gem_id
stringlengths
16
21
gem_parent_id
stringlengths
16
21
text
stringlengths
276
36k
topic
stringclasses
21 values
url
stringlengths
36
209
title
stringlengths
4
133
date
stringlengths
10
10
target
stringlengths
47
1.39k
references
list
mlsum_de-train-220700
mlsum_de-train-220700
Vor 20 Jahren sah es auf dem weißblauen Planeten noch ganz anders aus. SUVs waren eine US-amerikanische Marotte, die mit Sportlichkeit nichts im Sinn hatte. Bei BMW drehte sich alles um die Modellreihen 3, 5 und 7, der Rest war Sternenstaub. Die Marke mit dem weißblauen Rundlogo war leicht zu erkennen: Das Cockpit Fahrer-orientiert, die Sitzposition tief, die Dächer flach und das Interieur fast komplett schwarz. Dann stellten die Münchner in den USA etwas Merkwürdiges vor: Ein 1,70 Meter hohes Auto, das über Schotter und Geröll brettern konnte. In Amerika war die Idee eines hochgebockten Sportwagens sofort populär. In Bayern wirkte "Boss", wie der X5 BMW-intern heißt, dagegen wie ein Ufo. Lang, lang ist´s her. Jetzt kämpfen solche Sternenkreuzer auch hierzulande um die Lufthoheit auf den Straßen. In Los Angeles hat BMW gerade die vierte Generation des Allradsportlers vorgestellt - und mit dem monströsen X7 noch einen draufgesetzt. Letztlich hat der Kunde immer Recht. Mehr als drei Millionen X-Modelle wurden bisher im US-Werk Spartanburg gebaut. BMW ist von der Limousinen- immer stärker zur X-Company geworden. Anders als bei ihrem Elektrovorreiter i3 hatten die Münchner als Hochdachpioniere den richtigen Riecher: Fast jede neue X-Baureihe war den Kernwettbewerbern zeitlich eine Nasenlänge voraus, die Absatzzahlen stiegen entsprechend. Nicht zuletzt auch wegen jener Coupés in Bergstiefeln, die BMW 2008 zuerst mit dem X6 lancierte. Was anfänglich als laszive Form von Luxus wirkte, verkaufte sich auch während der Weltwirtschaftskrise ausgesprochen gut. Luxus läuft. Und ein X4 wirkt heute so normal wie ein X2. Nicht weil diese Pseudo-Coupés unbedingt schön wären. Aber das Straßenbild hat sich in den letzten zehn Jahren komplett verändert. Und Limousinen sind nicht nur bei General Motors vom Aussterben bedroht. Selbst VW will zur SUV-Marke werden und bis 2025 jedes zweite Fahrzeug mit viel Bodenfreiheit verkaufen. Kein Wunder, Konzernchef Herbert Diess kommt schließlich von BMW. Er hat das Ruder im hohen Norden gerade noch rechtzeitig herumgeworfen: Der Familienklassiker Passat verkauft sich schlecht und das Werk Emden muss immer wieder Kurzarbeit anmelden. Demnächst sollen dort Elektroautos vom Band laufen. Ob die sich besser verkaufen? Oben Lounge-Atmosphäre, an den Füßen wird es eng Es ist die Macht des Faktischen, der sich auch der Testfahrer beugen muss. Fondpassagiere haben in den traditionellen BMW-Modellen nichts zu lachen, selbst in einem 7er sitzt man hinten schlechter als vorne (die Langversion einmal ausgenommen). In den großen X-Modellen herrscht dagegen luftige Lounge-Atmosphäre. Viel Fußraum gab es allerdings selbst im X5 bisher nicht - das ist der Fluch des hohen Bodens. Spötter bezeichnen den 1,80 Meter hohen BMW X7 als Wohnmobil mit Design-Ausstattung. Das Prestigemaß ist nicht mehr die lange Haube mit vielen Pferdestärken darunter, sondern die pure Kabinengröße. Weshalb die Erfolgsformel des BMW-Chefs Harald Krüger recht simpel ausfällt: "Unsere Offensive hat zwei Schwerpunkte: Luxus und X." 2018 ist das X-Jahr der Münchner: "Der neue X3, der coole X2, der athletische X4, der neue X5 und der X7 mit enormer Präsenz" (Krüger). Vielleicht sind das alles Dehnübungen für den Markenkern, der demnächst ja auch noch das hochautomatisierte Fahren verkraften muss. Wenn die Maschine lenkt, wird die Kabinengröße zum zentralen Verkaufsargument. Früher mussten BMWs als klassische Fahrerautos vor allem Spaß machen. Heute fühlen sich viele X-Modelle nach Unisex-Luxus an. Nicht schlecht, aber sie könnten auch aus Ingolstadt oder Stuttgart stammen. Die SUVs sind gerade in China beliebt, wo es keine Kindheitserinnerungen an deutsche Marken gibt. Alles wird zum Einheitslabel "Made in Germany". Der X2 fährt wie ein echter BMW Um so erstaunter ist man, wenn man in einen X2 steigt. Der Kleine ist nur wenig länger als ein Golf, liegt mit einer Dachhöhe von 1,53 Metern zwischen dem Kompakten und dem Golf Sportsvan - und fährt sich, oh Wunder, wie ein BMW früher fuhr. Kurven waren damals kein Hindernis für Schaukel-Sänften, sondern ein Anlass für die vielbemühte Freude am Fahren. Wie viele bezahlbare Autos gibt es noch, die bei schnellen Richtungswechseln ein präzises Gefühl für die Straße und die Haftgrenzen des Autos vermitteln? Wenn die Landschaft ohne Staupilot zügig vorbei fliegt, verzichtet man gerne auch mal auf das ganze Vernetzungs-Gedöns. Ein Anachronismus womöglich, denn in überfüllten Städten wird der Kampf um jeden Zentimeter Straße immer grimmiger. Was angesichts der Platznot zählt, ist der persönliche Freiraum. Also werden Autos für durchschnittlich 1,5 Passagiere immer größer, was die Verkehrslage konsequent verschlimmert. Eine zweite Entwicklung ist genauso staunenswert: Der SUV-Schwenk vom Diesel zum Benziner. Waren die hiesigen Allradkraxler früher meist unisono mit durchzugsstarken Ölbrennern ausgestattet, kämpfen immer öfter schmächtige Vierzylinder-Ottomotoren mit den überschüssigen Pfunden. Das hilft weder dem Spritverbrauch noch der Umwelt, wirkt aber als eingebaute Spaßbremse. Im mindestens 1800 Kilogramm schweren X4 xDrive30i fühlt sich der 185 kW (252 PS) starke Benziner seltsam untermotorisiert an. Dafür haben vier Erwachsene genügend Platz. Im direkten Vergleich wirkt der X2 winzig, für die Füße der Fondpassagiere bleibt lediglich ein Briefschlitz übrig. Das ist gute Tradition bei BMW. Hauptsache, der Fahrer saß möglichst nah am Dreh- und Schwerpunkt des Wagens. In der Redaktion gibt es, wie so oft, zwei Fraktionen: Für die Unaufgeregten ist der X4 der erste BMW überhaupt, in dem sie gerne längere Strecken unterwegs sind. Die anderen finden den kleinen Wilden authentischer - auch wenn er aussieht, als sei er aufs Dach gefallen. Dafür fahren die größeren X-Modelle als Benziner nicht unter acht Liter Durchschnittsverbrauch vom Hof. Es sei denn, man nimmt einen Plug-in-Hybriden, der noch einmal 200 Kilogramm mehr wiegt. Mit den Akkus der reinen Elektroautos geht diese Gewichtsspirale endgültig durch die Decke. Aber Hauptsache, die Decke hängt schön hoch.
auto
https://www.sueddeutsche.de/auto/autotest-bmw-x2-x4-1.4240977
BMW X2 gegen X4: Luxus plus X
00/12/2018
BMW setzt voll auf den SUV-Trend. Die Freude am Fahren bleibt dabei auf der Strecke, wie sich bei X2 und X4 zeigt.
[]
mlsum_de-train-220701
mlsum_de-train-220701
Radfahren ist für andere nicht nur dann gefährtlich, wenn das Zweirad gar keine Beleuchtung hat. Mit den Felgendynamos am Rad war früher alles klar: Radler sahen im Dunkeln nichts und wurden auch nicht gesehen. Mit modernen Leuchten wurde das anders - und unangenehm. Abends auf einer Brücke in einem Park. Unten fließt der Feierabendautoverkehr, oben laufen Jogger und rollen Fahrradfahrer aneinander vorbei. Ein Mann kommt entgegen, von seinem Fahrrad leuchtet einem eine Flutlichtanlage ins Gesicht und zwar so, dass die Lampe direkt in die Augen strahlt. Diese Lichtgestalt wird gewiss niemand übersehen - dafür sieht man nichts anderes mehr. Kurz bevor man an dem Leuchtmittel auf zwei Rädern vorbeirollt, taucht plötzlich ein kleines Kind auf, das ebenfalls auf einem Fahrrad unterwegs ist. Adrenalin flutet den Körper, fast wäre man mit dem Jungen kollidiert. Es war, dies zur Klärung des Beinaheunfalls, unmöglich, das Kind zu sehen: Die Lampe am Fahrrad des Vaters strahlte so grell und war so ungünstig eingestellt, dass der kleine Begleiter sozusagen im toten Winkel des Flutlichts fuhr. Früher, da war bestimmt nicht alles besser, aber aus Radfahrerperspektive gilt: Früher, da war auf jeden Fall alles dunkler. In der Epoche der Felgendynamos kam es auch vor, dass man im Winter in der Dunkelheit beinahe mit Radlern zusammenstieß - und zwar, weil sie kein Licht hatten und als finstere Phantome durch die Gegend rollten. Die Sache mit der Beleuchtung am Rad war allerdings auch ziemlich lästig. Der Dynamo raubte Kraft, weil er den Rollwiderstand erhöhte. Lag Schnee, rutschte das Ding ständig durch. Manchmal fraß sich das Rädchen in alte, poröse Reifen, wenn der Dynamo falsch eingestellt war. Und meistens ging das Licht sowieso nicht, weil ein Kabel irgendwo raushing, das Lämpchen durchgebrannt war oder sonst etwas nicht stimmte. Heute haben fast alle Radler Nabendynamos oder Stecklichter mit Akku, und die Hersteller überbieten einander in einer Art Lumen-Wettrüsten: Meine ist heller, meine ist greller! Wenn falsche Beleuchtung zur Blendfalle wird Leider ist die Neigung der Lampen sehr oft zu hoch eingestellt, sodass sich im Winter der Heimweg von der Arbeit in kurze Phasen des Blindflugs verwandelt. Immer wieder kneift man die Augen zusammen, wendet den Blick ab und rollt in gleißendes Flutlicht. Besonders gemein ist das, wenn es nieselt und sich auf den Brillengläsern Tropfen bilden. Die Wasserhäuflein streuen das Licht derart, dass wirklich gar nichts mehr zu sehen ist. Die Situation ist absurd: Immer seltener trifft man, zum Glück, auf Radler ohne Beleuchtung und sieht trotzdem immer häufiger gar nichts - eben weil alle so gute Lichter haben. Geblendet mault man dann die Flutlichtradler gelegentlich an und kassiert manchmal eine kleine Demütigung. Dann nämlich, wenn der andere Radler zurückschimpft, dass man ihn mit dem eigenen Licht ebenfalls blendet. Im Sattel hinter der Lampe am Lenker fehlt leider oft das Gefühl dafür, wie hoch die Lampe strahlen darf. Aber vielleicht ließe sich als Faustregel für alle festlegen: Nicht die ganze Straße ausleuchten, sondern sich auf die paar Meter vor dem Rad beschränken.
auto
https://www.sueddeutsche.de/auto/fahrrad-beleuchtung-1.4241239
Radfahrer und ihre Beleuchtung
00/12/2018
Mit den Felgendynamos am Rad war früher alles klar: Radler sahen im Dunkeln nichts und wurden auch nicht gesehen. Mit modernen Leuchten wurde das anders - und unangenehm.
[]
mlsum_de-train-220702
mlsum_de-train-220702
Wer sich einen neuen Diesel kauft, sollte sich genau informieren - denn nur mit der richtigen Abgasnorm hat man später keine Scherereien. Doch welche Fahrzeuge sind die, bei denen Interessenten keine Bedenken haben müssen? Saubere Diesel sind hierzulande noch so exotisch wie Supersportwagen oder Pickup-Trucks. Lediglich 60 000 Selbstzünder nach der neuesten Abgasnorm Euro-6d-temp waren dem Kraftfahrtbundesamt zufolge am 1. Juli in Deutschland zugelassen. Erst im September 2019 wird die neue Abgasnorm Vorschrift für ausnahmslos alle Diesel-Pkw. Mittlerweile seien gut zwei Drittel aller Diesel-Neuzulassungen solche Saubermänner, meldet der Autoverband VDA. Der ADAC zählt gut 450 verschiedene Modell- und Motorvarianten, allerdings werden verschiedenen Leistungsstufen desselben Motors mitgezählt. Meistens muss man froh sein, wenn man sein Wunschmodell mit einem Euro-6d-temp-Diesel findet, der auch lieferbar ist. Durch die Umstellung auf die neue WLTP-Norm kommt es immer noch zu Lieferengpässen bei einzelnen Marken besonders des Volkswagen-Konzerns. Im neuen Mercedes GLE, der viel Platz im Unterboden hat, erreichen die Vier- und Sechszylinderdiesel mit zwei SCR-Katalysatoren sogar schon die Abgasstufe Euro 6d, die ab 2020 gilt. Mercedes gibt einen durchschnittlichen Stickoxid-Ausstoß (NOx) von 20 Milligramm pro Kilometer an - gemessen im Alltagsverkehr und nicht im gleichmäßig warmen Prüflabor. Das Umweltbundesamt geht bei herkömmlichen Euro-6-Dieseln von einem durchschnittlichen NOx-Ausstoß von mehr als 500 Milligramm pro Kilometer im Realverkehr aus. Autokäufer sollten sich also genau informieren, bevor sie sich für einen Ölbrenner entscheiden. Denn mittelfristig könnten alle (relativ neuen) Diesel von Fahrverboten betroffen sein, die nicht die Abgasstufen Euro-6d oder 6d-temp erreichen. Dann drohen auch bei diesen jungen Fahrzeugen erhebliche Wertverluste. Bei Mercedes sind das momentan zum Beispiel noch die Modellreihen CLA, GLA und GLC, die erst bei der nächsten Modellpflege umgerüstet werden. Audi verzichtet bei der A1-Baureihe bereits auf Diesel. BMW und Mini wollen bis zum Jahresende 250 Varianten im Programm haben, die nach Euro 6d-temp zertifiziert sind. Eine regelmäßig aktualisierte Übersicht über alle neuen und sauberen Diesel führt der ADAC auf seiner Webseite.
auto
https://www.sueddeutsche.de/auto/diesel-abgasnorm-autokauf-1.4240979
Welche Diesel haben die richtige Abgasnorm?
00/12/2018
Wer sich einen neuen Diesel kauft, sollte sich genau informieren - denn nur mit der richtigen Abgasnorm hat man später keine Scherereien. Doch welche Fahrzeuge sind die, bei denen Interessenten keine Bedenken haben müssen?
[]
mlsum_de-train-220703
mlsum_de-train-220703
Um ein Elektroauto daheim laden zu können, braucht man eine Ladestation fürs E-Auto. Diese "Wallboxen" werden etwa an der Garagen- oder Carportwand montiert und sind mit dem Stromnetz verbunden. Zumeist liefert der Händler, der das E-Auto verkauft, auch die Wallbox mit, erklärt der ADAC. Inzwischen gebe es aber auch andere Anbieter von solchen Ladestationen. Doch deren Wallboxen seien nicht immer empfehlenswert. Das zeigt ein ADAC-Test von zwölf Wallboxen zwischen 303 und 1903 Euro und Ladeleistungen zwischen 3,7 bis 22 Kilowatt (kW). Die Hälfte davon sei nicht empfehlenswert, so der Automobilklub: Drei sind "ausreichend" und drei fallen unter anderem wegen Sicherheitsmängeln wie Brandgefahr als "mangelhaft" durch, darunter das billigste Gerät, aber auch eines für 1378 Euro. Am besten schnitten die 11-kW-Box "ABL eMH1" für 865 Euro ab, die "Keba KeContact P30" für maximal 4,6 kW Ladeleistung für 762 Euro und die 22-kW-Box "Mennekes Amtron Xtra 22C2" - mit 1903 Euro die teuerste im Test. Alle drei sind "sehr gut". Die Installation der Boxen darf laut ADAC nur durch eine Elektrofachkraft erfolgen. Der Klub rät zu universellen 11-kW-Boxen. Diese seien ein guter Kompromiss aus Leistung und Kosten. Zudem könne eine 22-kW-Box nur mit ausdrücklicher Genehmigung des örtlichen Netzbetreibers angeschlossen werden.
auto
https://www.sueddeutsche.de/auto/elektromobilitaet-jede-zweite-ladestation-nicht-empfehlenswert-1.4241259
Jede zweite Ladestation nicht empfehlenswert
00/12/2018
Wer ein E-Auto kauft, braucht auch eine Ladestation. Doch ein Test des ADAC zeigt nun: So manches Angebot taugt nichts.
[]
mlsum_de-train-220704
mlsum_de-train-220704
Mehr Platz für Gehwege? Beim Kampf um Raum im Stadtverkehr geht es selten um Fußgänger. Doch es gibt Kommunen, die das ändern wollen. "Jeder Verkehrsteilnehmer ist auch Fußgänger", sagt Friedemann Goerl. Immer mal wieder jedenfalls, und sei es auf dem Weg zur Straßenbahn oder zum Auto. Dieser Umstand ist ein großer Vorteil für den 29-Jährigen, denn damit kann er für sich beanspruchen, in seinem Job alle 580 000 Leipziger zu vertreten. Seit elf Monaten ist Friedemann Goerl Fußverkehrsverantwortlicher der Stadt und damit der erste seiner Art in Deutschland. Goerls Pionierarbeit fällt in eine Zeit, in der Verkehrsplanung in den Städten stetig komplizierter wird. Immer mehr Menschen ziehen in die Ballungszentren, wo der Platz aber nicht wächst oder durch Nachverdichtung sogar weniger wird. Die Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmern nehmen zu und immer häufiger stellt sich die Frage: Für wen stellt man öffentlichen Raum zur Verfügung? Straßen und Parkplätze für Autos? Schienen und Busspuren für den öffentlichen Nahverkehr? Mehr und breitere Radwege? Und wo bleibt da eigentlich der Fußgänger? "Der fällt meist ein bisschen runter, wenn sich niemand um ihn kümmert", erklärt Goerl. Deshalb hat sich die Stadt Leipzig nach jahrelangen Debatten dazu entschlossen, Anfang 2018 die Stelle des Fußgänger-Beauftragten zu schaffen. Seitdem läuft jede Verkehrsplanung der Stadt über den Schreibtisch des jungen Geografen. Er passt auf, Bordsteine rund um Seniorenheime abzusenken als Hilfe für alte Menschen mit Rollatoren. Er verhindert, dass Fußgänger Umwege in Kauf nehmen müssen. Goerl achtet auf Barrierefreiheit. Einmal verhinderte er, dass der Gehweg zu einem Kindergarten vergessen wurde. Er erlebe dabei in der Verwaltung keine Fronten oder Gegenspieler, sondern eher die Reaktion: "Ach, das haben wir noch gar nicht so gesehen." Der Leipziger bestätigt damit eine der Hauptaussagen der Studie "Geht doch!", in der das Umweltbundesamt (UBA) kürzlich Grundzüge einer bundesweiten Fußverkehrsstrategie festhielt. Der Fußverkehr werde nicht als gleichberechtigt wahrgenommen, steht darin. Er gelte "in Deutschland immer noch als unwichtig, unattraktiv und wenig zeitgemäß". Auf fast 50 Seiten legt das UBA dar, wieso es sich lohne, den Fußverkehr vor allem in den Städten zu stärken und wie das umsetzbar wäre. Zu Fuß gehen sei gesund, fördere den Klimaschutz, Städte würden zu "Orten der Begegnung und des sozialen Miteinanders". Örtliche Geschäfte profitierten von mehr Fußverkehr. Senioren seien auf sichere Gehwege angewiesen, genauso wie Kinder. Angestrebt werde, den Anteil des Fußverkehrs von durchschnittlich 27 Prozent in den Städten auf 41 Prozent zu steigern. In ländlichen Kreisen von derzeit 24 Prozent auf 35 Prozent. Das geht allerdings nicht, ohne anderen Verkehrsteilnehmern Rechte und Räume zu kürzen. In den meisten Fällen dem Autofahrer. So schlägt das UBA vor, innerorts Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit zu verfügen, weil zu viele Fußgänger Opfer von Unfällen werden. Ampeln sollen so lange Grünphasen haben, dass alle ausreichend Zeit für die Querung der Kreuzung erhalten. Verkehrsplaner sollten von außen nach innen denken, also zuerst die Bedürfnisse der Fußgänger beachten, die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen empfiehlt eine Gehwegbreite von mindestens 2,5 Meter. Außerdem soll der Raum für Parkplätze verringert werden: Von derzeit etwa 4,5 Quadratmeter pro Einwohner auf drei Quadratmeter, perspektivisch sogar auf 1,5 Quadratmeter. "Die Studie hätte auch von uns sein können", sagt Roland Stimpel. Er ist Sprecher des Lobbyverbands Fuss e.V. und freut sich "außerordentlich, dass sich eine Bundesbehörde soweit aus dem Fenster lehnt". Denn für ihn sei der Zustand des Fußverkehrs im Land nach wie vor schlecht. Höhere Bußgelder sollen abschrecken Stimpels Verband kritisiert, dass die Straßenverkehrsordnung von dem Geist getragen werde, der Sinn des Verkehrs sei die effiziente Abwicklung des Autoverkehrs. "Die anderen Teilnehmer sind nebensächlich und haben vor allem die Aufgabe, die Straße schnell zu verlassen", beklagt er. Die Fußgänger-Vertreter fordern ein höheres Bußgeld, wenn Radfahrer auf Gehwegen fahren oder Autos dort parken. In Frankreich etwa koste das pauschal 135 Euro, weiß Stimpel. Doch in Deutschland seien weder der Bund noch die meisten Kommunen bereit, die Verkehrspolitik entsprechend zu ändern. "Es gibt selbst Oberbürgermeister der Grünen, die uns sagen: Der Parkdruck ist so hoch, dass wir weiterhin ein Auge zudrücken und es zulassen, dass Autos den Gehweg zuparken, obwohl es verboten ist", erzählt er. Wenn eine Kommune sich traut, Plätze und Straßen umzugestalten, droht Gegenwind. In Hannover war ein Gehweg, den viele Schulkinder nutzen, ständig von Autos zugeparkt. Als die Verwaltung Poller aufstellte, um das illegale Parken zu unterbinden, brodelte es zuletzt bei einer Sitzung des Bezirksrats: Anwohner und Geschäftsleute beschwerten sich, es gebe nun zu wenig Parkraum für ihre Autos im Viertel. "So hart sind die Konflikte", sagt Stimpel, "der Verteilungskampf bricht aus." Er sehe aber, dass sich in den Innenstädten die Stimmung drehe. Die Bewohner dort seien weniger Auto-affin als früher. Doch was sagt das traditionell eher autonahe Bundesverkehrsministerium zu den forschen Plänen des UBA? Auf Nachfrage der SZ erklärt das Amt, der Fußverkehr habe "hohe Priorität", künftig werde es ein Referat mit dem Schwerpunkt Radverkehr und Fußverkehr geben. Die konkreten Anregungen allerdings stoßen auf Skepsis. In Lindenau müssen Autos wohl bald ganz draußen bleiben Die Regelgeschwindigkeit innerorts auf Tempo 30 zu senken, sei "nicht sinnvoll", der Geschwindigkeitsvorteil auf Hauptstraßen wichtig. Die Bußgelder würden zwar demnächst geprüft, ob es dabei zu einer Änderung komme, müsse allerdings abgewartet werden. Vor der wohl explosivsten Forderung des Umweltbundesamts weicht das Verkehrsministerium aus: Soll der Parkraum für Autos reduziert werden? Antwort: "Ziel ist es, für alle Verkehrsmittel - einschließlich Fußgänger - gleichermaßen einen bestmöglichen Rahmen zu schaffen." In Leipzig geht derweil der Umbau weiter. Wenngleich langsamer als von einigen erhofft. Der Stadtteil Lindenau ächzt unter dem Zustrom neuer Bewohner, am zentralen Verkehrsknotenpunkt, dem Lindenauer Markt, fand deshalb eine Zählung statt: Den nördlichen Bereich passierten in einer Stunde 1300 Fußgänger, 215 Radler und 277 Autos. Dominiert wird der Platz aber von der Straße. Der Stadtrat beschloss deshalb eine Umgestaltung, an dessen Ende der Autoverkehr auf Teilen ganz ausgeschlossen wird. "Die Konflikte sind natürlich da", berichtet der Fußverkehrsverantwortliche Friedemann Goerl. Aber wenn man das Straßenbild ändere, Bäume pflanze und einen öffentlichen Raum schaffe, wo Menschen gerne zu Fuß gehen und sich aufhalten, "dann stellt sich die Akzeptanz schnell ein".
auto
https://www.sueddeutsche.de/auto/fussgaenger-autofahrer-radverkehr-1.4234890
Stadtverkehr - Wenn Autos den Fußgängern weichen sollen
00/12/2018
Mehr Platz für Gehwege? Beim Kampf um Raum im Stadtverkehr geht es selten um Fußgänger. Doch es gibt Kommunen, die das ändern wollen.
[]
mlsum_de-train-220705
mlsum_de-train-220705
Beschleunigen und bremsen - ein Lokführer hat auf den ersten Blick einen vergleichsweise einfachen Job. Wer jetzt glaubt, mit den Zugsimulatoren im wahrsten Sinne ein leichtes Spiel zu haben, der irrt sich. Auch am PC muss man höllisch aufpassen, dass nicht eine Zwangsbremsung ausgelöst wird - etwa, weil man den Totmannknopf nicht gedrückt oder gar ein rotes Signal missachtet hat. Eine große Auswahl an Strecken und Zügen bietet der "Train Simulator": Virtuelle Lokführer können mit einem ICE nach München, einer Dampflok nach London oder einem Güterzug durch die Rocky Mountains fahren. Allerdings: Wie bei einer Modelleisenbahn gehen neue Züge und Strecken schnell ins Geld. Der Nachfolger "Train Sim World" ist zwar hübscher, die Erweiterungen sind aber teurer. Weniger Glanz, aber viel Anspruch bietet "Zusi", das auch in der Ausbildung eingesetzt wird. Kostenlos ist "Loksim3D", ein Freizeitprojekt von begeisterten Eisenbahnfreunden.
auto
https://www.sueddeutsche.de/auto/simulator-flugzeug-zug-auto-truck-1.4234939
Simulatoren: Bitte einsteigen in Bus, Flugzeug und Co.
00/12/2018
Ob Flugzeug, Lkw oder Bagger: Per Simulator lässt sich fast alles steuern. Und der digitale Fuhrpark wächst immer weiter.
