immer größere Teile koppeln sich von der französischen Gesellschaft ab, sie verachten den freiheitlichen Staat, sie spucken auf westliche Werte, orientieren sich an orientalischen Verhaltensweisen und Vorbildern. In Frankreich, in den Franzosen brennt die tiefe Angst vor dem Verlust ihrer Lebensweise, ihrer Tradition, ihrer Identität, ihres Zuhauses. Sie wollen ihre Heimat verteidigen als Patrioten, und dazu haben sie alles Recht. Selbst Präsident Macron, ein Zögling des eher links-grünen Zeitgeistes, musste plötzlich Farbe bekennen und seinen Franzosen ein realistisches Gesamtbild zeigen. Er spricht jetzt von „contre-société“, von einer Gegengesellschaft, mit einem – so wörtlich – islamischen Separatismus, also einer islamischen Gegengesellschaft, die mitten in Frankreich immer weiter wächst. Sie habe, so Macron wörtlich, das Endziel, die Kontrolle zu übernehmen, und zwar vollständig. Das alte Frankreich sei geradezu zerbrochen, beherrscht von einer – hören Sie zu! – kulturellen Unsicherheit; denn Frankreich sei gelähmt durch eine Form des Selbsthasses, geschürt vor dem Hintergrund seiner kolonialen Vergangenheit. Präsident Macron fordert jetzt eine Reconquête, also eine Art Reconquista. Er fordert die Franzosen auf – wörtlich –: Wir müssen alles zurückerobern. – Und er fordert „une mobilisation de toute la nation“, die Mobilisierung der gesamten Nation. Das sagt nicht die AfD, das sagt Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Bei uns in Deutschland jedenfalls würden solche Reden vom Verfassungsschutz beobachtet, in Talkshows von ARD und ZDF käme er niemals vor, und vom Evangelischen Kirchentag bliebe er ausgeschlossen. Dabei sind die Probleme, die er benennt, längst gigantisch in ganz Europa. Deshalb dürfen wir nicht länger verharmlosend von Parallelgesellschaften sprechen; vielmehr sind es echte Gegengesellschaften, die hier entstehen und weiterwachsen. Sie wuchern längst in allen westlichen Ländern, ob Großbritannien, Belgien, Deutschland oder Niederlande. In Schweden und Dänemark haben das sogar die Sozialdemokraten kapiert, meine Damen und Herren. Auch in Schweden eskalieren die Konflikte. In den USA eskalieren die Konflikte noch viel schlimmer, bilden sich Gegengesellschaften zwischen Schwarzen, Weißen, Latinos. Milizen und Gangs rüsten auf mit Kriegswaffen. Ein kleiner Funke genügt, und sofort brennen ganze Stadtteile und werden geplündert. Was Macron offen anspricht, ist nicht mehr nur ein Kampf um Frankreich oder um Deutschland oder um die USA. Meine Damen und Herren, es ist ein Kampf um das Schicksal der ganzen westlichen Zivilisation, was sich hier abspielt vor unseren Augen. Deshalb gehört die Zukunft nicht links-grünen Ideologen, die blind sind für die Unterschiede von Kulturen, die wegsehen, die „no borders“ und „one world“ schreien. Die Zukunft gehört nicht den Globalisten. Die Zukunft gehört den Patrioten! Danke schön – Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Dr. Daniela De Ridder.
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Ria Schröder FDP
Ria
Schröder
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kennen Sie Alice H. Parker oder Mária Telkes? Beide waren Erfinderinnen. Sie haben in Zeiten von Krisen mit ihren Erfindungen den Grundstein für technologische Innovationen im Bereich der Energieversorgung und der Energiesicherheit gelegt. Die afroamerikanische Erfinderin Alice H. Parker konstruierte während des Ersten Weltkrieges eine regulierbare Gasheizung, die die Entwicklung von Zentralheizungen möglich machte. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte die ungarisch-amerikanische Biophysikerin Mária Telkes die erste Solaranlage der Welt. Diese Erfinderinnen sind uns Vorbild. Wissenschaft und Forschung werden uns auch aus dieser Krise herausinnovieren. Aber nicht durch Planwissenschaft, liebe Union. So wie der Staat nicht der bessere Unternehmer ist, so ist er auch nicht der bessere Wissenschaftler. Die Aufgabe von Politik ist es, Rahmenbedingungen zu setzen, in denen Forscher/-innen, Wissenschaftler-/innen und Erfinder/-innen sich entfalten können. Und das tut diese Bundesregierung. Liebe Union, entweder haben Sie die letzten Wochen unter einem Stein gelebt, oder Sie wollen die Menschen in die Irre führen, wenn Sie behaupten, Wissenschaft und Forschung seien bei den Entlastungspaketen leer ausgegangen. Das ist falsch. Wissenschaft und Forschung stehen unter dem Abwehrschirm der Bundesregierung. Sie profitieren von den Soforthilfen genauso wie von der Gas- und Strompreisbremse. Und für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen gibt es einen Härtefallfonds. Diese Informationen waren am Mittwoch, als Ihr Antrag dann endlich vorlag, auch hinlänglich bekannt. Also hören Sie bitte auf mit diesen Falschbehauptungen. Meine Damen und Herren, wir schaffen die Rahmenbedingungen. Die Zukunftsstrategie ist angesprochen worden. Nehmen Sie die GWK-Beschlüsse aus der letzten Woche, die Dynamisierung des Zukunftsvertrags „Studium und Lehre stärken“, die Ausweitung der Exzellenzstrategie für die universitäre Spitzenforschung. Meine Damen und Herren, die Beispiele von Alice H. Parker und Mária Telkes zeigen doch, dass Wissenschaft Männer und Frauen braucht. Daher ist das Professorinnenprogramm 2030 ebenso richtungsweisend für Wissenschaft und Forschung in unserem Land. Meine Damen und Herren, wir denken an die Zukunft. Die Wissenschaftler/-innen und Erfinder/-innen von morgen stecken heute noch in den Kinderschuhen, nämlich in den Schulen und Kitas in Deutschland. Im Sommer habe ich am „Tag der kleinen Forscher“ in Hamburg mit Kitakindern physikalische und chemische Experimente gemacht. Das klingt jetzt erst mal groß, aber wir haben im Prinzip Öl und Wasser miteinander vermischt und die Phasenbildung beobachtet, haben Bindfäden mit Salz an Eiswürfel geklebt und die dann hochgehoben. Aber so lernen die Kleinsten spielerisch Naturwissenschaften kennen und die Begeisterung für Forschung. Und mit dem MINT-Aktionsplan oder „Jugend forscht“ fördern wir die Kreativität und den Einfallsreichtum von Schülerinnen und Schülern. So setzen wir die Rahmenbedingungen für starke Wissenschaft heute und in Zukunft. Vielen Dank, Frau Kollegin Schröder. – Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Holger Mann, SPD-Fraktion.
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Gökay Akbulut DIE LINKE
Gökay
Akbulut
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur heutigen letzten Beratung des von der Koalition eingebrachten Gesetzentwurfes zur Änderung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen kann ich nur sagen: Einen so kurzen Gesetzentwurf hatten wir hier schon lange nicht mehr vorliegen. Dennoch verfolgt dieser Gesetzentwurf ein wichtiges und richtiges Anliegen: Das Namensänderungsgesetz stammt aus dem Jahre 1938. Es beinhaltet noch Formulierungen wie „Reichsminister“ und „Deutsches Reich“. Mit der neuen Änderung wäre das Dritte Reich endlich aus dem Gesetz komplett verbannt. Jetzt muss dieser Geist hier auch noch aus dem Parlament verbannt werden. Als Linksfraktion unterstützen wir natürlich diese Initiative. Dass es aber so lange gedauert hat, bis Sie auf die Idee gekommen sind, rechtliche Relikte aus dem Dritten Reich zu entfernen, ist schon bitter, Herr Frei. Es sind über 71 Jahre seit Bestehen der Bundesrepublik, und trotzdem müssen Rechtsanwenderinnen und Betroffene noch den Begriff „Deutsches Reich“ in Gesetzestexten lesen und studieren. Und wenn Sie schon hier von Modernisierung sprechen, dann wäre es auch jetzt eine gute Gelegenheit gewesen, sprachlich wirklich ins 21. Jahrhundert zu kommen und auch das moderne Gendern bei diesem Gesetzentwurf durchgängig einzubeziehen. Ebenfalls in letzter Beratung debattieren wir heute in diesem Rahmen den Gesetzentwurf der FDP zur Änderung des Ehe- und Geburtsnamensrechts. Die Linke begrüßt diesen Gesetzentwurf der FDP, da er den Anspruch der Namensvielfalt aufgreift und versucht, den geänderten Lebenswirklichkeiten unserer Gesellschaft gerecht zu werden. Die Möglichkeit, einen echten Doppelnamen als gemeinsamen Ehenamen bestimmen zu können, verschafft eine Wahl auf Augenhöhe und Parität für viele Ehepartner, was wir natürlich unterstützen. Allerdings geht die Initiative der FDP nicht weit genug; denn dieser Gesetzentwurf löst nur ein Teilproblem des zivilrechtlichen Namensrechts. Das Gesamtgefüge der Norm und ihre Rechtsprobleme und Rechtspraxis bleiben leider unberücksichtigt. Das gilt vor allem im Hinblick auf die Regelung des § 1355 Absatz 5 Satz 2 BGB, wonach die geschiedenen Ehepartnerinnen und Ehepartner ihren Geburtsnamen wieder annehmen können. Häufig führt das aber dazu – und das ist ja das große Problem –, dass die Namensgleichheit eines Ehepartners mit den Kindern wegfällt, da sich diese der Änderung nicht anschließen können; so lautet ja die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 18. Februar 2004. Oftmals verzichten viele Eltern daher auf diese Möglichkeit. Hier müssen Optionen berücksichtigt werden, die auch schon in der Sachverständigenanhörung eingebracht worden sind. Als Linksfraktion setzen wir uns für eine umfassende Novellierung ein, die auch diese Probleme aufgreift und hier nicht nur punktuelle Lösungen liefert. Vielen Dank. Vielen Dank, Gökay Akbulut. – Nächste Rednerin: für Bündnis 90/Die Grünen Katja Keul.
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Johann Saathoff SPD
Johann
Saathoff
SPD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, für die sozialdemokratische Fraktion sowieso, aber auch für viele andere Parteien hier im Parlament kann ich sagen: Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der die Starken für die Schwachen eintreten. Ich hatte bei der ersten Lektüre des Antrages gedacht: Das will jetzt plötzlich auch die AfD mit ihrem Länderfinanzausgleich erreichen. Denn dort heißt es, die strukturstarken sollen für die schwächeren Regionen zahlen. Also wäre Solidarität eigentlich das Stichwort der Stunde gewesen; zugegeben, das sind ungewöhnliche Töne aus der ganz rechten Ecke. Aber die Debatte heute hat Sie in dieser Frage demaskiert. Solidarität ist das wenigste, was Sie wollen. Solidarität streben Sie mit Sicherheit nicht an. In dem Antrag wird die Gründung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgeschlagen. Das hat es schon gegeben, wobei es keine Arbeitsgruppe, sondern eine Kommission war, nämlich die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“. Diese Kommission hat im Juli 2019, also vor drei Monaten, ihren Abschlussbericht vorgelegt. Diesen haben Sie mit keinem Wort erwähnt. Dieser ganze Bericht ist an Ihnen vorbeigegangen. Sie tun aber so, als kümmern Sie sich um die ländlichen Räume. Was war das Ergebnis dieses Berichtes? Das Ergebnis war, dass die Bundesregierung die Fördermaßnahmen in einem einheitlichen Fördersystem bündeln wird. Mein Kollege Frank Junge hat ausführlich darauf hingewiesen. Die bislang regional beschränkten Förderprogramme werden auf alle Regionen ausgeweitet, und die Bedarfe werden verteilt auf Ost und West, auf Nord und Süd, und zwar auf Stadt und Land. Das stellt eine gute Grundlage dar, um die zusätzlichen Mittel aus dem Bundesprogramm Ländliche Entwicklung auch wirklich sinnvoll für ländliche Räume zu verausgaben. Natürlich kann und muss man dafür sorgen, dass über diese Fördermittel Infrastruktur in den ländlichen Räumen geschaffen wird. Bestes Beispiel dafür ist das Strukturstärkungsgesetz. Auch dies haben Sie heute mit keinem Wort erwähnt. 40 Milliarden Euro werden zur Verfügung gestellt, um Regionen, die vom Strukturwandel im Zusammenhang mit dem menschengemachten Klimawandel betroffen sind, zu helfen. Ziel ist, dass diese Regionen nicht abgehängt werden, sondern entwickelt werden. Herr Brandner, ich bin auf Ihr Abstimmungsverhalten in dieser Sache gespannt. Ostfriesland – das will ich an dieser Stelle sagen – hatte vor einigen Jahren noch eine starke Schiffbauindustrie. Diese ist jetzt fast vollständig verschwunden, und zwar ohne Milliardenhilfen aus Berlin. Das wollen wir anderen Regionen nicht zumuten. Dat wassen stuur Tieden – so haben die Ostfriesen das in ihrer Sprache damals beschrieben –: Es waren schwere Zeiten, die damals auf uns zukamen. Die Ostfriesen haben früh erkannt, dass ein relativ junger Wirtschaftsfaktor für sie eine Perspektive ist und überall im ländlichen Raum eine Perspektive sein könnte. Welcher Wirtschaftsfaktor ist das? Das sind die erneuerbaren Energien. Das hat für Wertschöpfung gesorgt und für viele, viele Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Für uns war das Teil einer adäquaten Lösung für strukturschwache Regionen, wie Sie es in Ihrem Antrag schreiben. Im weiteren Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel und für eine Energiewende finden wir viele Chancen und Potenziale für Menschen in ländlichen Räumen, denen Sie sich, wenn Sie sich wirklich darum kümmern wollten, einmal zuwenden sollten. Mit Blick auf die Europäische Union, auf die EU, schlägt die AfD eine Renationalisierung vor; wir haben das heute schon gehört. Spätestens da ist es vorbei mit der eingangs erwähnten und zur Schau gestellten Solidarität der äußerst Rechten im Parlament. Sie wollen die Vorteile der EU mitnehmen, aber sie wollen nichts zur Gemeinschaft beitragen. Als Starker wollen Sie den Schwachen nicht helfen. Das hat mit Solidarität nichts zu tun. Das ist nichts anderes als Schmarotzen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Johann Saathoff. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Oliver Luksic.
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Anja Troff-Schaffarzyk SPD
Anja
Troff-Schaffarzyk
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den Bundesländern beginnen nun nach und nach die Sommerferien, und nach zwei Jahren Pandemie haben alle wieder Lust, zu reisen und auch zu fliegen. Das merkt man natürlich überall. Doch während es in der Vergangenheit so war, dass der nahende Urlaub Grund zur Vorfreude war, blicken jetzt natürlich viele sehr sorgenvoll auf ihre Reise, weil aufgrund der zahlreichen Flugausfälle manchmal unklar ist, ob und wann das gewünschte Ziel erreicht werden kann. Es ist klar, dass zunächst die betroffenen Unternehmen gefragt sind. Ich appelliere daher ganz dringend an die Luftverkehrswirtschaft, einen möglichst stabilen Betrieb sicherzustellen. Sie sind gefragt, das Kernversprechen Ihrer Branche, nämlich das von einer pünktlichen und zuverlässigen Beförderung, auch im Sommer 2022 einzulösen. Außerdem ist klar, dass ein Streit darüber, wer nun Verantwortung trägt, nicht zielführend ist. Das löst weder das Kernproblem, noch wird den gestrandeten Passagieren geholfen. Es ist angesichts dessen äußerst bedauerlich, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, die immerhin von 2009 bis 2021 das Verkehrsministerium führten, nun nichts anzubieten haben außer faktenfreien Schuldzuweisungen an die neue Bundesregierung. Wir arbeiten lieber an der Sache. Einerseits wollen wir kurzfristig die Einschränkungen für die Passagiere minimieren; andererseits wollen wir, dass der Luftverkehr mittelfristig zu einem stabilen Betrieb zurückkehrt. Das drängendste Problem ist der Personalmangel, insbesondere bei den Bodenverkehrsdiensten. Die Bundesregierung hat beim Luftfahrtgipfel Handlungswillen und Handlungsfähigkeit gezeigt. Die Gewinnung von 2 000 zusätzlichen Arbeitnehmenden für die Bodenverkehrsdienste ist ein wichtiges Signal. Durch beschleunigte Zuverlässigkeitsprüfungen wird zeitnahe Entlastung sichergestellt. An dieser Stelle auch ein großes Dankeschön an unsere Ministerinnen und Minister Faeser, Heil und Wissing für diesen proaktiven Einsatz. Denn – darauf hat der Kollege Lange gerade hingewiesen – der damalige Verkehrsminister Scheuer von der Union hat zum Krisengipfel im Jahr 2018 zwar eingeladen, aber erst nach dem Ende des chaotischen Flugsommers, im Oktober. Natürlich sind die Arbeitskräfte aus dem Ausland kein Allheilmittel. Ich erwarte, dass die Unternehmen durch Entzerrung der Abfertigungen und Flugpläne ihre Kapazitäten ausschöpfen. Unvermeidliche Stornierungen müssen mit minimalen Unannehmlichkeiten für die Passagiere verbunden sein und natürlich auch so früh wie möglich mitgeteilt werden. Der Rückblick auf die Probleme des Jahres 2018 beweist, dass die Ursachen der Flugausfälle tiefgreifender sind und grundsätzlicher Antworten bedürfen. Die in den vielen Berufsfeldern der Luftfahrt schwierigen Arbeitsbedingungen, teilweise gepaart mit schlechter Bezahlung, sorgen seit Langem für wenig Nachwuchs. Die Unternehmen haben parallel ihre Personaldecke im Zuge weiterer Kürzungen bereits vor der Pandemie auf ein gefährlich niedriges Niveau gesenkt. Durch die berufliche Unsicherheit und massive Kurzarbeit in den Jahren der Pandemie, häufig eben auch ohne Aufstockung, haben viele Arbeitnehmende die Branche verlassen. Sie werden nur zurückkehren, wenn sich Arbeitsbedingungen und Bezahlung verbessern. Für uns gilt daher: Nur mit mehr Personal gibt es eine Rückkehr zum resilienten Flugbetrieb. Wir setzen uns zusätzlich für eine bessere Organisation des Luftverkehrs ein. Die im Koalitionsvertrag festgehaltene Umsetzung von Single European Sky werden wir vorantreiben. Die Möglichkeiten der Digitalisierung werden und müssen wir nutzen, um das Flughafenpersonal bei seiner Arbeit zu entlasten, etwa bei der Durchführung der Luftsicherheitskontrollen. Das Thema Luftsicherheitskontrollen ist ein Dauerbrenner. Die Kontrollen funktionieren je nach Organisation am jeweiligen Flughafen unterschiedlich gut. Ich stimme dem Kollegen Lange zu: Ein Blick nach München lohnt sich. Dort wird die hoheitliche Aufgabe nicht von einem privaten Dienstleister, sondern von einer landeseigenen Gesellschaft durchgeführt, und das sehr gut. Die SPD hat die großen Potenziale einer Reorganisation der Luftsicherheitskontrollen etwa nach diesem Münchener Modell bereits in der letzten Wahlperiode herausgestellt. Eine grundsätzliche Verbesserung der Situation von Personal und Passagieren ist möglich. Doch Innen- und Verkehrsministerium blockierten sämtliche Bemühungen dieser Neuausrichtung. Dass zwei CSU-geführte Häuser nicht über ein erfolgreiches bayerisches Konzept reden wollten, ist bemerkenswert. Uns ist sehr wohl bewusst, dass mit der Debatte der Reorganisation ein langer politischer Prozess erst beginnt, aber die SPD-Fraktion geht auch hier gerne voran und ist handlungswillig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Redebeiträge verdeutlichen, wie komplex die Thematik der Flugausfälle ist. Ich führe intensive Gespräche mit Unternehmen, Gewerkschaften und Behörden. Uns alle eint eine Überzeugung: Es wird nicht die eine Lösung geben. Die Luftfahrtbranche ist gefordert, ihre Personalsituation zu verbessern. Die Bundesregierung kümmert sich um die Rahmenbedingungen. So wird der Weg aus der aktuellen Krise gelingen, aber – und das gehört auch zur Wahrheit dazu – leider nicht sofort; denn die Probleme sind so groß, dass sie sich nicht zum Ende des Sommerflugplans in Luft auflösen werden. Vielen Dank. Zu ihrer ersten Rede erteile ich das Wort der Kollegin Misbah Khan, Bündnis 90/Die Grünen.
