url
stringlengths
36
178
topic
stringclasses
15 values
title
stringlengths
4
117
date
stringclasses
108 values
text
stringlengths
881
4.1k
summary
stringlengths
71
473
https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-gefaehrliche-versuchung-1.18029
politik
SPD - Gefährliche Versuchung
00/03/2010
Eine der wenigen Freuden eines Oppositionspolitikers besteht darin, sich jederzeit über die Regierung mokieren zu können, besonders dann, wenn es um diese schlecht bestellt ist. Die Feststellung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier, dass Schwarze und Gelbe seit 120 Tagen ein unvorstellbares politisches Spektakel abgegeben, ist deshalb verständlich. Mehr noch - diese Feststellung ist richtig. Unverständlich ist dagegen Steinmeiers indirekte Ermunterung an die Bundeskanzlerin und ihren Vize zum Bruch des christlich-liberalen Bündnisses. Denn es gibt zwei Dinge, welche die Sozialdemokraten stärker fürchten müssen als gut dreieinhalb weitere Jahre in der Opposition: Eine neue große Koalition und, schlimmer noch, Neuwahlen. Anders als mancher Christdemokrat phantasiert in diesen schwierigen Regierungszeiten kein Sozialdemokrat über eine neuerliche Zusammenarbeit mit CDU und CSU. Die Genossen wissen nur zu gut, dass die SPD in einer derartigen Koalition vollends erstickt und ihren Charakter als Volkspartei vielleicht für immer verlieren würde. Die SPD ist immer noch staatstragend, ansonsten hätte sie dem neuen Afghanistan-Mandat für die Bundeswehr nicht zugestimmt und würde nicht bei einer Grundgesetzänderung zugunsten der Job-Center mitwirken. Doch zum Wohl des Landes möchte sie sich trotzdem nicht entleiben - auch wenn selbst ein Teil der einstigen scharfen Kritiker der großen Koalition im Rückblick bescheinigt, dass sie eben jenem Wohl durchaus gedient hat. Eine vorgezogene Bundestagswahl würde ausweislich der Meinungsumfragen und aller internen Analysen die trübe Lage der SPD nicht verbessern. Vielleicht könnte sie ihre katastrophalen 23 Prozent vom vergangenen Herbst etwas übertreffen, vielleicht aber auch nicht. Dass sie über die für eine Volkspartei entscheidenden 30 Prozent der Wählerstimmen hinauskäme, gar den Kanzler stellen könnte, ist kaum zu erwarten. Die Enttäuschung von Millionen einstiger Wähler über die Reformpolitik der Ära Schröder sitzt zu tief. Das Vertrauen, das die Sozialdemokraten in elf Jahren Regierungsverantwortung verloren haben, können sie in wenigen Monaten nicht zurückgewinnen, selbst wenn Schwarze und Gelbe noch heftiger stritten. Baldige Neuwahlen würden nicht die Roten, wohl aber die Grünen stärken und dem Wunsch-Koalitionspartner der SPD womöglich neue Machtperspektiven im Bund geben. Auch das kann nicht das Interesse der SPD sein. Bevor die Sozialdemokraten überhaupt an Neuwahlen denken können, müssen sie sich selbst über ihren heute nur vage erkennbaren Kurs für die Zukunft klar werden. Und sie müssen abwarten, wie sich die Linkspartei unter deren neuer Führung entwickelt, ob sie als Koalitionspartner irgendwann einmal im Bund mitregieren kann und mag. Rot-Rot-Grün ist für die SPD auf mittlere Sicht die einzige Chance. Denn die Westerwelle-FDP fällt als Partner aus.
Die SPD sollte nicht auf einen Bruch der schwarz-gelben Koalition hoffen. Denn was die Sozialdemokraten vor allem fürchten müssen, sind Neuwahlen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-groehe-gegen-rechte-cdu-1.21605
politik
Gröhe gegen rechte CDU
00/03/2010
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe ist konservativer Kritik am Kurs seiner Partei entgegengetreten. "Hinter dem Gerede vom Linksruck der CDU verbirgt sich bei manchem der Wunsch nach einer rechten Partei", sagte Gröhe der Saarbrücker Zeitung. "Das ist die CDU aber nie gewesen. Wir sind die Partei der Mitte, deren Politik vom christlichen Menschenbild geprägt ist." Konservative Intellektuelle hatten zuletzt für ihr "Manifest gegen den Linkstrend" in der Union nach eigenen Angaben Hunderte Unterstützer aus der Parteimitgliedschaft gefunden. Gröhe sagte, "das Gerede darüber, dass diese Parteiführung für einen Linkstrend stehe, ist geradezu absurd". Er verwies auf die Schuldenbremse oder die Einigung im Streit um die Vertriebenen-Stiftung als Beispiele klarer CDU-Politik. Der CDU-Generalsekretär verteidigte nachhaltig die Modernisierung seiner Partei etwa in der Familienpolitik. "Modernität und Grundsätze sind keine Gegensätze. Entscheidend ist, die Balance zwischen beiden zu finden." Gröhe ging zugleich auf Distanz zur FDP in der Hartz-IV-Debatte. "Die FDP hat sich in dieser Debatte für eine Zuspitzung im Ton entschieden." Das Kernproblem sei aber nicht "massenhafte Verweigerung der Annahme von Arbeit". Arbeitslosigkeit habe viele Ursachen - etwa kein Arbeitsangebot, kein Berufsabschluss, keine Kinderbetreuung. "So wie ich Steuerzahler nicht gleich die Hinterziehung unterstelle, unterstelle ich Hartz-IV-Empfängern auch nicht sofort Leistungsmissbrauch", sagte Gröhe. Warum es einen neuen Koalitionsstreit gibt, die Liveberichterstattung von Anschlägen in Afghanistan verboten werden soll und Bill Clinton zu mehr Hilfe für Haiti aufruft: Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Kurzmeldungen.
Generalsekretär Gröhe verteidigt die Modernisierung der CDU und wittert den Versuch einiger Parteimitglieder, die Union nach rechts zu steuern. Kurzmeldungen im Überblick.
https://www.sueddeutsche.de/politik/karadzic-vor-un-tribunal-schuld-und-schweigen-1.3417
politik
Karadzic vor UN-Tribunal - Schuld und Schweigen
00/03/2010
Die Welt war ratlos, als zu Beginn der neunziger Jahre der Krieg auf dem Balkan ausbrach. Der Westen ignorierte lange Zeit die Massaker, man wollte sich in diesen "Bruderkrieg" nicht einmischen. Die bemerkenswerte Parole lautete damals: Alle sind schuld, alle sind Opfer. Erst im Mai 1993, als angesichts der Kriegsverbrechen in Bosnien der Druck der Öffentlichkeit auf die Politiker im Westen zu groß wurde, beschlossen die Vereinten Nationen die Gründung eines Tribunals zur Ahndung von Kriegsverbrechen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien. Seither hat das Gericht 161 Personen angeklagt, 121 Verfahren sind abgeschlossen, 61 Angeklagte wurden verurteilt. Ziel des UN-Tribunals war nicht nur, die individuelle Schuld an Gräueltaten nachzuweisen, sondern auch zur Versöhnung zwischen den Balkanvölkern beizutragen und künftigen Verbrechen vorzubeugen. Das ist nach Meinung des serbischen Journalisten Dejan Anastasijevic nicht gelungen. "Einige der schlimmsten Verbrechen, einschließlich des Genozids in Srebrenica, der Vertreibung der Serben aus Kroatien und der Gräueltaten im Kosovo, geschahen, nachdem das Tribunal seine Arbeit aufnahm", sagte Anastasijevic Mitte Februar auf einer Balkan-Konferenz, die von der Indiana University organisiert wurde. Die Versöhnung lasse sich nicht von außen diktieren, nötig seien Geduld und Engagement der gesamten Gesellschaft. Doch die Gesellschaften auf dem Balkan seien nicht reif für diesen Prozess, meint Anastasijevic, der als einer der besten Kenner der jugoslawischen Zerfallskriege gilt und im Prozess gegen den Serbenführer Slobodan Milosevic ausgesagt hat. Es überrascht deshalb nicht, dass die Fortsetzung des Prozesses gegen Radovan Karadzic auf dem Balkan fast keine Reaktionen ausgelöst hat. Die Opfer seiner mörderischen Politik in Bosnien kritisieren vor allem die Tatsache, dass es der UN-Justiz nicht gelungen ist, die Hauptverantwortlichen für die Schwerverbrechen auf dem Balkan zu verurteilen. Milosevic starb während des Verfahrens in seiner Haager Zelle, nachdem er jahrelang die Richter an der Nase herumgeführt hatte. Der Prozess gegen Karadzic beginnt erst jetzt - fast zwei Jahrzehnte nach dem Zerfall Jugoslawiens. Der kroatische Journalist Boris Dezulovic, der in Belgrad lebt, warnte kürzlich die Richter in Den Haag vor Karadzic: Er werde sie narren wie einst die ganze internationale Gemeinschaft. Und eines Tages werde der mutmaßliche Massenmörder den Vorsitzenden Richter fragen: "Sagen Sie mal: Wann haben Sie sich zum ersten Mal wie ein Esel gefühlt?" Das Image des Tribunals ist besonders in Bosnien schlecht, weil Ratko Mladic, Befehlshaber der bosnisch-serbischen Truppen, noch auf freiem Fuß ist, vermutlich in Serbien. Dort findet erst jetzt die Debatte statt, ob das Parlament den Völkermord in Srebrenica verurteilen soll. In den meisten Belgrader Medien wird der Massenmord an den Muslimen als "Ereignis" bezeichnet - obwohl der Internationale Gerichtshof in Den Haag das Blutbad der serbischen Truppen als Genozid eingestuft hat.
161 Personen angeklagt, 61 verurteilt und jetzt endlich Karadzic auf der Anklagebank, doch die Kriegsverbrecher-Prozesse der UN helfen dem Balkan nicht.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/google-vorbildlich-in-china-1.23557
wirtschaft
Google - Vorbildlich in China
00/03/2010
Der Internetkonzern Google schaltet in China seine Seiten ab, weil er nicht mehr bereit ist, die Zensur der Informationen in der Volksrepublik mitzutragen. Er zieht sich aus dem Land zurück und ist damit das erste große Unternehmen, das aus politischen Gründen der Regierung in Peking die Stirn bietet und zudem auf die Wachstumschancen verzichtet. Die Regierung in Peking schlug sofort zurück und drohte dem Suchmaschinenanbieter mit "Konsequenzen". Schnell kursierte die Deutung, Google sei in China in Wahrheit nicht erfolgreich, es habe nur einen Marktanteil von 30 Prozent, das China-Geschäft mache bestenfalls einen Bruchteil des Konzernumsatzes aus. Andere behaupteten, der erfolgreichste Weltkonzern der jüngeren Vergangenheit nutze seine Probleme in China nur, um sein Image zu verbessern, das zuletzt gelitten hatte, weil sich die eifrigen Suchmaschinisten in alle Lebensbereiche der Menschen einmischten. Der Rückzug sei nichts als ein PR-Gag, zumal sich Google gar nicht völlig aus China verabschiede, sondern Anfragen nur auf einen Computer in Hongkong umleite. Dabei hat der Mitbegründer von Google, der in Russland geborene Sergej Brin, eine bemerkenswert einfache Begründung für den Google-Rückzug in China genannt: Er fühle sich an seine Heimat, die Sowjetunion, erinnert. Wahrscheinlich haben für Google alle Motive eine Rolle gespielt. Trotzdem ist die Entscheidung historisch zu nennen. Sie ist mutig, weil sie schwerwiegende Folgen für das Unternehmen haben kann. Man wünscht sich, dass andere dem Beispiel der Silicon-Valley-Firma folgen. Es ist bei Unternehmern und Managern in der westlichen Welt üblich, nicht über die politischen Verhältnisse in China zu sprechen. Die Wirtschaft schätzt das Land mit seinen 1,3 Milliarden Menschen als ein schier unerschöpfliches Wachstumsreservoir, das Geschäfte für Jahrzehnte verspricht. Die will man auf keinen Fall mit Bemerkungen über fehlende Menschenrechte und ein diktatorisches Regime gefährden. Weltkonzerne, die im eigenen Land nicht vor massivem Druck auf die Regierungen zurückschrecken würden, lassen sich in diesem Wachstumsmarkt Dinge gefallen, die sie anderswo niemals akzeptieren würden. In China ist der Diebstahl von Technologie gang und gäbe, er ist sogar eine Art Staatszweck. Rechtssicherheit ist ein Fremdwort in diesem Land. Allein der Blick auf die gewaltigen Chancen macht die Manager blind und stumm. Unternehmer müssen keine Freiheitskämpfer sein. Niemand kann ernsthaft erwarten, dass sie mit kritischen Bemerkungen über die Regierung in Peking ihre Geschäfte gefährden. Das ist Sache ihrer Politiker. Aber wenigstens sollten es die Wirtschaftsvertreter unterlassen, die politischen Verhältnisse in China schönzureden.
Google hat den Kampf gegen Chinas Zensoren verloren. Dennoch kann das Unternehmen das Schlachtfeld mit erhobenem Haupt verlassen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/daimler-korruptionsfall-schmierige-milliarden-1.16987
wirtschaft
Daimler: Korruptionsfall - Schmierige Milliarden
00/03/2010
Mit seinen jahrelangen Schmiergeldzahlungen hat der Autokonzern Daimler 1,9 Milliarden Dollar - also 1,4 Milliarden Euro - extra umgesetzt und dadurch mehr als 90 Millionen Dollar illegalen Gewinn erzielt. Diese Berechnungen hat jedenfalls die amerikanische Börsenaufsicht SEC am Freitag veröffentlicht. Im Zuge ihrer Korruptionsermittlungen wirft die SEC dem Stuttgarter Autobauer vor, der Konzern habe unzulässige Zahlungen in Höhe von mindestens 56 Millionen Dollar vorgenommen. Insgesamt seien mehr als 200 Transaktionen in Ländern wie Russland, China, Griechenland und Ägypten getätigt worden. Die Staatsanwälte des US-Justizministeriums haben bereits Klage gegen zwei Tochterfirmen von Daimler erhoben. Die SEC hatte parallel dazu ein Zivilverfahren gegen Daimler angestrengt. Am 1. April findet vor einem Washingtoner Gericht die Anhörung der Beteiligten statt, der Richter wird über die Anklage von US-Börsenaufsicht und Justizbehörde entscheiden. Zu Millionenzahlungen bereit Den Klägern zufolge hat Daimler zwischen 1998 und 2008 in mindestens 22 Ländern gegen Antikorruptionsgesetze verstoßen. Vor der Anhörung will Daimler den Fall nicht kommentieren. Der Autokonzern sucht einen Vergleich und ist dem Vernehmen nach bereit, 185 Millionen Dollar für eine Beilegung des Verfahrens zu zahlen. Allerdings geben sich die US-Behörden damit nicht zufrieden, sie wollen den Autokonzern drei Jahre lang auf tadelloses Verhalten hin überprüfen. Das soll der ehemalige FBI-Direktor Louis Freeh übernehmen, der auf Wunsch von Daimler schon vor Jahren zur Aufklärung der Korruptionsvorwürfe hinzugezogen wurde. Der Konzern hatte Freeh bereits Ende 2006 als Berater verpflichtet, aber selbst nach seiner Berufung kam es den Ermittlern zufolge zu Bestechungen von ausländischen Beamten. Zufriedene US-Ermittler Unterdessen melden sich erste Firmen zu Wort, deren Mitarbeiter sich schmieren ließen. Der chinesische Mineralölkonzern China Petroleum & Chemical (Sinopec) räumte ein, dass einer seiner Mitarbeiter Bestechungsgeld von den Stuttgartern angenommen habe. Der Mitarbeiter sei deswegen 2006 von einem Gericht in Peking verurteilt worden, teilte das Unternehmen auf seiner Webseite mit. Nicht nur die US-Behörden, auch die Antikorruptionsorganisation Transparency International halten Daimler zugute, seit Auftauchen der ersten Vorwürfe 2004 nicht untätig gewesen zu sein. Die US-Ermittler bezeichneten die Zusammenarbeit als hervorragend. Peter von Blomberg, der Vizechef von Transparency Deutschland, bescheinigte dem Autokonzern, seit 2005 erhebliche Anstrengungen unternommen zu haben, um unethischem Geschäftsgebaren einen Riegel vorzuschieben. Wie aus den Gerichtsunterlagen hervorgeht, war die Konzernspitze gegen 60 verdächtige Manager vorgegangen, 45 von ihnen mussten in den vergangenen Jahren die Firma verlassen. Das bewahrt den Konzern nun offenbar vor noch höheren Bußgeldzahlungen.
Lukrative Korruption: Daimler hat wegen der Schmiergeldzahlungen 1,4 Milliarden Euro mehr umgesetzt. Der Konzern entließ 45 verdächtige Manager.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/usa-korruptionsvorwuerfe-daimler-wegen-bestechung-angeklagt-1.11112
wirtschaft
USA: Korruptionsvorwürfe - Daimler wegen Bestechung angeklagt
00/03/2010
Die Daimler AG wird in den Vereinigten Staaten wegen Bestechung angeklagt. Das US-Justizministerium stellte am Dienstag in Washington eine entsprechende Klageschrift dem zuständigen Bundesgericht zu. Nach dem 76-Seiten-Dokument soll der deutsche Konzern von 1998 bis 2008 in mindestens 22 Ländern Schmiergeld gezahlt und gegen amerikanische Gesetze verstoßen haben. Ein Sprecher des Unternehmens lehnte jeden Kommentar zu der Anklage ab. Der Fall soll am 1. April vor dem Gericht in der amerikanischen Hauptstadt verhandelt werden. Der deutsche Autobauer unterliegt amerikanischen Gesetzen, weil die Daimler-Aktie an der New York Stock Exchange notiert ist und Anteile an US-Unternehmen hält. Wie es in mit dem Fall vertrauten Kreisen hieß, wird in Kürze auch die Börsenaufsicht SEC eine Klageschrift gegen Daimler vorlegen. Diese Schrift enthält einen detaillierten Vergleichsvorschlag, wonach Daimler 94 Millionen Dollar an das Justizministerium und 91 Millionen Dollar an die SEC zahlen soll - insgesamt also 185 Millionen Dollar. Eine Bestätigung für diese Zahlen war am Abend in New York nicht zu bekommen. Kreisen zufolge plant Daimler, die geforderten 185 Millionen Dollar (138 Millionen Euro) zu zahlen, um eine Beilegung zu erreichen. Zudem beabsichtigten die Daimler-Niederlassungen in Deutschland und Russland, sich schuldig zu bekennen, sagte eine mit dem Fall vertraute Person. "Unsachgemäße Zahlungen" Nach Darstellung des Justizministeriums hat der deutsche Konzern über verschiedene Wege Schmiergeld an "ausländische Regierungsmitarbeiter" gezahlt. Sie seien als Kommissionen, spezielle Rabatte oder "nützliche Aufwendungen" verbucht worden gewesen. Millionenbeträge seien auf diese Weise unter anderem an Regierungsbeamte in China, Russland, Ägypten, Griechenland, der Türkei gezahlt worden. Bereits im letzten Geschäftsbericht teilte Daimler mit, dass das Unternehmen den amerikanischen Behörden Informationen zu dem Fall zur Verfügung gestellt hat. Bei eigenen internen Untersuchungen sei festgestellt worden, dass primär in Afrika, Asien und Osteuropa "unsachgemäße Zahlungen erfolgt sind". Deshalb seien verschiedene Maßnahmen ergriffen worden, um eine Wiederholung zu vermeiden; dazu hätten die Überarbeitung interner Richtlinien, schärfere Kontrollen und personelle Konsequenzen gehört. Daimler verhandele mit den US-Behörden, um ein einvernehmliches Ende der Untersuchungen zu erreichen. Die Anklage basiert auf längeren Ermittlungen der SEC und des Justizministeriums.
Schwere Vorwürfe des US-Justizministeriums: Daimler soll in 22 Ländern Behörden geschmiert haben. Jetzt muss der Konzern 185 Millionen Dollar zahlen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bundessozialgericht-urteil-kein-hartz-iv-zuschlag-fuer-wachsende-kinder-1.13512
wirtschaft
Bundessozialgericht: Urteil - Kein Hartz-IV-Zuschlag für wachsende Kinder
00/03/2010
Wenn Kinder aus ihrer Kleidung herauswachsen, muss Ersatz her - das ist bei Top-Verdienern nicht anders als bei Hartz-IV-Familien. Letztere stoßen dabei jedoch rasch an ihre finanziellen Grenzen - besonders bei Wachstumsschüben. Mehr Geld vom Amt bekommen Hartz-IV-Empfänger jedoch auch in diesem Fall nicht. Sie hätten keinen Anspruch auf Sonderbedarf für Kleidung, urteilte das Bundessozialgericht in Kassel. "Wachstum bei Kindern ist der Normalfall", hieß es zur Begründung. Kleidung gehöre zum regelmäßigen Bedarf und sei in der Hartz-IV-Regelleistung enthalten. Das Urteil aus Kassel war mit Spannung erwartet worden, denn es ist einer der ersten Richtersprüche zu diesem Thema, seit das Bundesverfassungsgericht Anfang Februar die Berechnung der Regelsätze für verfassungswidrig erklärt hatte. Unter anderem hatten sie bemängelt, dass dabei der spezifische Bedarf von Kindern zu pauschal ermittelt worden sei. Dies sieht auch das Bundessozialgericht so. Nur: Karlsruhe habe aber eine Änderung der Gesetze erst ab 2011 gefordert. "Das ist etwas unbefriedigend, weil wir einen rechtswidrigen Zustand auf den Rücken der Kläger austragen", sagte der Vorsitzende Richter Peter Udsching. Damit bestätigte der 14. Senat die bisherigen gesetzlichen Regelungen. Komplette Neuanschaffung Im konkreten Fall hatte eine Familie aus dem Kreis Recklinghausen 2006 für zwei ihrer drei Kinder ein zusätzliches Kleidergeld gefordert. Die damals drei und vier Jahre alten Kinder seien so schnell gewachsen, dass sie einen kompletten Satz Winterkleidung wie Schuhe, Handschuhe oder eine Winterjacke benötigten. Die Winterkleidung sollte als Erstausstattung gewertet werden. Nach dem Gesetz könnten auch Schwangere oder Kinder nach der Geburt eine Erstausstattung erhalten. Gleiches gelte bei einer krankheitsbedingten Änderung des Gewichts. "Das muss dann auch für einen wachstumsbedingten Bedarf gelten", sagte der Anwalt der Familie, Peter Frings. Es gehe schließlich um eine komplette Neuanschaffung für Kleidung. Außerdem könnten Kinder von Sozialhilfeempfängern solch einen Sonderbedarf einfordern. Könnten dies Kinder von Arbeitslosengeld-II-Beziehern nicht ebenfalls beanspruchen, werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt, argumentierte die Familie. Das Bundessozialgericht wies ihre Klage jetzt in letzter Instanz ab. (Aktenzeichen: B 14 AS 81/08 R)
Kinder wachsen schnell - und brauchen daher häufiger neue Kleidung. Hartz-IV-Empfänger müssen diese Anschaffung jedoch aus dem Regelsatz finanzieren.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tarifkonflikt-klinikaerzte-ruesten-sich-zum-arbeitskampf-1.24450
wirtschaft
Tarifkonflikt - Klinikärzte rüsten sich zum Arbeitskampf
00/03/2010
Im Tarifkonflikt der kommunalen Krankenhausärzte erhöht die Interessensvertretung der Mediziner den Druck. Mehrere tausend Ärzte traten unmittelbar vor Beginn der vierten Verhandlungsrunde in den Warnstreik. Sollten sich die Arbeitgeber nicht bewegen, seien in den kommenden Wochen auch langwierige flächendeckende Ausstände möglich, warnte der Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, auf einer zentralen Protestkundgebung in Köln. An den Warnstreiks beteiligten sich nach Arbeitnehmerangaben zufolge über 100 der bundesweit rund 800 kommunalen Kliniken. Es sei hier und da zwar zu Einschränkungen gekommen, aber die medizinische Notversorgung sowie dringende Eingriffe seien trotzdem gewährleistet gewesen, sagte ein Sprecher des Marburger Bundes. Die Warnstreiks sollten vor allem ein Signal an die Arbeitgeber sein, dass es so nicht weitergehen könne. "Wir wollen endlich ein vernünftiges Angebot", forderte er. Der Marburger Bund verlangt neben einer linearen Gehaltserhöhung um fünf Prozent auch Verbesserungen bei der Vergütung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in der Nacht, am Wochenende und an Feiertagen. Das bisherige Angebot der Arbeitgeber weist der Marburger Bund zurück. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände bietet den Ärzten nach eigenen Angaben eine Gehaltserhöhung von 2,3 Prozent bei einer Laufzeit von 26 Monaten. Hinzu kommen demnach ärztespezifische Regelungen. Drastische Unterbesetzung Henke warf den kommunalen Arbeitgebern jedoch vor, "viel Öl ins Feuer gegossen zu haben". Die Unterbesetzung auf den Stationen mache den Ärzten sehr zu schaffen. "Wenn das so weitergeht, befürchten wir einen Anstieg innerhalb der nächsten vier Jahre von jetzt 5000 auf 10.000 unbesetzte Stellen", sagte er der Stuttgarter Zeitung. Schon jetzt machten zwei Ärzte das, was früher drei oder vier gemacht hätten. Viele Häuser lösen ihre Besetzungsprobleme dadurch, dass sie Honorarärzte einkaufen. 4000 bis 5000 Wanderärzte seien in den deutschen Krankenhäusern unterwegs. Darüber hinaus müssen die verbliebenen Ärzte die zusätzliche Arbeit bewältigen und immer mehr Bereitschaftsdienste leisten.
Warnstreik der Klinikärzte: Die Mediziner klagen über Akkordschichten und Dumpinglöhne. Den Patienten drohen jetzt chaotische Streiktage.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/opel-antrag-auf-staatshilfen-ein-katalog-fuer-blitz-gescheite-1.7022
wirtschaft
Opel: Antrag auf Staatshilfen - Ein Katalog für Blitz-Gescheite
00/03/2010
Der Kampf von Opel und seiner Konzernmutter General Motors (GM) um deutsches Steuergeld geht in eine neue Runde. Am nächsten Mittwoch trifft sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung der zuständige interministerielle Bürgschaftsausschuss, um über den Antrag des angeschlagenen Autoherstellers auf eine staatliche Kreditbürgschaft zu beraten. Gleichzeitig wachsen die Unstimmigkeiten zwischen der Bundesregierung und Bundesländern mit Opel-Standorten über die Frage, wie es mit möglichen Hilfen für das Unternehmen weitergehen soll. Am 12. Februar schrieben die Ministerpräsidenten von Hessen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Rheinland-Pfalz Kanzlerin Angela Merkel einen Brief. Darin sprachen sie sich dafür aus, "parallel zu den Prüfungen des Bürgschaftsausschusses Abstimmungsgespräche auf politischer Ebene zu führen", da "so schnell wie möglich eine grundsätzliche Entscheidung über die Unterstützungsmöglichkeiten für Opel" getroffen werden müsse. Die Antwort der Kanzlerin fiel ziemlich lapidar aus. In ihrem Schreiben dankt Merkel für die "gute Zusammenarbeit" zwischen Bund und Ländern im Fall Opel, ohne auf die gewünschten Gespräche näher einzugehen. Nun legen die beiden Wirtschaftsminister von Rheinland-Pfalz und Thüringen, Hendrik Hering und Matthias Machnig (beide SPD) nach. In einem Brief an Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) fordern sie ihn auf, "eine grundsätzliche politische Positionierung von Bund und Ländern herbeizuführen". In diesen Gesprächen sei auch zu klären, "welche Forderungen GM in jedem Fall erfüllen muss, um staatliche Hilfen zu erhalten". FDP in der Bredouille Machnig wirft der Bundesregierung vor, in der Sache Opel auf "auf Zeit zu spielen". Der SPD-Politiker fürchtet, dass bis zu den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai überhaupt nichts entschieden wird. "Wir werden dann über Monate erleben, dass die Unsicherheit für alle Beteiligten weitergeht", sagte Machnig der SZ. Der Fall Opel ist vor allem für die FDP ordnungspolitisch hochsensibel. Bundeswirtschaftsminister Brüderle sieht sich als Hüter einer Marktwirtschaft, in der sich der Staat möglichst wenig in den Wettbewerb einmischen soll. Er gilt als Skeptiker in Sachen Staatshilfen für Opel, hält sich aber bedeckt. Immer wieder weist er lediglich darauf hin, dass General Motors wie jedes andere Unternehmen einen Antrag auf Staatshilfe aus dem Deutschland-Fonds stellen könne. Alles weitere ergebe die Prüfung des Falles. Die FDP ist aber auch in den Länderregierungen in Hessen und Nordrhein-Westfalen als Koalitionspartner der Union eingebunden. Und dort wollen die Ministerpräsidenten möglichst viele Arbeitsplätze in den Opel-Werken in Rüsselsheim und Bochum erst einmal retten. Der Bürgschaftsausschuss hatte GM/Opel im Februar 36 Fragen, zum Teil mit mehreren Unterpunkten, geschickt. Darin geht es nicht nur um die Liquidität des Unternehmens und den eigenen Sanierungsanteil von GM. Die Bundesregierung treibt nach wie vor die Sorge um, dass deutsches Steuergeld ins Ausland fließen könnte. In der Frage 7c heißt es: "Wie soll eine Abschottung der Liquidität von Opel gegenüber dem weiteren GM-Konzern erreicht werden?" Die 36 Fragen hat GM bis heute nicht komplett schriftlich beantwortet. Immer wieder gab es Nachfragen aus Berlin. "Wir sind bestrebt, alle Punkte zügig und umfassend zu beantworten", sagt dazu ein Opel-Sprecher. Am Mittwoch wird der Bürgschaftsausschuss versuchen, weitere Details zu klären. Das nächste Kapitel in der scheinbar unendlichen Geschichte der Opel-Sanierung kann beginnen.
Der Bürgschaftsausschuss will vom Opel-Mutterkonzern GM jetzt sehr genau wissen, wie die Sanierung aussehen wird. Andernfalls wird Staatshilfe fraglich.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/interesse-an-uebernahme-bahn-buhlt-um-arriva-1.15516
wirtschaft
Interesse an Übernahme - Bahn buhlt um Arriva
00/03/2010
Die Deutsche Bahn (DB) hat nach Angaben aus Konzernkreisen Interesse an einer Übernahme des britischen Transportkonzerns Arriva, der mit seinen 44.000 Beschäftigten in zwölf europäischen Ländern aktiv ist. Vorstandschef Rüdiger Grube lasse seit einigen Monaten sondieren, ob ein Kauf des Unternehmens möglich sei. Begonnen worden seien Gespräche über einen Einstieg bei Arriva bereits von Grubers Vorgänger Hartmut Mehdorn. Arriva teilte am Mittwoch mit, man habe eine Übernahmeanfrage erhalten. Den Namen des Interessenten nannte das britische Unternehmen nicht. Die DB äußerte sich nicht dazu. Die Arriva-Aktien stieg nach Bekanntgabe der Übernahmeanfrage um mehr als 17 Prozent. Die Deutsche Bahn hat sich unter Mehdorn von einer nationalen Eisenbahn und in einem globalen Verkehrskonzern gewandelt, der nicht mehr nur Schienenstrecken und Züge betreibt und der zu den Marktführern in dieser Branche zählen will. Grube setzt diesen Kurs offenbar fort, mit Unterstützung der Bundesregierung. Die internationale Expansion soll gewährleisten, dass das Staatsunternehmen DB wegen der zunehmenden Konkurrenz im eigenen Lande nicht schrumpft, sondern seine Geschäfte ausbaut. Daher auch das anhaltende Interesse an Arriva. Das britische Unternehmen ist eine der größten privaten Transportgesellschaften in Europa. Nach Angaben aus DB-Kreisen wäre bei einem Kauf von Arriva allerdings mit Einwänden des Bundeskartellamtes zu rechnen. Man müsse sich darauf einstellen, dass das Kartellamt verlange, die deutschen Bahn- und Buslinien von Arriva nicht zu übernehmen, sondern an andere Betreiber abzugeben. Sonst wäre der Wettbewerb beim öffentlichen Verkehr gefährdet. Arriva betreibt von Bayern bis Hamburg zahlreiche Buslinien und Regionalzüge und beschäftigt rund 3500 Leute in Deutschland. Die DB konnte im Krisenjahr 2009 nach Angaben aus Konzernkreisen dank Sondererträgen einen Nettogewinn von rund 800 Millionen Euro ausweisen. Dennoch ist das ein Gewinnrückgang von über einem Drittel. Der Umsatz sackte um zwölf Prozent ab und liegt mit 29,3 Milliarden Euro im Rahmen der Planung des Konzerns. Das ist vor allem auf Güterbahn- und Logistik-Sparte zurückzuführen, die unter der Wirtschaftskrise am stärksten zu leiden hatte. In diesem Jahr will die Bahn den Umsatz um sieben Prozent auf über 31 Milliarden Euro steigern. Der Gewinn soll um 20 Prozent zulegen. Die DB äußerte sich nicht zu den Zahlen und verwies auf die Bilanzpressekonferenz kommende Woche.
Obwohl die Gewinne schrumpfen, plant die Deutsche Bahn offenbar eine weitere Übernahme. Objekt der Begierde soll der britische Transportkonzern Arriva sein.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/diw-chef-zimmermann-manch-einer-fuehlt-sich-ueberfordert-1.6938
wirtschaft
"DIW-Chef Zimmermann - ""Manch einer fühlt sich überfordert"""
00/03/2010
Nach den Vorwürfen der Misswirtschaft gegen das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin geht dessen Präsident Klaus Zimmermann, 57, zum Gegenangriff über. Der umstrittene DIW-Chef räumt Fehler ein, geht aber auch mit seinen Kritikern ins Gericht: "Manch einer fühlt sich überfordert." SZ: Herr Professor Zimmermann, der Krach um das DIW geht in die entscheidende Runde. Am Donnerstag berät das Kuratorium über die Zukunft des Instituts und Konsequenzen aus der Affäre. Werden Sie danach noch im Amt sein? Klaus Zimmermann: Es gibt keine gegenteiligen Erkenntnisse und es hat keiner meine Abwahl beantragt. Am Donnerstag geht es nicht um Köpfe, sondern um die Strategie des DIW in den kommenden Jahren. Ich will der Entscheidung des Kuratoriums nicht vorgreifen. Aber ich bin mir ganz sicher, dass mein Bericht dort große Zustimmung erfahren wird. SZ: Was der Berliner Rechnungshof auf 60 Seiten zusammengetragen hat, ist wenig schmeichelhaft. Das DIW soll es mit den Finanzen nicht so genau genommen haben. Der Vorwurf: Bis zu sieben Millionen Euro an Steuergeldern könnte das Institut verschwendet haben. Was ist schiefgelaufen? Zimmermann: Der Vorwurf trifft mich und das Institut sehr, aber die wesentlichen Vorwürfe sind vom Berliner Senat widerlegt worden. Wir haben Fehler gemacht. Es hat eine Reihe formeller Fehlentscheidungen gegeben. Ein Beispiel: Wir haben einen Möbelkauf beim Umzug innerhalb Berlins nur bundes- und nicht europaweit ausgeschrieben. Auch wenn kein materieller Schaden entstanden ist, müssen die Abläufe verbessert werden. Und wir arbeiten daran. Aber die angeblichen Größenordnungen sind weit von der Realität entfernt. SZ: Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen Sie wegen Untreue aufgenommen. Sie fühlen sich zu Unrecht unter Verdacht? Zimmermann: Die Staatsanwaltschaft muss solchen Fragen nachgehen - ein Routineakt. Der Berliner Senat selbst hat die meisten Vorwürfe klar entkräftet. Von den sieben Millionen, die als mögliche Schadenssumme vom Rechnungshof genannt wurden, sind noch 150000 Euro übriggeblieben. Ich würde jede Chance ergreifen, den Verdacht endgültig auszuräumen. Wir haben der Staatsanwaltschaft auch sofort jede mögliche Kooperation angeboten. SZ: Kritiker werfen Ihnen Großmannssucht vor. Musste der Umzug ins neue, pompöse Berliner Domizil im Nobelviertel Mitte wirklich sein? Zimmermann: Das ist mitnichten pompös. Der Umzug musste aus drei Gründen sein: Die zentrale Lage erleichtert uns die Arbeit. Es ist zeit- und kostensparender, kurzen und direkten Kontakt zu Politik, Wissenschaft, Verbänden oder der Presse zu haben. Zum anderen musste unsere eigene Immobilie in Dahlem ohnehin saniert werden, und wir hätten über kurz oder lang sowieso ausziehen müssen. Außerdem stehen das DIW und auch ich persönlich nach Terroranschlägen noch immer unter Polizeischutz. Der neue Standort ist deutlich sicherer und besser zu überwachen. Das spart Kosten bei der Polizei.
DIW-Chef Klaus Zimmermann über Vorwürfe der Misswirtschaft, seine Gegner - und die Expansion nach China.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/frankreich-kritisiert-deutschland-lagardes-logik-1.21641
wirtschaft
Frankreich kritisiert Deutschland - Lagardes Logik
00/03/2010
Deutschlands Wachstum geht auf Kosten anderer Euroländer und belastet insbesondere Frankreichs Exportindustrie. Das ist im Kern die Kritik, die die französische Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde am Montag in einem Interview mit der britischen Zeitung Financial Times äußerte. Deutschland habe seine Lohnstückkosten und seine Arbeitskosten insgesamt seit gut zehn Jahren im Vergleich zu seinen Partnern gesenkt und sich dadurch auf den Exportmärkten Wettbewerbsvorteile verschafft. Weil Deutschland dabei anderen Partnern Marktanteile abluchste, findet Lagarde dieses Wachstumsmodell unfair gegenüber den Partnern. Erstmals drückt damit ein französisches Regierungsmitglied aus, was führende Ökonomen wie Jean-Paul Fitoussi seit längerem bemäkeln. Sie werfen Deutschland vor, eine Art Preisdumping zu betreiben und aufgrund seines Gewichts in Europa andere Euroländer dazu zu zwingen, eine ähnliche Reformpolitik zu fahren. Ohne es offen auszusprechen, lehnte es Lagarde ab - wie es Deutschland lange betrieben hat -, Lohnmäßigung für ihr Land zu fordern, um die französische Industrie wettbewerbsfähiger zu machen und Arbeitsplätze zu erhalten. Sie forderte hingegen Deutschland auf, sich Frankreich anzupassen und die Binnennachfrage, das heißt, den privaten Konsum, über höhere Gehälter zu stimulieren. "Wir brauchen eindeutig eine stärkere Angleichung", sagte sie. Damit machte ein französisches Regierungsmitglied erstmals auch klar, was sich Paris unter einer EU-Wirtschaftsregierung vorstellt. Wie ein Zoll innerhalb der Eurozone Ökonom Jean-Paul Fitoussi, der das Wirtschaftsforschungsinstitut OFCE leitet, plädiert seit Jahren dafür, Deutschlands Wirtschaftspolitik stärker einzubinden. Er hält das deutsche Exportmodell für unkooperativ. Zur Erklärung führt er die deutsche Mehrwertsteuererhöhung an. Sie wirke wie ein Zoll innerhalb der Eurozone. Deutsche Firmen hätten dadurch einen komparativen Kostenvorteil. Die Einfuhren verteuern sich, die Ausfuhren steigen. Die Folgen seien zweifach negativ: In Deutschland schwäche sich die Nachfrage ab und im restlichen Euroraum belaste der Kostenvorteil die Exportwirtschaft. Aufgrund der Lohnzurückhaltung hätten deutsche Produkte sukzessive die Exportwaren aus den Partnerländern verdrängt. Vor dem Euro habe man solch eine Politik als reale Abwertung der D-Mark kritisiert. In der Währungsunion gebe es zwar nominal keine Wechselkursschwankungen mehr, real aber schon. Der Abwertungsdruck laste nun auf allen Währungspartnern, vor allem auf dem größten Handelspartner: Frankreich. Deutschlands Marktanteil sei so gewachsen, wie der Anteil der Partnerländer zurückgegangen sei. 1995 hätten die Lohnstückkosten in Deutschland noch über denen in Frankreich, Italien und Spanien gelegen, inzwischen seien sie niedriger. Würden Frankreich, Italien und Spanien im gleichen Maßen ihre Lohnstückkosten drücken, würde das die schwache Konjunktur im Euroraum endgültig abwürgen. Unkooperativ sei dies zudem, weil das, was Deutschland an Marktanteilen gewinne, weniger als die Summe dessen sei, was der Rest der Währungsunion verliere. Damit die gesamte Währungszone gewinne, sollte Deutschland seine Politik im Rahmen einer EU-Wirtschaftsregierung mit den Partnern absprechen.