[]
mlsum_de-train-220706
mlsum_de-train-220706
An Großfesttagen versteigt sich in Italien so mancher in mittlere kulinarische Glaubenskriege. Gerade wird der italienische Schaumwein gefeiert. Das Geschäft boomt, sogar der Champagner aus Frankreich wurde abgehängt. Traditionen gibt's, die sind so gefestigt, dass sie alle Wirren und Moden der Zeit überstehen. In Italien, wo in diesem ausklingenden Jahr ja etliche ewig gewähnte Gewissheiten durcheinandergeraten sind, wenigstens politisch, überstehen vor allem die kulinarischen Gewohnheiten alle Attacken der Moderne. Sie werden von allen gepflegt, mit heiligem Furor und militant verteidigten regionalen Nuancen. An Großfesttagen wie diesen versteigen sich die Bewahrer in mittlere Glaubenskriege, assistiert von den Zeitungen, die seitenlang alte Rezepte drucken und sagen, was geht und was nun wirklich nicht geht. Auf ewig, das schon. Es fängt beim Kuchen an. Verhandelt wird mal wieder der Unterschied zwischen dem runden Mailänder Panettone, in dem reichlich kandierte Früchte und auch schon mal einige Schokoladenstücke stecken, und dem sternförmigen Pandoro aus Verona, der nur mit Puderzucker bestreut wird, dafür golden strahlt. Die Gesundheitsministerin, die Sizilianerin Giulia Grillo von den Cinque Stelle, befand unlängst recht ultimativ, der Pandoro habe "keine Seele", eine Seele habe nur der Panettone. Die Metaphysik im Kuchen - es entbrannte eine nationale Debatte, nicht ohne Ironie. Diskussionslos weitergereicht, von Generation zu Generation, wird die passende Mahlzeit zum Jahresende. An Silvester, und nicht selten auch am Neujahrstag, essen die Italiener "Cotechino". So heißt eine vorzügliche, schwartenfette und in Wasser gekochte Wurst, in der fast alles steckt, was das Schwein neben den wertvollen Stücken noch so hergibt, auch der Kopf. Damit das neue Jahr erfolgreich wird, essen die Italiener zum "Cotechino" Linsen, und zwar schon seit den Zeiten der alten Römer. Die fanden, die Linsen würden wie Münzen aussehen. Man lasse sie eine Nacht im Wasser ziehen, koche sie mit fein geschnittenen Karotten, Sellerie und Zwiebeln, gebe noch etwas Tomatensauce dazu, Salz, Pfeffer und Olivenöl: So geht Glück. Relativ neu, zumindest in seiner massiven Verbreitung, ist das Phänomen der "bollicine", wörtlich: Bläschen. Eigentlich gemeint aber ist: Perlen. Im Italienischen sind die "bollicine" ein Synonym für Sekt. Früher war es bekanntlich so, dass die Franzosen mit ihrem Champagner unangefochten über die Welt der Schaum- und Perlweine herrschten. Natürlich finden sie, dass sie das noch heute tun. Doch diese Welt trinkt mittlerweile mehr italienisches Geperle und Geprickel als Champagner: Prosecco aus dem Nordosten des Landes vor allem, Spumanti auch, trockene und süße. In diesem Jahr wurden mehr als 800 Millionen Flaschen "bollicine" verkauft, so viele wie noch nie. Mehr als die Hälfte geht ins Ausland, der Rest bleibt da. Auf jeden Italiener kommen fünf Flaschen Sekt im Jahr, das ist eine ganze Menge, das ist Stoff für eine langlebige Tradition. Die Zeitung La Repubblica erklärt den Boom mit dem Erfolg des Spritz, des Allerleute-Aperos, der mit Prosecco versetzt ist. Er löse eben ein "zärtliches Jucken" aus auf der Zunge. Eine schöne Leichtigkeit. Kühl serviert, zwischen vier und sechs Grad, zum Beispiel an Silvester. Ganz bestimmt sogar, für immer.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/schaumwein-italien-champagner-1.4269309
Schaumwein aus Italien - Beliebter als Champagner
00/12/2018
An Großfesttagen versteigt sich in Italien so mancher in mittlere kulinarische Glaubenskriege. Gerade wird der italienische Schaumwein gefeiert. Das Geschäft boomt, sogar der Champagner aus Frankreich wurde abgehängt.
[]
mlsum_de-train-220707
mlsum_de-train-220707
Immer wieder scheitern wir daran, unser Leben ein bisschen besser zu machen. Woran liegt das? Besuch bei einem Seminar, wo man lernt, seine Gewohnheiten zu verändern. Beginnen wir mit einer Übung. Bitte einfach mal wie gewohnt die Arme vor der Brust verschränken. Welcher Unterarm liegt unten, welcher oben - der rechte, der linke? Okay, nun das Gleiche noch einmal, nur anders herum: Der Unterarm, der eben noch unten war, soll jetzt oben liegen. Das fühlt sich seltsam an, instabil, wie eine armgymnastische Zumutung? Genau so ist das, wenn man Gewohnheiten den Stecker zieht. Allein diese lachhafte Egalgewohnheit umzukrempeln dauert bei täglicher Übung im Schnitt zwei Wochen. Bitter genug. Und jetzt - erhöhen wir den Einsatz.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/gute-vorsaetze-sport-1.4269029
Neues Jahr, neues Glück: So gelingen gute Vorsätze
00/12/2018
Immer wieder scheitern wir daran, unser Leben ein bisschen besser zu machen. Woran liegt das? Besuch bei einem Seminar, wo man lernt, seine Gewohnheiten zu verändern.
[]
mlsum_de-train-220708
mlsum_de-train-220708
Die Abneigung, die Düsseldorfer und Kölner seit jeher auf das Innigste verbindet, dokumentiert sich am süffigsten in den gegensätzlichen Biersorten, die in den beiden rheinischen Städten ausgeschenkt werden: helles Kölsch in Köln, dunkles Alt in Düsseldorf. Wenn Getränkevorlieben weltanschauliche Dimensionen annehmen, wird es schwer, sich näherzukommen. Deshalb ist der Versuch, ein Mischbier anzubieten, das aus Kölsch und Alt besteht, erstens als revolutionärer Akt zu sehen - und zweitens als unweigerlich zum Scheitern verurteilte vergebliche Liebesmüh, auch wenn der Name knallt wie ein Karnevalsböller: Költ. Dabei verbindet die beiden so unterschiedlichen Biersorten mehr, als man annehmen möchte. Das Bier, das auch in Krefeld, Mönchengladbach und Neuss gebraut wird, heißt Alt, weil es nach alter Brauart hergestellt wird. Der Gärprozess beim obergärigen Bier, bei dem die Hefe noch oben steigt, findet bei höheren Temperaturen statt. Das modernere untergärige Bier (Pilsener) ist auf aufwendige Kühlung angewiesen. Und nun folgt die Überraschung: Auch das helle Kölsch ist ein obergäriges Bier. Der scheinbar unüberwindbare farbliche Unterschied ist dem dunklen Malz zu verdanken, das die niederrheinischen Altbier-Brauer bevorzugen. Deshalb werden Geschichten von Blindverköstigungen kolportiert, bei denen die Tester nach dem dritten Glas Kölsch und Alt nicht mehr wussten, was nun eigentlich was ist. Ein Umstand, der Költ zum großen rheinischen Friedensbier machen könnte.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/geschmackssache-koelt-1.4266679
Geschmackssache
00/12/2018
Das Mischbier aus Kölsch und Alt hat etwas herrlich Völkerverbindendes - jedenfalls aus Kölner und Düsseldorfer Sicht. Aber schmeckt es auch?
[]
mlsum_de-train-220709
mlsum_de-train-220709
In dem sehr neunzigerjahrehaften Film "Zehn Dinge, die ich an Dir hasse" von 1999 gibt es einen Schlüsseldialog, der alles sagt. Nicht über den Film (eine Highschool, zwei Pärchen, Happy End), sondern über die späten Neunziger. Bianca erläutert ihrer Freundin Chastity, sie habe den Unterschied zwischen Mögen und Lieben begriffen. Sie möge ihre Sketchers, also das Paar Schuhe, das sie gerade gern trage. "Aber ich liebe meinen Prada Rucksack." Nichts leichter, als sich darüber heute an den Kopf zu fassen. Der Film ist aus dem Jahr vor der Epochenschwelle, aber gefühlt gehört die Szene tief ins 20. Jahrhundert. Konsum als Elementarerlebnis, diese zwitschernd vergnügte Inbrunst für Markenartikel: Bitte, wie weit weg ist das denn? Die erstaunliche Antwort lautet: gar nicht so weit. Logos sind mit Macht zurück in der Mode. Und ob sich das die superaufgeklärten und kritischen Konsumenten von heute eingestehen wollen oder nicht: Das verleiht Markenprodukten und den Unternehmen hinter den Symbolen eine Geltung wie lange nicht. Wer sich durch die Schauen für kommenden Frühling und Sommer klickt, dem springen die Schriftzüge und Großbuchstaben quasi ins Gesicht. Was diesen Herbst begann, legt 2019 bei Chanel über Balenciaga bis Gucci noch einmal flächendeckend zu: Logos sind überall. Gedruckt auf jedes erdenkliche Stück Textil, vom Kaschmirpulli bis zur Strumpfhose und - kleiner Gruß aus der Vergangenheit gefällig? - dem Elastikbund an Männerunterhosen. Die Autorin Dana Thomas vermutet dahinter in erster Linie ein nostalgisches Phänomen. Der Trend habe in dem Moment Fahrt aufgenommen, als Kreative in Musik und Mode die Zeit von den späten Achtzigern aufwärts als Inspirationsquelle nutzten, so die Kulturjournalistin. Nicht nur Duran Duran oder die Schulterpolster von damals fand man plötzlich spannend, sondern auch das offensive Zurschaustellen von Designer-Abzeichen. "Damit wurde die erste heftige Phase der Logomanie wiederentdeckt", sagt Thomas. Ein Rückgriff auf gesellschaftlich raue Jahre. In der Ära des Thatcherismus diente das richtige Markenzeichen als unverhülltes Signal der Überlegenheit an weniger Privilegierte: Meine Tasche ist mehr wert als deine - und ich bin es auch. Mode als Sozialdarwinismus. Detailansicht öffnen Eine Jacke von Valentino, der Name des Labels wurde komprimiert zu VLTN (Foto: Getty) Das Comeback der grellen "Look-at-me"-Ästhetik kommt nach Ansicht von Dana Thomas harmloser daher. "Heute ist die Herangehensweise nicht so aggressiv, sondern softer, beinahe humorvoll." Für den ironischen Beigeschmack haben Labels wie Vetements gesorgt mit ihrem DHL-Aufdruck. Die grafisch einfallslosen Buchstaben des Logistikkonzerns in Tatü-Tata-Rot und -Gelb auf Designerteilen, das hat die Grenze zwischen edel und trash verwischt. Seither wird der neuen Logomania oft der Begriff "guilt-free" zugeordnet: ein argloses Zupflastern von Produkten mit Firmensymbolen. Damit ist gemeint, dass Konsumenten ihren Markenfetischismus ausleben können, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, als wandelnde Reklameträger durch die Gegend zu laufen. Wieso eigentlich Werbung? Ist doch bloß eine modische Spielerei! Für die Marketingabteilungen der Designhäuser ist das natürlich eine fabelhafte Entwicklung. Es gibt subtilere Formen der Verkaufsstrategie als Blockbuchstaben, aber diese Welle reiten sie alle mit. Das "Prada"-Etikett prangt nächstes Frühjahr sogar auf dem schmalen Gummibündchen von Nylonkniestrümpfen. Chanel ist die Breite einer Brusttasche nicht genug, der Firmenname wird, zweigeteilt, links und rechts über dem Busen der Trägerin platziert. Die schöne Kaia Gerber war auf dem Laufsteg zusätzlich zur Bluse mit Buchstabenschmuck behängt. Und für Fendi hat Karl Lagerfeld schon beim Motto unverblümt die Direttissima gewählt: "Fendi Mania". Das Doppel-F ist auf alle Entwürfe verteilt. Embleme, wohin man schaut. Wie ein ansteckendes Fieber scheinen sie sämtliche Kollektionen des Modeuniversums zwischen New York und Shanghai befallen zu haben. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Dass Instagram und andere Verbreitungskanäle ihren Teil zum Hype um die Logos beitragen, liegt auf der Hand. Wenn Erfolg davon abhängt, wie geschickt man das Netz mit leicht verständlichen (Bild-)Nachrichten füttert, braucht ein Modekonzern nichts dringender als ein markantes Symbol. Mit anderen Worten: etwas Simples. Ein Ritter im Harnisch mit Lanze? Viel zu kleinteilig, weshalb sich Burberry unter dem neuen Designer Riccardo Tisci entschloss, seinen reitenden Edelmann als Markenzeichen auszurangieren. Stattdessen: Name der Marke in schwarzen Lettern. Plus der Zusatz: "London. England", vielleicht als Vorsichtsmaßnahme, falls die Hauptstadt nach dem Brexit im Rest der Welt geografisch nicht mehr korrekt zugeordnet werden kann. Auf die Enthüllung des ebenfalls neuen Monogramms (ein B!) folgte ein mittlerer Social-Media-Orkan. Detailansicht öffnen Bitte recht deutlich: Ohne Markenlogos geht in der Mode 2019 gar nichts. Hier zwei Modelle aus der Fendi-Mania-Kollektion. (Foto: FENDI) Auch Balmain hat kürzlich seinen charakteristischen Schriftzug modifiziert - nach achtzig Jahren - und zum Kürzel PB (Pierre Balmain) kondensiert. "Une petite révolution", befand das französische Onlinemagazin Puretrend. Und die Liste der mehr oder minder umstürzlerischen Vereinfachungen ließe sich fortsetzen. Es ist, als wende sich die Mode an eine Kundschaft mit Sehschwäche. Calvin Klein hat seine Buchstaben verdickt. Valentino heißt jetzt VLTN. So machen sich ehrwürdige Häuser fit für Snapchat und andere Kleinformate. Es soll in der Branche Leute geben, denen das ein bisschen, nun ja, kurzsichtig vorkommt. Andererseits kann der Luxussektor, das hat sich inzwischen nun wirklich herumgesprochen, nicht allein von betuchten Menschen ab vierzig leben. Und gerade bei der jungen Klientel steht das Explizite hoch im Kurs - ironisch gebrochen, versteht sich. Das Schlagwort von der Generation Streetwise zielt auf die unehrfürchtige Vermengung von Couture und Streetstyle. Und letzterer war schon immer geprägt von der exzessiven Verwendung bürgerlicher Statussymbole: Goldschmuck, Tenniskluft - und eben Markenembleme. Von Harlem-Rappern bis zur aktuellen Hip-Hop-Szene gehört die Großkotzigkeit riesiger Logos zum Inventar der Untergrund-Kultur. Daher schwimmen Sportswear-Firmen wie Fila oder Palace gerade weit oben. Und im Edelsegment haben bei Millennials und Generation Z diejenigen die Nase vorn, die mit cleveren Kooperationen ihre Nähe zur Straße signalisieren. Fendi zum Beispiel hat sich mit Supreme zusammengetan. Gucci umwarb Dapper Dan, eine schwarze Underground-Kultfigur, und beauftragte ihn mit einer kleinen Kollektion. Ach ja, und Designer Alessandro Michele hat natürlich auch zur rechten Zeit das gute alte Doppel-G-Logo wieder ausgegraben. Weil sich die italienische Marke außerdem als Vorkämpfer für Genderdiversität und Anti-Pelz-Bewegung zu inszenieren verstand, bedeutet ein Like für GG auch: Ich bin für eine bessere Welt. Das ist in Zeiten gut informierter Konsumenten natürlich ein millionenschweres Plus. Dass am Ende die Logomanie auch einfach etwas mit Überdruss zu tun hat, klingt zwar banal. Ist aber ziemlich naheliegend. Zuletzt war in der Mode immer alles sehr reduziert und schlicht. Nachhaltige Produktion, kein Blingbling, skandinavischer Purismus. Offenbar schlägt da gerade eine Stimmung um: Jetzt ist mal gut mit der klösterlichen Strenge, bitte endlich wieder richtig dick auftragen! Die amerikanische Autorin Connie Wang hat für diese Rebellion gegen das Etablierte, das So-macht-man-das ein schönes Bild gefunden. Modemenschen, schreibt sie, "wollen immer ihre Eltern erschrecken".
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/trends-marke-logo-1.4266661
Süddeutsche.de
00/12/2018
Die Mode hat die Großbuchstaben wiederentdeckt. Was manche mit Schrecken an die Neunzigerjahre erinnert, finden andere total ironisch.
[]
mlsum_de-train-220710
mlsum_de-train-220710
Concealer ist die Rettung nach kurzen Nächten wie am Neujahrsmorgen. Er verzaubert das Spiegelbild und lässt Menschen strahlender und zumindest scheinbar wacher in den Tag starten. Allerdings nur, wenn man ihn richtig aufträgt. Wählt man den falschen Farbton, dann kann das Ergebnis eher an einen Pantomime-Spieler erinnern als an einen aufgeweckten Menschen mit frischem Teint. Der Concealer sollte eine halbe Nuance heller sein als der natürliche Hautton. Nur so können Flecken aufgehellt werden. Bei dunkleren Hauttypen sollte der Concealer Ton in Ton mit der Foundation sein. Hat man die perfekte Farbe gefunden, startet man am Augeninnenwinkel, trägt hier die Textur auf und klopft sie abwärts bis zum Nasenflügel hin mit den Fingerkuppen sanft ein. Das Einklopfen ist wichtig, denn erst die Wärme der Fingerspitzen lässt das Produkt ideal mit der Haut verschmelzen. Das sorgt für ein natürliches Ergebnis. Ebenfalls mit den Fingern oder auch alternativ mit einem Schwämmchen-Blender müssen nun die Übergänge abgesoftet werden. Danach trägt man den Concealer ab dem äußeren Drittel des Auges nach außen hin bis zur Schläfe und zu den Wangenknochen auf. Wieder erst tupfen, dann klopfen und verblenden. Flüssige Foundation wird vor dem Concealer aufgetragen. Nur bei Puder-Make-up verwendet man den Concealer zuerst. Übrigens tragen heute längst nicht mehr nur Frauen Concealer. Auch immer mehr Männer wollen von dem optischen Wachmacher profitieren. Der Münchner Visagist Luis Huber kennt sich bestens mit Concealern aus. Zusammen mit seinen beiden Mitarbeiterinnen hat er in seinem Make-up-Studio zehn verschiedene Produkte getestet.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/test-weg-ist-der-fleck-1.4266672
Weg ist der Fleck
00/12/2018
Wie ein Zauberstab lässt Concealer Rötungen und Augenringe verschwinden. Welcher dabei den besten Job macht, hat ein Visagist getestet.
[]
mlsum_de-train-220711
mlsum_de-train-220711
Wer ist die Schönste im ganzen Land? Das hat die Vogue mal wieder verraten, obgleich 2018 auch als Jahr im Gedächtnis bleiben wird, in dem alle Frauen bei der Golden-Globes-Verleihung Schwarz trugen - als Zeichen der Frauensolidarität. Egal, gewählt wurde die bestgekleidete Frau trotzdem. Neben Schauspielerin Tracee Ellis Ross und Sängerin Rihanna hat auch Meghan Markle abgeräumt - nach keinem anderen Menschen wurde auf Google so oft gesucht wie nach der Frau von Prinz Harry. Ebenfalls prämiert: Plus-Size Model Paloma Elsesser, die in einem Interview gerade ihren Wunsch an die Mode für das neue Jahr kundgetan hat: Mehr Mut, auch mal unbequem zu sein. Wenn man selbst nicht in die Berge fahren kann, müssen die Berge eben nach Hause kommen. Okay, vielleicht nicht gleich ein ganzes Gebirge, das ist schwer unterzubringen. Ein bisschen Alpenflair würde für den Anfang schon reichen. Zur Wintersaison hat die Südtiroler Naturkosmetikmarke Team Dr. Joseph gerade ihren ersten Raumduft entwickelt. "Inspire Room Fragrance" klingt nicht alpenländisch, riecht aber so: Rosengeranie, holziges Patschuli, erdige Zirbelkiefer - mit etwas Fantasie hat man den Ortler vor Augen. Die Verschlüsse des Flakons sind aus Eschenholz. Dafür ist selbst in der kleinsten Hütte Platz (38 Euro. teamdrjoseph.com).
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/kurz-gesichtet-herzogin-der-herzen-1.4266663
Kurz gesichtet - Herzogin der Herzen
00/12/2018
Die Frau von Prinz Harry war 2018 die meistgesuchte Frau auf Google. Ebenfalls heiß begehrt: Rihanna und ein Plus-Size-Model.
[]
mlsum_de-train-220712
mlsum_de-train-220712
Top-Flop: Celine Detailansicht öffnen Die erste Celine-Show von Hedi Slimane. (Foto: ANNE-CHRISTINE POUJOULAT/AFP) Wie nennt man das noch mal, wenn etwas so eintritt wie erwartet, sich aber trotzdem alle aufregen, dass es nicht anders gekommen ist? Schizophrenie? Wunschdenken? Wahlen in Russland? Auf die Mode bezogen, könnte man vom "Slimane-Syndrom" sprechen. Dieser Designer tritt regelmäßig mit einer bestimmten Vision an (skinny, rockig, sexy), ungeachtet des Labels, das ihn gerade beschäftigt. So krempelte er erst Dior Homme um, dann Saint Laurent, dieses Jahr Celine, das jetzt erwartungsgemäß so aussieht wie vorher Saint Laurent. Die Kritiker ätzen wie gehabt, Fans trauern und treiben die Preise für "altes Céline" mit Frustkäufen in die Höhe. Und nun? Back to Business. Denn so sehr das "neue Celine" modisch und emanzipatorisch ein Fehlgriff sein mag - die ersten Fähnchen schwenken um. Die Schauspielerin Dakota Johnson trug eines der neuen Kleider, woraufhin viele zerknirscht zugaben, dass sie in dem Paillettenfummel ziemlich sexy aussah. Eine Moderedakteurin des New York Magazine schrieb eine Art Kammerspiel über die erotische Anziehungskraft der neuen Triomphe-Bag. 2019 wird es wahrscheinlich häufiger heißen, dass die Sachen soooo schlecht nicht aussehen. Zur Erinnerung: Saint Laurent wuchs unter Slimane um mehr als 100 Prozent. Geschichte wiederholt sich, Mode sowieso. Flop: Marc Jacobs Detailansicht öffnen Der Designer Marc Jacobs. (Foto: Angela Weiss/AFP) "Hallo, Gott" hieß vor acht Jahren ein Porträt in dieser Zeitung über den Designer Marc Jacobs. Wenn sein Name heute fällt, sagen Leute aus der Modebranche eher "Ach Gott". Jacobs war mal der ewige Überflieger, dann gingen er und Louis Vuitton 2014 getrennte Wege, angeblich auch, damit er sich auf sein eigenes Label samt angekündigtem Börsengang konzentrieren könne. Davon redet keiner mehr, von Jacobs selbst leider auch nicht mehr viel. Beziehungsweise doch, im Juni titelte die New York Times: "How Marc Jacobs fell out of fashion." Ein Modedesigner, der nicht mehr in Mode ist - geht es schlimmer? Tatsächlich blieben die Verkäufe unter den Erwartungen, mehr als ein Dutzend Geschäfte mussten schließen. Im November brachte der 55-Jährige eine Neuauflage seiner Grunge-Kollektion aus den Neunzigern auf den Markt. Und nachdem 2015 die erfolgreiche Zweitlinie Marc by Marc Jacobs eingestampft wurde, ist für 2019 das günstigere Label The Marc Jacobs angekündigt. Zwei Remakes: Mal sehen, ob das zur Wiederauferstehung von Gott reicht. Top: Givenchy Detailansicht öffnen Die werdende Herzogin von Sussex in einem Kleid von Givenchy Couture. (Foto: Getty) Am Morgen des 19. Mai 2018 erschien das Schicksal der britischen Designerin Clare Waight Keller noch seltsam ungewiss. Zwei Givenchy-Kollektionen hatte sie als Nachfolgerin von Riccardo Tisci bereits in Paris vorgeführt, doch das Urteil war nicht abschließend gesprochen. Die Kleider waren für gut, modern, elegant befunden worden, einen Hype aber hatten sie kaum ausgelöst. Bis das Haus, am 19. Mai um 13.21 Uhr, eine Mail über den ganz großen Verteiler jagte. Betreff: "Ms. Meghan Markle in Givenchy Haute Couture by Clare Waight Keller - THE ROYAL WEDDING." Und das war's dann für Mrs. Keller. Riesenberichterstattung, Ovationen, Auszeichnung als britische Designerin des Jahres. Die Laudatio hielt, abermals in Givenchy, die mittlerweile schwangere Herzogin von Sussex. Bingo. Und alle so: Haben wir nicht immer gesagt, dass das neue Givenchy göttlich ist? Flop: Vitamin F Detailansicht öffnen Die Model-Schwester Bella (links) und Gigi Hadid. (Foto: Getty) Exakt, das Model-Vitamin F alias Familie taucht hier als Flop auf, obwohl es wahrscheinlich niemals wirksamer war als in diesem Jahr. Aber eben auch nie so nervtötend. Nehmen wir eine durchschnittliche Fashion Show, gebucht werden um die 40 Models - alle irgendwie gleich groß, gleich dünn, gleich schön. 38 von ihnen kennt man nicht, das sind die, die den eigentlichen Job erledigen, nämlich Kleider über den Laufsteg bugsieren. Dann gibt es aber noch die eine, die die Show eröffnet, und die andere, die sie schließt. Sie sind beide so berühmt, dass sie ihre Garderobe in den Schatten stellen und sich in erster Linie selbst performen. Eigentlich müssten sie gar nicht mehr laufen, sondern einfach nur da sein. Im Jahr 2018 waren das fast immer dieselben zwei Handvoll Mädchen, und die meisten hatten das Vitamin F quasi in Überdosis. Da war Kaia Gerber, die Tochter von Cindy Crawford. Da war Bella Hadid, die Schwester von Gigi Hadid beziehungsweise auch anders herum. Und da war Kendall Jenner, die Schwester von Kylie Jenner und Halbschwester von Kim Kardashian und Halbschwägerin von Kanye West. Bei den Männern läuft Dylan Brosnan, Pierce junior. Das Modelbusiness ist also dynastisch geworden und damit so langweilig und vorhersehbar wie die britische Thronfolge. Nächstes Jahr wird Lila Grace Moss, die Tochter von Kate, ihren Durchbruch erleben. So viel ist sicher. Top: Neues China Detailansicht öffnen Zukunftsmarkt: Chinesen beim Einkaufen. (Foto: How Hwee Young/dpa) Wir möchten an dieser Stelle eindringlich dafür plädieren, dass auch im Fashionzirkus - so wie in Hollywood mit der goldenen Himbeere - ein Preis für die schlechteste Performance des Jahres vergeben wird. Die Igitt-Bag, der goldene Stinkstiefel, etwas in der Art. Dieses Jahr unangefochtener Favorit auf die Trophäe: Dolce & Gabbana. Nachdem den Italienern vorgeworfen wurde, sich mit diskriminierender Werbung und Posts über China lustig zu machen, lieferten sie ein so klägliches Entschuldigungsvideo ab, dass man ihnen zur Strafe lebenslang die Melodie von "Sorry seems to be the hardest word" von Blue featuring Elton John ins Ohr einpflanzen möchte. Mit dem Sänger zankte sich das Designer-Duo ja bekanntlich auch schon mal auf Instagram. Ein Gutes wird die Posse haben: Obwohl das Wachstum der Modebranche seit Jahren fast nur von Asien angeschoben wird, haben wenige Marken die chinesischen Kunden wirklich ernst genommen. Sie galten als willige "Allesfresser": große Logos, etwas Bling, ein chinesisches Alibi-Model als landestypische Garnierung - fertig war die Asia-Box. Der ewige Hochmut dürfte nach dem massiven Boykott von Dolce & Gabbana vorbei sein. Die chinesischen Konsumenten haben ein neues Selbstbewusstsein - zu Recht: 2019 soll die Volksrepublik die USA als größten Modemarkt der Welt ablösen. Was heißt "Sorry" noch mal schnell auf Mandarin? Top: Black Power Detailansicht öffnen Zwei, die sich bestens verstehen: der Designer Virgil Abloh (links) und Edward Enninful, Chefredakteur der britischen "Vogue". (Foto: Getty Images Entertainment/Getty) Die Mode ist eine kurzlebige Kunst, aber manche Dinge dauern auch hier eine halbe Ewigkeit. Die Dominanz weißer Protagonisten und ihrer Sicht auf die Welt in allen Bereichen - vor und hinter der Kamera, auf den Laufstegen, in den Kreativabteilungen - wurde über Jahrzehnte als Normalität akzeptiert. Wer daraus eine grundsätzliche Frage machte, war als Spaßbremse im falschen Business. Ob sich daran nun grundlegend etwas ändert, wird sich weisen. Aber Tatsache ist: 2018 war das Jahr von "Black Power" in der Mode. Allen voran legte Edward Enninful, ghanaisch-englischer Chef der britischen Vogue , in seinen ersten zwölf Monaten einen fulminanten Auftakt hin. Der 46-Jährige macht ernst mit einem neuen Blick auf die Mode. Weniger von der alten Formel "Weiß-dünn-westlich", mehr Offenheit: Im Mai hob er neun Mädchen auf den Titel, darunter Halima Aden mit Hijab und die üppig runde Paloma Elsesser. Die September-Nummer zierte dann Rihanna, die amerikanische Vogue punktete in ihrer Herbstausgabe dafür mit Beyoncé. In der Designer-Riege machte derweil Virgil Abloh als erster schwarzer Kreativchef bei Louis Vuitton Schlagzeilen. Und das Model der Stunde, allgegenwärtig und nicht auf den Mund gefallen? Adwoa Aboah, deren Familie aus dem britischen Adel und aus Ghana stammt. Die Devise für 2019: Weiter so! Flop: Übergriffige Kamerakünstler Detailansicht öffnen Rausgeflogen bei "Vogue": Starfotograf Mario Testino. (Foto: Jeff Spicer) Mario Testino arbeitet jetzt ja wieder. Wie die South China Morning Post am 17. Dezember meldete, sollen ihn ein paar südostasiatische Millennials für "private Foto-Sessions" angeheuert haben. Millennials, haha, Jungmilliardäre träfe es sicher besser. Obwohl ein echter Testino in diesem Jahr bestimmt günstiger zu haben war als 2017. Da war er noch Star-Fotograf bei Vogue und nahm auf der Fashion Week zwischen Grace Coddington und Anna Wintour Platz. Das ist für ihn erst mal vorbei, genauso wie für Bruce Weber und Patrick Demarchlier, ebenfalls Bildkünstler in Diensten der Vogue. Man fragt sich, wer außer Peter Lindbergh und Steven Meisel überhaupt noch übrig ist, der diesen superglossigen und dabei irgendwie pseudointimen Vogue-Look herstellen kann. Jedenfalls haben Scharen von Models allen drei Herren sexuelle Übergriffe vorgeworfen, worauf die internationale Hochglanzszene sie fallen ließ wie heiße Kartoffeln. Es war schließlich das "Me Too"-Jahr. Testino, Weber und Demarchelier bestreiten seither die Vorwürfe. Aber das tut Harvey Weinstein ja auch. Top: Dior Men Detailansicht öffnen Schluss mit Streetstyle: Kim Jones führte bei Dior Homme eine neue Eleganz ein. (Foto: Gamma-Rapho via Getty Images) Wegbereiter, ein gewichtiges Wort, aber Großspurigkeit war in der Modebranche noch nie ein Fehler. Folglich hat der British Fashion Council seinen in diesem Jahr neu ausgelobten Preis "Trailblazer Award" getauft. Das klingt nach einer Ehrung für ein altes Schlachtross, nach lebenslanger Pionierarbeit. Aber Kim Jones ist erst 39. Der Designer, ein sommersprossiger, pummeliger Londoner, darf sich nun also offiziell als Vorreiter der Männermode fühlen. Und zwar vollkommen zu Recht. Mit seiner ersten Show für Dior hat Jones eine der besten Männer-Kollektionen des Jahres abgeliefert. Er galt bisher als Fachmann für luxuriöse Streetwear, brauchte aber bei Dior nur wenige Monate Vorbereitungszeit, um mit seinem Debüt eine neue Marke zu setzen: ein sehr lässig cooles Dandytum in Porzellantönen, mit gemusterten Hemden, Taschen aus Wiener Geflecht und perfekt geschnittenen Hosen zu Bomberjacken mit Spitzenborte. Eine Spur Oscar-Wilde-Dekor im 21. Jahrhundert - lobenswert! Weil es in der Männermode ja auch mal gut ist mit straßenköterhaften Gangsta-Looks. Und, nicht zu vergessen, Jones meint es ernst mit Genderneutralität: Dior Men für Frühjahr 2019 ist aus Frauensicht eine Kollektion zum Wegschnappen. Zumindest die Jacke aus Spitze.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/fashion-2018-ganz-schoen-was-los-1.4266659
Fashion 2018 - Ganz schön was los
00/12/2018
Was bewegte die Mode im Jahr 2018? Kehrtwende bei Celine, Neubeginn bei Dior Homme, übergriffige Fotografen - und natürlich diese Hochzeit! Die Tops und Flops im Überblick.