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Angelika Glöckner SPD
Angelika
Glöckner
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Brückenteilzeit, Teilhabechancengesetz, Rentenpaket I und, und, und beschließen wir heute ein weiteres wichtiges soziales Paket. Wir reden über kleine Änderungen, das ist wahr, wahr ist aber auch: mit großen Wirkungen. Ich möchte die Änderungen beleuchten. Als Erstes erhöhen wir den Schutz für pflegebedürftige Menschen in Einrichtungen. Wer als Pflegefachkraft in Einrichtungen arbeiten will, darf künftig keinen Eintrag im Führungszeugnis wegen sexueller Belästigung aufweisen. Meldungen über Misshandlungen oder Missbrauch bei pflegebedürftigen Menschen hören wir immer wieder, und es erschüttert uns immer wieder. Vor allem können sich Menschen mit Behinderungen, die in Einrichtungen gepflegt werden, überhaupt nicht zur Wehr setzen und bedürfen eines besonderen Schutzes. Diesem Schutz werden wir gerecht. Deshalb ist diese Regelung ein ganz wichtiger und notwendiger Schritt. Als Zweites verlängern wir die Eingliederungshilfe über das Jahr 2018 hinaus für Familien, die Kinder oder Jugendliche mit Behinderungen in Vollzeit zu Hause pflegen und dadurch den Aufenthalt in einer Einrichtung vermeiden oder beenden. Damit schaffen wir auch Rechts- und Planungssicherheit für diese Pflegefamilien und ihre Pflegekinder. Zu guter Letzt beschließen wir ein anlassbezogenes Prüfrecht für die Träger der Sozialhilfe und Eingliederungshilfe. Als örtliche Träger der Sozialhilfe gewähren die Städte und Landkreise mit finanzieller Unterstützung der Länder jährlich 4 Milliarden Euro Hilfe zur Pflege. Bisher tun sie das, ohne dass es ihnen möglich ist, ein Prüfrecht dahin gehend auszuüben, ob die Gelder in den Einrichtungen ordnungsgemäß verwendet werden. Dieses Recht haben bisher – das wurde gesagt – nur Pflegekassen für die Leistungsgewährung ihrer Versicherten. Das wollen wir ändern. Deshalb beschließen wir heute auch für die Sozialhilfeträger ein Prüfrecht. Gleichzeitig bedeutet das, dass bei Menschen, die vollständig oder teilweise vom Sozialhilfeträger Hilfe zur Pflege erhalten, geprüft werden kann, ob das Geld auch vereinbarungsgemäß verswendet wird. Wir folgen damit der ausdrücklichen Empfehlung der Länder, die sich aufgrund etlicher Abrechnungsskandale dafür ausgesprochen haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Forderung zu unterstützen, muss doch auch unser Anspruch sein; denn nicht zuletzt handelt es sich um Steuergelder. Wir als SPD-Fraktion sorgen dafür, dass die Hilfe genau dort ankommt, wo wir es wollen, nämlich bei den Menschen vor Ort. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der FDP, Sie beantragen, der Bundestag solle die Bundesregierung auffordern, sicherzustellen, dass dieses erweiterte Prüfrecht nicht zu Doppelprüfungen und Parallelstrukturen führt. Ihre Sorge halte ich für relativ unbegründet. Ich fasse gern noch einmal zusammen: Diese Prüfungen durch die Sozialhilfeträger sind nur anlassbezogen möglich, und sie sind auch nur möglich, soweit keine anderen Sozialleistungsträger oder Stellen, die sie beauftragt haben, Prüfungen vorgenommen haben. Wenn eine andere Stelle diese Prüfung vorgenommen hat, dann muss diese Einrichtung die Prüfungsergebnisse gegenüber dem Sozialhilfeträger offenlegen; das macht eine doppelte Prüfung entbehrlich. Und genau diesen vierten Punkt haben wir auch geregelt. Sie sehen: Die Bundesregierung unter der Federführung des Bundesministers Hubertus Heil und der Staatssekretärin Kerstin Griese hat an alles gedacht; sie haben ihre Hausaufgaben gemacht. Ich danke dem Bundesarbeitsminister und der Staatssekretärin für die gute Zusammenarbeit und die Ausarbeitung dieses Gesetzentwurfes. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen eine frohe Weihnachtszeit und alles Gute. Vielen Dank, Angelika Glöckner. – Nächster Redner: Marc Biadacz für die CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Manuela Rottmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Manuela
Rottmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir bekräftigen heute einen Verfassungsgrundsatz, eine verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit, und zwar leider nur per Verordnung. Sobald tiefe Grundrechtseingriffe im Einzelfall niemandem mehr nützen, müssen sie gegenüber diesen Personen sofort aufgehoben werden. Die Situation ist nach wie vor kritisch. Die Belastung auf den Intensivstationen ist immer noch viel zu hoch. Deswegen müssen wir eine klare Sprache sprechen: Heute werden nicht etwa die Kontaktbeschränkungen für Geimpfte aufgehoben, sondern Kontaktbeschränkungen unter vollständig Geimpften, und das ist ein wesentlicher Unterschied. Wir wissen aber, dass Geimpfte selbst in den seltenen Fällen einer erneuten Infektion keine schweren Verläufe mehr durchleiden müssen. Deswegen nützt es niemandem, wenn sie sich untereinander weiterhin nicht mehr treffen dürften, auch nicht den überlasteten Beschäftigten auf den Intensivstationen, die übrigens selbst – und das freut mich –, wenn sie es wollten, zu der Gruppe derjenigen gehören, die bereits geschützt sind. Man kann im Verfassungsrecht über vieles streiten. Darüber, dass diese Beschränkungen aufgehoben werden müssen, kann man nicht streiten. Das ist etwa so, als ob man infrage stellen würde, dass eins und eins zwei ergibt. Die Art und Weise, wie Politikerinnen und Politiker der Koalition diese Debatte begonnen haben, war für mich einer der Tiefpunkte der letzten Monate, angefangen beim notorischen Horst Seehofer, dessen abwegige Argumentation ich hier überhaupt nicht wiederholen will. In der Weihnachtspause kam dann die Meldung: Rechtspolitiker von Union und SPD prüfen ein gesetzliches Verbot von Sonderrechten für Menschen mit Coronaimpfung. Im Januar warnte die Bundeskanzlerin vor angeblichen doppelten Privilegien für Geimpfte. Damit schürt man Neiddebatten, und das ist das Letzte, was diese Gesellschaft gerade braucht. Weder von der Bundesjustizministerin noch vom Bundesgesundheitsminister war da eine klare Ansage zu hören. Im Gegenteil: Jens Spahn hat erst mal den Ethikrat mit dieser Frage beschäftigt – als ob es da irgendetwas zu prüfen gäbe. Der Ethikrat ist gut und sinnvoll für viele Dinge, aber wenn ein Bundesminister eine verfassungsrechtlich glasklare Frage zur Disposition stellt, dann stellt sich mir eine andere Frage, nämlich die, ob er seinen verfassungsrechtlichen Kompass während der Pandemie verloren hat oder ob er je einen hatte. Eins und eins ist zwei, und damit muss man nicht den Ethikrat beschäftigen. Sie hätten Besseres zu tun gehabt. Wir hätten mit Beginn der Impfkampagne eine einfache fälschungssichere Dokumentation haben müssen. Heute haben wir 24 Millionen Menschen, die in Deutschland geimpft sind. Wir haben diese Dokumentation immer noch nicht. Verfassungsrecht ist das Grundgerüst des Vertrauens in dieser Gesellschaft. Es darf auch während einer Pandemie nicht beschädigt werden; denn wir brauchen dieses Vertrauen auch in der nächsten Krise. Es ist gut, dass wir nach diesen Irrungen und Wirrungen heute den Menschen das Vertrauen zurückgeben können. Unser Land ist ein freiheitliches Land. Wir brauchen Solidarität, aber wir erwarten keine Schikanen. Herzlichen Dank, Frau Kollegin Dr. Rottmann. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Johannes Fechner, SPD-Fraktion.
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Grigorios
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Schade, dass wir heute all dies unter einem Tagesordnungspunkt zusammenfassen. Vieles kommt hier leider zu kurz, dabei ist jedes Thema sehr wichtig für unsere Demokratie und für alle Menschen, die mit ehrenamtlichem Engagement so viel leisten in unserem Land. Das Wahlrecht ab 16 Jahren ist eine alte FDP-Forderung und längst überfällig. Hier stimmen wir sehr gerne zu. Lassen Sie mich nun zum Ehrenamt und zur Demokratieförderung kommen. Wir von der FDP-Fraktion wollen endlich konsequent das Ehrenamt unterstützen, fördern und vor allem entlasten. Wir schlagen zu Anfang fünf Punkte vor: Freiheit und Freibeträge für kleine zivilgesellschaftliche Organisationen und Vereine schaffen, bürokratische Hürden konsequent abschaffen, Chancen und Vorteile der Digitalisierung nutzen, Haftungsrisiken für ehrenamtlich Engagierte, vor allem in den Gremien, minimieren und Wertschätzung und Anerkennung durch ein Anerkennungsportal. Auf zwei Punkte gehe ich etwas genauer ein. Das größte Problem für bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt ist die nie enden wollende und immer stärker werdende Bürokratie. Sie führt dazu, dass Menschen vom Ehrenamt abgeschreckt werden. Das betrifft vor allem die Positionen, die Verantwortung bedeuten, nämlich in den Gremien und den Vorständen. Das müssen wir ändern, meine Damen und Herren. Deshalb fordern wir unter anderem die Schaffung von klaren, praktikablen und lebensnahen gesetzlichen Regelungen, eine Abgrenzung zu Großvereinen sowie hauptamtlich geführten Vereinen und Organisationen hinsichtlich Auflagen und Vorgaben, Einführung einer Überprüfung von Regelungen und Gesetzen auf mögliche Auswirkungen für das Ehrenamt – quasi ein Ehrenamts- und Engagementcheck –, bundeseinheitliche einfache Arbeitshilfen und Richtlinien zum Umgang mit Gesetzen und Vorgaben, beispielsweise durch die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt, und mehr digitale Verwaltungsverfahren. Die zweite Säule, die ich genauer ausführen möchte, ist ein Anerkennungsportal, das die ehrenamtliche Tätigkeit endlich belohnt und wertschätzt. Hier können diese Tätigkeiten erfasst und in ein Guthaben für vielfältige Leistungen umgewandelt werden. Dieses Guthaben soll aber im Gegensatz zu jetzigen Systemen auch noch abgerufen werden können, nachdem die ehrenamtlichen Tätigkeiten beendet worden sind. Diese Entfristung ist wichtig, weil viele Ehrenamtliche es während ihres Engagements zeitlich kaum schaffen, neben Beruf und gegebenenfalls Familie die Leistungen beispielsweise über eine Ehrenamtskarte in Anspruch zu nehmen. Kommen wir nun zum Thema Wehrhafte-Demokratie-Fördergesetz. Unsere Position ist: Für eine wehrhafte Demokratie brauchen wir Vielfalt der Vereine, Stiftungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und vor allem Freiheit. Wir wollen diese Vielfalt in einer lebendigen Bürgergesellschaft fördern; denn sie leistet einen elementaren Beitrag zu einer friedfertigen und lebendigen Demokratie. Wenn Vereine und Stiftungen staatliche Förderung bekommen, ist es für uns Freie Demokraten selbstverständlich, dass sie sich zu den Grundwerten unserer Verfassung vorbehaltlos bekennen, meine Damen und Herren. Kommen Sie bitte zum Ende. Ja, letzte Punkte. – Demokratiefördernde Maßnahmen vor Ort müssen wir evaluieren, um zu gewährleisten, dass sie wirksam und nachhaltig sind. Den letzten Satz, bitte, Herr Kollege. Sie sehen: Uns sind die Themen „Ehrenamt“ und „Demokratieförderung“ sehr wichtig. Daher haben wir nicht nur wichtige Anträge dazu eingebracht, sondern ein umfassendes Positionspapier beschlossen und es als einen Schwerpunkt ins Bundestagswahlprogramm aufgenommen. Helfen wir gemeinsam dem Ehrenamt, es als Bollwerk unserer Demokratie zu verstehen. Herr Kollege. Vielen Dank. Sehr geehrte Frau Präsidentin, den Kollegen haben Sie nach einer Minute aufmerksam gemacht. Immer noch bestimmen das Präsidium und vor allem die Geschäftsführer vorher, wie lange die Redezeiten der einzelnen Redner sind. – Es folgt Herr Straetmanns für die Fraktion Die Linke.
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Hanna Steinmüller BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Hanna
Steinmüller
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Zum Antrag der Linken wurde jetzt schon eine Menge gesagt, auch viele andere Dinge wild durcheinander. Aber ich glaube, so ist das oft zu später Stunde. Ich komme auf die Verhinderung von Gas- und Stromsperren zurück. Das ist in Arbeit; da bin ich guter Dinge. Aber ich glaube, das darf nicht das einzige Instrument sein, um Mieterinnen und Mieter und Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten. Wir arbeiten an einer Wohngeldreform; das ist heute auch schon einmal angesprochen worden. Wir verdreifachen die Zahl der Berechtigten. Wir vereinfachen die Antragstellung. Wir machen einen einmaligen Heizkostenzuschuss und eine dauerhafte Heizkosten- und Klimakomponente. Davon profitieren etwa 2 Millionen Haushalte in ganz Deutschland. Das ist ein wichtiger Baustein. Was machen wir noch? Wir reformieren den CO2-Preis beim Wohnen. Momentan zahlen die Mieterinnen und Mieter diesen zu 100 Prozent. Das hat aus klimapolitischer Sicht überhaupt keine Lenkungswirkung, und es ist eine zusätzliche Belastung. Das werden wir verändern. Wir verteilen die Lasten fair zwischen Vermietenden und Mieter/-innen. Vor allen Dingen setzen wir Anreize für energetische Sanierung. Wir müssen uns an dieser Stelle einmal ehrlich machen: Je schlechter das Haus saniert ist, desto höher der Energiebedarf. Haben wir mehr energetisch sanierte Häuser, sind wir auch resilienter gegenüber den Preisen. Das sind wichtige kurzfristige Maßnahmen, aber wir sollen und müssen auch langfristig schauen. Machen wir uns ehrlich: Die hohen Preise sind nicht durch Wind und Sonne getrieben, sondern es sind fossile Energien, die momentan wahnsinnig teuer sind. Deswegen ist es eine kurzfristige Lösung – sie ist auch sinnvoll –, Strompreise zu deckeln. Aber wir müssen die Strompreise langfristig herunterbringen. Das können wir nur durch den Ausbau der erneuerbaren Energien. Um die Erneuerbaren zu entfesseln, haben wir vor der Sommerpause bereits ein großes Gesetzespaket beschlossen. Wir haben Gesetze zu Windenergie an Land und Windenergie auf See, eine Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und vieles mehr beschlossen. – Ich habe gerade über die kurzfristigen Maßnahmen gesprochen, und Sie haben mir immer noch nicht beantwortet, wie man mit einem AKW eine Wohnung heizt. Ich glaube, faktenfrei war Ihre Rede. Wir haben aber nicht nur vor der Sommerpause etwas für die erneuerbaren Energien getan, sondern wir legen noch nach. Heute Nachmittag hatten wir die erste Lesung zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes, und damit werden wir kurzfristig alle Potenziale heben, um die erneuerbaren Energien auszubauen. Wir werden die Deckelung bei Solarenergie und Biomasse beenden. Wir schaffen das Runterregeln bei Wind an Land ab, und wir starten die Sonderausschreibung für die Solarenergie. Das sind alles wichtige Maßnahmen, damit wir Klimaschutz mit der Energiesicherheit und der Bezahlbarkeit zusammenbringen. Ein letzter Satz am Schluss, weil ich das Gefühl habe, die Debatten sind hier oft sehr selbstreferenziell – vielleicht ist das, wenn man 10 000 Euro verdient, ein bisschen anders –: Die steigenden Energiepreise sind ein Problem für viele Menschen. Ich glaube, das sollten wir uns alle bewusst machen. Aber mit Plattitüden kommen wir nicht weiter. – Das habe ich Ihnen gerade gesagt. Aber Sie haben mir nicht zugehört. Kommen Sie bitte zum Schluss. Wir handeln kurzfristig und langfristig. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit – und danke für Ihr Geschrei.
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Katrin Helling-Plahr FDP
Katrin
Helling-Plahr
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie treffen einige überfällige Maßnahmen wie etwa die Freistellung der Transplantationsbeauftragten, die wir lange gefordert haben und die die Bundesregierung bisher verschlafen hat. Hierfür haben Sie auch aus der Opposition heraus Respekt verdient. Aber, Herr Minister Spahn, ich hätte mehr Mut von Ihnen erwartet. Kürzlich ging der Fall von Alexander Ernst durch die Medien. Alexander Ernst ist 31 Jahre alt, dialysepflichtig und wartet auf eine Spenderniere. Seine Mutter würde ihm sehr gerne eine Niere spenden. Leider ist das Organ für ihn nicht kompatibel. Es hätte aber die Möglichkeit zu einer Überkreuzspende gegeben. Damit wäre sowohl Alexander Ernst als auch einem weiteren Betroffenen geholfen gewesen. Eigentlich eine großartige Chance, doch die Überkreuzspende scheiterte an unserem Transplantationsgesetz. Danach bedarf es für die Lebendspende stets verwandtschaftlicher Beziehungen oder jedenfalls eines besonderen Näheverhältnisses zwischen Organspender und -empfänger. Das besteht zwar zwischen Alexander Ernst und seiner Mutter, nicht aber zu dem fremden Überkreuzspendepaar. Die Spende ist damit bei uns gesetzlich nicht zulässig. Alexander Ernst hängt weiter an der Dialyse. Herr Spahn, Sie weisen zu Recht darauf hin, dass alle acht Stunden ein Mensch auf der Warteliste stirbt, weil kein passendes Spenderorgan gefunden wird. Wir haben über 10 000 Menschen auf der Warteliste. Neun von zehn warten auf eine Leber- oder Nierenspende. Ihnen könnte mit einer Lebendspende geholfen werden. Wenn Sie es ehrlich meinen, wenn Sie wirklich etwas ändern wollen, dürfen Sie den Bereich der Lebendspende nicht einfach bewusst vergessen. Zu dem Fall Alexander Ernst wollte Ihr Ministerium keine Stellung nehmen. Bringen Sie dann wenigstens jetzt den Mut auf, sich der Thematik der Organlebendspende zu stellen. Auch über die Problematik der Überkreuzspende hinaus ist unser Uralt-Transplantationsgesetz dringend überarbeitungsbedürftig. Warum ermöglichen wir keine Spenden in anonyme Organpools? Wir finden, wenn sichergestellt ist, dass jemand freiwillig aus selbstlosen Motiven spenden möchte, dann soll er das auch dürfen! Lassen Sie uns außerdem die Nachrangigkeit der Lebendspende gegenüber der postmortalen Spende aufheben. Derzeit ist die Organspende eines Verstorbenen stets einer Lebendspende vorzuziehen. Das gilt zum Beispiel auch, wenn der eigene Ehepartner ausdrücklich spenden möchte; er darf nicht. Obwohl die medizinischen Aussichten für einen Betroffenen nach der Lebendspende besser sind, muss er erst darauf warten, dass eine andere Person stirbt. Das ist doch absurd. Lassen Sie es uns dem Ehegatten künftig auch erlauben, zu spenden. Einem weiteren Patienten auf der Warteliste ist dann gleich mitgeholfen. Sehr geehrter Herr Minister Spahn, liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich ist die Lebendspende ein ethisch schwieriges Thema. Aber die Chance auf Leben für Betroffene auf den Wartelisten ist es wert, sich dieser Debatte zu stellen. Natürlich muss sichergestellt werden, dass eine Lebendspende freiwillig und aus selbstlosen Motiven erfolgt. Spender müssen umfassend aufgeklärt werden. Wenn sie dann aber als mündige Patienten eine Entscheidung für eine Spende treffen wollen, sollen sie das auch dürfen. Die derzeitige Situation in Deutschland wird weder unseren humanistischen Werten noch den Anforderungen an eine moderne Versorgung gerecht. Es ist Zeit, etwas daran zu ändern. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Harald Weinberg, Die Linke, ist der nächste Redner.
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Kirsten Lühmann SPD
Kirsten
Lühmann
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Das ist der letzte Haushalt, den wir in dieser Legislatur verabschieden, und das lädt natürlich ein zu einem Rückblick. Das Ziel der SPD-Verkehrspolitik war klar: Wir wollen eine Mobilitätswende. Die Opposition – zumindest der ernsthafte und demokratische Teil der Opposition – beklagt sich immer: Das geht uns viel zu langsam. – Aber stimmt das überhaupt? Ich will jetzt nicht schon wieder auf den Koalitionsvertrag der Jamaika-Koalition schauen, zu dem ich sagen muss: Das, was wir vorgelegt haben, und auch das, was wir in den letzten Jahren gemacht haben, war deutlich ambitionierter. Vielmehr will ich kurz ein paar der Leistungen dieser Großen Koalition erwähnen. Der Haushalt ist auch in diesem Jahr wieder verbessert und ergänzt worden. Ich möchte an dieser Stelle auch einen Dank an unsere Haushälter Thomas Jurk und Rüdiger Kruse sowie an Alois Rainer aussprechen: Das war eine sehr gute Zusammenarbeit, die auch von Erfolg gekrönt wurde. Im Gegensatz zu denen, die uns weismachen wollen, dass man mit bloßem Willen oder dem einfachen Umschaufeln von Geld Güter zum Beispiel auf die Schiene bringen oder das Mobilitätsverhalten von Menschen ändern kann, haben wir seriöse Politik gemacht. Wir haben gestaltet und Grundlagen geschaffen, unter anderem durch den Bundesverkehrswegeplan, der nämlich mehr Geld für Sanierungen als für Neubau vorsieht, und damit durch den Bahnausbau die Grundlage für den nächsten Bundesverkehrswegeplan geschaffen, damit dann der Verkehrsweg Schiene deutlich mehr Kapazitäten aufnehmen kann. Schon jetzt stellen wir dafür die Weichen, unter anderem durch das Digitale Testfeld Bahn. Wir geben zusätzliches Geld für den priorisierten Netzausbau an den Bahnstrecken. Damit meine ich nicht mehr freies WLAN in den Zügen, sondern vielmehr die zwingende Modernisierung und Digitalisierung der Sicherheitstechnik an den Gleisen und in den Zügen. Das machen wir unter anderem mit dem Schnellläuferprogramm für ETCS; das bedeutet sichereres Bahnfahren und Kapazitätssteigerung – und das alles ohne Neubau. Zusätzlich haben wir noch das Programm „Zukunft Schienengüterverkehr“ mit mehr Geld unterlegt. Zum Schluss haben wir ganz nebenbei noch ein Versprechen aus unserem Koalitionsvertrag erfüllt: Durch die Anlagenpreissenkungen – das haben wir in den Verhandlungen erreicht – um circa 90 Prozent schaffen wir es, den Kostentreiber bei den Einzelwagenverkehren – also das Kuppeln und Zusammenstellen einzelner Waggons zu einem Ganzzug mit 50 Waggons – abzuschaffen. Diese Kosten übernehmen wir als Staat. Das Gleiche gilt auch für die 6 Milliarden Euro, die wir für die Deutsche Bahn AG eingestellt haben. Darin finden sich unter anderem große Coronahilfen, die zum Teil von Brüssel noch nicht genehmigt wurden. Herr Scheuer, ich denke, das muss jetzt Chefsache werden; denn die Bahn braucht dieses Geld dringend, um die Ziele, die wir uns gesetzt haben, auch umzusetzen. Es ist ganz wichtig, dass das Geld jetzt schnell kommt. – Da ich jetzt schon wieder die Unruhe hier höre, möchte ich einmal deutlich sagen: Das ist nicht eine uferlose Forderung, sondern die Deutsche Bahn AG, Herr Minister, hat mit Ihnen vereinbart, dass 50 Prozent dieser Kosten von der Bahn selbst erwirtschaftet werden, und das, liebe Kollegen und Kolleginnen, sind inzwischen weit über 4 Milliarden Euro. Ich bin sehr erfreut, dass trotz dieser Sparbemühungen die Einstellungsoffensive nicht aufgegeben wurde; im Dezember konnten wir den 23 000. neuen Beschäftigten 2020 bei der Bahn begrüßen. Das heißt: Investitionen in die Zukunft, Aus- und Fortbildung, damit das Ziel – mehr Verkehre auf die Schiene – auch praktisch möglich wird. Mobilitätswende heißt aber nicht nur Hardware, zum Beispiel Gleise und Radwege, sondern auch Software, also Programme zur Nutzungsänderung, und Forschung; das Deutsche Zentrum Mobilität der Zukunft ist hier schon angesprochen worden. Einziger Wermutstropfen, muss ich ehrlich sagen, ist das Thema Flughäfen. Zwar haben wir die versprochene Senkung der Luftsicherheitsgebühren durchsetzen können. Aber die Vorhaltekosten in der Coronakrise sind noch offen. Betriebswirtschaftlich hätte man die Flughäfen schließen müssen. Aber wir brauchten sie – das wissen wir alle – zur Rückführung unserer Bürger und Bürgerinnen, auch für unsere Wirtschaft, die in der Krise diese Möglichkeiten zwingend benötigte. Ich hoffe, Herr Minister, dass wir da noch zwischen Bund und Ländern zu einer Einigung kommen. Der Staat könnte den Ländern ein konkretes, offizielles Angebot machen, damit wir in den Verhandlungen zum Ziel kommen. Der nächste Haushalt, nach der Bundestagswahl, wird zeigen, ob der geradlinige Weg, den wir vorgegeben haben, weitergegangen wird oder ob er in einen Schlingerkurs mündet. Die SPD jedenfalls hat einen klaren Kompass für individuelle Mobilitätsbedürfnisse, die wir mit Ökologie und Ökonomie in Einklang bringen. In diesem Sinne: Es ist noch viel zu tun. Die Instrumente haben wir mit diesem Haushalt geschärft. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Das Wort geht an Victor Perli von der Fraktion Die Linke.