Die Abrechung der Madame Lagarde: Frankreichs Wirtschafts- und Finanzministerin ärgert sicht über die deutsche Wirtschaftspolitik - und muss ebenfalls Schelte einstecken.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ig-metall-chef-huber-liebe-geht-durch-den-magen-1.16537
wirtschaft
IG-Metall-Chef Huber - Liebe geht durch den Magen
00/03/2010
Berthold Huber blieb ruhig. Nach dem Wahlsieg von Union und FDP im September 2009 teilte der Chef der IG Metall mit: "Ich setze auf die Vernunft von Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin hat bisher gegenüber Arbeitnehmern einen fairen Kurs gefahren." Umgekehrt lobt Merkel seit Monaten die Gewerkschaften für ihr verantwortliches Verhalten in der Wirtschaftskrise. Speziell den Tarifabschluss der Metaller, bei dem zugunsten von Arbeitsplatzsicherung nur geringe Lohnerhöhungen vereinbart wurden, nannte sie vorbildlich. Die CDU-Kanzlerin und der Gewerkschaftsboss gehen überaus freundlich miteinander um. Am 17. März richtet Merkel zum 60. Geburtstag Hubers sogar ein Essen im Kanzleramt aus. Der IG Metall-Mann steigt auf in die Bewirtungsklasse von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der 2008 eingeladen war. Das ist ehrenvoll für Huber, gut für das Image der Kanzlerin vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen - und keine erfreuliche Nachricht für die SPD, deren Parteibuch Berthold Huber noch besitzt. Das Verhältnis von SPD und Gewerkschaften leidet bis heute an der Agenda 2010. Merkels Vorgänger Gerhard Schröder hatte sich mit den IG-Metall-Chefs Klaus Zwickel und Jürgen Peters vor allem gestritten. Mit DGB-Chef Michael Sommer verscherzte es sich der Kanzler, als er 2004 am Ende eines Staatsbesuches auf dem Flughafen von Accra zum ghanaischen Präsidenten John Kufuor sagte, er könne den DGB-Chef dabehalten, der mache ihm sowieso nur Probleme. "Das war kein Frotzeln", erinnerte sich Sommer später. "Er wollte den anderen zeigen: Den schneiden wir jetzt!" Schönen Dank, Frau Kanzlerin! Auch in Zeiten der großen Koalition forderten die Gewerkschaften von der SPD politische Korrekturen, ließen sich aber von der Kanzlerin charmieren. Merkel gab ihnen das Gefühl, anders als bei den bösen Sozis würden sie von ihr freundlich behandelt und sogar ernst genommen. Noch kurz vor der Bundestagswahl bedankten sich die Gewerkschaftsbosse mit einem werbeträchtigen Gespräch samt Fototermin im Kanzleramt. Mit der SPD hingegen gerieten Huber und andere über Kreuz, weil sie in der Parteizeitung Vorwärts ungefragt als Unterstützer von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier dargestellt wurden. Den Regierungswechsel hat die neue Freundschaft gut überstanden. Nach den Koalitionsverhandlungen wurden Merkel und ihre Leute nicht müde zu berichten, wie heldenhaft die Union alle Forderungen der FDP abgewehrt habe, Arbeitnehmerrechte zu beschneiden. Die Gewerkschafter revanchieren sich nun mit Solidarität in der von Guido Westerwelle zu Merkels Verdruss losgetretenen Sozialstaatsdebatte. Am Donnerstag flötete Michael Sommer, die Kanzlerin und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen bemühten sich um soziale Balance. Die FDP hingegen versuche, die Gesellschaft mit neoliberaler Politik zu spalten. Auf so viel Gemeinsamkeit lässt sich bald anstoßen, denn Sommer und von der Leyen gehören zu den von Huber und Merkel gemeinsam auserwählten Gästen. Mit dabei auch Metall-Arbeitgeber Martin Kannegiesser, Siemens-Chef Peter Löscher und VW-Chef Martin Winterkorn. Zugesagt haben Betriebsräte großer Konzerne, unter ihnen Merkels absoluter Favorit unter den Arbeitnehmervertretern: Klaus Franz von Opel. Sogar Uwe Hück von Porsche kommt, der 2005 in einer legendären Rede auf dem Wahl-Parteitag der SPD noch gerufen hatte, die Union stelle den Sozialstaat und damit die Demokratie in Frage.
IG Metall-Chef Berthold Huber steigt auf in die Bewirtungsklasse von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Kanzlerin Angela Merkel spendiert ihm ein Abendessen - in Berlin.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nach-langem-streit-durchbruch-fuer-militaertransporter-a400m-1.10156
wirtschaft
Nach langem Streit - Durchbruch für Militärtransporter A400M
00/03/2010
Nach langen Verhandlungen haben sich der Luftfahrtkonzern EADS und die Kunden des Militärtransporters A400M auf einen Kompromiss im Finanzierungsstreit geeinigt. Demnach steht nun fest, dass das Flugzeug gebaut wird. Der Kompromiss sieht vor, dass die Länder einer Preiserhöhung um zehn Prozent zustimmen. Dies entspricht einem Betrag von zwei Milliarden Euro. Darüber hinaus stellen sie weitere 1,5 Milliarden Euro bereit, die an sie aber zurückgezahlt werden, wenn die A400M im Export zusätzliche Umsätze schafft. Das Flugzeugprogramm sollte ursprünglich 20 Milliarden Euro kosten, laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PriceWaterhouse Coopers könnte es aber bis zu 31 Milliarden Euro kosten. EADS muss zusätzliche Rückstellungen von rund 1,8 Milliarden Euro in der Bilanz für 2009 bilden. Weitere Details werden auf der Bilanzpressekonferenz erwartet, die am Dienstag in Paris stattfindet. Deutschland größter Widerständler Insgesamt sieben Staaten haben 180 Maschinen des Typs bestellt, der bei den europäischen Luftwaffen alternde Modelle wie die C-160 Transall ablösen soll. Deutschland ist mit 60 Flugzeugen der größte Einzelkunde und leistete gegen die zusätzlichen Forderungen der Industrie den größten Widerstand. Das Flugzeug ist um fast vier Jahre verspätet. EADS hatte sich 2002 dazu verpflichtet, alle technischen und finanziellen Risiken bei dem Projekt zu tragen. Dies ist für ein militärisches Flugzeug sehr ungewöhnlich, denn wegen der geforderten extremen Flugleistungen geraten die Ingenieure oft an die Grenzen des Machbaren. Verzögerungen und höhere Kosten sind eher die Regel als die Ausnahme. Politische Einflussnahme EADS ließ sich vor acht Jahren dennoch auf das Geschäft ein, weil der Konzern durch die A400M die Chance auf starkes Wachstum im bis dahin schwachen Militärsektor sah und die technologischen Risiken unterschätzte. Das Projekt litt nicht nur unter technischen Schwierigkeiten, sondern auch unter starker politischer Einflussnahme. So setzten die Aufttraggeber durch, dass ein europäisches Triebwerkskonsortium die Motoren bauen sollte, obwohl EADS den amerikanischen Hersteller Pratt & Whitney bevorzugt hätte.
Trotz horrender Mehrkosten wird der Militärtransporter A400M gebaut. Hauptverlierer des monatelangen Verhandlungspokers ist der Luftfahrtkonzern EADS.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bahn-kein-geld-zum-bau-wichtiger-strecken-1.6152
wirtschaft
Deutsche Bahn - Kein Geld zum Bau wichtiger Strecken
00/03/2010
Die Bahn muss den Ausbau des Schienennetzes drastisch drosseln. Aus einer Übersicht, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, geht hervor, dass 46 "vordringliche" Aus- und Neubauprojekte vorerst nicht realisiert werden können. Viele hätten bis 2015 fertig sein sollen, doch wie sich nun zeigt, ist ihre Finanzierung nicht einmal bis 2025 gesichert. Nach Ansicht der Opposition droht "ein Verkehrsinfarkt". Betroffen sind laut dem Papier vor allem Ausbauten, aber auch mehrere Neubaustrecken, darunter die als besonders wichtig geltenden Trassen von Karlsruhe nach Basel, von Frankfurt nach Mannheim sowie von Fulda nach Frankfurt. Folgende Projekte werden vorerst nicht realisiert: (Abkürzungserklärungen: siehe unten) Auch beim Aus- und Neubau der Strecke von Hanau über Würzburg/Fulda nach Erfurt sowie bei der Trasse von Hannover Richtung Bremen und Hamburg (sogenannte Y-Trasse) ist die Finanzierung offen. Diese Strecken sind zum Teil jetzt schon stark überlastet. Wenn in Zukunft der Güterverkehr wieder anzieht, drohen weitere Engpässe. 500 Millionen Euro fehlen - jährlich Bahn-Chef Rüdiger Grube hatte das Papier vor einigen Tagen im Verkehrsausschuss des Bundestags präsentiert. Daraus geht hervor, dass die Bahn bis 2025 jährlich 1,8 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur benötigen würde, um die wichtigsten Projekte zu realisieren. Nach den derzeitigen Haushaltsplanungen stehen ihr jedoch ab 2011 - nach Auslaufen der Konjunkturprogramme - jährlich nur 1,16 Milliarden Euro zur Verfügung. Selbst wenn noch EU-Mittel eingerechnet werden, "würden in den nächsten Jahren mindestens 500 Millionen Euro jährlich fehlen", sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Winfried Hermann (Grüne), am Donnerstag. Alles in allem summiere sich die Finanzlücke für die Schienenprojekte der Bahn - darunter auch bereits begonnene Bauten - auf 23 Milliarden Euro, hat er errechnet. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) müsse dringend die Prioriäten neu setzen und sich von "Prestigeprojekten" wie dem Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs verabschieden. Zudem solle er bei der Haushaltsanmeldung für die Jahre 2011 bis 2015 jährlich eineinhalb Milliarden Euro mehr für die Schiene durchsetzen. "Erst dann gibt es keine Streichliste mehr", sagte Hermann. Auch der SPD-Politiker Uwe Beckmeyer forderte "eine deutliche Aufstockung der Infrastrukturmittel". Sonst drohe "in ein paar Jahren ein Verkehrsinfarkt", sagte er. Bahn-Chef Grube dagegen sieht keine akute Gefahr für den Schienenverkehr. "Dass man mehr auf der Wunschliste hat, als man am Ende bekommt, ist doch normal", sagte er in Potsdam. Probleme drohten allenfalls bei der Finanzierung europäischer Verkehrsprojekte. Da deren Bau zugesagt sei, müsse die Bahn notfalls bei anderen Projekten sparen. Von einer Streichliste könne aber keine Rede sein, sagte Grube. Ähnlich äußerte sich FDP-Verkehrsexperte Patrick Döring. Die fraglichen Projekte könnten nacheinander angegangen werden, man müsse aber prüfen, welche Reihenfolge sinnvoll sei. Dass das Budget im Verkehrsministerium "substantiell aufgestockt" wird, hält er wegen des klammen Haushalts für "nicht realistisch". Bahn-Aufsichtsrat Georg Brunnhuber (CDU) sagte: "Die Politik kann nicht mehr leisten." 2008 hatte die DB Netz AG, die für das Schienennetz zuständig ist, 338 Millionen an die Deutsche Bahn abgeführt. Im vergangenen Jahr sollen es noch deutlich mehr gewesen sein. Die Bahn legt die Bilanz 2009 Ende März vor.
Die Bahn kann aus Geldmangel zahlreiche Projekte vorerst nicht realisieren. Die Opposition befürchtet einen "Verkehrsinfarkt".
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bdi-schelte-fuer-schwarz-gelb-enttaeuschte-liebe-1.1713
wirtschaft
BDI-Schelte für Schwarz-Gelb - Enttäuschte Liebe
00/03/2010
Wohl kaum ein Gemütszustand kann eine vermeintlich intakte Beziehung so nachhaltig zerstören wie das Gefühl enttäuschter Liebe. Wer sich von einem ehemals vertrauten und geschätzten Menschen über längere Zeit missachtet oder gar abgelehnt fühlt, zahlt diesen "Verrat" oft doppelt und dreifach heim. Aus enger Verbundenheit wird dann leicht eine ebenso abgrundtiefe Abneigung. Ganz so schlimm ist es um das Verhältnis der deutschen Wirtschaft zur konservativ-liberalen Bundesregierung natürlich nicht bestellt, und doch legen die jüngsten Aussagen von BDI-Chef Hans-Peter Keitel schonungslos offen, wie tief die Enttäuschung vieler Unternehmer und Manager über die ersten vier Regierungsmonate ihrer vermeintlichen Lieblingskoalition mittlerweile sitzt. Ginge es um die Details einer Steuer- oder Gesundheitsreform, könnten Angela Merkel und Guido Westerwelle die Vorwürfe als das übliche Genörgel einer großen Lobby-Organisation abtun. Aber es geht Keitel nicht um Details, es geht ihm um das große Ganze, das Grundsätzliche. Er wirft der Regierung Orientierungslosigkeit vor, einen Mangel an Glaubwürdigkeit, ja, schlimmer noch, an Ernsthaftigkeit. Wer den Menschen Keitel, diesen eher feinsinnigen denn grobschlächtigen, eher intellektuellen denn populistischen Top-Manager schon einmal im persönlichen Gespräch erlebt hat, der ahnt, dass seine Kritik fundamentaler kaum sein könnte. Vor allem Westerwelle sollte die Aussagen als echtes Alarmsignal begreifen. Zwei Erkenntnisse aus Keitels Wortmeldung sind für ihn hochproblematisch: Erstens darf der Versuch des FDP-Vorsitzenden, die Kernwählerschaft seiner Partei mit Hilfe polemisierender Aussagen über Hartz-IV-Empfänger an sich zu binden, endgültig als gescheitert angesehen werden. Zumindest Teile dieser Kernwählerschaft fühlen sich nämlich durch "die Flucht in die populistische Ecke", wie Keitel es nennt, nicht etwa eingebunden, sondern wenden sich im Gegenteil beinahe angewidert ab. Viele Unternehmer dürften sich zweitens in ihrer grundsätzlichen Skepsis gegenüber Westerwelle bestätigt sehen. Der Ruch mangelnder Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit haftet dem FDP-Vorsitzenden an, seit er vor 16 Jahren in Bonn die große politische Bühne betrat. Insofern ist das Bild von der enttäuschten Liebe ein klein wenig schief: Es gilt für das Verhältnis der Wirtschaft zur schwarz-gelben Koalition, nicht aber für die Beziehung zu Westerwelle. Hier gab es nie Liebe. Die Bedeutung von Keitels Aussagen liegt aber auch darin, dass sein Verband - anders als Westerwelles Partei - offensichtlich aus der Wirtschaftskrise gelernt hat: Statt für Steuersenkungen plädiert die Industrie jetzt nur noch für einen aufkommensneutralen Umbau des Steuersystems. Nicht einmal einen höheren Spitzensteuersatz schließt Keitel kategorisch aus - eine bemerkenswerte Position. Wohl selten war die Distanz zwischen dem BDI und der FDP größer.
BDI-Präsident Keitel geißelt mit scharfen Worten die erste Bilanz der schwarz-gelben Bundesregierung. Die Kritik müsste vor allem für Guido Westerwelle ein Alarmsignal sein.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bdi-keitel-prangert-regierungsstil-an-1.14391
wirtschaft
BDI - Keitel prangert Regierungsstil an
00/03/2010
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, geht fünf Monate nach der Wahl mit der Bundesregierung um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hart ins Gericht: Es herrsche Orientierungslosigkeit, sagte Keitel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wenige Tage vor einem Spitzentreffen der deutschen Wirtschaft mit der Bundeskanzlerin auf der Münchner Handwerksmesse. Und: "Wir haben in Deutschland an Drehmoment verloren", sagte Keitel weiter. Die Regierung wisse selbst, "dass sie an verschiedenen Stellen nicht optimal agiert, und zwar fahrlässig, denn bei ausreichender Ernsthaftigkeit könnte es besser laufen", sagte der Verbandspräsident. Als Beispiel nannte Keitel die Debatte über die Finanzierung der Langzeitarbeitslosen, die fahrlässig aus wahltaktischen Gründen losgetreten worden sei. "Man darf sich nicht unter dem Druck von Umfragen in eine populistische Ecke flüchten", sagte er mit Blick auf FDP-Chef Guido Westwelle, ohne ihn direkt anzusprechen. Das Problem mit der Glaubwürdigkeit "Zu schlechten Umfragewerten führt nicht der Mangel an Lautstärke und klarer Aussage, sondern der Mangel an Glaubwürdigkeit, dass die Probleme in der notwendigen Tiefe angegangen werden". Die FDP hat in Umfragen ihr Rekordergebnis bei der Bundestagswahl nahezu halbiert. Einen "Mangel an Ernsthaftigkeit" machte Keitel auch in der Steuer-, Klima- und Gesundheitspolitik aus. Alles in allem brauche Deutschland mehr Wachstum. "Zwei Prozent sind für Deutschland angemessen und auch erreichbar", sagte der BDI-Präsident. Die Bundesregierung rechnet lediglich mit einem Plus von 1,4 Prozent.
"Orientierungslosigkeit" und "Flucht in die populistische Ecke": BDI-Präsident Keitel kritisiert die Politik von Angela Merkel und Guido Westerwelle.
https://www.sueddeutsche.de/geld/abkommen-deutschland-schweiz-vertreibung-aus-dem-steuerparadies-1.20155
geld
Abkommen Deutschland - Schweiz - Vertreibung aus dem Steuerparadies
00/03/2010
Der Fall beschäftigte jeden deutschen Finanzminister der jüngeren Vergangenheit. Von Theo Waigel über Hans Eichel bis Wolfgang Schäuble: Jeder von ihnen bekam Bundesbürger schwer zu fassen, die Vermögen ins Ausland brachten, um sich Steuern zu ersparen. Obwohl jeder von ihnen von der Quellensteuer über die EU-Zinsrichtlinie bis zur Amnestie einiges versuchte. Jahrelang waren die Debatten über diese Versuche von großem Fatalismus geprägt. Motto: Niemand wird es schaffen, Schweizer oder Liechtensteiner Banken das Geschäft mit der Hinterziehung auszutreiben. Nun stellt sich heraus: Dieser Fatalismus war ein großer Irrtum. Was die Bundesregierung am Freitag mit der Schweiz vereinbart hat, macht das Leben von Steuersündern ungemütlich. Gemeinsam wollen die Regierungen alle Schwarzgeldkonten aufdecken, die noch bestehen. Und: Zürich will künftig weit mehr Informationen über deutsche Bürger liefern als bisher. Natürlich gibt es - wie immer bei solchen Abkommen - einige Fragezeichen. Aber klar ist jetzt schon, dass das Ergebnis ein Erfolg ist. Der Finanzminister kann hoffen, auf längere Sicht Steuern in Milliardenhöhe einzunehmen. Der Steuerdeal mit der Schweiz ist ein Beispiel dafür, dass Fatalismus in der Politik immer verkehrt ist. Die Gralshüter des Bankgeheimnisses haben sich bewegt, weil die Vereinigten Staaten und Deutschland eben nicht verzagten, sondern besonders in den vergangenen zwei Jahren starken Druck ausübten. Die Ermittlungen der US-Justiz, der umstrittene Ankauf von CDs mit Steuersünderdaten, die Drohung mit einer schwarzen Liste - all das hat die Schweiz und andere Steuerparadiese beeindruckt. Ohne diesen Druck ging es nicht. Ohne die Strategie der Bundesregierung, der Schweiz mit Ärger auf anderen Politikfeldern zu drohen, hätte sich die Alpenrepublik kaum bewegt. Deshalb dürfen sich all jene Politiker wie der frühere Finanzminister Peer Steinbrück bestätigt fühlen, die die Steuerparadiese mit teils harschen Worten angingen. Für ihren Konfrontationskurs wurden Steinbrück und andere zum Teil heftig kritisiert, mitunter gar in die Nähe von Nazi-Methoden gerückt. Doch sie handelten zu Recht, weil sie an einem richtigen Prinzip festhielten: Eine Regierung kann keinen Gesetzesbruch seiner Bürger dulden. Und sie kann schon gar nicht dulden, dass sich in der Regel Wohlhabende drücken, Ausgaben für die Gesellschaft mitzufinanzieren.
Nach langem Druck beugt sich die Schweiz. Gemeinsam wollen Berlin und Bern alle bestehenden Schwarzgeldkonten aufdecken.
https://www.sueddeutsche.de/geld/griechenland-iwf-hilfe-merkel-gewinnt-verbuendete-1.19723
geld
Griechenland: IWF-Hilfe - Merkel gewinnt Verbündete
00/03/2010
Im Streit über Finanzhilfen für das hochverschuldete Griechenland hat sich am Donnerstagabend auf dem EU-Gipfel in Brüssel eine Einigung abgezeichnet. Noch vor Beginn des Treffens verständigte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy auf einen gemeinsamen Vorschlag für einen Rettungsplan. Sarkozy sagte am Abend: "Wir haben eine Vereinbarung getroffen, die sehr exakt die Konditionen beschreibt, unter denen die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) helfen können." Merkel und Sarkozy stimmten den Plan mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy ab, der ihn als "gut für die Euro-Zone" begrüßte. Noch vor dem Abendessen der 27 Staats- und Regierungschefs sollte das Papier unter den sechzehn Euroländern abgestimmt werden. Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou stimmte bereits zuvor zu. Bereits am Nachmittag waren immer mehr EU-Mitglieder auf Merkels Kurs eingeschwenkt. Der österreichische Vizekanzler Josef Pröll sagte, er bevorzuge "einen Mix aus bilateralen und IWF-Hilfen". Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt äußerte sich ähnlich. Der IWF könne "eine Rolle spielen". Auch Spaniens Premier José Luis Rodríguez Zapatero erklärte eine IWF-Beteiligung für "zulässig". Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, Sprecher der Gruppe der Euroländer, zeigte sich ebenfalls offen für eine Kombination aus IWF- und bilateralen Hilfen. "Wir sind heute hier zusammengekommen, um eine Lösung zu finden", sagte Juncker. Die Märkte warteten auf ein Signal. Der deutsch-französische Vorschlag sah eine Kombination aus bilateralen und IWF-Hilfen vor, wie Merkel es immer verlangt hatte. Die bilateralen EU-Hilfen sollen von allen Euroländern getragen werden, ihre Höhe sich nach dem Anteil eines Staates an der Europäischen Zentralbank (EZB) bemessen. Für Deutschland wären das etwa 27 Prozent. Sonderkonditionen sind ausgeschlossen. Den größeren Teil der Hilfen müssten die Europäer selbst tragen, der IWF soll aber einen "substantiellen Beitrag" leisten, hieß es. Wer die Hilfen koordiniert, soll in den kommenden Tagen vereinbart werden. Der deutsch-französische Plan sieht vor, dass Hilfen erst gewährt werden, wenn ein Land seine Schulden nicht mehr an den internationalen Kapitalmärkten refinanzieren kann. Europäische Kommission und EZB müssen gemeinsam zur Bewertung gelangen, dass dies der Fall ist. Merkel hatte immer betont, Finanzhilfe müsse "die Ultima Ratio" bleiben. Mögliche bilaterale Hilfen muss die Euro-Gruppe zudem einstimmig beschließen. Merkel und Sarkozy vereinbarten zudem, alles zu tun, um künftige Krisen zu vermeiden und die Gemeinschaft zu schützen. Sie wollem im Europäischen Rat unter Vorsitz Van Rompuys eine Arbeitsgruppe einsetzen, die bis Ende des Jahres prüfen soll, wie der Stabilitätspakt reformiert, Sanktionen verschärft und die Zusammenarbeit der Länder verbessert werden können. Auch der Ausschluss eine Landes soll offen bleiben. Van Rompuy soll prüfen lassen, welche Änderungen an den europäischen Verträgen dafür notwendig sind. Die Europäische Zentralbank stellte am Freitag klar, sie werde auf absehbare Zeit griechische Staatsanleihen als Sicherheit akzeptieren.
Pakt für Athen: Kanzlerin Angela Merkel überzeugt kurz vor Beginn des EU-Gipfels andere Regierungen von ihrer Rettungsstrategie für das angezählte Griechenland.
https://www.sueddeutsche.de/geld/hypo-real-estate-hre-chef-wieandt-geht-im-streit-1.5314
geld
Hypo Real Estate - HRE-Chef Wieandt geht im Streit
00/03/2010
Chefwechsel bei der angeschlagene Krisenbank Hypo Real Estate (HRE): Konzernchef Axel Wieandt reichte am Donnerstag völlig überraschend seinen Rücktritt ein. Die Nachfolge an der HRE-Spitze soll kommissarisch Manuela Better antreten, teilte das Institut mit. An diesem Freitag will die Bank die Bilanz für 2009 vorstellen. Hintergrund der brisanten Personalie sind offenbar vehemente Auseinandersetzungen zwischen Wieandt, 43, und dem Bund, der über den Bankenrettungsfonds Soffin die Bank im Herbst 2009 komplett übernommen hatte. Wieandt und der Soffin hätten "Differenzen über die weitere strategische Ausrichtung der Bank", hieß es. Mehr Gehalt gefordert Aus Sicht der Bundesregierung seien die Pläne des Konzernchefs zu risikoreich gewesen. Wie aus unternehmensnahen Kreisen verlautet, sei auch die Höhe der HRE-Vorstandsgehälter Thema gewesen. Nach SZ-Informationen habe Wieandt vom Soffin verlangt, dass seine Topmanager und er hohe Boni-Zahlungen erhalten sollen. "Es ging darum, gute Leute zu halten, damit diese erfolgreich das riskante Geschäft zurückfahren," so ein Insider. Das Finanzministerium vertritt dagegen die Auffassung, Boni könnten dem Steuerzahler in diesen Zeiten nicht zugemutet werden. Wegen der massiven staatlichen Hilfen sind die Gehälter des Vorstands auf 500.000 Euro gedeckelt. Die HRE war im Herbst 2008 nur mit staatlichen Hilfen und Bürgschaften von zusammen mehr als 100 Milliarden Euro vor dem sicheren Aus bewahrt worden. Die Bank hatte sich zuvor, unter anderem mit der irischen Pfandbrieftochter Depfa, massiv verspekuliert. Manuela Better übernimmt Führung Soffin-Chef Hannes Rehm bedauerte Wieandts Entscheidung. Der Manager habe "mit der Stabilisierung der HRE und der Einleitung der Restrukturierung des Konzerns während der Finanzmarktkrise eine überaus schwierige Aufgabe übernommen und hierbei sehr gute Arbeit geleistet", erklärte Rehm. Der HRE-Aufsichtsratsvorsitzende Bernd Thiemann dankte Wieandt. Manuela Better, 49, soll nun die Bank kommissarisch leiten. Die gebürtige Münchnerin ist seit Februar 2009 Vorstandsmitglied und bisher für das Risikomanagement der HRE zuständig. Bei der HRE ist sie aber bereits seit deren Gründung im Jahr 2003 tätig. Zuvor arbeitete sie wie der ehemaligen HRE-Chef Georg Funke für die Hypo-Vereinsbank-Gruppe. Ob Better auch langfristig die Bank führen wird, ist offen. Über die Nachfolge Wieandts werde der Aufsichtsrat dann "zu gegebener Zeit" entscheiden, teilte die HRE mit. Die für diesen Freitag angesetzte Bilanzpressekonferenz wird Wieandt aber nicht mehr leiten. Er sei mit sofortiger Wirkung von seinen Pflichten entbunden, teilte die Bank mit. Finanzkreisen zufolge hat die Bank im vergangenen Jahr einen Vorsteuerverlust von leicht unter 2,5 Milliarden Euro hinnehmen müssen. 2008 hatte der Vorsteuerverlust bei 5,4 Milliarden Euro gelegen. Damals war die Bank im Zuge der Schieflage bei der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers in einen massiven Liquiditätsengpass geraten. Ein Zusammenbruch der HRE hätte zu weltweiten Verwerfungen an den Finanzmärkten geführt, die nach Ansicht von Experten noch dramatischer gewesen wären als die Folgen der Lehman-Pleite. Im Oktober 2008 war Wieandt, Strategiechef und Vertrauter des Deutsche-Bank-Vorsitzenden Josef Ackermann, als Sanierer nach München gekommen. Wieandt, der aus einer Bankiersfamilie kommt, war stets zurückhaltend, Auftritte in der Öffentlichkeit, wie etwa bei der Hauptversammlung der HRE, waren selten. "Ob die Sanierung der HRE gelingt, muss sich erst noch zeigen," sagt er im Januar 2009.
Chaos bei HRE: Axel Wieandt verlässt die Krisenbank nach Differenzen mit dem neuen Eigentümer - dem Bund.
https://www.sueddeutsche.de/geld/griechenland-sie-werden-fuer-unseren-kollaps-bezahlen-muessen-1.2683
geld
"Griechenland - ""Sie werden für unseren Kollaps bezahlen müssen"""
00/03/2010
Manche sagen, er sei ein Nestbeschmutzer, ja ein Querulant, weil er sein Recht sucht. Irgendwann fing das an, da wurde der Grieche Themis Kazantzidis so wütend, dass er Briefe schrieb. Briefe nach Brüssel. Genau vor einem Jahr war das. Da informierte der Arzt Kazantzidis Mitarbeiter des damaligen EU-Wettbewerbskommissars Joaquín Almunia über "die Absicht" der griechischen Regierung, "die wahre Dimension der Schulden des Gesundheitssystems" in seinem Land vor den europäischen Behörden "zu verbergen". Kazantzidis hatte offenbar gute Quellen. Die Angelegenheit, schrieb er, sei "extrem wichtig". Rasanter Schuldenanstieg Die griechische Schuldenkrise aber war damals, im März 2009, noch kein Thema, und Kazantzidis hatte das Gefühl, dass man seine Warnungen in Brüssel nicht verstand. "Bitte beachten Sie, dass die erwähnten Schulden jeden Monat um weitere 200 Millionen Euro steigen", schrieb er daher Anfang April in immer dringlicheren E-Mails an die EU-Kommission. Die Verbindlichkeiten der staatlichen Krankenhäuser allein aus den vergangenen zwei bis drei Jahren, so Kazantzidis weiter, dürften nun bereits sechs Milliarden Euro betragen, "nicht weniger als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts". Athen aber gab gegenüber Eurostat, der Statistikbehörde der EU, weniger als die Hälfte dieser Summe an. Das kann man inzwischen in einem offiziellen EU-Dokument nachlesen. In dem "Bericht der EU-Kommission zu den Statistiken Griechenlands über das öffentliche Defizit" vom Januar 2010 heißt es: Das griechische Statistikamt (ESYE) habe Brüssel im April 2009 und noch am 2. Oktober Klinik-Verbindlichkeiten in Höhe von nur 2,3 Milliarden Euro mitgeteilt - eine "vorsätzliche Meldung falscher Zahlen", wie die EU nun feststellt. Eurostat hätte schon früher misstrauisch werden können. Auch für 2002 bis 2004 waren Schulden "in beträchtlicher Höhe" nie erfasst worden, wie es in dem EU-Bericht heißt. Danach hatte die Regierung in Athen zugesagt, der Vorgang würde sich nicht wiederholen. Die EU-Statistiker aber hätten auch Kazantzidis glauben können. Der hatte gut recherchiert, und als ihm sein wichtigstes Beweisstück in die Hände fiel, da ließ er dies Brüssel ebenfalls wissen. Da war es schon Juni. Ein Abgeordneter der linksgerichteten Pasok-Partei - damals noch in der Opposition - schickte ihm eine Antwort des Athener Gesundheitsministeriums auf eine Parlamentsanfrage.
Katastrophe mit Ansage: Ein griechischer Informant hatte die EU-Kommission frühzeitig gewarnt, dass Athen falsche Defizit-Zahlen meldet.
https://www.sueddeutsche.de/geld/bankenregulierung-kraftvolle-schritte-fuer-eine-bankenreform-1.10270
geld
Bankenregulierung - Kraftvolle Schritte für eine Bankenreform
00/03/2010
Nach seinem Sieg im Kampf um eine Gesundheitsreform will US-Präsident Barack Obama nun auch das Tempo bei der Reform der Finanzmärkte erhöhen. Einen Tag nach der historischen Abstimmung im Repräsentantenhaus verabschiedete der Bankenausschuss des Senats überraschend einen entsprechenden Gesetzentwurf mit der Mehrheit der Demokraten und gegen den geschlossenen Widerstand der Republikaner. Der Entwurf, den der Vorsitzende des Ausschusses, Christopher Dodd, formuliert hatte, ist deutlich schärfer als frühere Fassungen. Demnach kommen alle Finanzinstitute mit einer Bilanzsumme von 50 Milliarden Dollar oder mehr unter die Aufsicht der Notenbank Federal Reserve. Die Fed kann danach direkt in die Geschäftspolitik der Institute eingreifen und bestimmte spekulative Praktiken per Anweisung unterbinden. Gefährdete Banken können bei einer drohenden Pleite vom Staat übernommen und abgewickelt werden. Dadurch sollen die Behörden bei künftigen Krisen nicht mehr vor der Alternative stehen, entweder einen Zusammenbruch zuzulassen - wie bei Lehman Brothers, oder ein Institut auf Kosten der Steuerzahler retten zu müssen - wie im Falle der Versicherung AIG. Ein neuer Regulierungsrat wird die Arbeit der zuständigen Behörden koordinieren. Er kann einzelne Regulierer, zum Beispiel die Börsenaufsicht SEC, zum Einschreiten auffordern. Pflichtregistrierung für Hedgefonds Große Hedgefonds müssen sich registrieren lassen. Komplexe Wertpapiere, etwa Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS), sollen nur noch an Börsen oder auf börsenähnlichen Plattformen gehandelt werden. Von dieser Regel wird es Ausnahmen geben, aber diese sind geringer als bisher erwartet. Die von Präsident Obama vorgeschlagene Vorschrift, Geschäftsbanken bestimmte spekulative Geschäfte auf eigene Rechnung ganz zu verbieten, findet sich in dem Entwurf nicht. Sie soll aber von dem neuen Regulierungsrat geprüft werden, Zwischen Demokraten und Republikanern besonders umstritten ist die Frage des Verbraucherschutzes. Finanzminister Timothy Geithner hatte ursprünglich eine unabhängige Behörde schaffen wollen, die zum Beispiel Standards für Hypothekenkredite vorschreibt oder die Abrechnungen von Kreditkarten-Gesellschaften durchleuchtet. Gegen diesen Plan hatte sich massiver Widerstand der Finanzwirtschaft und der Republikaner gebildet. Der strengere Verbraucherschutz, so das Argument, werde den Zugang zu Krediten erschweren und Arbeitsplätze kosten. Um den Republikanern entgegenzukommen, unterstellte Senator Dodd diese Behörde in seinem Entwurf der Federal Reserve. Aber auch dies sicherte ihm nicht die Stimmen der Opposition. Darauf verwarfen die Demokraten sämtliche 200 Änderungsvorschläge der Republikaner und verabschiedeten ihre unveränderte Version des Entwurfs.
In Washington hat der Senatsausschuss auf Drängen Obamas neue Regeln für Banken gebilligt. Sie sind sehr scharf formuliert.
https://www.sueddeutsche.de/geld/gesundheit-zoff-um-soeder-papier-ich-habe-die-schnauze-voll-1.1194
geld
"Gesundheit: Zoff um Söder-Papier - ""Ich habe die Schnauze voll"""
00/03/2010
Die Vorschläge der CSU zur Reform des Gesundheitssystems sind in den eigenen Reihen, bei der FDP und in der Opposition auf Ablehnung gestoßen. Der Sozialexperte der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Max Straubinger distanzierte sich von den Überlegungen. Gesundheits-Staatssekretär Daniel Bahr (FDP) bezeichnete das Vorhaben als Rückkehr zum intransparenten Finanzierungssystem, das bereits die große Koalition nicht mehr wollte. Auch der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn zeigte sich skeptisch. "Das führt zu echten Einbußen beim Nettoeinkommen", sagte der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach und sprach von "einem echten Söder". Ein mehr als einstündiges Gespräch zwischen Söder und Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) brachte indes keine Annäherung im Koalitionsstreit über die Gesundheit. Söder sagte nach dem Treffen in Berlin: "Wir haben unsere Standpunkte ausgetauscht und festgestellt, dass wir unterschiedlicher Auffassung sind." Man wolle aber im Lauf der Debatte die unterschiedlichen Modelle einmal durchrechnen und vergleichen. Rösler will die Finanzierung des Systems allmählich auf eine Kopfpauschale umstellen. Dabei würde ein Putzmann den gleichen Beitrag zahlen wie eine Abteilungsleiterin. Damit keiner schlechter gestellt wird, soll es einen Ausgleich über das Steuergeld geben. Die CSU lehnt das Vorhaben ab. Sie schlägt stattdessen vor, die Beiträge weiter abhängig vom Einkommen zu erheben, wobei der Arbeitnehmer einen deutlich höheren Anteil der Summe trägt als der Arbeitgeber. Die Differenz soll ohne weitere Umverteilung der Kasse des Arbeitnehmers zugute kommen. Der Finanzausgleich unter den Kassen soll ferner um eine regionale Komponente ergänzt werden. Kassen mit Versicherten in Bayern und Baden-Württemberg erhielten dann einen höheren Betrag, weil dort die Lebenshaltungskosten und das Lohnniveau höher seien. Heftige Kritik an Söder CSU-Chef Horst Seehofer bekräftigte diesen Standpunkt nach einer Sitzung des CSU-Präsidiums in München. "Das wäre unsere Position, wenn wir allein entscheiden könnten." Kritik am Vorgehen der CSU wies er zurück. Es habe nichts mit einem Störfeuer zu tun, wenn die CSU einen Vorschlag präsentiere. Zwischen der CSU-Landesgruppe im Bundestag und ihrer Partei in München kam es daraufhin erneut zu einer scharfe Auseinandersetzung. In der CSU-Landesgruppensitzung am Montagabend in Berlin soll es zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen heftige Kritik an dem Auftreten von Söder gegeben haben. Ein Bundestagsabgeordneter der CSU wurde mit den Worten zitiert: "Ich habe die Schnauze voll." Ein CSU-Regierungsmitglied habe bemängelt, Informationen blieben zwischen München und Berlin immer auf der Strecke. Teilnehmer beklagten, Söder habe sein Gesundheitskonzept am Montag für die Landesgruppe überraschend vorgelegt. Sein Vorgehen sei "nicht hilfreich", weil sich die schwarz-gelbe Koalition gerade erst auf die Regierungskommission für eine Gesundheitsreform geeinigt habe.
CSU-Mann Söder muss für seine Gesundheits-Reformpläne Kritik einstecken. Gegenwind kommt von FDP, CDU - und der eigenen Partei.
https://www.sueddeutsche.de/geld/griechenland-krise-zoff-zwischen-merkel-und-barroso-1.8146
geld
Griechenland: Krise - Zoff zwischen Merkel und Barroso
00/03/2010
Es ist eine wichtige Frage, und sie spaltet die EU: Wie soll die europäische Gemeinschaft mit Griechenland umgehen. Soll Brüssel Finanzhilfen anbieten - oder soll sie lieber auf harte Reformen und ein rigides Sparprogramm drängen? Die deutsche Bundeskanzlerin wirbt für die zweitere Variante. Angela Merkel (CDU) warnt vor einer weiteren Debatte über Finanzhilfen für das hoch verschuldete Griechenland. Beim EU-Gipfel Ende der Woche in Brüssel werde es keine Entscheidung in dieser Frage geben, betonte Merkel im Deutschlandfunk. Das Thema stehe am Donnerstag nicht auf der Tagesordnung. "Griechenland ist nicht zahlungsunfähig, und deshalb ist die Frage der Hilfen auch nicht die, die wir jetzt diskutieren müssen." EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sieht das anders. Er hatte die EU-Staaten aufgefordert, sich beim Gipfel auf einen Notfallplan für Griechenland zu einigen. Barroso schlug abgestimmte, bilaterale Kredite von Ländern der Euro-Zone vor und drängte Merkel zudem, einem Finanzpaket für Griechenland zuzustimmen. "Es liegt im deutschen Interesse, die Stabilität in der Europäischen Währungsunion zu sichern", sagte Barroso dem Handelsblatt. Er sei sich bewusst, dass das Thema in Deutschland unpopulär sei. Die EU müsse das Problem jetzt aber dringend lösen, "unabhängig von der politischen Agenda in den Mitgliedstaaten". Schon Ende der Woche hatte es in EU-Kreisen geheißen, Merkel wolle eine Entscheidung beim Gipfel wegen des Widerstands in Deutschland verhindern. Merkel betonte in dem Rundfunkinterview, Papandreou habe ihr mehrfach versichert, dass sein Land keine Geldforderungen an die EU richte. "Deshalb rate ich uns, auch nicht Unruhe auf den Märkten zu verursachen, indem wir falsche Erwartungen für den Rat am nächsten Donnerstag wecken." Die beste Lösung für den Euro sei, dass Griechenland seine Probleme alleine löse, mit der politischen Unterstützung der europäischen Staats- und Regierungschefs. Berlusconi für EU-Hilfen Damit risikiert die Kanzlerin jedoch einen Streit mit ihrem Finanzminister. Wolfgang Schäuble (CDU) sprach sich hingegen dafür aus, alles für die Stabilität des Euro zu tun. Dies müsse auch "in Form von Solidarität mit anderen Ländern" geschehen. "Damit nehmen wir die Verantwortung für unsere eigene Zukunft wahr." Bislang haben die EU-Staaten Griechenland Mitte Februar nur grundsätzlich Beistand für den Fall versprochen, dass es ohne Hilfe seine Schulden nicht mehr finanzieren könnte und der gesamten Euro-Zone deshalb ein Schock drohen würde. EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte der Welt am Sonntag, die EU habe Mittel und Wege für eine schnelle und koordinierte Hilfsaktion. "Die EU-Kommission ist bereit, einen konkreten Vorschlag dafür zu machen." Finanzhilfen könnten schnell greifen, würden aber an harte Auflagen gebunden sein. Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi sagte, sein Land sei absolut für EU-Hilfen. Die EU habe keine Existenzberechtigung, wenn es in der Gemeinschaft keine Bereitschaft zu Hilfen für ein krisengeschütteltes Euro-Land gebe.
Helfen oder hart bleiben? Die Causa Griechenland entzweit Kanzlerin Merkel und EU-Kommissionspräsident Barroso. Jetzt erhöht der Portugiese den Druck auf Deutschland.
https://www.sueddeutsche.de/geld/vorstoss-aus-bruessel-verschaerfte-spielregeln-fuer-eu-laender-1.13317
geld
Vorstoß aus Brüssel - Verschärfte Spielregeln für EU-Länder
00/03/2010
Die EU will künftig mitreden, wenn die Regierungen der Mitgliedsländer ihre Haushalte aufstellen. Das fordert EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn kurz vor dem am Donnerstag in Brüssel beginnenden EU-Gipfel. Die Europäische Kommission solle früh in die Planung der nationalen Haushalte eingebunden werden, "um rechtzeitig Fehlentwicklungen im Finanzrahmen eines Landes zu erkennen, die nicht mit den Stabilitätsanforderungen der Euro-Zone übereinstimmen", sagte Rehn der Welt am Sonntag. Werde bei der Kontrolle festgestellt, dass der Haushalt eines Landes "nicht in die richtige Richtung" gehe, also nicht den Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes entspreche, "muss darüber in der Euro-Gruppe sehr ernsthaft diskutiert werden", erklärte Rehn. Die europäischen Staats- und Regierungschefs wollen auf ihrem Treffen die künftige Wirtschaftsstrategie beraten. Dabei geht es auch darum, wie die EU Finanzkrisen in den Mitgliedsländern vorbeugen kann. Der Finne Rehn fordert deutlich mehr Kompetenzen für die Brüsseler Behörde. Bisher hat die Kommission lediglich den Auftrag, die Haushaltsprogramme der Mitgliedsländern dann zu bewerten, wenn diese schon verabschiedet wurden. Die Finanzkrise in Griechenland zeige, dass das nicht ausreiche. "Das ist zu spät", sagte Rehn. Die europäischen Verträge sehen ein Eingriffs- oder Mitspracherecht bei den nationalen Haushaltplanungen bisher nicht vor. Hohe Diplomaten gehen davon aus, dass dafür "mit großer Wahrscheinlichkeit" die Verträge geändert werden müssten. Strikte Sanktionen für den Notfall Kommissar Rehn wäre der zweite Politiker in der EU, der eine solche Vertragsänderung in jüngster Zeit angeregt hat. In der vergangenen Woche hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die europäischen Mitgliedstaaten aufgefordert, als Konsequenz aus der griechischen Finanzkrise die gemeinsame Währungsunion umfassend zu reformieren. Merkel will vor allem strikte Sanktionen durchsetzen und im Notfall notorisch verschuldete Länder aus der Eurozone ausschließen können. Bisher hatten nur ein paar kleinere Länder die deutsche Forderung unterstützt. Rehn hält ebenfalls nichts davon, schlechte Haushaltspolitiker strenger zu bestrafen. "Das oberste Ziel der EU sollte jetzt nicht die Verschärfung der Sanktionsinstrumente für Defizitsünder sein", sagte er. Vielmehr müsse die Prävention verbessert werden. "Die EU hat bisher nicht die Mittel, um ordnungsgemäße Haushalte in den Mitgliedsländern rechtzeitig durchzusetzen, sodass am Ende keine Probleme entstehen und Strafen gar nicht nötig werden", erklärte Rehn. Die Bundesregierung wollte am Sonntagabend ein Spitzentreffen im Kanzleramt abhalten, auf dem der EU-Gipfel vorbereitet und über den Währungsfonds und Griechenland beraten werden sollte. Neben den Vorsitzenden der Regierungsparteien sollte auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble daran teilnehmen.