[]
mlsum_de-train-220713
mlsum_de-train-220713
Bei den Frauen: Lady Gaga Instagram und Online-Shopping macht inzwischen jeder - klar, dass es bei der Wahl der Stilkönigin also nicht mehr um den Look allein gehen kann, oder? Einen Sinn für Ästhetik vortäuschen können mittlerweile selbst Bewohnerinnen der kulturellen Wüste, und so ist sogar avantgardistische Coolness à la Tilda Swinton seit Instagram nur noch eine leere Hülle (es sei denn natürlich, es steckt Tilda drin). Deswegen: Herzlichen Glückwunsch, Lady Gaga, unsere Ikone 2018! Der Hammerfilm "A Star is born", in dem sie größtenteils ungeschminkt neben Bradley Cooper sang, war dabei nur ihr zweitgrößter Stil-Triumph. Viel mehr beeindruckte sie uns vor einigen Monaten auf einer Award-Bühne, in einem voluminösen Herrenanzug. Der "Me Too"-Chor aus Hollywood ist in diesem Jahr ja um einiges leiser geworden. Es scheint, als prügelten die Damen sich hinter den Kulissen lieber wieder um die knappsten Kleider, die härtesten Fitnesstrainer und die unsichtbarsten Dermatologen. Oder, um hier mal aus der Dankesrede von Gaga zu zitieren: Kann ja wohl nicht sein, dass weibliche Stars wie Mitglieder eines gigantischen Beauty-Contests zur Belustigung des Publikums gegeneinander antreten. Was ja irgendwie auch für alle anderen weiblichen Erdenbürger zählt. Also habe sie sich für den Anzug entschieden, in dem traurigen Wissen, dass alles, was zähle, ihr Look sei. Und so machte sie uns vor, was guter Geschmack heute bedeutet: genau das auszunutzen. Mit jedem Zentimeter Stoff Haltung zu zeigen. Aber nicht alle Eitelkeit abzulegen, das wäre dann doch übertrieben. Schließlich war der Anzug ein gut durchdachtes Stück von Marc Jacobs. Julia Werner Bei den Männern: Robert Habeck Das bundesweite Auftauchen von Robert Habeck als Grünen-Vorsitzender im Januar fühlt sich ein bisschen so an, als ob unterm Schuljahr ein neuer Lehrer die Klasse übernimmt. Man konnte sich gar nicht rechtzeitig mit Spuckekugeln munitionieren, da hatte er mit seinem Charme und den aufgekrempelten Ärmeln schon alle überrumpelt. Der Schriftsteller und Philosoph Habeck gibt sich eigentlich auch seither wie ein netter Lehrer. Einer, bei dem man zwar nicht besonders viel fürs Abi lernt, aber eben fürs Leben. Zur lockeren Ausstrahlung trägt vermutlich sein nicht vorhandenes Jurastudium bei. Er wirkt neben altgedienten Politikern irgendwie immer gesünder, herzlicher und weniger frustriert. Und, nebenbei bemerkt, Habeck scheint seinen Körperschwerpunkt genau zu kennen, denn wenn er steht und winkt, ist er immer extrem gut ausgewuchtet. Er strahlt jedenfalls eine stabile Kuhwärme aus, die ihn über die Parteigrenzen vermittelbar macht. Das dürfte für seine weitere Karriere die entscheidende Eigenschaft sein, denn ein mehrheitsfähiger Grüner ist nicht jeden Tag im Schaufenster. Und Habeck weiß, welche Outfits seine guten Gene unterstreichen. Nie ist er mit Krawatte zu sehen, dafür in allen Variationen des smart casual: T-Shirt-Sakko, offener Kragen, halbteure Pullover. Damit grenzt er sich von Turnschuh-Joschka oder Alm-Anton ab, und zielt in die Normalo-Mitte. Seine Sachen passen ihm, seine Farben sind männlich-dezent, seine Körpersprache ist angenehm zurückhaltend. In einem Jahr voller starker Frauen und dilettierender Politik-Männer reicht das schon zum ersten Platz. Max Scharnigg
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/ladies-gentlemen-stilikonen-2018-1.4266665
Ladies & Gentlemen
00/12/2018
Ta-daaa: die Stil-Redaktion hat ihre modischen Gewinner des Jahres gekürt. Eine amerikanische Sängerin und ein deutscher Politiker dürfen sich diesmal freuen.
[]
mlsum_de-train-220714
mlsum_de-train-220714
Früher schrieb man kitschige Sinnsprüche nur in Poesiealben. Heute verstopfen Aphorismen Twitter und Co. Was findet eine abgeklärte Netzgeneration an diesem Gesülze? Kein Geheimnis: Das Web ist ein Paradies für Sprücheklopfer. Jeden Tag werden hier von den aktiv Beteiligten kleine Ratschläge oder große Weisheiten verbreitet und Alltagsphilosophen versuchen sich an der Einordnung des Weltenlaufs. Für alles, was die Millionen meinungsfreudigen Menschen auf Twitter, Facebook und Co. nicht in Worte gefasst kriegen, gibt es Tafeln mit Sinnsprüchen oder eben englisch: Quotes. Die Aphorismen und Zitate, die in vielen Schriftarten auf bunten Tafeln präsentiert oder mit Fotos hinterlegt werden, fungieren als emotionale Sättigungsbeilage und ersetzen bei vielen Instagram-Accounts und Tumblr-Feeds streckenweise eigene Inhalte. Wenn einem nichts einfällt, bedient man sich eben am Buffet der Sinnsprüche, die sich aus Quote-Archiven ziehen lassen oder die man selbst zusammenbastelt. Im Grunde wie im Alltag: Wenn Menschen nicht wissen, was sie sagen sollen, flüchten sie sich in Phrasen - das klingt immer souverän, und man kommt ewig damit durch. Detailansicht öffnen Vor manchen Quotes sitzt man erst einmal und rätselt. (Foto: imago) Man mag den Abreißkalender mit Eichendorff-Sprüchen aus Omas Küche für das antiquierteste Ding der Welt halten, aber die "Motivational Quotes" die einem heute auf Schritt und Tritt im Netz begegnen, sind eigentlich nichts anderes. Jeden Tag ein guter Spruch, jeden Tag eine Durchhalteparole, jeden Tag ein vages Mantra. Oder eben Tausende, je nach persönlichem Netzumfeld. Erstaunlich sind an dieser Spruchtafelkultur mehrere Dinge. Zum Beispiel die oft bizarre Qualität der Zitate und Quotes. Denn neben den üblichen Oscar Wilde-/Sitting Bull-Floskeln, die auch schon im analogen Zeitalter kursierten, hat der enorme Bedarf im Web zu ziemlich niedrigen Schwellen bei der Frage geführt, was eigentlich wert ist, auf einer leuchtenden Tafel verewigt und hundertfach verlinkt zu werden. Tausende Variationen von Befindlichkeits-Banalitäten wie "You are loved, no matter how you feel!" gehören da eher schon zur akademischen Liga. Zitate aus Songs sind besonders beliebt, scheinen aber keine andere Qualität mehr haben zu müssen, als dass sie in einem Lied vorkommen. Vor manchen Quotes, die einem in die Feeds gespült werden, sitzt man jedenfalls rätselnd viel länger als die paar Pathos-Sekunden, die dafür veranschlagt sind. "Vergisst du, wo du herkommst, kommst du nicht, wo du hinwillst" etwa. Ein Spruch, der kürzlich groß auf der Startseite von Tumblr präsentiert wurde, und den deutschen Rapper Veysel als Urheber ausweist. Aber nicht mal gerappt kann man sich diese krude Syntax besonders sinnreich vorstellen. Noch schlimmer wird es meist, wenn sich die Nutzer an Übersetzungen versuchen oder ihre Gedanken zum Aphorismus erheben. "Du hast drei Möglichkeiten im Leben: aufgeben, nachgeben oder alles geben", plakatiert etwa User gedankenlyrik auf Tumblr. Tja, klingt irgendwie richtig? Aber wie genau? Auch die Facebook-Prophezeiung: "If I could travel for free, no one would ever see me again", montiert auf ein Wüstenfoto, wirft nach der ersten Begeisterung Fragen auf. Detailansicht öffnen Motivationssprüche wie diese ersetzen notfalls den Coach - tschakka! (Foto: imago) Anderes klingt so tief und philosophisch, dass man es sofort teilt, etwa die Feststellung: "We kill all the caterpillars and complain that there are no butterflies" (Wir töten die Raupen und beklagen uns, dass es keine Schmetterlinge mehr gibt), die derzeit rotiert. Das tönt pastoral, ohne dass jemand wohl sagen könnte, in welchem Zusammenhang es der australische Kinderbuchautor John Marsden einst geschrieben hat. Egal, like. Alles was gesamtkritisch die Weltlage betreffend ist, wird besonders gern als Quote weiterverbreitet. Google spuckt heute Hunderte Millionen Treffer für die Suche nach "Motivational Quotes" aus, es gibt riesige Archive mit starken Sätzen für jeden Anlass, fast wie in einem gigantischen Postkartendrehständer. Sprüche für Feministen, Manager und Verliebte, aber auch für Sportler und Tierfreunde oder verzagte Eltern. ("Ein Kind zu haben bedeutet immer, ein Stück seines Herzens außerhalb seines Körpers zu tragen") Viele der Sachen sind so kitschig, dass man sich fragt, wie eine abgeklärte Netzgeneration eigentlich auf so ein Gesülze Wert legen kann. Aber die Spruchtafeln sind eben Wohlfühl-Fugenkitt, sie passen überall dazwischen, fallen nicht ins Gewicht und treffen immer auf Bedarf, wenn auch nur mit der Präzision von Glückskeksen. "Stay close to people who feel like sunshine" (Suche die Nähe von Menschen, die strahlen wie die Sonne). Dazu ein Regenbogenfoto, Herrgott, wie wahr und schön. Daumen hoch!
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/aphorismen-sinnsprueche-poesiealbum-1.4266668
Aphorismen in Sozialen Medien
00/12/2018
Früher schrieb man kitschige Sinnsprüche nur in Poesiealben. Heute verstopfen Aphorismen Twitter und Co. Was findet eine abgeklärte Netzgeneration an diesem Gesülze?
[]
mlsum_de-train-220715
mlsum_de-train-220715
Kling, Kästchen, kling! Mit einem Digitalradio kann man so viele Sender wie nie zuvor hören. Sieben Modelle im Test. Das Knistern in der Luft beim Radiohören werden künftige Generationen genauso wenig kennen wie das Knacken von Langspielplatten, denn auch Radiohören wird digital. 250 Radioprogramme sind inzwischen über das digitale Signal DAB+ zu empfangen, die Zahl der DAB-Geräte wächst derzeit exponentiell. Denn digitale Radios haben für Hörer echte Vorteile. So ist der Klang oft klarer und kommt ohne Übertragungsrauschen aus. Und außerdem können im DAB-Netz weitaus mehr Programme angeboten werden als es die beschränkte Zahl von UKW-Frequenzen ermöglicht. Die SZ-Tests im Überblick Diesen und alle weiteren SZ-Produkttests finden Sie hier. Schon jetzt sind eine Reihe von über DAB+ ausgestrahlten Nischensendern entstanden, die zum Teil ein großes Publikum haben, etwa Deutschlandfunk Nova, BR Heimat oder Detektor FM. Und umgekehrt verzichten erste Sender wie Deutschlandfunk, Klassik Radio und Radio FFH mancherorts bereits auf ihre UKW-Frequenzen. Um das Neujahrskonzert in schönster Qualität zu empfangen, könnte die Anschaffung eines DAB-fähigen Radios also angesagt sein. Nur, zu welchem soll man greifen? Es gibt Digitalradios, die zusätzlich Wlan-fähig sind, eine Bluetooth-Schnittstelle und USB-Anschlüsse haben und eher einer Musikanlage gleichen. Andere Radios beschränken sich auf die klassische Funktion: die Übertragung des linearen Live-Programms - nur eben (auch) über den digitalen Standard. Eben diese einfacheren Radios für Küche oder Badezimmer wurden in diesem Test miteinander verglichen.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/test-digitalradio-dab-1.4259999
Test: Das ist das beste Digitalradio
00/12/2018
Kling, Kästchen, kling! Mit einem Digitalradio kann man so viele Sender wie nie zuvor hören. Sieben Modelle im Test.
[]
mlsum_de-train-220716
mlsum_de-train-220716
Einkaufen und die Ware kostenlos zurückschicken - mit diesem Service versuchen Onlinehändler, ihre Kunden zum Bestellen zu motivieren. Mit zweischneidigem Erfolg: Der Onlinehandel boomt, noch stärker aber boomt die Lust am Umtausch. Gerade nach Weihnachten befinden sich wieder jede Menge Elektrogeräte, Pullover oder Bücher auf dem Weg zum Anbieter. Laut einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom ist die Retourenquote in den vergangenen zwei Jahren um 20 Prozent gestiegen. Demnach schicken die Deutschen etwa jede achte Bestellung zurück, junge Shopper unter 30 sogar fast jede fünfte. "Frauen tauschen öfter um, nämlich jeden siebten Einkauf, während Männer nur jeden zehnten Einkauf zurückgeben", sagt Julia Miosga, Leiterin des Bereichs Handel und Logistik bei Bitkom. Besonders häufig betrifft dieses Verhalten Modehändler: "Die Retourenquoten von Kleidung sind enorm hoch und steigen von Jahr zu Jahr", sagt Miosga. Jeder Zweite gibt an, Waren hin und wieder mit der Absicht zu bestellen, sie zurückzuschicken. Großhändler wie Zalando bestätigen, dass die Umtauschquote bis zu 50 Prozent beträgt und quasi zum Geschäftsmodell gehört. Zum einen, weil Kunden gleich mehrere Modelle in unterschiedlichen Größen ordern, um sich zuhause eine entsprechende Auswahl zu sichern. Zum anderen, weil Abendkleider oder Anzüge zu festlichen Anlässen häufig nur einen Abend getragen und anschließend zurückgeschickt werden. Bundesweit kommen so mehrere Hundert Millionen Pakete jährlich zusammen. Die Kosten trägt der Anbieter, für den sich das Geschäft dennoch lohnt. Und die Umwelt. Doch warum handeln Konsumenten so, obwohl sie damit Verschwendung zelebrieren, Billiglöhne unterstützen und dem Klima schaden? "Weil es kostenlos ist", sagt Wirtschaftspsychologe Felix Brodbeck, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Durch diesen suggerierten Vorteil entwickle der Kunde die Präferenz, lieber daheim zu shoppen. "Wer sich nicht für eine Farbe entscheiden kann - und auch nicht muss -, denkt in dem Moment nicht an den unterbezahlten Paketboten oder die Klimabilanz." Manchmal kommt es billiger, die Ware zu spenden Die verschmähte Kleidung wird größtenteils so aufbereitet, dass sie erneut zum Verkauf angeboten werden kann. Doch solche Maßnahmen kosten Zeit und Geld, mindestens zehn, mitunter bis zu 50 Euro pro Artikel. Manchmal kommt es billiger, die Ware zu spenden, etwa an Online-Händler wie Momox oder Rebuy, die daraus ein eigenes Geschäftsmodell gemacht haben. Oft sehen sich Händler gar gezwungen, Ware zu entsorgen - erst im Juni wurde bekannt, dass Amazon massenhaft retournierte Massenware vernichtet. Immer mehr Onlinehändler bemühen sich daher, zu gewährleisten, dass der Kunde von vornherein die passende Ware erhält: durch detailliertere Produktinformationen oder neue Vermessungstechnologien, die die individuellen Maße der Kunden ermitteln. Auch Virtual Reality soll künftig zum Einsatz kommen: "Etwa um auszuprobieren, wie ein Möbelstück im eigenen Wohnzimmer wirkt", sagt Miosga von Bitkom. Wirtschaftspsychologe Brodbeck kann sich gut vorstellen, dass sich das Problem in ein paar Jahren von selbst löst: "Dann stellt der Kunde plötzlich fest, dass ihm das Einkaufserlebnis fehlt. Und verlangt, wieder mit einem echten Menschen zu interagieren." Bis dahin wird Umtauschen wohl weiter zum Geschäftsmodell gehören.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/online-shopping-retoure-1.4267643
Online-Shopping: Will ich, will ich nicht
00/12/2018
Jede achte Internet-Bestellung wird zurückgeschickt. Weil es kostenlos ist. Oft wird die Ware dann vernichtet. Weil es billiger ist.
[]
mlsum_de-train-220717
mlsum_de-train-220717
Berlin Die Idee dieses Bildes ist die Verbindung von zwei Berliner Motiven. Ich liebe Caspar David Friedrichs "Frau am Fenster" aus der Alten Nationalgalerie. Den Schiffsmast habe ich dann durch den Fernsehturm vom Alexanderplatz ersetzt, und die Ikone der Romantik damit ins Jetzt geholt. Und aus der Frau im steifen Kleid wird eine lässige Berlinerin. Nach Berlin sind wir nach elf Jahren New York 2008 gezogen, und mittlerweile würde ich auch sagen, dass die Stadt meine Heimat ist. Auch wenn man sich hier gerne mit Neuankömmlingen schwer tut. Mein Lieblingscartoon dazu stammt von Schilling & Blum: Zwei Hipster sitzen im Café. Sagt der eine: "Ich wohne erst seit einem Monat in Berlin, aber ich hasse schon alle, die nach mir gekommen sind."
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/niemann-illustration-ausstellung-1.4262376
Illustrator Christoph Niemann über seine Arbeit
00/12/2018
Christoph Niemann gehört zu den gefragtesten Illustratoren der Welt. Im Gespräch erzählt er, wie seine Werke entstehen und was er an Instagram schätzt.
[]
mlsum_de-train-220718
mlsum_de-train-220718
Warum stürzen sich Architekten und Designer so auf Frachtcontainer? Sie sind nicht umweltschonend und rosten vor sich hin, aber: Sie treffen den Nerv der Zeit. Zu Besuch in einer Berliner Manufaktur. Die Zimmer wirken wie Lofts. Lang gezogen, mit einer Front aus Glas, sodass drinnen alles voller Licht ist. Draußen dann Terrassen und Laubengänge aus Metall, die einen an die Feuerleitern von New Yorker Apartmenthäusern erinnern. Und doch ist das nicht Manhattan, sondern Berlin. Das kommunale Studentenwohnheim im Plänterwald wurde 2017 eröffnet, und seither werden die Betreiber mit Anfragen aus aller Welt überrannt. Das liegt nicht nur am Preis, 440 Euro für 25 Quadratmeter, alles inklusive. Sondern vor allem daran, dass man während des Studiums wohl kaum origineller unterkommen kann als hier. Denn das Wohnheim ist zu einem Teil aus Containern gebaut, Schiffscontainern, um genau zu sein. Diesen riesigen Boxen, mit denen Waren auf Frachtern um die Welt geschickt werden. Meistens sind sie zwölf Meter lang und knapp zweieinhalb Meter breit. Gefertigt aus Stahl, der dem Gebäude rauen Industriecharme verleiht und sich an der Witterung zu einem warmen Braunton verfärbt hat. Eine Rostlaube gewissermaßen, nur in stylish. Zwischen Architektur und Kunstinstallation Wenige Dinge sind bei Architekten und Innenausstattern derzeit so angesagt wie Schiffscontainer. Begonnen haben vor einigen Jahren die Leute der Schweizer Taschenfirma Freitag, die an einer Autobahnbrücke in Zürich einen ganzen Turm aus metallenen Frachtboxen aufstellen ließen. 26 Meter hoch, an den Seiten verglast und nachts beleuchtet, ist der Freitag Tower ein Wahrzeichen der Stadt. Wer unten durch die Verkaufsräume schlendert oder die Treppen hoch zur Aussichtsplattform steigt, befindet sich in einem Gebäude, bei dem man nicht sagen kann, ob es schon Architektur ist oder noch eine Kunstinstallation. Ein Bauwerk, das zugleich massiv und flüchtig ist, denn so schnell ein Turm aus Containern errichtet ist, so einfach kann er auch wieder abgetragen werden. Und erst das Material: Seecontainer sind immer gleich und überall erhältlich, ein Rohstoff, der nie ausgehen wird, solange sich die Menschheit ihre Konsumgüter über den gesamten Erdball schippern lässt. Sie sind das Symbol und Produkt einer globalisierten Welt, in der man global denkt und handelt. Mit Betonung auf Produkt, denn inzwischen stehen die Behältnisse oft selbst im Mittelpunkt. Sie werden zu Showrooms auf Messen recycelt oder zu Pop-up-Stores in Einkaufszentren. Man verwandelt sie in Bars oder Cafés, die man einen Sommer lang im Park oder bei einem Festival aufstellt. Im oberbayerischen Aresing hat ein Künstler im Gewerbegebiet einen Seecontainer zu einer Kapelle umgebaut, mit hohen Fenstern aus blauem Glas und einem Glockenturm aus Metall, eine ganz neue Art von Kirchenschiff. In Berlin entstand schon eine ganze Kunsthalle aus Schiffscontainern: ein dunkler Kubus, an dem man noch die Verriegelungen der Metalltüren erkennen konnte. Mit einer Veranstaltungshalle, Büros und einer Lounge darin, um zu arbeiten, zu feiern oder Kunst zu machen. Ein Ort, der selbst wie ein Container funktionierte, weil er immer mit etwas anderem gefüllt werden konnte. Berlin liegt zwar nicht am Meer und hat auch keinen nennenswerten Hafen, die Möglichkeiten, die Seecontainer bieten, hat man hier aber erkannt. In einer alten Industriehalle im Osten der Stadt zum Beispiel. Dort betreibt Nils Clausen eine Manufaktur für Schiffscontainer. Clausen, 52, ist eigentlich Architekt, und die längste Zeit seines Lebens hat er damit verbracht, Oldtimer-Boote zu sammeln und zu renovieren. Wenn man zu ihm will, muss man erst an alten Yachten oder einem ausrangierten Polizeiboot aus den Niederlanden vorbei. Von Clausens Leidenschaft für Boote war es dann nicht mehr weit zu den Schiffscontainern. Seit 2010 ist er im Geschäft, da wollte die Berliner Modemesse Bread and Butter ein Empfangsgebäude für das Tempelhofer Feld. Clausen nahm Container und baute daraus eine Mischung aus Turm und Treppe. Was finden die Leute eigentlich an dem Material? Er führt durch seine Halle. Es ist laut und riecht nach Metall, überall wird gehämmert und geschweißt. Clausen öffnet seinen Prototyp, den gebrauchten Container mit den vielen kleinen Fenstern in Metallrahmen, ursprünglich ein Pavillon für Tommy Hilfiger. Er bleibt vor einem Container stehen, der aussieht wie die Veranda eines amerikanischen Vorstadthauses, hell gestrichen und vorne offen. Ein Container für Raucher, wie er sehr oft von großen Firmen bestellt werde, sagt Clausen, während er über das Metall streicht. Detailansicht öffnen Schön kuschelig: Innenansicht des Studentendorfes. (Foto: Andreas Süß/HOWOGE) Was finden die Leute eigentlich an dem Material? Sehr umweltschonend ist es ja nicht, die Container werden in China produziert und mit Schiffen und Lastwagen nach Berlin verfrachtet, ein Großteil der Kosten geht für den Transport drauf. Dazu müssen die Container, selbst wenn sie gedämmt sind, entweder gekühlt oder geheizt werden. Clausen sagt, das Faszinierende sei die gewellte Außenhaut, "dazu das Bewegliche, das Gefühl, das kann schnell wieder weg sein". So oder so: Der Trend zum Container hat längst auch das private Wohnen erreicht. Wenn es darum geht, die Wohnungsnot in den Metropolen zu lindern, ist stapelbare Architektur oft das Mittel der Wahl, ob sie nun aus Schiffscontainern besteht oder anderen Modulen aus Metall, Kunststoff oder Holzfaserplatten. Container werden aufgestellt, um Flüchtlinge schnell unterbringen zu können oder Unterkünfte für Obdachlose zu schaffen. An einer Durchgangsstraße im Südosten Londons hat Richard Rogers, einer der bekanntesten britischen Architekten, aus knallbunten Containern eine Siedlung geschaffen, sozialen Wohnungsbau zum Stapeln. Tiny House statt Einfamilienhaus Und immer öfter wollen Leute in Containern wohnen, die eigentlich genügend Geld haben, erzählt Nils Clausen. Er entwirft gerade ein Penthouse aus nebeneinander gelegten Schiffscontainern, mit drei verglasten Seiten. Clausen schnappt sich die Bauklötzchen, die er immer auf einem Tisch liegen hat, um den Leuten zu zeigen, was er meint. Wie man die Container aneinanderreiht, wo man am besten Wände herausnimmt oder noch eine Terrasse aufsetzt, seine Arbeit bezeichnet er als "Upcycling". Neues Leben für alte Container. Clausen hat inzwischen so viel zu tun, dass er sich eine neue Produktionshalle am Rand von Berlin bauen wird. Sie wird ganz aus Seecontainern bestehen, sogar das Dach. Unlängst sei ein Mann auf ihn zugekommen, sagt Clausen, Mitte zwanzig, Start-up-Branche, und sagte: Ich hätte gerne je einen Wohncontainer in Kopenhagen, New York und Berlin. Rein rechtlich sei das gar nicht mal so kompliziert, für ein Gartenhaus etwa braucht man oft keine Baugenehmigung, und viele Kommunen seien wahrscheinlich offen für Dinge, die man auch wieder loswerden könne. Es gehe darum, wie man heute leben wolle, sagt Clausen. Die Schiffscontainer, die klein und kompakt, schnell auf- und wieder abgebaut sind, treffen den Nerv einer Generation, die überall unterwegs sein muss und sich auf nichts festlegen will. Die kein Einfamilienhaus bauen möchte, sondern am liebsten in jeder Stadt der Welt ein Tiny House hätte.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/container-architektur-wohnen-design-1.4259986
Bautrend Schiffscontainer - Liebe zur Kiste
00/12/2018
Warum stürzen sich Architekten und Designer so auf Frachtcontainer? Sie sind nicht umweltschonend und rosten vor sich hin, aber: Sie treffen den Nerv der Zeit. Zu Besuch in einer Berliner Manufaktur.