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Martin Reichardt AfD
Martin
Reichardt
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der Debatte am Mittwoch zum Infektionsschutzgesetz hat die AfD dokumentiert, dass wir die einzige Fraktion sind, die für Freiheit und Eigenverantwortung der Menschen in Deutschland steht. Wir sind die Einzigen, die unsere Kinder vor Zwangstestungen und Maskenpflicht schützen wollen. Wir sind auch die einzige Partei, die zur traditionellen Familie aus Vater, Mutter und Kindern steht. Das ist nicht rückwärtsgewandt, wie wir das kürzlich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hören konnten, sondern zutiefst modern und ein Bekenntnis zur Zukunft Deutschlands. Die AfD will einen wirklichen Paradigmenwechsel in der Familienpolitik. Wir wollen Familien in den Mittelpunkt stellen. Familien in Deutschland müssen wieder wertgeschätzt werden; denn sie sind die Leistungsträger unserer Gesellschaft. Sie erziehen mit den Kindern die Zukunft Deutschlands. Sie gehen jeden Morgen zur Arbeit; dafür zahlen sie überproportional Steuern und Abgaben. Diesen Vätern und Müttern müssen wir sagen: Ihr seid das Fundament unseres Staatswesens. Die Folgen der demografischen Katastrophe werden immer offensichtlicher. Seit einem halben Jahrhundert leistet sich Deutschland eine der weltweit niedrigsten Geburtenraten. Anstatt eine aktivierende Familienpolitik zu betreiben, setzt die Regierung auf Masseneinwanderung. 2 Millionen Menschen sind in den letzten sechs Jahren über das Asylsystem eingewandert. Milliarden Euro hat diese verfehlte Demografiepolitik unserer Regierung gekostet – Geld, das für unsere Familien fehlt; Geld, das in der Familienförderung nachhaltig angelegt wäre. Deshalb fordert die AfD die Bundesregierung auf, ein Familiensplitting einzuführen: ein Splitting, bei dem die Anzahl der Kinder in der Einkommensteuer gewichtet wird und auch Alleinerziehende entlastet werden; ein Splitting, bei dem eine durchschnittliche Familie mit drei Kindern eben keine entsprechenden Steuern mehr zahlt. Denn wir brauchen auch eine starke Mittelschicht und Mittelschichtfamilien, die sich wieder trauen, Ja zu Kindern und Familie zu sagen. Auch Familien mit einem oder zwei Kindern sollen profitieren, und deshalb wollen wir ein Familiensplitting und Kindergeld. Wir brauchen starke Mittelschichtfamilien, die sich wieder ihre eigenen vier Wände leisten können. Bei 30- bis 40‑Jährigen wohnt nur jeder Vierte im eigenen Wohnraum. Und warum? Weil der nimmersatte Staat diesen Menschen tief in die Tasche greift. Die Familien sind die Melkkuh der Nation. Familien finanzieren einen großen Teil der hinterher als Almosen an sie zurückgegebenen Leistungen der Regierungen durch ihr Steueraufkommen selbst, meine Damen und Herren. Wir als AfD wollten in dieser Legislaturperiode darüber hinaus die Familien auch im Gesamten entlasten, indem wir eine Mehrwertsteuerprivilegierung auf Kinderprodukte von 7 Prozent gefordert haben. Auch das ist hier von allen Fraktionen abgelehnt worden. 1988 forderte der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen ein Familiensplitting. Er forderte Familiengründungsdarlehen, damit sich Familien in der Frühphase besser bewähren können und unterstützt werden. Keine dieser Forderungen ist in den letzten 30 Jahren umgesetzt worden. Gleichbleibend ist nur die strukturelle Rücksichtslosigkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland gegenüber Familien, und das ist traurig. Mit unseren Anträgen zur Einführung eines Baby-Willkommensdarlehens und eines zinsfreien Kinderkredites und zu dem Familiensplitting wollen wir diese strukturelle Rücksichtslosigkeit gegenüber Familien mindern. Familien waren und sind die Stütze unserer Gesellschaft. Sie sollten im Mittelpunkt allen politischen Handelns stehen. Ich freue mich auf familienfreundliche Beratungen im Ausschuss. Vielen Dank. Danke schön. – So, jetzt kommen wir mal wieder runter. Nächste Rednerin: Antje Tillmann für die CDU/CSU-Fraktion.
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Alexander Hoffmann CDU/CSU
Alexander
Hoffmann
CDU/CSU
Ich habe das trotzdem wohlwollend zur Kenntnis genommen. Das habe ich mir schon gedacht; deswegen habe ich es ja gesagt. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Tagen hatte der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement eine Sitzung zum Thema „Kommunalpolitisches Ehrenamt“. Diese Sitzung hatte zwei fast schon tragische Höhepunkte. Höhepunkt Nummer eins in tragischer Hinsicht waren die Ausführungen eines früheren Bürgermeisters aus Niedersachsen, Arnd Focke, der sein Amt niedergelegt hat wegen erheblicher, aggressiver Anfeindungen von rechts. Das, was er geschildert hat, war erschütternd; erschütternd war auch, was er für seine Familie befürchtet hat. Den zweiten tragischen Höhepunkt habe ich dabei. Ein Vertreter des Städte- und Gemeindebundes hatte eine Broschüre dabei. Frau Präsidentin, Sie gestatten, dass ich sie ganz kurz vorstelle. Diese Broschüre ist überschrieben mit „Umgang mit Hass und Bedrohung – Hinweise für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker“. Das ist eine Broschüre des Nationalen Zentrums für Kriminalprävention, unterstützt vom Innenministerium und vom Deutschen Städtetag. Wenn Sie sich diese Broschüre anschauen, läuft es Ihnen kalt den Rücken runter. Da sind Empfehlungen dabei wie die, dass ein Kommunalpolitiker, der sich angefeindet fühlt, mal um das Auto herumlaufen sollte, bevor er losfährt, um zu gucken, dass Radmuttern nicht gelockert und Reifen nicht plattgestochen sind. Ich möchte dazu zwei Feststellungen machen: Feststellung Nummer eins: Es ist tragisch, dass es so etwas in unserem Land gibt. Feststellung Nummer zwei: Genau aus diesem Grund wollen wir heute den nun vorliegenden Gesetzentwurf beschließen. Durch dieses Gesetz sollen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker besser geschützt sein; wir beziehen sie in den Schutzbereich des § 188 StGB ein, wo es letztendlich höhere Strafen gibt. Und dieses Gesetz eröffnet uns mehr Möglichkeiten – anders geht es nicht –, der Täter habhaft zu werden. Damit komme ich zu meinem zweiten Punkt. Die Aktuelle Stunde zum Thema „Kindesmissbrauch und Kinderpornografie“ ist noch keine 30 Minuten her. Wenn wir hier über die Befugnis reden, IP-Adressen auszuleiten, um an die Identität der Täter zu kommen, dann gilt das auch – das muss man wissen – für den Kampf gegen Kinderpornografie. Da wundere ich mich jetzt: Wir waren uns vorhin doch alle einig, dass wir die Täter dingfest machen wollen, dass wir dem Täter keine Sicherheit lassen wollen, sondern er immer damit rechnen muss, erwischt und überführt zu werden. Und Sie lehnen das ab. Das kann ich so nicht stehen lassen. Ich will das hier ausdrücklich betonen: Da sind Sie als Opposition in der Verantwortung; da ist es zu wenig, sich zu enthalten oder gar dagegenzustimmen; da ist Ideologie – Entschuldigung – fehl am Platz. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Alexander Hoffmann. – Letzter Redner in dieser Debatte: Ingmar Jung für die CDU/CSU-Fraktion.
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Martin Sichert AfD
Martin
Sichert
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 2,5 Millionen Patienten hatten 2021 so schwere Impfnebenwirkungen, dass sie ärztliche Hilfe gesucht haben. Das sind mehr als 30‑mal so viele wie in den Vorjahren, in denen es maximal 77 000 gab. Von 77 000 auf 2,5 Millionen, das heißt: Es waren in den Vorjahren immer weniger, als Lüdenscheid Einwohner hat; letztes Jahr hingegen waren es mehr Fälle, als Hamburg und Bremen zusammen an Einwohner haben – 2,5 Millionen! Und das ist nur die Spitze des Eisbergs; das sind nur die erfassten Fälle von Kassenpatienten bei Kassenärzten. Die Nebenwirkungen von Privatpatienten oder die Nebenwirkungen, die in Krankenhäusern erfasst wurden, kommen obendrauf. Auch die vielen Fälle, in denen Patienten mit Impfnebenwirkungen nicht ernst genommen wurden und in denen die Ärzte den Patienten gesagt haben, die Nebenwirkung habe nichts mit der Impfung zu tun, fehlen. Bei 2,5 Millionen dokumentierten Fällen ist also noch von einer hohen Dunkelziffer weiterer Fälle auszugehen. Ja, ich weiß – und ich höre es hier jetzt auch wieder –: Sie versuchen, es kleinzureden. Das Standardargument wird sein, dass es mehr Impfungen gab. Das ist ein ganz schwaches Argument; denn es waren nur viermal so viele Impfungen wie im Vorjahr, aber es gab mehr als 30‑mal so viele Nebenwirkungen. Das heißt, die Zahl der Nebenwirkungen, die so schwer waren, dass jemand deswegen beim Arzt war, ist um 800 Prozent gestiegen. Und noch einmal: Wir reden hier von Millionen Betroffenen. Das nächste Argument wird sein, dass die Impfung weniger erprobt ist. Ja, aber genau das ist doch das beste Argument dafür, endlich alle Daten zu den Nebenwirkungen zu erheben und auszuwerten. Genau weil diese Impfstoffe ein medizinisches Experiment sind, ist es unverantwortlich, weiter im Blindflug unterwegs zu sein. Und dann wird kommen: Ja, die Nebenwirkungen sind wahrscheinlich alle harmlos. Wir alle wissen nicht, was es für Nebenwirkungen sind. Es könnten 2,5 Millionen Fälle von Hautausschlag oder von Juckreiz sein, es könnten aber auch 2,5 Millionen Fälle von Krebs- und von Herzerkrankungen sein. Niemand weiß es, und das ist der eigentliche Skandal. Wir haben Millionen Fälle von Impfnebenwirkungen, und die Daten dazu werden nicht ausgewertet. Letzten Freitag erst teilte mir die Bundesregierung mit – ich zitiere –: Eine … Auswertung … zur Angabe der Art der … Nebenwirkung … liegt nicht vor. Dabei hat die Regierung gemäß Infektionsschutzgesetz sogar die Pflicht, die Daten der Kassenärztlichen Vereinigungen auszuwerten. Diese Regierung tritt nicht nur den Rechtsstaat, sondern auch die Gesundheit von Millionen Bürgern mit Füßen. Damit muss endlich Schluss sein. Es muss analysiert werden, welche Symptome und Krankheitsbilder die Menschen haben, die unter Impfnebenwirkungen leiden. Die Ergebnisse dieser Analyse müssen dann veröffentlicht und insbesondere den Ärzten mitgeteilt werden, damit die Impfgeschädigten endlich ernst genommen werden. Es muss eine Infrastruktur aufgebaut werden, um Impfgeschädigten schnell zu helfen. Und es ist unverantwortlich, dass Impfgeschädigte monatelang auf Termine bei Fachärzten warten müssen. Die Regierung hat hier eine besondere Verantwortung; denn sie hat den Menschen versprochen, dass die Impfung sicher ist. 2,5 Millionen Impfgeschädigte sind ein deutlicher Beweis dafür, dass die Impfung eben nicht sicher ist. Ich möchte mit zwei emotionalen Einzelfällen enden. Ich war neulich bei einer jungen Frau, die eine Organspende benötigt und deren Lebenstraum ein eigenes Kind ist. Die hat das Krankenhaus knallhart erpresst. Man hat ihr gesagt, wenn sie sich nicht impfen lässt, nehme man sie nicht auf und mache nicht die Untersuchungen, die sie benötigt, um auf die Warteliste für eine Organspende zu kommen. Seit der Impfung spielt ihr Zyklus verrückt, und sie weiß nicht, ob sie überhaupt noch ein Kind bekommen kann. Der Lebenstraum dieser Frau wurde zerstört. Ich habe mehrere Stunden bei einer Mutter gesessen, die nach der Coronaimpfung ihre lebensfrohe, gesunde Tochter verloren hat. Das Mädchen ist beim Abendessen einfach so, aus dem Nichts tot umgefallen. „Postvakzinale Myokarditis“ sagte dazu der Arztbrief. Ich verspreche Ihnen eines: Es ist egal, wie oft Sie sagen: „Der sollte das nicht sagen“ und: „Die AfD sollte aufhören, darüber zu reden“. Ich und meine Fraktion, wir fühlen eine besondere Verantwortung. Die gesamte AfD, wir werden nicht ruhen, bis man aufhört, gesunde Menschen gegen ihren Willen zu nötigen, an einem medizinischen Experiment teilzunehmen. – Setzen Sie sich endlich mal mit den Fakten auseinander. Vielen Dank, Herr Kollege Sichert. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Andreas Philippi, SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Achim Kessler DIE LINKE
Achim
Kessler
DIE LINKE
Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Selbst wenn in Zukunft immer mehr Menschen gegen das Coronavirus geimpft werden können, bleiben Tests auch weiterhin eine wichtige Säule bei der Bekämpfung der Pandemie. Die Schnelltests haben den Vorteil, dass man das Ergebnis nicht erst nach einigen Tagen, sondern schon nach wenigen Minuten bekommt. Das bringt in sehr vielen Situationen deutlich mehr Sicherheit, und zwar umso mehr, je mehr Schnelltests zur Verfügung stehen. Deshalb fordert Die Linke seit dem letzten Sommer immer wieder, dass die Bundesregierung nicht nur für Impfungen, sondern auch für Schnelltests dringend Geld in die Hand nehmen muss. Meine Damen und Herren, Schnelltests müssen in möglichst großer Zahl und für alle verfügbar sein. Insoweit begrüßen wir auch den Vorschlag der Grünen, die Kapazitäten für Schnelltests auszubauen und die Selbstanwendung von Schnelltests zu ermöglichen. Seit Gesundheitsminister Spahn die Durchführung von Testungen durch geschulte Laien ermöglicht hat – was im Übrigen grundsätzlich völlig in Ordnung ist –, gibt es aber einen völligen Wildwuchs von kommerziellen Testzentren. Für deren Eröffnung ist keinerlei Zulassung erforderlich, und es gibt keine ausreichenden Kontrollen, ob die Hygieneregeln eingehalten und ob die Daten an die Gesundheitsämter übermittelt werden. Ich fordere Sie auf, diesen ungeregelten Zustand so schnell wie möglich zu beenden. Aber schlimmer noch ist, dass nicht diejenigen die Tests bekommen, die sie brauchen, sondern diejenigen, die sie bezahlen können. Meine Damen und Herren, das ist genau das Gegenteil von einer sinnvollen Teststrategie in einer Pandemie. Der Antrag der Grünen fordert zwar eine Priorisierung bei der Verteilung von Antigenschnelltests, um zu verhindern, dass Engpässe durch kommerzielle Testzentren entstehen; aber das reicht bei Weitem nicht aus. Der Wildwuchs kommerzieller Testzentren muss sofort beendet werden. Herr Gesundheitsminister, Sie haben Ende des letzten Jahres die Preisverordnung für Antigenschnelltests aufgehoben und haben damit die Tore für überhöhte Preise weit geöffnet. Seither sind die Preise auf bis zu 100 Euro angestiegen. Einige Anbieter nutzen die Situation der Menschen tatsächlich schamlos aus. Wenn Alten- und Pflegeheime keine eigenen Schnelltests anbieten, ist der Besuch von Angehörigen demzufolge nur noch für Gutverdienende möglich. Das geschieht beispielsweise in meinem Bundesland Hessen. Dort wälzt die schwarz-grüne Landesregierung die Verantwortung zum Testen kaltschnäuzig auf die Besucherinnen und Besucher von Pflegeheimen ab. Sie müssen den Test selbst organisieren, und sie müssen ihn auch selbst bezahlen. Wer seine Angehörigen sehen möchte, darf Woche für Woche tief in die eigene Tasche greifen, und wer sich das nicht leisten kann, der hat eben Pech gehabt. Meine Damen und Herren, das ist ein untragbarer Zustand, der schnellstmöglich beendet gehört. Deutschland ist aus epidemiologischer Sicht mit einem blauen Auge durch die erste Welle der Pandemie gekommen. Das lag, meine Damen und Herren, vor allem daran, dass die Bürgerinnen und Bürger mit großer Disziplin und großer gegenseitiger Solidarität die Maßnahmen eingehalten haben. Doch je ungleicher die Lasten verteilt werden, desto mehr wird das Vertrauen der Menschen verspielt. Zu Recht erwarten die Menschen, dass der Staat in einer gesellschaftlichen Krise seine soziale Verantwortung wahrnimmt. Wer seit Monaten eindringlich an die Verantwortung der Menschen appelliert, darf nicht selbst die Verantwortung abgeben. Es ist doch offensichtlich, dass das Gesetz von Angebot und Nachfrage uns von einer gemeinwohlorientierten Lösung immer weiter entfernt. Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf, die Preise für Schnelltests staatlich zu regulieren. Nutzen Sie die gesetzlichen Möglichkeiten, die Sie sich mit dem ersten Bevölkerungsschutzgesetz selbst gegeben haben! Wenn nur noch Besserverdiener sich Testungen leisten können, dann trägt das zur Entsolidarisierung der Gesellschaft bei und fördert ihre Spaltung. Das gefährdet auch eine erfolgreiche Bekämpfung der Pandemie. Wir würden doch nie akzeptieren, wenn jetzt zuerst die Menschen geimpft würden, die den großen Geldbeutel haben, und dann erst die mit dem großen Risiko. Meine Damen und Herren, warum akzeptieren Sie das bei den Tests? Die Linke jedenfalls akzeptiert das nicht. Das muss beendet werden. Die Linke fordert, dass die Kommunen jetzt finanziell unterstützt werden, damit sie ambulante Testteams einsetzen können. Es gilt, allen Menschen einen Zugang zu Antigenschnelltests niedrigschwellig zu ermöglichen. Außerdem – und das ist jetzt sehr wichtig – müssen Menschen, die in selbstbestimmten Pflegemodellen zu Hause leben, durch präventive Tests ihrer Pflege- und Assistenzkräfte geschützt werden. Das muss selbstverständlich auch für pflegende Angehörige gelten. Diese Forderungen sind für eine sinnvolle Teststrategie unabdingbar. Der Antrag der Grünen greift hier trotz mancher positiver Ansätze deutlich zu kurz; deshalb werden wir uns dazu enthalten. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Dr. Achim Kessler. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Michael Hennrich.