Es darf kein zweites Griechenland geben: EU-Währungskommissar Olli Rehn will künftig mitreden, wenn die Mitgliedsländer ihren Haushalt aufstellen.
https://www.sueddeutsche.de/geld/krankenkassen-vor-milliarden-defizit-gigantische-luecke-1.21633
geld
Krankenkassen vor Milliarden-Defizit - Gigantische Lücke
00/03/2010
Die gesetzlichen Krankenkassen steuern nach Einschätzung des Bundesversicherungsamtes (BVA) auf ein gewaltiges Defizit zu. Selbst wenn die Ausgaben im Gesundheitswesen im kommenden Jahr konstant blieben, werde es eine Finanzlücke von etwa 6,4 Milliarden Euro geben, heißt es in Unterlagen des BVA, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. "Wir ziehen alle an einem Strang" BVA-Präsident Maximilian Gaßner präsentierte die Papiere in der Eröffnungssitzung der zur Reform des Gesundheitswesens eingesetzten Regierungskommission. Diese traf sich erstmals am Mittwoch in Berlin. Wenn man die übliche Kostensteigerung für Kliniken, Ärzte und Medikamente einbeziehe, könne das Defizit sogar auf 15 Milliarden Euro ansteigen, habe der Chef des Versicherungsamtes ausgeführt, berichteten Teilnehmer der Runde. Gaßner habe ferner darauf hingewiesen, dass die Kassen verpflichtet seien, Zusatzbeiträge zur Deckung des Defizits zu erheben. Die Kommission soll vor allem die Finanzierung des Gesundheitswesens völlig neu ordnen. Ziel von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ist es, in ein System von Kopfpauschalen einzusteigen. Dabei würde die gutverdienende Industriemechanikerin den gleichen Beitrag zahlen wie der schlechtbezahlte Putzmann. Um dies abzufangen, soll es einen sozialen Ausgleich aus Steuermitteln geben. Rösler bezeichnete die Gespräche als konstruktiv. "Wir ziehen alle an einem Strang", sagte er. Die Runde besteht aus sieben weiteren Ministern oder ihren Vertretern. Gesundheitsexperten der Fraktionen von Union und FDP sind als Gasthörer zugelassen. Das nächste Treffen ist am 21. April, die weiteren werden in kürzeren Abständen folgen. Begleitet wurden die Gespräche von heftigen Auseinandersetzungen der Regierungsparteien über die Kopfpauschale. Die CSU bekräftigte ihre fundamentale Ablehnung. Der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) sagte: "Wir lehnen ein Finanzierungsmodell ab, das unsolidarisch ist. Und das ist die Form einer Kopfpauschale, ob groß oder klein." Mit der CSU werde es ein solches Modell definitiv nicht geben. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel vermutete, Ziel sei es, Leistungen für die Versicherten zu streichen. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Biggi Bender verspottete die Runde als "gesundheitspolitischen Debattierclub". Rösler betonte erneut, dass es ihm nicht darum gehe, das Kopfpauschalen-System auf einen Schlag einzuführen. Es sei jedoch die vom Kabinett gestellte Aufgabe der Kommission, die Einnahmeseite der gesetzlichen Krankenversicherung neu zu strukturieren. Es gehe darum, dass den Patienten auch morgen noch die gleiche exzellente Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehe wie heute. Bis zur Sommerpause werde die Kommission über erste Ergebnisse diskutieren. Er wollte sich jedoch nicht auf einen genauen Abschlusstermin festlegen. Man werde sich ausreichend Zeit nehmen, um die komplexe Materie zu bearbeiten. Rösler widersprach Berichten, wonach sich sein Ministerium bereits festgelegt habe, eine Pauschale von 29 Euro zu erheben. Das seien nicht die Vorschläge seines Hauses. "Wir haben noch nicht über Zahlen und Modelle gesprochen", sagte er.
Die gesetzlichen Krankenkassen plagen sich mit einem gewaltigen Defizit. Im Extremfall könnte es auf 15 Milliarden Euro steigen.
https://www.sueddeutsche.de/geld/kopfpauschale-29-euro-fuer-die-gesundheit-1.12005
geld
29 Euro für die Gesundheit
00/03/2010
Unmittelbar vor Start der Regierungskommission zur Gesundheitsreform ist der koalitionsinterne Streit über die Kopfpauschale wieder aufgeflammt. Anlass waren am Montag Berichte über angebliche Details zum Vorhaben von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler. Die Märkische Allgemeine Zeitung hatte unter Berufung auf das Konzept des FDP-Politikers berichtet, die Pauschale werde bei 29 Euro pro Mitglied liegen. Röslers Sprecher dementierte den Bericht nicht. Er bezeichnete ihn lediglich als Spekulation, zu der sich das Ministerium nicht äußern werde. Es sei Aufgabe der Kommission, den von Rösler angestrebten Einstieg in die Kopfpauschale auszuarbeiten. Das Gremium kommt an diesem Mittwoch zu seiner ersten Sitzung zusammen. In Röslers Umgebung hieß es, die genannte Zahl stamme nicht aus dem Ministerium. Damit ist die demonstrative Einigkeit in der schwarz-gelben Gesundheitspolitik nach gut einer Woche wieder dahin. Die seit Beginn der Regierungszeit zerstrittenen Koalitionspartner hatten Röslers Kampfansage gegen die Pharmaindustrie ungewohnt einhellig begrüßt und vom Streit über die Kopfpauschale abgesehen. Die Reaktionen auf den Bericht der in Potsdam erscheinenden Zeitung dokumentieren jedoch, wie oberflächlich dieser Koalitionsfrieden war. So reagierte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion Johannes Singhammer (CSU) empört auf den Bericht. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung bezeichnete er das Vorhaben als "absurden Versuch, bereits bestehende Regelungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Kopfpauschale umetikettieren zu wollen". Vehemente Ablehnung Die CSU lehnt die Kopfpauschale geschlossen und vehement ab. Bei diesem System würden gutverdienende Facharbeiter und schlechtbezahlte Putzkräfte den gleichen Beitrag für ihre Krankenkasse zahlen. Damit dies nicht zu sozialen Ungerechtigkeiten führt, will Rösler einen Sozialausgleich schaffen, der über das Steuersystem finanziert wird. Der Einstieg in ein solches System, das auch als Gesundheitsprämie bezeichnet wird, wäre ein Bruch mit den geltenden Regelungen. Derzeit zahlen Arbeitgeber sieben Prozent und Arbeitnehmer 7,9 Prozent des Bruttolohns an die Kasse. Manche Versicherer nehmen seit kurzem zudem einen Zusatzbeitrag, der zumeist bei acht Euro im Monat liegt. Rösler erwägt seit längeren, zunächst die 0,9 Prozentpunkte in eine Kopfpauschale umzuwandeln, die die Arbeitnehmer seit 2005 zur Finanzierung des Zahnersatzes ohne Beteiligung des Arbeitgebers zahlen. Genauere Berechnungen für die Umwandlung dieses Sonderbeitrags waren bislang nicht bekannt. In der Koalition hält man eine Größenordnung von 29 Euro jedoch für realistisch. "Offenbar soll nun aus dem Sonderbeitrag eine Gesundheitsprämie gestrickt werden", sagte Singhammer. Das mache keinen Sinn. Denn auch wenn man eine so niedrige Summe von den Versicherten nehmen wolle, brauche es dazu einen ungeheuren bürokratischen Aufwand. "Will man zudem kein Versicherungsmitglied schlechter stellen als bisher, muss man zusätzliche Haushaltsmittel in Milliardenhöhe ins System pumpen", sagte der CSU-Gesundheitsexperte. "Derzeit zahlt ein Rentner mit einem Einkommen von 1000 Euro einen Sonderbeitrag von neun Euro", erklärte Singhammer. "Wenn die Kopfpauschale nun bei 29 Euro liegen soll, müssen 20 Euro durch einen steuerlichen Sozialausgleich kompensiert werden." Den Stein der Weisen habe das Ministerium mit diesem Konzept nicht gefunden.
Dauerzank um die horrenden Gesundheitskosten: Gesundheitsminister Philipp Rösler plant eine kleine Kopfpauschale. Die CSU ist empört.
https://www.sueddeutsche.de/geld/bankpleite-ackermann-liess-lehman-abblitzen-1.4920
geld
Bankpleite - Ackermann ließ Lehman abblitzen
00/03/2010
Die Investmentbank Lehman Brothers versuchte offenbar in letzter Minute auch mit der Deutschen Bank ins Geschäft zu kommen, um eine Pleite zu verhindern. Zu Verhandlungen kam es aber nie. Auch andere Investoren lehnten eine Kapitalbeteiligung ab, als die Insolvenz absehbar war. Dies geht aus dem Bericht des Gerichtsgutachters Anton Valukas hervor, der vorige Woche in New York veröffentlicht worden war. Lehman Brothers hatte am 15. September 2008 Gläubigerschutz beantragen müssen. Es war die größte Pleite in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte. In den Wochen davor hatte Bankchef Richard Fuld verzweifelt versucht, Partner zu finden, die entweder Kapital investieren oder die Bank ganz übernehmen würden. Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, hatte seinerzeit öffentlich erklärt, er habe keinerlei Interesse an Lehman. Was bisher nicht bekannt war, ist die Tatsache, dass Fuld Ackermann tatsächlich wegen eines Engagements angesprochen hat. In dem Bericht von Gutachter Valukas steht die Deutsche Bank auf einer Liste jener Institute, mit denen Lehman Kontakt aufgenommen hatte, die aber "nicht einmal an einer Diskussion über eine Transaktion interessiert" gewesen seien. Neben der Deutschen Bank gehören dazu die Bank of China, die Investitionsbehörden von Abu Dhabi und Kuwait, die Carlyle Group, der Staatsfonds Chinese Investment Corporation, die Mubadala Development Company aus Abu Dhabi und der Staatsfonds von Qatar. Der Bericht sagt nichts darüber aus, wie die Anfragen genau aussahen. Zuvor hatte Richard Fuld schon den Investor Warren Buffett wegen eines Engagements angesprochen; auch er sagte nach Prüfung der Unterlagen ab. Ernsthafte Verhandlungen gab es mit der Bank of America, der britischen Barclays und der koreanischen Entwicklungsbehörde KDB. Als die Verhandlungen mit KDB im September 2008 scheiterten, stürzte der Aktienkurs von Lehman in den Keller und die Endphase des Instituts begann. Barclays kaufte nach der Pleite wichtige Teile der Konkursmasse. Lehman ließ Milliarden aus der Bilanz verschwinden Wie aus dem Bericht weiter hervorgeht, gehörte die Deutsche Bank neben JP Morgan Chase und der schweizerischen UBS zu den wichtigsten Partnern von Lehman bei den umstrittenen "Repo-105"-Geschäften. Repo-Kredite sind eine alltägliche Form kurzfristiger Darlehen zwischen Banken. Dabei werden für ein paar Tage Wertpapiere verpfändet. Normalerweise bleiben diese Wertpapiere dabei in der Bilanz des kreditnehmenden Instituts. Lehman nutzte aber eine Lücke in den amerikanischen Buchführungsregeln, wonach solche Geschäfte dann als "Verkauf" verbucht werden können, wenn der Wert der Papiere 105 Prozent der Kreditsumme oder mehr ausmacht. Die angeschlagene Bank nutzte diese Regel, um regelmäßig zum Stichtag der Quartalsberichte 50 Milliarden Dollar aus der Bilanz verschwinden zu lassen. Dies könnte jetzt noch juristische Konsequenzen haben. Die Repo-105-Kredite waren teurer als normale Repo-Kredite und damit für die Geschäftspartner Lehmans besonders attraktiv. Allerdings hätten diese auch misstrauisch werden können, legt der Bericht nahe: Warum ließ sich Lehman überhaupt auf so etwas ein? Bei der Deutschen Bank scheint irgendwann das Misstrauen gesiegt zu haben. Laut Untersuchungsbericht scheiterte im Laufe des Jahres eine derartige Transaktion zwischen Lehman und den Händlern der Deutschen Bank. Das Frankfurter Geldhaus wollte sich dazu nicht äußern.
Im letzten Augenblick bat die US-Pleitebank Lehman Brothers den Deutsche-Bank-Chef um Hilfe. Der lehnte ab.
https://www.sueddeutsche.de/geld/gesundheitssystem-roesler-verschaerft-druck-auf-pharmakonzerne-1.11010
geld
Gesundheitssystem - Rösler verschärft Druck auf Pharmakonzerne
00/03/2010
Keine Zeit verlieren: Die Pharmafirmen müssen noch im Laufe des Jahres mit Einschnitten rechnen. Bei einer Tagung mit den Unions-Gesundheitsexperten hat Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) deutlich gemacht, dass die kurzfristigen Maßnahmen im Arzneimittelbereich "so schnell wie möglich zur Anwendung kommen sollen", sagte ein Sprecher des Ministers. Die Union hatte Rösler zuvor Unterstützung bei seinem Versuch zugesichert, die Arzneimittelpreise drastisch zu senken. "Die Vorschläge des Ministers sind eine gute Basis für die koalitionsinterne Beratung zur Arzneimittelpreisfindung. Wir müssen es langfristig schaffen, dass es kein einseitiges Preisdiktat der Pharmaindustrie gibt. Da sind die Vorschläge gut", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn (CDU), am Rande der Klausurtagung. Rösler will das Preisdiktat der Pharmaindustrie für neue Medikamente brechen, um die Kostenexplosion im Gesundheitswesen zu stoppen. Helfen sollen dabei auch Zwangsrabatte und Preismoratorien. Davon erhofft er sich Einsparungen von bis zu zwei Milliarden Euro im Jahr. Eine staatliche Preisfestsetzung bei der Zulassung neuer Arzneimittel lehnt Rösler aber ab. Vorerst keine Zwangsrabatte Nach Angaben von Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer kristallisiert sich ein Preismoratorium als wahrscheinlichste Maßnahme für 2010 heraus. Ein Zwangsrabatt für die Pharmafirmen sei dagegen für dieses Jahr eher unwahrscheinlich. Für kommendes Jahr werde über die weiteren Schritte noch beraten. Die Fachexperten der Union seien sich bei ihrer Klausur im westfälischen Gonau laut Singhammer "in Richtung und Ziel" mit Rösler einig gewesen. Die angekündigte Kosten-Nutzen-Bewertung für innovative Arzneimittel müsse nun rasch eingesetzt werden, da dadurch erhebliche Einsparungen zu erwarten seien. Auch schon vor dem Beginn der geplanten verpflichtenden Preisverhandlungen zwischen Pharmafirmen und Kassen müsse es eine solche Bewertung geben, sagte der CSU-Politiker. Auch Röslers Sprecher betonte, bei den Beratungen im westfälischen Gronau sei deutlich geworden: "Der Minister und die Unionsfraktion ziehen an einem Strang." Rösler will nun in Abstimmung mit den Koalitionsfraktionen in Kürze Eckpunkte für die Reform des Arzneimarktes vorlegen. Diese sollen Grundlage für ein Gesetzesverfahren werden. Spahn sagte: "Ich glaube, dass die Pharmaindustrie in Deutschland weiß, dass es nicht bleiben kann wie es ist. Sie haben ja ein wenig den Himmel auf Erden, weil sie freie Preisbildung haben, das gibt es nicht mehr in vielen Ländern auf der Welt." Er fügte hinzu: "Die Pharmaindustrie weiß auch, dass sie einen finanziellen Beitrag leisten muss, damit die Krankenkasse stabilisiert werden kann. Ob sie jetzt über jeden Beitrag erfreut ist, weiß ich nicht, aber das ist auch nicht unser Job."
Gesundheitsminister Rösler will die Arzneikosten drücken - und das möglichst schnell. Die Regierung spekuliert auf Milliarden-Einsparungen.
https://www.sueddeutsche.de/geld/hilmar-kopper-mr-klartext-drueckt-sich-vor-dem-ruhestand-1.19388
geld
Hilmar Kopper - Mr. Klartext drückt sich vor dem Ruhestand
00/03/2010
Eigentlich ist es nicht verwunderlich, dass das mit den "Peanuts" gerade ihm passieren musste. Hilmar Kopper war nie einer, der seine Worte diplomatisch abwägt, aus dessen Mund nur weichgespülte Floskeln kommen. Kopper spricht Klartext. So etwa im Herbst 2008 auf dem Höhepunkt der Finanzkrise in einer Talkshow: "Die Politik hat keine Ahnung vom Banking, was sie bei den Landesbanken hinlänglich bewiesen hat", sagte er zum Beispiel. Oder: Banken, die zu hohe Risiken eingegangen sind, werden "brutal abgestraft. Alles weg. Alles tot." Kein Wunder, dass so einem das mit den Peanuts herausrutschte. Es war 1994 anlässlich der Pleite des Baulöwen Jürgen Schneider, bei der Handwerkerrechungen über 50 Millionen Euro offenblieben. Peanuts seien solche Beträge für ein Institut wie die Deutsche Bank, deren Chef er damals war. Er wollte das auf das Kreditbuch seiner Bank beziehen, aber die Öffentlichkeit bezog es auf die Handwerker. Von da an war Kopper in Deutschland das Sinnbild für Kälte und Arroganz. Aus dem "Deutsche-Bank-Kopper" wurde der "Peanuts-Kopper", und er ist es bis heute geblieben. Am Samstag feiert er seinen 75. Geburtstag. Kein Sonnyboy Das mit den Peanuts sieht er inzwischen gelassen. Er hat sich selbstironisch einmal mit einem Berg Erdnüssen fotografieren lassen. Mit Vereinfachungen müsse man in einer herausgehobenen Position leben, meint er. Herausgehoben war er über Jahrzehnte. 1989 wurde er bei der Deutschen Bank Nachfolger des von der RAF ermordeten Alfred Herrhausen. Der war so ziemlich das Gegenteil von ihm. Der Branchenfremdling Herrhausen strahlte mit seinen gesellschaftlichen Visionen nach außen, nach innen aber musste er mit Widerständen kämpfen. Kopper dagegen war nach außen "Mr. Peanuts", bei seinen Mitarbeitern aber sehr beliebt. Das lag auch daran, dass er sich stets schützend vor die eigene Mannschaft und die eigene Zunft stellte. Er war nicht der Sonnyboy, sondern derjenige, der sagt, was Sache ist. Kopper stammt aus Westpreußen. Im Krieg musste er als Kind er mit seiner Familie nach Lübeck flüchten. Für ein Studium war kein Geld da, deshalb machte er 1954 eine Lehre bei der Deutschen Bank in Köln. 1969 war er Filialleiter in Leverkusen, 1977 berief man ihn in den Frankfurter Konzernvorstand. Schrempp und Kopper - das "Duo Infernale" Kopper war es, der die Deutsche Bank zu der Universalbank machte, die sich heute ist. Darauf sei er am stolzesten, sagt er. Er kaufte Ende der 80er Jahre die US-Investmentbank Bankers Trust und holte 1996 einen gewissen Josef Ackermann aus der Schweiz, der die Sparte ausbaute. Als Kopper 1997 an Rolf-Ernst Breuer übergab, blieb er noch über Jahre Aufsichtsratschef, und das nicht nur bei der Deutschen Bank. Mehr als 60 Mandate in Kontrollgremien übte er in seiner Laufbahn aus - ein Zeichen dafür, dass Kopper über lange Zeit im Mittelpunkt jenes Netzwerkes saß, das Deutschland AG hieß. Sein umstrittenster Aufsichtsratsvorsitz war der bei Daimler-Chrysler.
Der frühere Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper wird 75. Vom Tagesgeschäft kann der streitbare Banker jedoch nicht lassen.
https://www.sueddeutsche.de/geld/krisentreffen-in-berlin-nur-warme-worte-1.5905
geld
Krisentreffen in Berlin - Nur warme Worte
00/03/2010
Die Bundesregierung wird das hochverschuldete Griechenland vorerst nicht finanziell unterstützen. Kanzlerin Angela Merkel sagte nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Giorgos Papandreou in Berlin, diese Frage stelle sich derzeit nicht. Athen habe auch nicht um finanzielle Unterstützung gebeten. In Griechenland selbst kam es zu Krawallen, bei denen unter anderem ein Gewerkschaftsführer verletzt wurde. Merkel lobte ausdrücklich die Anstrengungen Griechenlands zur Reduzierung des Haushaltsdefizits. Sie sei "dankbar, mit welchem Mut und mit welcher Kraftanstrengung sich Parlament und Regierung in Griechenland der Herausforderung gestellt haben", sagte Merkel mit Blick auf das Sparpaket der Regierung in Athen. Die Kanzlerin sprach auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Papandreou von einem "außerordentlich wichtigen Schritt" zur Lösung der Krise. Sie verwies auf den erfolgreichen Verkauf einer Staatsanleihe, der der Regierung in Athen am Donnerstag fünf Milliarden Euro eingebracht hatte. Die Märkte hätten wieder Vertrauen gefasst, sagte Merkel. Papandreou erklärte, das Sparprogramm seiner Regierung sei "schwierig, aber notwendig". Er wies Forderungen zurück, Griechenland solle Staatsbesitz, möglicherweise sogar Inseln veräußern. In Berliner Regierungskreisen hofft man nach dem Auktionserfolg Athens darauf, dass das EU-Partnerland sein riesiges Haushaltsloch am Ende tatsächlich ohne Hilfe von außen wird schließen können. Ausgemacht ist das aber noch nicht, da Griechenland allein bis Ende Mai weitere 15 Milliarden Euro umschulden muss. Andere EU-Staaten müssten mitziehen Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wäre die Bundesregierung im Notfall dazu bereit, der staatseigenen Förderbank KfW den Auftrag zum Kauf griechischer Staatsanleihen zu erteilen. Voraussetzung wäre allerdings, dass andere EU-Staaten mitzögen und dass die Athener Regierung ihr Sparkonzept ohne Abstriche umsetzt. Das Programm, das am Freitag vom griechischen Parlament beschlossen wurde, sieht Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen im Gesamtumfang von 4,8 Milliarden Euro vor. In Deutschland entspräche das - gemessen an der Wirtschaftskraft - einem Einsparvolumen von 50 Milliarden Euro. Unmittelbar vor seinem Besuch in Berlin traf Papandreou am Freitag mit dem luxemburgischen Regierungschef Jean-Claude Juncker zusammen, der zugleich Vorsitzender der Euro-Finanzminister ist. Juncker bezeichnete die Sparbemühungen Griechenlands als "glaubwürdigen Konsolidierungsbeitrag", der seine Wirkung entfalten werde. Juncker betonte, er gehe vorerst nicht davon aus, dass Hilfe anderer Staaten nötig wird. Falls notwendig, würde die EU aber handeln, um die Stabilität des Euro zu wahren. In Griechenland selbst erreichte die Protestwelle gegen die Regierung einen neuen Höhepunkt: Der Gewerkschaftschef Yiannis Panagopoulos wurde während einer Rede vor mehr als 7000 Demonstranten von maskierten Jugendlichen angegriffen und nach einer heftigen Rangelei blutend in Sicherheit gebracht. Jugendliche bewarfen Polizisten und Wachsoldaten mit Steinen, die Beamten setzten Schlagstöcke, Tränengas und Blendgranaten ein. Zugleich legte eine Welle von Streiks den Verkehr lahm. Busse und Bahn fuhren in Athen nicht mehr, zahlreiche Inlandsflüge fielen aus. Auch viele Beamte, Lehrer, Ärzte und Journalisten des staatlichen Rundfunks legten die Arbeit nieder.
Kanzlerin Merkel will dem griechischen Ministerpräsidenten Papandreou kein Geld geben. Im Notfall allerdings würde die Staatsbank KfW Anleihen kaufen.
https://www.sueddeutsche.de/geld/bonus-praktiken-anklaeger-knoepfen-sich-ex-westlb-manager-vor-1.19321
geld
Bonus-Praktiken - Ankläger knöpfen sich Ex-WestLB-Manager vor
00/03/2010
Bei der Westdeutschen Landesbank (WestLB) haben Markus B. und sein damaliger Vorgesetzter Friedhelm B. gut verdient. Die beiden haben dort in großem Stil mit Aktien gehandelt; lange Zeit war das erfolgreich und wurde, wie in der Branche üblich, mit teilweise hohen Bonuszahlungen belohnt. Vor drei Jahren fielen dann aber bei Spekulationen mit den Papieren von VW und BMW Verluste in Höhe von 604 Millionen Euro an, und das könnte für die beiden Händler jetzt ein böses Nachspiel haben. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf, die wegen der missglückten Börsengeschäfte ermittelt, will nach Informationen der Süddeutschen Zeitung Anklage gegen die zwei Händler erheben. Die Justiz in Deutschland will zum ersten Mal fragwürdige Bonus-Praktiken prüfen. Gegen 14 Beschuldigte wird ermittelt, darunter gegen den kompletten damaligen Vorstand einschließlich des seinerzeitigen Bankchefs Thomas Fischer. Seit drei Jahren bereits suchen die Düsseldorfer Staatsanwälte nach den Ursachen für die Börsen-Pleite der WestLB. Gegen 14 Beschuldigte wird ermittelt, darunter gegen den kompletten damaligen Vorstand einschließlich des seinerzeitigen Bankchefs Thomas Fischer. Jetzt will die Strafverfolgungsbehörde das Verfahren abschließen. Die Ermittlungen gegen die Ex-Vorstände sollen gegen Zahlung bestimmter Beträge eingestellt werden. Dagegen sollen Markus B. und Friedhelm B. nach Angaben aus Kreisen von Verfahrensbeteiligten angeklagt werden. Glimpfliche Lösung in Aussicht Die WestLB hatte sich nach den horrenden Verlusten von den beiden getrennt und sie wegen Veruntreuung von Bankvermögen, Manipulation und Insidergeschäften angezeigt. Wegen welcher Delikte die beiden Aktienhändler vor Gericht kommen sollen, ist bislang nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft äußert sich nicht zum Verfahren. Die Anwälte der beiden Aktienhändler beantworteten eine schriftliche Anfrage der SZ nicht. Auch Rechtsvertreter der damaligen sieben Vorstandsmitglieder, von denen noch zwei im Amt sind, ziehen es vor, zu schweigen. Das hat gute Gründe. Derzeit spricht die Staatsanwaltschaft mit diversen Anwälten über den Abschluss des Ermittlungsverfahrens.
Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft will zwei frühere Manager der WestLB vor Gericht bringen. Der Vorwurf: maßlose Zockerei.
https://www.sueddeutsche.de/geld/frisches-geld-fuer-griechenland-athen-kann-durchatmen-1.8062
geld
Frisches Geld für Griechenland - Athen kann durchatmen
00/03/2010
Stellt man sich Giorgos Papandreou als Kapitän eines Segelschiffs vor, dann hat der griechische Regierungschef in diesen Tagen ein gekonntes Manöver hingelegt. Wochenlang war sein havarierendes Schiff namens Hellas scheinbar unaufhaltsam auf einen Eisberg namens Staatspleite zugeschlingert. Getrieben von Spekulanten und begleitet vom Geschrei aufgeregter Politiker schien es, als könne die Hellas allenfalls im Schlepptau der Europäischen Union oder des Internationalen Währungsfonds aus der Gefahrenzone gebracht werden. Doch am Mittwoch präsentierte der Kapitän einen Plan, wie er das Schiff wieder seetüchtig machen will. 4,8 Milliarden Euro will das Land in diesem Jahr sparen, um die Staatsverschuldung wieder in den Griff zu bekommen. Noch am selben Tag applaudierten Politiker, Ratingagenturen und Investoren. Am Abend hielt Papandreou einen Finger in den Wind und stellte fest, dass sich der Wind an den Märkten gedreht hatte. Am Donnerstagmorgen ließ der Kapitän die Segel hissen und es gelang ihm, die Hellas ein ordentliches Stück vom Eisberg wegzumanövrieren. Binnen weniger Stunden hat die griechische Regierung am Donnerstag Anleihen im Wert von mindestens fünf Milliarden Euro bei Investoren untergebracht. Die Nachfrage hätte für 16 Milliarden Euro gereicht, hieß es in Finanzkreisen. Am Nachmittag war noch unklar, wie viel Griechenland tatsächlich einsammeln würde. Auch die Zinsen, die Athen den Investoren bieten musste, waren nicht so hoch, wie man zwischenzeitlich befürchten musste. 6,35 Prozent reichten, das sind etwa drei Prozentpunkte mehr, als Anleger für Bundesanleihen erhalten. "Wenn man bedenkt, wie die Situation an den Märkten noch vor einer Woche war, ist es überragend gelaufen", sagte Kornelius Purps, Zins- und Währungsanalyst bei der Bank Unicredit. Vergangene Woche hatten deutsche Banken signalisiert, sie hätten kein Interesse, noch mehr in griechische Staatsanleihen zu investieren. Kein Wunder, haben sie doch bereits rund 35 Milliarden Euro dort angelegt. Doch wer stürzt sich jetzt auf die hellenischen Schuldtitel? Als Griechenland Ende Januar eine Anleihe ausgab, griffen vor allem große Fondsgesellschaften zu, aber auch internationale Banken und Versicherungen. Das sei auch diesmal so gewesen, vor allem bei Versicherern war das Interesse groß. Zu den neuen Geldgebern der Griechen dürften aber auch Hedgefonds zählen - die Athen mit ihren Spekulationen auf eine Staatspleite überhaupt erst so stark in die Bredouille gebracht hatten. Sie hatten über Kreditversicherungen - so genannte Credit Default Swaps (CDS) - auf einen Ausfall der Staatsschulden spekuliert. Wenn Hedgefonds derartige Wetten auflösen, decken sie sich häufig mit jenen Wertpapieren ein, auf deren Preisverfall sie zuvor spekuliert hatten.
Das Schlimmste ist erst einmal abgewendet. Griechenland sammelt über eine Anleihe binnen weniger Stunden mehrere Milliarden ein. Ob das reicht?
https://www.sueddeutsche.de/geld/new-york-immobilienspekulation-renditejagd-im-arbeiterviertel-1.10435
geld
New York: Immobilienspekulation - Renditejagd im Arbeiterviertel
00/03/2010
Auf baufälligen Stahlstelzen poltern die Züge der Linie 7 durch die Vielvölkerviertel von Queens. Asiaten, Europäer, Afrikaner und Latinos wohnen Tür an Tür in Apartmenthäusern links und rechts der Bahnstrecke. 150 verschiedene Sprachen werden hier gesprochen. Auf kulturelle Barrieren stößt man überall, und doch verbindet die Menschen, die hier leben, mehr als gemeinsame Hausnummern. Sie teilen einen Traum, den Traum vom bescheidenen Wohlstand, den Fleiß und Disziplin schaffen können. Frühmorgens fährt die Metro die Einwanderer nach Manhattan, wo sie Lifte bedienen, Taxis fahren oder Fenster putzen. Erst spät abends bringt sie sie zurück. Wenn die Einwanderernation Amerika ein Herz hat, dann schlägt es hier. Und wenn es im Wirtschaftskreislauf New Yorks Lebensadern gibt, dann sind es diese Gleise. Jagdrevier der Wall Street Queens ist ein Stadtteil der Working Class. Doch inzwischen ist es auch ein Jagdrevier der Wall Street. In den Jahren vor der großen Rezession schickten sich Dutzende Beteiligungsfirmen an, die letzten Wohnraumreserven New Yorks zu erschließen. Der Markt in Manhattan war bereits überhitzt, und der Boom breitete sich aus bis tief nach Brooklyn, Queens und in die Bronx. Bald gerieten Sozialwohnungen zu Spekulationsobjekten - und ihre Bewohner zu Renditerisiken. Denn gerade in den Einwanderervierteln deckelt die Stadtverwaltung die Mieten, die Immobilienbesitzer verlangen können. So soll die Vielfältigkeit der Viertel erhalten bleiben. Doch die Mietgrenzen gelten nur für Altmieter. Wer neu einzieht, muss Marktpreise zahlen. Die Idee, die hinter der Gründung der Beteiligungsgesellschaften stand, war daher denkbar einfach: Das Geschäftsmodell lautete Vertreibung. Ricardo Aguaiza fand die erste Mahnung im Juli 2007 in seinem Briefkasten. Er erinnert sich genau. "Ich wohne seit mehr als 20 Jahren in diesem Haus. Nie hatte ich Ärger. Ich habe meine Miete immer pünktlich überwiesen." Doch den neuen Eigentümern ging es nicht um Pünktlichkeit, schon gar nicht um Fairness. Sie wollten Aguaiza loswerden. Ihn, seine Familie und möglichst auch all die anderen Altmieter in diesem Backsteinbau auf der 45. Straße. Die neuen Eigentümer waren Finanzinvestoren, die sich den klangvollen Namen Vantage zugelegt hatten. Vorteil heißt das, Vorteil Wall Street. Insgesamt erwarb das Unternehmen seit 2006 auf Streifzügen durch Queens 5000 Apartments, weitere 4000 in Harlem. Kaum waren die Kaufverträge unterschrieben, begann Vantage damit, den Altmietern zu kündigen und sie mit Klagen zu überziehen. Dass die meisten Klagen völlig haltlos waren, war Teil des Kalküls. Das zumindest sagen Sozialarbeiter. Vantage widerspricht: Wenn Hausbewohner Probleme hätten, dann nur, weil sie ihre Mietverträge nicht einhielten.
In New York haben Finanzinvestoren ein Zehntel des günstigen Wohnraums aufgekauft und wollen höhere Mieten durchdrücken. Jetzt wehren sich die Bewohner.
https://www.sueddeutsche.de/geld/krise-in-der-eu-griechenland-ist-nicht-kalifornien-1.11887
geld
Krise in der EU - Griechenland ist nicht Kalifornien
00/03/2010
Wer wissen will, was für ein Land dieses Griechenland ist, muss nur einen Blick in die hiesigen Boulevard-Blätter werfen. Von korrupten Politikern ist da die Rede, von Schwarzarbeit und Steuerbetrug, von mieser Zahlungsmoral und Luxus-Renten. Mehr als ein Drittel der griechischen Arbeitnehmer ist im öffentlichen Dienst beschäftigt, es gibt 14 gesetzliche Feiertage, und fällt einer davon auf ein Wochenende, bleiben die Beamten einfach an einem anderen Tag zu Hause. Und einem solchen Volk sollen die Bundesbürger ihr Geld hinterherwerfen? In der FDP hat es Anfang Februar eine kurze Debatte darüber gegeben, ob sich die drohende Staatspleite Griechenlands nicht innenpolitisch ausschlachten ließe, schließlich ist das Thema absolut stammtischtauglich. Für einen Bundesaußenminister wäre das jedoch unziemlich gewesen, weshalb es am Ende nicht die Griechen waren, die für die Profilierungskampagne des FDP-Vorsitzenden herhalten mussten, sondern die Hartz-IV-Empfänger. Es gibt aber noch einen zweiten Grund, der die Liberalen zur Zurückhaltung bewog: Wie alle anderen Mitglieder der Bundesregierung weiß auch Guido Westerwelle ganz genau, dass es in Wahrheit längst nicht mehr um die Frage geht, ob die Welt Griechenland hilft, sondern nur noch wie. So wahr es ist, dass Ministerpräsident Giorgos Papandreou mit dem gedankenlosen Anspruchsdenken vieler seiner Mitbürger zunächst einmal selbst fertig werden muss, so wahr ist es auch, dass er den Zwei-Fronten-Kampf gegen die Gewerkschaften einerseits und die Weltfinanzmärkte andererseits allein nicht wird gewinnen können. Vordergründig betrachtet könnte das den EU-Partnern egal sein, denn Griechenland spielt für die europäische Wirtschaft praktisch keine Rolle. Auch Portugal und Irland tun das nicht. Anders sieht es da bei Spanien und Italien aus: Springt die Krise auf sie über, hat plötzlich die gesamte Euro-Zone ein gravierendes Problem: Dann droht ein Auseinanderbrechen der Währungsunion und damit, wie es der US-Ökonom Barry Eichengreen einmal sagte, die "Mutter aller Finanzkrisen". Hinzu kommt: Die EU-Partner sind keineswegs unschuldig an den Problemen ihrer südlichen Nachbarn. Sie guckten nicht nur weg, als die Griechen ihre Statistiken fälschten und die Spanier ihre Immobilienblase produzierten. Sie taten auch zu wenig dafür, die Währungsunion zur politischen Union weiterzuentwickeln und damit ihren größten Geburtsfehler zu beseitigen: Heute wird die Geldpolitik in Europa zentral gesteuert, während in der Wirtschafts- und Finanzpolitik nach wie vor jeder unkoordiniert vor sich hinwerkelt.
In der EU tobt eine heftige Auseinandersetzung um Griechenland. Wer soll retten? Tut es keiner, droht die "Mutter aller Finanzkrisen".
https://www.sueddeutsche.de/geld/finanzmaerkte-spekulanten-attackieren-das-britische-pfund-1.3525
geld
Finanzmärkte - Spekulanten attackieren das britische Pfund
00/03/2010
Die Sorge vor wachsenden Staatsschulden in Europa führt zu immer größeren Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten. Nachdem die Spekulanten in den vergangenen Tagen auf eine Staatspleite in Griechenland und einen Verfall des Euro gewettet hatten, geriet am Montag auch das britische Pfund massiv unter Druck. Die Anleger fürchten offenbar, dass auch Großbritannien wegen seiner hohen Neuverschuldung Probleme bekommen könnte. Die EU-Kommission rechnet damit, dass Großbritannien in diesem Jahr ein Defizit von 12,9 Prozent der Wirtschaftsleistung auftürmen wird. Das wäre sogar noch ein wenig höher als in Griechenland: Für Athen erwartet die EU-Kommission ein Minus von 12,7 Prozent. Im Fall von Großbritannien rechnen die Spekulanten nicht mit einer Staatspleite wie bei Griechenland. Sie fürchten aber, dass die nächste Regierung in London Mühe haben wird, die Schulden zurückzufahren. Zusätzlich genährt wurde diese Furcht am Montag durch eine neue Umfrage, wonach nach den Unterhaus-Wahlen im Mai ein Patt zwischen den Konservativen und der Labour-Partei drohen könnte. Daraufhin stürzte der Kurs der britischen Währung gegenüber dem US-Dollar zeitweise um vier Cent ab. Zum ersten Mal seit zehn Monaten rutschte die britische Währung damit unter die Marke von 1,50 Dollar. Dem Pfund ergeht es mithin ähnlich wie dem Euro, der seit Wochen immer mehr an Wert verliert. Angesichts der Krise der europäischen Gemeinschaftswährung erhöhte die EU-Kommission am Montag ihren Druck auf die Griechen. Das von der griechischen Regierung vorgelegte Sparprogramm reiche nicht aus, weitere Maßnahmen seien notwendig, sagte der für Währungsfragen zuständige Kommissar Olli Rehn nach einem Gespräch mit dem griechischen Finanzminister Giorgos Papakonstantinou am Montag in Athen. Die deutsche Regierung schloss derweil aus, Mittel aus dem Haushalt zur Verfügung zu stellen, um den vom Bankrott bedrohten Griechen aus der Klemme zu helfen. Die EU treibt die Sorge um, dass das Land keine Kredite mehr erhalten könnte und damit ohne fremde Hilfe pleite wäre. Das würde die Stabilität des Euro gefährden und die Währungsunion in eine bedrohliche Krise treiben. Unklar blieb weiterhin, wie die EU helfen will, wenn das Sparprogramm der griechischen Regierung nicht ausreicht, um die Märkte wieder zu beruhigen. Finanzspritzen aus der Kasse der Bundesregierung sind nicht vorgesehen. "Es gibt keine Haushaltsmittel für Griechenland", betonte eine Regierungssprecherin. In Regierungskreisen hieß es, man wolle zunächst abwarten, wie die Griechen das Problem angingen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werde dies auch mit dem griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou erörtern, der am Freitag Berlin besucht. Griechenland hat bislang weder bei der EU noch bei einzelnen Staaten finanzielle Hilfe erbeten. In Berlin wurden Spekulationen zurückgewiesen, die staatseigene KfW könnte für griechische Staatsanleihen bürgen, die von Banken aufgekauft würden. "Das machen wir auf keinen Fall", hieß es. Klar sei jedoch, dass sich die EU auf Hilfen verständigen werde, wenn Athen zahlungsunfähig werde. Man setze aber darauf, dass dies nicht geschehen werde.