[]
mlsum_de-train-220719
mlsum_de-train-220719
Die Orange passt zu fast allem, eine besonders glückliche Partnerschaft aber geht sie mit Schokolade ein. Wer findet, er hatte im Advent schon genug Süßes, hat diese Orangentrinkschokolade noch nicht probiert. Weihnachtszeit ist Orangenzeit. Doch wenn wir ehrlich sind, dann trauen wir der beliebtesten Zitrusfrucht der Welt weniger zu, als ihre Popularität vermuten ließe. Natürlich ist sie ein hübscher Farbfleck auf bunten Tellern und ihr Saft erfrischend, doch die ganze Bandbreite ihrer Vorzüge - Süße, Säure, Fruchtigkeit, die zarten Bitternoten ihrer ätherischen Öle - offenbart sich erst, wenn man sie in der Küche kombiniert. Wobei es egal zu sein scheint, womit: Diese Frucht schmeißt sich gewinnbringend an alles ran, was der Kühlschrank hergibt. Nur ein Beispiel: Eine einzelne, ungeschälte, im Ganzen gekochte und pürierte Süßorange ergibt ein hocharomatisches Mus, das nicht nur die Basis für den legendären Mandel-Orangen-Kuchen von Claudia Roden (unbedingt googeln und ausprobieren!) bildet, sondern auch für den fantastischen Salat aus Safranhühnchen, Chili und Fenchel von Yotam Ottolenghi (dito). Eine ihrer glücklichsten Partnerschaften aber geht die Orange mit dunkler Schokolade ein. Und wer findet, er habe zuletzt genug Süßes gehabt, der hat vermutlich die heiße Orangenschokolade von Paul Ivić ("Vegetarische Winterküche") noch nie probiert. Dafür 125 g Zartbitterschokolade über dem heißen Wasserbad schmelzen. 125 ml Sahne und 60 ml Milch aufkochen, mit der Schokolade gut verrühren. Diese Ganache auf vier Tassen verteilen (etwa 4 bis 5 EL pro Tasse). Dann 240 ml Milch mit dem Abrieb einer Bio-Orange und dem Mark einer Vanilleschote aufkochen, je ein Viertel davon über die Ganache in jeder Tasse gießen, erneut verrühren und sofort servieren. Mit Zimtblüten in der Milch wird sie noch feiner. Und zur Not lässt sich die Menge auch auf eine große Tasse verteilen.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/geschmackssache-orange-trinkschokolade-1.4260005
Geschmackssache: Die Ranschmeißer-Orange
00/12/2018
Die Orange passt zu fast allem, eine besonders glückliche Partnerschaft aber geht sie mit Schokolade ein. Wer findet, er hatte im Advent schon genug Süßes, hat diese Orangentrinkschokolade noch nicht probiert.
[]
mlsum_de-train-220720
mlsum_de-train-220720
Susanne Bisovsky zerlegt die festgezurrten Gewandregeln für Dirndlrock, Spenzer oder Bluse, um die Einzelteile zur freien Verfügung für Neues zu haben. Manchmal passen Ort und Werk fast zu schön zusammen, um wahr zu sein. Für eine Modeschöpferin in Wien mit einer Schwäche für verflossene Zeiten kann es keine bessere Adresse geben als den Brillantengrund. Allein dieser Name klingt magisch, eine alte Bezeichnung für den 7. Bezirk, in dem einst Tuchfabrikanten reich wurden. Susanne Bisovsky hat ihren Salon für "Haute Couture und Prêt-à-porter" in der Seidengasse 13. Es geht über Kopfsteinpflaster durch einen Torbogen. Im ersten Stock bittet die Designerin in ihr Atelier mit Kronleuchter. Ein sehr wienerischer Auftakt. Derlei bekommt Bisovsky öfter zu hören, sie lächelt nachsichtig. "Ach ja, Sie finden das typisch Wien?" Und klack, schon schnappt die Klischeefalle das erste Mal zu. Das kann in diesem Atelier schnell passieren. Kaum jemand spielt in der Mode so virtuos mit Stereotypen wie die Österreicherin. Das gilt für die Einrichtung der Räume in k. u. k. Manier (Hutschachteln, Fransenlampe) - bitte, da muss man doch Sigmund Freud oder die Walzersippe Strauss hinter der nächsten Tür vermuten. Und das gilt vor allem für ihre Entwürfe. Susanne Bisovsky macht Tracht, und in kein anderes Stück Textil wird seit Generationen so viel an Bedeutung interpretiert. Heimat. Beständigkeit. Alte Werte. Tracht ist das Modeklischee. Da macht es natürlich besonders viel Freude, die Erwartungen zu enttäuschen. Versatzstücke eines bestimmten Kleidungsstücks oder Stils in einen ungewohnten Look zu verwandeln, das nennen Modefachleute gerne hochtrabend Dekonstruktion. Und Susanne Bisovsky zerlegt die festgezurrten Gewandregeln für Dirndlrock, Spenzer oder Bluse, um die Einzelteile zur freien Verfügung für Neues zu haben. Ihre Trachtlerinnen sehen aus wie ein Mix aus tartarischer Windsbraut und Tirolerin. Oder wie mondäne Schwarzwaldmädel mit andalusischem Putz. Ihre luxuriösen Kreationen kommen an, die 50-Jährige ist viel beschäftigt. Eine Ausstellung im Weltmuseum Wien, Projekte mit dem Kristallkonzern Swarovski - die Geschäfte laufen. Detailansicht öffnen Dralle Dirndl mit Totenkopf wird man bei Susanne Bisovksy (hier im Bild) nicht finden. Dafür Akzente aus aller Welt. (Foto: Susanne Bisovsky) Sie beherrscht das Jonglieren mit Folklore-Elementen Als "Schaukasten" bezeichnet die Designerin beim Rundgang ihre Werkstatt, das trifft die Atmosphäre in den vier Meter hohen Räumen ganz gut. Bisovsky, in schwarzer Tunika und Filzturban à la Beauvoir, führt vorbei an Schatullen mit Knöpfen und alten Borten, an einem Dutzend ausladender Bauernhüte an der Wand. Neben bunten Schultertüchern hängt eine Reihe lodengrauer Wollröcke, nach alter Plissiertechnik in Falten gelegt. Das ist der Fundus, das textile Reservoir. "Meine Schätze", sagt Bisovsky und öffnet eine Schublade voller zerschlissener Perlenbeutel, die sie mit geübtem Griff entwirrt. Was sie am Ende aus alten Versatzstücken und neuen Stoffen zusammensetzt, hängt zur Anprobe auf Bügeln bereit: Taillierte Kleider, Schößchenjacken aus Spitze, ein Jackie-Kennedy-Mantel in perfekter A-Linie. Bisovskys Kollektionen heißen "Schöne Wienerin" oder "Dreimäderlhaus", aber volkstümlich im herkömmlichen Sinn ist keiner der Entwürfe. Vielmehr wird Tracht hier als Stilrepertoire begriffen und zitiert, so wie die Mode ja grundsätzlich ihre Anklänge an Epochen und Kulturen offenlegt - etwa durch das Nachahmen des Hippie-Looks oder das Einarbeiten japanischer Elemente. Die Modeschöpferin beherrscht das Jonglieren mit Folklore-Elementen virtuos. Harmonische Proportionen, viel bestickter Rosenstoff, ein Paar geknöpfte Stiefeletten hier, aufgenähte Häkeldeckchen dort: Das ist in einer ziemlich einmaligen Melange elegant, ironisch und kunstfertig zugleich. "A magical collection", schwärmte sogar die Großkritikerin Suzy Menkes. Seither kommt die Klientel auch aus New York oder Shanghai. Zu Hause in Wien schob die medienwirksame Maßanfertigung eines Abendkleids für die damalige Opernballchefin Desirée Treichl-Stürgkh den Umsatz an. Susanne Bisovsky hat ihre detailverliebte Handschrift schrittweise entwickelt. Nach der Ausbildung an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien holt sie der französische Designer Jean-Charles de Castelbajac nach Paris, später entwirft sie für den puristischen Helmut Lang und das Label Kathleen Madden. Aber die Faszination für Tracht, über die Kommilitonen "die Nase rümpfen, das galt damals als provinziell", lässt sie nicht los. Als Bisovsky 1999 ihr Label gründet, bringt sie also Erfahrung mit. Sie weiß, dass man als Newcomer nur in einer Nische überlebt. Sie ist versiert in Schnitttechnik. Und sie kann weglassen. "Das habe ich von Helmut Lang gelernt, im richtigen Moment aufhören." In ihrem Fall bedeutet das: dosierte Opulenz. Detailansicht öffnen Die Wiener Designerin mag es, das Exotische mit dem Traditionellen zu verbinden. (Foto: Bianca Hochenaue) Ihre Beute auf dem Flohmarkt: ein moldawischer Teppich, der später zum Rock wird Bei Haute Couture kann das bis zu 4500 Euro kosten. Abseits des Modebetriebs fühlt sich die Österreicherin am wohlsten, als eine Art Orchideenlabel. "Strange beauty" attestierte Suzy Menkes ihren Entwürfen, eine fremde, fremdartige Schönheit. Sie pfeift auf den Stakkato-Output der Modewochen, arbeitet lieber bestehende Modelle immer wieder um, variiert Stoffe und Besätze. Basics sind figurbetont geschnittene Röcke und Kleider. Taillenkurze Jacken, anliegende Oberteile, die in einer Kooperation mit der Porzellanmanufaktur Augarten auch mal mit klirrenden Keramikplättchen besetzt sein können. Wenn ihr bei Beutezügen auf Flohmärkten ein moldawischer Rosenkelim ins Auge fällt, hängt der irgendwann als Rock auf einem Bügel im Atelier. Wie man so etwas trägt? Zu Sneakers zum Beispiel, oder mit einem weißem T-Shirt. Ein Bisovsky-Teil funktioniert am besten als alleinstehende Extravaganz. "Von Kopf bis Fuß in meinen Sachen", sagt sie selbst, "das würd' ich nicht machen." Außer für Werbeshootings natürlich, und die märchenhaften Bilder haben im Netz ihren Teil beigetragen zur leisen, aber beharrlichen Karriere der Wienerin. Komplette Geschichten werden in den Fotostrecken erzählt, von verlassenen Datschen im Winter, bleichen Schneeköniginnen. Häkelstrümpfe zu High Heels, Berchtesgadener Strick zur spanischen Mantilla: Epochen- und Regionsgrenzen interessieren Bisovsky nicht. Ihr Begriff von Tracht fügt altehrwürdige Muster und Formen mit Bedacht zusammen - weit entfernt vom spaßig drallen Totenkopfdirndl und ähnlich missglückten Promenadenmischungen der Landhausmode. Detailansicht öffnen So kunstvoll geschmückt können Beine sein. (Foto: Jenny Koller) Von falschen Freunden ist Susanne Bisovsky übrigens verschont geblieben, "und darüber bin ich froh", sagt sie. Die eine oder andere Rechtsaußendame könnte in Zeiten der schwarz-blauen Regierung in Wien ja durchaus Interesse an einer Trachtendesignerin haben. Aber dieser Kundin wären die Modelle aus der Seidengasse garantiert zu wenig forsch und adrett. Hier umweht alles ein Hauch Melancholie und Weltflucht. Was wiederum ein typisches Merkmal folklorelastiger Mode ist, die in Wellen immer wieder aufkommt. Trachten als Gegenentwurf zur kalten, technisierten westlichen Gesellschaft: Das hat schon in den Siebzigern den Erfolg der berühmten "Collection Russe" von Yves Saint Laurent befeuert. Nach demselben Prinzip löste Chanel vor vier Jahren mit Karl Lagerfelds Salzburger Defilee Euphorie aus, als Models wie Cara Delevingne, Inbegriff des Großstadtmädchens, das Rosenresli gaben. So wie es aussieht, kann Susanne Bisovsky ihr Spiel mit Klischees noch eine Weile treiben. Die niederländische Trendforscherin Li Edelkoort hat soeben ein zunehmendes Interesse an Tracht prophezeit.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/bisovsky-designerin-tracht-1.4259995
Wiener Dirndl-Virtuosin
00/12/2018
Designerin Susanne Bisovsky löst kunstvoll das Trachten-Klischee auf. Sie vereint in ihren Entwürfen Habsburger Opulenz mit andalusischen Akzenten.
[]
mlsum_de-train-220721
mlsum_de-train-220721
Wie Trüffel, Kaviar oder Austern heute war die südamerikanische Kartoffel vor 400 Jahren in Europa noch so selten und teuer, dass sie als aphrodisierend galt. In gewissem Sinne stimmte das sogar: Wo die Knolle später billig und allgegenwärtig geworden war, gab es wenig Mangelernährung, und die Bevölkerung wuchs enorm. Bei ihrer Verbreitung spielte der Kartoffelsalat von Anfang an eine Rolle. Schon 1597 beschreibt der englische Botaniker John Gerard in seinem Buch "The Herball" nicht nur als erster Europäer die Kartoffelpflanze, sondern auch wie man die Knollen zubereitet: mit Essig, Salz und Wein. Ein Benediktinerabt namens Caspar Plautz lieferte 1621 ein sehr ähnliches Rezept auf Latein, bei ihm kommen auch Öl und Pfeffer an den Salat. Doch warum gilt heute in Deutschland gerade Kartoffelsalat mit Würstchen als typisches Essen für den 24. Dezember? Die Frage lässt sich nicht klar beantworten, eine von Indizien gestützte Theorie muss reichen: Heiligabend gehört zur vorweihnachtlichen Fastenzeit - ob die am 24. Dezember mit Aufgang des ersten Sterns, um Mitternacht oder erst am 6. Januar endet, ist aber Interpretationssache. Im streng katholischen Polen jedenfalls gibt es an Heiligabend vegetarische Fastengerichte - zwölf verschiedene, für jeden Apostel eines. Dazu gehört auch ein Salat mit Mayonnaise, Gemüse und Kartoffeln. Würstchen hingegen passen eigentlich gar nicht in den Speiseplan an Fastentagen, und doch essen wir sie an Heiligabend. Es finden sich sogar Kartoffelsalat mit Seefisch oder Karpfen unter den traditionellen Festvarianten. Das erklärt sich vielleicht daraus, dass man selbst in sehr christlichen Gegenden die vorweihnachtliche Fastenzeit nie so streng einhielt wie die vor Ostern. Tiere, die man nicht durch den Winter füttern wollte kamen vor Weihnachten zum Schlachter. Dort fielen immer auch wenig haltbare Würste an und die wurden natürlich gegessen - Fastenzeit hin oder her. So passt die Kombination von Würstchen und Kartoffelsalat tatsächlich gut zu Heiligabend. Kein ganz einfaches Gericht Guter Kartoffelsalat macht mehr Arbeit, als man denkt, aber ein Argument für ihn ist, dass er sich gut vorbereiten lässt. Kein Wunder also, dass die Tradition bis heute beliebt ist - es bleibt ja genug zu tun in den letzten Stunden vor Weihnachten. Allerdings sollte man einen vorbereiteten Kartoffelsalat noch einmal sorgfältig abschmecken, kurz bevor er auf den Tisch kommt. Auch sollte der Salat nicht kalt serviert werden, das schadet dem Geschmack. Wenn möglich also die Schüssel rechtzeitig aus dem Kühlschrank holen und Zimmertemperatur annehmen lassen. Detailansicht öffnen Manche Restaurants erfüllen unterschiedliche Kartoffelsalatwünsche: Etwa der Burgerladen Cosmogrill in München. (Foto: Alessandra Schellnegger) Einzelne Rezeptvorlieben haben vor allem mit Ideologie und Erinnerungen zu tun. In Süddeutschland sind etwa Vorurteile gegen norddeutsche Kartoffelsalate mit Mayonnaise verbreitet. Zu mächtig lautet der Vorwurf. Dabei wirken vor allem fertige Mayonnaise-Kartoffelsalate aus dem Eimer pampfig. Ein bayerischer Kartoffelsalat aus der Fabrik ist auch nicht besser. Wenn man aber zu Hause die Kartoffelscheiben zuerst mit Brühe und etwas Essig sanft mariniert, sodass die Scheiben in Würzflüssigkeit ruhen, dann macht es später keinen Qualitätsunterschied, ob man den Salat mit Mayonnaise oder mit Öl verfeinert. Ob mit Brühe, (sauren) Gurken oder Apfel, ob mit oder ohne Senf, Speck, Feldsalat oder Endivien, ob mit harten Eiern oder sogar mit Sardellen - alle Kombinationen sind möglich, und alle passen zur Kartoffel. Hauptsache, der Salat wird gut gewürzt und am Ende liebevoll abgeschmeckt. Guter Kartoffelsalat ist aus guten Kartoffeln Wirklich entscheidend für das Aroma des Salates sind - wen wundert es - die Kartoffeln. Festkochende Sorten haben den Vorteil, dass sich ihre Scheiben in der Marinade nicht gleich auflösen. Auch lassen sie sich leichter schneiden als mehligkochende Sorten. Doch gibt es Liebhaber, die weniger festkochende Sorten bevorzugen, wie zum Beispiel die aromatische, halbfeste "Agria". Manche geben sogar einzelne mehligkochende Kartoffeln mit in den Kartoffelsalat, um die Marinade stärker zu binden. Gerade längliche, festkochende Kartoffelsorten haben oft ein schönes Kastanienaroma und dazu eine Form, aus der sich besonders gut gleichmäßige messerrückendicke, runde Scheiben schneiden lassen. Infrage kommen unter anderem die Sorten "Tannenzapfen" oder "Rosa Tannenzapfen", verschiedene Sorten österreichischer "Kipfler", französische "La Ratte" oder "Bamberger Hörnchen". Die traditionelle "Linda" und die neue Sorte "Allians" sind nicht ganz so schlank geformt, aber schön stabil und schmecken genauso gut. Ein weiterer wichtiger Trick: Wenn man zuerst klein gewürfelte Zwiebeln in eine Schüssel gibt, diese mit kochender Brühe übergießt und dann die Kartoffeln direkt in die Brühe schnippelt, wird das intensive Aroma roher Zwiebeln gemildert und die Kartoffelscheiben haben genug Zeit, um etwas Brühe aufzunehmen, ein Garant für besonders viel Geschmack.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/heiligabend-essen-kartoffelsalat-1.4260001
Essen & Trinken - Weihnachten ist ein Fest für die Kart
00/12/2018
An Heiligabend gibt es traditionell Karpfen - oder eben Würstchen und Kartoffelsalat. Aber wie geht ein richtig guter Kartoffelsalat?
[]
mlsum_de-train-220722
mlsum_de-train-220722
Im Wiener Restaurant "Habibi & Hawara" werden Flüchtlinge zu Gastronomen ausgebildet. Das ist nicht nur ein lobenswertes Projekt, sondern vor allem ein lohnenswertes Lokal. Die gute Gemüseküche hier füllt eine Lücke in der Gastronomie der österreichischen Hauptstadt. Wenn es eine österreichische Antwort auf Yotam Ottolenghi in London gibt, dann ist es das Habibi & Hawara in Wien. Das Lokal wirkt zwar lange nicht so schick, und die Speisen sind nicht so elaboriert wie beim berühmten britischen Levante-Koch. Aber es ist populär, meist sogar rappelvoll, und es ist einer der wenigen Zufluchtsorte in Wien, an dem frische, gemüsereiche Küche unprätentiös auf den Tisch kommt. Wer in Österreich Lust auf knackige Salate und gut gewürzte vegetarische Gerichte hat, muss sich bis heute oft blöde Sprüche anhören ("Erdäpfelsalat zum Schnitzel ist gesund genug!"), und in den Beisln der Hauptstadt gehen Knödel, Nockerl oder Tascherl mit Käse und Spinat eh als Gemüse durch. Für das Habibi & Hawara ist es nicht unwichtig, dass seine Küche in Wien eine Lücke füllt. Denn es geht hier auch um ein Integrationsprojekt. Der Name bedeutet so viel wie "Freund & Freund". Habibi meint den arabischen Liebling, Hawara den Wiener Kumpel. Das Restaurant ist entstanden als Antwort auf die Flüchtlingskrise im Sommer 2015. Geflüchtete arbeiten gemeinsam mit Einheimischen. Ziel der Initiative von Martin Rohla und Katha Schinkinger ist die Ausbildung von Flüchtlingen zu Gastro-Unternehmern, die mittels eines Social-Franchise-Systems künftig auf eigenen Beinen stehen sollen. Es geht also um Nachhaltigkeit, und da ist es wichtig, dass die Küche viele anspricht. Allein um ein lobenswertes Projekt zu unterstützen, würde man hier ja auf Dauer nicht essen gehen. Detailansicht öffnen Auch die zentrale Lage schräg gegenüber der Börse im ersten Bezirk finden offenbar viele Gäste praktisch. Erst vor ein paar Monaten wurde das Restaurant um eine ehemalige Pizzeria erweitert. Ganz fertig renoviert ist noch nicht, aber das stört keinen. Die Einrichtung ist auch ohne Baustelle wild, auf den abgetretenen Böden liegen Orientteppiche, farbenfrohe Deko ist kombiniert mit gemütlich runtergewohntem Wiener Schick. Das Personal ist erwartungsgemäß Multikulti und die Stimmung für Wiener Verhältnisse fast schon übermütig fröhlich. Die Welthauptstadt des Grants zeigt sich hier von ihrer großzügigen Seite. Zu Mittag lockt ein Buffet (mit Desserts und Tee 15,90 Euro) - die Angestellten naher Büros und Kanzleien ebenso wie Touristen. Detailansicht öffnen Etwa 15 kalte Speisen, wie sie in Libanon oder Israel ganz normal wären, eröffnen hier vegetarische Horizonte. Die großteils saisonalen Gemüse - ob Kürbis oder Süßkartoffeln, Brokkoli oder kleine Champignons, Karfiol (Blumenkohl), Melanzani (Auberginen) oder Okraschoten - werden sortenrein im Ofen gebacken oder langsam weich geschmort und dann markant (aber nie zu üppig!) abgeschmeckt mit gerösteten Gewürzen wie Kreuzkümmel oder Koriander, mit Tahin oder Joghurt, Unmengen frischer Petersilie oder Minze sowie mit der Säure von Zitronen, Sumach oder Granatapfel. Die Vintage-Teller sind von ebenso vielfältiger Herkunft wie die Speisen und das Personal. Das syrische Tabouleh, Petersiliensalat mit etwas Bulgur, schmeckt hier so köstlich wie selten, weil kräftig zitrussauer. Um die frisch gebackenen ägyptischen Falafel "Tameya nach Aboudis Rezept" herrscht ein G'riss, verständlich, weil sie nicht zu dicht gepresst und knoblauchüberwürzt sind, sondern so knusprig, weich und harmonisch, dass man klammheimlich den für das gesamte Lokal gedachten, viel zu kleinen Falafelteller als Beute zum eigenen Tisch mitnehmen möchte, um dort ein Laibchen nach dem anderen wegzuknabbern, immer abwechselnd mit einem Klacks vom Hummus. Der hat hier nichts von der zusammengehauenen, sesampastenklebrigen Schwere wie in den üblichen Buden. An Warmem gibt es Lammköfte, Okra-Eintopf und andere wenig attraktiv aussehende, aber köstliche Schmorgerichte. Die Gefahr besteht, dass man bei den Vorspeisen hängen bleibt und sich dabei satt und glücklich isst. Die Desserts würden dagegen von mehr österreichischem Mehlspeisen-Know-how profitieren, sie sind im Vergleich zu den salzigen Speisen etwas eindimensional und trocken. Abends wird das Familienmenü tischweise geteilt, zum Fixpreis von 25,90 Euro pro Person serviert das auffallend höfliche Personal Etagèren, auf denen viele verschiedene und ähnliche Speisen wie zu Mittag gereicht werden. Wenn etwas besonders gut schmeckt, darf Nachschlag geordert werden. Und wenn auch der Hawara bei den Speisen - also der österreichische Einfluss in der Küche - bis zu den warmen Gerichten am Abend so gut wie unsichtbar war, dann ist er es bei einem Gericht umso mehr: Butterweich geschmortes Schulterscherzl kommt auf einem Bett aus dem gelobpreisten Hummus, darauf ausgelöste Kerne eines reifen Granatapfels. In einem Satz Unprätentiöses Nahost-Lokal, das erst auf den zweiten Blick als Sozialprojekt erkennbar wird, weil das Essen auch ohne dieses Wissen gut ist. Qualität: ●●●●○ Ambiente: ●●●○○ Service: ●●●●○ Preis/Leistung: ●●●●● Würde das ein Koch in einem Wiener Traditionsbeisl machen, so würde er mit nassen Fetzen aus der Stadt gejagt werden. Stünde das Scherzl in einem Weinbistro auf Käferbohnenpüree mit eingelegten Dirndln (Kornelkirschen) auf der Karte, dann würde man die Köchin feiern. Im Habibi & Hawara ist es die Essenz dessen, worum es bei der Weiterentwicklung einer Küche und einer Gesellschaft geht: das Integrieren neuer Einflüsse. So gesehen funktioniert die Integration im Habibi & Hawara vorzüglich. Kein Wunder also, dass hier so ausgelassen gefeiert wird.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/lokaltermin-habibi-hawara-1.4260003
Lokaltermin - Habibi & Hawara
00/12/2018
Im Wiener Restaurant "Habibi & Hawara" werden Flüchtlinge zu Gastronomen ausgebildet. Das ist nicht nur ein lobenswertes Projekt, sondern vor allem ein lohnenswertes Lokal. Die gute Gemüseküche hier füllt eine Lücke in der Gastronomie der österreichischen Hauptstadt.
[]
mlsum_de-train-220723
mlsum_de-train-220723
Luxuriöse Jesus-Latschen oder doch eher die elaborierte Version des Weihnachtspullovers? Unsere Modekolumnisten haben sie getestet. Für sie: Besinnliche Jesuslatschen Pakete verschickt, Gans abgeholt, den Ehemann zum Christbaumkauf gejagt und das letzte Schleifenripsband ergattert? Herzlichen Glückwunsch, einem fröhlichen Weihnachtsfest steht nun nichts mehr im Wege! Bis auf die schmerzenden Füße von der ganzen Rennerei. Schon im letzten Jahr empfahlen wir ja zum Weihnachts-Pulli flache Schuhe, damit der Weg vom Ofen zum Tisch pannenfrei abläuft. Dieses Jahr gehen wir noch einen Schritt weiter, denn auch der Festtagslook will dem Zeitgeist angepasst werden: Warum sollten wir am Heiligen Abend plötzlich elegante Sohlen tragen, wenn wir den Rest des Jahres hauptsächlich in Turnschuhen und sonstigem Schluffi-Schuhwerk verbracht haben? Hier ist die ultimative Lösung: die Weihnachtsschlappe aus kuscheligem Tartan-Tweed, garniert mit genau der richtigen Dosis Engelshaar und Perlen. Zwar ist sie von der Designerin Simone Rocha nicht offiziell als solche deklariert. Allerdings könnte man sie ja wohl problemlos als exzentrischen Schmuck an den Baum hängen (was übrigens immer ein gutes Kaufargument für Schuhe ist). Kombiniert wird die luxuriöse Jesuslatsche am besten mit entwaffnender Schlichtheit obenrum und frisch lackierten Fußnägeln in Lakritz. Aber da ja wahrscheinlich noch schnell Vanillekipferl gezaubert werden müssen, tun es bei Zeitmangel auch schöne schwarze Rippsocken.Zusammengefasst ist die moderne Pantoffelheldin also zwar völlig besinnungslos, wirkt aber trotzdem besinnlich. Frohe Weihnachten! Julia Werner Für ihn: Der verlängerte Weihnachtspullover Detailansicht öffnen Weihnachtspullover von The Elder Statesmen (Foto: The Elder Statement) Das Tragen von brutalistischen Weihnachtspullovern nach angelsächsischem Vorbild hat sich mittlerweile auch hier in einem Maße durchgesetzt, dass man es eigentlich schon wieder sein lassen kann. Ist Ironie erst mal zu Kult geronnen, lässt sie sich schließlich nur noch schwer genießen. Allerdings hat der Trend einen Vorteil - er enthebt einen von jeglichen Outfitsorgen an den Feiertagen, man schlüpft einfach in den "festive sweater", lässt sich belächeln und fertig. Vermutlich ist genau diese Männer-Bequemlichkeit auch der heimliche Motor hinter der Verbreitung der komischen Pullover. Außerdem haben sie durchaus noch eine praktische Funktion - eingetrocknete Cumberland-Saucenflecken fallen zwischen den Applikationen und grellen Designs kaum auf. Bei diesem weiterentwickelten Modell des kalifornischen Luxuslabels The Elder Statesmen dürften Flecken aber doch nerven. Denn erstens rangiert das Kaschmirteil in einer vierstelligen Preiszone, zweitens wurde das Stück sozusagen zur Ganzjahresverwendung aufbereitet - das Palmenmuster ist deshalb auf dem Rücken angebracht, während die Vorderseite schlicht schwarz geblieben ist. So lässt sich das Ding unter dem Sakko tragen, und keiner merkt, dass hinten die Palmenpost abgeht. Zweitens ist das eigentliche Motiv übersaisonal einsetzbar und in seiner X-Massigkeit derart gedimmt, dass sich der Träger damit locker auch bei anderen Familienfesten sehen lassen kann. Trotzdem nicht gerade ein Must-have. Max Scharnigg
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/mode-kleidung-weihnachten-pullover-schuhe-1.4259988
Ladies & Gentlemen - Was trägt man unterm Baum?