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Dunja Kreiser SPD
Dunja
Kreiser
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Europäische Kommission hat im April ihren Vorschlag zur Überarbeitung der EU-Industrierichtlinie veröffentlicht. Eine Überarbeitung steht ohne Frage an; da sind wir uns sicherlich zum größten Teil einig. Die aktuelle Richtlinie wurde im Jahr 2013 in deutsches Recht umgesetzt. Jetzt ist eine Überholung und Anpassung notwendig und geboten, um dem europäischen Green Deal und dem Zero-Pollution-Plan zu genügen und damit Verschmutzung von Boden, Wasser und Umwelt einzudämmen und die Methan- und Ammoniakemissionen zu mindern – ein sehr wichtiges Vorhaben. Die Novellierung wird jedoch Jahre dauern. Wenn ich mir Ihren Antrag so durchlese, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Union, dann erkenne ich nicht wirklich, dass Ihnen dieses Vorhaben ähnlich wichtig ist. Ihr Antrag zeigt vor allem eins: Sie sagen mal wieder, was alles nicht geht bei den Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes. Aber wir wollen und dürfen uns bei diesen Fragen keinen schlanken Fuß machen; das ist dieser Ampelregierung und der SPD-Bundestagsfraktion völlig klar. Es geht um eine ökologische, eine ökonomische und eine soziale Transformation, die wir bewältigen müssen und wollen. Ihre Verhinderungen haben wir lange genug ertragen müssen. Es ist Zeit, zu handeln! Sie schreiben in Ihrem Antrag, die Unternehmen in der aktuellen Energiekrise nicht mit neuen Regelungen unverhältnismäßig belasten zu wollen. Also, zum einen: Die Novellierung wird Jahre in Anspruch nehmen. Ich kann Ihnen versichern: Diese Regierung wird alles tun, in dieser Zeit die erneuerbaren Energien massiv auszubauen und die ökologische, ökonomische und soziale Transformation nach vorne zu bringen, dass wir auf jeden Fall vom jetzigen Stand nicht mehr ausgehen müssen und durchaus andere Ausgangslagen in diesem Fall zu erwarten haben. Um zum zweiten Teil zu kommen: Natürlich haben wir unsere Unternehmen im Blick. Ich war erst vor Kurzem beim CDU-Wirtschaftsrat zum Referieren in Braunschweig und Salzgitter eingeladen, kurz vor der Landtagswahl. Im Moment geht es darum, die Unternehmen zu stabilisieren und die Arbeitsplätze zu erhalten, unter anderem mit einer Neukalibrierung der Unternehmenshilfe, die auch unseren nicht als energie- oder handelsintensiv eingestuften kleinen und mittelständischen Unternehmen, die von vielen Einbußen betroffen sind, den Zugang zu pragmatischen Liquiditätshilfen und Energiekostenzuschüssen ermöglicht. So was machen wir jetzt! Das spielen wir nicht gegen die langfristigen und drängenden Pläne zu Umwelt-, Klima- und Gesundheitsschutz aus; es geht beides. Es geht klug, vielleicht nicht so einfach wie einfaches Verhindern, aber es geht besser, fortschrittlicher. Die CDU/CSU-Fraktion fordert in ihrem Antrag die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und die Verbesserung der Wettbewerbsgleichheit. Da wundert es mich schon, dass Sie im gleichen Antrag genau die Regelungen ablehnen, die dazu führen. Oder wie habe ich es zu verstehen, dass Sie sich gegen eine verpflichtende Einführung von Umweltmanagementsystemen aussprechen, die mittlerweile in Deutschland schon Standard sind? Nun komme ich zu einem weiteren Punkt Ihres Antrages. Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Union, möchten verhindern, dass die EU-Richtlinie auch die Rinderhaltung mit aufnimmt. Sie schreiben, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie auf die landwirtschaftliche Tierhaltung nicht ausgeweitet werden soll. Nun, nachdem Sie 16 Jahre das Landwirtschaftsministerium innehatten, verrate ich Ihnen heute, dass Methan mit einem Kohlenstoffdioxid- bzw. CO2-Äquivalent von 28 eben 28‑mal schädlicher ist als CO2. Rinderzucht und Rinderhaltung sind auch verantwortlich für die Klimaveränderungen und ein großer Emittent. Meine Damen und Herren, während die Emissionen bei Industrieprozessen 2021 gegenüber 1990 um knapp 41 Prozent sanken und bei den energiebedingten Emissionen um 39 Prozent, waren es in der Landwirtschaft nur 22 Prozent Reduktion. Das heißt aber nicht, dass wir in der EU und in Deutschland die Rinderhaltung beenden oder unsere Rinderzüchter über Gebühr belasten wollen. Im Gegenteil: Richtig ist, dass der Entwurf der Kommission wesentlich zu einem substanziellen Bürokratieabbau beiträgt. Wird der Bereich nicht ausgeweitet, würden die bestehenden erheblichen Wettbewerbsverzerrungen im Sektor der Tierhaltung zulasten von Deutschland erhalten bleiben. Gleichzeitig gewinnt der Umwelt-, Klima- und Gesundheitsschutz. In der Folgenabschätzung hebt die Kommission die erzielbaren Emissionsminderungen im Bereich der Tierhaltung hervor. Pro Jahr können 320 Kilotonnen Methan und 90 Kilotonnen Ammoniak eingespart werden. Das wischen Sie mit einem Satz in Ihrem Antrag einfach weg. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch eins erwähnen. Ich komme aus dem ländlichen Raum. Mein Wahlkreis Wolfenbüttel – Salzgitter – Vorharz ist ländlich geprägt. Er ist bezaubernd. Sie können mich gerne besuchen. Ich bin viel unterwegs und spreche mit Bürgerinnen und Bürgern, mit Organisationen, Verbänden und Vereinen, mit Unternehmen und natürlich auch – ganz klar – mit den Landwirten. Meine Damen und Herren, in diesen Gesprächen hat sich stets eins gezeigt: Ihre Arbeit der letzten 16 Jahre in Sachen Landwirtschaft wird alles andere als gut aufgenommen. Ich höre viel Kritik. Nach 16 Jahren in der Verantwortung kommen Sie jetzt hier als Retter der Landwirte um die Ecke. Na ja, da kann ich nur sagen: Das fällt Ihnen ja sehr früh ein. Einen weiteren Punkt möchte ich erwähnen. Die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in Europa und in Deutschland scheint Ihnen ja ziemlich – lassen Sie es mich so salopp sagen – schnuppe zu sein. Dazu finde ich gar nichts in Ihrem Antrag. Hier sitzen junge Leute auf der Tribüne; die über ihre Zukunft nachdenken. Ich erwähnte am Anfang dieser Rede bereits, dass es bei der Novellierung der EU-Richtlinie über Industrieemissionen selbstverständlich auch um Gesundheitsvorteile geht. Die Ausweitung des Geltungsbereichs der Richtlinie auf eine größere Zahl von Nutztierhaltungsbetrieben wird zu einer Verringerung von Methan- und Ammoniakemissionen führen, deren Gesundheitsnutzen sich auf etwa 5,5 bis 9,4 Milliarden Euro pro Jahr belaufen würde. Das ist viel Geld; aber es geht um die Gesundheit, die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger und die Zukunft der jungen Besucher. Selbstverständlich werden wir in der Ampelkoalition die Überarbeitung der Richtlinie kritisch begleiten, uns einbringen, und selbstverständlich behalten wir auch unsere Unternehmen, unsere landwirtschaftlichen Betriebe im Auge. Um noch eins zu meinem Wahlkreis zu sagen: Dieser Wahlkreis ist sehr innovativ. Wir haben Unternehmen, die schon auf dem Weg sind. Wir haben das Leuchtturmprogramm SALCOS, das Verfahren zur CO2-neutralen Stahlproduktion, die Herstellung von Grünem Wasserstoff oder die Batteriezellenproduktion in Salzgitter, wir haben das Know-how-Zentrum und natürlich unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen, die ideenreich vorangehen. Meine Damen und Herren, wir packen sie an, die ökologische, ökonomische und soziale Transformation. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort hat der Abgeordnete Andreas Bleck für die AfD-Fraktion.
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Matthias Seestern-Pauly FDP
Matthias
Seestern-Pauly
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Acht Stunden am Tag, fünf Tage die Woche, maximal vier Wochen Ferienschließzeit – das, Frau Ministerin Giffey, sind Ihre Ziele zur Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab dem Jahr 2025. Das Problem ist nur, dass Sie diese Ziele mit diesem Gesetz, auch wenn es nur ein Baustein ist, grandios verfehlen werden. Dafür müssten Sie nämlich jetzt insgesamt die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Da fallen mir vor allem drei Dinge ein: erstens ausreichende Finanzmittel, zweitens ein tatsächlicher Rechtsanspruch und drittens Fachkräfte. Das alles sehe ich hier aber nicht, nicht mal im Ansatz. Sie machen ein Gesetz zulasten Dritter, zulasten der kommunalen Finanzen, genauso wie Sie es bereits beim sogenannten Gute-KiTa-Gesetz getan haben. Dabei müssten Sie es eigentlich besser wissen, da auch Sie aus der Kommunalpolitik kommen. Frau Ministerin, Sie antworten auf meine Kleine Anfrage, ich solle in der Studie des Deutschen Jugendinstituts nach dem Finanzbedarf für den Ganztagsausbau schauen. Das habe ich tatsächlich getan. Sie auch? Da steht nämlich: 5,3 Milliarden Euro Investitionskosten und 3,2 Milliarden Euro jährliche Betriebskosten ab dem Jahr 2025. Sie aber wollen lediglich einmalig 2 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Ganz ehrlich: Das ist ein absoluter Witz, und das wissen Sie auch. Stichwort „Rechtsanspruch“: Bisher nur unverbindliche Ankündigungen und Versprechungen. Aber Sie suggerieren mit einer Vielzahl von Äußerungen, dass ein verbriefter Ganztagsanspruch kommt, und wecken damit Erwartungen, die Sie nicht erfüllen werden. Stichwort „Qualität“: Frau Ministerin, ich kann meine Verwunderung an dieser Stelle nicht verbergen. Wir stehen im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe. Was wir brauchen, sind pädagogische Fachkräfte; was wir brauchen, ist hochwertige Ganztagsbetreuung; was wir brauchen, ist weltbeste Bildung. Stichwort „Fachkräfte“: Sie antworten auf eine weitere Anfrage, dass nur gut ein Drittel der neu ausgebildeten Fachkräfte bis zur Rente im Beruf bleiben will – ein Drittel! Die Gründe dafür haben Sie gleich mitgeliefert: schlechte Bezahlung, schlechte Arbeitsbedingungen, kaum Aufstiegschancen. Wie wollen Sie vor diesem Hintergrund vermeiden, dass Kinder lediglich verwahrt werden? Sie wissen nicht einmal, wie viele Fachkräfte wir tatsächlich brauchen. Ganz ehrlich: Das ist ein politischer Blindflug. Es geht Ihnen augenscheinlich einmal mehr nur um die politische Außenwirkung. Denn wenn ich mir Ihre bisherigen Initiativen in diesem Bereich anschaue, dann muss ich sagen: Qualität spielt kaum eine Rolle. Das Ziel einer hochwertigen Ganztagsbetreuung ist richtig. Aber was Sie hier vorstellen, ist einmal mehr halbgares Stückwerk. Steuern Sie nach! Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege. – Der nächste Redner: der Kollege Norbert Müller, Fraktion Die Linke.
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Christian Haase CDU/CSU
Christian
Haase
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beschlussvorlage für den Haushalt des BMEL kann sich sehen lassen: Noch nie war der Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft so groß wie dieser. Wir nehmen wichtige Weichenstellungen vor und betreiben damit Vorsorge für die Zukunft. Unsere Aufgabe im Haushaltsausschuss war es, den finanziellen Rahmen für eine gute Politik zu liefern. Ich denke, das haben wir getan. Dieser Haushalt steht für starke ländliche Räume, für gesunde Ernährung in jeder Phase des Lebens und für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Ich danke meinen Berichterstatterkolleginnen und -kollegen sowie unserer Ministerin und dem Expertenteam aus dem Ministerium für die konstruktive Zusammenarbeit. Viele Themen haben unsere Beratungen bestimmt. Da war zunächst der Dürresommer mit den Folgen für die Ställe, für die Äcker und für den Wald, die Ackerbaustrategie, das Thema Ferkelkastration, die landwirtschaftliche Sozialversicherung und nicht zuletzt die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Lassen Sie mich auf einige Punkte eingehen. Der Wald steht vor enormen Herausforderungen. Klimawandel, Sturm, Dürre und Schädlinge wie der Borkenkäfer setzen unserem Forst zu. Der Bund Deutscher Forstleute schätzt die Schäden im Augenblick auf 30 Millionen Kubikmeter Holz. Die Überkapazitäten an Holz führen gleichzeitig zu sinkenden Preisen. Die Sägewerke arbeiten am Rande ihrer Kapazitäten. Es fehlen Holzlagerplätze und Transportkapazitäten. Beim Besuch eines Sägewerkes in meinem Wahlkreis konnte ich mich davon überzeugen. Hinzu kommen die Kosten für die Wiederaufforstung der Kalamitätsflächen sowie der Kulturen, die der Dürre zum Opfer gefallen sind. Ich glaube, mit diesen Herausforderungen können wir den Wald nicht alleine lassen. Deshalb kümmern wir uns darum im Rahmen der GAK mit 25 Millionen Euro, verteilt auf die nächsten fünf Jahre. Zusammen mit den Anteilen der Länder kommen wir auf eine Summe von über 40 Millionen Euro, um die wichtigsten und ärgsten Schäden in unserem Wald finanziell zu kompensieren. Der Wald steht auch im Übrigen im Mittelpunkt unserer Politik. So statten wir zum Beispiel das Kompetenzzentrum Wald und Holz mit acht zusätzlichen Stellen aus. Wir wissen auch: Der Wald der Zukunft muss klimaresistent und auf den Wetterstress vorbereitet sein. Der Klimawandel – das ist mir wichtig – macht nicht an Ländergrenzen halt; deswegen haben wir die Mittel für den Waldklimafonds um 5 Millionen Euro aufgestockt und im Haushalt des BMZ 10 Millionen Euro für die internationale Waldpolitik verankert. Wenn man nach all diesen Leistungen für den Wald liest, dass der forstpolitische Sprecher der FDP sagt, das sei zu wenig, da müsste noch etwas kommen, dann macht man sich natürlich seine Gedanken. Gerne hätte ich über einen Antrag der FDP diskutiert mit dem Inhalt: „Wir wollen mehr Geld für den Forst geben“, den gab es aber nicht. Es gab lediglich Anträge auf Kürzungen beim FNR und bei der internationalen Waldpolitik. Das ist nicht die feine englische Art, wie ich sie mir vorstelle. Meine Damen und Herren, in der Politik sollte man sich mit Realitäten beschäftigen; deshalb haben wir uns die landwirtschaftliche Sozialversicherung noch einmal genau angeschaut, wir haben ein zusätzliches Berichterstattergespräch zu diesem Thema geführt. Sie alle wissen: Der Bundeszuschuss für die landwirtschaftliche Unfallversicherung wurde im Rahmen der Milchkrise als strukturelle Einkommenshilfe von 100 Millionen auf 178 Millionen Euro aufgestockt; das war wichtig und richtig. Wir mussten jetzt bewerten, ob das überhaupt die richtigen Betriebe getroffen hat und das, was wir wollten, nämlich die Unterstützung der Familienbetriebe, auch tatsächlich eingetreten ist. Ich kann Ihnen sagen: Ja, genau das ist passiert – wir haben uns das angeschaut –, die Hilfe ist dort angekommen, wo wir sie wollten. Diese Hilfe ist auch in Zukunft notwendig; ich glaube, dieser Sommer hat das eindeutig gezeigt. Aber es kann nicht sein, dass wir mit diesem Rabatt auch Betriebe unterstützen, die Millionenumsätze machen. Wir wollten ja die strukturellen Familienbetriebe, die kleinbäuerlichen, in den Mittelpunkt stellen. Das haben wir nun korrigiert und einen Höchstrabatt von 20 000 Euro eingeführt. Ich glaube, damit ist der Beitragszuschuss für die landwirtschaftliche Unfallversicherung sowohl gerecht als auch zukunftssicher. Eines möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen, weil immer wieder andere Stimmen aufkommen: Die landwirtschaftliche Sozialversicherung stellen wir nicht infrage, sie ist für uns unverzichtbar und muss eigenständig bleiben. Ich freue mich, dass die Bundesregierung da an unserer Seite steht. Meine Damen und Herren, wenn wir uns mit der Realität beschäftigen, dann müssen wir uns auch ein realistisches Bild vom Beruf des Bauern und unseren landwirtschaftlichen Betrieben machen. Viele romantische Vorstellungen von der Bäuerin, die pfeifend mit der Milchkanne in der Hand über den Hof rennt, entsprechen nicht der Lebensrealität auf unseren Höfen. Meine Tochter beendet gerade ihre Ausbildung zur Erzieherin und berichtet mir immer wieder, dass gerade in den Bereichen Lebensmittelkunde und Ernährung noch viel Aufklärung notwendig ist, nicht nur bei den Kindern, sondern vor allen Dingen auch bei den Eltern. Wir haben das erkannt. Wir wollen, dass mehr Menschen auf die Höfe kommen. Wir wollen, dass sich die Leute die Lebensrealitäten auf unseren Bauernhöfen anschauen und wissen, wie moderne Landwirtschaft funktioniert, damit nicht solche Einschätzungen wie die meiner Kollegin von der AfD Raum greifen. Wir hoffen gleichzeitig, dass wir damit einen Beitrag leisten für ein besseres Bewusstsein und eine höhere Wertschätzung unserer Lebensmittel. Dabei haben wir bewusst Wert darauf gelegt, dass wir nicht nur Ökobetriebe, sondern auch konventionelle Betriebe besuchen. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir endlich aufhören, einen Keil in die Bauernschaft zu treiben, und nicht sagen: Nur die einen sind gut, die anderen sind nur schlecht, nur Bio ist gut, konventionell ist schlecht. – Das ist vollkommen falsch. Meine Damen und Herren, wenn wir realistisch bleiben wollen, müssen wir Programme immer wieder überprüfen. Wir haben das mit der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ in diesem Jahr gemacht. Wir haben genau angeschaut, was wir tun können, damit die Mittel von den Ländern besser ausgenutzt werden können. Der erste Wunsch der Länder war eine höhere Flexibilisierung; dafür haben wir nun gesorgt. Gleichzeitig haben wir für eine klare Trennung zwischen den klassischen strukturellen Hilfen für die Landwirtschaft auf der einen Seite und der Förderung ländlicher Räume auf der anderen Seite gesorgt. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt, damit der Sonderrahmenplan „Förderung der ländlichen Entwicklung“ von den Ländern nicht so zögerlich angenommen wird, wie das bisher der Fall war. Wir haben den Sonderrahmenplan auf 150 Millionen Euro aufgestockt. Ich glaube, das ist ein deutliches Zeichen für die Menschen im ländlichen Raum. Hier kann endlich etwas nachgeholt werden, was in der Vergangenheit versäumt wurde. Jetzt sind die Länder gefordert, das auch tatsächlich umzusetzen. Zum Schluss möchte ich noch zu zwei kurzen Punkten kommen, auf die sicherlich auch noch andere Redner eingehen werden: Beim Thema Ackerbaustrategie haben wir die Mittel aufgestockt. Da geht es uns jetzt vor allen Dingen erst einmal um eine Forschungsförderung, um Innovationen im Bereich der Gülleaufbereitung auf den Weg zu bringen. Der zweite Punkt ist das Thema Ferkelkastration. Darüber wird von den Fachleuten demnächst auch noch einmal hier im Bundestag diskutiert. Unsere Aufgabe war es, das notwendige Geld dafür bereitzustellen. Wir nehmen 38 Millionen Euro in den nächsten Jahren in die Hand, um für die entsprechende Schulung der Landwirte und für die Narkosegeräte zu sorgen. Ich glaube, das ist ein vernünftiger und wichtiger Schritt. Meine Damen und Herren, dass wir gut gearbeitet haben, sieht man an den vielen einstimmigen Beschlüssen, die wir in der Bereinigungssitzung miteinander gefasst haben. Dass es aber noch viel zu tun gibt, habe ich, glaube ich, während meiner Rede gesagt. Lassen Sie uns das alles in den nächsten Jahren gemeinsam miteinander anpacken. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Haase. – Nächste Rednerin: Ulla Ihnen für die FDP-Fraktion.
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Mechthilde Wittmann CDU/CSU
Mechthilde
Wittmann
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin Faeser! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner hat geschlossen mit dem Hinweis, heute sei ein guter Tag durch diesen Haushalt. Da kann ich Ihnen ausdrücklich zustimmen, und ich sage Ihnen auch, warum. Frau Bundesministerin Faeser hat mir bei der letzten Debatte zu diesem Thema ausdrücklich beigepflichtet, dass es sich um einen kontinuierlichen Haushalt handelt, einen Haushalt, der kontinuierlich die Haushalte der vergangenen Legislaturperioden fortsetzt. Damit bestätigt die Bundesministerin ebenso wie dieser Haushalt in den wesentlichen Punkten die erfolgreiche Innenpolitik, die in den letzten Jahren hier geschrieben worden ist, insbesondere von der Union, aber auch – auch wenn Sie ab und zu eine Septemberamnesie haben – von der SPD, die sich so gar nicht mehr erinnern will, dass sie mit uns regiert hat. Meine Damen und Herren, das bestätigt sich auch in der Kriminalitätsstatistik, die belegt, dass wir erfreulicherweise seit Jahren unsere großen Erfolge fortsetzen können. Ich bin zuversichtlich, dass sich das aufgrund der hervorragenden Arbeit unserer Sicherheitsbehörden – diese habe ich heute noch nicht gehört bei den vielen Dankesreden – auch so weiterentwickeln wird. Wir verzeichnen einen kontinuierlichen Rückgang der Straftaten in fast allen Bereichen. Die Aufklärungsquote steigt. Die Häufigkeitszahl der Straftaten sinkt, und auch die Zahl der Tatverdächtigen sinkt kontinuierlich, und das, obwohl wir bei den Nachverfolgungen viel inzidenter sein können. Allerdings – auch hier haben wir Gemeinsamkeit bewiesen – möchten wir den Anstieg der Zahl der Straftaten insbesondere im rechtsextremistischen Bereich stoppen. Ich glaube, hier sind wir uns in diesem Haus bis auf einige sehr, sehr wenige Ausnahmen vollkommen einig. Diesen Weg werden wir gemeinsam gehen. Jeder Euro ist hier gut investiert. Wir haben auch einen Anstieg bei der Zahl der Bedrohungsdelikte und der tätlichen Angriffe auf die Vollstreckungsbeamten; das sind die, die vor Ort die Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger garantieren. Das dürfen wir ebenfalls nicht zulassen und auch nicht ignorieren. Schließlich und endlich – das wurde schon ausführlich von meinem Kollegen ausgeführt – ist da noch der exponentielle Anstieg beim sexuellen Missbrauch von Kindern, aber auch bei Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung pornografischer Schriften, insbesondere kinderpornografischer Schriften, und zwar um mehr als 100 Prozent. Das dürfen wir so nicht stehen lassen. Deswegen ist mir vollkommen unbegreiflich, dass Sie sich in der Ampel hier allen Ernstes Dissens leisten; das war auch die Rückfrage des Kollegen Throm. Es geht darum, was wir einsetzen müssen, damit wir hier eingreifen können. Dazu gehört der Zugriff auf die IP‑Adresse, Frau Bundesministerin. Da haben Sie unsere Unterstützung, aber leider nicht die Ihrer Kollegen, mit denen Sie hier arbeiten müssen. Dazu gehört auch die Vorratsdatenspeicherung. Und hier gilt es, zu differenzieren: Es geht um den anlassbezogenen Zugriff, auch wenn anlasslos gespeichert werden konnte, damit wir aufklären können und nicht stoppen müssen, wenn uns die Daten fehlen, um diese Täter endlich zu fassen. Wir wollen den Schutz der Bürger und nicht den der Kriminellen. Lassen Sie mich, nachdem das von meinen Kollegen schon ausführlich geschildert worden ist, zur Frage des Bevölkerungs-, Katastrophen- und Zivilschutzes hier noch mal kurz erläutern, warum wir den Ergänzungsantrag aufrechterhalten. Richtig, Sie haben hier zugelegt, und das ist gut so. Aber wir wissen auch, dass die Mittel, insbesondere für die NINA-Warn-App, die so wichtig ist wie nie zuvor, wie wir erfahren haben, nicht ausreichen werden, um sie ausreichend auszustatten. Nehmen Sie doch die Gelder, die Sie geparkt haben! Stimmen Sie dem Antrag zu! Es tut nicht weh. Dann können wir hier endlich volle Arbeit leisten, und das ist wichtig. Der Kollege Throm hat auch das Thema Personal schon angesprochen; ich darf noch mal kurz darauf eingehen. Jawohl, wir sind sehr glücklich, dass wir ebenso kontinuierlich weitermachen bei der Bundespolizei, aber auch in den entsprechenden Ämtern. Das ist eine gute Fortsetzung der bisherigen Politik. Und jetzt tue ich es an dieser Stelle: Ich danke unseren Polizei- und Ordnungskräften ebenso, wie wir bereits allen anderen gedankt haben. Dem Dank schließen wir uns an. Ich danke den Polizei- und Ordnungskräften, die jeden Tag ihren Kopf dafür hinhalten, damit bei uns alles funktioniert. Ich darf noch einen Schritt weitergehen und Ihnen eines sagen: Wir haben über Rechtsextremismus gesprochen. Dass wir uns da richtig verstehen: Jawohl, da sind wir ganz an Ihrer Seite. Ich habe aber kein Wort zum Thema Linksextremismus gehört. Es sind die linksextremistischen Gruppen, die in erster Linie ihre Gewaltbereitschaft gegen unsere Polizeien richten, gegen die Beamten vor Ort, die den Dienst dort verrichten. Es ist mir nicht begreiflich, dass Sie offenkundig versuchen, davor die Augen zu verschließen. Das wollen wir nicht. Erinnern Sie sich nur an den G‑20-Gipfel in Hamburg, vom heutigen Bundeskanzler als „Hafengeburtstag“ tituliert, tatsächlich aber unter anderem ein Tag des Ungehorsams mit unfassbaren fast 1 000 verletzten Polizisten! Das kann es ja wohl nicht sein. Im Übrigen haben Sie mehr als 10 Prozent der Polizisten aus Bayern gebraucht, um diesen Gipfel überhaupt bewältigen und Ihre Gäste in Sicherheit bringen zu können. An diesem Tag wurde der Tag des Ungehorsams ausgerufen. Ich zitiere Ihre Kabinettskollegin Steffi Lemke: Es ist absolut legitim, für seine Anliegen zu demonstrieren und dabei auch Formen des zivilen Ungehorsams zu nutzen. Nein, das ist es nicht, meine Damen und Herren. Und wenn Sie, Herr Kuhle, von den „Schwarzen Sheriffs der Union“ sprechen, dann sage ich Ihnen mal eines: Es hat schon einen Grund, warum der Bundeskanzler diesen G‑7-Gipfel nach Elmau verlegt hat. Er weiß nämlich: Nur dort sind seine Gäste so sicher, wie es gebraucht wird, und – wie bereits bewiesen wurde – nur dort haben sie Best Practice. Deswegen sind wir stolz darauf, dass wir diese Sicherheit für die Gäste in unserem Land liefern können. Ich danke Ihnen. Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Dunja Kreiser.