Finanzmärkte in Aufruhr: Gnadenlose Zocker setzen nach dem Euro nun das britische Pfund massiv unter Druck.
https://www.sueddeutsche.de/geld/betrug-via-abbuchung-der-ein-cent-trick-1.18835
geld
Betrug via Abbuchung - Der Ein-Cent-Trick
00/03/2010
Ein Cent, was ist das schon? Für einen Cent kann man sich nichts kaufen. Wenn man ihn hat, bringt er nichts. Wenn man ihn nicht hat, fehlt er nicht. Diese billige Erkenntnis haben sich Betrüger jetzt zunutze gemacht. Das Bundesverbraucherschutzministerium berichtet von Fällen, in denen Bankkunden auf ihrem Konto den Eingang von einem einzigen Cent festgestellt haben. Absender ist meist eine nichtssagende Adresse. Die Kontoinhaber wundern sich kurz - und legen den Fall ad acta. Ist ja nichts passiert. Schließlich haben sie nichts verloren, sondern im Gegenteil Geld bekommen, wenn auch lächerlich wenig. Was sie nicht wissen: Oft steckt dahinter ein perfider Trick. Betrüger versuchen, auf diese Weise an neue Kontonummern zu kommen. Die Auftraggeber der Überweisung lassen quasi einen Testballon steigen, indem sie an frei erfundene Zahlenkombinationen winzige Beträge verschicken. Kommen die Überweisungen nicht zurück, wissen sie, dass es die Nummer tatsächlich gibt. In der Folge buchen sie von dem fremden Konto einen Betrag ab. Nicht zu viel, damit es nicht auffällt. Aber auch nicht zu wenig, der Aufwand muss sich ja lohnen. Allzu häufig sei das bislang nicht vorgekommen, heißt es im Ministerium. Aber ärgerlich sei das Ganze trotzdem. Dass die Masche überhaupt so leicht funktioniert, liegt an einer Gesetzesänderung, die Ende Oktober in Kraft trat. Seither müssen Banken bei einer Überweisung nicht mehr prüfen, ob Kontonummer und Name des Empfängers übereinstimmen. Die Betrüger können daher in das Überweisungsformular einfach eine beliebige Zahlenreihe eintragen und sich einen Namen dazu ausdenken. Mit der neuen Regelung setzte der deutsche Gesetzgeber eine EU-Richtlinie um, die den Geldverkehr in der EU beschleunigen soll. Banken sollen nicht mehr davon profitieren, dass sie sich möglichst viel Zeit lassen beim Ausführen von Aufträgen. Vom Jahr 2012 an müssen deshalb alle Zahlungen grundsätzlich bis zum Ende des folgenden Geschäftstags abgewickelt sein. Bewerkstelligen lässt sich die Beschleunigung aber nur, indem das Überweisungsverfahren vollautomatisiert wird. Die Kontonummer wird also von einer Maschine abgelesen, der egal ist, ob der Name passt oder nicht. Kontoauszüge sorgfältig prüfen Haben die Betrüger erst einmal die Kontonummer, ist die Abbuchung einfach. Sie müssen nur bei ihrer Bank behaupten, sie hätten das Recht, per Lastschrift Beträge von dem fremden Konto einzuziehen. Ob sie das tatsächlich dürfen, prüft die Bank nicht. So ist das Lastschriftverfahren geregelt in Deutschland, und im Großen und Ganzen hat es sich auch bewährt. Stadtwerke buchen auf diese Weise ab, die GEZ oder auch Vereine. Damit die Kunden aber nicht völlig schutzlos sind, haben sie ein Widerspruchsrecht, das sie sechs Wochen lang bei ihrer Bank geltend machen können. Im Fall von Betrügereien könnten sie sogar 13 Monate lang widersprechen, heißt es im Ministerium. Und deshalb rät der Sprecher von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner auch dringend, Kontoauszüge regelmäßig sorgfältig zu prüfen. "So können Bankkunden sich vor einem Missbrauch des Lastschriftverfahrens schützen." Gleichzeitig weist er daraufhin, dass die Banken - schon um Ärger zu vermeiden - normalerweise nur seriösen Unternehmen die Teilnahme am Lastschriftverfahren gestatten. Doch offenbar hapert es da manchmal an der Urteilskraft - sonst wäre es zu den Betrügereien wohl kaum gekommen.
Schnell viel Geld absahnen: Mit einer Mini-Überweisung spionieren Betrüger Kontonummern aus. Die Abbuchung an sich ist dann ein Kinderspiel.
https://www.sueddeutsche.de/geld/schweiz-bankgeheimnis-der-revierhueter-1.18258
geld
Schweiz: Bankgeheimnis - Der Revierhüter
00/03/2010
Wilhelm Tell hat mit einem einzigen Bolzenschuss die Schweiz begründet, aber erst Jean-Marie Musy verschaffte ihr den Ruf als Banktresor der ganzen Welt. Während es bei Tell um Leben und Tod geht und es überall vom Tyrannenmord wetterleuchtet, sind von dem staubtrockenen Finanzokraten Musy nur so unsterblich öde Formulierungen wie diese überliefert: "Wer vorsätzlich als Revisor oder Revisionsgehilfe die ihm bei der Durchführung einer Revision oder bei der Abfassung oder Erstattung des Revisionsberichtes obliegenden Pflichten gröblich verletzt (...) wird mit Buße bis zu zwanzigtausend Franken oder Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft." Doch auch wenn die Prosa von Bundesrat Musy nicht ganz an den Freiheitspathos von Friedrich Schiller heranreicht, die Schweiz verdankt ihm in Gestalt dieses Artikels 47 die Formulierung des weltweit einmaligen Bankgeheimnisses. In einer bemerkenswert offenherzigen Geschichte hat jetzt der Zürcher SonntagsBlick die Geschichte des Mannes recherchiert, der vor 75 Jahren mit ein paar Sätzen die Schweiz zur schier uneinnehmbaren Finanzfestung machen konnte. Der 1876 im Greyerzerland geborene Rechtsanwalt Musy trat erst mit 35 in eine Bank ein - passenderweise, um sie zu sanieren. Gleichzeitig beginnt er eine Laufbahn als Politiker, engagiert sich bei der Partei der Katholisch-Konservativen und gelangt mit ihr alsbald in den Bundesrat, dem er von 1925 bis 1930 als Bundespräsident vorsteht. Nebenbei erregt er Aufsehen mit einer ebenso exzentrischen wie verschwenderischen Ehefrau. Am 2. Februar 1934 bringt Musy, inzwischen nur mehr einfacher Bundesrat, jenen Gesetzesvorschlag ein, der fortan alle am Geldverkehr Beteiligten bei Gefahr harter Strafen zum ewigen Schweigen verpflichtet. Das Gesetz wird am 8. November 1934 vom Nationalrat mit 119:1 Stimmen verabschiedet und tritt am 1. März 1935 in Kraft. Im Groll aus dem Amt Musy ist da schon nicht mehr dabei. Im Groll ist er aus dem Amt geschieden. Nicht wegen seines Gesetzes, sondern weil er in einer Kleinigkeit eine Niederlage erlitten hatte, zieht er sich auf seine Güter zurück, er will privatisieren, jagen und ein bisschen malen. Dafür erringt sein Sohn Pierre, ältestes der sieben Kinder, 1936 bei den Olympischen Winterspielen in Garmisch die Goldmedaille im Viererbob. Die Politik lässt den Vater aber nicht los. Mit Staunen und nicht ohne Neid erlebt er, wie sich im großen Nachbarland im Norden die Nationalsozialisten durchgesetzt haben. Musy sympathisiert ganz offen mit den Nazis. Er gründet eine Zeitung, La Jeune Suisse, er finanziert einen antikommunistischen Propagandafilm ("Die rote Pest"), bewundert Franco und Mussolini und er freundet sich mit Herrschaften wie Heinrich Himmler an, dem Reichsführer SS.
Jean-Marie Musy hat das Schweizer Bankgeheimnis erfunden - vor genau 75 Jahren trat es in Kraft. Der Rechtsanwalt und Finanzpolitiker sympathisierte offen mit den Nazis.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/rockerprozess-in-duisburg-schweigen-zum-auftakt-1.22333
panorama
Rockerprozess in Duisburg - Schweigen zum Auftakt
00/03/2010
Die Maschinenpistolen im Anschlag, die Schlagstöcke griffbereit: Als am Duisburger Landgericht am Donnerstag der Prozess um einen heimtückischen Mord im Rockermilieu begann, demonstrierte die Polizei schon am frühen Morgen Stärke und Entschlossenheit. Einsatzhundertschaften der Polizei patrouillierten auf den Straßen, die angereisten Mitglieder der Bandidos und Hells Angels standen unter Dauerbewachung. Zwischenfälle gab es nicht - nicht einmal Provokationen. Angeklagt ist ein Mitglied des Motorradclubs Hells Angels. Der 31-Jährige soll am 8. Oktober 2009 ein 32 Jahre altes Mitglied der verfeindeten "Bandidos" erschossen haben. Es war 8.51 Uhr, als die graue Mercedes-Limousine mit hohem Tempo vor dem Duisburger Landgericht auftauchte. Am Steuer: ein Elitepolizist, mit Sturmhaube vermummt. Auf den Rücksitz: der Angeklagte. Als er später in den Gerichtssaal geführt wurde, grüßte er in das Publikum, lächelte - und schwieg. Genau wie alle anderen. Zu den Vorwürfen wollte an diesem ersten Verhandlungstag niemand etwas sagen. Der Angeklagte nicht, die Verteidiger nicht, die Delegationen der verfeindeten Motorradclubs nicht. Die Anwälte ließen nicht einmal die Verlesung der Anklageschrift zu. Sie rügten die Zusammensetzung des Gerichts und erzwangen nach zweieinhalb Stunden eine Vertagung. Warum der Angeklagte geschossen hat, ist nicht ganz klar. Er soll mit einem weißen Mercedes direkt vor das Bandidos-Clubhaus Fat Mexican im Duisburger Stadtteil Hochfeld gefahren sein und mehrfach abgedrückt haben. Die Kugeln trafen sein Opfer, flogen außerdem knapp an den Köpfen zweier unbeteiligter Frauen vorbei. Die Anklage lautet deshalb nicht nur auf Mord, sondern auch auf zweifachen versuchten Totschlag. Beide Frauen waren am Donnerstag vor Gericht erschienen. Nach Angaben ihrer Anwälte hat sie die Tat schwer mitgenommen. "Es ist Wahnsinn, dass da nicht noch mehr Leute getroffen wurden", sagte Reinhard Peters, Anwalt der 22-Jährigen am Rande des Prozesses. Am Tatabend hatten sich zahlreiche Menschen vor dem Fat Mexican aufgehalten. Es war ein warmer Herbsttag, die Stimmung war gut. Bis plötzlich die Schüsse fielen - vier oder fünf, vielleicht auch mehr. "Es kann sein, dass nicht alle Hülsen gefunden wurden", sagte Peters auf dem Gerichtsflur. Der Angeklagte habe einfach durch die Menge hindurch geschossen. Um Macht und Vorherrschaft ging es diesmal aber wohl nicht. Angeblich war das Motiv einfach nur Eifersucht. Wie es heißt, hatte die Freundin des Angeklagten den Mann und damit auch die Seiten gewechselt - von den Hells Angels zu den Bandidos. Zu der Beerdigung des Opfers waren noch 300 Bandidos aus mehreren Ländern gekommen. Auch zum Prozessauftakt war ursprünglich mit zahlreichen Rockern gerechnet worden. Doch dann hatte es Gespräche zwischen Polizei und Präsidenten gegeben. Das Ergebnis: Beide Motorradclubs schickten lediglich Delegationen von jeweils zehn Mitgliedern. Wie sie ausgewählt wurden ist nicht ganz klar. Kenner der Szene erklärten am Rande des Verfahrens, dass es sich um "erfahrene" Leute handeln soll. Zumindest. Zu den Hells Angels, die im Gerichtssaal Platz nahm, gehörte auch ein Mann, dem nachgesagt wird, dass er zu den führenden Köpfen in Deutschland und Europa gehört. Der Prozess geht am 31. März weiter. Mit einem Urteil wird frühestens Mitte Mai gerechnet.
Keine Zwischenfälle, keine Provokationen. Der Duisburger Rockerprozess eröffnete ruhig - auch weil schwerbewaffnete Polizisten Bandidos und Hells Angels strikt trennten.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/kachelmann-bleibt-in-haft-ich-bin-unschuldig-1.12069
panorama
"Kachelmann bleibt in Haft - ""Ich bin unschuldig"""
00/03/2010
Jörg Kachelmann sah ganz anders aus, als man ihn aus dem Fernsehen kennt. Nicht bleich wegen der Vorwürfe und der Tage im Gefängnis. Nein, er federte zur Tür hinaus und wurde erst gar nicht erkannt, weil der ARD-Wettermann keinen Bart mehr trug und auch keinen Anzug, sondern eine Lederjacke. Insgesamt machte er in seinem gestreiften T-Shirt einen recht jugendlichen Eindruck. Kachelmann stieg in den grünen Gefangenentransport und sagte noch: "Ich bin unschuldig, das ist alles, was ich im Moment sagen kann." Eigentlich sollte am Mittwoch geprüft werden, ob der 51-Jährige noch länger in Untersuchungshaft bleibt, in der er sitzt, weil seine frühere Lebensgefährtin ihn wegen Vergewaltigung angezeigt hat. Aber aus der Prüfung durch einen Haftrichter wurde nur eine Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft im Amtsgericht Mannheim. In gewisser Weise ist der Fall Kachelmann aber längst ein öffentlicher Prozess geworden, lange bevor man im juristischen Sinne davon sprechen kann. Etwa vier Stunden lang wurde der Schweizer Staatsbürger von der Staatsanwaltschaft zum Vorwurf der Vergewaltigung befragt. Ursprünglich hatte sein Kölner Anwalt Reinhard Birkenstock einen Haftprüfungstermin beantragt, diesen aber zurückgezogen, da erst weitere Beweise für die Unschuld seines Mandanten vorgelegt werden sollten. "Man ist in Deutschland, wenn ein solcher Verdacht an einem hängt, schnell verhaftet. Die Enthaftung dauert in der Regel länger", sagte Birkenstock. "Glaubhafte Aussagen" Kachelmanns frühere Lebensgefährtin hatte angegeben, von ihm nach einem Streit vergewaltigt worden zu sein - bereits im Februar hatte sie Anzeige erstattet. "Wir schätzen die Aussagen der Frau als glaubhaft ein", bestätigte ein Sprecher der Mannheimer Staatsanwaltschaft. Es bestehe dringender Tatverdacht. Bei einer medizinischen Untersuchung seien bei der Frau "tattypische Verletzungen" festgestellt worden, sagte der Anwalt der ehemaligen Lebensgefährtin, Thomas Franz. Kachelmann beschäftigt zwei Anwälte: Ralf Höcker, der selbst oft als juristischer Experte im Fernsehen auftritt und ein "Lexikon der Rechtsirrtümer" geschrieben hat. Vom anderen, dem versierten Strafverteidiger Reinhard Birkenstock, gibt es nun auch viele Bilder, weil er bei allem, was er tat, von Medienleuten begleitet wurde, ob an der Fußgängerampel oder beim Rauchen. Auch dem Beschuldigten selbst durften sich Kameras und Journalisten nähern, als er das Gerichtsgebäude verließ: Die Staatsanwaltschaft hatte Ort und Uhrzeit seiner Vernehmung bekannt gegeben. Die Öffentlichkeit ist also im Fall Kachelmann erstaunlich nahe dran, lange bevor es überhaupt eine staatsanwaltschaftliche Anklage gibt.
Der unter Vergewaltigungsverdacht stehende Wettermoderator Jörg Kachelmann bleibt in Untersuchungshaft. Vor dem Gericht kommen die Medien ihm ganz nahe.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/vorwurf-der-vergewaltigung-kachelmann-will-aussagen-1.18476
panorama
Vorwurf der Vergewaltigung - Kachelmann will aussagen
00/03/2010
Seit Samstag sitzt der Fernsehmoderator Jörg Kachelmann in einer Zelle der Justizvollzugsanstalt Mannheim. Der Vorwurf, der gegen ihn erhoben wird, ist ungeheuerlich: Vergewaltigung - das bedeutet eine Mindeststrafe von zwei Jahren, eine Aussetzung zur Bewährung wäre kaum noch möglich, vom beruflichen Ruin ganz zu schweigen. Doch wie tragfähig die Anschuldigungen sind, ist noch nicht abzuschätzen. Seine Anwälte Ralf Höcker und Reinhard Birkenstock haben sich am Dienstag auf ihrer Homepage an die Medien gewandt und beteuert: "Jörg Kachelmann ist unschuldig. Er hat die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen." An diesem Mittwoch werde er sich gegenüber der Staatsanwaltschaft umfassend äußern - und zwar nur dort: Er werde nicht der Unsitte folgen, "nun eine mediale Schlammschlacht zu beginnen, denn hierunter würden alle Beteiligten nur noch zusätzlich zu leiden haben". Die Faktenlage - soweit sichtbar - ist bisher noch unübersichtlich. Anfang Februar soll der 51-jährige Wetterexperte seine langjährige Freundin nach einem Beziehungsstreit in ihrer Wohnung im baden-württembergischen Schwetzingen zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben. Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch die Angaben der Frau, was - wenn es der einzige Anhaltspunkt wäre - wohl zu wenig für den "dringenden Tatverdacht" wäre, den ein Haftbefehl voraussetzt. Ihre Beweise will die Staatsanwaltschaft Mannheim nicht offenbaren, nur so viel teilt Behördensprecher Andreas Grossmann mit: "Wir haben mehr als eine bloße Anzeige." Nach SZ-Informationen liegt den Ermittlern ein Gutachten vor, in dem die Rechtsmedizin bei der Frau in den Tagen nach der angeblichen Tat blaue Flecken festgestellt hat, die auf eine Vergewaltigung hindeuten. Die Anklage stützt sich nur auf die Aussagen der Frau Ohne zusätzliche Indizien würde kein Gericht einen Haftbefehl wegen Vergewaltigung erlassen, das bestätigen auch Staatsanwälte, die nichts mit dem Fall zu tun haben. Andererseits: Dieselben Experten warnen vor vorschnellen Schlüssen. Weil bei Vergewaltigungen normalerweise keine Zeugen zugegen sind, eignen sich solche Anschuldigung auch für einen Rachefeldzug wegen verletzter Gefühle. Verwunderlich ist zudem, dass das Opfer eine langjährige Freundin oder gar Lebensgefährtin von Kachelmann gewesen sein soll, doch selbst in den einschlägigen Magazinen nichts von ihr zu finden ist. Die Bild-Zeitung zitiert einen ungenannten "engen Geschäftspartner" Kachelmanns, der die Existenz dieser langjährigen Beziehung in Abrede stellt. Aus Justizkreisen ist zu hören, dass die Staatsanwaltschaft sich in diesem Punkt vorerst nur auf die Angaben der Frau stützt. Dass die Staatsanwaltschaft Kachelmann Fluchtgefahr attestiert und deshalb die Inhaftierung beantragt hat, entspricht den Usancen in solchen Fällen: Kachelmann ist Schweizer, er lebt in der Schweiz, damit wäre er nicht einmal per EU-Haftbefehl greifbar. Zumindest gegen eine Kaution wird er das Gefängnis womöglich bald wieder verlassen dürfen.
ARD-Fernsehmoderator Jörg Kachelmann will sein Schweigen brechen und vor der Staatsanwaltschaft aussagen. Die Faktenlage ist unübersichtlich.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/kachelmann-in-u-haft-verdacht-auf-vergewaltigung-1.10070
panorama
Kachelmann in U-Haft - Verdacht auf Vergewaltigung
00/03/2010
Man könnte sie jetzt natürlich alle verwenden, die Bilder, mit denen Jörg Kachelmann auch sein Geld verdient. Die schwarzen Wolken, das drohende Unwetter, der Sturm, der nun aufzieht über dem Leben Kachelmanns. Man kann es aber auch ganz sachlich formulieren, so, wie es die Staatsanwaltschaft Mannheim an diesem Montag tat: 51-jähriger Moderator wegen des Verdachts der Vergewaltigung seiner langjährigen Freundin verhaftet. Am Samstagmorgen vergangener Woche ist Jörg Kachelmann am Frankfurter Flughafen festgenommen worden. Er sitzt nun in einer Zwei-Personen-Zelle im Mannheimer Untersuchungsgefängnis. Wetternachrichten als Unterhaltungsformat Kachelmann war gerade aus Vancouver zurückgekehrt, wo er für die ARD das Olympiawetter gemacht, über die Aussichten auf Schnee und Medaillen gesprochen hat und auch viel über sich selbst. Wenn er nicht live zu sehen war, hat er kleine Nachrichten verschickt über den Twitterdienst: "Ab Mittwoch viel Sonne für mehrere Tage, natürlich auch dank Ihren Gebührengeldern, in diesem Sinne vielen Dank dafür!" Jörg Kachelmann ist immer sehr lebensbejahend, auch wenn das Wetter schlecht ist. Er hat aus den Wetternachrichten eine Unterhaltungsform gemacht, er hat die Vorhersagen privatisiert, die davor in der Hand der Beamten waren und ein schönes Geschäft daraus gemacht. Wenn es um Sonne oder Regen geht, ist man sofort bei ihm. Mit seiner Firma Meteomedia ist er eine Art Guido Knopp des Wetters geworden. Vor Kachelmann, einem in Deutschland geborenen Schweizer, war das Verweisen auf anstehende Hochs und Tiefs eine hochseriöse Angelegenheit. Beherrschte Männer wie Uwe Wesp trugen Fliege und ernste Miene noch zu den tiefsten Tiefausläufern. Kachelmann hat den Wetterbericht ins Comedy-Genre gezogen, indem er Naturphänomene verputzigte ("da kommt ein Tief reingekringelt"). Lesen Sie auf der nächsten Seite: Was die Staatsanwaltschaft denkt und wie Kachelmann die Wetternachrichten revolutionierte.
Jörg Kachelmann sitzt in Untersuchungshaft. Deutschlands prominentester Wettermoderator soll nach einem Streit seine ehemalige Freundin vergewaltigt haben.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/island-ausnahmezustand-nach-vulkanausbruch-1.21860
panorama
Island - Ausnahmezustand nach Vulkanausbruch
00/03/2010
Insel in Not: Islands Behörden haben nach einem Vulkanausbruch für den südlichen Landesteil den Ausnahmezustand ausgerufen. 700 Anwohner aus der Umgebung des Gletschergebiets hatten das Gebiet verlassen müssen. Hier gaben die Behörden am Sonntag teilweise Entwarnung. Betroffene durften vorübergehend auf ihre Höfe zurück, um die Tiere zu füttern. Wie ein lokaler Rundfunksender berichtete, kam es kurz nach Mitternacht zu ersten Eruptionen unter dem Eyjafjalla-Gletscher. Geologen erklärten nach ersten Hubschrauberflügen, dass sich der Riss in dem Gletscher über eine Länge von etwa 500 Metern erstrecke. Die Eruption habe sich aber nicht unter dem Gletscher ereignet, sagte der Geologe Tumi Gudumundsson. In einem kilometerlangen Spalt war Lava zu sehen. Der Eyjafjallajökull-Vulkan hingegen brach zuletzt vor rund 200 Jahren aus. Das Zentrum des Vulkanausbruchs lag nicht direkt unter dem Gletscher, sondern jenseits der Eisgrenze am benachbarten Ausflugsgebiet Fimmvörduhals. Deshalb wurde die Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen durch Schmelzwasser als gering eingestuft. "Es ist ein ziemlich begrenzter Ausbruch, nicht zu vergleichen mit dem letzten von Hekla vor zehn Jahren", sagte ein Sprecher der nationalen Einsatzzentrale in Reykjavik. Hekla, der bekannteste und aktivste von 30 noch aktiven Vulkanen auf Island, war zuletzt im Jahr 2000 heftig ausgebrochen. Auch den Flugverkehr konnten die Behörden wieder freigeben. Ein Sprecher sagte, die Eruptionen seien so begrenzt, dass keine Gefahr mehr für Flugzeuge durch Lava oder Asche in der Luft bestehe. Unmittelbar nach den ersten Vulkanaktivitäten in der Nacht waren alle Starts und Landungen auf dem internationalen Flugplatz Keflavik sowie auf den Flugplätzen in Reykjavik und Akureyri untersagt worden. Die Atlantik-Insel Island ist aus vulkanischen Aktivitäten entstanden und birgt in ihrem Untergrund zahlreiche aktive Vulkansysteme.
Vulkanausbruch auf Island: Hunderte Menschen mussten bereits ihre Häuser verlassen. Die Behörden riefen den Notstand aus.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/nordrhein-westfalen-monokelkobra-auf-der-flucht-1.14793
panorama
Nordrhein-Westfalen - Monokelkobra auf der Flucht
00/03/2010
In der Nacht zum Donnerstag verließ eine hochgiftige Monokelkobra heimlich, still und leise ihr heimisches Terrarium in einer Mietwohnung in Mülheim an der Ruhr. Der Halter des gefährlichen Haustiers habe die Einsatzkräfte sogleich informiert, sagte Feuerwehrsprecher Horst Brinkmann. Zwei Tage lang haben Feuerwehr, Ordnungsamt und Reptilienexperten nach der Schlange gesucht - bisher ohne Erfolg. Wahrscheinlich befinde sich die Schlange noch in der Wohnung des Besitzers, sagte Brinkmann. Das Problem sei, dass das Jungtier noch sehr klein sei und es in dem ausgebauten Dachgeschoss zahlreiche Hohlräume gebe, in denen es sich verschanzt haben könnte. Die Kobra ist nur fingerdick und erst 30 Zentimeter lang. Ein Biss könnte dennoch fatal sein: Das Gift kann innerhalb weniger Stunden tödlich wirken. Vorsorglich wurde bereits das entsprechende Gegengift aus dem Düsseldorfer Zoo nach Mülheim gebracht. Die drei Mietparteien hatten das Haus bereits Donnerstagnacht verlassen und bei Bekannten übernachtet. Die junge Kobra gehörte noch nicht lange zu den Hausbewohnern: Ihr Besitzer hatte sie nur wenige Tage zuvor auf einer Reptilienmesse erworben. Zunächst durchsuchte ein 30-köpfiges Einsatzteam die Dachgeschosswohnung des Schangenhalters, entfernte dabei Möbel und sogar Bodendielen. Feuerwehrsprecher Brinkmann zufolge soll die Wohnung nun komplett entkernt werden, um das flüchtige Tier aufzustöbern. Das könne dort allerdings bis zu 40 Tage ausharren, ohne zu fressen, sagte Brinkmann. Nicht nur wegen des Bodenbelags könnte den Besitzer sein neues Haustier teuer zu stehen kommen: Bei dem Großeinsatz fielen Kosten von bis zu 850 Euro pro Stunde an, rechnete der Feuerwehrsprecher vor. Unterdessen forderte die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie (Amphibien- und Reptilienkunde) und Terrarienkunde eine obligatorische Überprüfung von Schlangenhaltern in Nordrheinwestfalen. "Die Terraristik hat in den letzten Jahren einen gewaltigen Boom erlebt", sagte Silvia Macina, die Geschäftsführerin des Verbandes. "Darunter sind sicherlich auch Leute, die das einfach nur machen, weil es gerade 'in' ist." Macinas Schätzung nach halten ungefähr vier Millionen Menschen in Deutschland Amphibien oder Reptilien in Terrarien.
Klein, aber gefährlich: In Mülheim an der Ruhr ist eine junge Kobra ausgebüxt. Experten suchen im Großaufgebot nach dem Reptil.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/aerger-im-knast-madoff-bekommt-was-auf-die-nase-1.23468
panorama
Ärger im Knast - Madoff bekommt was auf die Nase
00/03/2010
Auch das ist ein Jubiläum: In dieser Woche ist genau ein Jahr her, seit Bernard Madoff, der größte Wirtschaftsverbrecher in der Geschichte der Wall Street, in das Bundesgefängnis von Butner in North Carolina eingeliefert wurde. Von der Strafe, zu der ihn das Gericht in Manhattan seinerzeit verurteilte, hat er jetzt somit, rein rechnerisch, noch genau 149 Jahre abzusitzen. Während Madoffs Opfer immer noch versuchen, so viel wie möglich von ihrem Restvermögen zu sichern, fragt sich die US-Öffentlichkeit immer wieder mal, was der Gefangene mit der Nummer 61727-054, der einmal angesehener Verwaltungsrat der Computerbörse Nasdaq war, wohl so macht den ganzen Tag. Gelegentlich wird die Neugier befriedigt. Im vergangenen Dezember zum Beispiel meldete sich ein verurteilter Bankräuber namens Kenneth C. White, dessen Resthaft sich mit den ersten Haftwochen von Madoff überlappte. White malte noch im Gefängnis ein Porträt des 71-Jährigen - standesgemäß in Anzug und Krawatte und nicht in Gefängniskleidern -, das er stolz Reportern präsentierte. Madoff habe sich im Gefängnis so verhalten, als sei er seit Jahren daran gewohnt, berichtete der Ex-Häftling. Er spiele Schach und Dame und spüle das Geschirr in der Gefängnisküche. Einige Häftlinge, so wurde damals auch bekannt, baten Madoff um eine Unterschrift, damit sie sie später einmal über Ebay würden versteigern können. Viele wollten sich mit ihm anfreunden, weil sie glaubten, dass jemand, der ein so geniales Schneeballsystem aufziehen konnte wie Madoff, ganz sicher irgendwo noch Reichtümer versteckt hat. Er war wohl ein Star unter den Häftlingen. Nase gebrochen, Rippen angebrochen Jetzt zeigt sich, dass dieser Starstatus für den Betroffenen auch noch eine andere Seite hatte. Das Wall Street Journal berichtet, ein Mithäftling habe Madoff im Dezember verprügelt, und zwar so sehr, dass er in der Krankenstation des Gefängnisses behandelt werden musste. Der Wall-Street-Mann habe eine gebrochene Nase, angebrochene Rippen und Schnitte auf dem Kopf und im Gesicht davongetragen. Die Gefängnisverwaltung erklärte allerdings, sie habe keine Hinweise auf den Vorfall. Madoff sei im Dezember zwar tatsächlich auf der Krankenstation gewesen, aber nur weil er sich unwohl gefühlt habe. Dagegen bestätigten drei Ex-Häftlinge die Version der Zeitung. Der Täter sei ein "muskulöser" Mann gewesen, der wegen Drogenhandels in Butner einsitzt. Er sei als Bodybuilder ausgebildet und besitze den schwarzen Judogürtel. Zu der Prügelei soll es übrigens gekommen sein, weil der muskulöse Drogenhändler glaubte, Madoff schulde ihm Geld. Manchmal hat das Schicksal einfach schwarzen Humor.
Remmidemmi unter Knastbrüdern: Milliardenbetrüger Bernard Madoff kassiert Prügel - und muss arg lädiert auf die Krankenstation.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/poker-raub-ausgespielt-1.16021
panorama
Poker-Raub - Ausgespielt
00/03/2010
Geht es nach der Berliner Staatsanwaltschaft, ist der spektakuläre Überfall auf das Pokerturnier im Nobelhotel Grand Hyatt "weitgehend aufgeklärt". Mit einer Einschränkung: Zwei weitere Verdächtige sind noch untergetaucht. Einen Mann nahm die Polizei am Mittwoch auf einem Berliner U-Bahnhof fest. Er sei jedoch noch nicht endgültig identifiziert, hieß es am Abend. Ein weiterer junger Mann sitzt bereits in Untersuchungshaft. Die Männer sollen gemeinsam am 6. März mit einer Machete und einer Pistole bewaffnet in das Hotel am Potsdamer Platz gestürmt sein und 242000 Euro erbeutet haben. Die vier im Alter zwischen 19 und 21 Jahren sind einschlägig bekannt. Am Montag stellte sich ein 21-Jähriger der Polizei und nannte "nach intensiven Befragungen" die Namen seiner Komplizen, sagte Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra. Es ist jener Mann, der auf mehreren Fotos und Videos in roter Jacke zu sehen ist: Ein Wachmann hat ihn zu Boden gerissen und festgehalten, während die anderen drei Maskierten bereits flüchten wollten. Nach dem Kampf ließ er eine Tasche voller Geld zurück - angeblich mehrere hunderttausend Euro. Er habe sich "wegen des großen Fahndungsdrucks" selbst gestellt, sagte Kamstra. Seit einigen Tagen besteht gegen ihn ein Haftbefehl. Das Kennzeichen des Fluchtautos brachte die Ermittler auf seine Spur. Die Beute haben die vier bereits aufgeteilt - der Anteil des 21-Jährigen befinde sich noch "bei Dritten", hieß es. Ob einer der Komplizen ein Insider des Pokerturniers war, blieb unklar: Der Verdächtige habe zwar von einem "Hinweis" gesprochen, wonach bei dem Turnier viel zu holen sei, habe aber keine Details genannt. Sicher ist, dass er schon vor dem Raub am Tatort war, um die Lage zu erkunden. Kurzzeitig war auch ein 28-Jähriger verdächtigt worden. Er kam am Samstag wieder frei, hatte aber zumindest Kontakt zu den mutmaßlichen Tätern: Bei ihm wurde ein Zettel mit sechs Namen gefunden. Drei davon gehören zu den Tatverdächtigen. "Mit den anderen auf der Liste werden wir das Gespräch suchen", sagte Kriminaldirektor Stefan Teller. Er wies außerdem darauf hin, dass er und seine Kollegen seit der Tat "rund um die Uhr ermittelt", etwa hundert Zeugen befragt und bestimmt "keinen Sekt kaltgestellt" hätten. Die Polizei war in die Kritik geraten, weil hochrangige Polizisten eine rasche Aufklärung ankündigten, die Ermittler selbst jedoch tagelang davon sprachen, noch keine heiße Spur zu haben. Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt nannte die Täter sogar "Dilettanten" und sprach von einer "neuen Dimension der Dummheit" von Verbrechern. Über manche dieser Aussagen hätten sich die Ermittler "maßlos geärgert", kritisierte Teller. In einem Punkt schloss er sich dem Polizeigewerkschaftler Wendt an: Die Sicherheitsvorkehrungen hätten es den Tätern "relativ einfach gemacht". Für den reibungslosen Ablauf war die Berliner Spielbank verantwortlich, die wegen der Größe des Turniers mit fast 1000 Teilnehmern in das nebenan gelegene Hotel auswich. Statt Panzerglas gab es im Grand Hyatt nur einen brusthohen Tresen, hinter dem Angestellte mit mehreren hunderttausend Euro Bargeld hantierten. Zeitweise war nur ein Sicherheitsmann in der Nähe, der Hinterausgang war zudem unbewacht. Doch was im Nachhinein leichtsinnig erscheint, gab den Kontrolleuren der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vor dem Turnier "keinen Anlass zu Beanstandungen", wie eine Sprecherin erklärt.
Der Raubüberfall auf ein Berliner Pokerturnier ist weitgehend aufgeklärt: Elf Tage danach hat sich ein Täter gestellt, ein zweiter wurde festgenommen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/pokerturnier-in-berlin-boris-zockt-gegen-black-mamba-1.15402
panorama
"Pokerturnier in Berlin - Boris zockt gegen ""Black Mamba"""
00/03/2010
Beim größten und lukrativsten Pokerturnier Deutschlands sind Prominente wie Boris Becker an den Start gegangen. Gegen den Ex-Tennisprofi und insgesamt etwa 900 andere Spieler tritt auch Deutschlands erfolgreichste Poker-Expertin an: Titelverteidigerin Sandra Naujoks (28) aus Berlin, in der Szene bekannt als "Black Mamba". Bei dem sechstägigen Turnier der European Poker Tour im Hyatt-Hotel am Potsdamer Platz gewinnt der Sieger eine Million Euro. An einem der Tische nahm auch Moderatorin und Bestseller-Autorin Charlotte Roche ("Feuchtgebiete") Platz. Das Turnier begann mit der ersten Runde für knapp 400 Spieler. Die Hälfte der frühen Starter schied bereits aus. Sandra Naujoks, die in Dessau geboren wurde, zog 2006 nach Berlin und begann zu pokern. 2008 wurde sie Europameisterin, im März 2009 gewann sie das deutsche Turnier der European Poker Tour, damals noch in Dortmund: 670 Gegner aus 43 Ländern blieben auf der Strecke, Naujoks ging mit 917.000 Euro nach Hause. Zur Zeit steht sie auf dem europäischen Ranglistenplatz 23. Naujoks ist nach eigenen Angaben 300 Tage im Jahr unterwegs - in Monte Carlo, San Remo oder Las Vegas. Nun freue sie sich, in ihrem eigenen Bett in Lichterfelde zu schlafen. Für Boris Becker, der sich selbst ebenfalls als Pokerprofi bezeichnet, ist es das erste Turnier in Deutschland. Die European Tour gilt als größte Pokerturnier-Serie hinter vergleichbaren Wettkämpfen in den USA. Größe Turniere in Europa finden in London und Monte Carlo statt. In Berlin zahlten die Teilnehmer 5000 Euro Startgeld und 300 Euro Teilnahmegebühr. Zudem mussten sie im Vorfeld Qualifikationsturniere absolvieren. Die Startgelder von insgesamt rund 4,5 Millionen Euro werden komplett als Gewinn wieder ausgezahlt. Neben dem Hauptsieger können auch einige Dutzend Spieler der letzten Runden mit Gewinn rechnen. Der größte Anteil der 900 Teilnehmer scheidet allerdings früher aus und verlässt seinen Tisch ohne Chips. Gespielt wird die Pokervariante "No Limit Texas Hold'em". Jeder Spieler erhält zwei Karten. In der Mitte des Tisches liegen fünf Karten, drei davon werden zu Beginn aufgedeckt, später dann die beiden weiteren. In mehreren Runden setzen die Spieler. Derjenige gewinnt die Runde, dessen zwei Karten zusammen mit Karten aus der Mitte die höchstbewertete Kombination bilden.
Boris Becker tritt bei Deutschlands lukrativstem Pokerturnier an. Zu seinen Gegnern gehören die 28-jährige Ex-Europameisterin "Black Mamba" und Charlotte Roche.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-elf-des-spieltags-gute-fuehrung-1.13255
sport
Bundesliga: Elf des Spieltags - Gute Führung
00/03/2010
Einen Ball spielte er noch humpelnd in den Strafraum, dann erstarrte er an der Außenlinie. Bayerns flinken Holländer Arjen Robben hatte kurz vor Ende der Partie gegen Stuttgart seine alte Wadenverletzung wieder eingeholt. Bei einem seiner typischen Dribbelsprints in die Mitte war der Niederländer ohne Einwirkung des Gegners plötzlich ins Stocken geraten und hüpfte und humpelte und haderte sich durch die letzten Minuten des Spiels. Es war der Moment, als in der Münchner Arena ein Raunen erahnen ließ, dass diese Verletzung folgenschwerer sein könnte als die lästige Heimpleite gegen den VfB. Robben, seit Monaten Bayerns Bester, läuft unrund - gegen Manchester wird er ausfallen, welch ein Drama! Gerade jetzt, wo Robben zum personifizierten bayerischen Frühlingsgefühl avanciert war, droht ein Rückfall in die alte Ribéry-Abhängigkeit. Es mag zynisch klingen, dass Robbens letzter Pass zum Gefährlichsten zählte, was die lethargischen Münchner an diesem Tag zustande brachten - er wäre ein tragischer Held geworden, wenn daraus ein Tor resultiert hätte. So war es nur tragisch, den vermeintlichen Held wie einen angeschlagenen Boxer an der Seitenlinie ins Aus taumeln zu sehen. Foto: getty
Kevin Kuranyi wirbt um Strafnachlass, Lukas Podolski schont sich für die WM und in München raunen die Besucher über einen tragischen Helden. Die Elf des Spieltags
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-fc-bayern-muenchen-kein-retter-in-sicht-1.24091
sport
Fußball: FC Bayern München - Kein Retter in Sicht
00/03/2010
Arjen Robben stand schon Minuten vor dem Schlusspfiff sprint- und dribbelunfähig an der Seitenlinie herum. Als Schiedsrichter Florian Meyer nach 92 Minuten abpfiff, ging er drei Schritte zum noch verschlossenen Eingang in die Stadion-Katakomben, wartete ungeduldig ein paar Sekunden, dann hob sich endlich die Bodentür und er zwängte sich so schnell wie möglich aus dem Innenraum, aus der Öffentlichkeit. Die Befindlichkeit des Stürmers aus den Niederlanden darf derzeit als pars pro toto, als Sinnbild für den ganzen FC Bayern gewertet werden. Von einem Entzücken ins nächste kam der Klub zuletzt durch die Streiche des Retters Robben, mit dem Höhepunkt im Pokal-Halbfinale in Schalke, wo sich Robben selbst und den ganzen Klub mit einem Hochgeschwindigkeits-Solo über 70 Meter plus 1:0 nach 112 Minuten berauscht hatte. Diesmal, drei Tage später zu Hause gegen den VfB Stuttgart, humpelte der 26-Jährige vom Platz, kurz vor Schluss erlitt er eine Verletzung in der Wadenmuskulatur und musste danach den Betrieb einstellen. Schwere Spiele folgen Das 1:2 gegen den VfB Stuttgart darf als herber Rückschlag gewertet werden für den Münchner Nobelklub. Es war die zweite Bundesliga-Niederlage in Folge, nachdem vor einer Woche schon die Frankfurter einen 0:1-Rückstand noch gedreht hatten. Der FC Bayern fiel nach dem 2:0-Sieg der Schalker am Samstagabend in Leverkusen wieder vom geliebten Platz eins, es folgen binnen zwei Wochen zwei Partien gegen Manchester United sowie die beiden Gastspiele in Schalke und Leverkusen. Ob und wie Arjen Robben daran teilnehmen wird, konnte nach dem Spiel gegen Stuttgart niemand beantworten. Für das Hinspiel am Dienstag gegen den englischen Tabellenführer legte sich Bayern-Trainer Louis van Gaal indes fest: "Es wird schwierig." Dabei hat er, und wohl auch sein medizinischer Stab, durchaus Anteil an Robbens Malheur. Die ARD-Sportschau meldete, es sei erst eine halbe Stunde vor Beginn entschieden worden, den Stürmer trotz einer Wadenverhärtung auf die Bank zu setzen. Und weil das Offensivspiel in der ersten Hälfte arg stotterte, brachte van Gaal zur Pause nicht nur den geschonten Franck Ribéry, sondern eben auch Robben, um die Stuttgarter Abwehrlust mit der gefürchteten Flügelzange zu brechen. "Wir benötigten Spieler, die einen Gegner ausspielen, um vielleicht ein Tor erzielen zu können", sagte van Gaal später. Die Entwicklung und die Personalentscheidungen van Gaals am Samstag verdeutlichten das Dilemma der Bayern. Während früher zwischen einem Pokal-Halbfinale und einem Champions-League-Viertelfinale fünf, sechs hoch veranlagte "Ergänzungsspieler" hineinrotiert waren, die die Bundesliga-Partie zumeist ordentlich nach Hause gespielt hatten, brachte van Gaal gegen Stuttgart nur einen neuen Spieler im Vergleich zur Startelf beim Pokal-Marathon in Schalke: Danijel Pranjic für Robben. Der Rest musste wieder ran. Das lag einerseits daran, dass die Bayern zuletzt sechs Spieler entweder verkauften oder verliehen und den Kader arg ausdünnten. Andererseits scheint van Gaals Vertrauen in einige Verbliebene, wie Hamit Altintop, Anatoli Timoschtschuk oder gar Christian Lell und Andreas Görlitz gegen Null zu gehen.