00/12/2018
Luxuriöse Jesus-Latschen oder doch eher die elaborierte Version des Weihnachtspullovers? Unsere Modekolumnisten haben sie getestet.
[]
mlsum_de-train-220724
mlsum_de-train-220724
Die Filme der Men in Black-Reihe weisen gleich mehrer filmikonische Requisiten auf - die Blitzdings-Geräte und die dazugehörigen Schutzbrillen etwa. Und natürlich die namensgebenden Anzüge der Agenten, in denen sie so elegant Jagd auf Aliens machen. Für den nächsten Teil der MiB-Reihe, der 2019 in die Kinos kommen soll, bestätigte nun der Londoner Modedesigner Paul Smith seine Zusammenarbeit mit Sony Pictures. Smith liefert also die maßgeschneiderte Anzüge für die Hauptfiguren sowie für weitere Rollen. Die Anzüge seien natürlich schwarz, aber durchaus auch mit den bekannt bunten Paul-Smith-Details versehen. Als Hauptdarsteller werden in dem Film unter anderem Chris Hemsworth, Emma Thompson und Liam Neeson zu sehen sein. Detailansicht öffnen (Foto: PR) Dior erweitert seine wuchtige Buchserie über die Designer des Pariser Couturehauses - jetzt ist Gianfranco Ferré an der Reihe. Der Italiener übernahm 1989 für sieben Jahre die kreative Leitung bei Dior, als erster Nicht-Franzose - was damals noch ein Aufreger war. Die Branche fragte sich, ob das gutgehen könne, und es ging gut. Ferré hatte - anders als seine Vorgänger Yves Saint Laurent und Marc Bohan - nie mit Christian Dior zusammengearbeitet, teilte mit dem Gründer aber die Leidenschaft für Opern und, so heißt es, für die Farbe Rot. Dem studierten Architekten gelang es, mit seinen glamourösen Entwürfen aus Lamé oder bemaltem Leder Dior nach Jahren stilvoller Ideenlosigkeit zu verjüngen. Und er verhalf der Marke zur lang ersehnten It-Bag, wie sie andere Labels bereits vorweisen konnten. 1995 entwarf er für Prinzessin Diana die "Lady Dior", inzwischen ein Klassiker, der gerade von Künstlerinnen für eine Sonderedition neu gestaltet wird ("Dior by Gianfranco Ferré", erschienen bei Assouline zum Liebhaberpreis von 180 Euro, assouline.com). Detailansicht öffnen (Foto: PR) Die Wiener Schuh-Manufaktur Ludwig Reiter setzt eigentlich stets auf Understatement und zurückhaltende Herrenmode. Für eine limitierte Edition geht es bei Reiter jetzt aber ziemlich bunt zu - dafür sorgt eine Kollaboration mit dem Künstler Conor Mccreedy. Der in der Schweiz lebende Südafrikaner hat 200 Paar Sneakers mit seiner Signature-Farbe "Mcreedyblue" so verziert, dass sie aussehen wie seine eigenen Schuhe nach einem Tag an der Staffelei: voller Flecken und Farbspritzer nämlich. Jedes Paar ist anders verkleckst und ein Unikat, das deshalb auch mit Echtheitszertifikat des 31-jährigen Künstlers kommt - und wahrscheinlich gleich in die Vitrine wandert. Jedenfalls sollte man, falls sie doch benutzt werden, diese Schuhe nur sehr vorsichtig putzen. Detailansicht öffnen "Der vielleicht letzte Pullover der Welt": Das ist natürlich übertrieben, aber schön griffig formuliert - und wenn's einer guten Sache nützt, sind Zuspitzungen erlaubt. Der Schweizer Ableger des World Wildlife Fund for Nature (WWF) wirbt mit dem alarmierenden Spruch für einen Pulli des Zürcher Designers Julian Zigerli. Der Erlös aus dem Verkauf des buntgescheckten Modells kommt WWF-Initiativen gegen die Folgen des Klimawandels zugute, vor allem in der Arktis. "Damit das ewige Eis auch ewig bleibt", heißt es auf der Webseite der Umweltorganisation zu Zigerlis Projekt "The Last Sweater". Und weiter: "Wenn wir jetzt nicht entschieden gegen den Klimawandel vorgehen, ist bald Schluss mit dem Kuschelklima." Julian Zigerli, 34, hat den Pulli aus Bio-Merinowolle passend zum Thema mit schmelzenden Smileys und SOS-Eisbären versehen (215 Euro, erhältlich unter shop.wwf.ch). Die Mode tut sich doch erstaunlich schwer mit ethnischer Korrektheit, ein Lapsus jagt den nächsten. Da war der indianische Federschmuck bei der Victoria's-Secret-Show, da waren die als Geisha geschminkte Karlie Kloss in einer Modestrecke der Vogue und ein Koranvers auf einem Chanel-Body. Im November beleidigten Domenico Dolce und Stefano Gabbana ganz China, als sie in einem Promotion-Video ein chinesisches Model Spaghetti mit Stäbchen essen ließen und sich dann nicht mal ordentlich entschuldigten. Nun hat auch Prada seinen kleinen Skandal: Im Schaufenster der Boutique in SoHo landeten zwei sündteure schwarze Nippesfiguren mit roten Wulstlippen, die von Betrachtern als rassistisch empfunden wurden. Der Konzern versicherte, dass es sich nicht um "blackfacing" handele - und nahm die Figuren aus dem Sortiment.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/kurz-gesichtet-men-in-black-schuhe-in-blau-und-gute-pullover-1.4259990
Kurz gesichtet - Men in Black, Schuhe in Blau und gute Pullover
00/12/2018
Die neuen Anzüge für MiB kommen von Paul Smith, während Prada gerade eher Probleme mit schwarzen Männern hat. Wiener Herrenschuhe sind jetzt blau, und ein Schweizer macht Weltenretter-Pullover.
[]
mlsum_de-train-220725
mlsum_de-train-220725
Wer anfängt, sich mit dem merkwürdigen Schuhtrend, nämlich dem Tragen von Clogs und anderen klobigen Holzschuhen zu befassen, der landet schnell bei dem Wort Sabot. So heißen Holzschuhe in Frankreich. Dior zum Beispiel bezeichnet sein aktuelles Modell "Diorquake", einen Clog mit handbesticktem Hippie-Patchwork und Riemen an der Verse, als Sabot. Die Schlauen unter den Leserinnen und Lesern wissen es längst: Sabot steckt in einem anderen französischen Wort: Sabotage. Die ist ein laut dahertrampelnder, widerständiger Akt auf Holzsohlen. Oder war es einmal. Im19. Jahrhundert taucht das Verb saboter erstmals in französischen Wörterbüchern auf. Damals bedeutet es "Holzschuhe herstellen", aber auch "laut herumlaufen" (auf den Holzsohlen, und damit den Betrieb stören). Da ist es zur Sabotage nicht mehr weit. Die Frage lautet nun hier aber: Was genau sabotiert man heute, wenn man in 1290 Euro teuren "Diorquakes" herumläuft und laut "klonk klonk" macht? Geht es um eine nostalgische Luxusbesinnung auf die Jugendrevolte, die im Namen steckt? "Diorquake" bezieht sich ja auf den "Youthquake", das Jugendbeben der Sechzigerjahre, das in Miniröcken daherkam, aber eben auch in Vintage-Wallewallekleidern und Clogs. Allerdings gibt es momentan auch sehr viele andere, teils gar nicht so hippie-boheme-mäßig aussehende Clogmodelle, von Marni, Chloé und Gucci. Manche von ihnen sind viel minimalistischer gestaltet. Oder sie haben Nieten, die wie lange punkige Stachel aussehen. Die Holzsohle lässt die Trägerin ein wenig archaisch aussehen, als käme sie gerade vom Acker Es gibt keinen einheitlichen Clogstil gerade. Aber sehr viele Clogs. Man muss darum wohl grundsätzlicher darüber nachdenken: Will man mit Holzsohlen vielleicht den Imperativ sabotieren, dass man heute am besten auf leisen Sohlen unterwegs ist? Der Sneaker, zu Deutsch: der Schleicher, war in den vergangenen Jahren jedenfalls das dominante Schuhwerk. Die Mode hatte ihn erst als vulgär verschmäht, dann wurden Sneakers immer luxuriöser, teurer, wulstiger, hässlicher - und gerade dadurch modisch. Der Streetwear-Trend war für die Entwicklung wichtig, ebenso der Einfluss der Hip-Hop-Kultur. Jetzt ist die Entwicklung an ihr logisches Ende gekommen. Oder was könnte extremer und zugleich unsportlicher aussehen als die 700 Euro teuren "Triple-S"-Sneaker von Balenciaga, die geformt sind wie eine Hochzeitstorte, und die beim Gehen gar nicht mehr schleichen, sondern laut quietschen? Irgendwie muss es anders weitergehen, und da kommt die Holzsohle gerade recht - als ästhetisches Gegenprogramm, als Neustart am Fuß. Die Holzsohle lässt die Trägerin ein wenig archaisch aussehen, als käme sie gerade vom Acker, nicht vom Workout. Derb und bodenständig. Weil der Clog aber auch eine dicke Sohle hat, streckt er die Silhouette. Ähnlich wie der Pump. Aber viel weniger sexualisiert. "Klonk klonk" statt "klacker klacker". Das ist in Zeiten von "#Me Too" vielleicht auch ein politisches, ein feministisches Signal? Frauen, die jetzt Clogs tragen - oder Sabots, Klompen, Klotzen oder Zoggeli (es gibt so viele verschiedene, jeweils regionalspezifische Namen für mehr oder weniger dasselbe Prinzip) - wollen vielleicht auch etwas verweigern. Sie wollen nicht aussehen, als läge ihnen sehr viel daran, dauerfit und dauersexy auszusehen. Vielleicht ist der Clog auch ein Karriere-Sabotage-Schuh. Entweder man hat den Job eh nicht nötig (1290 Euro!). Oder man macht gerade Pause und entdeckt andere Werte für sich. Back to the roots, oder: back to the woods. Detailansicht öffnen Der Urvater der Clogs: Die hölzernen holländische Schuhe haben in den Niederlanden den lautmalerischen Namen "Klompen". (Foto: iStockphoto) In den USA heißen die neuen Clogsträgerinnen längst "The Clogerati". Es sind Frauen wie Lauren Mechling, eine junge Vogue-Kolumnistin und Harvard-Absolventin. Sie schrieb Anfang 2018 im New Yorker eine unterhaltsame Geschichte: "The Life-Changing Magic of Clogs". In ihr berichtet Mechling, wie sie plötzlich arbeitslos ist - und sich erst einmal bei dem angesagten New Yorker Label No.6 Clogs kaufen geht. Mit ihnen entdeckt Mechling ein ganz neues Leben, das zwar durchaus noch am Stromnetz und am WiFi hängt. Ansonsten ist es dem Selbstverständnis nach viel natur- und erdverbundener: mit Alpaka-Wollpullis, Kochbüchern von Yotam Ottolenghi, Indierock-Alben von St. Vincent und viel tüchtiger Selbstpflege. Glatt könnte man das "Clog Life" für das amerikanische Pendant zum dänischen Hygge-Lifestyle halten. Zu dem passen Clogs ja auch sehr gut. Allerdings - und hier kommen wir ab von der holzig-hyggeligen Heimeligkeit - kommen gerade auch Clogs in Mode, die nicht aus Holz sind. Sondern aus Polyurethan, wie der A630 von Birkenstock. Er ist ein Klassiker der Krankenpfleger-Garderobe. An praktischer Hässlichkeit kaum zu überbieten, sieht er aus wie ein Gummiboot mit verrutschtem Spoiler hinten. Dass ausgerechnet dieser Schuh derzeit oft auf Street-Style-Fotos zu sehen ist, liegt daran, dass 032c - das Berliner Label, an dem gerade kein Vorbeikommen ist - ihn zusammen mit Birkenstock uminterpretiert hat. Mit Camouflage-Muster drinnen und einem kuscheligen Lammfell, das man an kalten Tagen einlegen kann. Das macht ihn nicht hübscher. Wie so häufig bei 032c scheint es um die Beschäftigung mit der Frage zu gehen, was so deutsch aussieht, dass es schon wieder cool sein könnte. Ein Clog für Mann und Frau aus Kunststoff, der beim Auftreten dann auch gar nicht mehr so laut "klonk klonk" macht wie Holzclogs. Ist das nun geschummelt oder eine geniale Verquickung des Clogtrends mit dem Sneakertrend? Ein Schritt voraus oder nicht - das Modejahr 2019 wird es zeigen.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/mode-clog-streetwear-1.4259997
Mode: Ist der Clog ein feministisches Signal?
00/12/2018
Der Sneaker bekommt Konkurrenz: Angesagte Labels haben den Clog, einen klobigen Holzschuh mit fetter Sohle, für ihre Streetwear-Kollektionen entdeckt. Ein feministisches Signal?
[]
mlsum_de-train-220726
mlsum_de-train-220726
In Franken hat Hans Huss die Waldmast wiederentdeckt. Seine Schweine leben vor allem von Eicheln, ihr Fleisch ist besonders delikat. Und mit ihnen wächst auch der Artenreichtum im Wald. Die Mußestunden von Eichelschweinen sind eng durchgetaktet: Aufwachen, ausgiebig frühstücken und ab zum Mittagessen in den Wald. "Dort fressen sie sich mit Eicheln satt. Dann legen sie sich dicht an dicht zur Mittagsruhe hier in den Wald. Die kann schon mal von 13 bis 15 Uhr gehen", erklärt Hans Huss zufrieden. Anschließend lassen die Schweine den Tag gemütlich ausklingen, bevor sie sich zur Nachtruhe eng aneinander gekuschelt wieder zum Schlafen legen. Der Tagesablauf trägt maßgeblich dazu bei, dass die Qualität ihres Fleisches später einzigartig sein wird: Freiheit, Bewegung, die Gemeinschaft, das Fehlen von Stress und Enge. Einzigartig in Deutschland ist derzeit auch das Mastkonzept von Hans Huss. Der 49-Jährige ist Geschäftsführer der Eichelschwein GmbH; der Firmensitz liegt in Freising bei München, aber wer die Schweine sehen will, muss Huss in Unterfranken treffen, in einem Wald in der Nähe von Kitzingen. Dort leben die Tiere fast wie Wildschweine, nur dass sie eben nicht wild sind. Es ist ein kühler Herbsttag, die Sonne steht noch tief, die etwa 200 Tiere werfen im Morgenlicht lange Schatten, der aufgewirbelte Staub leuchtet orange. Bis auf das Grunzen, Schmatzen und Quieken ist es still. Nach und nach beginnen die Schweine, sich in Gruppen von gut 20 Tieren zusammenzufinden und langsam zwischen den Bäumen zu verschwinden. Im Sommer, wenn die Eicheln zu fallen beginnen, kommen sie hierher, die ältesten sind dann zehn Monate alt. Sie fressen sich rund und gesund, und eben vor Weihnachten werden die letzten geschlachtet. Dann steht das riesige Gehege für acht Monate leer. Früher war es normal, seine Tiere in den Wald zu treiben Eichelschweine gibt es auch in anderen europäischen Ländern. Am bekanntesten sind die spanischen, aus denen der würzige Jamón Ibérico de Bellota gemacht wird. Hauchzart aufgeschnitten schmeckt er am besten auf geröstetem Brot mit etwas Olivenöl. Im Grunde verwundert es, dass in Deutschland nur Huss die extensive Waldmast betreibt, denn früher wurden Schweine immer in die Wälder getrieben. Früher, das war vor der industriellen Massentierhaltung. Im Frühjahr trieb man die Schweine in die Flussauen. Nasser Boden macht ihnen nichts aus, Rindern oder Schafen aber schon. Im Sommer wechselte man. Dann kamen die Wiederkäuer in die nun trockenen Auen und die Schweine in die Wälder. Dort waren sie weit genug entfernt von den Gemüseäckern und -gärten, die sie sonst kahl gefressen hätten. Durch die Eicheln wurden sie dick und ihr Fleisch würzig, zugleich hielten sie den Wald in Ordnung. "Das hier ist ein sogenannter Eichenmittelwald", erklärt Huss. "Hier stehen alle paar Meter große Eichen, und die überragen alle anderen Bäume, die Hainbuchen etwa. Die Eichen in solchen Wäldern gaben früher das Futter für die Schweine, und wenn sie alt wurden, fällte man sie und nutzte sie als Bauholz. Die kleinen Hainbuchen wurden zu Brennholz verarbeitet", sagt Huss. So sei alles optimal genutzt worden. Auf die Idee mit den fränkischen Eichelschweinen kam Huss schon vor gut 20 Jahren, als er noch an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf studierte. Mit einem Professor für Waldbau saß er eines Tages beim Schweinebraten in der Mensa, und der schmeckte, wie Schweinebraten in der Mensa eben oft schmeckt - labberig, langweilig, zäh. Da geriet der Professor ins Schwärmen, erzählte vom delikaten Schweinefleisch, das er in Kroatien gegessen habe, von der Eichelmast der Tiere und dass Huss als angehender Agraringenieur davon doch wissen müsse. Der hatte aber noch nie etwas derartiges gehört. Huss begann zu recherchieren und schrieb schließlich seine Diplomarbeit über die Eichelmast und wie man sie wiederbeleben könnte.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/waldmast-eichelschweine-franken-1.4249010
Waldmast - Die köstliche Freiheit der Eichelschweine
00/12/2018
In Franken hat Hans Huss die Waldmast wiederentdeckt. Seine Schweine leben vor allem von Eicheln, ihr Fleisch ist besonders delikat. Und mit ihnen wächst auch der Artenreichtum im Wald.
[]
mlsum_de-train-220727
mlsum_de-train-220727
Eine Straße in der ghanaischen Hauptstadt Accra, gesäumt von Werbeplakaten für Hautbleichmittel. In Ghana sind solche Produkte wegen gefährlicher Nebenwirkungen seit 2016 verboten, wie in vielen anderen afrikanischen Ländern auch. Dennoch boomt das Geschäft, hinter dem ein zweifelhaftes Schönheitsideal steht. Der Jahresumsatz mit legalen Produkten wird weltweit auf zwölf Milliarden Dollar geschätzt, insgesamt sollen es mehr als 40 Milliarden Dollar sein. Auf dem Markt mischen Konzerne wie Garnier und Nivea mit ihren riesigen Werbebudgets mit.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/bleichcremes-afrika-frauen-1.4256938
Bleichcremes: Ruanda verbietet schädliche Hautaufheller
00/12/2018
Einige der Produkte enthalten Steoride, Blei oder Quecksilber. Sie können zu schweren Gesundheitsschäden führen.
[]
mlsum_de-train-220728
mlsum_de-train-220728
An Weihnachten sind Enten und Gänse ein beliebtes Festmahl. Aber mit welcher Geflügelschere lassen sie sich am besten bearbeiten? Sieben Modell im Test. Nicht mehr lang, dann weihnachtet es wieder. Höchste Zeit also, sich mit der Frage zu befassen, was an den Feiertagen auf den Tisch kommen soll. Raclette, Würstchen mit Kartoffelsalat oder doch lieber die Gans vom Biometzger? Wer das Geflügelmenü bevorzugt, steht dann gleich vor der nächsten Entscheidung. Welche Schere soll es sein? Nicht zu teuer, aber bitte auch kein Modell, das beim ersten Einsatz gleich kaputt geht. Die SZ-Tests im Überblick Diesen und alle weiteren SZ-Produkttests finden Sie hier. Vor dieser Entscheidung stand auch Thilo Kleehammer schon mal. Nur in einem anderen Kontext. Kleehammer, weißes Hemd, grüne Schürze, ist Franchise-Nehmer der Wienerwald-Filiale in München Laim. Er verkauft jeden Tag mehr als einhundert Hendl. Die Geflügelschere ist sein Freund, wenn sie tut, was er von ihr verlangt. "Ich schwöre auf ein Modell aus der Schweiz", sagt er, während hinter ihm zehn Hendl bei 250 Grad im Ofen schwitzen. "Genau wie bei Uhren und Skiern kann man sich da immer auf die Qualität verlassen." Was er von einer guten Geflügelschere erwartet? Für Kleehammer ist besonders wichtig, dass sie es auch mit etwas dickeren Knochen aufnehmen kann. "Was ich gar nicht mag, sind Scheren, die sich beim Schneiden verhaken oder schließen und sich dann nicht mehr öffnen lassen." Das koste alles Zeit. Auch die Optik ist ihm nicht ganz unwichtig. Beim Test sieht er zwei Modelle, die er eher in die Kategorie Gartenschere einordnet. Und auch beim Preis gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den getesteten Produkten. Das billigste Modell kostet knapp zehn, das teuerste fast 90 Euro. Zu Weihnachten bekommt Thilo Kleehammer jedes Jahr eine frische Gans von seinem Lieferanten. Die isst er dann an Heiligabend zusammen mit seiner Familie. "Ich bereite sie ganz klassisch zu. Gefüllt mit Maronen, Äpfeln, Beifuß, Salz, Pfeffer, ein bisschen Paprika, mehr nicht", sagt er. "Dann vier bis fünf Stunden in den Ofen und langsam immer wieder mit dem eigenen Fett übergießen. Ein Traum!"
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/gefluegelscheren-test-haehnchen-1.4249007
Geflügelscheren im Test - Gans einfach zerlegt
00/12/2018
An Weihnachten sind Enten und Gänse ein beliebtes Festmahl. Aber mit welcher Geflügelschere lassen sie sich am besten bearbeiten? Sieben Modell im Test.
[]
mlsum_de-train-220729
mlsum_de-train-220729
Die lange Arbeiterhose wurde zum Symbol der Französischen Revolution. Jetzt tragen die Demonstranten gelbe Westen. Auf den Laufstegen sah man die Warnfarben schon zuvor. Über eine Verbindung von Mode und Protest. Sie ist gelb, sie ist hässlich, sie passt zu nichts - aber sie kann Leben retten." So lautete der Plakatslogan, mit dem Karl Lagerfeld 2008 in Frankreich für neongelbe Warnwesten warb. Ein netter Witz, aber sicher kein modischer Vorschlag. Die Westen waren gerade Pflicht geworden. In jedem Auto in Frankreich musste von nun an eine mitgeführt werden. Ein überziehbares Warnschild für den Fall, dass man liegen bleibt oder sonst ein Ernstfall auf der Straße auftritt. Und ausgerechnet Lagerfeld, der selbst nur mit Chauffeur unterwegs ist, sollte damals den Franzosen die Verordnung schmackhaft machen, mit Augenzwinkern hinter der Sonnenbrille, versteht sich. Auf dem Foto trug er selbst so eine Weste. Die gelben Westen, die "Gilets jaunes", sind nun seit einigen Wochen das Erkennungszeichen derer, die in den Straßen Frankreichs protestieren, randalieren, politische Mitsprache für sich reklamieren, Präsident Macron zur Rechenschaft ziehen wollen und - ja, was wollen sie eigentlich, was genau? Die Kommentatoren und Analysten scheinen ihre Schwierigkeiten damit zu haben, die Gleichzeitigkeit von konkreten politischen Zielen (wie etwa der Verhinderung der höheren Ökosteuer auf Kraftstoff) mit dem Bildersturm auf die Symbole der Republik (wie den Triumphbogen) auf einen Nenner zu bringen mit dem sich entladenden Macron-Hass, ausgeraubten Apple-Stores und den Parolen aus beiden Spektren, rechts und links. "Eine Art Überschussbevölkerung, die der neoliberale Staat zu lange ungestraft ignoriert hat" sei hier unterwegs, mutmaßt der Berliner Philosoph Armen Avanessian, während Nils Minkmar auf Spiegel Online "eine fundamentale Dimension der Verzweiflung" erkennt. Welches Kleidungsstück schreit deutlicher: "Hallo! Hier! Nicht übersehen! Gefahr!"? Als gesichert darf derzeit wohl gelten, dass fast 70 Prozent der Franzosen grundsätzlich Sympathien für die Gilets jaunes hegen und dass die Bewegung, wenn man sie so nennen und damit ja vereinheitlichen will, eine Symbolik gefunden hat, die sprechender kaum sein könnte. Welches Kleidungsstück schreit deutlicher "Hallo! Hier! Nicht übersehen! Gefahr!" als so eine neongelbe Reflektor-Weste? Wer sie überzieht, kommuniziert aus der Position des Schwächeren heraus - als jemand, der Hilfe braucht und auf den Rücksicht zu nehmen ist. Wobei sich die Schwäche in der Masse auch zum Symbol der Stärke wenden kann, wie in Frankreich gerade zu sehen ist. Detailansicht öffnen Warnjacke von Calvin Klein. (Foto: Victor Virgile/Getty) Die Warnweste für Autofahrer geht historisch natürlich zurück auf das sogenannte High-visibility clothing, die Hoch-Sichtbarkeits-Kleidung, wie sie seit Mitte der 60er-Jahre für Bauarbeiter, Flughafenpersonal und andere Menschen in körperlich riskanten Berufen zunehmend zur Pflicht geworden ist. Was diese Menschen eint, ist, dass sie in ihren jeweiligen Professionen bereit sind, für wenig Bezahlung Körper und Gesundheit in Gefahr zu bringen. Plackerei. Hoher Verschleiß. Draußen sein bei jedem Wetter, in Wind und Nebel. Arbeiter-Schutzkleidung war in den vergangenen Jahren schon auf den Laufstegen zu sehen Stehen die Franzosen, die nun in dieser proletarischen Signal-Uniform auf die Straße gehen, historisch in einer Linie mit den Sansculottes, jenen Arbeitern und Arbeiterinnen "ohne Kniebundhosen" (sans culottes), die 1789 zu Partisanen der Französische Revolution wurden, weil sie von den miesen Lebensbedingungen unter dem Ancien Régime die Schnauze voll hatten? Es scheint so. Die Revolution geht in Frankreich einher mit dem stolzen Tragen eines ganz bestimmten Arbeitskleidungsstücks. Damals war es die lange Arbeiterhose, die sich von den kurzen Kniebundhosen, welche von Adel und Klerus getragen wurden, deutlich unterschied. Mit den langen Hosen zeigten die Sansculottes: Jetzt kommen wir, das Volk. Heute zeigen die "Gilets jaunes" mit ihren Westen vielleicht erst mal nichts anderes, als dass sie das Gefühl eint, liegen geblieben und von der Politik übersehen worden zu sein. Jetzt kann sie keiner mehr übersehen. Signalfarbe! Reflektorstreifen! Im Auge desjenigen, der gerne auch mal mit modischem Blick auf die Welt schaut, können sich dabei verstörende Doppelbelichtungen ergeben. Denn Elemente aus der Arbeiter-Schutzkleidung waren in den vergangenen zwei bis drei Jahren schon massig auf den Laufstegen zu sehen, lange vor den "Gilets jaunes". Moschino zeigte 2016 Damenkostüme à la Chanel aus Neongelb, Neonorange und Reflektorstreifen. Bei Vetements und Balenciaga tauchten sie auf. Der Stylist Marc Goehring, bekannt durch seine Arbeit bei dem sämtliche Coolness-Rankings anführenden Berliner Magazin 032c, trug im Sommer bei der Männermodewoche in Paris eine Reflektor-Arbeiterweste und wurde dafür von den Straßenfotografen geliebt. In der aktuellen Calvin-Klein-Kollektion von Raf Simons sind neongelb eingefasste Reflektorstreifen auf Pilotenanzüge appliziert, genauso auf Pelzmäntel. High und low, crash und cash. Proletarische Energie und Erotik bringen einen besonderen Kitzel in die Mode Hat die Mode die Pariser Straßenszenerien vom November und Dezember 2018 schon antizipiert? Das würde zu der einschlägigen Passage aus dem "Passagenwerk" des Philosophen Walter Benjamin passen, der an Mode durchaus interessiert war und ihr attestierte, in ihr kündigten sich kommende Revolutionen schon an. Und doch ist wahrscheinlicher, dass der aktuelle Reflektor-Neon-Trend in der Mode mehr mit dem anhaltendem Rekurs auf die Neunzigerjahre zu tun hat. Der brachte schon die Welle an wulstigen Ugly-Sneakers. In den Neunzigern trug man die ganz ähnlich, auf extrafetten Sohlen. Und auf Techno-Raves waren die Bauarbeiterwesten beliebt, oder ihre teureren Clubwear-Interpretationen von heute fast vergessenen Labels wie Daniel Poole oder Sabotage. Detailansicht öffnen Kündigt Mode immer schon die kommenden Revolutionen an? Warnjacke von Vetements. (Foto: Victor Virgile/Getty) Abgesehen davon pflegt die Mode ganz grundsätzlich ein nicht gerade gleichberechtigtes, sondern eher voyeuristisches Verhältnis zu den Uniformen der körperlich gefährlich schaffenden Bevölkerung, genannt Workwear. Holzfällerhemden, Jeans, Bomberjacken, zuletzt die Dachdeckerhosen mit zwei Reißverschlüssen im Schritt, wie bei dem Berliner Label GmbH: Die Anzapfung proletarischer Arbeitskraft, um nicht zu sagen deren Energie und Erotik, bringt in die hohe Mode immer einen besonderen Kitzel mit hinein. Das alles könnte man jedenfalls im Hinterkopf behalten, wenn es nun hier und da schon heißt, dass die "Gilets jaunes" die Mode beeinflussen werden und sich dies spätestens im Januar bei den Schauen in Paris zeigen werde. Aber die Gelbwesten sind wie beschrieben eigentlich längst in Mode, und sollte sich der Trend sogar verstärken, wäre die Frage, ob das wirklich an den Gilets jaunes liegt. Und falls ja: Wäre das dann eine dekadente Aneignung der Unruhen auf den Straßen, oder eine aufrichtige Hommage an deren politischen Ziele, welche auch immer das sein mögen? Kurz: Es wäre alles in etwa so verwirrend wie die Bilder, die derzeit aus Paris zu sehen sind.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/frankreich-proteste-gelbwesten-macron-1.4249005
Mode und Protest in Frankreich - Wilde Westen
00/12/2018
Die lange Arbeiterhose wurde zum Symbol der Französischen Revolution. Jetzt tragen die Demonstranten gelbe Westen. Auf den Laufstegen sah man die Warnfarben schon zuvor. Über eine Verbindung von Mode und Protest.