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Robin Wagener BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Robin
Wagener
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche Montag, am 9. Mai, schauten wir alle nach Moskau. Wir schauten auf den Roten Platz und sahen eine Armada von Soldaten, wir sahen Bilder von langen Panzerkolonnen, wir sahen mit Raketen bestückte Militärfahrzeuge. Eingebettet in diesen martialischen Rahmen hörten wir Wladimir Putin, wie er den brutalen Angriffskrieg in der Ukraine mit dem Zweiten Weltkrieg verglich. Das zeigte nicht nur seinen menschenverachtenden Zynismus, sondern das war blanker Hohn gegenüber den Opfern des Zweiten Weltkriegs und den Opfern des russischen Angriffskriegs. Dieser Tag in Moskau war gewiss kein Tag des Sieges, es war ein Tag der Niederlage; denn Putin wird die Ukraine niemals besiegen. Aber er wird auch etwas anderes niemals besiegen, und das ist der unbedingte Wille, in ganz Europa Frieden und Freiheit, Demokratie und Wohlstand zu schaffen. Diesen unbedingten Willen brachte am 9. Mai, am Europatag, fast zeitgleich zu Putins Propagandarede der französische Präsident Emmanuel Macron zum Ausdruck. Präsident Macron sprach nicht vor Soldaten mit Waffen, nicht vor Langstreckenraketen, er sprach im Herzen der europäischen Demokratie: im Europaparlament in Straßburg vor Hunderten Bürgerinnen und Bürgern aus der gesamten Europäischen Union. Es war aber nicht nur eine Rede im Herzen der Demokratie, es war auch ein Fest der Demokratie. Denn der diesjährige Europatag markierte den Abschluss der Konferenz zur Zukunft der Europäischen Union. Das klingt erst einmal sperrig, ist aber historisch beispiellos. Ein Jahr lang haben über 800 Bürgerinnen und Bürger aus der gesamten Europäischen Union mit Kommissionsmitgliedern, mit Parlamentarierinnen, mit Regierungsvertreterinnen über die Zukunft der Europäischen Union diskutiert. Die Ergebnisse dieser Diskussionen können sich nicht nur sehen lassen, sie kommen auch genau zur richtigen Zeit. Denn ja, wir leben in einer Zeitenwende, und diese neue Zeit braucht auch neue Antworten: mehr Autonomie in strategischen Bereichen – bei medizinischen Produkten, bei kritischen Rohstoffen und vor allem bei unserer Energieversorgung. Das heißt: raus aus russischem Öl und Gas, mehr Investitionen in Klimaschutz, mehr Energieeffizienz, massiver Ausbau der Erneuerbaren. Die Bürgerinnen und Bürger wollen ein sozialeres Europa. Das heißt: Armut und soziale Ausgrenzung bekämpfen, Lohngleichheit in Europa herbeiführen, einen gemeinsamen Rahmen für Mindesteinkommen schaffen. Und die Bürgerinnen und Bürger wollen eine noch stärkere gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union. Das heißt: Abschaffung nationaler Vetos, gemeinsame Streitkräfte zur Selbstverteidigung, Stärkung der zivilen Fähigkeiten und eine bessere Krisenprävention in Europa. All diese Ziele sind nur wenige der über 300 Maßnahmen, die von den Bürgerinnen und Bürgern für eine handlungsfähige EU erarbeitet wurden. Wie wichtig zum Beispiel die Abschaffung nationaler Vetos in der EU-Außenpolitik ist, das können wir aktuell gut beobachten. Eigentlich sind sich alle einig, dass wir raus aus russischem Öl müssen. Nur einer – diesmal in Budapest – sieht das anders und blockiert die längst überfällige Entscheidung. Verstehen Sie mich an der Stelle bitte nicht falsch. Natürlich muss bei komplexen Fragen in der Europäischen Union über unterschiedliche Wege gestritten werden, und natürlich gibt es nicht immer eine Lösung für alle; aber das Ziel muss doch das gleiche sein. Denn wir dürfen uns in der Außen- und Sicherheitspolitik nicht auseinanderdividieren lassen. Wenn wir eine relevante Stimme in der Welt sein wollen, dann kann das nur gelingen, wenn diese Stimme nur im europäischen Konzert erklingt. Deshalb müssen plumpe Erpressungen, die wichtige Entscheidungen dauerhaft blockieren, endlich der Vergangenheit angehören. Wir setzen uns dafür ein, dass die Vorschläge der Zukunftskonferenz ernsthaft geprüft werden und, wo immer möglich, in konkrete Entscheidungen münden. Das heißt, dazu können auch ein Konvent und konkrete Vertragsänderungen gehören. Denn eine EU auf der Höhe unserer Zeit sind wir allen Bürgerinnen und Bürgern, aber auch den Ukrainerinnen und Ukrainern, die für diese europäischen Werte gerade kämpfen, schuldig. Ich bin Bundeskanzler Scholz dankbar, dass er vor wenigen Tagen noch einmal klargestellt hat, dass die Ukraine selbstverständlich zur europäischen Familie gehört und wir sie auf diesem Weg intensiv begleiten. Ich bin auch Außenministerin Baerbock dankbar, dass sie in Kiew betont hat, dass dieser Weg in eine Vollmitgliedschaft führen wird, und auch ich betone: Vollmitgliedschaft. Die Ukraine weiß, dass es auf diesem Weg keine Rabatte gibt. Das will sie auch gar nicht; das sagen alle meine ukrainischen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner. Sie wollen die gleichen Beitrittskriterien wie andere auch. Aber gerade deshalb ist es so wichtig, dass die EU-Beitrittsperspektive glaubwürdig ist. Um das zu unterstreichen, sollten wir der Ukraine zum einen sehr schnell den Kandidatenstatus verleihen und sie zum anderen bestmöglich, auch finanziell, beim Wiederaufbau unterstützen. Robert Schuman hat am 9. Mai 1950 seine Europaerklärung mit folgendem Satz begonnen: Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen. Dieser so wahre wie idealistische Satz wurde schon oft zitiert, auch von mir. Aber: Selten waren wir in einer Zeit, in der dieser Satz so klar als Auftrag für uns gelten musste. Genau diesem Auftrag müssen wir uns widmen, um uns den Bedrohungen der Welt zu stellen. Deshalb sind wir bereit, all die schöpferischen Anstrengungen aufzubringen, die notwendig sind, um den Frieden in Europa wiederherzustellen. Vielen Dank. Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Harald Weyel.
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Wilfried Oellers CDU/CSU
Wilfried
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CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine ersten Worte richten sich an die Zuschauer: Sie haben gerade wieder mal ein Beispiel erlebt, wie die AfD hier im Deutschen Bundestag unterwegs ist und Sachverhalte einfach falsch und unvollständig darstellt. Das muss man jetzt mal so deutlich sagen. Sie haben gerade Professor Thüsing zitiert mit dem Hinweis auf das Golf-Handicap. Ich möchte klarstellen – und das können Sie gerne in den Protokollen nachlesen; das wäre vielleicht hilfreich –, dass er da nicht zwei Klassen aufmachen wollte. Vielmehr hat er dieses Beispiel insbesondere im Hinblick auf die Frage gebracht, dass wir schauen müssen, inwieweit bestimmte Arbeitszeitreduzierungen möglich sein sollen, ob eine Reduzierung um eine Stunde reicht, um zum Beispiel sein Golf-Handicap zu verbessern oder um gewisse Arbeitszeiten so platzieren zu können, wie es einem passt. Herr Pohl, da haben Sie ein Beispiel gebracht, das absolut an der Sache vorbeigeht. In der ersten Lesung – das muss ich auch sagen; das haben Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren auf den Tribünen, nicht mitbekommen – haben nämlich zwei Redner der AfD gesprochen. Das war neben Herrn Pohl noch Herr Kleinwächter; ich weiß gar nicht, ob er heute hier ist. Jedenfalls war Herr Pohl ein Verfechter der Brückenteilzeit und hat gesagt: Ja, das ist gut. – Herr Kleinwächter hat gesagt: Das ist der größte Unsinn, den wir machen können. – Das können Sie bitte auch mal im Protokoll nachlesen. So wie Sie sich heute darstellen – das muss ich ganz ehrlich sagen –, ist also absolut fehl am Platz. Wir haben im parlamentarischen Verfahren, auch wenn wir keine Gesetzesänderungen als solche vorgenommen haben, einige wichtige Klarstellungen vorgenommen, auf die ich gleich noch eingehe. Jetzt bin ich komplett von meinem Manuskript abgewichen; aber das musste ich an dieser Stelle mal klarstellen. Ich darf mich den Worten von Herrn Minister Heil anschließen: Auch uns als Union ist es eine große Freude, dass wir hier heute dieses Gesetz verabschieden können. Es stand in der letzten Wahlperiode auch schon auf der Tagesordnung; das war aber nicht ganz so einfach. Es stand aber – das möchte ich der Vollständigkeit halber betonen – auch im Regierungsprogramm der Unionsparteien zur Bundestagswahl. Wir haben es noch mal in den Koalitionsvertrag aufgenommen, um dieses Projekt umzusetzen, weil damit gerade dem Wunsch der Menschen Rechnung getragen wird, mehr Flexibilität in der heutigen Arbeitswelt zu haben, um Familie und Beruf miteinander vereinbaren zu können. Es gibt bisher schon Möglichkeiten – Herr Pohl, da ist ein Blick ins Gesetz vielleicht ganz hilfreich – wie die Elternzeit und die Pflegezeit. Aber die Brückenteilzeit ist ein allgemeiner Anspruch. Sie ist nicht an einen Grund gebunden, sondern ein allgemeiner Anspruch. Deshalb passt das, was Sie eben gesagt haben, auch nicht. Die Brückenteilzeit ist als allgemeiner Anspruch ein Flexibilisierungsinstrument für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Bezüglich der Inhalte, was die Voraussetzungen betrifft, verweise ich auf meine Rede in der ersten Lesung. Ich möchte aber noch mal auf das parlamentarische Verfahren eingehen, in dem wir einige Änderungen, insbesondere in der Protokollerklärung des Ausschusses, vorgenommen haben. Ich darf Sie bitten, auch bei der Rechtsanwendung mal einen Blick hineinzuwerfen, weil wir da bestimmte Klarstellungen vorgenommen haben. Zu den Auswirkungen der Brückenteilzeit. Hier ist zu erwähnen, dass natürlich Ersatzbeschäftigte eingestellt werden müssen. Hier haben wir klargestellt, dass diese Ersatzarbeitsverhältnisse natürlich auch befristete Teilzeitarbeitsverhältnisse sein müssen. Das geht ja gar nicht anders. Wenn jemand sagt, er möchte in den nächsten drei Jahren nur 50 Prozent arbeiten, dann müssen in diesen drei Jahren die 50 Prozent natürlich auch ausgeglichen werden können. Dieses befristete Arbeitsverhältnis hat dann den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz. Darüber hinaus ist es so, dass diese Ersatzarbeitskräfte bei der Berechnung der Schwellenwerte nach § 9a Teilzeit- und Befristungsgesetz – das stellen wir in der Ausschusserklärung auch noch mal klar – keine Berücksichtigung finden, dass da eben die Kernbelegschaft im Fokus steht und dass die Personalstärke maßgeblich ist, die für das Unternehmen im Allgemeinen kennzeichnend ist. Das ist ein wichtiger Hinweis für die Rechtspraxis. Wir haben ein großes Problem der sogenannten Filialbetriebe aufgegriffen, das an uns herangetragen wurde. Ich nenne folgendes Beispiel: Wir haben eine Großbäckerei mit 100 Mitarbeitern. Diese unterhält kleine Filialen mit fünf Mitarbeitern. Wenn da fünf Mitarbeiter Brückenteilzeit beantragen und das alle in einer Filiale wollen, ist es, glaube ich, verständlich, dass eine solche Filiale dann überlastet ist und im Rahmen des betrieblichen Grundes ein Brückenteilzeitgesuch durch den Arbeitgeber abgelehnt werden kann. Aber – das muss der Richtigkeit halber auch dazu gesagt werden –: Man muss als Arbeitgeber natürlich schon schauen, ob es nicht vielleicht eine Nachbarfiliale gibt, in die man Arbeitnehmer versetzen kann, um dem Brückenteilzeitgesuch gerecht zu werden. Darüber hinaus ist ganz wichtig, dass wir eine gesonderte statistische Erfassung der Auswirkungen der Brückenteilzeit haben. Ich nenne ein Beispiel: Wir haben ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis. Wenn jemand Brückenteilzeit beantragt, werden daraus zwei befristete Teilzeitarbeitsverhältnisse. Das schlägt sich in der Statistik natürlich massiv nieder. Da die Debatte um die Befristung eine hitzige Debatte ist, habe ich daher die große Sorge vor einem Missbrauch der Zahlen. – Nein, Sie wollen auch Befristungstatbestände mit Sachgrund abschaffen. Da dürfen Sie jetzt keine Augenwischerei betreiben. Es ist wichtig, dass diese Befristungen nicht an den Pranger gestellt werden können, wenn man feststellt: Die Anzahl der Befristungstatbestände nimmt zu und man weiß nicht, woher es kommt. Deswegen ist die gesonderte Erfassung hier notwendig. Darüber hinaus haben wir klargestellt, dass die Arbeitgeber nicht in die Schriftformfalle tappen können – den Insidern ist das bekannt: § 8 Absatz 5 Teilzeit- und Befristungsgesetz. Abschließend möchte ich erwähnen – Herr Präsident, gestatten Sie mir noch diese Bemerkung –, dass grundsätzlich natürlich jeder die Möglichkeit haben sollte, die Arbeitszeit an sein Leben anzupassen. Wir geben den Arbeitnehmern mit der Brückenteilzeit ein entsprechendes Flexibilisierungsinstrument. Das heißt auf der anderen Seite auch, dass die Arbeitgeber ebenfalls einen berechtigten Anspruch auf Flexibilisierungsinstrumente haben, um die betrieblichen Organisationsabläufe hinzubekommen. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Diese müssen unbürokratisch und rechtssicher sein. Hierauf müssen wir in Zukunft auch ein Augenmerk haben. Trotzdem ist das heute ein Tag der Freude, dass wir dieses Projekt umgesetzt haben. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Als Nächstes für die FDP-Fraktion der Kollege Till Mansmann.
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Harald Weinberg DIE LINKE
Harald
Weinberg
DIE LINKE
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist jetzt das dritte Digitalisierungsgesetz des selbsternannten Digitalisierungsministers in dieser Wahlperiode. Es sind sicher gute Ansätze drin, zum Beispiel die Ausweitung der Telemedizin – es ist bereits darauf hingewiesen worden – oder die digital unterstützte Pflegeberatung. Für meine Fraktion, Die Linke, gilt dabei der Grundsatz: Wir begrüßen solche Anwendungen, wenn sie Hilfestellungen leisten und die Versorgung unterstützen. Wir lehnen jedoch jede Nutzung strikt ab, die zu einem weiteren Rückbau der Versorgung in der Fläche führen würde. Unterstützung durch digitale Anwendungen, ja – Ersetzung von Versorgungsstrukturen durch digitale Anwendungen, nein. Im Rahmen meiner drei Minuten möchte ich zwei Problemfelder herausgreifen. Die digitalen Gesundheitsanwendungen sollen ja ausgeweitet werden und durch digitale Pflegeanwendungen ergänzt werden. Das Bemerkenswerte dabei ist, dass es für beide unterschiedliche Formen der Vergütung geben soll. Bei den digitalen Pflegeanwendungen sollen innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme in das Verzeichnis die Preise mit den Kassen verhandelt werden. Bei den digitalen Gesundheitsanwendungen hingegen gelten im gesamten ersten Jahr die Preise, die der Hersteller festgelegt hat – ein Eldorado für Hersteller von Gesundheits-Apps. Gezahlt werden soll das in beiden Fällen von der Versichertengemeinschaft, also den Beiträgen gesetzlich Versicherter. Diese unterschiedliche Vergütungsregelung leuchtet uns nicht ein. Aus unserer Sicht sollte die Vergütung der digitalen Gesundheitsanwendungen analog der Vergütung der digitalen Pflegeanwendungen erfolgen; dann wird ein Schuh daraus. Ein weiteres Problem stellt die Entwicklung und Finanzierung der gematik GmbH – vormals Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH – dar. Ich kann aus Zeitgründen die gesamte Geschichte nicht nachzeichnen. Daher nur stichwortartig: Ursprünglich war die gematik eine Gesellschaft der gemeinsamen Selbstverwaltung; Gesellschafter waren die Kassen – die das Ganze im Übrigen auch finanzieren – und die Organisationen der Leistungserbringer: Ärzte, Krankenhäuser, Apotheker und Zahnärzte. Es wird gerne erzählt, dass diese Struktur zu Blockaden bei der Digitalisierung geführt habe, und deshalb gehe da nichts voran. Ob das so zutrifft, darüber kann man wohlfeil streiten. Dabei ist auch relativ viel Mythenbildung. Minister Spahn, der sich immer dann als Fan der Selbstverwaltung outet, wenn die tut, was er will, hat dann mittels Gesetz die gematik quasi verstaatlicht. Denn nun liegen 51 Prozent der Gesellschafteranteile beim Bundesministerium für Gesundheit, und ein neuer Geschäftsführer mit einem üppigen Gehalt wurde eingestellt. Im Ergebnis ist die gemeinsame Selbstverwaltung dort quasi entmachtet worden und eher zum Bittsteller degradiert worden. Zahlen sollen die Kassen aber weiterhin, und zwar mit diesem Gesetz noch einmal 50 Prozent mehr als vorher, nämlich von 1 Euro pro Mitglied der gesetzlichen Kassen auf 1,50 Euro pro Mitglied der gesetzlichen Kassen. Damit könnten dann, wenn das denn so kommt, das Bundesministerium für Gesundheit und der neue Geschäftsführer über ein Jahresbudget von 85 Millionen Euro frei verfügen. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen weist in seiner Stellungnahme zu Recht darauf hin, dass das Aufgabenfeld dieser neuen gematik immer weiter ausgeweitet wird, weit über die ursprünglichen Regulierungs- und Steuerungsfunktionen hinaus, und so weit aufgewertet wird, dass die gematik inzwischen originär unternehmerisch tätig ist und in den Kernbereich der gemeinsamen Selbstverwaltung eingreift. Die Selbstverwaltung ist aber ein tragendes Grundprinzip unseres Gesundheitssystems. Von den hier skizzierten Entwicklungen geht eine große Gefahr für die Selbstverwaltung aus. Sie läuft auf eine grundlegende Änderung des bisherigen Ordnungsrahmens innerhalb unseres Gesundheitswesens hinaus. Daher ist es absolut angezeigt, dass wir dieses Gesetzgebungsverfahren auch dazu nutzen, darüber zu diskutieren, wie wir dem begegnen können. Vielen Dank. Vielen Dank. – Ich möchte einen Hinweis an die Geschäftsführer geben: Es wäre gut, wenn einer der Abgeordneten seine Rede, die er am Abend halten wollte, zu Protokoll geben würde. Denn der Sitzungsschluss liegt momentan bei kurz vor 4 Uhr morgen früh. Also halten Sie ihn nicht davon ab, falls er etwas zu Protokoll geben will. Die nächste Rednerin: die Kollegin Maria Klein-Schmeink, Bündnis 90/Die Grünen.