Platz eins weg, Robben verletzt, Kader zu dünn und der Trainer macht Fehler: Das 1:2 gegen den VfB Stuttgart war für den FC Bayern ein herber Rückschlag.
https://www.sueddeutsche.de/sport/boxen-abraham-vs-dirrell-abraham-verliert-durch-disqualifikation-1.24321
sport
Boxen: Abraham vs Dirrell - Abraham verliert durch Disqualifikation
00/03/2010
Profi-Boxer Arthur Abraham hat den zweiten Kampf beim Super-Six-Turnier der sechs weltbesten Supermittelgewichtler durch Disqualifikation verloren. Der amerikanische Ringrichter Laurence Cole brach das Duell gegen Andre Direll (USA) am Sonntagmorgen (MESZ) in Detroit wegen unerlaubten Nachschlagens in der elften Runde ab. Abraham hatte dem nach einem Ausrutscher am Boden sitzenden Amerikaner einen Schlag an die Schläfe versetzt, so dass dieser kampfunfähig zu Boden fiel. Trotz der Niederlage führt Abraham die Turnier-Wertung weiter mit drei Punkten an. Seinen Auftaktkampf im vergangenen Jahr hatte der 30 Jahre alte Berliner aus dem Sauerland-Stall durch K.o. gewonnen. In der Tabelle folgen Dirrell mit zwei Punkten aus zwei Kämpfen sowie der britische WBC-Weltmeister Carl Froch und WBA-Champion Andre Ward (USA), die bislang nur einen Kampf bestritten haben, aber ebenfalls über zwei Punkte verfügen. An dem Turnier nehmen zudem die bislang sieglosen Mikkel Kessler aus Dänemark und Alan Green aus den USA teil. Nach drei Kämpfen ziehen die vier punktbesten Boxer ins Halbfinale des mit 50 Millionen Dollar dotierten Turniers ein. Keine Mittel gegen Dirrell Abraham musste die erste Niederlage im 32. Kampf seiner Profi-Karriere hinnehmen. Der gebürtige Armenier lag bis zum Abbruch deutlich nach Punkten zurück. Gegen den schnelleren und technisch überlegenen Dirrell fand der Schützling von Trainer Ulli Wegner kein Mittel. Der Amerikaner war nicht nur der aktivere Boxer, sondern setzte auch wesentlich mehr Treffer. Abraham vertraute auf seine Schlagkraft und suchte den K.o., konnte seinen Rivalen aber nie stellen. In der vierten Runde streckte Dirrell den Deutschen mit der Linken zu Boden. Von der siebten Runde an behinderte Abraham ein blutender Riss über dem rechten Auge.
Im zweiten Kampf des Super-Six-Turniers unterliegt Arthur Abraham in Detroit dem Amerikaner Andre Dirrell. Eine umstrittene Entscheidung beendet das Duell.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-vorschau-28-spieltag-schalkes-schale-schafe-1.11551
sport
Bundesliga-Vorschau: 28. Spieltag - Schalkes Schale-Schafe
00/03/2010
VfL Bochum - Eintracht Frankfurt (Freitag, 20.30 Uhr) Der VfL Bochum beteiligt sich am Trend der Saison, nämlich dem Trend zum Trend. Erst schaffte Bochum eine Serie von acht Spielen ohne Niederlage, nun sind es fünf Partien ohne Sieg. "Von außen betrachtet kann man von einer Krise sprechen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass wir den Klassenverbleib schaffen, selbst wenn wir am Freitag nicht gewinnen", sagte Bochums Trainer Heiko Herrlich vor der Partie. Eintracht Frankfurt dagegen verweigert sich der Trendisierung, in den letzten zehn Spielen gab es vier Siege, zwei Unentschieden und vier Niederlagen - was letztlich dazu führt, dass die Mannschaft auf Platz acht der Tabelle steht. Das einzige Problem für Trainer Michael Skibbe lautet: Soll er jene Spieler, die gegen den FC Bayern mit 2:1 gewannen, auch gegen Bochum aufs Feld schicken? Schließlich kehren die zuletzt gesperrten Patrick Ochs, Selim Teber und Maik Franz in den Kader zurück. "Es stehen schwere Entscheidungen und keine leichten Gespräche an. Ich habe mich noch nicht entschieden", sagte Skibbe. Foto: ap Texte: Thomas Hummel, Jürgen Schmieder, Rebecca Schäfer
Wütende Paarhufer sollen Schalke 04 zum Erfolg verhelfen, der FC Bayern braucht dringend viel Sonne und im Kraichgau gibt es Koteletts. Die Bundesliga-Vorschau.
https://www.sueddeutsche.de/sport/pokalfinale-bremen-gegen-bayern-vielseitige-perspektiven-1.10000
sport
Pokalfinale: Bremen gegen Bayern - Vielseitige Perspektiven
00/03/2010
Auf drei Säulen stehe Schalkes Spiel, hatte der Münchner Manager Christian Nerlinger in seiner viel beachteten Stilkritik erläutert: 1. Fitness; 2. gefährliche Standardsituationen; 3. taktische Fouls. Ersetzt man Punkt drei - positiver formuliert - durch nickeliges Bekämpfen des Gegners, dann liegt Nerlinger nah an der Wahrheit. Tatsächlich lehrt der Gelsenkirchener Trainer Felix Magath keine "ganzheitliche Philosophie", wie der Kollege Louis van Gaal. Magaths pragmatischer, zuletzt überaus erfolgreicher Fußball beruht auf den einfachen Kernelementen: rennen, fighten - und aus einem engen Abwehrnetz flink zu Kontern ausrücken, oft mittels Langstreckenpässen. Das Primat der Ergebnisse schlägt den ästhetischen Anspruch. Es war dem FC Bayern daher wichtig, im Kulturkampf mit seinem früheren Trainer nicht wieder schmachvoll zu unterliegen, wie zuletzt im Meisterduell 2009 gegen Magaths famos konternde Wolfsburger. Die Münchner selbst vertrauen jetzt ja der holländischen Lehre des gepflegten Ballbesitzes, die in Schalke im Vorjahr unter Fred Rutten ins stilistische Nichts geführt hatte. Im Taktik-geprägten Pokalhalbfinale hatten die Bayern über weite Strecken ein spielerisches Übergewicht, obwohl der löchrige Rasen Gift war für Flachpässe. Das war ein Pluspunkt. Und es gefiel van Gaal, der natürlich auch bedeutend besseres Personal zur Verfügung hat als Magath. Trotz des Ackers habe man "gut gefußballt", niederländelte der Bayern-Trainer zufrieden. Er weiß: In fast jeder Partie geht es jetzt, während der Frühjahrs-Festspiele, um "Gladiolen oder Tod". Jede Niederlage führt in München sofort zu apokalyptischen Balladen statt Jubelmärschen. Die Pokalbilanz 2009 übertrifft van Gaal immerhin schon, damals kam national und international im Viertelfinale das Aus. Beim Grand Prix von Europa wartet nun die Herkulesaufgabe Manchester. Doch ebenso liegt den Bayern daran, ihren Status als Nummer eins im deutschen Spielbetrieb zurückzuerobern. Zuletzt waren große Spiele keine Bayern-Domäne mehr, die Konkurrenz knickte nicht mehr automatisch ein, sobald es um die Wurst ging. Unter van Gaals Herrschaft soll das alte Selbstverständnis zurückkehren. Das "E-cho" entscheide im Fußball, sagt der Trainer - "ch" ist in seiner Aussprache ein "g"! Seiner ersten Berlin-Reise und Titelchance sieht er vergnügt entgegen. Der Rasen dort wird besser sein, Gegner Bremen offensiver - und dessen Trainer erneut ein interessanter Antipode. Beide, van Gaal und Thomas Schaaf, wurden gefragt, was der Finaleinzug psychologisch für den Bundesliga-Endspurt bedeute. Van Gaal sagte: "Jedes Spiel beeinflusst das nächste." Schaaf sagte: "nichts." So ist Fußball - ein Spiel mit herrlich vielseitigen Perspektiven.
Während Louis van Gaal einer ersten Berlin-Reise und Titelchance vergnügt entgegensieht, reagiert Bremens Trainer Thomas Schaaf gewohnt pragmatisch.
https://www.sueddeutsche.de/sport/dfb-pokal-schalke-bayern-das-zweite-leben-des-arjen-robben-1.15611
sport
DFB-Pokal: Schalke - Bayern - Das zweite Leben des Arjen Robben
00/03/2010
Er hätte eigentlich rundum zufrieden sein können. Gewonnen, Pokalfinale erreicht, die erste der nun anstehenden schweren Prüfungen erfolgreich bestanden. Doch gleich nachdem Louis van Gaal vor den Journalisten den Auftritt seiner Mannschaft gelobt hatte, verfinsterte sich seine Miene. Dem Bayern-Trainer schien es ein echtes Anliegen zu sein: "Ich möchte noch etwas zum Rasen sagen. Das darf nicht sein in Deutschland." Ein holpriger, eher grau-brauner denn grüner Untergrund ist eines Pokal-Halbfinals in der Tat nicht würdig, aber es kann offenbar bisweilen sogar in Deutschland sein, was nach Ansicht van Gaals nicht sein darf. Die Folge war ein weitgehend unansehnliches, an Höhepunkten armes Halbfinale. Joachim Löw sprach in der Halbzeitpause des Aufeinandertreffens der laut Bundesligatabelle beiden besten deutschen Mannschaften von einem "ganz schlechten Spiel". Eine unnachahmliche Wortschöpfung Anders als der Bundestrainer hatte der Bayern-Coach naturgemäß weniger die Gesamtqualität der Partie als vielmehr die Leistung seiner Mannschaft im Blick. Weil für die von ihm ausgegebene Taktik der vielen kurzen Pässe eine ebene Fläche Grundvoraussetzung ist, hat er sich so geärgert über den Zustand des Geläufs, der den eher rustikal vorgehenden Schalkern entgegenkam. Unter solchen Umständen erfolgreich zu sein, verdiene besondere Anerkennung, folgerte der Niederländer und verband diesen Gedanken mit einer seiner unnachahmlichen Wortschöpfungen: "Wir haben trotz des Rasens gut gefußballt." Gut gefußballt hatte vor allem einer. Was Arjen Robben in der 112. Minute anstellte, kam nach allem, was die Zuschauer bis dahin von den Akteuren geboten bekommen hatten, völlig unerwartet. Dass einer die bald zwei Stunden währenden Missverständnisse und Stockfehler auf dem ramponierten Rasen nicht nur mit einer grandiosen Energieleistung, sondern mit überragendem technischen Vermögen unterbrach und so die Partie entschied, kam einer kuriosen Wendung gleich. "Vielleicht habe ich in der Extrazeit mein zweites Leben gefunden", sinnierte Robben. Vermutlich meinte der Niederländer "Luft", aber eigentlich hat er ja recht. Robben hat bei den Bayern nach seiner Ankunft aus Madrid tatsächlich so etwas wie ein zweites Leben gefunden, denn er ist für die Münchener - anders als für Real - längst von unschätzbarem Wert. Schon kürzlich in Florenz und gegen Freiburg sorgte er mit seinen Toren für "Happy Ends". Die Gründe für seine Leistungen lieferte er nun nach: "Ich fühle mich sehr wohl hier und bekomme viel Vertrauen." Lesen Sie weiter auf Seite 2
Nach 112 Minuten konnten die Schalker den Bayern-Stürmer nicht mal mehr foulen. Der Niederländer ist längst von unschätzbarem Wert.
https://www.sueddeutsche.de/sport/stadt-gegen-1860-plaene-nie-mehr-gruenwalder-1.18858
sport
Stadt gegen 1860-Pläne - Nie mehr Grünwalder
00/03/2010
Man muss ganz oben stehen, da, wo früher der Gästeblock war, um dieses Stadion zu begreifen; schade, dass hier schon lange keine Gäste mehr waren. Sonst hätten sie durch den Zaun hinuntergeblickt auf den Wettersteinplatz, hätten die Menschen an der Straßenbahnhaltestelle warten sehen und die Autos auf der vierspurigen Straße in den Vorort fahren. Sie hätten die Kirchtürme gesehen und die Wohnblocks des alten Münchner Arbeiterstadtteils Giesing. Es ist die Lage, die das Stadion an der Grünwalder Straße im Vergleich zu den neuen Arenen so außergewöhnlich macht. Es liegt nicht zwischen einer Autobahnausfahrt und einem Gewerbegebiet; es liegt zwischen einer Apotheke, einem Supermarkt und der Gaststätte Wienerwald. Diese Lage ist dem Stadion, dem die Anhängerschaft des Fußball-Zweitligisten 1860 München so radikal hinterhertrauert, nun zum Verhängnis geworden. Die Stadt hat einen Antrag des Vereins, dort eine bundesligataugliche Arena zu errichten, am Dienstagmittag nach einem zweistündigen Gespräch mit Klubvertretern abgeschmettert - wie erwartet. Neben der ungeklärten Finanzierung ging es vor allem um das Baurecht: Lärmschutz, Sicherheit, Verkehr, solche Sachen. An dieser Stelle ist ein Stadion heute nicht mehr genehmigungsfähig - und aus Sicht der Lokalbaukommission handelte es sich bei dem Plan nicht um einen Umbau, sondern um einen Neubau. Jeder 1860-Anhänger hat Erinnerungen an dieses Stadion, das den Löwen einst gehörte, ehe sie es im Jahre 1937 für 357560 Reichsmark an die Stadt München verkauften. Wie 1860 und der FCBayern dort kickten, als die Bundesliga noch eine neue Idee war; wie der TSV dort Meister wurde, 1966; wie 1972 das Olympiastadion als neuer Standort für Profifußball festgelegt wurde und die Stadt den Rückbau des Grünwalders zur Bezirkssportanlage beschloss; wie den Löwen zehn Jahre später die Profilizenz entzogen wurde und nun Bayernliga-Fußball vor enormen Kulissen im Grünwalder stattfand; wie dort 1982 ein neuer Zuschauerrekord für die Amateuroberliga aufgestellt wurde, mit 28000 Zuschauern gegen Unterhaching; wie am 3. Juni 1995 gegen Kaiserslautern das letzte Erstligaspiel in Giesing stattfand, weil der damalige Präsident Karl-Heinz Wildmoser den endgültigen Umzug ins Olympiastadion durchgesetzt hatte. Selbst viele ganz junge Fans verehren heute das Grünwalder, obwohl sie nie ein Profiligaspiel dort erlebt haben; sie haben sich erzählen lassen, dass früher alles besser war. Bei allem Charme des Stadions, bei all den Geschichten, die es zu erzählen hat - die große Liebe erklärt sich auch durch die tiefe Abneigung der Blauen gegen die Arena, in der sie mittlerweile spielen. Sie ist viel zu groß, viel zu teuer und gehört zu allem Übel dem Lokalrivalen FC Bayern. Wer die Gegenwart hasst, verklärt die Vergangenheit - so erklärt sich die seit Jahren schwelende Obsession der Blauen, zurückzukehren. Alle Träume sind seit Dienstag ausgeträumt. Die Stadt schreibt nun die Aufträge für den geplanten drittligatauglichen Umbau aus, denn die Amateurmannschaften von Bayern und 1860 spielen weiter dort. Eine kleine Chance haben die Sechziger noch, dass ihre erste Mannschaft nach Giesing zurückkehrt: Sie müsste absteigen.
Eine Rückkehr des Fußball-Zweitligisten 1860 München ins altehrwürdige Grünwalder Stadion ist endgültig vom Tisch. Die Löwen müssen weiter Mieter des FC Bayern bleiben.
https://www.sueddeutsche.de/sport/paralympics-2010-gefeiert-wie-die-helden-1.5256
sport
Paralympics 2010 - Gefeiert wie die Helden
00/03/2010
Martin Braxenthaler hat gerade Gold in der Super-Kombination gewonnen, es ist sein drittes bei den Paralympics in Vancouver und Whistler. Er kann nun von sich sagen, mit 38 seinen Ruf als bester Monoskifahrer der Welt bestätigt zu haben. Aber dann erzählt er noch etwas anderes, und der Athlet Braxenthaler vom ESV Traunstein, der oft so eine strenge Zielstrebigkeit ausstrahlt, wirkt plötzlich ganz weich. Tags zuvor haben er und seine Team-Kollegen das Zelt der ehrenamtlichen Olympia-Helfer besucht, um sich für deren Einsatz zu bedanken. Sie hatten ihre Medaillen dabei, und dann muss sich ein Fest ereignet haben. "Wir san da g'feiert worden wie die größten Helden", sagt Martin Braxenthaler, "das war ein so tolles Erlebnis, dass ich heute früh, wie ich aufg'standen bin, gedacht hab': War des jetzt wirklich oder hast' des 'träumt?" Die deutschen Paralympier haben tolle Tage erlebt bei ihren Winterspielen 2010, entsprechend aufgeräumt war dann auch die Stimmung im Deutschen Haus von Whistler bei der Bilanzpressekonferenz des Deutschen Behinderten-Sportverbandes (DBS). Der gute Abschluss deutete sich da schon an: Am Ende, nach Verena Benteles fünftem Gold im fünften Wettkampf, dem Langlauf-Sprint, standen die Deutschen mit 13 Goldmedaillen auf Platz eins. So groß war die Begeisterung über die Arbeit der Teams, die Kooperation mit dem Skiverband und die Förderprogramme, dass sie sich bisweilen in Übertreibungen äußerte: "Genialen Spitzensport" hatte Chef de Mission Karl Quade gesehen, "das unterscheidet sich praktisch nicht mehr vom olympischen Bereich." Außerdem wäre fast untergegangen, dass die deutschen Rollstuhl-Curler, als WM-Dritte angereist, ihr Abenteuer im fernen Vancouver nicht nur mit zwei deutlichen Niederlagen am Freitag gegen Korea (2:9) und Schweden (3:10) beendeten, sondern auch mit einem Eklat. Trainer Helmar Erlewein hatte Skip Jens Jäger im letzten Vorrundenspiel gegen Schweden durch die 60-jährige Astrid Hoer ersetzt. Wegen "sozialer Interaktionen", wie Quade auf Nachfrage erklärte. Der junge Curling-Experte der Paralympics-Zeitung, welche der Tagesspiegel mit Schüler-Reportern betreibt, hatte als Erster gemeldet, dass Jäger nicht wegen seiner Erkältungssymptome fehlte, sondern weil sich das Team von ihm offenbar nicht richtig angesprochen fühlte. Was nicht unterging, war die Tatsache, dass dem DBS im Wintersport ein Umbruch bevorsteht. Gerd Schönfelder, der Vierfachsieger von Whistler, wird 2014 nicht mehr starten, bei den anderen Mehrfach-Gewinnern Braxenthaler und Verena Bentele ist es unsicher. DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher überlegt, wie er gerade die Trainerschein-Besitzer Schönfelder und Braxenthaler über die Athleten-Karriere hinaus gewinnbringend einbinden kann. Aber es blieb bei der heiteren Grundstimmung, zu der auch die fast unwirkliche Tagesbilanz des Gerd Schönfelder beitrug: Während er mit einem rasanten Slalom-Lauf Gold in der Super-Kombination sicherte, brachte seine Frau daheim in Bayern Sohn Leopold zur Welt.
Deutsche Paralympioniken berauschen sich derart an ihrer Vancouver-Bilanz und Platz eins in der Nationenwertung, dass weder ein Eklat noch der bevorstehende Umbruch die Stimmung trüben.
https://www.sueddeutsche.de/sport/internationaler-fussball-luca-toni-trifft-und-traeumt-1.8059
sport
Internationaler Fußball - Luca Toni trifft und träumt
00/03/2010
In der 15. Minute der Partie AS Rom gegen Udinese Calcio schraubte Luca Toni an seinem rechten Ohr. Dabei war sein 1:0 gar kein Toni-Tor gewesen. Toni-Tore gehen nämlich auch bei der Roma üblicherweise so: Toni steht im Strafraum, dicht vorm Tor, wird mit einer präzisen Flanke perfekt bedient und köpfelt ein. Zuletzt konnte man so ein Toni-Tor vor einer Woche beim 3:3 des AS Rom gegen Livorno sehen, ein Ablauf, so perfekt wie nach Drehbuch. Diesmal kam es anders. Toni bekam kurz vor der Strafraumlinie einen Einwurf des Franzosen Ricardo Faty auf die Brust, ließ sich den Ball auf den Fuß fallen, vollzog eine halbe Drehung - und traf. Es war der Auftakt zu einem munteren Torreigen bis zum 4:2-Sieg, zu dem der Montenegriner Mirko Vucinic noch drei Treffer für den AS Rom beisteuerte, darunter ein Elfmeter. Für Udinese traf Antonio Di Natale zwei Mal, auch darunter ein Strafstoß. Di Natale ist einer von Tonis Rivalen um einen Platz in der Squadra Azzurra bei der WM in Südafrika. Beide stehen in der zweiten Reihe, für beide läuft die Zeit. "Marcello Lippi wird in Ruhe darüber entscheiden", sagte später Toni, betonte aber: "Ich glaube, dass ich es schaffe. Die WM wird eine Konsequenz meiner Leistung in Rom sein." Nach seinem Einstand im Januar kam gleich eine Verletzungspause von fünf Wochen und siehe da: ohne Toni pirschte sich die Roma unaufhaltsam an Tabellenführer Inter Mailand heran. Er war schon wieder halb vergessen, da kehrte er zurück und spielte sich prompt nach vorn: zwei Spiele, zwei Treffer. Den Rest erledigt Vucinic. Die Roma, nach einer äußerst unrühmlichen Vorstellung von Panathinaikos Athen vorzeitig aus der Europa League befördert, träumt plötzlich Titel-Träume. "Wenn einer der beiden vor uns stolpert, müssen wir springen", tönt Toni. Die beiden über AS Rom sind Inter und der AC Mailand. Inter stolpert bereits eine ganze Weile - das 1:1 am Samstag gegen US Palermo hat das vor Wochen schon entschieden geglaubte Rennen um die Meisterschaft endgültig neu eröffnet. Mit vier Punkten Abstand lauern die Römer. Ihre beeindruckende Aufholjagd vom Tabellenkeller zum Spitzentrio verdanken sie vor allem dem neuen Trainer Claudio Ranieri. Der Römer trainiert zum ersten Mal in seiner Heimatstadt. Mit Pragmatismus und Erfahrung, aber auch mit sehr viel Enthusiasmus hat es Ranieri geschafft, die Roma auf rigidem Sparkurs zu halten und trotzdem konkurrenzfähig zu machen. Erstmals scheint die Elf nicht mehr von Francesco Totti abzuhängen - auch ohne den verletzten Kapitän hält die Positivserie von 18 Spielen an. Toni will dem Vernehmen nach in Rom bleiben. Sein Leiharbeitervertrag läuft Ende Mai aus. "Er hat sich sehr gut integriert", lobte Ranieri. Das Problem ist nur: Die Roma kann und will Toni nicht bezahlen. Lieber leistet man sich seine Tore im Titelkampf als großzügige Leihgabe des FC Bayern.
Die stürmende Leihgabe des FC Bayern nimmt Teil am Aufstieg des AS Rom, hofft wieder auf eine WM-Teilnahme - und spricht sogar von der Meisterschaft.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-werder-bremen-bitte-anschnallen-1.13215
sport
Bundesliga: Werder Bremen - Bitte anschnallen!
00/03/2010
Als Tim Wiese, der leidgeplagte Torwart von Werder Bremen, neulich versuchte, in der Geschichte des internationalen Fußballs einen Vergleich für das wahnwitzige 4:4 gegen den FC Valencia zu finden, kam er über die eigene Vereinschronik erst gar nicht hinaus. Der wilde Ritt über den Rasen habe ihn an das eigene Spiel gegen Hoffenheim erinnert, an dessen Ende ein 5:4 gestanden hatte. Hätte Wiese fünf Minuten mehr Zeit gehabt, es wären ihm womöglich eingefallen: Ein 3:6 gegen Stuttgart, ein 6:3 gegen Aktobe, ein 3:4 in Mönchengladbach oder ein 5:2 in München, ein 3:3 gegen Udine oder selbiges Ergebnis gegen Dortmund. Das alles sind Werder-Resultate der vergangenen zwei Jahre, jedes Spiel war ein Erlebnis, jede Minute ein Geschenk. Kantersiege und Debakel sind da noch gar nicht eingerechnet. An guten Tagen kann Werder Bremen sogar aus einem Pflichttermin gegen Bochum ein Spektakel machen, Herzrasen und Angstschweiß inklusive. Dass Zuschauer für Spiele der Bremer Eintritt bezahlen, hat den gleichen Grund, aus dem Menschen Geld dafür hinlegen, um mit einer Achterbahn Loopings zu fahren. Es gefährdet die Gesundheit, ist unvernünftig und alles in allem vollkommen sinnlos, aber es macht einfach unglaublich viel Spaß! Genau dieser Bestimmung scheint seit Jahr und Tag der hanseatische Klub zu folgen. Er ist ein Unterhaltungsbetrieb erster Güte, der ohne großes Risiko für das Freizeitvergnügen Fußballstadion sogar eine Geld-zurück-Garantie anbieten könnte. In den vergangenen sechs Spielzeiten schoss Werder vier Mal die meisten Tore in der Bundesliga und nie weniger als die drittmeisten, nicht einmal in der verkorksten vergangenen oder der zwischenzeitlich krisenhaften aktuellen Runde. Es mag sein, dass der Zweck des Fußballs darin liegen sollte, durch besonders ausgetüftelte Strategien eine stabile Balance zwischen Abwehr und Angriff hinzubekommen und dank solcherlei Effektivität zu Titeln zu gelangen. Wahrscheinlich ist das so. Aber wie viele Teams bekommen das wirklich hin, und wie viele andere langweilen beim vergeblichen Streben nach Perfektion ihr Publikum zu Tode? Wer's mit den Bremern hält, weiß wenigstens, dass ihr anarchistisches Team vom selben Gedanken geleitet zu werden scheint wie sie selbst, nämlich der Suche nach dem ultimativen Kick. Deshalb bauen irre Ingenieure immer größere Rollercoaster, deshalb spielt Werder Bremen Fußball. Das Weserstadion wird derzeit umgebaut. Die Architekten sollten mal über Sicherheitsgurte auf den Sitzplätzen nachdenken.
Manche sehen den Sinn des Fußballs darin, durch ausgetüftelte Strategien und Effektivität Titel zu gewinnen. Der SV Werder Bremen dagegen liefert den ultimativen Kick.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bayern-pleite-in-frankfurt-katzenjammer-in-kleinen-dosen-1.18208
sport
Bayern-Pleite in Frankfurt - Katzenjammer in kleinen Dosen
00/03/2010
Heribert Bruchhagen hatte eine Kitekat-Tüte in der Hand, als er nach der Partie durch die Katakomben des Stadions ging. Vorbei an den Spielern, die in der Mixed Zone standen und vor vielen Mikrofonen erklären mussten, wie sie es geschafft hatten, München mit 2:1 zu besiegen. Ach, wäre das eine tolle Pointe gewesen: Der stolze bayerische Löwe tritt an, die vermeintlich leichte Beute im Sprung zu nehmen. Dann landet er als Bettvorleger - und Frankfurts Vorstandsvorsitzender serviert Katzenfutter zum Abschied. Nun hatte Bruchhagen vermutlich ganz andere Dinge in seiner Tüte, Souvenirs der Hanauer Adlerwarte etwa, aber der Nachmittag war für die Münchner auch so schon schlimm genug: 87 Minuten in Führung gelegen und trotzdem noch mit 1:2 verloren, ähnlich wie ehedem beim Champions-League-Finale gegen Manchester United im Jahr 1999, das als "Mutter aller Niederlagen" in die Geschichte einging. Damals hießen die Spaßverderber Sheringham und Solskjaer, diesmal waren es Juvhel Tsoumou und Martin Fenin, die Frankfurt noch zum Last-Minute-Sieg schossen. Während der Freistaat damals Trauer trug, waren die Bayern diesmal darum bemüht, jede Krisenstimmung zu unterdrücken. Ein bisschen Katzenjammer war erlaubt, aber bitte wohl dosiert. Kapitän Mark van Bommel ("Nach einem verlorenen Spiel geht die Welt nicht unter") und Bastian Schweinsteiger ("Jede Niederlage schmerzt") gelang das problemlos - einem anderen dürfte es deutlich schwerer gefallen sein. Seine bis dato äußerst steile Karriere bekam in Frankfurt einen Dämpfer. Zwischenstation Tornetz Gemeint ist David Alaba, der auf der Linksverteidiger-Position überfordert war, seinen Gegenspieler Marcel Heller ein ums andere Mal flanken ließ und bei den zwei Gegentoren in der Schlussphase die Schlüsselrolle spielte. Nachdem Miroslav Klose bereits in der sechsten Minute die Führung der Bayern besorgt hatte, sah es lange so aus, als könne der Tabellenführer das 1:0 über die Zeit bringen. Dann kam die 87. Minute, und Alaba spielte den Ball zurück zu Torwart Jörg Butt, der ihn auch bekam - allerdings mit einer für den FC Bayern unglücklichen Zwischenstation: dem Tornetz. Frankfurts eingewechselter Stürmer Tsoumou ging dazwischen, nahm den Pass auf und traf zum 1:1-Ausgleich. Zwei Minuten später stand Alaba in ähnlicher Position dem ebenfalls eingewechselten und nach langer Verletzungspause wieder sehr quirligen Martin Fenin gegenüber. Fenin führte den Ball, schlug einen Haken nach links und einen nach rechts - und schoss aufs Tor. "Ich war auf mich gestellt, ich konnte gar nicht anders", sagte der gefeierte Held nach dem Spiel beinahe entschuldigend. Häufchen in der Dose Sein Schuss flog an Butt vorbei an den Innenpfosten und von dort aus ins Netz - das 2:1 für Frankfurt. Fenin erklomm die Werbebande und verschwand anschließend in einer Traube glückseliger Gratulanten. Alaba hingegen war ein Häufchen Elend, das in einer Kitekat-Dose Platz gehabt hätte. Der Österreicher lernt gerade die Höhen und Tiefen des Profifußballertums kennen, und er tut das in dem Tempo, das auch seine bisherige Karriere bestimmt hat: Es geht verdammt schnell. Beim Viertelfinaleinzug der Bayern in Florenz der gefeierte Held, zwei Wochen später derjenige, der die erste Bundesliga-Niederlage der Bayern seit 19 Spieltagen verantworten muss.
Nach der ersten Liga-Pleite seit Wochen kämpft der FC Bayern gegen aufkommende Krisenstimmung. Shootingstar Alaba erlebt sein Waterloo.
https://www.sueddeutsche.de/sport/sport-kompakt-mittelfinger-gegen-die-eigenen-fans-1.18741
sport
Sport kompakt - Mittelfinger gegen die eigenen Fans
00/03/2010
Das Achtelfinal-Rückspiel in der Europa League zwischen dem FC Fulham und Juventus Turin ist von einem Eklat überschattet worden. Nach seinem Platzverweis in der Nachspielzeit zeigte Turins Verteidiger Jonathan Zebina den eigenen Anhängern provozierend den Mittelfinger. Zuvor war der dunkelhäutige Spieler nach eigenen Angaben von einem Teil der Tifosi rassistisch beleidigt worden. "Ich respektiere die Juve-Fans, aber nicht die 20 Extremisten, die mich andauernd beleidigen. Ich entschuldige mich bei allen Tifosi, aber nicht bei ihnen", sagte Zebina sichtlich aufgewühlt. In der Vergangenheit habe sich viel Wut angestaut, erklärte der Franzose: "Es gibt rassistische Fans, die mich auch beim Training beleidigen. Damit muss Schluss sein." Fußball-Bundesligist Hertha BSC Berlin hat die bundesweiten Stadionverbote gegen 23 Randalierer nach den Ausschreitungen im Anschluss an das 1:2 gegen den 1. FC Nürnberg vor einer Woche bestätigt. Vor der Verhängung der Strafen waren die Betroffenen vom Verein angehört worden. Alle identifizierten Personen müssen zudem mit einer Anzeige wegen Land- und Hausfriedensbruchs oder Sachbeschädigung rechnen. Der Olympiazweite Axel Teichmann hat am zweiten Tag des Weltcup-Finals der Skilangläufer in Schweden eine starke Vorstellung gezeigt. Der 30-Jährige landete beim Prolog über 3,3 km in der klassischen Technik in Falun beim Sieg von Olympiasieger Dario Cologna aus der Schweiz auf dem fünften Platz. Der Olympiazweite Tobias Angerer wurde Zwölfter. Bei den Frauen siegte die Polin Justyna Kowalczyk. Die als Weltcup-Gesamtsiegerin feststehende 30-Kilometer-Olympiasiegerin setzte sich in 8:07,9 Minuten vor der dreimaligen Olympiasiegerin Marit Björgen aus Norwegen und der Schwedin Charlotte Kalla durch. Beste Deutsche war Evi Sachenbacher-Stehle aus Reit im Winkl, die mit einem Rückstand von 37,1 Sekunden 13. wurde. Steffi Böhler aus Ibach belegte Rang 15, die Oberstdorferin Katrin Zeller kam als 21. in Ziel. Walter Hofer tritt nach dem Skandalspringen bei den Winterspielen von Vancouver und der nachfolgenden Protestaktion der Kombinierer offenbar als Chef der Winterzweikämpfer im Internationalen Skiverband Fis ab. Sein Auftrag sei erfüllt, sagte Hofer. Der Österreicher hatte seit 2008 zusätzlich zu seinem Verantwortungsbereich im Skispringen auch die Kombinierer übernommen.
Nach dem Spiel zwischen Fulham und Turin kommt es zu einem Eklat, weil ein dunkelhäutiger Spieler beleidigt wird, Hertha bestätigt Stadionverbote.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-27-spieltag-wayne-rooney-im-kopf-felix-magath-im-nacken-1.25012
sport
Bundesliga, 27. Spieltag - Wayne Rooney im Kopf, Felix Magath im Nacken
00/03/2010
1. FC Köln - Borussia Mönchengladbach (Freitag, 20.30 Uhr) Fußball ist ein schönes Spiel mit 22 Akteuren. Wenn aber mehrere Hundertschaften der Polizei vor Ort sind, das Ordnungspersonal im Stadion um 20 Prozent aufgestockt wird und rund 250 gewaltbereite Fans mit einem Betretungsverbot für Arena und Stadt belegt werden, ist das eigentlich nur noch ein Armutszeugnis für das Spiel Fußball, das zur Nebensache wird. Nach den Jagdszenen in Berlin vom vergangenen Wochenende herrscht in Köln vor dem Rheinderby gegen Gladbach Ausnahmezustand. Während die Ansetzung auf Freitagabend die Angst vor erhöhter Gewaltbereitschaft weiter schürt, reicht allein die sportliche Situation in Köln und in Gladbach aus, um maximale Brisanz zu erzeugen. Kölns Vorsprung auf Relegationsplatz 16 beträgt nur noch vier Zähler. Nach der zuletzt desolaten Vorstellung in Mainz orakelte Udo Lattek: "Mit einer solchen Leistung kann der FC gegen keine Bundesliga-Mannschaft gewinnen." Nun ist Gladbach unbestritten eine solche, aber auch hier folgten auf passable Ergebnisse zwei herbe Niederlagen (0:3 in Dortmund, 0:4 gegen Wolfsburg). FC-Trainer Soldo lässt sich bezüglich Taktik und Aufstellung für das "Spiel des Jahres" nicht in die Karten schauen. Sicher ist, dass Petit nach Gelbsperre wieder ins Team rückt. Bei Gladbach könnte Rob Friend für Colautti stürmen. Im Mittelfeld wackeln Marcel Meeuwis und Michael Bradley. Thorben Marx oder Tony Jantschke stehen als Alternativen bereit. Bleibt nur zu hoffen, dass all das "auf dem Platz" am Freitag in Köln auch jemanden interessiert. Foto: dpa
Bayern München trifft am Samstag gleich auf mehrere Gegner, Schalke beschäftigt die Paläanthropologen und Köln die Polizei. Die Vorschau auf den 27. Spieltag.
https://www.sueddeutsche.de/sport/europapokal-fc-bayern-erinnerungen-an-1999-1.24148
sport
Europapokal: FC Bayern - Erinnerungen an 1999
00/03/2010
Schwerer hätte es für den FC Bayern München kaum kommen können: Der deutsche Fußball-Rekordmeister trifft im Viertelfinale der Champions League auf Manchester United. Die Münchner bestreiten das erste Spiel gegen den englischen Champion am 30./31. März vor heimischer Kulisse, das Rückspiel findet am 6./7. April auf der Insel statt. Dies ergab am Freitag die Auslosung am Sitz der Uefa in Nyon. "Ich denke, dass Manchester United ein schweres Los ist. Sie sind mit Barcelona Favorit auf den Titel. Sie spielen in letzter Zeit einen sehr guten Fußball. Wir müssen daher mit Manchester in einer guten Verfassung rechnen. Es wird schwer, sie zu schlagen. Aber es ist immer sehr schön, in England Fußball zu spielen. Der Rasen ist immer gut, das Publikum ist enthusiastisch", sagte Bayern-Trainer Louis van Gaal. In den anderen Viertelfinal-Begegnungen stehen sich Olympique Lyon und Girondins Bordeaux, der FC Arsenal und Titelverteidiger FC Barcelona sowie Inter Mailand und ZSKA Moskau gegenüber. Sollten die Münchner das Viertelfinale überstehen, wartet im Halbfinale am 20./21. und 27./28. April in der Vorschlussrunde der Gewinner des französischen Duells zwischen Lyon und Bordeaux. Auch in dieser Partie hätten die Bayern zunächst Heimrecht. An Manchester United haben die Bayern nicht die allerbesten Erinnerungen. Im Champions-League-Finale 1999 in Barcelona unterlagen sie den Engländern durch zwei Tore in der Nachspielzeit noch mit 1:2. "Ich finde es ein sehr schönes Los. Schade, dass wir das erste Spiel zu Hause in München haben und im Rückspiel nach Old Trafford müssen", sagte Bayerns stellvertretender Vorstandsvorsitzender Karl Hopfner. Der Hamburger SV trifft im Viertelfinale der Europa League auf Standard Lüttich, der deutsche Meister VfL Wolfsburg auf den FC Fulham aus England. Während der HSV am 1. April zunächst zu Hause spielen wird, muss Wolfsburg zuerst auswärts antreten. Die Rückspiele findet am 8. April statt. Die beiden deutschen Klubs können sich über die Lose nicht beschweren, immerhin waren auch Valencia (spielt nun gegen Atletico Madrid) und Liverpool (spielt nun gegen Benfica) im Topf. Fulham aber darf man nicht unterschätzen, weil es immerhin Donezk und Turin rausgeworfen hat, Lüttich ist Tabellensiebter der belgischen Liga und sollte machbar sein. Sollte Hamburg das Halbfinale erreichen, wird dort am 22. April zuerst zu Hause der Sieger der Begegnungen zwischen Wolfsburg und Fulham der Gegner sein. Das Rückspiel ist für den 29. April terminiert. Das Finale wird am 12. Mai in Hamburg ausgetragen.
Schweres Los für den FC Bayern: Er trifft im Champions-League-Viertelfinale auf Manchester United. Hamburg und Wolfsburg erwischen in der Europa League relativ leichte Gegner.
https://www.sueddeutsche.de/sport/paralympics-verena-bentele-besser-als-lena-1.22412
sport
Paralympics: Verena Bentele - Besser als Lena
00/03/2010
Es ist der 10. Januar 2009. Die Deutsche Meisterschaft in den nordischen Disziplinen der körperbehinderten Sportler in Nesselwang. Verena Bentele liegt gut im Rennen über zwölf Kilometer Langlauf. Sie läuft einen Anstieg hinauf. Es folgt eine Abfahrt. Routine für die zigfache Paralympics-Siegerin. Aber an diesem Tag folgt das falsche Signal ihres Begleitläufers, der vor ihr läuft, für die blinde Bentele die Strecke sieht und sie darauf führt. Hindernisse, Orientierung, Richtungswechsel - nur durch seine Kommandos, durch "Hepp", "He", "links" und "rechts", weiß die Athletin, was sie auf der Strecke als Nächstes tun muss. "Er hat links und rechts verwechselt", sagt Bentele. Sie stürzt einen Abhang hinab in ein ausgetrocknetes Flussbett. Drei Meter tief. Dabei reißt sie sich das Kreuzband im Knie, die Kapseln in zwei Fingern und erleidet schwere Verletzungen an der Leber und - wie sich erst zu spät herausstellen sollte - einer Niere. Die Niere verliert sie. Genauso wie das Vertrauen in ihren damaligen Begleitläufer. Es ist der 17. Februar 2010. Das 12,5-Kilometer-Biathlon-Rennen der Sehbehinderten bei den Paralympics in Vancouver. Verena Bentele weint im Zielraum. Vor Freude. Und sie umarmt ihren neuen Begleitläufer Thomas Friedrich. Ihr dritter Start in Vancouver, ihr drittes Gold, ihre insgesamt zehnte paralympische Goldmedaille. Rund ein Jahr nach dem Unfall, der lange ihr Karriereende zu bedeuten schien. "Das ist für mich immer noch ein riesiges Geschenk, dass ich das hier erleben darf", sagt Bentele. Und Frank Höfle, Deutschlands erfolgreichster Paralympionike, hatte schon nach ihrem ersten Sieg in Vancouver, der 3-Kilometer-Verfolgung im Biathlon, festgestellt: "Diese Medaille ist mehr wert als fünf Goldmedaillen von Magdalena Neuner." Verena Bentele ist tatsächlich ein bisschen die Magdalena Neuner der Paralympics. Beide Frauen sind die herausragenden Athletinnen ihres Sports. Neuner gewann in Vancouver drei olympische Biathlon-Medaillen, zwei davon in Gold. Bentele hat sie mit ihrer dritten Goldmedaille schon jetzt überflügelt. Beide sind hübsch, beide kommen daher gut bei den Medien an. Dass Benteles Erfolge gemessen an ihrer persönlichen Geschichte womöglich noch ein wenig höher einzuordnen sind, liegt nicht nur an dem schrecklichen Unfall im letzten Jahr. Viel mehr liegt es daran, dass Verena Bentele zwar seit ihrer Geburt blind ist, sich aber nie über ihre Behinderung zu definieren scheint. Ob in Interviews, ob auf ihrer eigenen Homepage oder ob in ihrem Privatleben - es ist fast so, als wäre diese Behinderung gar nicht da.