[]
mlsum_de-train-220730
mlsum_de-train-220730
Sie war schon immer Statussymbol, stand für ein behagliches Leben, für Luxus und Glamour. Gerade entdecken Innendesigner die Badewanne aufs Neue und spielen dabei mit Formen und Materialien. Die Menschheit lässt sich grob unterteilen in Badende und Duschende. Die einen schwören auf die schnelle Erfrischung unter der Brause, die anderen gönnen sich regelmäßig ein Vollbad. Duschern widerstrebt die Vorstellung, beim Baden in der eigenen Suppe zu dümpeln, Badern fehlt beim Duschen der Wellnessgedanke. Werner Aisslinger ist ein Wannenfan: "Baden ist wie Joggen - eine halbe Stunde kann man immer in den Alltag einbauen, und der Effekt ist groß." Wenn es zeitlich hinhaut, badet er jeden zweiten Tag, im Winter gerne täglich. Dabei geht es ihm nicht nur um die Körperpflege, das Vollbad hat für ihn fast etwas Spirituelles: "Nach einem anstrengenden Tag ist das für mich wie Meditation." Aisslinger zählt zu den erfolgreichsten deutschen Industriedesignern, Möbelhersteller wie Vitra, Rolf Benz oder Interlübke setzen auf die Produktentwürfe des gebürtigen Schwaben, der in Berlin lebt und dort auch das hippe 25hours-Hotel gestaltet hat. Für den Ausstatter Kaldewei hat er zusammen mit seiner Kollegin Tina Bunyaprasit Wannen entworfen, die durch ihre Formen und Farben aus der monochrom weißen Badezimmerwelt herausstechen. Das freistehende Modell "Tricolore" ist in zwei Farben emailliert, die dritte Farbe kommt durch ein tragendes Gestell mit vier Füßen ins Spiel. Beim Modell "Grid" scheint die Wanne in einer rötlichen Gitterstruktur zu schweben, die auch als Halterung für Accessoires, Handtücher oder Pflanzkübel dient. Aisslingers "Cowork Bath" - ein Entwurf für eine Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne - ist ein Hybridmodell: eine Badewanne im Arbeitsumfeld, die "Wellbeing mit Coworking symbiotisch zusammenbringt." Die Badewanne als Kunstobjekt in einem trendigen Coworking-Loft? Da stellt sich die Frage, wie man entspannt baden soll, während andere um einen herum arbeiten - und umgekehrt. Kaum jemand wird sich so eine praxisferne Designstudie ins Büro einbauen lassen, aber sie zeigt ganz gut die Entwicklung der Badewanne vom rustikalen Waschzuber zum Heiligen Gral des Badezimmerdesigns. Der britische Designer Jasper Morrison hat gesagt, dass es die größte Kunst für einen Produktdesigner sei, eine Badewanne zu entwerfen. Morrison gilt als einer der einflussreichsten Designer der Welt, Arbeiten von ihm sind im Museum of Modern Art in New York zu sehen - aber seine Wanne für den Hersteller Ideal Standard wirkt so unspektakulär, als hätte man sie beim Baumarkt gekauft: weiß, glatt, außen rechteckig, innen oval, ergonomisch sinnvoll geformt. Detailansicht öffnen "Tricolore"-Wanne von Kaldewei (Designer: Werner Aisslinger). (Foto: Kaldewei/Studio Aisslinger) Vom Waschtrog aus grob gehobeltem Holz über Morrisons Idealwanne bis zum digitalisierten Cowork Bath ist es ein weiter Weg. Als es in den Häusern noch kein fließendes Wasser gab, wuschen sich die Menschen in einem Zuber aus Holz oder Metall, das Wasser wurde auf dem Herd erhitzt und mit Eimern eingegossen. Die älteste Badewanne haben Archäologen auf Kreta ausgegraben, sie ist mehr als 4000 Jahre alt und ähnelt den heutigen Wannen, bloß hatten die bemitleidenswerten Kreter damals kein warmes Wasser. Detailansicht öffnen "Blue Moon" von Duravit ist eine runde Sache. (Foto: Duravit) Die wahre Badewannenkultur begann 1500 vor Christus bei den Ägyptern, die erstmals fließendes heißes Wasser benutzten. Perfektioniert wurde das heiße Bad dann von den Römern. Napoleon, der nie ohne seine kupferne Reisebadewanne in den Krieg zog, empfing seine Offiziere gerne unter Volldampf. Um 1900 dominierte die Porzellanwanne das englische Badezimmer - am besten auf majestätischen Löwenfüßen. In der amerikanischen Nasszelle, die ihren Ursprung im Hotel hat, wurde die Wanne dann aus Platzgründen minimalisiert und praktisch in eine Ecke eingemauert. Dass die Badewanne aber auch ein Statussymbol ist, Sinnbild für ein behagliches Luxusleben, zeigte die Reaktion auf die 31 Millionen Euro teure Residenz des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst. Es war weniger die Privatkapelle oder der edle Konferenzbereich, der die Öffentlichkeit erregte, sondern die etwas zu hochwertige Badewanne (Kosten: 4000 Euro inklusive Montage). Der Bischof trat dann Anfang 2014 auch reumütig zurück, um die Schaumschlägerei zu beenden. Nun rückt die Wanne wieder ins Zentrum. In den vergangenen Jahren haben sich Möbelindustrie und Wohnmagazine einen Raum nach dem anderen vorgeknöpft: Esszimmer, Küche und Wohnzimmer wurden zu einem Raum verschmolzen, nun kommt das Bad dran. Es gibt viel zu tun. "Eigentlich ist das der intimste Raum, aber trotzdem werden bei uns dort die härtesten Materialien verbaut - Stahl, Emaille, Fliesen", sagt Werner Aisslinger, "für die menschliche Haut ist das nicht ideal." Doch das ändert sich nun, Badewannen werden mit Holz und Textilien verkleidet. Innenarchitekten propagieren die Verschmelzung von Schlaf- und Badezimmer, platzieren Wannen direkt an Panoramafenster, planen luxuriöse Wellness-Bäder mit offenem Kamin. Detailansicht öffnen Die Wanne aus der Kollektion "Unico" von Rexa Design bietet viel Ablageplatz. (Foto: Rexa Design) Der deutsche Hersteller Bette kleidet das Modell "Lux Oval Couture" in wasserbeständigen Stoff ein. Das "Egg" von Rexa ist eine Kreuzung aus Regal und eiförmiger Wanne. Der italienische Designer Nevio Tellatin hat für die Marke Antonio Lupi das Modell "Biblio" entworfen, eine Kreuzung aus Bücherschrank und Badewanne. Als wäre die Berieselung mit Wasser nicht genug, hält die Digitalisierung Einzug in die Wannenwelt: Hersteller bauen Unterwasser-Lautsprecher, LED-Displays und anderen Schnickschnack ein. Villeroy & Boch hat das Modell "Squaro Prestige Crystal Editions" entwickelt, eine mit Swarovski-Kristallen besetzte Sonderanfertigung des chinesischen Designers Steve Leung. Jeder einzelne der fast 5000 Kristalle wird präzise geschliffen und von Hand appliziert. 40 Liter vs. 120 Liter Wasserverbrauch Der Berliner Designer Jochen Schmiddem sagt, die meisten dieser spektakulären Wannen seien nur Showobjekte: "Wofür braucht man so ein Ding überhaupt? Erst mal ist das nur ein Gefäß, in das man Wasser füllt." Sein Designstudio hat in den vergangenen 25 Jahren weit über 100 Wannen für Hersteller wie Bette, Duravit und Duscholux entworfen, dabei hat Schmiddem nie den Blick des Durchschnittskonsumenten verloren. "Man kann solche Gimmicks in Badezimmer einbauen", sagt er, "aber in der Praxis ist das uninteressant, denn putzen kann man das meist schlecht." Aus ökologischen Gesichtspunkten seien riesige Wannen für mehrere Personen sowieso verwerflich: "Da werden Ressourcen vergeigt noch und noch." Stimmt schon: Bei einem Vollbad werden etwa 120 Liter Wasser verbraucht, bei einer dreiminütigen Dusche dagegen nur etwa 40 Liter. Duschen spart Geld, Zeit und Kosten für Wasser und Energie. So wie Jasper Morrison setzt Jochen Schmiddem eher auf Understatement, er geht immer zuerst von der Funktion aus, nicht von der Form. Gibt es genug Platz für eine Wanne im Badezimmer? Passt sie ergonomisch gleichermaßen für Frauen und Männer? Im Produktdesign sei die Badewanne ein "wunderschönes Thema, das man aber knallhart angehen muss - ergonomisch, ökonomisch, ökologisch." Gerade bei Badewannen setzt Jochen Schmiddem auf zeitloses, schlichtes Design und beste Qualität: "Das muss schließlich für 20, 30 Jahre halten." Das Modell "Blue Moon", das er für Duravit entworfen hat, ist eine kreisrunde Wanne mit 1,40 Meter Durchmesser und Holzelementen am Rand, sie erinnert an einen Bootssteg oder einen Whirlpool und ist auch mit Sprudeldüsen zu haben. Detailansicht öffnen Das Modell "Dressage" mit Walnuss-Verkleidung von Graff. (Foto: Graff) Beide Baddesigner sind sich einig, dass sie auf zu viel Technik gut verzichten können. Smart-Home-Geräte im Badezimmer sollen Gesundheitsdaten, Nachrichten, E-Mails und soziale Netzwerke auch bei der Körperpflege verfügbar machen. "Brauche ich persönlich nicht!", meint Werner Aisslinger. Jochen Schmiddem zündet im Bad gerne ganz altmodisch eine Kerze an. Aus seiner Badewanne schaut er auf einen Kamin, in dem im Winter oft ein Holzfeuer knistert: "Da können Sie noch so oft duschen, gegen so ein Vollbad ist das gar nichts."
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/innenarchitektur-design-badewanne-1.4248997
Comeback der Badewanne - Schaum mal!
00/12/2018
Sie war schon immer Statussymbol, stand für ein behagliches Leben, für Luxus und Glamour. Gerade entdecken Innendesigner die Badewanne aufs Neue und spielen dabei mit Formen und Materialien.
[]
mlsum_de-train-220731
mlsum_de-train-220731
Die Jacke für die entscheidenden Momente Wenn die richtige Frau auf die richtige Jacke trifft, laufen die Dinge definitiv besser als sonst. Diese Jacke wurde vor ein paar Monaten noch von einer Influencerin mit Hoodie drunter und Gürtel drüber getragen - und letzte Woche beim Parteitag der CDU, von Annegret Kramp-Karrenbauer. Jede Frau, die schon mal auf einer Bühne gestanden hat, egal ob vor großem Publikum (Bundestag, Rock am Ring) oder kleinem (Ehemann), weiß: In alles entscheidenden Situationen sind traurig hängende Viskose-Fetzen und Polyesterjacken mit Sparfuchs-Schnitt die Killer ihrer Botschaft. Denn was man nach jeder leidenschaftlichen Geste wieder in Form zupfen muss, das bremst. Schlauerweise legte AKK also für ihren großen Auftritt den politikerinnentypischen Hang zu Apricotfarbenem und Elastischem ab und die Chefinnenjacke an: einen perfekt sitzenden Doppelreiher der deutschen Designerin Dorothee Schumacher. Mit definierten Schultern und betontem Rückgrat kann Frau eben gute Reden halten - denn wer sich um die Oberfläche keine Gedanken machen muss, kann sich ganz auf die Inhalte konzentrieren. Die Rock-Schuh-Kombination zum Blazer hätte virtuoser ausfallen können, was aber unser Lob nicht schmälern soll: Wir wollen in Zukunft vor allem keine abfälligen Kommentare über Brioni-Kanzler oder Dorothee-Schumacher-Kanzlerinnen mehr hören, denn, auch wenn Deutschland sich mit diesem Fakt immer noch schwertut: Gute Mode macht viel mehr als nur Spaß. Sie macht was her. Und den Kopf frei. Julia Werner Die Krawatte, über die niemand mehr lacht Ein wichtiger Postenwechsel war lange vor dem letzten CDU-Parteitag vollzogen, er betraf die lustige Krawatte. Die wurde nämlich schon vor einigen Jahren und recht erfolgreich vom lustigen Herrenstrumpf abgelöst. Die Funktion ist dabei nahezu die gleiche geblieben, nämlich biederen Herrschaften aus dem mittleren Management die Chance zu geben, so was wie einen lockeren Auftritt hinzulegen - bei gleichzeitiger Wahrung des ordentlichen Anzugs. Friedrich Merz wurde diese Neuausrichtung der Schlips/Strumpf-Verhältnisse in seiner Auszeit aber offenbar nicht mitgeteilt, oder er war zu beschäftigt, sich in die obere Mittelschicht vorzuarbeiten. Jedenfalls trug er am entscheidenden Parteitag letzte Woche eine lustige Krawatte, die ihren Teil zum abgekämpften Gesamteindruck des Kandidaten beitrug. Es handelte es sich um ein Modell von Salvatore Ferragamo mit vielen Pinguinen und Eisschollen, das derzeit preisreduziert zu haben ist (kein Kausalzusammenhang). Die zur Schau gestellte Pinguin-Eisschollen-Thematik lässt einige Assoziationen zu: kaltes Wasser und wacklige Grundlagen zum Beispiel oder auch eine etwas weiter gefasste Referenz an den Klimawandel und Vorahnung des Untergangs. Viel wahrscheinlicher als irgendeine Botschaft ist aber, dass Merz einfach nur eine von vielen lustigen Krawatten aus seinem Schrank genommen und pfeifend umgebunden hat. Im sicheren Glauben, dass mit seiner Wahl die 90er-Jahre und damit die kindischen Krawatten ein Revival feiern werden. Danke fürs Abwenden, AKK. Max Scharnigg
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/ladies-gentleman-macht-und-mode-1.4249001
Ladies & Gentleman - Macht und Mode
00/12/2018
Während AKK beim CDU-Parteitag auf die Designerin Dorothee Schumacher setzte, band sich Friedrich Merz eine Pinguin-Krawatte um.
[]
mlsum_de-train-220732
mlsum_de-train-220732
Detailansicht öffnen (Foto: PR) Nach den psychedelischen Sixties wurde die Farbpalette im folgenden Jahrzehnt weicher: Braun, Cremeweiß, warme Rottöne, das waren bevorzugte Nuancen für Cordsofas oder Plateausandalen. Heute geht ohne ein bisschen Retro-Anstrich gar nichts, auch eine neue Serie des Füllfeder-Herstellers Kaweco beruft sich auf den Stil der Siebzigerjahre. Das Modell "70's Soul" ist in Weiß und Orange gehalten, die messingfarbenen Zierelemente sollen dem damals allgegenwärtigen "Harvest Gold"-Ton entsprechen. Das Nürnberger Traditionsunternehmen, 1883 in Nordbaden als "Heidelberger Federhalterfabrik" gegründet, bietet die Sonderedition in drei Varianten an: als Tintenfüller, Rollerball und Kugelschreiber (kaweco-pen.com). Detailansicht öffnen (Foto: PR) 2019 werden die Haare kurz - letzte Gelegenheit für opulente Festfrisuren an den Feiertagen. Das Comeback des Pixie-Cut stutzt dann alles auf fünf Zentimeter zurück. Der fransige Kurzhaarschnitt mit freigelegten Ohren und angedeuteten Koteletten ist nach koboldhaften Fabelwesen benannt. In den Clans der Delevingnes oder Jenners gilt der knabenhafte Look schon länger als Nonplusultra. Kunststück, ein Modelgesicht braucht keine Weichzeichner-Locken oder ähnliche kaschierende Tricks - siehe Jean Seberg, die ewig schöne Königin des Pixie. Bei den Schauen für kommenden Sommer waren auf den Laufstegen dermaßen viele Doppelgängerinnen zu sehen - im Bild Maike Inga für "Sacai" -, dass sich der Trend auch auf der Straße bemerkbar machen dürfte. Der Winter ist für eine radikal neue Frisur keine schlechte Zeit. Mit Mütze fühlt man sich in Momenten des Zweifelns weniger nackt. Die Mode hat das Essen entdeckt. Nicht in dem Sinne, dass in der Branche jetzt irre Mengen von Pizza, Vitello Tonnato und Schaschlik verputzt würden. Aber in den vergangenen Jahren haben immer mehr Modemarken festgestellt, dass sich der eine Genuss prima mit dem anderen verbinden lässt: Prada hat ein eigenes Restaurant, Gucci natürlich auch, Burberry ebenso. Denn wer zum Essen kommt, braucht hinterher vielleicht noch etwas Süßes aus der Accessoire-Abteilung? Auch Arket, Ableger von H&M, integrierte von Anfang an ein Café in den größeren Läden. Der Chefkoch dort heißt Martin Berg und ist ein früher Vertreter des New Nordic Food Movement, das sich vor allem auf regionale und saisonale Produkte beschränkt. Seine Rezepte für Fruchtsalat mit Kräutern oder gebratenen Grünkohl mit Miso kamen so gut an, dass jetzt zum einjährigen Bestehen ein Kochbuch erschienen ist. "Cookbook for spring, summer, autumn & winter" lautet der Titel schlicht. Serviert wird, was zur Jahreszeit passt. Auch das ist eine Parallele zur Mode (arket.com). Detailansicht öffnen (Foto: PR) Belgien trifft Irland - das ist offenbar eine fruchtbare Kombination. Der Lifestyle-Marke Max Benjamin aus Enniskerry ist es jedenfalls gelungen, auf dem unübersichtlich großen Markt der Duftkerzen Aufmerksamkeit zu erregen. Die Firmengründer, die Geschwister Mark, David und Orla Van den Bergh, haben belgische Großeltern, und deren Einrichtungsstil ist die Duftkerzenserie "Ilum" nachempfunden: Die geometrischen Muster der Porzellanbehälter sind inspiriert von Tapisserien, Schnitzereien und Fliesen im Haus der Familie in Antwerpen. Das klingt nach einer herrschaftlichen Umgebung, entsprechend rangiert Ilum preislich in der gehobenen Klasse (ab 99 Euro aufwärts). Erhältlich als handgegossene Kerze oder Raumdiffuser, in verschiedenen Größen und sechs Parfumvarianten. Darunter "Cologne Retro" mit Zitrusnoten und "Or Égyptien", ein orientalischer Duft aus Jasmin und Karamel (maxbenjamin.de). Das kommende Jahr wird anregend, lebensbejahend, behaglich, gesellig. Nein, diese Vorschau ist nicht ein Best-of aus Horoskopen, die zum Jahresende in jedem Magazin zu finden sind. Sondern sie stammt vom einflussreichen US-Farbunternehmen Pantone höchstpersönlich. In jedem Winter küren die Experten die Farbe des nächsten Jahres. 2019 wird das "16-1546" sein - oder etwas konkreter: Living Coral, ein Korallenrot mit goldenen Untertönen. Vom Frühling an werden also jede Menge Kleider, Pullis, Lippenstifte und Nagellacke in diesem Ton leuchten. Die Farbe soll schließlich "zu ungezwungenen Aktivitäten ermuntern", so der Konzern, und "ein Symbol für unseren natürlichen Wunsch nach Optimismus" sein. Gute Hoffnung - davon kann man sich vor allem für das echte Vorbild nicht genug wünschen. Denn die Koralle ist vom Aussterben akut bedroht.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/stilnews-comeback-des-pixie-cut-1.4249003
Stilnews - Comeback des Pixie-Cut
00/12/2018
Der fransige Kurzhaarschnitt mit freigelegten Ohren begeistert die Designer - ebenso wie die Farbe "Living Coral". Das Korallenrot mit den goldenen Untertönen ist die Farbe des Jahres 2019.
[]
mlsum_de-train-220733
mlsum_de-train-220733
In Berlin dreht man bei der Neuerfindung der Gourmetszene jeden Tag ein bisschen mehr auf. Zu den aktuelleren Ideen zählt "Kneipen-Dining". Soll heißen: In Neukölln will Tisk Speisekneipe die feine Küche mit dem Charme einer Pinte vermählen. Sehr löblich, findet Harriet Köhler. Leider weiß das Lokal nicht nur die guten Seiten beider Lager miteinander zu verbinden. Es ist der Menschheit ja durchaus schon gelungen, scheinbar Unvereinbares halbwegs erfolgreich zusammen zu bringen: Bier und Limo beim Radler zum Beispiel. Folklore und Fashion in der "Trachtenmode". Schwarz und Grün in den Kiwi-Koalitionen Hessens und Baden-Württembergs. Und nun das: "Kneipen-Dining". So nennen Martin Müller und Kristof Mulack ihr Unterfangen, Altberlin und Haute Cuisine in einer Neuköllner "Speisekneipe" unter einen Hut zu bringen. Die Betreiber bringen Erfahrung mit, Müller war Sous-Chef in Tim Raues Restaurant "La Soupe Populaire", Mulack hatte früher einen Supperclub und ist außerdem Gewinner der Koch-Castingshow "The Taste". "Tisk Speisekneipe" heißt der Versuch, den Gourmetsektor weiter zu entkrampfen und zugleich die gute alte Kneipe wieder etwas aufzuwerten, was ganz grundsätzlich ja erst mal löblich ist. Fangen wir deshalb auch mit dem Lobenswerten an, den Tapas und Tellern vornweg: Der Gurkensalat zum Beispiel, der hier - man legt es klar auf Kultigkeit an - "Jurkensalat" heißt: Ausgestochene Stücke aus der Gurke in einer quicklebendigen Emulsion aus Apfel, Gurke, Joghurt und Jalapeño-Tabasco - das überzeugt auf der Zunge und ist auch noch so minimalistisch-schön angerichtet, dass es ohne weiteres aus einer Sterneküche kommen könnte (6 Euro). Auch das "Bio-Senfei", das auf einem Bett aus wunderbar aromatischem Kartoffelpüree und feinem, säuerlichem Senfschaum schwebt, schmeckt so schlicht wie fantastisch: Es wird von ein paar anfrittierten Blumenkohlröschen begleitet, ist mit etwas Petersilienöl bekleckert und mit ein paar Kräutern und Sellerieblättern vitalisiert (10,50 Euro). Tiptop sind auch die kross panierten, im Inneren zartcremigen Blutwurstkroketten, die ein kräftiges, süßsäuerliches Apfelmus kontrastiert, von dem es allerdings gern ein bisschen mehr hätte sein dürfen (6 Euro). Detailansicht öffnen Der "Kopfsalat" hingegen überzeugt uns nicht auf ganzer Linie: Die Schnittfläche eines halbierten Romanasalatkopfs ist mit einer Creme aus eingelegten Zitronen, Kapern und Petersilie bedeckt - das ist unpraktisch beim Essen (die Sauce verteilt sich schlecht), etwas zu salzig - und dann knirscht es hier und da verdächtig zwischen den Zähnen. Ebenfalls nicht ganz gelungen ist die Soljanka, ein Klassiker aus Sowjetzeiten, der seinen Wumms im Original durch reichlich Wurstreste erhält. Im Tisk hingegen ist die Suppe vegetarisch, dafür aber so brutal mit Essig und Schärfe aufgerüstet, dass der Rachen um Gnade fleht (8 Euro). Auch "Brot & Butter" gehen deutlich besser: Die hausgemachten Haferflockenbrötchen erinnern in ihrer Kompaktheit an Aufbackware aus dem Bioladen - und warum man ein so perfektes Produkt wie kühle Butter erwärmen und dann aufschlagen muss, bleibt sowieso eines der ungelösten Rätsel der gehobenen Gastronomie (3,50 Euro). Was uns den ganzen Abend über irritierte, war die penetrante Frittenbudenfahne, die aus der offenen Küche drang und sich streng über die Speisen legte. Doch dann kam der Hauptgang, und wir verstanden. Der signature dish im Tisk ist nämlich der "Broiler im Janzen" (für zwei Personen, 35 Euro), bei dem die Küche es offenbar für originell hielt, auf allen Haute-Cuisine-Schnickschnack plötzlich wieder zu verzichten und den (zugegeben saftigen und wohlschmeckenden) Vogel ganz einfach mit Kneipengarnitur zu servieren. Erst hält man's noch für Ironie, aber dann kommt als "Mischjemüse" ganz ernsthaft eine nach Maggi schmeckende Sauce auf den Tisch, in der Karottenscheiben und TK-Erbsen schwimmen. Und auch die dazu servierten "Demeter Pommes" sind so fad und freudlos wie die traurige Tiefkühlware, die man auch in vielen Fast-Food-Läden serviert. "Vor allem wollen wir zeigen, dass ein Berliner Geschmack tatsächlich existiert", hat Kristof Mulack mal in einem Interview gesagt. Puh, nicht nötig: Dieses Berlin kannten wir. In einem Satz Eine Kneipe mit feinem Essen ist ein super Konzept, das man bei "Tisk" aber noch ein wenig ehrgeiziger und höflicher umsetzen sollte. Qualität: ●●●○○ Ambiente: ●●●○○ Service: ●●●○○ Preis/Leistung: ●●●○○ Und dann ist da dieser Service. Nichts gegen Lockerheit im Dienst am Gast, aber wenn ein Kellner nicht einmal nachfragt, wenn er um einen Eiswürfel gebeten wird, um den viel zu warm servierten Spätburgunder auf Trinktemperatur herunterzukühlen, sondern einfach nur trotzig pariert, dann wünscht man sich doch ein paar Höflichkeitsformen zurück. Und, ach so, noch so ein Thema: Die Weinkarte ist zwar umfangreich, enthält aber kaum mehr als einfachste Basisqualitäten, die noch dazu recht selbstbewusst kalkuliert sind - das passt genauso wenig zum Konzept wie die Tatsache, dass aus den Boxen zwar ziemlich lauter Hiphop dröhnt, die Küche aber (und das in Neukölln!) bereits um halb elf schließt. Irgendwie bleiben die Gegensätzlichkeiten im Tisk unversöhnt nebeneinander stehen. Und auch unser Urteil ist am Ende zwiespältig. Die Ansätze sind gut, das Können ist da, aber es wirkt so, als fehle ein Quäntchen Ehrgeiz, um das Konzept wirklich aufs anvisierte Niveau zu bringen - von dem aus man sich dann gerne ein paar Lässigkeiten erlauben dürfte.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/lokaltermin-tisk-1.4249012
Lokaltermin - Tisk
00/12/2018
In Berlin-Neukölln versucht sich ein Lokal am Konzept "Kneipen-Dining". Dabei will man die feine Küche mit dem Charme der Eckkneipe verbinden.