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Peter Boehringer AfD
Peter
Boehringer
AfD
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Scholz! Schlussrunde: Was hat die Debattenwoche so alles erbracht? In drei Wochen – in drei Wochen! – soll ein neues Euro-Rettungspaket beschlossen werden. Wir fragen im Haushaltsausschuss seit Monaten an, was da in Brüssel eigentlich beschlossen werden soll. Doch weiterhin ist intransparent, welches Paket im Dezember kommen wird. Im Raum stehen weitergehende Rettungsbefugnisse des neuen EWF bei der Bankenrettung, das Macron’sche Euro-Zonen-Budget sowie neue große Kreditprogramme für halbstabile Euro-Länder. Besonders gravierend wird die Vergemeinschaftung der Sparguthaben. Die südeuropäischen Länder haben etwa 700 Milliarden Euro gefährdete Kredite auf ihren Büchern. Seit Jahren versuchen sie, die abzubauen, doch das gelingt natürlich nicht. Und so verwässert die EU mal wieder ihre eigenen Regeln. Zwei bis neun Jahre – so lange! – sollen diese faulen Kredite in den Bilanzen ohne Abschreibungen einfach stehen bleiben. In der Privatwirtschaft würde man so etwas als Insolvenzverschleppung bezeichnen. Herr Minister, um in Ihren Worten zu bleiben: Mit seriöser Finanzpolitik hat das nichts zu tun. Das waren Ihre Worte. Zudem werden – ganz aktuell – ernsthaft wiederum Derivatetricks diskutiert. Völlig unsichere Steuergutschriften der griechischen Banken auf mögliche Gewinne der nächsten 20 Jahre sollen verbrieft und heute schon zu Geld gemacht werden und damit die eigenen faulen Kredite aufgekauft werden. Auf so etwas kann wirklich nur die EU kommen. Seriöse Finanzpolitik? Die EU war schon 2001 beim griechischen Euro-Beitritt betrügerisch kreativ. Schon damals war man von Herrn Draghi, heute EZB-Chef, beraten. Darum wird die EZB diesen Derivateschrott am Ende auch aufkaufen. Damit ist er runter von den griechischen und italienischen Büchern – und faktisch auf den deutschen. Die haushälterische Abrechnung folgt dann an einem schwarzen Freitag, noch nicht am heutigen Black Friday. Ist das seriöse Politik? Nein. All das ist ein einziger Skandal. Dieser Transfersozialismus ist vertrags- und rechtswidrig. Wo ist der Verfassungsschutz, wenn man ihn wirklich braucht? Weiterhin lernten wir in dieser Woche: Die Nationale Klimaschutzinitiative der Bundesregierung hat in den etwa zehn Jahren ihres Bestehens so viel CO 2 eingespart, wie allein beim Moorbrand in Meppen im September freigesetzt wurde. Es ist dasselbe absurde Missverhältnis von Aufwand und Wirkung wie bei den Forderungen der CO 2 -Klimagläubigen nach Verringerung des menschengemachten deutschen CO 2 -Ausstoßes. Eine 0,00004-prozentige Verringerung des weltweiten CO 2 -Gesamtvolumens soll das Weltklima retten, und die Steuerzahler sollen das glauben und mit weiteren Milliarden bezahlen. Ein Wahnsinn! Nichts ist daran seriös. In ähnlicher Verwirrung holte die SPD gestern gleich die ganz große Keule raus. „Menschenverachtend“ sei es, wenn die AfD sagt, dass erneuerbare Energien für nordafrikanische Moscheen vielleicht nicht zwingend die Fluchtbewegungen nach Europa und Deutschland stoppen und darum nicht mit deutschem Steuergeld gefördert gehören. Frau Kollegin Steffen, wenn wir einfach nur Positionen aus dem Haushalt zitieren, dann ist das bei Ihnen menschenverachtend? Nein, das Aufzählen dieser Wahrheiten ist die Aufgabe der Opposition, und wir werden das weiterhin tun. Wenn Sie das nicht wollen, dann ist das eher steuerzahlerverachtend. Die SPD war hier eindeutig zu lange nicht mehr Opposition. Sie sollten diese Arbeit wieder einmal üben. Darum vielleicht gleich noch weitere millionenschwere Weltbeglückungsmaßnahmen aus Ihrem vorliegenden Haushalt – auch das sind Zitate; keine Menschenverachtung –: Förderung eines zivilgesellschaftlichen Gendernetzwerks – in China; Verbesserung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit – in Bolivien; gendergerechte Förderung von Kleinbauern – in Mbulu; Förderung einer argumentativ hinterlegten Debattenkultur – beim Radiosender Al Arabiya –, also arabische Debattenkultur, Istanbul und so; Empowerment von Jugendlichen durch Kooperation mit erwachsenen Künstlerinnen und Künstlern – in Sichuan. Weiterhin – auch sehr erwähnenswert – die Projekte der parteinahen Stiftungen. Auch diese Projekte werden weitgehend aus dem Staatshaushalt finanziert. Die Rosa-­Luxemburg-Stiftung der Linken finanziert millionenschwer einen – ich zitiere – Dialog zu sozialer Gerechtigkeit, sozial-ökologischer Transformation, partizipativer Politik und gerechten internationalen Beziehungen Südostasiens. Kein Problem, man hat es ja! – Ja, es klingt gut. – Die Rosa-Luxemburg-Stiftung bekommt im Jahr mehr als 60 Millionen Euro Steuergeld. Die Konrad-Adenauer-­Stiftung erhält 11 Millionen Euro. Das ist aber wohlgemerkt nur der Zuschuss zu den Verwaltungskosten. Die Hanns-Seidel-Stiftung der CSU stärkt die Zivilgesellschaft in Ostafrika mit 4 Millionen Euro. Ist es wirklich „menschenverachtend“, wenn wir auf diese Fehlverwendungen im Haushalt hinweisen? Die Finanzierung der sechs parteinahen Stiftungen ist ohnehin eine skandalöse Selbstbedienung der Altparteien. Hier werden ohne explizites Stiftungsgesetz – immer noch; unseres wurde abgelehnt – in einem haushalterisch höchst intransparenten Prozess insgesamt 600 Millionen Euro Steuergeld ausgezahlt. Wir sprechen hier von einem Volumen, das das der lediglich falsch zurückgebuchten AfD-Spende um 200 000 Prozent übersteigt – das auch in Richtung Medien – 200 000 Prozent!. Abschließend einige Worte des Dankes: Ein Haushaltsgesetz mit 3 000 Seiten Umfang, fast 1 600 Änderungsanträgen, diskutierten und abgestimmt in 54 Stunden Ausschusssitzung, alles noch ohne Berichterstatterrunden. Die Regierung hat zwar leider 80 Prozent ihrer Anträge erst in der Bereinigungssitzung eingebracht und sie so längeren Debatten entzogen, doch insgesamt hat sich gezeigt: Man kann in den Ausschüssen ganz gut und ordentlich miteinander umgehen. Dafür Dank an alle berichterstattenden Kollegen und Referenten aller Fraktionen und an alle Regierungsvertreter, besonders an die des BMF, und ganz besonders – Herr Rohde hat es schon erwähnt – auch an die Kollegen des Haushaltsausschusssekretariats. Das Team ist ja heute anwesend. Ohne Ihre eingespielte, sachkundige und auch noch in den Nachtstunden konzentrierte Arbeit hätten wir es nicht schaffen können. Es war auch diesmal wieder eine sehr zuverlässige und wertvolle Arbeitsleistung. Herzlichen Dank. Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege Alois Rainer.
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Dr.
Dr. Marcel Klinge FDP
Marcel
Klinge
FDP
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die aktuelle Firmenphilosophie von Ryanair hat aus Sicht der Freien Demokraten nicht mehr viel mit der Idee und den Prinzipien von sozialer Marktwirtschaft zu tun. Ich persönlich kenne kein inhabergeführtes Unternehmen in der Tourismuswirtschaft, das seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern so wenig Wertschätzung entgegenbringt. Deswegen ist es auch richtig, dass sie jetzt für bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung kämpfen. Sie haben dafür unsere Sympathie und unsere Unterstützung. Was mich aber genauso ärgert – und jetzt spreche ich als tourismuspolitischer Sprecher der FDP –, ist, dass Linke, SPD und teilweise auch die Grünen diesen Fall nun für eine Generalabrechnung mit dem Geschäftsmodell „Low Cost“ nutzen. Dafür gehen die Beschäftigten ganz sicherlich nicht auf die Straße. Fakt ist, dass Ryanair, Easyjet und Co den Luftmarkt in Europa in den letzten zwei Jahrzehnten umgekrempelt haben, und zwar durchaus positiv. Durch das gestiegene Angebot können sich mehr Menschen – auch mit schmalem Geldbeutel – Urlaubsreisen leisten. Der Angebotswettbewerb im Flugverkehr schafft nicht nur viele Arbeitsplätze im Tourismus, sondern verhindert auch Preisexplosionen. Wir alle haben den Fall der Strecke Frankfurt–Berlin im letzten Jahr nach der Air-Berlin-Pleite und was da mit den Preisen passiert ist, noch gut im Kopf. Der Angebotswettbewerb sorgt eben auch für eine große Streckenauswahl, insbesondere an kleineren Luftfahrtstandorten. Der Geschäftsreise- und Städtetourismus, eine der boomenden Branchen in Deutschland, lebt von Direktverbindungen. Wer zwei, drei, vier Tage verreist, der möchte eben nicht permanent umsteigen. Hier liegt die Stärke von Low-Cost-Anbietern, weil sich die großen Netzwerk-Carrier teilweise zu fein sind, diese Strecken anzubieten. Allein Ryanair und Easyjet bieten zusammen über 2 700 Point-to-Point-Verbindungen in Europa an. Die FDP-Fraktion will dieses Angebot für alle Reisenden und für alle Urlauber erhalten, und daher kommt ein Entzug von Start- und Landerechten, wie es Die Linke als Sanktion vorschlägt, ganz sicherlich nicht infrage. Sie kennen die Situation auf dem europäischen Flugmarkt. Ihr Vorschlag würde da Chaos reinbringen und ihn nicht ordnen, und deswegen werden wir dem nicht folgen. Ich bin der festen Überzeugung: Kein Unternehmen ist dauerhaft am Markt erfolgreich, wenn es keine motivierten und engagierten Mitarbeiter hat. Der Ryanair-Vorstand wird zwangsläufig radikal umdenken müssen – nicht zuletzt auch wegen des erheblichen Pilotenmangels in Deutschland. Und bei der Kabinenbesatzung sehen wir einen ganz ähnlichen Trend. Wir Freie Demokraten setzen in der laufenden Auseinandersetzung deswegen voll und ganz auf die Tarifpartner und eben nicht auf die parteiischen Schiedsrichter von der Linken. Wir sind sicher, dass alle Beteiligten selbst zu einem guten Ergebnis kommen. Das ist auch notwendig; denn Dauerstreik hat viele Verlierer, und über einen haben wir heute noch gar nicht gesprochen, nämlich die Reisenden, deren Urlaubsträume zu Tausenden zerplatzen. Vielen Dank, Dr. Klinge. – Nächster Redner: Oliver Krischer für Bündnis 90/Die Grünen.
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Christian Dürr FDP
Christian
Dürr
FDP
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie einige von Ihnen auch hatte ich am Sonntag die Gelegenheit, mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal zu sprechen. Er hat mir in sehr eindringlichen Worten geschildert, was zurzeit das Ergebnis des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine ist. Frau Mohamed Ali, Sie sagen, man müsse jetzt mal mit Russland in Verhandlungen treten, man müsse mit denen reden. Wissen Sie was? Der Weg zum Telefon ist immer offen. Aber die Wahrheit ist: Russland will genau das, was gerade passiert, auch das, was den Menschen in der Ukraine widerfährt. Das ist kein Versehen russischer Politik; es ist Absicht russischer Politik, dass Menschen in der Ukraine sterben, meine Damen und Herren. Das ist das Fürchterliche an diesem Krieg, Frau Mohamed Ali. Wir spüren die finanziellen Auswirkungen – ich komme darauf gleich zu sprechen –, während in der Ukraine jeden Tag Menschen sterben, ihr Zuhause verlieren oder das Land verlassen müssen. Ich habe Ministerpräsident Schmyhal wie viele von Ihnen auch in diesen Gesprächen die Solidarität der Bundesrepublik Deutschland noch einmal zum Ausdruck gebracht. Zur Einordnung dessen, was passiert: Russland, Wladimir Putin führt einen physischen Krieg gegen die Menschen in der Ukraine; aber er führt eben auch einen Krieg mit Nahrungsmitteln und mit Energie gegen die gesamte Welt. Deswegen ist es so wichtig, dass der Westen weiter zusammensteht, meine Damen und Herren. Deswegen ist es so wichtig, dass die NATO derzeit gestärkt wird. Deswegen ist es so wichtig, dass wir mit unseren transatlantischen Freunden in diesen Tagen, auch was das Thema Waffenlieferungen betrifft, auch was das Thema „finanzielle Unterstützung der Ukraine“ betrifft, zusammenstehen. Der Zusammenhalt der westlichen Staatengemeinschaft ist die ganz zentrale Antwort in diesen schwierigen Tagen für die gesamte Welt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich will als Erstes auf das Thema Energieversorgung, das in vielen Reden heute Morgen schon unterstrichen worden ist, zu sprechen kommen. Die oberste Prämisse in den nächsten Monaten ist: Die Preise an den Energiemärkten müssen sinken. Diese Preise, meine Damen und Herren – das muss man sehr klar aussprechen –, sind derzeit für niemanden zu tragen, nicht für die privaten Haushalte in Deutschland, nicht für die Unternehmen. Und sie sind nicht nur für die energieintensiven Unternehmen nicht zu tragen; selbst der Einzelhändler um die Ecke kann sich zwanzigfach höhere Stromkosten schlicht und einfach nicht leisten. Aktuell betragen sie etwa das Zehnfache; aber selbst das führt zu katastrophalen Entwicklungen gerade bei mittelständischen Unternehmen. Das ist die Ausgangssituation. Herr Kollege Merz, wir müssen auch darüber sprechen, was in den letzten Jahren passiert ist, um für die Zukunft zu lernen. Daher fand ich Ihre Aussage sehr interessant. Sie haben gesagt: Diese Regierung trägt nicht allein die Verantwortung für die Abhängigkeit von Russland. – Wissen Sie was? Diese Bundesregierung stellt sich der Verantwortung. Die Verantwortung in jedem Fall trägt diese Bundesregierung nicht, aber sie ist gewählt, um jetzt Verantwortung zu übernehmen, und das tun wir, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es geht um die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Erdgas. Dass es da keine leichten Antworten gibt, haben die Reden heute Morgen deutlich gezeigt. Herr Merz, ich will auch daran erinnern, was Sie am 10. März dieses Jahres gesagt haben. Sie waren der erste Politiker aus der Unionsfraktion, der gesagt hat: Man muss die Erdgaslieferung, die Energielieferung aus Russland sofort einstellen. Das ist es, Herr Merz, was Sie am 10. März gesagt haben. Niemand ist glücklich über diese Abhängigkeit. Sie ist eine ökonomische Katastrophe und auch geopolitisch für uns eine Herausforderung. Aber, Herr Merz, zur Wahrheit gehört: Diese einfachen Antworten gibt es nicht. Weder das Einstellen der Erdgaslieferung noch irgendwelche Deckel – ich komme darauf gleich zu sprechen – sind eine perfekte Antwort. Diese Bundesregierung – ich wiederhole es – stellt sich dieser Verantwortung für die Lage, die Vorgängerregierungen verursacht haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Jetzt will ich sagen, was wir tun. Über die Gasumlage ist viel gesprochen worden. Wir werden jetzt die Mehrwertsteuer auf diese Gasumlage senken und sie zielgerichteter ausrichten. Denn es ist für viele Kunden, für viele Unternehmen natürlich geradezu eine Überraschung. Sie wussten bisher gar nicht, von wem der Lieferant das Erdgas bezogen hat. Es ist doch niemand, kein Unternehmen, kein Mittelständler, dafür verantwortlich zu machen, dass er russisches Erdgas über seinen Versorger bezogen hat und jetzt eine dramatische Preissteigerung auf ihn zukommt. Deswegen brauchen wir dort eine Umlage. Das zum Thema Gasmarkt. Ich komme auf den Strommarkt zu sprechen, der hier auch viel besprochen worden ist. Meine Damen und Herren, es ist kein Geheimnis, dass in der Frage der Weiternutzung der Kernenergie meine Partei eine eigene Auffassung dazu hat, auch was die drei bestehenden Kernkraftwerke betrifft. Aber genauso richtig ist es, dass wir auf diesem Strommarkt jetzt etwas tun. Deswegen ist es die Entscheidung des Koalitionsausschusses, sich für eine Strompreisbremse nicht nur auf europäischer Ebene einzusetzen, sondern gegebenenfalls auch national den Schritt zu gehen, das bestehende System der EEG-Umlage zu nutzen, damit die Strompreise in Deutschland für alle Menschen, für alle Unternehmen nach unten gehen. Das ist die richtige Antwort in dieser Krise, auch wenn sie ordnungspolitisch nicht leicht ist; das sage ich ganz offen. Aber es ist die richtige Antwort in dieser Krise, damit die Strompreise runtergehen, meine Damen und Herren. Das ist unendlich wichtig als Signal für die Märkte und für die Unternehmen in Deutschland. Herr Merz, was schlagen Sie denn vor? Bei der Problembeschreibung sind wir mit Blick auf die Abhängigkeit von Russland ja einer Meinung. Aber was haben Sie denn vorgeschlagen? Für den Strommarkt haben Sie etwas sehr konkret vorgeschlagen. – Ja, Sie waren auf der Zugspitze. Ich habe mich beim Lesen des Papiers gefragt, ob das bisweilen auch mit der dünnen Luft da oben zusammenhing. Sie haben für den Strommarkt das spanische Modell vorgeschlagen. Sie sagen: Es braucht einen Gaspreisdeckel an der Stelle, und das Erdgas soll aus dem Strommarkt herausgenommen werden. – Wir sehen gerade, was in Spanien passiert. In Spanien finanzieren die spanischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gerade den Stromexport nach Frankreich, meine Damen und Herren, da der subventionierte Strom billiger ist. Es kann doch kein Modell für Deutschland sein, dass unsere Steuerzahler am Ende des Tages über den Bundeshaushalt für subventionierten Strom zahlen. Herr Merz, das ist keine Option für Deutschland. Die Strompreisbremse ist die richtige Antwort, und deswegen hat die Bundesregierung diese auch gegeben. Für den Gasmarkt schlagen Sie in Ihrem Papier von der Zugspitze einen Gaspreisdeckel vor. Wissen Sie, wer den gerade verteidigt hat? Frau Mohamed Ali von der Linkspartei. Also, Sie sagen: Am besten soll das über den Bundeshaushalt geregelt werden. Der Bundeshaushalt wird die Differenz zwischen diesem Deckel und dem Marktpreis tragen. – Meine Damen und Herren, mit Ihren Vorschlägen suggerieren Sie eines, nämlich dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die gestiegenen Energiepreise decken können. Ich sage in aller Klarheit: Ja, wir werden an diesen Märkten Veränderungen vornehmen. Aber eines gehört zur Wahrheit: Der Staat, die Gemeinschaft der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, kann diese Energiepreise nicht schultern. Das würde die staatliche Gemeinschaft in Deutschland überfordern. Diese Wahrheit muss man aussprechen. Alles andere, Herr Merz, ist eine Illusion. Ich will das an dieser Stelle deutlich sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich habe es vorhin gesagt: Putin hat diese Krise ausgelöst. Aber wir wissen doch alle, dass der Reformstau in diesem Land angesichts dieser Krise wie unter einem Brennglas deutlich wird, meine Damen und Herren. Deutschland ist bei der Digitalisierung hinterher. Wir sind beim Klimaschutz hinterher. Wir haben in den letzten Jahrzehnten viel Geld dafür ausgegeben, aber am Ende des Tages wenig erreicht. Die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland ist wegen zu starker Abhängigkeiten gefährdet; das muss mal gesagt werden. Wir sind in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten aus vielen Technologien ausgestiegen. Aber wir hätten zum gleichen Zeitpunkt mit aller Macht auch in neue Technologien einsteigen müssen, meine Damen und Herren. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist nicht in dem nötigen Maße vorangekommen. Vor allen Dingen fehlt der Ausbau in dem Maße, dass er konventionelle Energie hätte ersetzen können. Wo war denn seinerzeit der Einsatz für den Ausbau der Stromnetze? Wo war denn seinerzeit der Einsatz für die Grundlastfähigkeit auch erneuerbarer Energien? CO2-neutrale, aber gleichzeitig tragbare Kapazitäten müssen doch die Zukunft sein für die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt. Da sind die Fehler gemacht worden. Für Sie waren Erneuerbare ein Feigenblatt im Landschaftsbild. Für uns sind die Erneuerbaren die wirtschaftliche Grundlage der Zukunft der Bundesrepublik Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen, um das auch einmal deutlich zu sagen. Ich komme nun zum dritten Entlastungspaket, das der Koalitionsausschuss am Wochenende erarbeitet hat. Der Inflationsausgleich für die arbeitenden Menschen in diesem Land steht bei diesem Paket an oberster Stelle, und das richtigerweise. Da muss ich noch einmal auf das eingehen, was Sie, lieber Herr Kollege Merz, in Ihrer Rede gesagt haben. Sie haben gerade in Richtung der Bundesregierung behauptet, das stünde ja eh im Gesetz, das passiere sozusagen automatisch, wir hätten also nur den Gesetzestext aufgeschrieben. Ich würde da ganz gerne eine Wette eingehen: Ich möchte den Paragrafen im Einkommensteuergesetz sehen, wo das, was Sie, Herr Merz, behauptet haben, drinsteht. Die Wahrheit ist doch: Die Union hatte nie den Mut, den Abbau der kalten Progression in das Einkommensteuergesetz zu schreiben. Die Wahrheit ist: Das, was Sie hier behaupten, ist schlicht falsch. Ja, andere europäische Länder machen das, Deutschland macht es bedauerlicherweise bisher nicht. Und weil das nicht der Fall ist, wird diese Ampelkoalition die hart arbeitende Mitte in Deutschland entlasten. Das ist ein ganz wichtiges Signal des Koalitionsausschusses, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir werden uns natürlich auch um diejenigen kümmern, die nicht im Arbeitsleben sind, um die Rentnerinnen und Rentner, um die Menschen in Ausbildung, um die Studierenden, und zwar mit einer weiteren Energiepauschale. Wir werden das Kindergeld erhöhen. Wir werden die Homeoffice-Pauschale im Steuerrecht entfristen. Wir senken die Umsatzsteuer auf Gas; ich erwähnte es vorhin. Wir setzen die Erhöhung des CO2-Preises zum 1. Januar aus, damit die Menschen und Unternehmen nicht zusätzlich belastet werden. Und mit Blick auf die steuerliche Absetzbarkeit der Rentenbeiträge: Das Problem der Doppelbesteuerung, von unionsgeführten Bundesregierungen nie gelöst, wird diese Bundesregierung lösen, meine Damen und Herren. Es wird auch ein bundesweites Nahverkehrsticket geben. Und da es ja manche Bundesländer in Deutschland gibt, in denen die Union entweder den Ministerpräsidenten stellt oder mit in der Regierung ist, habe ich folgenden Appell an Sie: Unterstützen Sie Verkehrsminister Volker Wissing bei dem revolutionären Vorhaben, ein digitales Deutschlandticket bundesweit anzubieten, anstatt hier hin und her zu reden! Da müssen die Länder jetzt über ihren Schatten springen. Das zu tun, wäre eine Revolution für unseren öffentlichen Personennahverkehr, meine Damen und Herren. Es sind also die Familien der Mitte, aber auch all jene, die es momentan schwer haben, die von diesem dritten Entlastungspaket profitieren. Ich habe mir an der Stelle noch mal angeschaut, was auf der Zugspitze so passiert ist und was in den letzten Tagen so gesagt worden ist. Herr Merz sagte ja: Das waren richtige Schritte. – Ich anerkenne, dass Sie sagen, die Entlastungen, die Abschaffung der kalten Progression und manches mehr seien richtige Schritte, die wir als Regierungskoalition gehen. Ich habe mir angeschaut, was Sie fordern – Sie haben es hier eben wiederholt –: für das untere Drittel der Einkommen eine Pauschale von 1 000 Euro – das wäre eine Belastung für den Bundeshaushalt von etwa 16 Milliarden Euro –, für jedes Kind noch einmal 1 000 Euro – das wären etwa 5 Milliarden Euro an Belastung für den Bundeshaushalt – und der vorgeschlagene Gaspreisdeckel; der würde etwa 38 Milliarden Euro an Belastung für den Bundeshaushalt ausmachen. – Ich will mich nicht auf den Euro festlegen. – Ich habe das aber mal zusammengerechnet, was Sie offensichtlich nicht getan haben. Wir reden hier über 50 Milliarden Euro an zusätzlicher Belastung für den Bundeshaushalt, meine Damen und Herren. Ich frage: Wer soll das bezahlen? Sie fordern einen Gaspreisdeckel anstelle einer Umlage. Ich frage: Wer soll das bezahlen? – Sie fordern eine Subventionierung der Gasverstromung anstelle der Strompreisbremse. Ich frage: Wer soll das bezahlen, meine Damen und Herren? – Der Gaspreisdeckel, bei dem Sie sich mit der Linkspartei einig sind, soll aus dem Haushalt finanziert werden. Aber die sind wenigstens so ehrlich und sagen, dass sie die Schuldenbremse ohnehin abschaffen wollen. Meine Damen und Herren, die Stabilität unseres Landes ist in diesen Tagen gefragt. Und eines – das will ich zum Schluss sagen – darf auf gar keinen Fall passieren, nämlich dass wir, indem wir den Bundeshaushalt überfordern, indem wir am Ende des Tages eine expansive Geld- und Ausgabepolitik machen, die Inflation zusätzlich anheizen. Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss und will in aller Kürze noch eine Anmerkung machen. – Ich habe mir angeschaut, was Sie noch vorschlagen. Sie schlagen eine Abwrackprämie für Haushaltsgeräte vor. Das klingt ja erst mal nett. Aber ich frage mich: Welcher Ökonom in der Welt gibt zurzeit die Empfehlung, in Zeiten der Inflation Nachfragepolitik anstatt Angebotspolitik zu machen? Ich habe vorhin gesagt, was die Bundesregierung alles macht. Aber, mit Verlaub, Herr Merz, ökonomisch sind Sie doch gerade auf der Fehlspur; ökonomisch laufen Sie doch falsch. In Zeiten der Inflation muss man doch Angebotspolitik machen – und das tun wir –: Planungsbeschleunigung, Digitalstrategie, Gigabitnetze, Investitionen in die Bildung, in die Verkehrsinfrastruktur, mehr Freihandelsabkommen und mehr Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt. Ökonomisch – ich hätte fast nicht geglaubt, dass ich das jemals aussprechen werde – sind so manche Jungsozialisten in der SPD zurzeit marktwirtschaftlicher unterwegs als die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Nur damit kein falscher Eindruck entsteht: Es reicht nicht, wenn man zur Präsidentin nett sagt: Ich sag mal noch was. – Aber ich weiß ja, dass die FDP-Fraktion sehr flexibel bei der Festlegung der Redezeiten für die kommenden Kolleginnen und Kollegen ist. Wir werden das gleich zusammen klären. Ich gebe jetzt das Wort Alexander Dobrindt für die CDU/CSU-Fraktion.