Dass die blinde Langläuferin und Biathletin Verena Bentele in Vancouver schon dreimal Gold gewonnen hat, ist ein kleines Wunder: Ein schwerer Unfall hätte ihre Karriere fast beendet.
https://www.sueddeutsche.de/sport/champions-league-vfb-stuttgart-die-angst-vor-dem-ade-1.3263
sport
Champions League - VfB Stuttgart - die Angst vor dem Ade
00/03/2010
Sie sind nicht gleich nach Hause geflogen nach dem Spiel. Mit Rache an Schalke 04 hatte es aber nichts zu tun, dass der VfB Stuttgart am vorigen Samstag, einen Tag nach dem 1:2 in Gelsenkirchen, einen Trainingsplatz im schalkefeindlichen Dortmund buchte. Dort ließ Trainer Gross Freistöße und Eckbälle trainieren, von rechts, von links, von überall. Allerlei Geheimnisse sollen dabei zur Aufführung gekommen sein, aber Genaues weiß man nicht. Das war ja auch der Grund für die kleine Standardlektion fern der Heimat: Gross wollte dort üben, wo die Späher des FC Barcelona ihn nicht vermuten. Niemand wird behaupten können, der VfB Stuttgart habe sich nicht erschöpfend vorbereitet auf das Champions-League-Rückspiel in Barcelona (Hinspiel 1:1). Am Montag, einen Tag vor dem Abflug nach Spanien, hat Christian Gross gar einen inoffiziellen Saisonrekord aufgestellt: Handgestoppte 145 Minuten hat er seine Profis trainieren lassen, wobei er die letzten Minuten in ein gründliches Einzelgespräch mit Jens Lehmann investierte. Akribische Vorbereitung Er hat mit seinem Torwart alle in dieser Welt bekannten Freistoßvarianten des FC Barcelona durchdiskutiert (außer jenen vermutlich, die Barcelona in Bilbao oder Villarreal einstudieren ließ), sie haben Messis Freistoßinterpretationen ebenso durchgenommen wie die Schusstechnik von Xavi und Iniesta. Ach ja, und ganz am Ende hat Christian Gross natürlich noch Elfmeterschießen üben lassen. "Wir wollen uns später nicht den Vorwurf machen, nicht an jedes Detail gedacht zu haben", sagt Gross. Beim VfB sind sie inzwischen der Meinung, dass sie diesem besessenen Arbeiter ruhig auch schon früher ihren Klub hätten anvertrauen können. Gross' professionelle Aura lässt die Klubverantwortlichen ernsthaft hoffen. Sie können sich gut vorstellen, dass Gross der Mann ist, der dieser Elf endlich ihre Flatterhaftigkeit austreibt, und dass die Elf dann in der neuen Saison...ja, was eigentlich? Der VfB hat in Barcelona ein schönes Spiel vor sich, und doch ist es eines, das ein bisschen wehtut. Natürlich, sie könnten auch fürchterlich verhauen werden im Nou Camp, aber die Sorge der Stuttgarter ist eher grundsätzlicherer Art. Sie gehen nicht wirklich davon aus, dass sie den Titelverteidiger aus dem Wettbewerb entfernen (wobei: weiß man's?), aber sie hätten zumindest gerne die Aussicht, Teams dieser Kragenweite künftig regelmäßig zu begegnen. Vor allem deshalb sind die Stuttgarter mit einem eigenartigen Gefühlsgemisch nach Barcelona gereist: Sie fühlen sich inzwischen reif und stabil genug für die etwas größere Bühne - und gerade in dieser Situation droht ihnen die Bühne abhanden zu kommen. Quo vadis, VfB? Für die nächste Champions League werden sie sich eher nicht qualifizieren, weil sie dazu entweder die aktuelle Champions League gewinnen oder in der Bundesliga Dritter werden müssten (Problem: Leverkusen ist 18 Punkte entfernt). Bliebe also höchstens noch die barcelonafreie Zone namens Europa League (Problem: Auch die ist derzeit acht Punkte entfernt). Barcelona könnte also das europäische Abschiedsspiel werden - für diese und für die nächste Saison.
Gegen Barcelona bangt der VfB Stuttgart um den Verbleib auf internationaler Bühne. Bleiben umworbene Profis wie Khedira?
https://www.sueddeutsche.de/sport/nationalelf-rene-adler-im-zweikampf-mit-sich-selbst-1.11622
sport
Nationalelf: René Adler - Im Zweikampf mit sich selbst
00/03/2010
Typisch für die gegenwärtige Situation des Nationaltorwarts René Adler war jene vollkommen unbedeutende Szene während der späten ersten Halbzeit im Spiel gegen den Hamburger SV. Adler eilte einem Ball hinterher, der Richtung Grundlinie rollte. Er wollte den drohenden Eckstoß verhindern, und das sollte auch kein Problem für ihn sein, denn der Ball hatte nicht allzu viel Fahrt. Adler warf sich also zur Seite, schnappte sich die Beute - und glitt mitsamt der Kugel über den nassen Rasen ins Aus. Franz Beckenbauer und Matthias Sammer haben zu diesem signifikanten kleinen Missgeschick keinen Kommentar abgegeben, auch Rudi Völler und Jupp Heynckes haben es mit keiner Silbe erwähnt. Selbst der Schiedsrichter enthielt sich der fälligen Stellungnahme - er hatte nicht erkannt, dass der Ball die Linie überquert hatte. Aber das hat Adler auch nicht mehr geholfen, denn die Koryphäen hatten längst genug gesehen. Dazu genügte bereits jene Szene in der 33. Minute, als Adler den Zweikampf mit seinem Abwehrchef Sami Hyypiä verlor, was dem Hamburger Zé Roberto eine unverhoffte Gelegenheit zum Schuss ins leere Tor bot, die er prompt und höchst elegant nutzte. "Das sieht natürlich blöd aus", gab Adler später zu, und Franz Beckenbauer mochte ihm da in seiner Rolle als Kommentator beim Bezahlfernsehen nicht widersprechen. "Wenn einer in der Schülermannschaft so einen Fehler macht, sagt man zu ihm: ,Such' dir eine andere Sportart'", stellte Deutschlands führende Fußballmeinungsmacht fest. Hurra. Deutschland ist wieder mittendrin in seinem Lieblingsthema. Als Andreas Köpke vor zwei Wochen im Namen des DFB-Trainerteams Adlers amtliche Beförderung zur Nummer eins im WM-Kader verkündete, stand dahinter die gute Absicht, dem Volksvergnügen Torwartdebatte ein Ende zu bereiten. Stattdessen ist das Gegenteil geschehen, die Diskussion hat nun erst begonnen, wie nicht nur Beckenbauer bemerkt hat. "Adler ist ein guter Torwart", sagte er, "aber seitdem er weiß, dass er die Nummer eins ist, macht er einen Fehler nach dem anderen." Die jüngsten Spuren seiner mehr oder weniger folgenreichen Missgriffe ziehen sich durchs ganze Land: Bremen, München, Nürnberg, Leverkusen. Am Sonntag machte René Adler den Eindruck, als befände er sich im Zweikampf mit sich selbst. Er faustete die Flanke mit dramatischer Geste ins Feld statt sie wie üblich geschmeidig einzufangen; er ließ einen harmlosen Schuss fallen, statt ihn festzuhalten; er schlug übereifrig Bälle nach vorn, wo kein Mitspieler stand. Lauter nichtige, aber vielsagende Kleinigkeiten, die ihm selbst am peinlichsten sind. Adler bedankte sich später bei seiner Elf, "die mich momentan mit durchschleppt. Ich hoffe, es kommen wieder die Tage, an denen ich das der Mannschaft mit Leistung zurückzahlen kann".
Ist der Kampf ums WM-Tor doch noch offen? Mit seinem neuerlichen Patzer belebt Leverkusens Adler die Torwartdebatte. DFB-Sportdirektor Sammer lobt bereits einen Konkurrenten.
https://www.sueddeutsche.de/sport/doping-fall-pechstein-vom-vater-geerbt-1.19277
sport
Doping-Fall Pechstein - Vom Vater geerbt?
00/03/2010
Renommierte deutsche Hämatologen haben der gesperrten Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein eine vererbte Blut-Anomalie bescheinigt. Eine milde Form der Kugelzellenanämie soll für die erhöhten Retikulozyten-Werte der 38-Jährigen verantwortlich sein, wurde am Montag in Berlin auf einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) mitgeteilt. Pechstein hofft, durch diese Erkenntnisse erfolgreich gegen ihre zweijährige Sperre wegen erhöhter Blutwerte vorgehen zu können. Knapp 800.000 Menschen in Deutschland würden Merkmale dieser Anomalie tragen, die auch Hereditäre Sphärozytose genannt wird. Untersuchungen hätten zudem ergeben, dass auch Pechsteins Vater unter dieser Anomalie leidet und die Athletin die Sphärozytose möglicherweise von ihm geerbt hat, erklärte Oberarzt Andreas Weimann von der Charité in Berlin. Norbert Schmitz, Chefarzt der Abteilung Hämatologie und Stammzelltransplantation in der Asklepios-Klinik St. Georg, erklärt in einer Pressemeldung, dass die Sphärozytose nicht einfach zu diagnostizieren sei. Bei den Tausenden Blutbildern sei es sogar wahrscheinlich, dass dies ein Arzt nicht "auf Anhieb" erkenne. Und es gebe "gewiss Menschen, die das ihr ganzes Leben lang nicht bemerken". In ernsteren Fällen müsse aber die Milz entfernt werden, "Medikamente gibt es nicht". Der DGHO-Vorsitzende Gerhard Ehninger sagte in seinem Referat, dass nach diesen Erkenntnissen Pechsteins zweijährige Sperre aus medizinischer Sicht haltlos sei. Der Internationale Sportgerichtshof Cas hatte diese Sperre bestätigt. Vor dem Cas seinen Gutachten in ihr Gegenteil verkehrt oder verfälscht dargestellt worden, kritisierte Ehninger. "Ich vollziehe keine Rolle rückwärts. Wir wissen jetzt, was die Ursachen der erhöhten Retikulozyten sind, Zweifel sind ausgeräumt", bekräftigte Ehninger, der sich im vergangenen Sommer zunächst kritisch zu den erhöhten Werten von Pechstein geäußert hatte. Der Eislauf-Weltverband ISU hat sich bereits in der vergangenen Woche zu der Möglichkeit der Sphärozytose-Erkrankung bei Pechstein geäußert. Die Frage, ob Pechstein eine Sonderform der Sphärozytose aufweise, sei für den Verband durch alle Instanzen geklärt. Ein Sprecher sagte der SZ: "Wir haben im ersten Verfahren sogar selbst auf diese Möglichkeit hingewiesen und Pechstein die Chance offeriert, dass sie ein entsprechendes Blutbild erforschen lassen könne. Sie hat abgelehnt." Auch bei der Berufung vor dem Weltsportgerichtshof Cas sei eine Sphärozytose nicht überzeugend dargelegt worden - "Wo ist jetzt der völlig neue Vorgang?" Der Vorstoß der klinischen Blutexperten fällt zudem in eine spannende Zeit. Pechsteins Werte, so wurde im ISU-Prozess konstatiert, fanden unter rund 10.000 Blutprofilen von internationalen Topathleten nur eine Entsprechung - und in dem Fall lag ein Befund vor. So einzigartig war das Blutbild bisher, dass am möglichen Befund noch immer gebastelt wird. Nun aber sollen bei zwei weiteren deutschen Eisläuferinnen überhöhte Blutwerte vorliegen. Im Video: Die Diagnose Sphärozytose soll die gesperrte Eisschnellläuferin Claudia Pechstein vom Vorwurf des Blutdopings entlasten. Weitere Videos finden Sie hier
Ärzte bescheinigen der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein eine vererbte Blut-Anomalie. Die zweijährige Dopingsperre sei deshalb haltlos.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-26-spieltag-ganz-viele-van-bommels-1.7939
sport
Bundesliga, 26. Spieltag - Ganz viele van Bommels
00/03/2010
FC Schalke 04 - VfB Stuttgart (Freitag, 20.30 Uhr) Im Laufe einer Bundesliga-Saison kommt es ein paar Dutzend Mal zu der Situation, dass ein Spieler auf einen Klub trifft, für den er jahrelang selbst gespielt hat. Oder auf einen Klub, wo sein früherer Trainer das Sagen hat. Insofern ist es keine sensationelle Nachricht, dass an diesem Freitag der Kroate Ivan Rakitic mit dem FC Schalke 04 gegen seinen früheren Trainer Christian Gross und zugleich der Weißrusse Aliaksandr Hleb mit dem VfB Stuttgart gegen seinen früheren Trainer Felix Magath spielt. Aber dennoch ist es diese Notiz wert, in den Fokus des Spieltags zu rücken. Denn Gross war nicht irgendein Trainer für Rakitic, und Magath war nicht irgendein Trainer für Hleb. Sondern der Schweizer Glatzkopf Gross und der Aschaffenburger Halb-Glatzkopf Magath waren jeweils die großen Förderer der Mittelfeldspieler Rakitic und Hleb, die Entdecker an der Nahtstelle zum Profifußball - auch wenn es im Fall des Weißrussen zu heftigen Konflikten (Magath verweigerte ihm die Rückennummer 10) kam. "Magath ist ein exzellenter Trainer. Er war zwar sehr hart, aber er fand immer die richtigen Worte zur richtigen Zeit", sagt Hleb heute über Magath. "Ich habe ihm viel zu verdanken", sagt Rakitic über Gross. Am Freitag werden Hleb und Rakitic ihre Entdecker ein bisschen ärgern müssen. Foto: ap Texte: Johannes Aumüller und Jonas Beckenkamp
Hertha fehlen im Abstiegskampf die fiesen Typen, Leverkusen fürchtet ein Fußballorakel und Wolfsburg baut wegen des engen Spielplans auf den Mini-Magath. Die Bundesliga-Vorschau.
https://www.sueddeutsche.de/sport/sport-kompakt-verwirrung-um-ballack-1.10200
sport
Sport kompakt - Verwirrung um Ballack
00/03/2010
Die Zukunft von Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack beim englischen Topklub FC Chelsea steht drei Monate vor Vertragsende weiter in den Sternen. "Es ist richtig, dass wir uns zur Zeit mit dem Chelsea FC in Vertragsgesprächen befinden, es ist aber nicht richtig, dass bereits eine Einigung erzielt wurde", sagte Ballacks Berater Dr. Michael Becker am Freitag dem Sport-Informations-Dienst (SID). Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft trägt das Top-Spiel in der Qualifikation zur Europameisterschaft 2012 gegen die Türkei in Berlin aus. Diese Entscheidung traf das Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) auf seiner Sitzung am Freitag inFrankfurt am Main. Die Neuauflage des EM-Halbfinals von 2008 steigt am 8. Oktober. "Das Treffen mit unseren türkischen Freunden in Berlin wird sicher ein absolutes Highlight", sagte DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach. Bayer 04 Leverkusen hofft weiter auf einen Verbleib von Bundesliga-Talent Toni Kroos. "Wir werden wie vereinbart im April ein Gespräch mit dem FC Bayern München führen. Dabei bleibt es", erklärte Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser am Freitag der dpa. Bisher habe es keine Verhandlungen über eine Verlängerung der Ausleihe um ein weiteres Jahr oder die Verpflichtung des 20-jährigen Fußball-Nationalspielers gegeben. Über ein angebliches Angebot der Leverkusener in Höhe von acht Millionen Euro für Kroos habe er nur über die Medien erfahren, so Holzhäuser. Eine Verpflichtung von Kroos, der beim FC Bayern bis 2012 unter Vertrag steht, wäre aber eine Option. "Wir werden weiter um Toni Kroos kämpfen. Er möchte gern bei uns bleiben", sagte Holzhäuser. Lindsey Vonn hat das Duell mit Maria Riesch gewonnen und den Hattrick im alpinen Gesamtweltcup perfekt gemacht. Die amerikanische Abfahrts-Olympiasiegerin gewann trotz einer Knieprellung den Super-G von Garmisch und sicherte sich zum dritten Mal in Folge die große Kristallkugel für die Saisonbeste. Vor dem Slalom als Saisonabschluss am Samstag hat Vonn uneinholbare 215 Punkte Vorsprung auf Doppel-Olympiasiegerin Riesch, die Vierte wurde. Riesenslalom-Olympiasiegerin Viktoria Rebensburg verpasste kurz vor dem Ziel ein Tor und schied aus. Vonn schaffte als erste Frau seit der Österreicherin Petra Kronberger vor 18 Jahren den Hattrick. Riesch hat am Samstag noch die Chance auf den Gewinn der Slalom-Wertung. Erst gesperrt, dann zurückgetreten: Die russische Ski-Langläuferin Jelena Wedenejewa wurde wegen der Verweigerung einer unangemeldeten Trainingskontrolle der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada vom Weltverband Fis für zwei Jahre gesperrt. Die 38-Jährige, die ihre Ablehnung des Tests am 28. November mit dem Tod ihres Zwillingsbruders am Vorabend und der deswegen erfolgten Einnahme eines Beruhigungsmittels begründet hatte, erklärte nach der Verhängung der Sperre ihre Laufbahn für beendet. Vor Wedenejewa waren zuletzt fünf russische Langläufer, darunter zwei Olympiasieger, wegen Epo-Dopings gesperrt worden. Die Fis hat bereits die Verhängung von Strafen gegen Russlands Verband nach dem Ende der Saison angekündigt. Im Video: Schumacher wieder auf Strecke - Beckenbauer steht hinter Zwanziger - Guerrero ist zurück Weitere Videos finden Sie hier
Der Berater des Mittelfeldspielers dementiert eine Einigung mit Chelsea, Leverkusen will um Kroos kämpfen, Vonn gewinnt den Gesamtweltcup der Alpin-Frauen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/dopingfall-claudia-pechstein-das-geheimnis-des-blutes-1.3954
sport
Dopingfall Claudia Pechstein - Das Geheimnis des Blutes
00/03/2010
Claudia Pechsteins Blut birgt offenbar viele Geheimnisse. Anders ist kaum zu erklären, dass führende Blutexperten zunächst äußerten, sie sähen keine medizinischen Gründe für die verdächtigen Werte im Blut der Eisschnellläuferin - und nun deutlich für Pechstein Stellung beziehen. Zu diesen Wissenschaftlern zählt Gerhard Ehninger, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie. "Bei Frau Pechstein wurden Veränderungen des roten Blutbildes gefunden, die nicht zu Doping passen und mit großer Wahrscheinlichkeit für eine angeborene Störung im Aufbau der roten Blutzellen sprechen", sagt Ehninger, Chefarzt für Blut- und Krebserkrankungen an der Technischen Universität Dresden. Er legt sich auf die Diagnose fest: "Diese Formstörung (Sphärozytose) liegt in einer leichten Form vor und führt zu einem erhöhten Zellumsatz mit kürzerer Überlebenszeit. Die Erhöhung der Retikulozyten - der frisch aus dem Knochenmark ausgeschwemmten roten Blutzellen - ist Ausdruck der gesteigerten Blutbildung und nicht durch Doping bedingt." Das Blut der 38-jährigen Pechstein war immer wieder untersucht worden. Im Vorfeld der Weltmeisterschaften im norwegischen Hamar wurde der Wert der Retikulozyten am 6. Februar 2009 mit 3,49 Prozent bestimmt. Die Internationale Eislaufunion (ISU) gibt für die Vorläuferzellen der Roten Blutkörperchen jedoch nur 0,4 bis 2,4 Prozent als normal an. Am folgenden Tag lagen die Retikulozyten bei 3,54 und 3,38 Prozent - elf Tage später waren sie hingegen in den normalen Bereich von 1,37 Prozent gefallen. Am 1. Juli 2009 wurde Pechstein von der ISU für zwei Jahre - beginnend am 9. Februar 2009 - gesperrt. Der Internationale Sportgerichtshof Cas in Lausanne bestätigte das von Pechstein angefochtene Urteil am 25. November 2009. "Ich hatte immer wieder gesagt, dass Pechsteins erhöhte Retikulozyten für Doping sprechen - wenn sich keine medizinische Erklärung dafür findet", sagt Gerhard Ehninger. "Dann muss man jetzt auch den Mut haben und sagen, dass es durchaus medizinische Gründe gibt." Weitere Blutanalysen und Aktenstudien haben Ehninger und andere Ärzte zu der Neubewertung gebracht. Die Sphärozytose kommt bei weniger als einem Prozent der Bevölkerung vor. Dabei nehmen die roten Blutzellen - verursacht durch einen Membrandefekt - die Gestalt einer Kugel statt der üblichen flach-konkaven Form an. Dadurch werden sie schneller in der Milz abgebaut, und die Nachproduktion wird stimuliert, weshalb vermehrt Retikulozyten entstehen. "Im Gegensatz zum Doping mit Epo sind die kleinen Erythrozyten bei Sphärozytose mit einer normalen Menge des Blutfarbstoffs Hämoglobin beladen, was zu einer erhöhten Konzentration führt", sagt Ehninger. Der entsprechende Messwert sei bei Pechstein erhöht - dies sei für die Sphärozytose typisch, aber eben nicht für Doping mit Epo.
Im umstrittensten Dopingfall der jüngeren Sportgeschichte dehnt sich der Expertenstreit aus: Ein hochrangiger deutscher Blutexperte entlastet Pechstein und diagnostiziert eine angeborene Anomalie.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-kompakt-bielefeld-entlaesst-trainer-1.13686
sport
Fußball kompakt - Bielefeld entlässt Trainer
00/03/2010
Arminia Bielefeld hat Cheftrainer Thomas Gerstner entlassen. Dies teilte der Fußball-Zweitligist am Donnerstag mit. "Ich bin über diese Entwicklung sehr enttäuscht", sagte Detlev Dammeier, Sport-Geschäftsführer des Clubs. Die Arminia-Führung entschloss sich drei Tage nach der 0:1-Heimpleite gegen den Karlsruher SC, sich von Gerstner zu trennen, der erst zu Saisonbeginn sein Amt beim Ex-Bundesligisten angetreten hatte. Der in Millionen- Höhe verschuldete Verein, der auf Tabellenrang fünf steht, strebt den Wiederaufstieg an. Dammeier wird an diesem Freitag als Interimscoach in der Zweitligapartie bei Alemannia Aachen auf der Bank sitzen. Rückendeckung für DFB-Chef Theo Zwanziger: Auf einer Krisensitzung des Präsidiums und einer anschließenden Vorstandstagung wollen die Granden des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am Freitag erstmals seit dem Bekanntwerden der Affäre Manfred Amerell Tacheles reden. Vor dem Showdown in der Verbandszentrale konnte der wegen seines Krisenmanagements in die Kritik geratene DFB-Präsident zunächst durchatmen, da ihm die Deutsche Fußball Liga die volle Unterstützung signalisiert hat. "Theo Zwanziger ist alternativlos", sagte Ligapräsident Reinhard Rauball dem kicker. Herbert Fandel will am Freitag auf der Präsidiumssitzung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ein neues Konzept für das Schiedsrichterwesen vorstellen. Außerdem will er sich für eine schnelle Umsetzung der Reformen starkmachen. "Wir wollen Bahnen legen für die kommende Saison und in Einzelbereichen zügig mit der Umsetzung beginnen", sagte der angehende DFB-Schiedsrichter-Chef in einem Gespräch der Deutschen Presse-Agentur dpa. Die Affäre um den ehemaligen DFB-Funktionär Manfred Amerell habe den deutschen Referees auch im Ausland Schaden zugefügt. "Wir müssen verloren gegangenes Terrain durch Leistung zurückgewinnen", erklärte Fandel. Michael Ballack steht nach englischen Medienberichten vor einer Vertragsverlängerung beim FC Chelsea. Der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft soll ein Angebot zu deutlich reduzierten Bezügen bis 2011 mit einer Option für ein weiteres Jahr erhalten haben, berichtet unter anderem die englische Boulevardzeitung The Sun (Donnerstag). Damit könnte auch Ballacks Karriere in der Nationalmannschaft bis zur EM 2012 weitergehen. Bisher hatte der 33-Jährige stets offen gelassen, wann er seine Laufbahn in der deutschen Elite-Auswahl beenden will. Michal Ballacks Team, der FC Chelsea, trifft im Halbfinale des englischen FA-Cups auf Aston Villa. Die Partie wird am 10. April im Londoner Wembley Stadion gespielt. Im zweiten Halbfinale am 11. April wartet der FC Portsmouth mit dem Ex-Dortmunder Kevin-Prince Boateng noch auf seinen Gegner. Am 24. März ermitteln Tottenham Hotspur und der FC Fulham in einem Entscheidungsspiel den letzten Halbfinalisten. Die Ansetzungen teilte der englische Fußball-Verband (FA) am Mittwochabend mit.
Fußball-Zweitligist trennt sich von Thomas Gerstner, Ligapräsident Reinhard Rauball stärkt Zwanziger den Rücken, Ballack angeblich vor Vertragsverlängerung bei Chelsea. Fußball kompakt
https://www.sueddeutsche.de/sport/sport-kompakt-skination-deutschland-1.3799
sport
Sport kompakt - Skination Deutschland
00/03/2010
Weltmeisterin Kathrin Hölzl hat die kleine Kristallkugel im Riesenslalom gewonnen. Als erste deutsche Skirennfahrerin seit Martina Ertl vor zwölf Jahren holte sich die Bischofswiesenerin mit Platz zwei am Donnerstag beim Weltcup-Finale in Garmisch-Partenkirchen die Disziplin-Trophäe. Hölzl verpasste nur um 3/100 Sekunden den Rennsieg, der an die Slowenin Tina Maze ging. Als Dritte kam Doppel-Olympiasiegerin Maria Riesch auf das Podest. Die im ersten Durchgang gestürzt ausgeschiedene Amerikanerin Lindsey Vonn führt die Gesamtwertung mit 165 Punkten vor Riesch an. Bei den Männern hat Erik Guay den Disziplin-Weltcup im Super-G gewonnen. Der Skirennfahrer aus Kanada gewann das Saison-Finale in Garmisch-Partenkirchen und schob sich damit von Rang drei an die Spitze dieses Klassements. Guay siegte am Donnerstag vor dem Kroaten Ivica Kostelic und dem norwegischen Olympiasieger Aksel Lund Svindal. Der bis vor dem Rennen führende Österreicher Michael Walchhofer kam nur auf den 15. Platz. Deutsche Skirennfahrer hatten sich nicht für das Weltcup-Finale am WM-Ort des kommenden Jahres qualifiziert. Schon vor dem ersten Start beim Weltcup-Finale der Eisschnellläufer in Heerenveen hat Jenny Wolf ihren fünften Gesamterfolg über 500 Meter sicher. Wie aus den offiziellen Meldelisten hervorgeht, verzichtet die im Klassement zweitplatzierte Wang Beixing aus China auf einen Start in Heerenveen, so dass Jenny Wolf dank ihres großen Vorsprungs der mit 14.000 Dollar dotierte Cup nicht mehr zu nehmen ist. Die Olympia-Zweite führt vor den letzten beiden mit je 150 Sieg-Punkten ausgeschriebenen Saison-Rennen am Freitag und Samstag die Gesamtwertung mit 960 Punkten vor Wang (680) an. Insgesamt ist es schon der neunte Gesamt-Cup für Wolf, die zudem viermal über 100 Meter erfolgreich war. Die polnische Ski-Langläuferin Kornelia Marek ist bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver positiv auf das Blutdopingmittel EPO getestet worden. Das berichtete die Polnische Presse-Agentur PAP unter Berufung auf das Polnische Olympische Komitee (PKOI) am Mittwochabend. Der Test war nach dem 4x5-Kilometer-Staffellauf am 25. Februar vorgenommen worden. Die Athletin hat die Analyse der B-Probe verlangt, die an diesem Freitag im Olympia-Labor in Richmond vorgesehen ist. Wenn sich das Ergebnis der A-Analyse bestätigen sollte, wäre es der erste Doping-Fall der Vancouver-Spiele.
Einen Tag nach dem Abfahrts-Sieg von Maria Riesch in Garmisch-Partenkirchen gewinnt Kathrin Hölzl durch einen zweiten Platz den Riesenslalom-Weltcup. Sport kompakt
https://www.sueddeutsche.de/sport/dfb-schiedsrichter-affaere-neue-eskalationsstufe-1.16794
sport
DFB: Schiedsrichter-Affäre - Neue Eskalationsstufe
00/03/2010
Die Auseinandersetzung zwischen dem ehemaligen Schiedsrichter-Funktionär Manfred Amerell und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), besonders dessen Präsident Theo Zwanziger, hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Amerell wirft Zwanziger Günstlingswirtschaft vor. Der DFB kündigte an, Strafanzeige zu stellen. Zwanziger habe einen Schiedsrichter aus seinem Heimatort Altendiez in die Bundesliga gehievt, "der nach den Beobachtungskriterien nicht an erster Stelle stand. Er stand punktgleich an vierter Stelle mit einem weiteren Schiedsrichter. Zwanziger hätte sagen müssen, mein Schiedsrichter aus meinem Verein ist in die Bundesliga genommen worden, obwohl er nicht an erster Stelle stand", sagte Amerell im DSF. Die Reaktion des DFB folgte prompt. "Mit seinen neuesten Äußerungen in den Medien ist Herr Amerell endgültig zu weit gegangen. Der DFB wird dem medialen Rachefeldzug nicht weiter tatenlos zusehen und auf die beleidigenden Aussagen mit Strafanzeigen wegen übler Nachrede und Verleumdung reagieren", hieß es in einer DFB-Stellungnahme. Zuvor hatte der DFB bekräftigt, dass der Schiedsrichterausschuss am 9. Januar 2010 einstimmig beschlossen habe, den Schiedsrichter für die Bundesliga vorzuschlagen. Amerell warf Zwanziger überdies vor, Aussagen eines Schiedsrichters, Michael Kempter habe sich ihm nach einem Spiel am 13. Mai 2009 genähert, nicht nachgegangen zu sein. "Hier hätte das Vorgehen aufgeklärt werden müssen", sagte Amerell. Zuvor hatte er in Sport Bild erklärt: "Ich werde nie kapieren, dass sich ein Mensch zu so was erdreistet, dass nur einseitig aufgeklärt wird. Das ist die größte menschliche Enttäuschung meines Lebens, dass ein Präsident mit so viel Erfahrung rücksichtslos über Leichen geht." Amerell betrachtet Zwanzigers Handeln als Rachefeldzug. Grund sei ein Vorfall vom 31. Januar 2002. "Irgendwann ist es unter Zeugen in eine Tonart ausgeartet, wo wir Schiedsrichter uns sagten, das lassen wir uns nicht mehr bieten. Da sagte ich: ,Passen Sie mal auf, Herr Zwanziger, so können Sie mit Ihren Angestellten im Hause hier reden, das werden die sich gefallen lassen. Mit mir reden Sie so nicht.' Das hat er mir nie vergessen." Unterdessen soll das deutsche Schiedsrichterwesen als Reaktion auf die Affäre Amerell reformiert werden. Herbert Fandel, der als künftiger DFB-Schiedsrichterchef vorgesehen ist, will seine Ideen am Freitag bei der Präsidiumssitzung (11Uhr) präsentieren. "Es wird ein frischer Wind wehen. Wir stellen auf Teamarbeit um", sagte Fandel: "Für Leute von außen und auch die Schiedsrichter muss vieles durchsichtiger werden." Vermutlich wird Fandel dafür plädieren, das bislang rigide Benotungssystem abzuschaffen und durch Bewertungsformeln wie Stärke-Schwäche-Profile zu ersetzen. Zudem ist eine Reduzierung der Einsatzprämien (derzeit 3800 Euro pro Bundesligaspiel) bei gleichzeitiger Einführung eines Grundgehalts im Gespräch.
Amerell verschärft in der Schiedsrichter-Affäre seine Attacken gegen DFB-Chef Zwanziger. Der DFB reagiert prompt und will jetzt Strafanzeige wegen übler Nachrede stellen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/sport-kompakt-lienen-wettert-der-kaiser-kontert-van-gaal-1.22339
sport
Sport kompakt - Lienen wettert, der Kaiser kontert van Gaal
00/03/2010
Franz Beckenbauer hat dem Regel-Vorstoß von Bayern-Coach Louis van Gaal eine Absage erteilt. "Lasst den Fußball so einfach und klar wie er ist - mit all seinen Fehlern", mahnte das Exekutivmitglied des Weltverbandes Fifa in einem Interview der Bild-Zeitung (Mittwochausgabe). "Das Wembley-Tor 1966 gehört doch zu den Legenden des Fußballs. Darüber reden wir in England und Deutschland seit mehr als 40 Jahren - und in 40 Jahren wahrscheinlich auch noch. Genau wie über Maradonas Hand Gottes." Van Gaal hatte vor wenigen Tagen zahlreiche Änderungen wie etwa die Abschaffung von Linienrichtern sowie die Verwendung von Abseitskameras vorgeschlagen. "Am Ende muss doch der Mensch entscheiden, auch wenn er sich drei Zeitlupen und fünf Wiederholungen anschaut", hielt Beckenbauer dagegen. "Selbst dann können Abseitsstellungen so knapp sein, dass man unterschiedlicher Meinung sein kann." Als mögliche Neuerung sieht Beckenbauer die Einführung von Tor-Richtern an. "Dieser Tor-Richter hätte wahrscheinlich auch Thierry Henrys Handspiel in der WM-Qualifikation gegen Irland gesehen." Nach dem jüngsten Manipulationsverdacht gegen eine Zweitliga-Partie hat "Löwen"-Trainer Ewald Lienen schwere Vorwürfe gegen den Deutschen Fußball-Bund (DFB) erhoben. "Was sich da abspielt, ist nur noch abenteuerlich. Ich kann so eine Meldung nicht streuen, wenn es keine hieb- und stichfesten Beweise gibt. Das ist für mich eine klare Verletzung der Sorgfaltspflicht", sagte der Trainer des Zweitligisten TSV 1860 München in einem Interview der Abendzeitung (Mittwochausgabe). Am Montag hatte der DFB in einer Mitteilung über einen Manipulationsverdacht bei der Zweitliga-Partie vor einem Monat zwischen 1860 und Rot Weiss Ahlen informiert. Maria Riesch hat das letzte Abfahrtsrennen der alpinen Ski-Saison gewonnen und den Rückstand im Gesamt-Weltcup auf Lindsey Vonn um 20 Punkte verkürzt. Die 25-Jährige siegte am Mittwoch beim Weltcup-Finale in Garmisch-Partenkirchen auf ihrer Heimstrecke mit 48/100 Sekunden Vorsprung auf Olympiasiegerin Vonn (USA) und der Schwedin Anja Pärson. Gina Stechert aus Oberstdorf belegte Platz 13. Hoffnungen auf den Gesamt-Weltcup macht Riesch sich trotz ihres zweiten Abfahrt-Sieges in dieser Saison aber nicht mehr. Der Schweizer Carlo Janka hat das letzte Abfahrtsrennen des alpinen Ski-Winters gewonnen und damit die Führung im Gesamt-Weltcup übernommen. Beim Weltcup-Finale in Garmisch-Partenkirchen siegte er am Mittwoch mit 2/100 Sekunden Vorsprung auf den Österreicher Mario Scheiber sowie den zeitgleichen Erik Guay (Kanada) und Patrick Küng (Schweiz). In der Gesamtwertung verdrängte Riesenslalom-Olympiasieger Janka den Österreicher Benjamin Raich von der Spitze. Didier Cuche (Schweiz), der bereits vorzeitig als Sieger des Abfahrt-Weltcups feststand, belegte nur Platz acht. Deutsche Fahrer waren nicht am Start. Der Weltranglistenerste Tiger Woods hat die Spekulationen über eine bevorstehende Rückkehr auf die Tour weiter angeheizt. Die US-Profis Charles Howell und J.B. Holmes berichteten im Gespräch mit dem Internetportal Golf Channel, den 14-maligen Major-Sieger und seinen Schwungtrainer Hank Haney auf einer Driving Range in Isleworth/US-Bundesstaat Florida bei intensivem Training beobachtet zu haben. Das Trainingsprogramm des 34-Jährigen, der sich im Dezember wegen seiner Sex-Affären und einer anschließenden Ehekrise auf unbestimmte Zeit aus dem Turniergeschehen zurückgezogen hatte, deuten Insider als Indiz für ein Woods-Comeback noch vor dem US Masters (8. bis 11. April) in Augusta.
1860-Trainer ist sauer auf den DFB, Beckenbauer spricht sich gegen Regeländerungen aus, Riesch und Janka siegen beim Ski-Weltcup.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-champions-league-van-gaals-gladiatoren-1.19438
sport
Fußball: Champions League - Van Gaals Gladiatoren
00/03/2010
Noch zu Wochenbeginn hatte Bayern-Trainer Louis van Gaal für viele Diskussionen und für viel Schmunzeln gesorgt, als er in einem Interview mit dem Fachblatt Kicker eine Reihe an Regeländerungen für den Fußball vorschlug - unter anderem die Abschaffung des Elfmeterschießens und die Einführung eines sogenannten Gladiatorenspiels. Seine Idee: Kommt es in einer Partie zu einer Verlängerung, soll es nicht Elf gegen Elf weitergehen, sondern sich die Spieleranzahl sukzessive reduzieren. Alle fünf Minuten müsse der Trainer einen Akteur vom Feld nehmen. "Viele werden müde, die Gladiatoren bleiben übrig. Was das für taktische Finessen erfordert! Jetzt gewinnt die bessere Mannschaft", schwärmte der Niederländer. Nun hat Louis van Gaal sein Gladiatorenspiel bekommen. Schneller als erwartet und anders als von ihm erhofft. Denn dieses Spiel seiner Münchner in Florenz, diese 2:3-Niederlage, die ihnen nach dem 2:1 im Hinspiel vor zwei Wochen reichte, um ins Viertelfinale einzuziehen - es hatte etwas von einem ganz großen Spektakel. Die Zuschauer sahen kein hochklassiges Spiel, aber ein extrem spannendes. Wie sich zwei Mannschaften bei extrem widrigen äußeren Bedingungen, bei Wind, ja sogar bei Sturm, 90 Minuten lang beharkten und bekämpften. Wie sich bei den Akteuren beider Mannschaften dilettantische Schnitzer und großartige fußballerische Momente abwechselten. Wie die Bayern nach Toren von Vargas (28.) und Jovetic (54.) am Boden schienen. Wie sie in Gestalt von Robben in geradezu spätrömischer Dekadenz eine Riesenchance ungenutzt ließen (31.). Wie sie sich wieder aufrafften und durch van Bommel zum 1:2 kamen (60.). Wie sie nach Jovetics zweitem Treffer wieder am Boden schienen (64.), wie sie sich sofort wieder aufrafften und durch Robben zum 2:3 kamen (65.). Und wie sich die Münchner freuen durften, dass der Schiedsrichter an diesem Abend Herr Mallenco hieß und in der 77. Minute bei einem Tor von Florenz-Angreifer Gilardino, zu Recht, auf Abseits entschied - aber wer weiß, wie Herr Övrebö entschieden hätte? "Ich hätte mir natürlich einen geruhsameren Abend gewünscht", sagte Sportdirektor Christian Nerlinger, dessen Gesichtszüge zwischenzeitlich ähnlich ratlos aussahen wie die von Trainer van Gaal an der Seitenlinie und die der Bayern-Bosse Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge oben auf der Tribüne. Denn das Achtelfinale der Champions League ist für die Bayern so etwas wie Neros Daumen im alten Rom. Vorher ausscheiden geht gar nicht, im Achtelfinale ausscheiden ist hart an der Grenze des Akzeptablen, aber ab dem Viertelfinale gilt eine Saison auf europäischem Parkett als gelungen. Die Fußball-Welt kennt manchmal keine oder nur sehr marginale Differenzierungen. Es fehlte ja nicht viel, ein Traumtor von Robben weniger, ein Abseitstreffer von Gilardino mehr, und die Situation wäre eingetreten. Das traditionelle Bankett nach dem Spiel wäre zwar nicht so tränenreich ausgefallen wie im Vorjahr nach dem 0:4 in Barcelona, als Alt-Trainer Udo Lattek weinte, und auch nicht so laut wie 2000/01 nach dem 0:3 in Lyon, als Franz Beckenbauer seine berühmte Wutrede ("Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft", "Altherrenfußball") hielt. Aber es hätte zu Diskussionen geführt, über den Trainer, über den Kader, über alles, wie das halt so ist beim FC Bayern.
Nach einer denkwürdigen Partie und einem Traumtor von Arjen Robben ziehen die Bayern ins Viertelfinale der Champions League ein. Sie müssen aber zwei schlechte Nachrichten verkraften.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fifa-gegen-torkamera-wie-schoen-war-wembley-1.7328
sport
Fifa gegen Torkamera - Wie schön war Wembley!
00/03/2010
Es hat in den vergangenen Wochen wahrlich nicht an falschen Schiedsrichter-Entscheidungen gemangelt. Da war das vermeintliche Handspiel von Hoffenheims Per Nilsson im Strafraum, der eindeutige, aber nicht gegebene Treffer von Schalkes Marcelo Bordon oder das klare Abseitstor von Bayerns Miroslav Klose. Stets hieß es danach: Mit einem Chip im Ball, einer Torkamera oder einem Videobeweis hätte das Fehlurteil verhindert werden können. Die Technik-Debatte kochte ein weiteres Mal hoch. Nun aber ist klar, dass es weiter zu solchen Fehlurteilen kommen kann und kommen wird. Der Fußball-Weltverband Fifa und das für Regelfragen zuständige International Football Association Board (IFAB) entschieden auf einer Tagung am Samstag, "der Technik die Tür endgültig zu verschließen", wie es Fifa-Generalsekretär Jérome Valcke formulierte. Mit großer Mehrheit wurde sowohl die Idee eines Chips im Ball als auch der Einsatz einer Torkamera verworfen. "Die Frage war, sollen wir Technik im Fußball zulassen, und die Antwort war ganz klar: Nein!" Strikter kann man eine Meinung nicht mehr formulieren. Gänzlich überraschend ist sie freilich nicht: Sowohl der Weltverband als auch das für alle Regelfragen zuständige IFAB, ein Kommissionsrelikt aus dem 19. Jahrhundert, in dem neben vier Fifa-Mitgliedern und einem Delegierten aus England auch Herren aus den anerkannten Fußball-Großmächten Schottland, Wales und Irland sitzen, haben stets eine große Skepsis für Neuerungen gezeigt. Doch nach Szenen wie dem Abseitstor von Klose gegen Florenz oder dem Handspiel von Frankreichs Thierry Henry im WM-Qualifikationsspiel gegen Irland hatten die Befürworter technischer Hilfsmittel auf ein Umdenken gehofft. Selbst Fifa-Präsident Sepp Blatter deutete zart an, sich unter Umständen ("Sie muss aber hundertprozentig funktionieren und schnelle Ergebnisse produzieren") damit anfreunden zu können. Diese Hoffnung ist nun dahin. Es ist schon eine ziemlich absurde Situation: Trainer, Spieler und auch die Schiedsrichter fordern für eine Sportart, die immer schneller geworden ist, die mehr denn je über Euro-Millionen und Arbeitsplätze entscheidet und in der es immer wissenschaftlicher und immer verbissener um den Sieg geht, technische Hilfsmittel - nur Fifa und IFAB hängen offenbar mit romantischer Sturheit am Fußball des 19. Jahrhunderts sowie an Szenen wie dem berühmten Wembley-Tor und verteidigen mit den immer gleichen Argumenten ihre Linie. Argument eins: Fußball soll überall auf der Welt nach den gleichen Regeln ablaufen. Argument zwei: Das Einzigartige am Fußball sind die Menschen, und zu Menschen gehören nun mal auch Fehler. Beide Argumente sind nur schwer haltbar: Der Kreisliga-Fußball unterscheidet sich ja nicht nur vom Niveau her vom Champions-League-Fußball, sondern auch, weil er ohne Schiedsrichter-Assistenten, vierten Mann und Rasenheizung auskommen muss - und manchmal sogar ohne Rasen. Da tut so eine kleiner Chip im Ball als weiterer Unterschied auch nicht mehr weh. Und die Fehler? Nun, da müssen sich die Herren von der Fifa und vom IFAB nicht beunruhigen, selbst mit einem Chip im Ball gäbe es weiterhin jede Menge Fehler. Torhüter, die sich große Böcke leisteten, Stürmer, die hundertprozentige Torchancen versiebten, und Trainer, die falsche Taktiken wählten. Der Stoff für den Stammtisch wird dem Fußball niemals ausgehen.