[]
mlsum_de-train-220734
mlsum_de-train-220734
Ein Rezept für kandierte Walnüsse von US-Köchin Alice Waters: Das Ergebnis ist goldbraun, dezent süß, knusprig und nur wenig klebrig. Es ist ein bisschen paradox, dass ausgerechnet im Advent die absolute Hochsaison für Walnüsse beginnt; schließlich verliert zumindest die europäische Ernte im Dezember bereits stark an Frische und die Nüsse beginnen auszutrocknen. Ein echtes Problem ist das aber nicht, schließlich gibt es genügend Rezepte, die Walnüsse im Rekordtempo loszuwerden. Ein besonders einfaches und dazu weihnachtliches kommt von der amerikanischen Köchin Alice Waters, die Walnüsse erst kandiert und sie dann kurz im Ofen backt. Das Ergebnis ist goldbraun, dezent süß, knusprig und nur wenig klebrig. Dafür den Ofen auf 160 Grad vorheizen (Ober- und Unterhitze). In einem kleinen Topf 60 ml Wasser mit 100 g Zucker und 85 g Honig verrühren und bei mittlerer Hitze aufkochen lassen. 200 g Walnusshälften hineingeben und für 1 Minute gut rühren. Dann den Topf vom Herd nehmen, die Nüsse noch 3 Minuten durchziehen, in einem Durchschlag abtropfen lassen und auf einem mit Backpapier ausgelegtem Blech verteilen. Am Ende die Nüsse 10 bis 15 Minuten backen und währenddessen zwei, drei Mal mit einem Holzspatel hin und herschieben, damit sie nicht ankleben. Das schöne an diesen kandierten Walnüssen ist ihr großes Einsatzgebiet. Sie schmecken als Snack vor dem Fernseher, zum Adventskaffee, aber auch zur Käseplatte, auf sautierten Äpfeln, Zimteis oder zu griechischem Joghurt. Besonders furchtlose Köche in amerikanischen Chinarestaurants servieren kandierte Walnüsse übrigens auch zu frittierten Garnelen in Honig-Zitronen-Mayonnaise. Schmeckt auch gut, ist aber zugegebenermaßen nicht jedermanns Sache.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/walnuss-rezept-kandieren-1.4249015
Wandlungsfähige Walnuss
00/12/2018
Ein Rezept für kandierte Walnüsse von US-Köchin Alice Waters: Das Ergebnis ist goldbraun, dezent süß, knusprig und nur wenig klebrig.
[]
mlsum_de-train-220735
mlsum_de-train-220735
Bis heute erinnere ich mich an unsere erste Begegnung. Ich machte ein Selfie von uns beiden, wie wir nach Hause radelten, jung, hip und aufregend fühlte es sich an. Der erste Frühling war von der Lust auf das Unbekannte geprägt. Zunächst. Denn man kann es nicht anders sagen: Unser Verhältnis gleicht einer Langzeitbeziehung. Wir haben alle Stadien, die man miteinander erlebt, ­durchgemacht. Auf den Frühling folgte ein beschwingter Sommer. Ich war verliebt in meine Gemüsekiste, schon sonntags freute ich mich, sie mittwochs abzuholen, voller Tomaten und Kresseschälchen, Kartoffeln und Zucchini. Doch wie es manchmal ist mit Beziehungen: Lange sollte die Freude nicht währen. Mit dem Herbst zeigten sich erste Nervigkeiten (wieder Kürbis?), und der Winter enthüllte ihre Macken in vollem Ausmaß: Statt Tomaten schleppte ich einen Rucksack voll Kohl nach Hause. Abwechslung hieß: mal Spitzkohl, dann Chinakohl, Weißkohl oder Rotkohl. Nun gibt es Gemüsekisten, die sind die "Friends with benefits"-Konstrukte ihrer Art, für Bindungsängstliche. Man kann im Winter Mango dazubestellen, Pastinaken ausschließen, und jede Woche eine Milch dazu. Bei meiner Kiste vom Kartoffelkombinat - der Name lässt es erahnen, es handelt sich um den Ernteanteil in einer solidarischen Landwirtschaft - entspricht das Verhältnis mehr einer Vernunftehe, die man richtig findet und durch die die Welt besser wird. Dafür geht man Kompromisse ein. Man kauft Genossenschaftsanteile, die nicht kurzfristig abzugeben sind. Und die Macken des anderen, in diesem Fall der Kiste, muss man akzeptieren. Manche kennt man vorher: weder Mango noch Milch. Anderen Macken begegnet man später: Mal Kürbisse, so klein, dass sie nur zum Befüllen mit viel Käse taugen, mal Perlgraupen, die zu gesund sind, um zu schmecken. Bei mir kam im ersten Winter etwas hinzu, was mich ernsthaft an der Beziehung zweifeln ließ. Faustgroß, süßsauer und mit der Spezialfähigkeit, auf schwarzer Kleidung Flecken zu machen: Rote Bete. Bisher war mir die nur als eklige Begleitung der Karottenstifte in "gemischten Salaten" drittklassiger Landlokale begegnet, nun wurde sie mein wöchentliches Ärgernis. Ich muss gestehen: Ich bin manchmal fremdgegangen im Supermarkt (Mango ...) und habe gelegentlich andere für zuständig erklärt ("Mutti, holst du sie mal ab?"). In schwachen Momenten habe ich über eine Trennung nachgedacht. Aber immer nur bis Mittwoch. Denn wie in einer guten Beziehung hat sich über das Verknalltsein hinaus mehr entwickelt. Seit der Kiste weiß ich erst, dass Zucchini einen Eigengeschmack haben. Für Perlgraupen gibt es wunderbare Ottolenghi-Rezepte. Und, wer hätte es gedacht, für den heimischen Bedarf fürs Risotto reicht die Rote Bete längst nicht mehr. Und umgekehrt: Auch die Kiste gibt sich Mühe. Und in arg harten Wochen gegen März gibt es sogar Tomatensugo. Das ist bei einer großen Einkochaktion entstanden, andere, fleißigere Genossenschaftsmitglieder waren beteiligt. Nächstes Jahr werde ich mitmachen - das läuft dann wohl unter Paartherapie. Lea Hampel überlegt schon, in die nächste Genossenschaft einzusteigen, die von ihrem Biomarkt. Weil sogar ihre Finanzberaterin das für eine gute Idee hält und sie dann auch noch Rabatt auf ihre Tofuwürstchen bekommt.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/gemuesekiste-kooperative-landwirtschaftsgenossenschaft-1.4252152
Plan W: Verliebt in meine Gemüsekiste
00/12/2018
Was Rote Bete und rote Herzchen miteinander zu tun haben? Nichts, dachte unsere Autorin. Bis sie einer Landwirtschaftsgenossenschaft beitrat.
[]
mlsum_de-train-220736
mlsum_de-train-220736
"Mit jedem Schluck Zweigelt ist man der österreichischen Identität ganz nahe" sagt der Wiener Historiker Robert Streibel. Da könnte etwas dran sein. Keine Rotweinsorte wird, flächenmäßig gesehen, in Österreich so viel angebaut. Wer auch nur einmal einen Wochenendtrip nach Wien oder Ferien in der Steiermark gemacht hat, kennt den Zweigelt. Zusammen mit dem Grünen Veltliner ist der fruchtige Rotwein ein Muss im Heurigen - dem österreichischen Pendant zum Biergarten. Und jetzt soll der Zweigelt nicht mehr der Zweigelt sein. Das Wort Zweigelt ist nicht etwa eine knuffige Dialekt-Abwandlung des Wortes Zweig. Nein, der Name bezieht sich auf Friedrich "Fritz" Zweigelt, einem österreichischen Botaniker, der im Jahr 1922 den Rotwein durch die Kreuzung der Rebsorten St. Laurent und Blaufränkisch geschaffen hatte - und ein glühender Anhänger der Nationalsozialisten war. Schon 1933, fünf Jahre, bevor sich die Österreicher von den Nazis haben anschließen lassen, trat Zweigelt in die NSDAP ein. Ihm wird nachgesagt, ein gewissenloser Karrierist gewesen zu sein, der die nationalsozialistische Ideologie auch in seiner Weinbauschule verbreitete. Nach 1945 wurde Zweigelt für sechs Monate wegen Volksverhetzung eingesperrt. Danach war alles vergessen. Um diesen Mann nicht noch länger ein Denkmal in Flaschenform zu setzen, hat eine Wiener Künstlergruppe, das "Institut ohne Eigenschaften", die Aktion "Abgezweigelt" gestartet. Der Rotwein brauche einen neuen Namen: "Blauer Montag", so der - nicht ganz ernstgemeinte - Vorschlag der Aktivisten. Angelehnt an jenen Montag, an dem man lieber im Bett liegen bleibt, weil Arbeiten mit Kater eben nicht sehr leiwand ist. Blauer Montag würde wegen der violetten Farbe des Weines gut passen. Aber der Name "Rotburger" wäre auch eine wahrscheinliche Alternative, meint Wilhelm Klinger, Geschäftsführer des Unternehmens "Österreich Wein Marketing", einer Servicegesellschaft der österreichischen Weinwirtschaft. So habe der Wein zunächst geheißen, sagte Klinger der Wiener Zeitung. Friedrich Zweigelt hatte ihn selbst so getauft. Erst 1975, mehr als zehn Jahre nach seinem Tod, erhielt der Wein seinen heutigen Namen - im Zuge der Qualitätsweinrebensorten-Verordnung - die ihren Platz in der Geschichte wohl auch nur wegen der Rotburger-Zweigelt-Causa behalten darf. Für den Wein-Historiker ist vor allem die Debatte um Zweigelts Erbe wichtig Dass Zweigelts Nazi-Karriere damals kein Thema war, verwundert nicht. Bis in die späten Achtzigerjahre, als der Skandal um die nationalsozialistischen Verstrickungen des damaligen österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim die Republik (und den Rest der Welt) beschäftigte, konnte sich in Österreich der Opfermythos halten. Das kleine Land sah sich nur zu gern lediglich als Opfer des übermächtigen Deutschen Reiches. Eine Aufarbeitung des nationalsozialistischen Erbes war weit entfernt. Sie ist auch heute noch nicht abgeschlossen, findet Historiker Robert Streibel. In seinem Buch "Der Wein des Vergessens" hat er die Nazi-Vergangenheit österreichischer Winzer zum Thema gemacht. Was den Zweigelt angeht, unterstützt er die Aktion der Künstler. Ob man der Marke dabei schadet, ist Streibel egal: "Sicherlich werden einige die Diskussion als schädlich empfinden. Aber wie lange will man warten, bis man mit der Aufarbeitung beginnt?" Für Streibel ist vor allem die Debatte wichtig. Sollten sich die Österreicher am Ende einig sein, dass der Wein weiterhin Zweigelt heißen dürfe, sei das auch in Ordnung. Für Streibel wäre eine Umbenennung "ein mittleres Erdbeben", eine nachvollziehbare Einschätzung, man stelle sich nur mal vor, die Bayern müsste ihren Obatzd'n aus politischen Gründen plötzlich in "orangefarbener Kümmelkäse" umtaufen.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/zweigelt-oesterreich-wein-1.4249551
Österreich: Umstrittener Zweigelt
00/12/2018
Österreichs populärster Wein ist nach einem Nazi benannt. Eine Künstlergruppe will jetzt eine Diskussion darüber anfachen.
[]
mlsum_de-train-220737
mlsum_de-train-220737
Nüsse knacken gehört zur Adventszeit wie Nikolaus und Mandarinen. Aber womit kriegt man Walnuss, Haselnuss und Co. am besten auf? Zehn Produkte im Test. "Äpfel, Nuss und Mandelkern essen fromme Kinder gern", weiß Knecht Ruprecht im Gedicht von Theodor Storm. Ohne Nüsse geht es nicht in der Weihnachtszeit, und das soll es auch nicht, denn Nüsse sind gesund. Spätestens der Nikolaus hat in dieser Woche einen Sack davon gebracht, und damit startet die alljährliche Suche nach dem Nussknacker, der seit dem letzten Winter in irgendeiner Schublade verstaubt. Die SZ-Tests im Überblick Diesen und alle weiteren SZ-Produkttests finden Sie hier. Wer ihn nicht findet, kann zwei Walnüsse ganz gut in der hohlen Hand knacken. Oder man kauft einen neuen Knacker. Nur welchen? Bei wenigen Werkzeugen gibt es so viele Varianten: Man kann Nüsse mit dem Fallbeil zerhacken oder mit Zwingen, Zangen oder Quetschen aufbrechen. Ob ein Nussknacker gut funktioniert, hängt aber vor allem von der Nuss selbst ab. Gezüchtete Walnüsse aus Kalifornien zum Beispiel haben eine dünnere Schale als manche Nuss aus dem heimischen Garten. Bei Haselnüssen gibt es verschiedene Formen und Größen. Im Supermarkt findet man zumeist runde Exemplare. Die wohlschmeckende, längliche Lange Zeller Haselnuss etwa stellt manchen Knacker vor Herausforderungen. Für alle Nüsse aber gilt: Das Knacken lohnt sich. Außerhalb ihrer Schale verlieren die Früchte schnell an Aroma, vor allem, wenn sie offen in der Auslage liegen oder in Papier verpackt sind. Besser hält sich der feine Geschmack in der Plastikpackung. Nie aber schmeckt die Nuss so gut, wie wenn man sie selbst knackt.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/test-nussknacker-advent-1.4240638
Test - Das ist der beste Nussknacker
00/12/2018
Nüsse knacken gehört zur Adventszeit wie Nikolaus und Mandarinen. Aber womit kriegt man Walnuss, Haselnuss und Co. am besten auf? Zehn Produkte im Test.
[]
mlsum_de-train-220738
mlsum_de-train-220738
Sie machen ein schlankes Bein, weil sie selbst klobig sind. Vor allem aber sind sie warm und bequem: 50 Jahre nach ihrer Erfindung sind Moon Boots wieder mal angesagt. Als Jane Fonda 1968 in dem Film "Barbarella" durch das All turnt, trägt sie Silberstiefel mit oberschenkelhohem Schaft. Sie sehen höllisch unbequem aus, ebenso das weiße Pendant aus Lackleder - aber so war das eben im Space Age. Futuristische Mode hatte nichts mit wohlfühlen zu tun. Für die Mission Zukunft stecken Designer wie Paco Rabanne oder André Courrèges Frauen in enge Kettenhemdchen oder PVC-Kleider. 1969 dann die Erlösung, in Italien wird der Moon Boot erfunden. Ein bunter, sehr bequemer Schuh. Seitdem bedeutet modetechnisch ein Flug in die Galaxie vor allem: warme Füße. Der Moon Boot ist so ziemlich das einzige Überbleibsel aus den Chemiefaser-versessenen Sechzigern, das bis heute überlebt hat. Wenn man von diversen Anläufen absieht, den Plastikmantel wiederzubeleben (seinerzeit schlüpfte sogar Princess Anne in eine grellpinke Regenhülle, jüngster Reanimationsversuch: ein Modell von Marine Serre für schlappe 750 Euro). In den Schneestiefeln haben Generationen von Skifahrern ihre steifgefrorenen Füße aufgetaut. Nach der Anspannung auf der Piste signalisiert der Moon Boot schon optisch: loslassen. Zehen gelockert, schlurfender Gang - die rundlichen Treter leiten über in den gemütlichen Teil des Wintersports. Detailansicht öffnen Volle Packung: der Original Moon Boot von Tecnica in Metallic. (Foto: PR) Zum 50. Jahrestag der Mondlandung 2019 will der Hersteller Tecnica nun vom Schub der Apollo 11-Nostalgie profitieren. In München wurde eine flauschbesetzte Jubiläumskollektion vorgestellt, mit zeitgemäßen Sneakeranleihen, neongrün bis leuchtend orange - eine Hommage an die psychedelischen Farbvorlieben der Sechziger- und frühen Siebzigerjahre. Und auf der Männermodemesse Pitti Uomo in Florenz soll im Januar mit einer Installation an die Achse Cape Canaveral-Giavera del Montello erinnert werden. In aller Bescheidenheit natürlich, aber der Raketenstart in Florida im Juli 1969 war ja für den Schuhmacherbetrieb in dem kleinen italienischen Ort bei Treviso der Auslöser für die Erfindung des Stiefels. Es gibt sogar ein Paar handsignierte Moon Boots mit der Unterschrift des Astronauten Buzz Aldrin. Dass der ausgepolsterte Schuh seit einigen Saisons wieder auf den Laufstegen auftaucht, ist in erster Linie der Retromanie geschuldet. Die Mode legt ja von Hippie bis Rave alle Stilrichtungen munter wieder auf, und die Faszination für das Astrale hatte vor allem Chanel mit einer Raumschiff-Kollektion befeuert. Von Calvin Klein bis Margiela gab es zuletzt Endzeit-Schuhe zu sehen, die aussahen, als müsste sich die Menschheit für eine Auswanderung auf den Mars wappnen. Saint Laurent steuerte die fellige Yak-Variante bei, das Prinzip bleibt dasselbe: Klobiges am Fuß macht schlanke Beine. Dieser Effekt hatte natürlich schon den Erfolg des Ur-Moon-Boot ausgemacht, vor allem bei Frauen. Männer wirken in den Polarpuschen ja immer leicht karnevalesk. Selbst in "Moonraker" trug James Bond daher sicherheitshalber nur dezent wattierte Kurzstiefeletten. Detailansicht öffnen Nicht unbedingt tragbar, aber ein Hingucker: Moon Boots von Jeremy Scott (Foto: Randy_Brooke) Bei der Tecnica Group in Venetien kann man die neue Aufmerksamkeit für den Klassiker gut gebrauchen. Die Mondschuhe sind zwar überall auf der Welt bekannt und waren auch nie weg, wobei Spezialanfertigungen in Echtpelz oder von Louis Vuitton schon eher etwas für eine Nischenkundschaft sind. Aber der Familienbetrieb hat sich mit Zukäufen übernommen und brauchte einen Investor, um auf die Füße zu kommen. Da schadet es nicht, wenn das Vorzeigeprodukt wieder stärker gefragt ist. Der allgemeine Trend zu unförmigen Schuhen tut ein Übriges, auch die Lobeshymnen für Ryan Gosling in dem Mondfahrer-Film "First Man" dürften den Italienern zumindest indirekt nützen. Die Winterstiefel machen nur einen Teil des Geschäfts bei Tecnica aus. Auch die Wanderschuhmarke Lowa und die Skianbieter Blizzard und Nordica gehören zum Portfolio der 1960 gegründeten Firma. Alberto Zanatta, Sohn des Gründers, führt inzwischen die Geschäfte und ließ kürzlich wissen: "Wir haben Vollgas gegeben und Fehler gemacht." Mit zu vielen Markeneinkäufen, vom Modelabel Think Pink bis zum Snowboardhersteller Nitro hatte sich die Holding verzettelt. Inzwischen ist das Unternehmen wieder verschlankt. Senior Giancarlo Zanatta, leidenschaftlicher Skifahrer wie der Sohn, hatte bei der Apollo 11-Landung der Abdruck von Neil Armstrongs Schuh fasziniert. Das Rillenmuster im Mondstaub ist längst ein ikonisches Bild. Das Foto hatte Zanatta vor Augen, als er den Winterstiefel mit ähnlichem Profil erfand - wann das genau war, lässt Tecnica in seiner Firmengeschichte im Unklaren. Etwas Mythos muss sein bei außerirdischen Themen. Viel Freude hatten die Zanattas jedenfalls an den Entwürfen von Jeremy Scott, der im Februar in New York Moon Boots in einer beinlangen Overknee-Version zeigte. Untragbar natürlich, außer für Barbarella.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/mode-moonboots-winterstiefel-1.4240636
Comeback der Moon Boots
00/12/2018
Sie machen ein schlankes Bein, weil sie selbst klobig sind. Vor allem aber sind sie warm und bequem: 50 Jahre nach ihrer Erfindung sind Moon Boots wieder mal angesagt.
[]
mlsum_de-train-220739
mlsum_de-train-220739
Sylvan Müller hat in der Foodfotografie einen völlig neuen Stil geprägt. Das Geheimnis des Schweizers: Am Essen interessiert ihn vor allem der Mensch. Käse, ganz richtig - es liegt durchaus nahe, diese Geschichte mit Käse beginnen zu lassen. Es geht, erstens, um einen Schweizer. Dazu um gutes Essen. Und darum, mit Bildern von gutem Essen Geld zu verdienen. Der "Chääs" muss dem Betrachter quasi auf der Zunge zergehen, obwohl er gar keinen im Mund hat. Das funktioniert im Foodstyling nach ein paar simplen Tricks. Flaumiger Ziegenkäse auf zerbeultem Blechteller, und dem Großstädter wird warm ums Herz - die stallwarme Variante. Die Verknüpfung Silbermesser-Blauschimmel-Nüsse hingegen signalisiert kulinarische Noblesse. Oder goldgelbe Schmelzfäden im Close-up: Yummie, sofortiger Speichelfluss. Sylvan Müller interessiert keines dieser Spielchen. Er hat Käse vollkommen anders und neu fotografiert. Eine Frau in fleckigen Arbeitshosen, Melkschemel unterm Arm, verschlossener Blick: Das ist sein Bild von "Bitto storico", einem Hartkäse aus dem Veltlin. Das eigentliche Produkt spielt eine Nebenrolle. Man möchte den Käse trotzdem sofort probieren, weil er gar nicht anders sein kann als echt, würzig, einmalig. Genau so wie die Frau, die ihn herstellt. Das Buch, aus dem das Foto stammt, wurde ein Bestseller und setzte neue Maßstäbe. Sylvan Müller ist einer der erfolgreichsten Food-Fotografen im deutschsprachigen Raum. Wer ihn treffen will, muss nicht auf die Alm. Zürich genügt, der 45-Jährige hat sein Atelier in Luzern, aber ein Termin in der nahen Großstadt passt besser in den Kalender. Und doch, als Treffpunkt darf es ruhig etwas schick Urbanes sein. "Das kulinarische Erbe der Alpen" heißt der Band (AT Verlag), mit dem Müller Furore gemacht hat: eine Erkundungstour am Berg, zu Landschaften und Lebensmitteln. In der "Markthalle im Viadukt" verkehren eher Feinschmecker aus dem Flachland. Müller trägt Loafers und Lederjacke. Der Chronist des unverfälschten Geschmacks ist kein kantiger Eigenbrötler, auch wenn man sich das so vorstellt. "Mich interessiert die Verletzlichkeit", sagt er, "darin zeigt sich die Schönheit von Menschen." "Ich bin da mehr reingerutscht", sagt er im leichten Singsang und macht eine Armbewegung, die alles um den Bistrotisch herum zu umfassen scheint: die Regale mit Delikatessen, die ausgefeilten Zutatenlisten der schlendernden Kunden. Kurz, das Kochen und Essen, wie es viele heute betreiben - mit höchster Konzentration. Hineingerutscht, das ist für einen wie Sylvan Müller eine überraschende Aussage. Er fotografiert für Magazine perfekt arrangierte Stillleben aus Gemüse, Fleisch, Fisch. Er trägt eine Tasche voll schwerer Bildbände, die ihn bekannt gemacht haben. Das Alpenerbe, ein Trip durch Japans Küchen, "Leaf to Root" über den jüngsten Trend der Gemüseküche. Und da soll das Kulinarische nicht im Zentrum seiner Arbeit stehen? Detailansicht öffnen Müller verzichtet rigoros auf Kunstlicht, das gibt den Schwarzweiß-Porträts etwas Plastisches. Hier die Käserin Antonella Manni. (Foto: Sylvan Mueller) Das tat es nicht immer, und vermutlich hängt mit Sylvan Müllers erstem Leben als Reportagefotograf genau die Tiefe und Ernsthaftigkeit zusammen, für die man seine Food-Arbeiten bewundert. Wobei es an Begeisterung (und Selbstbewusstsein) von Anfang an nicht fehlte. "Ich kann das jetzt", habe er als 16-Jähriger nach ersten fotografischen Versuchen zu Hause verkündet - er grinst bei der Erinnerung an so viel Großspurigkeit. Die Eltern rieten dann doch zu einer Ausbildung. Und früh geriet er über einen väterlichen Freund, einen freien Regisseur, an sein Lieblingsthema: Menschen. Markante Typen, Gesichter, in denen sich Wut, Trauer oder Glück spiegeln. "Mich interessiert die Verletzlichkeit", sagt er, "darin zeigt sich die Schönheit von Menschen." Für das Luzerner Theater fotografiert er die Schauspieler nach dem Schlussapplaus, in Kostüm und Maske, aber vor Erschöpfung wie entblößt. Er bereist nach der Wende die Braunkohlereviere um Bitterfeld. Seine Fotoserie über junge Psychiatriepatienten in Tschernobyl ist beklemmend, ohne voyeuristisch zu wirken. Einfühlsam würde man die Aufnahmen nennen, wären diese Kinder nicht so von aller Welt verlassen, dass einem das Wort zu schön vorkommt. Essen verbindet, eine gemeinsame Mahlzeit hebt Grenzen auf "Es gibt in meinem Leben einige Brüche. Sie sind wichtig für mich und meine Arbeit", sagt Sylvan Müller. Ein paar Monate hat er in einem Weinberg gearbeitet anstatt hinter der Kamera. Und auf die Reportagen folgte mehrere Jahre lang reine Werbefotografie mit schicken Studios in der Schweiz und New York und mit ziemlich guten Honoraren. Bis ihm das alles zu glatt war. "Mir hat etwas Entscheidendes gefehlt. Ich wollte wieder Geschichten erzählen." Detailansicht öffnen Müllers Fotos bedienen die Sehnsucht einer weltweiten Wohlstandsschicht nach dem Urwüchsigen: Hier sein Porträt des Kochs Johann Reisinger. (Foto: Sylvan Mueller) Geschichten über das Essen berühren und verbinden die Leute wie kaum etwas anderes. Wildfremde geraten so miteinander ins Gespräch. Eine gemeinsame Mahlzeit hebt Grenzen auf, Gerüche wecken Kindheitserinnerungen. Nahrungsmittel transportieren Emotionen. "Dieser Aspekt hat mich am Essen immer schon fasziniert", sagt Müller. Heute ist daraus eine Art Markenzeichen (und ein gutes Geschäft) geworden: Bilder von Menschen und ihrer Leidenschaft für Essbares. Männer oder Frauen, die kochen, jäten und schlachten, räuchern oder schälen. Die in Tokio auf dem Fischmarkt einkaufen oder in einem alpinen Hochtal alte Rübensorten anbauen. Das trifft natürlich haargenau den Zeitgeist, die Suche einer weltweiten Wohlstandsschicht nach dem Urwüchsigen. Je ausgefeilter unsere Koch- und Essgewohnheiten werden, samt detaillierter Pläne zur Allergievermeidung, umso mehr soll das einzelne Produkt rein und unschuldig sein. Der Hype um authentische Nahrung verbindet die Sehnsucht nach Elementarem und das allgegenwärtige Connaisseurtum zu einem täglich konsumierbaren Statussymbol. "Im Grunde finde ich es suspekt, wenn Essen zur Ersatzreligion wird", sagt Sylvan Müller. "Aber mir ist klar, dass ich selbst Teil dieser Bewegung bin." Umso wichtiger sind ihm Signale der Distanz. Er möchte nichts beschönigen, sondern "Geschichten zu Ende erzählen". So werden den Freunden der Alpenküche Bilder von Schlachtungen auf der Alm oder einem ausgeweideten Murmeltier nicht erspart. Oder er erlaubt sich ironische Brechungen, wie sie im Buch "Leaf to Root" über die sicher sehr vernünftige restelose Gemüseküche eingestreut sind - Schnecken, die über Blattwerk kriechen, aufgemalte Kreideknollen neben echten roten Beten. Die Botschaft: Bitte keine Dogmatik. Oft hat er Stunden auf den einen Moment für das Foto gewartet Trotzdem ist das Charakteristische an Sylvan Müllers Bildern diese gewisse Strenge. Der Schweizer verzichtet rigoros auf Kunstlicht, das gibt den Schwarzweiß-Porträts etwas Plastisches. Aus der alpinen Serie ist vor allem das Foto eines Hirten aus dem Aostatal bekannt geworden, mit Zicklein auf dem Arm. Blick zum Betrachter, dunkle Holzwand im Hintergrund. Sonst nichts. Auch die Rezeptbildstrecken wirken nüchtern konzentriert wie bei Versuchsanordnungen. Almbutter, frisches Brot, eine Schale Salz. Oder: Rübenkompott, ein Klecks Rahm. Schluss. Die Kunst heißt: weglassen. Das ist meilenweit entfernt von der Cheesecake-Wohligkeit der angloamerikanischen Foodstyling-Schule. "Donna-Hay-Licht" nennt Müller diese Art von sanftem Schein, mit dem die australische Köchin berühmt wurde. Inzwischen ist es sein Stil, der großflächig kopiert wird. Detailansicht öffnen Das Wesentliche im Blick: Sylvan Müller hat den reduzierten Stil in der Foodfotografie mitgeprägt. (Foto: Sylvan Mueller) Natürlich heißt die Kunst auch: abwarten. Sich Zeit lassen. Für den mit Dominik Flammer herausgegebenen Band "Das kulinarische Erbe der Alpen" ist Müller drei Jahre lang durchs Gebirge gereist. Von Savoyen bis Slowenien, zu Imkern, Maronibauern, Schweinehaltern. Oft hat er Stunden oder Tage gewartet, bis der richtige Moment für das Foto kam - häufig passierte das gerade dann, wenn die Leute viel Arbeit und eigentlich keinen Nerv für ihn hatten. "Dann verstellen sich die Menschen nicht." Sylvan Müller glaubt, dass er nur mit diesem Einsatz eine Bildqualität erreichen kann, die sein Metier überleben lässt, trotz Blogs und Instagram. Eigentlich, sagt er, "ist das ja ein unmögliches Arbeitsgebiet geworden, in dem ich tätig bin. Heute macht jeder auf der Welt Food-Fotografie." Aber nicht jeder betreibt diesen Aufwand. Abgesehen davon hat er auf seiner langen Reise den Bitto Storico von Antonella Manni kennengelernt. Nicht einfach ein Käse, sagt Müller. Eine Offenbarung.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/sylvan-mueller-ist-foodfotograf-1.4240645
Der Essenzialist
00/12/2018
Sylvan Müller hat in der Foodfotografie einen völlig neuen Stil geprägt. Das Geheimnis des Schweizers: Am Essen interessiert ihn vor allem der Mensch.