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Martin Patzelt CDU/CSU
Martin
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche jetzt einmal, als Letzter den Sack zuzumachen und etwas zu sagen, was vielleicht noch nicht gesagt wurde. Die Diskussion ist spannend, weil es um ein Thema geht, das uns allen sehr am Herzen liegt: das Wohl des deutschen Volkes. Wir Christdemokraten und, wie ich denke, auch die übergroße Mehrheit aller Abgeordneten hier im Hause sind davon überzeugt, dass das Wohl des deutschen Volkes ganz eng mit der Demokratie verbunden ist. Als wir uns zu Beginn der 18. Legislaturperiode – Herr Müller, ich bin Zeitzeuge – mit der SPD über die Abschaffung der Demokratieklausel verständigt haben – das war eine Abstimmung zwischen der CDU, der CSU und der SPD –, haben wir uns gefragt: Was bringt diese Klausel? Wenn bereits in allen Nebenbestimmungen das Erfordernis der demokratischen Grundhaltung und die Folgen der missbräuchlichen Nutzung von Fördergeldern geregelt sind, warum müssen wir dann all denen, die sich hier in langjähriger, nicht zu unterschätzender Arbeit vorwiegend um junge Menschen kümmern, dieses Misstrauen entgegenbringen? Viele haben in einer Kurzschlussreaktion gesagt: Dann verzichten wir eben auf das Geld. – Ich kann das nachvollziehen, aber es ist schade; denn im Grunde haben sie das ja mit ihrer Unterschrift unter den Förderbescheid schon zugesagt. Ich frage mich auch, warum wir eine solche Extraklausel als Garantie für die Einhaltung demokratischer Verhaltensweisen – so verstehe ich die AfD – fordern sollen. Auch wenn Sie alle zu einem Notar schleppen würden und die Unterschriften notariell beglaubigt würden, würden Sie nicht verhindern können, dass es eine missbräuchliche Nutzung gibt und sich Wölfe im Schafspelz einschleichen, um Fördergelder zu bekommen. Nein, das ist keine Garantie. Wir sorgen für vernünftige Lösungen. In der letzten Legislaturperiode haben wir zum Beispiel geregelt, dass die Förderung mit einem langen Begleitschreiben einhergeht. Wir haben eine Beratungsstelle eingerichtet und werden darauf achten – als Berichterstatter für diese Programme stehe ich persönlich hier als Zeuge –, dass wir weiterhin jedem Missbrauch, der durch die Medien oder andere Informationen öffentlich wird, nachgehen – wie bisher auch. In der Fülle der geförderten Projekte sind das ausnehmend wenige. Ja, es gab sie. Wir haben allen Grund, wachsam zu sein, und zwar nach allen Seiten: nach rechts und nach links. Da hoffe ich, dass auch Ihre Jugendorganisation und Ihre Politiker tatsächlich keinen Grund zur der Annahme geben, missbräuchlich erlangte Fördergelder zu verantworten. Das wünsche ich mir. Jetzt komme ich zur pädagogischen Situation. Wissen Sie: Was brauchen denn junge Menschen? Junge Menschen sind in einer Lebensphase, in der sie sich in besonderer Weise für Werte engagieren. Sie haben noch nicht die Lebenserfahrung, aber sie stehen für eine veränderte Welt, weil sie wahrnehmen, dass die Welt, in der wir leben, nicht vollkommen ist. Dann ist es manchmal zufällig, ob sie sich mehr rechten oder linken Gedanken zuwenden. Ich wehre mich immer mehr dagegen, diese Kategorien zu wählen. Ich denke, zunehmend wird es so, dass wir zwischen denen unterscheiden müssen, die in der Vergangenheit sitzen bleiben wollen, und denen, die die Zukunft gestalten wollen. Dann brauchen diese jungen Menschen eine Ermunterung. Dann brauchen sie Hilfen, dass sie nicht durchbrennen, dass sie eine Perspektive entwickeln und sagen: Es lohnt sich, sich in dieser Gesellschaft zu engagieren. Wir brauchen einen langen Atem. Wir brauchen viel Mut. Wir brauchen ein bisschen Geschichtsklärung, nicht Geschichtsklitterung, damit wir verstehen können, dass wir in einer Generationenabfolge sind, die damit beschäftigt ist, unsere Gesellschaft besser zu machen. Ja, dafür werdet ihr gebraucht. Durchbrennen hat bisher keinem geholfen. Denken Sie an die Unmengen von Blut, das geflossen ist, als man versucht hat, Zustände mit Gewalt zu verändern. Also, wir brauchen diese Programme. Wir brauchen Fachleute, Männer und Frauen. Wir brauchen Lehrer. Wir brauchen Eltern. Wir brauchen auch Politiker; Politiker, die mit gutem Beispiel vorangehen und sagen: Wir glauben an das Morgen. Wir glauben daran, dass wir die schweren Aufgaben – die will ich gar nicht abstreiten –, wie immer wir sie auch definieren, bewältigen können, und zwar gemeinsam, nicht durch Diffamierung von bestimmten Gruppen, die anders denken. Es geht darum, in einer unermüdlichen und immer neuerlichen Mühe die Zeichen der Zeit zu erkennen und sich der Zukunft nicht zu versagen, sondern mit in diese Zukunft zu gehen. Wir haben heute vielfach Zitate von einigen Politikern gehört. Ich habe gedacht: Warum wehren Sie sich so dagegen, Ihre eigenen Zitate zu hören? Ist das ein Zuwachs an Erkenntnis? Oder schämen Sie sich dafür? Ich weiß es nicht. Aber auch ich habe mir welche aufgeschrieben: Linksextreme Lumpen sollen und müssen von deutschen Hochschulen verbannt und statt einem Studiumsplatz lieber praktischer Arbeit zugeführt werden. Wir müssen ganz friedlich und überlegt vorgehen, uns ggf. anpassen und dem Gegner Honig ums Maul schmieren, aber wenn wir endlich soweit sind, stellen wir sie alle an die Wand. Oder: Den „widerlichen grünen Bolschewisten“ sollte man „eine Grube ausheben“, die, die sich um die Zukunft in besonderer Weise kümmern. „Wir sollten Tierversuche stoppen und Flüchtlinge dafür nehmen.“ „Wir sollten endlich über die Endlösung für die Musels in Deutschland nachdenken.“ Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Meine lieben Damen und Herren, solange Sie solche Äußerungen machen, sind Sie ein demokratiegefährdendes Element in unserer Gesellschaft. Ich will Sie dazu ermuntern, dass Sie einmal darüber nachdenken und dass Sie junge Menschen nicht zu extremen Positionen treiben, sondern sie dort abholen, wo sie in ihrer Lebensphase stehen, und ihnen helfen, Zukunft zu gestalten, statt die Ikonen der Vergangenheit zu putzen. Herr Kollege, Sie haben Ihre Redezeit erheblich überschritten. Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? Ja. Kollege Baumann, bitte sehr. Wir müssen und wollen sprechen. Die Kollegen, die dort hinten stehen, bitte ich darum, die Plätze einzunehmen. Es gibt genügend freie Plätze im Bundestag. Dies ist kein Stehparlament, sondern hier steht nur der Redner. Er hat nach der Zwischenfrage wieder das Wort. Wir hatten bei der letzten Wahl 12,6 Prozent der Stimmen der deutschen Wählerschaft. Hinter uns stehen Millionen Wähler. Sie sagen, wir wären ein demokratiefeindliches Element in diesem Land. Wissen Sie, wie weit das überhaupt geht, was Sie hier tun? Das, was Sie gerade tun, ist demokratiefeindlich. Wenn Sie Zitate behaupten, belegen Sie sie bitte. Die Belege für diese Zitate habe ich alle aufgeschrieben. Dafür reicht meine Redezeit nicht, Sie können sie sich gerne abholen. Wenn ich mich hier demokratiefeindlich verhalten habe, dann tut mir das leid, dann bedauere ich das außerordentlich. Dann habe ich das unwissentlich getan. Aber dass solche Äußerungen aus Ihren Reihen kommen und dass die Mitglieder Ihrer Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, weiterhin in Ihrer Partei sind, sind eindeutige Indikatoren dafür, dass die Demokratie bei Ihnen gefährdet ist. Damit schließe ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 4. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 19/592 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Aber die Federführung ist strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen Federführung beim Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und die Fraktion der AfD wünscht Federführung beim Innenausschuss. Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der Fraktion der AfD – Federführung beim Innenausschuss – abstimmen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Bei Enthaltung der FDP und Zustimmung der AfD-Fraktion ist der Überweisungsvorschlag mit großer Mehrheit der anderen Fraktionen abgelehnt. Jetzt lasse ich über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD – Federführung beim Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – abstimmen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Bei Enthaltungen der AfD und der FDP mit großer Mehrheit der übrigen Fraktionen ist der Überweisungsvorschlag damit angenommen.
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Metzler
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, das ERP-Wirtschaftsplangesetz erfreut sich in diesem Jahr einer außerordentlichen Prominenz. Das freut alle Berichterstatterinnen und Berichterstatter fraktionsübergreifend und so eben auch mich. Deswegen ist es jetzt auch ein Akt des Respekts, dass man, bevor man auf das eigentliche Omnibusverfahren eingeht, vielleicht auch ein, zwei Sätze dem ERP widmet. – An dieser Stelle kann man durchaus klatschen. – Man kann in diesem Zusammenhang erwähnen, dass das ERP ein Instrument ist, das uns seit 70 Jahren resultierend aus dem Marshallplan zur Verfügung steht, das insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen unterstützt, in dem Ansinnen, ihre strukturellen Nachteile im Zusammenhang mit Finanzierung gegenüber Großunternehmen auszugleichen. Es sei auch erwähnt, dass es ein positives Signal ist, dass diese Mittel nicht mehr verstetigt sind, sondern auch – in einem geringen Maße – aufgewachsen sind. Dennoch sei auch erwähnt: In einer Zeit von multiplen Krisen, die sich gegenseitig überlagern, wird es eine Herausforderung sein, den Substanzerhalt in Zukunft sicherzustellen. Nichtsdestotrotz: In der Ist-Stand-Betrachtung ist das alles sehr positiv. Deswegen stimmen wir dem ERP-Wirtschaftsplangesetz auch zu. Jetzt möchte ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum angehängten Teil kommen, sprich: der Dezember-Soforthilfe. Hier sei eines erwähnt: Im Sommer ist viel Zeit verloren gegangen, die jetzt nottut. Allein die Tatsache, dass wir in den zurückliegenden Tagen ständig geänderte Fassungen der heute vorliegenden Entscheidungsvorlage bekommen haben, zeigt, wie sehr Zeit nottat. In der Tat, es ist jetzt notwendig, dass schnellstmöglich gehandelt wird für viele Menschen in unserem Land; denn unser Land befindet sich in einer der schärfsten Energiekrisen seit den 70ern. Wir werden dem Gesetz von seiner Stoßrichtung her im Grundsatz zustimmen. Nichtsdestotrotz – das ist nicht zuletzt in der Anhörung deutlich geworden – fehlen einige Punkte. Diese Punkte möchte ich im Einzelnen benennen – die unterstreichen wir auch mit unserem Entschließungsantrag –: Erstens. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen insbesondere darauf hinweisen, dass keine Winterlücke entstehen darf. Die Gaspreisbremse muss wie die Strompreisbremse rückwirkend und letztlich im Gleichklang damit zum Jahresbeginn wirken. Zweitens. Es darf keine wirtschaftliche Schieflage entstehen. Das Energiekostendämpfungsprogramm wird zum Jahresende eingestampft. Es stellt sich daher nicht nur die Frage „Wie geht es perspektivisch im Winter weiter?“, sondern auch die Frage nach der Perspektive für Januar und Februar. Sprich: Den Unternehmerinnen und Unternehmern ist jetzt Planungssicherheit zu geben; denn die fragen sich alle: Wie geht es weiter? Drittens. Es darf keine Gerechtigkeitsschieflage geben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, da sind wir allesamt in den letzten Wochen entsprechend gefordert gewesen. Wir alle sind von Bürgerinnen und Bürgern aus unseren Wahlkreisen gefragt worden: Wie sieht es denn aus bei Pellets? Wie sieht es denn aus mit Ölheizung? Ein Viertel aller Haushalte in Deutschland heizt mit diesen Heizmitteln. Deswegen darf es nicht nur vage Ankündigungen geben, sondern es muss eine klare Perspektive geben, die genau diesen Bereich miteinbezieht. Mal generell bemerkt: Der Staat sollte letztlich nicht auch noch Profiteur einer solchen Krisensituation sein. Deswegen ist die Frage nach einer Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf entsprechende Energieträger – natürlich im Einklang mit dem Unionsrecht – ein Faktor, der in die Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen ist. Ich habe mich insbesondere bei den Einlassungen des VKUs in der Anhörung gefragt: Wie soll das jetzt alles noch administriert werden? Wohlgemerkt, die Plattform, die für das Einreichen der Anträge notwendig ist, wird diese Woche nicht mehr an den Start gehen. Nach meinem Wissensstand wird sie es nächste Woche. Dann haben alle, die zu beteiligen sind, sieben Tage Zeit, wenn das Ganze bis zum 1. Dezember funktionieren soll, um das in die Umsetzung zu bringen. Da fehlt mir ein Stück weit der Glaube, dass das alles funktioniert. Deswegen abschließend: Es braucht ein Gesamtkonzept, das nicht nur für diesen Winter gilt, sondern auch über diesen Winter hinaus. Daher sage ich jetzt einfach mal: Machen ist wie Wollen, nur besser! Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Für die SPD-Fraktion erhält jetzt das Wort Bernd Westphal.
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Jochen Haug AfD
Jochen
Haug
AfD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute das Änderungsgesetz zur Europäischen Bürgerinitiative, ein Instrument, mit dem Themen an die EU-Kommission herangetragen werden können, ohne dass die EU-Kommission daraufhin verpflichtet wäre, konkret tätig zu werden. Versteht sich. Dieser zahnlose Tiger soll der EU einen demokratischen Anstrich geben. Er ist jedoch nicht mehr als Demokratiesimulation in einer undemokratischen EU. Wäre die EU ein Staat, der die Aufnahme in die EU beantragen würde, müsste der Antrag zurückgewiesen werden – aus Mangel an demokratischer Substanz. Das sagte Martin Schulz, früher hier bei der SPD, damals noch Präsident des EU‑Parlaments. Herr Schulz hat es ganz richtig erkannt: Einem Parlament ohne Initiativrecht, einem Parlament mit eingeschränktem Haushaltsrecht, basierend auf einem Wahlrecht, das den Grundsatz der Wahlfreiheit verletzt, dem mangelt es in der Tat an demokratischer Substanz. Dazu kommen politische Diskussionen ohne eine gemeinsame Öffentlichkeit als Resonanzboden und eine Staatsmacht ohne einheitliches Staatsvolk. Das ist Herrschaft fast ohne Rechenschaft. Das ist der Traum eines jeden Technokraten. Auch eine Stärkung der Europäischen Bürgerinitiative würde nicht zu einer Lösung dieser Probleme beitragen. Im Gegenteil: Jede Stärkung der EU führt zu einer Schwächung der Nationalstaaten. Aber nur auf nationaler Ebene kann Demokratie ernsthaft gelebt werden. Was wir daher wirklich brauchen, ist die Einführung direkter Demokratie auf Bundesebene in Deutschland. Sehr geehrte Kollegen, wenn Sie direktdemokratische Elemente fördern wollen, dann fangen Sie doch hier damit an. Sagen Sie Ja zu Volksabstimmungen zu allen Fragen, die die nationale Souveränität betreffen. Sagen Sie Ja zu Volksabstimmungen bei Änderungen des Grundgesetzes. Sagen Sie Ja zu fakultativen Referenden, die den Bürgern die Möglichkeit geben, über vom Parlament beschlossene Gesetze eine Abstimmung herbeizuführen. Dieses Instrument hat sich speziell in der Schweiz absolut bewährt. Das sind alles Punkte, die wir seit Jahren fordern, denen Sie sich aber aus Angst vor dem Souverän, dem deutschen Volk, verweigern. Wir als AfD wollen nicht, dass Deutschland aus Brüssel regiert wird, und wir halten daher ausländische Bürgerbegehren mit Wirkung über die Kommission auf Deutschland für grundsätzlich falsch. Deshalb lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. Danke schön. Nils Gründer hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion. Er spricht zum ersten Mal in diesem Haus, und wir freuen uns darauf.
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Felix Banaszak BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Felix
Banaszak
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mörseburg, der Grat zwischen Dialektik und Schizophrenie ist schmal. Ich glaube, Sie sind da gerade in bisschen ausgerutscht. Sie haben die ganze Woche damit verbracht, von dieser Bundesregierung zu fordern, dass sie überall hilft, überall Geld gibt. Dabei haben Sie kein Wort zur Gegenfinanzierung gesagt. Jetzt über zielgerichtete Hilfe zu sprechen, dabei gerade die Schwächsten anzusprechen und gleichzeitig gegen das Bürgergeld zu polemisieren, das funktioniert in ein und derselben Rede nicht, ohne dass Sinn und Verstand verlorengehen. Meine Damen und Herren, wenn man die Probleme, vor denen wir stehen, lösen will, muss man sie erst mal verstehen. Da helfe ich der AfD gerne nach. Warum haben wir die Inflation? Die Inflation ist da, weil die Energiepreise gestiegen sind. Diese wirken sich wiederum auf energieintensive Industrien und das Handwerk aus, was sich dann beispielsweise auf die Lebensmittelpreise auswirkt. Warum sind die Energiepreise gestiegen? Weil wir auf der einen Seite einen Mangel haben, verursacht durch den Kriegsverbrecher Wladimir Putin und zum anderen durch Spekulation, die auf diesen Mangel aufbaut. Das bedeutet: Die Ursachen der Inflation sind der Wirtschaftskrieg, den Wladimir Putin mithilfe von Energie führt, und der brutale Angriffskrieg gegen die Ukraine, den er vom Zaun gebrochen hat. Da Sie sich gerade wieder als Sachverwalter der Russischen Föderation hier im Deutschen Bundestag geriert haben, sage ich Ihnen: Sie schreiben in Ihrem Antrag, es gebe eine „grüne Inflation“. Wenn diese Inflation irgendeine Farbe hat, dann ist diese so braun wie Ihr Gedankengut. Wenn wir jetzt über die Bekämpfung der Inflation sprechen, dann, glaube ich, müssen wir einen Fehler dringend vermeiden. Wir haben einen Angebotsschock, den ich gerade beschrieben habe. Aber dieser Angebotsschock zeigt jetzt schon Wirkung: Das Konsumverhalten der Menschen ändert sich, ihr Konsum geht zurück. Sie fragen sich: Will ich gerade jetzt meine Wohnung renovieren? Will ich jetzt ein Auto kaufen? Will ich jetzt irgendwelche Konsumgüter kaufen, da ich doch nicht genau weiß, wie ich am Ende meine Strom- und Gasrechnung bezahlen soll? Wir müssen in zweierlei Hinsicht darauf reagieren. Erstens. Wir müssen auf der Angebotsseite nachsteuern. Das tun wir intensiv, und das werden wir in den nächsten Wochen und Monaten weiter tun. Wir weiten die Energiekapazitäten aus, unter anderem durch den schnelleren Ausbau der Erneuerbaren; sämtliche Deckel sollen weg. Zweitens werden wir aber auch darauf reagieren, indem wir insbesondere die unterstützen, die unter diesen angestiegenen Preisen besonders leiden. Sich jetzt in eine noch tiefere Rezession, als sie sich eh schon andeutet, hineinzusparen, wäre ökonomisch tatsächlich irrsinnig. Mario Draghi hat es an anderer Stelle einmal richtig gesagt: „Whatever it takes“. Das wird diese Bundesregierung tun: Unternehmen stabilisieren, die Gesellschaft stabilisieren, die Bürgerinnen und Bürger in diesen schweren Zeiten stabilisieren, damit Sie es in Ihrem Job noch ein bisschen schwerer haben werden als eh schon. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Susanne Ferschl, Fraktion Die Linke.