"Fehler gehören doch dazu": Die Regelhüter des Fußballs entscheiden sich endgültig gegen technische Hilfe - ein unverständlicher Schritt.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-einzelkritik-schutzschilder-fuer-die-hampelmaenner-1.19630
sport
FC Bayern: Einzelkritik - Schutzschilder für die Hampelmänner
00/03/2010
Zum zweiten Mal in Serie hat der FC Bayern auswärts nur ein Remis erreicht. Wie schon vor zwei Wochen in Nürnberg, kamen die Münchner auch in Köln nur zu einem 1:1. Lukas Podolski brachte die Kölner in der ersten Hälfte in Führung, Bastian Schweinsteiger erzielte nach dem Seitenwechsel den Ausgleich. Latte (Kopfball von Schweinsteiger) und Pfosten (Schuss von Ribéry) verhinderten einen Sieg der Mannschaft von Louis van Gaal. Die Spieler in der Einzelkritik. Jörg Butt: Sah den Podolski-Freistoß zum 1:0 sehr spät - und deshalb alt aus, weil er die Kugel ins Tor boxte statt heraus. Vermutlich war er in dieser Szene in der 32. Minute noch gar nicht auf Betriebstemperatur, denn bis auf einen Schuss der Kölner hatte Butt bis dahin ausschließlich Rückpässe seiner Mitspieler zu verarbeiten. In der Folge war er vornehmlich damit beschäftigt, sich mit Dehnübungen und Hampelmännern aufzuwärmen. In der zweiten Hälfte nur noch bei Versuchen von Maniche und Tosic geprüft - ohne nochmals alt auszusehen. Foto: ddp
Torwart Butt sieht beim Gegentor alt aus, Gomez zeigt zwar einen guten Willen, aber sonst wenig, Robbens Ersatz spielt unauffälig. Die Einzelkritik.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-bundesliga-25-spieltag-im-notfall-das-baby-bollwerk-1.2854
sport
Fußball-Bundesliga: 25. Spieltag - Im Notfall das Baby-Bollwerk
00/03/2010
Hamburger SV - Hertha BSC Berlin, Samstag 15.30 Uhr In Hamburg hatten sie spätestens nach der Verpflichtung des Klasseknipsers Ruud van Nistelrooy Ambitionen auf Höheres als Platz vier mit acht Punkten Rückstand auf die Champions League Plätze. Doch dann machte den Norddeutschen eine erneute Verletzungsflut einen gehörigen Strich durch die Rechnung: Van Nistelrooy ist bis jetzt noch nicht voll einsatzfähig (muskuläre Probleme), Jansen verpasste das Spiel in München sowie das Länderspiel wegen einer Magen-Darm-Grippe und Petric und Rost plagen nach wie vor kleinere Wehwehchen. Gut, dass da mit Hertha BSC ein Gegner kommt, der bisher so ziemlich alle Erwartungen untertroffen hat. Neben der prekären sportlichen Situation als abgeschlagener Tabellenletzter, beschäftigt die Berliner eine erneute Trainerdiskussion um den im September für Lucien Favre gekommenen Friedhelm Funkel. Am Donnerstag legte sich das Präsidium zwar fest, dass er vorerst bleibt, aber im Fall eines Abstiegs würden die Karten wohl nochmal neu gemischt. Immerhin verkürzte die Hertha unter Funkels Führung den Rückstand auf Relegationsplatz 16 von zehn auf drei Punkte, doch seine Mauertaktik sogar in Heimspielen kommt bei den Fans nicht allzu gut an. Da hilft es den Berlinern auch nichts, dass Hannover 96 auf bestem Wege ans Tabellenende ist. Ob Letzter oder Vorletzter - das dürfte dann auch egal sein. Foto: rtr
Der FC Bayern trauert Breno hinterher, Nürnberg sehnt sich nach ehemaligen "Club"-Talenten, und niemand spricht mehr mit Schalkes Kevin Kuranyi. Die Bundesliga-Vorschau
https://www.sueddeutsche.de/sport/sport-kompakt-haas-vor-karriereende-praemienpoker-beendet-1.22036
sport
Sport kompakt - Haas vor Karriereende, Prämienpoker beendet
00/03/2010
Nach einer Nullrunde im Prämien-Poker können die deutschen Fußball-Nationalspieler wie bei der EM 2008 auch bei der Weltmeisterschaft 2010 je 250.000 Euro für den Titel verdienen. Das teilte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nach einer zweiten Verhandlungsrunde vor dem WM-Test am Mittwoch in München gegen Argentinien mit. Die Endspiel-Teilnahme würde für jeden der 23 WM- Akteure und für alle Mitglieder des Trainerteams je 150.000 Euro bringen. Der Einzug ins Halbfinale wird mit 100.000 Euro vergütet, für den Vorstoß ins Viertelfinale werden 50.000 Euro gezahlt. Zuvor würden die Spieler leer ausgehen. Für einen Sieg bei der Heim-WM 2006 war die Titel-Rekordprämie von 300.000 Euro ausgelobt worden. Laut Information auf der offiziellen Verbands-Homepage sagte der Spielerrat, dem Kapitän Michael Ballack, Philipp Lahm, Miroslav Klose, Bastian Schweinsteiger, Per Mertesacker und Arne Friedrich angehören, im Rahmen der Prämiengespräche zu, dass sich das Team in diesem Jahr mit privaten Spenden am Aufbau der Robert-Enke-Stiftung beteiligt und darüber hinaus wie in den vergangenen Jahren weiterhin die "Aktion Kinderträume" finanziell unterstützt. Der an Depressionen erkrankte Nationaltorhüter Enke hatte sich im November des vergangenen Jahres das Leben genommen. Die schlimme Tennis-Nachricht platzte mitten in die Vorbereitung des deutschen Davis-Cup-Teams auf das Erstrundenspiel in Frankreich. Thomas Haas, der den Trip nach Toulon und die erhoffte Rückkehr in die Mannschaft abgesagt hatte, droht nach einer Hüftoperation das Karriere-Aus. "Das ist eine Hiobsbotschaft", sagte Kapitän Patrik Kühnen der Deutschen Presse-Agentur dpa am Mittwoch. Sein von Absagen geplagtes Team um Philipp Kohlschreiber kämpft von Freitag (13.00 Uhr/DSF) an um eine neuerliche Viertelfinal-Chance gegen Cup-Verteidiger Spanien. Kühnen wusste zwar von den körperlichen Problemen von Haas, der schon bei den Australian Open Ende Januar über Probleme geklagt hatte. "Dass er operiert werden musste, war auch für mich überraschend", gestand der Teamchef trotz intensiver Kontakte in den vergangenen Wochen, als Kühnen den 31-Jährigen bewegen wollte, erstmals seit dem verlorenen Halbfinale in Russland 2007 noch einmal für das DTB-Team aktiv zu werden. Doch die Schmerzen waren zu groß. Ob Haas nach dem neuerlichen Eingriff Ende vergangener Woche noch einmal zurückkommen kann, scheint angesichts der mindestens fünfmonatigen Pause äußerst fraglich. Die Fußball-Profis des 1. FC Nürnberg kommt ein Abstieg aus der Bundesliga teuer zu stehen. Nach Informationen der "Sport Bild" (Mittwoch) müssen die "Club"-Spieler mit Gehaltseinbußen von bis zu 50 Prozent rechnen, wenn sie in dieser Saison nicht den Klassenverbleib schaffen. "Wir haben bei allen Spielern die Verträge auch für die zweite Liga ausgestattet", sagte FCN-Sportdirektor Martin Bader, "so können wir im Falle eines Abstiegs die Option zu deutlich verringerten Konditionen ziehen".
Fußball-Nationalspieler kassieren 250.000 Euro für WM-Titel, Hiobsbotschaft für Tommy Haas, FCN-Fußballer müssen mit Gehaltseinbußen rechnen. Sport kompakt
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-endlich-wieder-an-der-sonne-1.15696
sport
"FC Bayern - ""Endlich wieder an der Sonne"""
00/03/2010
Louis van Gaal kennt den Verein, bei dem er im Sommer 2009 angeheuert hat, mittlerweile ziemlich gut, und so wusste der Trainer genau zu berichten, wie sich der FC Bayern fühlte an diesem Sonntagabend. "Für das Publikum, für meinen Vorstand, aber auch für meinen Pressechef", bei diesen Worten klopfte der Trainer dem Mediendirektor Markus Hörwick neben ihm auf die Schulter, "ist das sehr wichtig. Sie haben alle lange darauf gewartet, sogar sehr lang." Bayern München ist nach dem 1:0 gegen den HSV, nach 57 Spieltagen, nach 652 echten Tagen, seit dem 17. Mai 2008 erstmals wieder Tabellenführer der Fußball-Bundesliga. "Sie sind jetzt alle sehr froh", sagte van Gaal. Man hätte meinen können, es sei sogar noch deutlich länger her, dass die Münchner dort standen, wo sie ihrer Meinung nach immer hingehören. Als am Sonntagabend in meterhohen Lettern "110 Jahre" auf dem Rasen der Arena aufflammte, da mag so mancher angefangen haben zu rechnen. Konnte das sein? Nein? Oder doch? Ganz so schlimm und ganz so lange war es aber dann doch nicht her. 110 Jahre ist nur gefühlt die Zeit, die die Bayern spitzenabstinent bleiben mussten. 110 Jahre ist die Zeit, die seit der Klubgründung vergangen ist, die am Sonntag pompös gefeiert wurde. Carl Orffs Carmina Burana durfte es da gerne auch nach der Partie beim Feuerwerk nochmal sein, also dröhnte wieder einmal "Oh Fortuna", dieser wuchtig-dramatische Chor, durch das Stadion. Und emphatisches Glück empfanden sie ja wirklich - bis auf die angereisten Hamburger - fast alle im Stadion, angesichts des Jubiläums, des Sieges, der Tabellenspitze. Man sei jetzt "endlich wieder an der Sonne", sagte Klubchef Karl-Heinz Rummenigge, und man werde jetzt "nicht wieder zurück aus der Sonne in den Schatten treten". Draußen liefen da gerade die bayerischen Schützen vorbei, die dem Verein zuvor mit Salutböllern gratuliert hatten, ihre Gewehre gut verpackt unter dem Arm. Für die Warnschüsse waren jetzt andere zuständig. Man dürfe nicht glauben, dass der FC Bayern immer oben stehen müsse, sagte Rummenigge, aber an den letzten zehn Spieltagen sollen Leverkusen, Schalke, Hamburg und Dortmund genau diesen Glauben lernen: "Das wird der Konkurrenz zeigen, dass das Pfeifen im Walde eingestellt werden kann", sagte Rummenigge: "Wir sind lieber der Gejagte und nicht der Jäger." Wenn das Ausmaß der Zufriedenheit in Zeiten des Erfolgs ein Gradmesser für die Unzufriedenheit vor diesem Erfolg ist, dann muss es den Bayern in den letzten 652 Tagen ziemlich schlecht gegangen sein. Sie betonen zwar seit Wochen, dass es allein wichtig sei, nach dem 34. Spieltag oben zu stehen, dass sie nur auf sich schauen, Schritt für Schritt, Spiel für Spiel. Wieviel ihnen aber Platz 1 nach 24 Spieltagen Wert ist, das war am deutlichsten am Gesicht von Uli Hoeneß abzulesen: Ohne Worte, nur mit einem zarten Grinsen im Gesicht marschierte der Präsident aus dem Stadion. Lesen Sie weiter auf Seite 2
Der FC Bayern ist wieder Tabellenführer und ganz bei sich: Präsident Hoeneß grinst wortlos, und Trainer van Gaal schickt ein vergiftetes Lob nach Leverkusen.
https://www.sueddeutsche.de/digital/internetsperren-justizministerin-stellt-sich-gegen-eu-kommission-1.14770
digital
Internetsperren - Justizministerin stellt sich gegen EU-Kommission
00/03/2010
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger setzt trotz eines Vorstoßes der EU für ein Sperrgesetz im Kampf gegen Kinderpornografie im Internet weiter auf das Löschen von einschlägigen Seiten. Zugleich will sie die anderen EU-Mitgliedsstaaten davon überzeugen, ebenfalls auf das Löschen von solch kriminellen Angeboten zu setzen. "Ich erwarte in den anstehenden Beratungen eine breit gefächerte Debatte, in der ich den Grundsatz 'Löschen statt sperren' vertreten und für eine möglichst breite Unterstützung im Rat und im Europäischen Parlament werben werde", sagte die FDP-Ministerin dem Hamburger Abendblatt. Die Deutsche Kinderhilfe fordert hingegen eine Rückkehr zu Internetsperren - allerdings mit einem technisch ausgereifteren Gesetz. Nachdem die neue Bundesregierung erst vor kurzem die von der großen Koalition beschlossenen Netzsperren gekippt hat, will die EU nun alle 27 Mitgliedsstaaten zu solchen Maßnahmen verpflichten. Das sieht ein am Montag vorgestellter Entwurf von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström vor. Der Vorschlag nennt 22 Straftatbestände, darunter das gezielte Suchen und Betrachten von Kinderpornos im Internet, die die EU-Staaten in nationales Recht aufnehmen sollen. Der Vorschlag muss noch das EU-Parlament und den Rat, in dem die Mitgliedsstaaten vertreten sind, passieren. Würde das Vorhaben realisiert, müsste auch Deutschland die Sperren wieder einführen. Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte das Vorhaben der EU-Kommission. "Die Bundesregierung lehnt Internetsperren ab. Sie stellen kein wirksames Mittel im Kampf gegen Kinderpornografie dar, führen aber gleichzeitig zu einem großen Vertrauensschaden bei den Internetnutzern", sagte sie. Anderer Meinung ist die Deutsche Kinderhilfe: Die Regierung sollte den EU-Vorstoß für eine Blockade von Webseiten mit Kinderpornos zum Anlass nehmen, schnell ein wirksames Sperrgesetz vorzulegen, sagte der Vorsitzende Georg Ehrmann der Neuen Osnabrücker Zeitung. "Netz- Blockaden, die technisch auf der Höhe der Zeit seien, sind ein wichtiges Mittel gegen Kinderpornografie", sagte Ehrmann. Er betonte, das frühere deutsche Sperrgesetz hätte diese Anforderungen nicht erfüllt. Unionsfraktionsvize Günter Krings (CDU) sieht die Koalition nach dem EU-Vorstoß gefordert und kann sich anders als Leutheusser- Schnarrenberger auch Internet-Sperren vorstellen. "Wir müssen aufpassen, dass wir im Kampf gegen Kinderpornografie international nicht ins Abseits geraten", sagte er. Es gelte jetzt alles daran zu setzen, eine wirksame Technik für Internet-Sperren zu entwickeln. Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, sagte dem Hamburger Abendblatt hingegen: "Ich sehe nicht, dass wir einen Schritt weiter wären, wenn wir im Internet Stoppschilder aufgehängt hätten." Er betonte: "Die Stoppschilder zu umgehen ist kinderleicht. Wir brauchen überhaupt kein neues Gesetz, denn das Löschen von strafrechtlich relevanten Seiten ist rechtlich längst möglich."
Die Bundesregierung will die von der EU geforderten Internetsperren stoppen. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger geht auf Konfrontationskurs mit Brüssel.
https://www.sueddeutsche.de/digital/test-digitalkamera-pentax-k-x-kompakt-bunt-vielseitig-1.7246
digital
Test: Digitalkamera Pentax K-x - Kompakt, bunt, vielseitig
00/03/2010
Kameras wie die gänzlich manuelle Pentax MX gehörten in längst vergangenen Analogzeiten zu den kleinsten ihrer Gattung, gefielen aber durchaus durch Robustheit und Qualität. Ob man bei Pentax deshalb den jüngsten digitalen Spiegelreflex-Spross der Einsteigerklasse K-x getauft hat, mag dahinstehen. Sicher ist, dass die Kamera nicht bloß deshalb Aufsehen erregt, weil es sie in verschiedenen Farben gibt. Bei der Gelegenheit: Die Weiße sieht blendend aus. Nein, in das sehr kompakte Gehäuse hat Pentax auch eine Fülle von Funktionen eingebaut. Sehr interessant beispielsweise ist die Möglichkeit, mehrere Bilder eines Motivs in Serie zu schießen und daraus ein HDR-Bild errechnen zu lassen. HDR steht für High Dynamic Range und erlaubt es, größere Unterschiede zwischen hell und dunkel abzubilden, als es der Kontrastumfang der Kamera eigentlich möglich machen würde. Schutz gegen Verwackelungen Im Gegensatz zum Vorgänger, der K-m, hat Pentax dem neuen Modell Videomodus und Live-View-Funktion spendiert. Damit sieht man also auch auf dem Monitor, was der Bildsensor der Kamera gerade an Informationen empfängt. Der Bildsensor ist 15,8 × 23,6 Millimeter groß und liefert maximal 12,6 Millionen Pixel ohne Probleme aus. Seine Empfindlichkeit lässt sich dabei auf bis zu ISO 12800 hochtreiben. Einen Schutz gegen Verwackelung bringt die Kamera ebenfalls mit; er ist ins Gehäuse integriert, was die Objektive billiger macht. Außer dem JPG-Format unterstützt die K-x auch zwei Rohformate. Der eingebaute Blitz bringt es auf eine Leitzahl von zwölf und eignet sich daher wie die meisten Blitze dieser Bauart nur für eher kleinere Innenräume. Für bewegte Motive bietet die Kamera ebenfalls eine ganz interessante Funktionen an. Darunter etwa die Fokusfalle, die dann auslöst, wenn das anvisierte Objekt den Punkt erreicht hat, bei dem es scharf abgebildet wird. Ungewöhnlich für diese Kameraklasse kommt die Pentax ohne einen herstellerspezifischen Akku, sondern bietet im Batteriefach Platz für vier gewöhnliche AA-Zellen. Die Menüs sind zwar reichhaltig, aber doch einigermaßen übersichtlich, das Gehäuse liegt gut in der Hand. Für den Preis von etwa 560 Euro bei Internetanbietern (mit 18 - 55 Millimeter Standardzoom) ist die K-x ein sehr ernstzunehmendes Angebot für Fotografen, die keine allzu große Kamera mit sich herumschleppen wollen, aber weder viel Geld für eine Sucherkamera mit Wechselobjektiven ausgeben, noch auf den Komfort und die Qualität einer digitalen Spiegelreflexkamera verzichten wollen. Eigentlich eine gute Gelegenheit, MX & Co. endgültig aus Altenteil zu schicken.
Kleines Gehäuse, große Funktionalität: Die digitale Spiegelreflexkamera Pentax K-x muss sich vor größeren Modellen nicht verstecken.
https://www.sueddeutsche.de/digital/internetsicherheit-mit-diesen-links-surfen-sie-sicher-1.24665
digital
Internetsicherheit - Mit diesen Links surfen Sie sicher
00/03/2010
München - Vielleicht macht das Internet das Leben zu einfach. Geld überweisen, einen Pullover kaufen, zur Geburtstagsfeier einladen - das ist mit ein paar Mausklicks erledigt. So verlockend sind die Angebote, dass viele Nutzer die Risiken ausblenden - und dann zum Beispiel Datendiebstahl, Betrug und Computerviren riskieren. Wer sich schützen will, muss seinen Rechner richtig ausrüsten und jeden Mausklick überdenken. Tipps dazu finden sich im Internet. Sicher unterwegs im Netz Jeder Rechner braucht eine Firewall, ein Virenschutzprogramm und regelmäßige Sicherheits-Aktualisierungen. Viele Internetnutzer haben diese Schutzvorkehrungen auf ihrem Computer eingerichtet. Wer mit diesen Begriffen aber nichts anfangen kann, sollte auf www.sicher-im-netz.de unter der Rubrik "Privatnutzer" mit einem "Basis-Check" überprüfen, ob die nötigen Sicherungen eingerichtet sind. Wer hier nachlässig ist, riskiert Viren. Oder es wird ein unerwünschtes Programm heruntergeladen, das den Rechner lahmlegt. Die Internetseite des Branchenvereins "Deutschland sicher im Netz" gibt weitere Hinweise zum Beispiel zur Internetkriminalität. Allerdings ist die Seite so unübersichtlich aufgebaut, dass die meisten Nutzer lieber auf anderen Seiten nach schnellen Antworten suchen dürften. Einen guten Überblick über nötige Sicherheitsmaßnahmen bietet das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) auf www.bsi-fuer-buerger.de. Wer die dort aufgeführten "wichtigsten Tipps" beherzigt, hat sich zumindest gegen die größten Gefahren gewappnet. Das BSI rät zum Beispiel, am Computer möglichst nicht als Administrator zu arbeiten, der auf alle Funktionen Zugriff hat. Denn wenn ein Schadprogramm den Rechner angreift, kann es unter diesen Umständen auf alle Daten und Funktionen zugreifen - und viel Unheil anrichten. Die Internetseite erklärt zudem, wie sich Nutzer in sozialen Netzwerken verhalten sollten und welches die häufigsten Tricks von Betrügern sind.
Datenklau und Abzockfallen: Im Internet lauern Betrüger und schädliche Programme auf ihre Opfer. Doch Webseiten geben Tipps, wie man sich schützt.
https://www.sueddeutsche.de/digital/computerkriminalitaet-spanische-polizei-zerschlaegt-zombie-netz-1.10987
digital
Computerkriminalität - Spanische Polizei zerschlägt Zombie-Netz
00/03/2010
Die spanische Polizei hat ein Netz krimineller Hacker zerschlagen, die weltweit eines der größten Netze von Virus-verseuchten Computern betrieben haben sollen. Drei Spanier seien in den vergangenen Wochen unter Tatverdacht festgenommen worden, teilten die Ermittler am Mittwoch in Madrid mit. Das Trio soll seit Ende 2008 über ein illegales "Botnet" mit dem Namen "Mariposa" (Schmetterling) Zugang zu über 13 Millionen Computern in aller Welt gehabt haben. Unter einem "Botnet" versteht man über das Internet vernetzte Rechner, die von einem Software-Roboter ("Bot") gesteuert werden. Die Besitzer der verseuchten Rechner bemerken häufig nicht, dass ihr PC von einem Virus befallen ist und aus der Ferne gesteuert werden kann. Die Tatverdächtigen sollen die Computer von 500 Großunternehmen und 40 Banken infiziert haben. Dabei hätten sie die Möglichkeit gehabt, an persönliche Daten und Bankverbindungen von 800.000 Menschen zu kommen. Die drei Verdächtigen im Alter zwischen 25 und 31 Jahren sind nach Angaben der Ermittler selbst keine großen Computer-Experten. Sie hätten das Netzwerk der infizierten Computer nicht selbst geschaffen, sondern von anderen gekauft, hieß es. Den Zugang zu Daten hätten sie wiederum an Dritte vermietet. "Wir haben großes Glück gehabt, dass die Verdächtigen ihr Netz nicht dazu nutzten noch viel mehr Schaden anzurichten", sagte der Leiter der Fahndungsgruppe, Juan Salom. An den Ermittlungen waren auch die US-Bundespolizei FBI und eine Sicherheitsfirma beteiligt. Zum Aufbau des "Botnet" war ein sogenannter Trojaner, der sich als nützliches Programm tarnt, über Internet-Dienste in Umlauf gebracht worden, die von Millionen von Menschen in aller Welt genutzt werden. Das Virus war zudem in der Lage, sich in Speichersticks rasch zu vermehren. "Das Bedeutende an diesem Fall war nicht die Menge an erschwindeltem Geld, sondern die Masse an Daten, auf die das Trio Zugriff hatte", sagte Salom. Ende vergangenen Jahres war es der Polizei und einer Sicherheitsfirma gelungen, das "Botnet" außer Gefecht zu setzen. Die drei Verdächtigen gewannen jedoch die Kontrolle über die infizierten Computer zurück. Sie starteten nach Angaben der Polizei einen Vergeltungsangriff auf das Unternehmen, das die Ermittler auf das Netz aufmerksam gemacht hatte, und legten die Server der Firma lahm.
13 Millionen infizierte Rechner weltweit: Die spanische Polizei hat eines der weltweit größten Netze von Virus-verseuchten Computern zerschlagen.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/maultaschen-klau-es-wurde-hoechstens-die-abfallmenge-reduziert-1.2151
karriere
"Maultaschen-Klau - ""Es wurde höchstens die Abfallmenge reduziert"""
00/03/2010
Er verstehe die ganze Sache mit den Maultaschen nicht so ganz, sagte der Richter nach einer Stunde. "Ich bin Rheinländer, wir essen Frikadellen ohne Teig." Außerdem wisse man ja nie, was drin sei in diesen Maultaschen. Was drin ist, weiß man nicht immer genau - was für juristische Folgen ein Maultaschendiebstahl haben kann, weiß man inzwischen aber schon. Eine 58-jährige Altenpflegerin hat es persönlich erfahren. Ihr wurde nach 17 Jahren Betriebszugehörigkeit fristlos gekündigt, weil sie sechs Maultaschen gegessen hatte, die nach der Essenausgabe im Pflegeheim übrig geblieben waren. Grundsätzlich problematisch Vor dem Landesarbeitsgericht Freiburg klagte sie in zweiter Instanz gegen die Kündigung. Und da der Arbeitsrichter Christoph Tillmanns am Dienstag deutlich machte, dass er als Rheinländer nicht nur Maultaschen grundsätzlich für problematisch halte, sondern auch deren Diebstahl als fristlosen Kündigungsgrund, ließ sich das Heim auf einen vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich ein: Die Pflegerin bekommt eine Abfindung von insgesamt 42.500 Euro, die fristlose Kündigung wird in eine ordentliche umgewandelt. Das erstinstanzliche Urteil im Maultaschen-Fall war im Oktober 2009 gefallen. Es hatte bundesweit Aufsehen erregt, weil es in die Debatte fiel über Banker, die Milliarden verbrannten und dafür noch hohe Abfindungen kassierten, während Bagatelldelikte wie der Verzehr von Maultaschen hart bestraft wurden. Kein materieller Schaden Die Maultaschen waren vor einem Jahr nach dem Mittagessen in der Spitalhofpflege Konstanz übrig geblieben und wären nach übereinstimmenden Angaben der Entlassenen und der Heimleitung weggeworfen worden. Dem Heim sei also kein materieller Schaden entstanden, sagte der Richter. "Es wurde höchstens die Abfallmenge reduziert." Tadeln erlaubt Die Rechtsvertreter des Altenheimes bestanden dennoch darauf, dass durch die Entwendung der Maultaschen ein nicht wieder gutzumachender Vertrauensverlust entstanden sei. Der Richter sah dies anders und machte deutlich, dass er die fristlose Kündigung aufheben werde, falls das Pflegeheim dem Vergleich nicht zustimme. Zwar sei das Entwenden und Essen von Maultaschen ("Das sich Einverleiben ist die intensivste Form des sich Aneignens") nicht gestattet gewesen und auch zu tadeln. Für eine fristlose Kündigung reiche das jedoch nicht aus.
Sechs geklaute Maultaschen rechtfertigen keine fristlose Kündigung. Die entlassene Altenpflegerin bekam in zweiter Instanz recht - und 42.500 Euro Abfindung.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/bagatellkuendigung-42-500-euro-abfindung-im-maultaschenfall-1.13659
karriere
Bagatellkündigung - 42.500 Euro Abfindung im Maultaschenfall
00/03/2010
Der Kampf hat sich gelohnt: Die Altenpflegerin, die fristlos entlassen worden war, weil sie sechs Maultaschen von der Arbeit mit nach Hause genommen hatte, bekommt eine Abfindung und Gehaltsnachzahlungen von insgesamt 42.500 Euro. Darauf einigten sich die 58-Jährige und ihr früherer Arbeitgeber, die Konstanzer Spitalstiftung, nach einem entsprechenden Vergleichsvorschlag des Landesarbeitsgerichts Freiburg, wo der sogenannte Maultaschenfall in zweiter Instanz verhandelt wurde. Unstrittiger Diebstahl Die Freiburger Kammer schlug in der Berufungsverhandlung eine Zahlung von insgesamt 42.500 Euro an die Frau vor. Es sei zwar "unstrittig", dass es sich bei der Tat um einen Diebstahl gehandelt habe, sagte der Richter. Das alleine rechtfertige in diesem Fall aber noch keine fristlose Kündigung. Im vergangenen Oktober hatte das Arbeitsgericht Radolfzell die Kündigung der 58-Jährigen für rechtens erklärt. Gegen dieses Urteil legte die Frau Berufung ein, die nun vor dem Freiburger Landesarbeitsgericht verhandelt wurde. Sie verlangte die Rücknahme der fristlosen Kündigung und Wiedereinstellung. Bis kurz vor Prozessbeginn verhandelten die streitenden Parteien zunächst ergebnislos über den Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs. Die von ihrem Arbeitgeber angebotene Zahlung einer Abfindung hatte die Frau bislang abgelehnt. Wertlose Maultaschen Die Klägerin argumentierte, dass die Maultaschen für den Arbeitgeber wertlos gewesen seien. Außerdem lag nach ihrer Auffassung kein Grund für eine fristlose Kündigung vor, weil sie Hunger gehabt habe und kurz nach Beendigung ihrer Arbeit eine dienstliche Fortbildung habe besuchen müssen. Dagegen betonte der Arbeitgeber, dass es sich um einen Diebstahl gehandelt und sich die Klägerin die Kosten für ein Personalessen erspart habe. Der Wert der gestohlenen Sache spiele keine Rolle. Das Arbeitsgericht machte deutlich, dass sie als Alternative zum Vergleich eine Weiterbeschäftigung der Frau sieht. Dazu wird es nun nicht mehr kommen.
Wegen sechs geklauter Maultaschen war sie fristlos entlassen worden. In zweiter Instanz errang die gekündigte Altenpflegerin jetzt einen Erfolg.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/stress-im-studium-studiert-und-ausgelaugt-1.7111
karriere
Stress im Studium - Studiert und ausgelaugt
00/03/2010
Die Bologna-Reform an den Hochschulen ist im Jahr 2009 zehn Jahre alt geworden. Die Verantwortlichen haben ihr "Geburtstagskind" jüngst auf einer Jubiläumskonferenz einmal hochleben lassen. Viele Studenten wollten aber nicht gratulieren: Sie klagen über Leistungsdruck, Prüfungsstress und zu volle Lehrpläne. Daran scheitern auch viele Studienabbrecher in Bachelor-Studiengängen, wie eine Studie ergeben hat. Studenten müssen in Bologna-Zeiten daher vor allem eins lernen: mit Stress umzugehen. Überfordernde Lehrpläne Schuld am Bachelor-Blues mancher Aussteiger ist, dass die neuen Lehrpläne viele Studierende überfordern: Leistungsprobleme und Prüfungsversagen sind die Hauptgründe für einen Studienabbruch. Das hat das Hochschul-Informationssystem (HIS) in Hannover ermittelt, das Abbrecher befragt hat. Auch wenn Politiker und Hochschulvertreter jetzt beteuern, die mangelnde Studierbarkeit sei bereits erkannt worden und solle schleunigst geändert werden - für die momentan eingeschriebenen Studenten kommt das zu spät. "Jetzt werden erstmal zwei Generationen von Studenten da durchgeschleust", sagt Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk in Berlin. "Und die sind nun die Dummen", ergänzt Walburga Wolters, Studienberaterin an der Uni Köln. Denn sie müssten vorerst zurechtkommen mit Dauerstress und Prüfungen am Fließband. "Das ist zum Teil ein echter Marathon." Management und Evaluation Jugendliche dürfen daher keine falschen Vorstellungen vom Studentenleben haben: "Im Bachelor ist eine 40-Stunden-Woche vorgesehen. In der Praxis sind es oft mehr", sagt Wolters. Mit den anderen Dingen des Lebens lässt sich das nur durch ein gutes Zeitmanagement vereinbaren. "Am besten legt man Semester-, Wochen- und Tagespläne an. In die gehören die Zeiten in der Uni, aber auch die Zeit für das Selbststudium. Da verschätzen sich viele." Auch müssen Bachelor-Studenten sich mental wappnen: "Dinge wie Stressmanagement und Selbstorganisation gehören heute zum Studium dazu", sagt Grob. Das sei für manche gewöhnungsbedürftig: "Ein Studium klingt heute ein bisschen wie ein Managementkurs." Zum Management kommt noch die Evaluation der eigenen Studienleistung. So sei im Bachelor mehr Selbstkontrolle gefragt, meint Wolters: "Ich muss mich fragen: Halte ich Lernzeiten ein?" Das hilft, eine Überforderung zu erkennen. Und Studenten müssten die eigenen Schwächen kennen. "Dafür gibt es jetzt Self-Assessments", also Tests, um sich selbst besser einschätzen zu können. Rechtzeitig Hilfe holen Geraten Studenten in eine Krise, sollten sie sich nicht scheuen, psychologische Hilfsangebote zu nutzen, sagt Grob. Schließlich sei Prüfungsangst nichts Ungewöhnliches, "man gilt dann nicht als krank." Studenten dürfen aber nicht erst Alarm schlagen, wenn sie durch den Leistungsdruck schon völlig am Ende sind. "Man darf das nicht verschleppen, sondern muss sich rechtzeitig Hilfe holen", sagt Wolters. Die Angst vor Prüfungen lasse sich überwinden, indem Studenten solche Situationen regelmäßig üben. Ein gutes Mittel seien Rollenspiele. So bekämen Studenten die eigene Unsicherheit besser in den Griff, wenn sie eine Prüfung vorab mit Kommilitonen durchspielen.
Überfordert und dem Zusammenbruch nahe: Ein Studium hält heute nur durch, wer die richtigen Strategien des Stressmanagements kennt.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/autistische-studenten-ich-wurde-vom-monster-zum-menschen-1.6784
karriere
"Autistische Studenten - ""Ich wurde vom Monster zum Menschen"""
00/03/2010
Für Veronika Raila hat das Wort "Inklusion", zu Deutsch "Einschließung", zwei Bedeutungen - eine abgründige und eine verheißungsvolle. Die erste entspricht einem lähmenden Gefühl: eingeschlossen zu sein als hellwacher Geist und hochempfindsame Seele im Gefäß eines Körpers, den sie nicht willkürlich bewegen kann. Die zweite entspricht einem beflügelnden Wunsch: eingeschlossen zu sein in eine Gemeinschaft, wahrgenommen zu werden als vollwertiger Mensch, auch wenn der nicht gehen kann und nicht greifen, nicht sprechen und nicht dem Gegenüber direkt in die Augen schauen. Es ging um Inklusion Für Veronikas Eltern hieß das schon vor vielen Jahren: darum zu kämpfen, dass ihre Tochter trotz schwerster Behinderung am regulären Bildungsbetrieb teilhaben darf. Es ging um Inklusion - in der besseren Bedeutung. Petronilla und Uwe Raila ahnten zunächst selbst nicht, wie sehr sich ihre Tochter aus jener Sonderwelt wegwünschte, in die sie nach dem Besuch eines integrativen Kindergartens verwiesen worden war. Eine Sonderpädagogin hatte dem Mädchen einen Intelligenzquotienten von null attestiert, die Falltür war aufgesprungen. Zu einer Sache mutiert Als Veronika Jahre später einmal gebeten wurde, in einem Seminar für Grundschulpädagogik zu schildern, wie sie ihre zwei Jahre auf der Förderschule erlebte, bekamen die Lehramtsanwärter via Computer-Sprachwandler dies zu hören: "Zunächst wurde ich wegen meiner Körperbehinderung vom Regelschulsystem diskriminiert, und im Förderschulsystem wurde von diesen Merkmalen auf innere Werte geschlossen. Dieser Gedankengang ließ mich zu einem Ding, zu einer Sache mutieren. Können Sie sich meine Gefühle vorstellen, wenn ich frühmorgens in den roten Bus stieg, der mich zu dieser Schule brachte?" Schon bald entdeckte ihre Mutter jedoch eine Methode, ihre Tochter besser kennenzulernen: Facilitated Communication (FC) - "gestützte Kommunikation". Sie lernte, die Hand der Tochter locker über Symboltafel oder Tastatur zu halten, frei von eigenem Willen, und zarten Impulsen in Richtung dieses oder jenes Zeichens zu folgen. Ein Psychologe korrigierte derweil das Fehlurteil "geistige Behinderung" und diagnostizierte das Asperger-Syndrom, eine besondere Form von Autismus. Veronika lernte rasch Lesen, Rechnen und Schreiben und sich mittels FC mitzuteilen. Ihre Mutter, eine Berufsschullehrerin, fand langsam Zugang zu einer wundersamen Welt verwinkelter Gedankengänge und fremdartiger Wahrnehmung. "Für andere muss ein Puzzle geschaffen werden" Irgendwann entdeckte die Mutter, dass Vroni Zahlen in Potenzen mit der Basis 2 zerlegt und in Primfaktoren. Es ist ein komplizierter Weg, aber es ist eben ihre Methode, mit Zahlen umzugehen. Veronika sagte: "Zuerst habe ich nach deiner Art gerechnet, aber schon bald hat mein Kopf mir die andere Lösungsart gezeigt." Ihr Kopf zeigte auch ungewöhnliche Formulierungen, wie in Veronikas dialogischem Poem "Ozean des Wissens", einem ihrer Gedichte und Schriften, die demnächst unter dem Titel "Vor Sonnenaufgang" veröffentlicht werden: "Wo ist die Küste der Liebe?/Da wo das Meer des Wissens ganz flach wird, das Wasser klar und ruhig./Ist dort auch der sichere Boden, auf dem ich zu gehen vermag?/Natürlich, dort ist auch der sichere Boden./Kann man dort das Strandgut der Gedanken fest mit einbauen?/Ich denke, wenn Platz dafür gelassen wurde, manche Teile passen wie bei einem Puzzle hinein. Für andere muss oft noch ein Puzzle geschaffen werden."
Veronika Raila ist Autistin und schwer körperbehindert. Einst wurde ihr ein Intelligenzquotient von null attestiert. Heute studiert sie - mit Erfolg.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/probearbeiten-ohne-lohn-das-machen-wir-doch-gern-1.7923
karriere
Probearbeiten ohne Lohn - Das machen wir doch gern
00/03/2010
"Die spinnen doch!" Verständnislosigkeit und eine vage Furcht vor den neuen Spielregeln am Arbeitsmarkt befeuern den Zorn des jungen Einzelhandelskaufmanns aus Münster. "Ich hatte mich auf eine Stellenanzeige beworben", sagt er, "und als die Dame aus der Personalabteilung ein paar Tage später anrief, freute ich mich schon und dachte, es ginge um das Vorstellungsgespräch. Aber Pustekuchen: Ob ich bereit sei, zwei Wochen lang zur Probe zu arbeiten? Das sei die Vorbedingung, erklärte sie kategorisch, anders habe ein persönliches Kennenlernen keinen Sinn." Als Mann? Von Probearbeiten hatte der 25-Jährige schon gehört. Seine Freundin, eine soeben ausgelernte zahnmedizinische Fachangestellte, wurde unlängst auch dazu aufgefordert. "Einen Tag lang sollte sie am Stuhl assistieren", sagt ihr Partner, "das scheint branchenüblich zu sein, und einen Tag kann man sich das ja auch gefallen lassen. Aber gleich zwei Wochen? Und als Kaufmann?" Und als Mann?, hätte er noch staunend hinzusetzen können. Denn mit der Aufforderung, ihr Geschick ein paar Stunden, Tage oder Wochen beim Arbeitgeber in spe unter Beweis zu stellen, werden vielfach Frauen konfrontiert. Friseurinnen, Floristinnen, Verkäuferinnen im Einzelhandel, Restaurantfachkräfte sowie Helferinnen in Arzt- und Zahnarztpraxen und Anwaltskanzleien kalkulieren inzwischen bei der Jobsuche die Arbeit zur Ansicht ein. Frauen sind Vorreiterinnen Sie sind daher Vorreiterinnen der Probearbeit, heißt es bei der Arbeitsagentur, weil es so viele von ihnen gibt, weil ihre Arbeitsverhältnisse oft nicht lange währen und weil sich aus ihren Zeugnissen zwar immer Positives, aber nicht immer die Wahrheit herauslesen lässt. Da machen die Chefs sich gerne selbst ein Bild. "Der Trend geht zur Probebeschäftigung", bestätigt Ralf Kleine, Personalberater aus Frankfurt. "Noch betrifft das fast nur gering qualifizierte Arbeitnehmer, doch die höheren Berufsgruppen schließen auf." Bürofachkräfte, Assistentinnen, Programmierer und Techniker reihen sich in die Testkandidaten ein, auch Gesellen werden vorab auf Hand und Hirn geprüft. Hochschulabsolventen wissen ohnehin längst, wo der Hase langläuft. Nur kommt die Probearbeit in Agenturen, Studios, Beratungsfirmen und kaufmännischen Unternehmensbereichen gern als "Praktikum" daher. Das klingt zwar anspruchsvoller, ist inhaltlich jedoch meist Jacke wie Hose. Auf dünnem Eis Wer von einem Job heraus in einen anderen wechseln will, sollte sich eine Probearbeit gut überlegen. "Festangestellte Arbeitnehmer dürfen nicht gleichzeitig bei einem anderen Arbeitgeber arbeiten", erklärt Kleine, "das verbietet das Arbeitsrecht." Der Personalprofi weiß: "Wer ein massives Interesse an einer Position hat, der lässt sich nach dem Grundsatz 'Wo kein Kläger, da kein Richter' durchaus darauf ein und verbringt zwei, drei Urlaubstage in einer anderen Firma." Dazu rät er aber nicht. "Wer das tut, begibt sich auf sehr dünnes Eis."