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Gabi Weber SPD
Gabi
Weber
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Muss ich jetzt nach diesen tollen Einlassungen überlegen, ob ich hier überhaupt noch Frauen ansprechen darf, oder muss ich mich dafür bedanken, dass Sie endlich all die tollen Projekte nennen? Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich denke, es geht nicht um Umerziehung, aber es würde Ihrer Fraktion vielleicht guttun, endlich mal Genderseminare zu belegen. Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich möchte zunächst, obwohl es schon so oft gesagt wurde, weil es so schön ist, den enormen Aufwuchs der ODA-Mittel um 700 Millionen Euro im Verhältnis zum Haushaltsentwurf noch einmal betonen. Für diejenigen auf der Tribüne, die sich nicht richtig vorstellen können, was das ist, sage ich: Official Development Assistance, abgekürzt: ODA. Die ODA-Quote gibt an, wie groß die von öffentlicher Seite gegebene Unterstützung für die Entwicklungszusammenarbeit ist, und das quer durch die Ministerien, nicht nur in dem Ministerium, über das wir jetzt reden. Eins ist auch klar: Wir hätten diesen Aufwuchs nicht erreicht, wenn sich bei uns, bei der SPD, nicht die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich und Achim Post gegen manchen Widerstand durchgesetzt hätten und vor allen Dingen Andrea Nahles im abschließenden Gespräch mit dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Herrn Brinkhaus, nicht erfolgreich für die ODA-Quote gekämpft hätte. Um das ganz konkret zu machen, danke ich den Berichterstattern im Haushaltsausschuss, Sonja Steffen und Carsten Körber, die wirklich hinter diese Haushaltstitel die richtigen Zahlen gesetzt haben. – Herzlichen Dank dafür. Herzlichen Dank dafür! Herr Minister Müller, durch unsere Unterstützung haben Sie nun erneut so viel Geld in Ihrem Geldbeutel wie noch kein Minister für Entwicklungspolitik jemals zuvor. Das ist richtig; denn es wird gebraucht für Ernährungssicherung, für gleichberechtigte Bildung, für den Ausbau von Gesundheitssystemen, das Schaffen von Einkommen, Korruptionsbekämpfung und gute Regierungsführung und für den zivilen Friedensdienst, um hier einige wichtige Punkte zu nennen. Herr Minister, wir sehen alle, dass Sie sich auf Afrika konzentrieren. Es gibt den Compact with Africa; Sie haben die Reformpartnerschaften genannt; seit neuestem gibt es eine Strategie vom Ministerium für Bildung und Forschung, und Ministerin Klöckner will sich um die Landwirtschaft in Afrika kümmern. Aber das ist nichts Neues, das passiert im BMZ eigentlich alles schon sehr lange. Darüber hinaus wissen wir, dass es 15 verschiedene Strategien, Pläne und Konzepte aus den verschiedenen Ministerien gibt. Herr Minister, sorgen Sie am Kabinettstisch für klare und nachvollziehbare Zusammenarbeit! Sorgen Sie dafür, dass Deutschland in den Partnerländern als eine Stimme wahrgenommen wird und nicht als ein buntes Konzert; ich denke, das ist ganz wichtig, um den Stellenwert dessen, was wir heute beschließen, auch wirklich rüberzubringen. Herr Minister, Sie haben, wie gesagt, erstmals über 10 Milliarden Euro in der Tasche. Und was sehen wir in Ihrem Haus und bei den staatlichen Durchführungsorganisationen? Kürzungen an der einen oder anderen Stelle. Es werden Länderprogramme heruntergefahren, weil die Mittel zugunsten von Fluchtursachenbekämpfung umgeleitet werden. Herr Minister Müller – ich habe das schon mehrfach gesagt –, Sie sind nicht der Minister eines Fluchtursachenbekämpfungsministeriums, sondern der Minister für Entwicklung und Zusammenarbeit. Damit ist auch klar: Sie sind verantwortlich, dass Entwicklung ein wesentlicher Teil Ihres Ministeriums ist, übrigens nicht nur in den Staaten Afrikas, die sich als Investitionsstandort für deutsche Unternehmen eignen. Nein, auch die fragilen Staaten Afrikas, die Partnerländer in Asien, Süd- und Mittelamerika brauchen weiterhin unsere Zusammenarbeit; das darf bei dem totalen Schwerpunkt Afrika nicht in Vergessenheit geraten! Ich freue mich, dass wir die Beiträge zu vielen Organisationen der Vereinten Nationen anheben, teilweise sogar verdoppeln. Multilaterale Zusammenarbeit ist und bleibt ein wesentliches Kernstück von Entwicklungszusammenarbeit. Und wir wissen alle, dass Frauen die zentrale Rolle bei der Entwicklung spielen. Deshalb haben wir unseren Beitrag zu UN Women auf 8 Millionen Euro verdoppelt, den Beitrag zum UN-Bevölkerungsfonds um mehr als die Hälfte auf 33 Millionen Euro erhöht und – was uns besonders wichtig ist – die Mittel für die Initiative für Familienplanung auf 12 Millionen Euro verdoppelt. Ganz besonders wichtig ist – das freut mich –, dass wir die Mittel für die globale Bildungsinitiative der Vereinten Nationen um mehr als das Doppelte auf 37 Millionen Euro erhöhen. Da sind wir vor ein paar Jahren gestartet bei 8 bis 9 Millionen Euro. Hier unterstreichen wir, wie wichtig uns Bildung ist, Grundbildung für Mädchen und Jungen weltweit. Eines noch, Herr Minister: Nicht kurzfristige Sichtbarkeit darf das Ziel Ihres Ministeriums sein. Ziel jeder Entwicklungspolitik ist eine langfristig wirkende, strukturelle Entwicklung. Wir haben es im Koalitionsvertrag festgehalten: Die Agenda 2030 der UN ist Richtschnur für unsere Politik. Also sollten wir uns auch daran halten. Gute Arbeit weltweit ist da ein ganz wichtiges Thema, das wir auch noch anschneiden müssen. Eine Anmerkung noch, Herr Minister: Sie sagen, Sie wollen die Anzahl der Partnerländer reduzieren und die Zusammenarbeit konzentrieren. Auf Deutsch: Sie wollen die Liste der Länder, mit denen wir arbeiten, neu aufstellen. Hier möchte ich, dass Sie einen Beteiligungsprozess organisieren und die Kriterien offen mit uns und mit der NGO-Szene diskutieren. Hierzu reiche ich Ihnen die Hand. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächster ist der Kollege Michael Link, FDP-Fraktion, an der Reihe.
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Uwe Witt AfD
Uwe
Witt
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Ich bin etwas enttäuscht, dass Sie Ihre eigenen Unternehmensverflechtungen nicht verstehen. Sie können gerne in meinen Unterlagen nachschauen. Auf 452 Seiten sind die unterschiedlichen Beteiligungen der DDVG aufgelistet. Hier steht: Parteivorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands – das sind Sie doch irgendwie –: 100 Prozent Beteiligung. Aber vielleicht ist der Bericht, der im Internet veröffentlicht und jedermann zugänglich ist, auch einfach falsch. Danke schön. Vielen herzlichen Dank. – Nächste Rednerin: Gabriele Hiller-Ohm für die SPD-Fraktion.
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Katrin Uhlig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Katrin
Uhlig
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie wir alle stehe auch ich unter dem Eindruck der schrecklichen Bilder, die uns aus der Ukraine erreichen, und der Rede des Präsidenten von heute Morgen. Der Angriff Putins auf die Ukraine macht uns noch deutlicher, wie wichtig es ist, dass wir nicht nur aus Klimaschutz-, sondern auch aus Sicherheitsgründen die Energieversorgung dringend auf andere Füße stellen. In den letzten 16 Jahren wurden die erneuerbaren Energien gezielt ausgebremst und verhindert und wurde gleichzeitig die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, gerade auch aus Russland, sehr bewusst und gewollt vorangetrieben. Wenn ich mich an die Debatte von heute Morgen erinnere, scheint es gerade diejenigen zu überraschen, die dafür verantwortlich sind, dass seit einigen Monaten die Energiepreise steigen, weil der Preis für fossile Energien gestiegen ist. Gerade Gas ist im Strombereich der treibende Faktor. Der Anstieg der Energiepreise trifft alle: Unternehmen und private Haushalte, besonders aber Menschen mit geringem Einkommen. Die meisten wissen noch nicht, was sie durch die steigenden Energiepreise erwartet; denn die Rechnung kommt in der Regel nur einmal im Jahr. Deshalb müssen wir jetzt kurzfristig für Entlastungen sorgen. Der heute von den Ampelfraktionen eingebrachte Gesetzentwurf zur Absenkung der EEG-Umlage zum 1. Juli dieses Jahres ist ein wichtiger Baustein zur Senkung der Energiekosten. Durch eine Absenkung auf null und mit der verpflichtenden Weitergabe dieser Absenkung entlasten wir kurzfristig und ganz konkret bei den Stromkosten. Die Situation zeigt uns aber, dass unsere Energieversorgung, wenn wir auch perspektivisch bezahlbare Energiepreise haben wollen, resilienter, unabhängiger und vorausschauender werden muss. Deshalb brauchen wir endlich einen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren. Jedes Windrad, jede Solaranlage reduziert die Notwendigkeit für fossile Importe und ist ein Beitrag zu einer kostengünstigeren Energieversorgung. Dieser Gesetzentwurf beschreibt auch klar, dass die jetzige Absenkung der EEG-Umlage nur ein erster Schritt ist. Mit einer EEG-Novelle im Rahmen des Osterpaketes, Überlegungen für weitere Entlastungen und zusätzlichen Vorhaben im Sommerpaket werden weitere Schritte folgen, auch für einen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren und damit für eine kostengünstigere, klimafreundliche und souveräne Energieversorgung. Damit handelt diese Koalition vorausschauend. Wenn wir diesen Weg konsequent weitergehen, profitieren davon am Ende alle. Herzlichen Dank. Das Wort hat die Kollegin Maria-Lena Weiss für die CDU/CSU-Fraktion zu ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag.
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Canan Bayram BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Canan
Bayram
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Feststellungspunkte des Antrags der FDP haben unsere volle Unterstützung, lieber Herr Kollege Martens. Völlig richtig ist: Es fehlen vor allem eine Bestandsaufnahme und eine Wirkanalyse hinsichtlich der Änderungen im Strafverfahren der letzten 15 Jahre. Die vergangenen Wahlperioden waren geprägt von einer ausufernden, überwiegend symbol- und klientelpolitisch motivierten Strafrechtsgesetzgebung. Zwar hatte sich die Koalition in ihrem Koalitionsvertrag endlich erstmals evidenzbasierte Kriminalpolitik als Ziel gesetzt, aber Strafrecht ist für die Koalition weiter ein Allheilmittel. Auf die tatsächliche Wirkung kommt es nicht an. Was vor allem zu interessieren scheint, ist die politische Verkaufbarkeit. Jüngste Beispiele dafür sind die Forderung nach der Strafbarkeit der Verunglimpfung der europäischen Hymne oder die Forderung, Alltagsäußerungen von Jugendlichen auf dem Schulhof, etwa „Ich knall dir gleiche eine!“, als Bedrohung einzustufen. Das schießt weit über unser gemeinsames Ziel der Bekämpfung von Hass und Hetze hinaus. Strafverfolger und Gerichte werden sich bedanken. Als Beispiel für unser Anliegen einer rationalen und effektiven Kriminal- und Sanktionspolitik, für die Beschränkung des Strafrechts auf das Wesentliche und die Entlastung der Justiz: Die grüne Fraktion hat einen Gesetzentwurf erarbeitet, mit dem das Fahren ohne Fahrschein, das sogenannte Schwarzfahren, von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft wird. Von der Koalition wurde das bislang noch nicht unterstützt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Ihr Vorschlag, eine Expertengruppe zur Strafrechtsreform einzusetzen, ist allerdings kaum hilfreich, eher etwas hilflos. Beim Bundesjustizministerium liegen unaufgearbeitete Berichte von Reformkommissionen auf Halde, etwa zu den Tötungsdelikten, zur Strafprozessordnung oder zur Gesamtreform der Sexualdelikte. Da wäre eine weitere Expertengruppe eher eine Überforderung. Oder glauben Sie, dass wir zu dem Modernisierungsprojekt der audiovisuellen Dokumentation der Hauptverhandlung in dieser Legislaturperiode noch etwas Beschlussfähiges bekommen? – Ja, genau, ich auch nicht. Was wir eher bräuchten, wäre eine Art Therapieplan für die Strafrechtsmessies der Koalition. Ich hätte da als probates Therapeutikum gegen den grassierenden Strafrechtspopulismus einen Vorschlag, nämlich Thomas Fischers leicht verständliches Buch „Über das Strafen“ an die Mitglieder der Koalitionsfraktionen als Pflichtlektüre über die Osterferien zu verteilen. Es kostet 22,99 Euro, als E-Buch etwas weniger. Vielleicht sollten wir hier sammeln, um die notwendige Grundausstattung für die Deckung der Kosten zusammenzukriegen. Vielen Dank, Frau Bayram. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Alexander Hoffmann.
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Omid Nouripour BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Omid
Nouripour
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung zu der Rede des Kollegen von der AfD: Ja, der Irakkrieg, den George W. Bush ausgelöst hat, basierte auf Lügen, war verheerend und rechtswidrig. Aber das, was Sie gerade hinsichtlich der Stabilität in der Zeit davor beschrieben haben, sorgt, ehrlich gesagt, dafür, dass mir einfach speiübel wird. Am 16. März 1988 hat Saddam Hussein mit einer Giftgasattacke in Halabdscha bis zu 5 000 Kurdinnen und Kurden, alle Zivilisten, einfach umgebracht. Ihr Stabilitätsbegriff ist ekelerregend. Meine Damen und Herren, in der Auseinandersetzung mit ISIS haben wir in den letzten zwölf Monaten viele Rückschläge erlitten. Die Lage in Syrien ist weit schlechter geworden. Es gibt jetzt 4 000 bis 6 000 Menschen, die unter ISIS als Milizen unterwegs sind. Es ist richtig, was der irakische Außenminister gesagt hat: Der IS ist territorial nicht stark, aber weit entfernt davon, besiegt zu sein. – Aber wir erleben ja gerade, beispielsweise im Osten Syriens, wie sich in al-Haul 11 000 Menschen, die ISIS-Angehörige waren, weiter radikalisieren. Und wir hören seit so langer Zeit die Hilferufe der kurdischen Milizen, die sagen: Nehmt wenigstens eure Staatsbürgerinnen und Staatsbürger da weg. – Das heißt: Wenn wir etwas dagegen tun wollen – denn wir alle wissen, was uns bevorstehen kann, wenn al-Haul tatsächlich von den Dschihadisten invadiert wird –, dann bitte ich Sie, hoffentlich zum letzten Mal, dringend: Holen Sie wenigstens die deutschen Staatsbürger dort raus; denn wir wissen, was dort droht. Das wäre ein Riesenrückschlag, wenn diese Leute tatsächlich am Ende von ISIS befreit würden. Auch im Irak ist die Lage hoch dramatisch. Wir erleben seit Beginn des Jahres, dass ISIS wieder stärker wird, auch durch Covid. Deshalb wissen wir, dass eine Reform des Sicherheitssektors im Irak dringend erforderlich ist. Und wir wissen, dass im Grundsatz auch die Bundeswehr dort gebraucht werden würde. Ich möchte zwei Gründe benennen, warum ich meiner Fraktion dennoch nicht empfehlen kann, diesem Mandat zuzustimmen: Das eine ist: Die Frau Ministerin hat völlig zu Recht gesagt, es braucht eine sichere Rechtsgrundlage. Wir haben immer noch kein System kollektiver Sicherheit. Wir haben immer noch eine Koalition der Willigen, und das wird auch nicht besser, wenn jetzt Teile der Mission im NATO-Rahmen verlaufen. Das ist einfach keine verfassungsfeste Rechtsgrundlage, die Sie hier vorlegen. Das Zweite ist: Die Befehlskette ist brüchig. Wir haben mit Mustafa al-Kadhimi einen Ministerpräsidenten, der sehr viel Gutes will und sehr viel Gutes für das Land tut, aber nicht wirklich vorankommt. Wir haben dieser Tage erlebt, dass die moralische Instanz im Land, al-Sistani, eingefordert hat: Diejenigen, die Verbrechen gegen die Zivilgesellschaft begangen haben, sollen zur Rechenschaft gezogen werden, damit das Land endlich unter die Kontrolle der Regierung gestellt werden kann und das Gewaltmonopol wiederhergestellt wird. – Wir erleben permanent, dass die Volksmobilisierungseinheiten von der irakischen Regierung finanziert werden, aber vom Iran aus geführt werden. Das ist in diesem Jahr weit schlimmer geworden. Deshalb stellt sich die Frage – es gibt so viele Vorfälle, wie wir in Bagdad gesehen haben, auch in diesen Tagen, auch mitten in der Green Zone –, ob es sinnvoll ist, unter diesen Umständen ohne jegliche Sicherheitsgarantie auszubilden, ohne dass man weiß, wofür man diese Leute ausbildet und auf welcher Seite sie am Ende stehen. Deshalb kann ich meiner Fraktion zum jetzigen Zeitpunkt nicht empfehlen, diesem Mandat zuzustimmen. Es ist dringend notwendig, ISIS zu bekämpfen, auch militärisch. Aber es braucht eine Rechtsgrundlage, und es muss auch klar sein, gerade bei den Reformen des Sicherheitssektors, – Kollege Nouripour, achten Sie bitte auf die Zeit. – wofür wir ausbilden. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Thomas Erndl das Wort.
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Dr. Martin Neumann FDP
Martin
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach monatelangem Hickhack der Großen Koalition liegt das Energiesammelgesetz nun endlich vor. Die Bundesregierung hat es jetzt sehr eilig und möchte das Gesetz nun im Expressverfahren durch Bundestag und Bundesrat prügeln. Wir sollten uns trotzdem ausreichend Zeit nehmen; denn es geht hier tatsächlich um gravierende Dinge, die letztendlich uns alle betreffen. Wir müssen das Gesetz unter die Lupe nehmen. Ziel muss sein, einen Erfolg der Energiewende in Richtung Klimaschutz zu erreichen. Das ist, glaube ich, klar. Also: Ja zu Paris. Das gelingt aber nicht mit ideologischem Blindflug und auch nicht mit ausufernder Planwirtschaft. Stattdessen brauchen wir einen Wettbewerb emissionsarmer Energieträger. Wir brauchen eine deutliche Erhöhung der Eigenverantwortung, das heißt mehr Einbeziehung der Menschen. Und – das ist ganz wichtig an dieser Stelle; das geht uns auch alle an – es muss um Versorgungssicherheit gehen, das heißt Versorgungssicherheit stets und ständig. Ich will noch einen Punkt draufsetzen – es ist ein Irrglaube, dass uns Europa hilft, wenn irgendwas mal nicht funktioniert –: Wir brauchen Versorgungssicherheit auch auf europäischer Ebene. Dafür müssen wir arbeiten. Jetzt komme ich zu dem Positiven. Der Gesetzentwurf, den wir zu Beginn der Diskussion erhalten haben, enthält einige positive Ansätze. Diese möchte ich nennen. Der erste wäre das Thema Innovationsausschreibungen. Wir brauchen jetzt mehr Netz- und Systemdienlichkeit. Das ist gut. Ich glaube, das ist zu wenig und zu spät gekommen. Positiv ist auch, dass eine Teilbefreiung von der EEG-Umlage für KWK-Anlagen rückwirkend zum 1. Januar möglich sein wird. Das schafft endlich Rechtssicherheit für Unternehmen. Das brauchen wir, und es ist längst überfällig. Herr Saathoff hat das Thema Nachtkennzeichnung – auch das ist etwas Wichtiges – und das Thema Akzeptanz angesprochen. Ich habe es bei verschiedenen Podiumsdiskussionen gehört und immer wieder vor Augen geführt bekommen: Wir müssen die Menschen mitnehmen. Die Energiewende geht nicht ohne die Menschen. Das trifft letztendlich auch für das zu, was wir an der Stelle machen müssen. Noch ein paar Sätze; ich habe nur noch 60 Sekunden. Im Gesetz geht es um die Sonderausschreibung für Wind- und Sonnenanlagen. Ja, das ist im Koalitionsvertrag enthalten, aber unter dem Vorbehalt von Netzkapazität und Speicher. Hiervon, meine Damen und Herren, kann doch keine Rede sein. Schauen wir uns die Tatsachen an: Die letzte Ausschreibung – da ging es um Windenergie an Land – war unterzeichnet. Wenn man jetzt auf die Idee kommt, die Ausschreibungsmenge einfach zu erhöhen, führt das ein wettbewerbliches Instrument ad absurdum. Das funktioniert nicht. Außerdem – wie gesagt, ich fasse mich aus Zeitgründen kurz –: Die Bundesregierung macht im Moment einen Doppelfehler. Man kann nicht einerseits Eigenverbrauch und Direktversorgung – das wollen wir ja, wir wollen die Menschen mitnehmen – massiv behindern und andererseits die noch erforderlichen EEG-Marktprämien zu schnell kappen. Beides läuft gegeneinander. Da muss man einfach sagen: Das funktioniert so nicht. Ich sage dem Bundeswirtschaftsminister, der jetzt nicht anwesend ist, dass man den Stromkunden bitte keinen Sand in die Augen streuen soll. Sie tun so, als wenn der Netzausbau längst umgesetzt wäre. Fakt ist aber eines: Das Gesetzespaket ist noch nicht mal in der Abstimmung. Wenn ich noch eine Zahl zum Abschluss nennen darf: Von den 5 900 benötigten Kilometern Stromleitungen sind erst rund 150 Kilometer realisiert. Wie wollen Sie das bewältigen? Diese Frage steht im Raum. Welche Gedanken haben Sie sich in diesem Kontext zu der Rolle von intelligenten Netzen gemacht? Denken Sie hier über stärkere Anreize nach, um Investitionen zu ermöglichen? Wenn Sie gedankenlos munter weiter Wind- und Solaranlagen zubauen, so ist das keineswegs eine Weichenstellung für eine sichere und bezahlbare Energiewende, sondern eine Irrfahrt aufs Abstellgleis, um im Bild zu bleiben. Ich bedanke mich. Nächster Redner ist der Kollege Lorenz Gösta Beutin, Fraktion Die Linke.
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