Arbeit zur Ansicht: Immer mehr Bewerber sollen unentgeltlich zur Probe arbeiten - betroffen sind nicht mehr nur Friseure und Kellner.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/duales-studium-kaeufliche-talente-1.16192
karriere
Duales Studium - Käufliche Talente
00/03/2010
Praktische Erfahrungen sind das A und O - vor dem Studium, nach dem Studium und wenn möglich auch während des Studiums. Kooperiert eine Hochschule mit einem Unternehmen, kann das für den Studenten daher Vorteile haben. Er bereitet sich frühzeitig auf die Arbeitswelt vor und knüpft womöglich wichtige Kontakte. Einen faden Beigeschmack hat die Sache aber: Kritiker sehen die unabhängige Lehre in Gefahr, wenn ein Unternehmen seine Fühler in Richtung Wissenschaft ausstreckt. Zwei ungleiche Partner Wissenschaft und Wirtschaft - zwei ungleiche Partner, die sich nicht immer mögen. Die eine Seite wird als zu praxisfern gescholten, die andere als zu profitorientiert. Wechselt ein Student nach seinem Abschluss die Seiten, prallen oft zwei Welten aufeinander. Doch das muss nicht sein. Denn in den vergangenen Jahren sind die unterschiedlichsten Formen von Kooperationen entstanden. "Das geht von einer sehr losen Zusammenarbeit über einen Studiengangsbeirat bis hin zum dualen Studium", sagt Jan Rathjen von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in Bonn. Der Vorteil: "Die Qualifikation der Studierenden ist stärker am Arbeitsmarkt orientiert", erklärt Rathjen. Die Studenten bekommen einen realistischen Eindruck von der Arbeitswelt und lernen, ihr Studium entsprechend auszurichten. Die Verantwortung für die Lehrinhalte habe aber die Hochschule zu tragen. Ein Verlust der Unabhängigkeit müsse ausgeschlossen werden. Die Akkreditierung sei dafür ein Sicherungsinstrument, sagt Rathjen. Angreifbare Freiheit Das sei natürlich der Idealfall, meint Svenja Hofert, Karrierecoach und Autorin aus Hamburg. Sie bezweifelt, dass die Freiheit von Forschung und Lehre niemals angetastet wird. "Die Unternehmen wollen für ihr Geld schließlich auch etwas zu sagen haben." Zudem beteiligen sich oft sehr große Firmen an den Kooperationen. "Dabei spielen in der Praxis die kleinen und mittelständischen Unternehmen eine viel größere Rolle." Sind die Inhalte des Studiums nur auf die großen Unternehmen zugeschnitten, hilft das den Bewerbern auf dem Weg in den Beruf womöglich wenig. "Eine neutrale Ausbildung macht in jedem Fall freier für die spätere Berufswahl", sagt Hofert. Gerade bei festen Kooperationen wie dem dualen Studium könne es nach der Ausbildung schwieriger werden, andere Firmen von sich zu überzeugen. "Da kommt dann mit Sicherheit im Bewerbungsgespräch die Frage, warum man vom Unternehmen nicht direkt übernommen wurde." Schwierig ist das besonders dann, wenn der Student am Anfang seiner Bildungslaufbahn noch nicht genau beurteilen kann, wo es später hingehen soll. Problem Patentrecht Einer, der sich ausführlich mit dem Thema befasst hat, ist Frank Ermert. Er arbeitet an der Schnittstelle von Wirtschaft und Wissenschaft. Die Forschungstransferstelle der Universität Siegen soll dafür sorgen, die ungleichen Partner zusammenzuführen. "Die Industrie investiert in die Erledigung einer Fragestellung. Die Hochschule versucht diese zu bearbeiten und eine Lösung zu entwickeln", sagt Ermert. Probleme gebe es bei dieser Zusammenarbeit nur in Hinblick auf das Patentrecht.
Wenn Unis und Firmen kooperieren, bringt das wirtschaftlichen Nutzen für beide Seiten. Auch Studenten können profitieren - wenn sie sich darauf einlassen.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/reformpaedagogik-erwachen-in-wolkenkuckucksheim-1.17516
karriere
Erwachen in Wolkenkuckucksheim
00/03/2010
Die sexuelle Gewalt gegen Kinder, der massenhafte Missbrauch in Schulen und Internaten haben nicht nur die katholische Kirche, sondern auch die Reformpädagogik in Verruf gebracht. Entsetzen lösen die Verbrechen selbst aus, aber auch die Abgründe zwischen hehren Idealen und grausamer Praxis. Entweiht und entzaubert Durch die Missbrauchsfälle an der weltlichen Odenwaldschule ist eine Art Heiligtum der Reformpädagogen entweiht und entzaubert worden. Das Etikett "Reformpädagogik" steht für viele unterschiedliche Strömungen, die aber eines eint: der Wunsch, eine humane Schule zu schaffen, die jedem Kind gerecht wird, es ernst nimmt, achtet und schützt. Die Reformpädagogik hatte schon immer Gegner, ja Feinde, die sich über deren Idealismus und ihren weltverbesserischen Impetus ärgerten. Jetzt fühlen sie sich bestätigt und können eine angebliche Wolkenkuckucksheim-Pädagogik angreifen, eine Pädagogik also, die bestenfalls naiv sei und schlimmstenfalls verbrecherisch. Aber diese Art der Kritik ist unfair und allzu schlicht. Zwar müssen sich Reformpädagogen davor hüten, die sexuelle Gewalt an der Odenwaldschule und anderen Einrichtungen als "Einzelfälle" herunterzuspielen, die mit pädagogischen Konzepten überhaupt nichts zu tun hätten. Pauschales Verdammen und Verwerfen einer ganzen Theorietradition wäre jedoch falsch und überzogen. Historischer Fortschritt Dass verbale Demütigung, körperliche Strafen und sexuelle Gewalt gegen Kinder heute überhaupt als Skandal erlebt werden, ist ein historischer Fortschritt, um den sich viele Reformpädagogen verdient gemacht haben. Auch in normalen Schulen gibt es längst, ohne dass Lehrern und Schülern das bewusst sein müsste, reformpädagogische Elemente: die Mitbestimmung von Schülern, das selbständige Lernen in Projekten, die Wertschätzung verschiedener Begabungen und die Rücksichtnahme auf unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten. Aus reformpädagogischer Sicht sind viele Schulen noch immer nicht gut genug. Aber um wie viel menschlicher geht es im Allgemeinen zu, verglichen mit der langen Geschichte des Machtmissbrauchs in der Erziehung. Im 16. Jahrhundert nannte Montaigne die Bildungsstätten seiner Zeit "wahre Kerker der gefangenen Jugend": "Man komme nur in die Klassen beim Verhör der Lektionen! Da hört man nichts als Schreien der Kinder unter Schlägen und sieht nichts als zorntrunkene Präzeptoren." Zu oft gebrochenes Tabu Das ging noch Jahrhunderte so weiter, bis es den Humanisten und Reformpädagogen endlich gelang, die Gewalt gegen Kinder in ein - leider noch zu oft gebrochenes - Tabu zu verwandeln. Nun herrscht weitgehend Konsens, dass Kinder schlecht lernen und Schaden nehmen, wenn man Furcht in ihre Seelen streut. Der Druck auf die Schüler ist allerdings vielerorts wieder gewachsen, Schulangst ein verbreitetes Leiden geworden. Schon deshalb bleibt der reformpädagogische Impuls wichtig: Man darf den Schüler nicht reduzieren auf ein Objekt der Notengebung, man muss in ihm auch die Person sehen und anerkennen.
Die Reformpädagogik wollte eine humane Schule schaffen, die jedes Kind schützt. Jetzt muss die Theorie geprüft werden, um das Ideal zu retten.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/depressionen-im-job-angestellt-ueberarbeitet-psychisch-krank-1.4879
karriere
Depressionen im Job - Angestellt, überarbeitet, psychisch krank
00/03/2010
Stress am Arbeitsplatz macht immer mehr Menschen psychisch krank. Seelische Erkrankungen hatten 2008 einen Anteil von etwa elf Prozent an allen Fehltagen. Das ist fast doppelt so viel wie 1990, wie aus einer in Berlin vorgestellten Studie der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hervorgeht. Besonders häufig betroffen sind Mitarbeiter in Call-Centern, im Sozial- und Gesundheitswesen sowie Zeitarbeiter. Jahrzehntelang falsch diagnostiziert Die ständig wachsende Zahl der Fehltage belege die tatsächliche Dimension psychischer Erkrankungen, sagte BPtK-Präsident Rainer Richter. Einerseits seien psychische Krankheiten jahrzehntelang nicht richtig diagnostiziert worden. "Die Zunahme ist aber auch eine Folge der steigenden psychomentalen Anforderungen in modernen Dienstleistungsgesellschaften", betonte Richter. Der Studie zufolge erkranken Arbeitnehmer besonders häufig an Depressionen, die lange Krankschreibungen nach sich ziehen. Nach Angaben der BPtK fehlt ein an Depressionen Erkrankter durchschnittlich 35 bis 50 Tage am Arbeitsplatz. Manche Depressive fielen sogar 13 Wochen aus. Richter betonte die hohen Kosten, die durch psychische Krankheiten entstünden. Allein die Behandlung depressiver Störungen habe 2004 etwa 4,3 Milliarden Euro gekostet. Hinzu kämen Ausgaben für Lohnfortzahlung, Krankengeld und vorzeitige Verrentung. Kaum Anerkennung Die Zunahme psychischer Erkrankungen erklärte die Studie damit, dass viele Arbeitnehmer hohen Arbeitsbelastungen ausgesetzt seien, ohne Einfluss auf Arbeitsabläufe nehmen zu können. Psychosomatische Beschwerden häuften sich auch dann, wenn sich Arbeitnehmer für ihren Job engagierten, jedoch kaum Anerkennung erhielten und schlecht bezahlt würden. Mitarbeiter von Call-Centern werden der Studie zufolge doppelt so häufig psychisch krank wie andere Arbeitnehmer. Sich im Minutentakt mit unzufriedenen Kunden auseinandersetzen zu müssen, stelle eine extrem hohe Belastung dar, hieß es in der Studie. Mehr Kranke in Berlin und Hamburg Hohe Fehlzeiten verzeichnete die Studie auch bei Krankenpflegern, Sozialarbeitern und Verkäufern. Auch in der Zeitarbeitsbranche fallen überdurchschnittlich viele Mitarbeiter durch psychische Krankheiten aus. Die Studie führte dies auf Unzufriedenheit mit der Bezahlung und der Unsicherheit des Arbeitsplatzes zurück. Besonders betroffen seien auch Arbeitslose. Laut Studie werden sie drei- bis viermal so häufig psychisch krank wie Erwerbstätige, Behandlungen wegen Alkoholabhängigkeit und Depressionen seien besonders häufig. Die Studie stellte regionale Unterschiede in der Häufigkeit psychischer Krankheiten fest. In Berlin und Hamburg gebe es etwa 20 Prozent mehr Fehltage als im Bundesdurchschnitt. Dies sei zum Teil mit dem dort hohen Anteil an Dienstleistungen zu erklären. In den neuen Bundesländern sei fast durchgängig ein relativ niedriger Anteil psychischer Krankheiten zu verzeichnen. Die Studie führte dies allerdings darauf zurück, dass die Diagnose psychischer Erkrankungen in den alten Bundesländern häufiger gestellt werde. Frauen doppelt so häufig betroffen Frauen sind der Studie zufolge etwa doppelt so häufig psychisch krank wie Männer. Sie seien aber auch häufiger in der Dienstleistungsbranche tätig. Bei Männern treten der BPtK zufolge Suchterkrankungen wesentlich häufiger auf. Die BPtK forderte die Politik dazu auf, die Arbeitsbedingungen vor allem im Dienstleistungssektor humaner zu gestalten, Mitarbeitern Präventionsangebote zu machen und im Falle einer psychischen Erkrankung primär auf psychotherapeutische und nicht medikamentöse Maßnahmen zurückzugreifen. In der BPtK-Studie wurden die Gesundheitsreports der gesetzlichen Krankenkassen ausgewertet.
Deutschlands Psychotherapeuthen warnen: Der steigende Leistungsdruck am Arbeitsplatz macht immer mehr Angestellte depressiv. Manche Branchen trifft es besonders hart.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/islamistische-studenten-in-pakistan-die-angstmacher-1.9678
karriere
Islamistische Studenten in Pakistan - Die Angstmacher
00/03/2010
Sie sitzen im Schneidersitz auf dem Rasen, spielen Karten, lachen. Die jungen Männer tragen Jeans und Turnschuhe, die Frauen bunte Kleider, bestickt mit Perlen, die in der Sonne glänzen. Gleich haben sie ihr nächstes Seminar, vielleicht gehen sie vorher noch schnell in die Mensa. Es ist eine Szene von beruhigender Normalität auf dem Campus der staatlichen Punjab-Universität in Lahore, wo das Leben der Studenten ansonsten alles andere als normal verläuft. Verfechter der Selbstjustiz Eine selbsternannte Moral-Polizei treibt hier ihr Unwesen: die islamistische Studentengruppe Islami Jamiat-e-Talaba (IJT). Aus ihrer Sicht ziemt es sich nicht, wenn Frauen und Männer auf dem Campus gemeinsam lernen, essen, Karten spielen. Ihre Einstellung ist radikal: Wenn die Universität oder der Staat nicht als Hüter ihrer Auslegung des Islam auftreten, übernehmen sie das eben selbst. Es gibt bereits beängstigende Auswüchse. In Peschawar im Nordwesten des Landes hörte ein Student in seinem Zimmer Musik - was die IJT nicht tolerieren wollte. Sie prügelten so lange auf ihn ein, dass er an Folgen der Schläge starb. "Wenn ich, wie es die Studenten in Europa oder den USA tun, einer Frau auf dem Campus öffentlich einen Kuss gäbe, würde ich eine Tracht Prügel kassieren", sagt ein Student in Lahore. Willkommen in Mini-Pakistan Vor kurzem haben die angeblichen Verteidiger von Anstand und Sitte einen jungen Mann vor der Bibliothek zusammengeschlagen, weil er seine Schwester auf dem Rücksitz seines Motorrads mitgenommen hatte. Dass es die Schwester und nicht seine Freundin war, haben sie ihm nicht geglaubt. "Willkommen auf dem Campus, willkommen in Mini-Pakistan", sagt Kanzler Mujahid Kamran über die Islamisierung an seiner Universität. Er empfängt in seinem Arbeitszimmer, in dem Professoren aus allen Fachbereichen vorbeischauen, kurze Gespräche mit ihm bei einer Tasse Tee führen. Kamran spielt die Ereignisse an Pakistans größter öffentlicher Universität nicht herunter. 30.000 Studenten sind hier eingeschrieben, 800 Anhänger habe die IJT, sagt der Kanzler - und schildert ganz offen die Grenzen seiner Macht: Wenn er die Rädelsführer von der Uni verweist, bleiben sie trotzdem in ihren Wohnheim-Zimmern. Für sie, so scheint es, gilt kein Gesetz. Auch Professoren denken so "Wenn wir uns ihnen nicht entgegenstemmen, hätten wir hier bald eine Geschlechtertrennung, die wir absolut nicht wollen", sagt Kamran. Bevor er weiterspricht, senkt er die Stimme: "Auch unter den Professoren gibt es einen Teil, der dieses radikale Gedankengut teilt." An der Punjab-Universität und in Peschawar ist es wie in vielen gesellschaftlichen Bereichen im muslimischen Pakistan: Eine Minderheit nimmt die friedliche Mehrheit in den Würgegriff. Angst zu verbreiten, ist dabei ihre Waffe. Wer sich widersetzt, lebt gefährlich, wie Ashfaq Hussain anschaulich beschreiben kann. Er ist einer der Intellektuellen, wie sie in diesem Land häufig anzutreffen sind: scharf in der Analyse, kritisch bezüglich der Allmacht des Militärs, vernichtend im Urteil über die zivile Regierung.
Totgeprügelt wegen zu lauter Musik: An pakistanischen Universitäten drangsaliert eine kleine Minderheit islamistischer Studenten ihre Kommilitonen.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/urteil-zu-raucherpausen-qualmen-erlaubt-1.4191
karriere
Urteil zu Raucherpausen - Qualmen erlaubt
00/03/2010
Qualmen erlaubt: Ausgiebige Raucherpausen rechtfertigen nicht ohne weiteres die Kündigung eines Mitarbeiters. Das entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz. Zwar verletze der Arbeitnehmer dadurch seine arbeitsvertraglichen Pflichten, gleichwohl könne eine Kündigung unverhältnismäßig sein und es stattdessen genügen, wenn die Pausenzeiten nicht mehr bezahlt würden (Urteil vom 21.1.2010 ­ 10 Sa 562/09). Zwei Stunden für die Sucht Das Gericht gab mit seinem Urteil der Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers statt. Der Arbeitgeber hatte mit seinen Mitarbeitern vereinbart, dass sie in Absprache mit Vorgesetzten kurze Raucherpausen einlegen durften, ohne das Zeiterfassungsgerät bedienen zu müssen. Da der Kläger aber mehrmals pro Tag und insgesamt fast zwei Stunden für Raucherpausen die Arbeit unterbrach und auch Abmahnungen keine Wirkung zeigten, kündigte ihm der Arbeitgeber fristlos. Das LAG sah diese Reaktion als überzogen an. Das Verhalten des Klägers rechtfertige keine ordentliche und erst Recht keine fristlose Kündigung. Vielmehr genüge es, wenn der Arbeitgeber anordne, dass der Kläger künftig für die Raucherpausen das Zeiterfassungsgerät bedienen müsse. Denn immerhin sei der Kläger schon über 50 Jahre alt und gehöre dem Betrieb seit vielen Jahren an. Daher würde er es schwer haben, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.
Kettenraucher können aufatmen: Ausgiebige Raucherpausen sind kein Grund für eine fristlose Kündigung. Das hat jetzt ein Arbeitsgericht entschieden.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/islamismus-verdacht-stadt-will-muslim-nicht-als-lehrer-1.23046
karriere
Islamismus-Verdacht - Stadt will Muslim nicht als Lehrer
00/03/2010
Integration ist ein strapaziertes Wort. Alle wollen sie, vor allem Politiker, und zwar speziell die Integration von muslimischen Migranten. Doch in der Praxis ist sie bisweilen viel komplizierter als in Sonntagsreden. Die Stadt München hat jetzt einem jungen muslimischen Lehrer die Einstellung als Realschullehrer versagt, weil sie Zweifel an seiner Verfassungstreue hat. Wann muss der Staat einen Muslim eher ausgrenzen als integrieren? Wo verlaufen die Grenzen zwischen begrüßenswertem, islamischem Engagement und gefährlichem islamistischem Extremismus? "Erhebliche Bedenken" Mohamed M. (Name geändert) ist Ende 20, geboren in Deutschland, sein Vater ist Araber, seine Mutter Deutsche. Seit seiner Kindheit lebt er im Großraum München, spricht perfekt Deutsch, ist verheiratet und hat Familie. M. hat Lehramt studiert, das Referendariat absolviert und will nun als Realschullehrer für Mathematik und Wirtschaft arbeiten. Die Stadt aber macht "erhebliche Bedenken" geltend, ob M. als Beamter geeignet sei, ob er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik eintreten werde. Das Schulreferat begründet diese Sorge mit einem Fragebogen, den M. "unrichtig" ausgefüllt habe. Darin sollte er seine Verbindungen zu extremistischen Organisationen angeben, doch Mohamed M. kreuzte überall das Nein-Kästchen an. Der Stadt liegt eine umfangreiche Stellungnahme des Landesamtes für Verfassungsschutz vor, und in der steht genau das Gegenteil: "Herausgehobenes Engagement für islamistische Organisationen". M. vertrete die Ideologie der Muslimbruderschaft, "er strebt einen islamischen Staat an". Kurze Kontakte vor sieben Jahren Die Verfassungsschützer werfen ihm "Verbindungen" vor zum "Islamischen Zentrum München" (IZM) in Freimann und zur "Islamischen Gemeinschaft in Deutschland" (IGD) vor. Die IGD gilt dem Landesamt als deutsche Zentrale der Muslimbruderschaft. Sie habe ihren Sitz im IZM. Die Muslimbruderschaft gilt als islamistisch. Zu Lasten von M. wird auch seine Aktivität für die "Muslimische Jugend in Deutschland" (MJD) gewertet, die sich laut Verfassungsschutz ideologisch an der Muslimbruderschaft orientiere. Mohamed M.s Anwalt Gerd Tersteegen hat eine empörte Erwiderung ans Schulreferat geschrieben, noch liegt die Sache nicht bei Gericht. Der Anwalt wirft dem Verfassungsschutz und damit auch der Stadt vor, Tatsachen zu verdrehen und falsche Schlussfolgerungen zu ziehen. M. selbst sagt, dass er beim Ausfüllen des Fragebogens bewusst Kontakte zu Extremisten verneint habe, weil er eben nicht Mitglied von IGD oder IZM sei. Er habe lediglich an zwei Sitzungen der IGD teilgenommen, und das vor sieben Jahren. Im IZM sei er nur einige Monate Mitglied gewesen, und das auch vor mindestens sechs Jahren. Der Integration verschrieben M. sei das Gegenteil eines Verfassungsfeindes, betont Tersteegen: Er habe sich ganz der Integration verschrieben, entsprechend sei er auch aktiv in der Muslimischen Jugend in Deutschland: Diese verwende ausschließlich die deutsche Sprache, lade zu gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen ein, vernetze sich mit anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen. Nicht ohne Grund sei die MJD für ihr integratives Engagement 2001 mit dem Heinz-Westphal-Ehrenpreis ausgezeichnet worden. Den vergeben der Bundesjugendring und das Bundesfamilienministerium für ehrenamtliche Jugendarbeit, "die Maßstäbe setzt".
Wann ist Ausgrenzung wichtiger als Integration? Der Verfassungsschutz warnt in München vor einem muslimischen Bewerber. Der wehrt sich.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/ueberlastung-im-studium-reif-fuer-die-klinik-schon-vor-dem-diplom-1.12242
karriere
Überlastung im Studium - Reif für die Klinik - schon vor dem Diplom
00/03/2010
Dass sie heute kurz vor dem Diplom steht, hat Larissa Roland (Name von der Redaktion geändert) vor drei Jahren nicht für möglich gehalten. Monatelang konnte sich die Informatikstudentin einfach nicht mehr aufraffen, zu ihren Vorlesungen zu gehen. Lustlosigkeit, Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit das alles war langsam gekommen, aber am Ende einfach übermächtig. Ohne professionelle Hilfe geht nichts Als die heute 24-Jährige die Uni schließlich wieder betrat, stand sie nicht im Hörsaal, sondern in der psychologischen Beratungsstelle. Ohne professionelle Hilfe konnte sie ihr Studium nicht mehr bewältigen. Ein Gefühl, das immer mehr Studierende kennen: Laut dem Dachverband der deutschen Studentenwerke (DSW) ist die Zahl der psychologischen Beratungen allein im Jahr 2008 um 20 Prozent gestiegen. Die Studentenwerke sind mit bundesweit 43 Einrichtungen einer der wichtigsten Ansprechpartner bei psychischen Problemen während des Studiums. Fast 24.000 Studenten meldeten sich zuletzt, um sich schriftlich, in Einzelgesprächen oder bei Gruppensitzungen beraten zu lassen. Die Probleme, die sie in die Sprechstunden führten, sehen laut DSW ganz unterschiedlich aus: Mal sind es depressive Phasen wie bei Larissa Roland, mal lähmende Ängste vor Prüfungen, immer häufiger aber auch eine ständige Ruhelosigkeit oder Erschöpfung. Was mache ich zuerst? Gerade Überlastungserscheinungen, die sich direkt auf die Studienanforderungen zurückführen lassen, haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Das DSW sieht deshalb einen Zusammenhang mit der Einführung der neuen Studienabschlüsse Bachelor und Master. Zwar könne man nicht sagen, dass der Bachelor per se krank mache, betont DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde. Er erhöhe aber sicher den Zeit- und Leistungsdruck auf die Studierenden. Eine Einschätzung, die Larissa Roland bestätigen kann: Die 24-Jährige studiert zwar selbst noch nach der alten Prüfungsordnung, unterstützt nach dem jahrelangen Besuch der psychologischen Beratungsstelle aber inzwischen selbst Studienanfänger mit Problemen: "In unserer Fachschaftssprechstunde höre ich von den Bachelor-Studenten immer wieder, dass sie gar nicht mehr wissen, was sie zuerst machen sollen", erzählt Roland.
Studieren bis zur Verzweiflung: Psychologische Beratungsstellen an Universitäten haben immer mehr Zulauf. Bachelor und Master sind daran nicht unschuldig.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/teures-schulessen-das-tagesgericht-mit-extra-viel-steuern-bitte-1.20906
karriere
Teures Schulessen - Das Tagesgericht mit extra viel Steuern, bitte!
00/03/2010
Politiker aller Parteien reden seit Jahren gerne darüber, wie wichtig doch ein ausgewogenes Mittagessen für die Schüler ist. Und während sie das sagen, haben die Beamten im Bundesfinanzministerium das Essen in den Schulen fast unbemerkt teurer gemacht. Sie berechnen für das Kantinenessen den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent - während auf den Hamburger vom Imbiss nur sieben Prozent Steuern anfallen. Schon Ende 2008 hat sich das Bundesfinanzministerium Gedanken über eine neue "Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränken" gemacht. Davor mussten die Schulkantinen für die Zubereitung des Essens den Satz von sieben Prozent zahlen und 19 Prozent auf die Ausgabe - jetzt will der Staat den vollen Satz auf alles. Protestbrief an Schäuble Die Folgen bekommen viele Städte aber erst jetzt zu spüren. Tübingen zum Beispiel schließt derzeit wieder neue Verträge mit den Zulieferern der Schulkantinen und rechnet damit, dass das Schulessen um zehn Prozent teurer wird. "Ein gesundes Schulessen sollte nicht 19 Prozent Mehrwertsteuer tragen müssen, wenn der Fast-Food-Burger neben der Schule nur mit sieben Prozent belastet ist", schreibt Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) deshalb in einem Protestbrief an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Pommes mit Apfelmus Die Beamten im Finanzministerium haben wohl schon geahnt, dass der Durchschnittsbürger Probleme haben könnte mit ihren Ausführungen. Sie haben sich daher um Beispiele bemüht: Der verbilligte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent werde dann fällig, wenn sich der "Durchschnittsverbraucher" an einem Imbissstand etwa eine Portion Pommes bestellt, die mit "Abgabe von Senf, Ketchup, Mayonnaise oder Apfelmus" verbunden ist und sich danach vom Stand sofort entfernt. Eine Serviette darf er mitnehmen, Stehtische aber sollte er meiden. Anders sieht es in einer Schule aus, in der beispielsweise Biokost an die Schüler ausgegeben wird. Das beauftragte Unternehmen serviert richtige Teller, die es danach auch spült - und muss dafür den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zahlen, weil es Leistungen erbringe, die "nicht notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind". Nicht im Sinne einer gesunden Ernährung Letztlich wird also das Schulessen teurer, nicht aber der Hamburger im Imbiss. Dies sei nicht im Sinne einer gesunden Ernährung, sagt der Tübinger Oberbürgermeister Palmer. Es sei auch völlig unverständlich, dass die Bundesregierung Hotels bei der Mehrwertsteuer entlaste, während das Schulessen teurer werde. "Die Milliarde, die dem Fiskus dank der Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen auf sieben Prozent entgeht, wird zum Ausbau der Bildungs- und Betreuungsangebote in den Kommunen dringend benötigt."
Paradoxe Politik: Die Bundesregierung predigt gesunde Ernährung - und besteuert gleichzeitig das Essen an Schulen höher als Fastfood vom Kiosk nebenan.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/imagefilm-yale-das-gottverdammteste-ding-das-ich-je-sah-1.5951
karriere
"Imagefilm Yale - ""Das gottverdammteste Ding, das ich je sah"""
00/03/2010
Wissenschaftler der Universität Berkeley haben herausgefunden, dass ein Mittagsschlaf die Lernfähigkeit steigert, was die Studenten der Eliteuni vermutlich nur kurz aufschnarchen ließ von ihrem Nickerchen in der ehrwürdigen Morrison-Bibliothek. Wer sich dort umsieht, stellt fest: Schlafende Studenten sind den wachen zumindest zahlenmäßig oft überlegen. Eine andere Nachricht rüttelte dafür in Yale alle wach, einer der ältesten US-Hochschulen: Studenten und Absolventen haben einen Imagefilm produziert, ein 17-minütiges Musical mit dem Titel "That's why I chose Yale", das auf Youtube innerhalb eines Monats fast eine halbe Million Mal aufgerufen wurde. Ist das ernst gemeint? Zum einen kam das Video überraschend, hatte man sich doch an das alte gewohnt, das seit fast zehn Jahren für die Hochschule warb. Zum anderen ist das Musical so kitschig - Studenten tanzen in Heiler-Welt-Manier über den Campus und singen wenig originelle Reime ("You can put your hearts into all the Liberal Arts") -, dass die Frage sich aufdrängt: Ist das ernst gemeint? Das Intellektuellen-Magazin New Yorker ließ dazu ältere Yale-Absolventen zu Wort kommen, die das Musical zum Teil ungalant kommentierten: "Das ist das gottverdammteste Ding, das ich je gesehen habe." Und Ivygate, ein Internetblog über Colleges, urteilte über den Imagefilm: "Das ist der Grund, warum ich mich dafür entschied, einen Lötkolben in meine Ohren zu rammen." Ersatz für den verstaubten PR-Film Das Zulassungsbüro von Yale ist anderer Meinung und hat mit dem Musical wohl den letzten der verstaubten PR-Filme der Universität ersetzt, die ansonsten sehr progressiv Eigenwerbung betreibt. So platzieren Medienexperten die Elite-Uni auf Wikipedia, Twitter, Facebook und Youtube. US-Hochschulen werben aggressiver um Studenten, als es in Deutschland üblich ist. Doch präsentieren sich inzwischen auch deutsche Universitäten auf Internet-Plattformen, und Studenten produzieren musikalische Werbefilme, sogenannte Lipdubs: Playbackmusik, zu denen Studenten und Professoren ihre Lippen bewegen und in einer Kamerafahrt ohne Schnitt ihre Universität vorstellen. Betagte Fans Die Studenten von Yale sind jenen aus Deutschland aber gleichzeitig voraus und hinterher: Die deutschen Musikvideos sind kurz und in der Regel ernsthaft, das Yale-Video dagegen soll humorvoll sein. Der Humor allerdings, und das ist der Haken daran, offenbart sich eigentlich erst gegen Ende einer langen audiovisuellen Reise über den Campus. Und wer, fragt der New Yorker, sieht sich dieses Musical bis zum Ende an? Die Zulassungsstelle von Yale erklärt darauf, die Länge des Videos sei üblich für einen Imagefilm. Und schließlich gibt es auch begeisterte Befürworter des Musicals. Dick Cavett zum Beispiel, 73 Jahre alt, US-Moderator und ehemaliger Yale-Student. Er findet das Video "reizend". Nur über eine Sache wundere er sich: Ob das Video wirklich in Amerika gedreht wurde, weil darauf ja gar keine "Dickerchen" zu sehen seien.
Amerika ohne "Dickerchen": Studenten der US-Eliteuniversität Yale werben für ihre Hochschule - und trällern dafür in einem denkwürdigen Internet-Video.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/karrieremythen-wie-ein-haufen-lemminge-1.15977
karriere
Karrieremythen - Wie ein Haufen Lemminge
00/03/2010
Wer Karriere machen will, muss bestimmte Regeln befolgen. Wir glauben daran, richten unser Leben danach aus und wollen alles richtig machen. Aber was ist überhaupt dran, an den gängigen Karrieremythen? Der Münchner Headhunter und Personalberater Marcus Schmidt hat in seinem Buch Die 40 größten Karrieremythen gängige Klischees auf den Prüfstand gestellt. Zehn Ergebnisse in Bildern. 1. Wirklich Karriere macht man nur in großen Unternehmen Es sind immer die gleichen. Wer sich die Rankings der beliebtesten Arbeitgeber ansieht, stößt regelmäßig auf BMW, Audi oder Siemens. Große Unternehmen mit Ruf und Tradition. Sie bieten Sicherheit und Aufstiegsmöglichkeiten - denkt man. Headhunter Marcus Schmidt hält das für einen Mythos. "Generell ist für die Karriere nicht so sehr das Unternehmen entscheidend, sondern welche spezifischen Aufgaben Sie durchführen und welche Verantwortung Sie tragen", sagt er. Die meisten großen Unternehmen bieten vor allem sehr spezialisierte Posten und lassen dem Einzelnen nur wenig Handlungsspielraum. "Gerade in weniger etablierten Unternehmen gibt es oftmals spannendere und weniger standardisierte Aufgaben als in Großunternehmen", sagt Schmidt. Foto: AP
Ausland, Doktortitel, Überstunden: Wer Karriere machen will, muss bestimmte Regeln befolgen. Aber an welche muss man sich wirklich halten? Und welche kann man getrost vergessen? Zehn Antworten in Bildern.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/dgb-studie-zu-arbeitsqualitaet-der-betriebsrat-im-kopf-1.12231
karriere
DGB-Studie zu Arbeitsqualität - Der Betriebsrat im Kopf
00/03/2010
Beschäftigte in Unternehmen mit Betriebsräten beurteilen ihre Arbeitsbedingungen besser als Mitarbeiter in mitbestimmungsfreien Firmen. Sie fühlen sich besser bezahlt und haben weniger Angst, ihren Job zu verlieren. Sie sind außerdem zufriedener mit ihrem Arbeitsplatz und stärker mit ihrem Unternehmen verbunden. Dies geht aus einer Befragung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hervor, dessen Ergebnisse der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Leistungsgerechte Bezahlung Danach geben 40 Prozent der Arbeitnehmer in mitbestimmten Betrieben an, ihr Einkommen sei in hohem oder sehr hohem Maße leistungsgerecht. In Firmen ohne Betriebsrat sagen dies nur 30 Prozent. Auch sorgen nach der DGB-Befragung Betriebsräte dafür, dass der Niedriglohnsektor nicht die Überhand gewinnt. Der Anteil der unbefristet in Vollzeit Beschäftigten, die im Monat weniger als 1500 Euro brutto verdienen, liegt in mitbestimmten Betrieben bei 15 Prozent. In Unternehmen ohne Betriebsräte ist er fast doppelt so hoch. Die Ergebnisse beruhen auf den Daten des "DGB-Index Gute Arbeit", der 2007 zum ersten Mal ermittelt worden ist und der jährlich erstellt wird. Der Index stellt nach einer repräsentativen Befragung die Arbeitsqualität aus Sicht der Beschäftigten dar. "Mitbestimmte, gute Arbeit ist eine Grundbedingung für engagierte Belegschaften, deren Potentiale sich voll entfalten können und die Verantwortung übernehmen wollen", so Dietmar Hexel, Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstands. Innovation und Mitbestimmung Eine Untersuchung im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Die Forscher analysierten, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen Innovation und Mitbestimmung. Gelungene Mitbestimmung, so das Ergebnis, führe dazu, dass Innovationen im Betrieb breiter akzeptiert würden. Auch würden Fehler vermieden. Denn Betriebsräte brächten oft Verbesserungs- und Lösungsvorschläge an, die das Management übersehen hätte. Daher hielten auch die Geschäftsführer der untersuchten Firmen es für wichtig, Betriebsräte in die Entscheidungen einzubeziehen. Betriebsräte sorgten auch dafür, dass Veränderungen für die Belegschaft akzeptabel seien. Die Beschäftigten fühlen sich nicht "überrollt". Allerdings geraten laut Studie Betriebsräte gerade beim Thema Innovation oft in Konflikte: Gehen sie zu stark auf das Management ein, geraten sie in den Ruf des Co-Managers und verlieren die Unterstützung der Belegschaft. Versuchen sie Veränderungen abzuwehren, verlieren sie ihre "gestaltende Funktion".
Eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes belegt: Firmen mit Betriebsräten haben zufriedenere Mitarbeiter. Das wirkt sich auch aufs Gehalt aus.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/neuer-werbespot-mit-64-karrierestart-bei-mcdonald-s-1.6621
karriere
Neuer Werbespot - Mit 64 Karrierestart bei McDonald's
00/03/2010
Davon hätte Helga Schleinitz vor wenigen Jahren nicht zu träumen gewagt: dass sie einmal in einem Fernseh-Spot auftreten wird. Jetzt tritt die 68-Jährige für McDonald's in der Werbung auf. Sie erzählt in dem Spot von ihrer Arbeit dort und warum für sie das Schnellrestaurant ein guter Arbeitgeber ist. Schleinitz und zwei weitere Mitarbeiter hat McDonald's speziell für den Werbefilm herausgesucht - unter 200 Mitarbeitern, die sich auch für diesen Auftritt beworben hatten. McDonald's will sein Image aufpolieren McDonald's will durch die Kampagne attraktiv erscheinen. Der Konzern hat nach wie vor ein mieses Image als Arbeitgeber. In der öffentlichen Wahrnehmung hat sich nicht so viel geändert, seit der Journalist Günter Wallraff vor 25 Jahren nach einem Selbstversuch die Arbeitsbedingungen anprangerte. Von schlechter Bezahlung, von Schufterei in den Küchen, von rüdem Umgangston ist immer noch die Rede. Für die Fast-Food-Kette ist Helga Schleinitz deshalb ein Glücksfall. Sie scheint beseelt zu sein von ihrem Job. Er sei sehr wichtig für sie: "Ich lebe zum ersten Mal wirklich selbstbestimmt", erklärt die 68-Jährige. "Mein Mann hatte mein Leben fest im Griff". Der gestandene Außendienst-Manager war 21 Jahre älter als seine Frau, nahm ihr alle Entscheidungen ab. "Ich habe die Kinder großgezogen und mich um das Haus gekümmert. Mein Mann erledigte alles andere", erzählt sie. Sie hat alles für ihn getan Fast vierzig Jahre war Helga Schleinitz mit ihrem Mann Hermann verheiratet, siebzehn Jahre ihrer Ehe pflegte sie ihn daheim, weil er an der Parkinson-Krankheit litt. Sie habe alles für ihn getan - "mit viel Liebe". Jetzt erledigt sie bei McDonald's "mit viel Freude jede Arbeit", wie sie immer wieder betont. "Ich mache alles", sagt sie, "ich bin mir für nichts zu schade". Helga Schleinitz ist Crew-Mitarbeiterin. Sie sitzt an der Kasse, räumt Geschirr ab oder putzt - für 7,50 Euro in der Stunde. Das sieht der Tarifvertrag für ihre Arbeit vor, den der Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) und die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) abgeschlossen haben und den McDonald's anwendet. "Das ist seit langem mein erstes selbst verdientes Geld", betont Helga Schleinitz stolz. Und wie es sich für eine gute Fürsprecherin gehört, fügt sie brav hinzu: "Ich bekomme auch Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und vermögenswirksame Leistungen". Haus weg oder Job her Früher hatte Helga Schleinitz kein eigenes Konto, bekam Haushaltsgeld von ihrem Mann, wie sie erzählt. So wie viele Frauen ihrer Generation. Als sie ihren neuen Job antrat, war es fast ein halbes Jahrhundert her, dass sie zuletzt ein eigenes, kleines Einkommen hatte. Damals arbeitete die gelernte Hotelkauffrau in einem Hotel in ihrem Heimatort Emmendingen bei Freiburg. Dort lernte sie auch ihren späteren Mann kennen. "Es war Liebe auf den ersten Blick", sagt sie strahlend. Die Hochzeit war vier Monate später, Helga Schleinitz zog mit ihrem Mann nach Karlsruhe und es begann für die Frau eine "sorglose Zeit", wie sie selbst sagt.
Die 68-jährige Helga Schleinitz arbeitet bei McDonald's, weil sie das Geld braucht - aus Dankbarkeit wirbt sie jetzt für ihren Arbeitgeber.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/kultusministerkonferenz-raus-aus-der-sonderschule-1.19306
karriere
Kultusministerkonferenz - Raus aus der Sonderschule
00/03/2010
Leistungsschwache Schüler sollen besser und intensiver gefördert werden. Die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder beriet am Donnerstag über eine entsprechende "Förderstrategie". Schüler, bei denen ein sogenannter sonderpädagogischer Förderbedarf besteht und die deshalb oft eine Sonderschule besuchen, sollen möglichst bis zum Hauptschulabschluss oder darüber hinaus geführt werden. Derzeit bleiben viele dieser Jugendlichen ohne regulären Abschluss. Veränderte Fortbildung Sonderschulen - offiziell heißen sie Förderschulen - sollen in Zukunft verstärkt mit allgemeinen Schulen zusammenarbeiten. Außerdem wollen die Länder ihre Anstrengungen verstärken, Förderschüler in reguläre Schulklassen zu integrieren. Das verlangt auch eine UN-Konvention, die seit vergangenem Jahr in Deutschland in Kraft ist. In der Ausbildung der Lehrer wollen die Minister den Bereichen Diagnostik, Sprachförderung und integratives Unterrichten mehr Gewicht geben. Dazu wollen sie auch vermehrt länderübergreifende Fortbildungen entwickeln. Derzeit verlassen bundesweit etwa sieben Prozent der Jugendlichen die Schule ohne regulären Abschluss. Diese Zahl wollen die Länder möglichst halbieren oder jedenfalls in den kommenden fünf bis sechs Jahren "deutlich reduzieren". Etwa jeder fünfte 15-Jährige hat Studien zufolge massive Defizite im Rechnen und Lesen und kommt darin über Grundschulniveau nicht hinaus. "Positive Rollenbilder" Das Konzept der KMK sieht vor, schwachen Schülern "mehr Lernzeit" auch außerhalb des Unterrichts zu ermöglichen, etwa in Ganztagsangeboten, in den Ferien oder durch eine flexible Schulzeit. Der Unterricht soll möglichst praxisnah sein. Die Schulen sollen außerdem verstärkt Migranten als Lehrer einstellen, die als "positive Rollenbilder" wirken könnten. Die KMK befasste sich zudem erneut mit der Studienreform und den neuen Abschlüssen Bachelor und Master an den Hochschulen. Bereits im Dezember hatte die KMK die Vorgaben gelockert und Beschlüsse zum Abbau der Prüfungslast im Studium gefasst. Nun sollen neue Regeln für die Größe der "Module" gelten, in die ein Studium neuerdings unterteilt ist und die in der Regel mit einer Prüfung abgeschlossen werden. Die Minister wollen verhindern, dass die Module zu kleinteilig sind, da dies die Zahl der Prüfungen in die Höhe treibt. Die KMK lässt den Unis aber auch künftig Spielräume bei der Studienreform.
Leistungsschwache Förderschüler sollen künftig in reguläre Klassen integriert werden. Dafür wollen die Kultusminister auch die Ausbildung der Lehrer verändern.