[]
mlsum_de-train-220740
mlsum_de-train-220740
Detailansicht öffnen (Foto: oh) Der Name Rohi ist vielleicht nicht jedem ein Begriff, trotzdem dürfte fast jeder schon mal in Kontakt mit einem Produkt des Familienunternehmens aus dem Münchner Umland gewesen sein. Denn von den Webstühlen der Firma kommen nicht nur Bezüge für Designmöbel, sondern vor allem für viele Flugzeugsitze, die zum Beispiel in der Lufthansa Premium Economy oder bei Singapur Airlines verbaut sind. In der Berliner Staatsoper Unter den Linden oder auf der MS Europa 2 kamen ebenfalls Stoffe aus Geretsried zum Einsatz. Zum 85. Geburtstag präsentieren sich die Wollspezialisten in dritter Generation aber auch mit einer nachhaltigen Idee für den Wohnbereich. Unter dem Namen 13Rugs ist in den letzten Jahren bei Rohi zusätzlich ein kleines Teppichlabel entstanden, mit ungewöhnlichen Designs und Unikatcharakter - was an dem unkonventionellen Herstellungsprozess liegt. Für die Teppiche werden nämlich die Webekanten verwendet, die als Reste bei der Stoffproduktion anfallen. Textildesignerin Lara Wernert entwickelt aus diesen Resten in einem mehrstufigen Filzverfahren dann Kunstwerke für den Boden (13rugs.com). Detailansicht öffnen (Foto: oh) Hotels kennen sich aus mit Reisenden - und mit ihrem Gepäck. Dort steht es erst an der Rezeption herum, wird dann gegebenenfalls vom Pagen aufs Zimmer gebracht - und verbringt nach dem Check-out häufig noch ein paar Stunden in der Aufbewahrung. Offensichtlich finden die Betreiber der Members Club- und Hotelkette Soho House, wo alles immer extra schön und cool gestaltet ist, dass beim Gepäckdesign auch noch einiges machbar wäre. Also haben sie gemeinsam mit der in Berlin gegründeten Marke Horizn Studios jetzt zwei eigene Koffermodelle herausgebracht. Die limitierte Edition aus dunkelblauem Polycarbon hat außen eine wasserfeste Tasche für Laptops und ist innen im Nadelstreifendesign gestaltet. Wie bei Horizn Studios üblich, verfügen die Koffer über eine eingebaute "Powerbank" für Smartphones und Tablets. Dann müssen Reisende nicht ständig an der Rezeption nach einem Aufladekabel fragen. Erhältlich im Soho House Berlin sowie London-Shoreditch oder unter horizn-studios.com. Der "British Fashion Council" ehrt Miuccia Prada. Bei einer Zeremonie in der Royal Albert Hall erhält die italienische Designerin kommende Woche den Outstanding Achievement Award für ihre "herausragenden Verdienste" in der Mode. Die Jury des Fashion Council, einer einflussreichen Branchenorganisation, rühmt in ihrer Begründung Miuccia Pradas Vielseitigkeit. Die 69-Jährige habe über Jahrzehnte besonderes Gespür für den Zeitgeist bewiesen, mit ihren Kollektionen, aber auch in Architektur und Kunst. Prada stieg 1978 in die von ihrem Großvater gegründete Lederwarenfirma ein, elf Jahre später lancierte sie die erste Prêt-à-porter-Linie. Heute gehört das Mailänder Unternehmen zu den einflussreichsten Modelabels. Detailansicht öffnen (Foto: oh) Virgil Abloh ist der Designer der Stunde. Der New Yorker Autodidakt verantwortet seit diesem Jahr nicht nur die Herrenkollektion von Louis Vuitton, sondern bekam von der Branche vor allem für sein eigenes Label Off-White in kürzester Zeit die Deutungshoheit über den Modezeitgeist zugesprochen. Deshalb dürfte es einiges Aufsehen erregen, was Abloh jetzt zusammen mit dem Münchner Onlinehändler Mytheresa präsentiert: eine Kapselkollektion, die sich an eine besondere Zielgruppe richtet - Skifahrer. Vom 11. Dezember an gibt's Puffer Jacket, Skihose und Co. in Pink von Off-White. Wer sagt schließlich, dass der Weg zum Lift kein Laufsteg sein kann Eine gute Tat vor Weihnachten: Chanel hat angekündigt, kein exotisches Leder mehr zu verarbeiten. Künftig will das französische Couture-Haus auf Produkte aus der Haut von Schlangen, Echsen oder Krokodilen verzichten. Es werde immer schwieriger, Exotenleder mit zertifizierter Herkunft zu erhalten, heißt es zur Begründung. Chanel macht mit den Luxus-Accessoires gute Geschäfte - so kostet die klassische Flap Bag aus Pythonleder fast doppelt so viel wie das Kalbsledermodell. Der Schritt kam auch für Brancheninsider überraschend, Handel mit seltener Tierhaut wird in der Öffentlichkeit weniger aufmerksam verfolgt als etwa die Verarbeitung von Fell. Gucci hatte mit dem Verzicht auf echten Pelz eine regelrechte Welle an Nachahmern ausgelöst. Möglicherweise gibt es diesen Effekt auch nach der Entscheidung von Chanel, die Tierschutzorganisationen wie Peta begrüßten.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/kurz-gesichtet-schoen-warm-1.4240616
Kurz gesichtet - Schön warm
00/12/2018
Die Wollspezialisten von Rohi entwerfen nachhaltige Teppiche. Horizn Studios entwarf Koffer und von Virgil Abloh gibt es jetzt eine Skisport-Kollektion.
[]
mlsum_de-train-220741
mlsum_de-train-220741
Frauen kleiden sich für Frauen: Beyoncé Letzten Sonntag sangen die Superstars Beyoncé und Ed Sheeran gemeinsam zu Ehren Nelson Mandelas ihren Song "Perfect Duet", und sofort ging im Netz eine Genderdebatte los: Was man da sehen würde, wären die Erwartungen, die ein weiblicher Star zu erfüllen hat, im Gegensatz zum männlichen, der in Loser-Manier in Jeans, T-Shirt und Klampfe auf die Bühne schlurfen darf. Jetzt sind allerdings die Erwartungen an Frauen meistens von Frauen selbstgemacht, wie man am Hang zu absurden Schönheitsidealen sehen kann: Sicher hat sich kein Mann jemals eine Frau mit regungslosem Ballongesicht gewünscht, und ganz sicher erwartet das Patriarchat nicht von den Damen, dass sie sich einem Anal-Bleaching unterziehen (ja, mit so was wird gerade Geld verdient). Um Erwartungen geht es hier aber trotzdem, und zwar an die von Frauen an den Mann. Fast immer tut sich beim Ausgehen ein Style-Gap auf: Sie putzt sich raus wie Cher, während er das Spiel zu Ende schaut, sich durch die Haare fährt und fertig ist für einen fulminanten Abend. Wie sehr wünschte man sich in diesen Momenten einen Italiener mit Grundkenntnissen über Doppelreiher-Jacketts an seiner Seite! Allerdings hat der Italiener diese ja nicht aus Männer-Stylemagazinen, sondern einfach in den Genen. Sollten Frauen also ihren Look zugunsten eines nordisch kühlen Begleiters downgraden? Auf keinen Fall: Er trägt zwar keine Lackschuhe, aber dafür einen stoischen Ausdruck angesichts des Zirkusponys an seiner Seite. Er ist also irgendwie doch ein wahrer Gentleman. Julia Werner Männer ziehen sich an wie Jungs: Ed Sheeran "Every hetereosexual couple's level of effort", so kommentierte ein Twitternutzer dieses Foto von Beyoncé und Ed Sheeran. Bedeutet so viel wie: Paradebeispiel dafür, wie modische Sorgfalt bei einem Durchschnittspaar verteilt ist. Da ist leider etwas Wahres dran. Der in einer Beziehung häuslich gewordene Mann lässt zu gerne alle Eitelkeiten fahren. Das endet bei jenen alten Ehepaaren im Theater, bei denen sie frisch erblondet glitzert, während er in Lederweste und Flanellhemd abhängt. Auch wenn optische Diskrepanz nicht inhaltliche Entfernung bedeuten muss, es zeugt schon von mangelndem Interesse, wenn man die Partnerin stilistisch allein lässt. Oft ist es gar keine Absicht - viele Männer haben nie gelernt, sich für den Anlass passend zu kleiden, oder fühlten sich immer von ihren Frauen dazu gegängelt. Besser wäre ein prägendes Vorbild, aber wer hatte schon einen eleganten Vater? Natürlich kann man sich selbst dazu erziehen, aber das bedeutet eben ein bisschen Mühe und die ein oder andere Investition (weitaus weniger als bei den Damen). Bequemer ist es, Mode als lächerlich zu verachten und sich durch die Veranstaltungen zu rüpeln, bei denen so etwas wie eine gute Garderobe gefragt wäre. Mit seinen ewigen Jeans und T-Shirts stellt Ed Sheeran das Frühstadium dieses Volksleidens dar. In dem Outfit gehen Jungs mit zehn zum Spielen, machen damit ihren Schulabschluss und präsentieren sich so auch mit Mitte 40 noch der Öffentlichkeit. Triste Botschaft: Eigentlich sollten wir erwachsen werden, aber halt kein Bock. Max Scharnigg
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/ladies-gentlemen-gemeinsam-auftreten-1.4240622
Gemeinsam auftreten
00/12/2018
Während Ed Sheeran in Jeans und T-Shirt auf die Bühne schlurft, hüllt sich Beyoncé beim gemeinsamen Auftritt in ein kompliziertes Outfit.
[]
mlsum_de-train-220742
mlsum_de-train-220742
Als Student verliebte sich Andreas Kronthaler, Modedesigner aus Tirol, in Vivienne Westwood. Heute ist er mit der "Queen of Punk" verheiratet - und der Creative Director ihrer Firma. Die Rollen sind klar verteilt. Der Name seiner Frau ist 15 000 Euro wert. "Wer ist seit 1992 mit einem österreichischen Designer verheiratet?" fragte ein Moderator Anfang des Jahres bei der österreichischen Ausgabe von "Wer wird Millionär?". Die Antwortmöglichkeiten: Vivienne Westwood, Jean-Paul Gaultier, Jil Sander oder Stella McCartney. Der Kandidat zögert; befragt das Publikum, tippt auf Antwort A, Vivienne Westwood. Richtig, nächste Runde! Wie der Name des österreichischen Designers lautet, spielt keine Rolle. Er spielt fast nie eine Rolle. Seit 30 Jahren nicht. So lange ist Andreas Kronthaler inzwischen mit Vivienne Westwood zusammen. Er, der Österreicher aus dem Zillertal, und sie, die britische Modegöttin aus London. Es war Liebe auf den ersten Blick, sagt Kronthaler, wenn man ihn nach dem Anfang fragt. In den Achtzigern lernten sie sich in Wien kennen. Er war Student, sie Gastprofessorin. Er 22, sie 47, ihre Söhne so alt wie er. Fünf Jahre später war Kronthaler Vivienne Westwoods zweiter Ehemann. Und das ist er in erster Linie auch heute noch. Wie eine First Lady begleitet der 52-Jährige seine Frau zu öffentlichen Events, legt bei Diskussionsrunden die Hand auf ihre Schulter, während sie erzählt oder sitzt mit ihr beim Teekränzchen mit den Royals. Kronthaler, 52, sieht aus, als gehöre er auf einen Berg. Groß gebaut, Bart, Hemdknöpfe geöffnet, Kreuz auf der Brust. Er steht aber in der Küchenkoje des Vivienne-Westwood-Studios in der Elcho Street in London und isst Schokoladenkuchen. Das Studio ist unprätentiös, kein Pomp, kein Schnickschnack. An der Wand pinnen Modezeichnungen, auf dem Arbeitstisch zieht schwarzer Tee. Seine Pressesprecherin will, dass er Englisch spricht, damit sie ihn versteht. Es spricht österreichisches Sing-Sang-Englisch. "Love" klingt nach "Laff", "does it" nach "dooze it". Immer wieder wechselt er die Sprache, etwa dann, wenn er von daheim, von Tirol, spricht. Seit drei Jahren baut er dort einen alten Bauernhof um. Er hat ihn von seiner Mutter geerbt. "Ich wollte zu Hause einen Platz haben, der mir gehört." Die meiste Zeit aber ist er in London, bei Vivienne. Kronthaler ist inzwischen Creative Director der Firma seiner Frau. Seit zwei Jahren zeigt er seine Kollektionen unter dem Label "Andreas Kronthaler for Vivienne Westwood". Es sei Zeit geworden, in ihre Fußstapfen zu treten, sagt Kronthaler. "Meine Frau ist mittlerweile 77 und hat auch noch andere Interessen als Mode." Sie ist trotzdem stets präsent, im Gespräch ebenso wie in seiner Mode. Seine letzte Herbstkollektion etwa war eine Hommage an Vivienne, "ein Liebesbrief", sagt er. Kronthaler macht keinen Hehl daraus, dass seine Frau der Fixstern in seinem Leben ist. "Es gibt in einer Beziehung die eine Seite: Sex. Aber es gibt auch noch etwas anderes. Sie ist meine Seelenverwandte." Detailansicht öffnen Entwurf von Andreas Kronthaler für Vivienne Westwood: ein Look von den Pariser Schauen für Frühjahr/Sommer 2019. (Foto: Getty) So viel Zugewandtheit scheint selbst Vivienne Westwood manchmal nicht ganz geheuer zu sein. Ihr Ehemann würde nur ungern alleine schlafen und Angst haben, alleine zu fliegen, verriet sie einmal in einem Interview mit dem Guardian. Manchmal bedränge er sie auch wie ein Kind. "Die ganze Zeit heißt es ,Vivienne? Vivienne?'" Die Gegensätze könnten kaum größer sein Sie Stilikone, er der Jüngling - die Rollen scheinen nach Jahrzehnten der Ehe klar verteilt zu sein. Trotzdem, und das ist vielleicht das eigentlich Bemerkenswerte an dieser Ehe, sind sie noch ein Paar. Eines, das wie kein anderes der Beweis zu sein scheint für eine uralte Liebesweisheit: Gegensätze ziehen sich an. Während sie in den Siebzigerjahren mit ihrem damaligen Ehemann Malcom McLaren, dem Manager der Punkband Sex Pistols, Sadomaso-Kleidung schneiderte und Punk-Mode erfand, wuchs er in einem österreichischen Tal mit ein paar Tausend Einwohnern auf und nähte seinen Puppen Kleider. Seine Mutter war Antiquitätenhändlerin, sein Vater Kunstschmied. "Ich wusste, da gibt es irgendetwas außerhalb dieser Berge. Ich bin gegangen, so schnell ich konnte", erzählt Kronthaler. Mit 14 zog er nach Graz ins Internat, machte Abitur und eine Ausbildung zum Goldschmied. Er studierte erst Industriedesign, dann Mode in Wien. Eine seiner Gastprofessorinnen war Vivienne Westwood oder wie Kronthaler sagt: "die bestangezogenste Frau, die ich je gesehen hatte". Westwood erkannte sein Talent. Seine Arbeiten waren damals von der Renaissance inspiriert und so geschneidert, dass die Kleider auf verschiedene Arten getragen werden konnten. Sie nahm ihn mit nach London. Er sollte dort weiter an diesem Stil arbeiten. "Es war alles sehr aufregend", sagt Kronthaler. Detailansicht öffnen Entwurf von Andreas Kronthaler für Vivienne Westwood: ein Look von den Pariser Schauen für Frühjahr/Sommer 2019. (Foto: Getty) Der junge Liebhaber schlief anfangs im Studio, arbeitete hart, bewies sich. Als er das erste Mal in Viviennes Boutique ging, fand er die Klamotten irre. Er dachte sich: Das kannst du dir nicht kaufen, die Kleider sind nicht schön genug. Das war ein Schlüsselerlebnis. "Ich sah, dass ich einen Teil dazu beitragen könnte, und das habe ich einfach in die Hand genommen", sagte er in einem Interview. Bereits seine ersten Arbeiten wurden Teil der Kollektion. Er blieb in London und prägt seither den Stil des Labels mit. Unter den Augen seiner Frau begann er, Mode zu machen. Seine Kreationen sind schrill, bunt, exzentrisch. Nur eines sind sie nicht: politisch. Das ist wohl der größte Unterschied zwischen ihm und seiner Frau. Provokation und Aktivismus sind ihr Repertoire. Westwood demonstrierte bereits auf einem Panzer gegen die umstrittene Fracking-Methode zur Erdöl- und Gasgewinnung, tauchte ohne Höschen bei der Queen auf und ließ sich vor ein paar Jahren einmal eine Glatze rasieren, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Außerdem soll sie regelmäßig den Wikileaks-Gründer Julian Assange in seinem Exil, der ecuadorianischen Botschaft in London, besuchen. Kronthaler hingegen ist "not particular political". "Ich mache mir schon Gedanken, aber ich äußere sie nicht so extrem wie Vivienne. Ich halte mich da lieber raus." Von vielen Themen verstehe er auch einfach nicht genug. Er interessiert sich für andere Dinge. Religion fasziniert ihn zum Beispiel, auch wenn er lange Zeit mit seiner eigenen katholischen Herkunft haderte. Überhaupt scheint es, als habe er lange gebraucht, sich selbst zu finden. Und der große Altersunterschied? "Nie ein Problem" Fragt man Andreas Kronthaler, ob es ihn denn nie stört, immer nur der "Ehemann von" oder in der Klatschpresse auch gerne der "Toyboy" von Vivienne Westwood genannt zu werden, schüttelt er den Kopf. "Sie war immer schon meine Stilikone. Sie ist für mich das Ultimative." Und als würde er die nächste Frage schon vorausahnen, fügt er hinzu: "Auch unser Altersunterschied war nie ein Problem." Alter war nie eine Kategorie in ihrer jahrzehntelangen Beziehung. Bis jetzt, zumindest. Denn an einer Sache merkt er den Altersunterschied dann doch: "Sie springt morgens nicht mehr so fit aus dem Bett wie früher." Allerdings begreift sich Andreas Kronthaler auch hier wieder als Erweiterung seiner Frau. "Wir sind alt geworden", sagt er. Dabei hat er als Kronprinz des Modelabels seine Zeit noch vor sich.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/kronthaler-mode-westwood-designer-1.4240614
Mode & Liebe - Oh Vivienne!
00/12/2018
Als Student verliebte sich Andreas Kronthaler, Modedesigner aus Tirol, in Vivienne Westwood. Heute ist er mit der "Queen of Punk" verheiratet - und der Creative Director ihrer Firma. Die Rollen sind klar verteilt.
[]
mlsum_de-train-220743
mlsum_de-train-220743
Die letzten Zuckungen des Bikini-Wahns auf hochglanzpolierten Motorhauben sind vorbei: Der neue Pirelli-Kalender zeigt Frauen als Menschen mit Hoffnungen und Träumen. Es war ein seltsames Ding mit Gun-Shows, Autos, Reifen und Zigaretten. Irgendwann hatten sich die Werbeagenturen der Vor-Mad-Men-Zeit, vor allem die US-amerikanischen, darauf verständigt, dass Produkte aller Branchen, die im entferntesten Sinn mit Feuer und Rauch zu tun haben, mit halbnackten Frauen zu bewerben sind, die ihr 30. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Sexistische Werbung findet in den Bild-Fantasien aus Rauch, Rausch, Metall und Gummi ihren Ursprung. Man weiß immer noch nicht warum. Doch die vielleicht letzten Zuckungen dieses Bikini-Wahns räkeln sich bis heute auf den hochglanzpolierten Motorhauben der Autosalons der westlichen Welt. Früher galt der Jahreskalender der italienischen Reifenfirma "Pirelli" als der Goldpaillettenstandard dieser Form von Produktaufbereitung. Das ist längst nicht mehr so. Inzwischen erzählen internationale Fotokünstler sensationell inszenierte Geschichten. Für das Jahr 2019 hat der schottische Fotograf Albert Watson unter anderem das Model Gigi Hadid, die Schauspielerinnen Laetitia Casta, Julia Garner (unser Bild: © Albert Watson, Pirelli Kalender 2019) und die Primaballerina Misty Copeland gewinnen können, im je somnambulen Ambiente einfach nur ganz bei sich zu sein. Die traumhafte Inszenierung von Nicht-Inszeniertheit scheint in Watsons unwirklichen Wirklichkeiten perfekt gelungen zu sein. "Es ist angesichts der Me-Too-Bewegung nicht mehr zeitgemäß", so der Fotograf, "halbnackte Bikini-Mädchen am Strand zu arrangieren." Der Pirelli-Kalender 2019 hat davon profitiert.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/pirelli-kalender-2019-frauen-wie-im-traum-1.4242183
Pirelli-Kalender 2019 - Frauen ganz bei sich
00/12/2018
Die letzten Zuckungen des Bikini-Wahns auf hochglanzpolierten Motorhauben sind vorbei: Der neue Pirelli-Kalender zeigt Frauen als Menschen mit Hoffnungen und Träumen.
[]
mlsum_de-train-220744
mlsum_de-train-220744
Was passiert, wenn in einem ganzen Land Eltern lieber Söhne bekommen und millionenfach weibliche Föten abtreiben? Es gibt weniger Frauen, und wovon es einen Mangel gibt, dessen Wert steigt. Das klingt unangemessen nüchtern, fast so, als gehe es hier nicht um Menschen, sondern um Waren. Aber so ist das in China, wo es nach 35 Jahren der Ein-Kind-Politik mindestens 30 Millionen mehr Männer als Frauen gibt. Um ihr Leben nicht alleine in einem Junggesellendorf zu fristen, sind die Männer bereit, hohe Mitgiften zu zahlen - längst werden Summen erreicht, die das Jahreseinkommen der Bräutigamsfamilien um ein Vielfaches übersteigen. Nicht nur Goldschmuck, sondern ein Haus, ein Auto und 150 000 Yuan (ungefähr 19 000 Euro) sind inzwischen Standardforderungen der Brautfamilien. Das trifft vor allem Männer in ländlichen Gebieten, denn viele Frauen zieht es in die Städte, und das verschärft die Angebot-und-Nachfrage-Problematik gewissermaßen zusätzlich. Um sich das leisten zu können, verschulden sich die Familien oft lebenslang. In der Provinz Shandong soll es Dörfer geben, in denen das Brautgeld im wörtlichen Sinne abgewogen wird: 100 000 Yuan in 100er-Scheinen wiegen etwa 1,6 Kilogramm. Auch gibt es dort den Brauch, "alles in Rot und Grün" zu zahlen, also mit Hundert- und mit Fünfzig-Yuan-Scheinen. Das Problem ist, wie immer, wenn die Nachfrage das Angebot bei Weitem übersteigt: Obwohl viele Bewohner diese Entwicklungen selbst nicht gutheißen, sind sie machtlos. Es gibt ja immer jemand anderen, der bereit ist, noch mehr zu zahlen. Seit 2016 gibt es die Ein-Kind-Politik nicht mehr, jetzt dürfen alle Chinesen zwei Kinder haben Um die ausufernden Mitgiften einzudämmen und die "vulgäre Praxis" zu beenden, fordert das Ministerium für zivile Angelegenheiten eine Trendwende. Auf chinesische Weise: Die Menschen sollten lieber "Xi Jinpings Gedankengut" folgen, Hochzeitsfeiern sollten sozialistische und traditionelle chinesische Werte wie Fleiß und Sparsamkeit widerspiegeln. Schluss mit Extravaganz und Verschwendung. Detailansicht öffnen Für die Hochzeit von China nach England fliegen? Warum nicht. Ein Paar auf der Westminster Bridge in London. (Foto: REUTERS) Da Vernunftappelle aber selten ausreichen, wurden mancherorts bereits Regeln beschlossen, um Brautpreise zu deckeln. Im Kreis Taiqian in der Provinz Henan ist nicht nur der Wert der Hochzeitsgeschenke auf 60 000 Yuan (7700 Euro) limitiert. Beschränkt ist auch die Zahl der Gäste: maximal zehn Tische oder 200 Leute. Die Brautfamilien dürfen keine Häuser und Autos mehr fordern und die Familien der Bräutigame dürfen keine Schulden aufnehmen, um die Hochzeit zu bezahlen. Doch solange die Angst der Männer vor dem Alleinsein groß ist, dürfte es schwierig werden, die Hochzeitsbräuche zu ändern. Funktionäre fordern daher, dass lokale Behörden für alternative Veranstaltungen wie Massenhochzeiten werben sollten. Seit 2016 gibt es die Ein-Kind-Politik nicht mehr, jetzt dürfen alle Chinesen zwei Kinder haben. Die neue Musterfamilie hat eine Tochter und einen Sohn. Bis diese im heiratsfähigen Alter sind, dauert es allerdings noch. Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise den Fünf-Yuan-Schein als grünfarbigen Schein genannt. Richtig ist jedoch, dass der 50-Yuan-Schein grün ist.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/china-hochzeiten-mitgiften-1.4238916
"Hochzeiten in China: Ende der ""vulgären Praxis"""
00/12/2018
Peking schreitet gegen ausufernde Mitgiften ein. Manche Bräutigamsfamilien verschulden sich lebenslang, um die Forderungen zu erfüllen. Das Problem ist: Es gibt zu wenig Frauen.
[]
mlsum_de-train-220745
mlsum_de-train-220745
Hunde tollen am liebsten frei in der Gegend herum. Das geht nicht immer, und für diesen Fall gibt es Leinen. Welche ist die beste? Neun Modelle im Test. Am liebsten würden Hunde wahrscheinlich immer frei herumlaufen wollen, aber manchmal müssen sie an die Leine. Schließlich gibt es in Deutschland einen kommunalen Leinenzwang, der das Wann und Wo und Wie auf öffentlichen Wegen in geschlossenen Ortschaften regelt. Die Regelungen sind allerdings recht kompliziert und in jedem Bundesland anders. Stellt sich dann nur noch die Frage nach der richtigen Leine. Wobei das Thema in etwa so vielfältig ist wie die Verordnungen. Natürlich kommt es bei der Auswahl auf den Hund und die Vorlieben des Halters, das Material und den Verwendungszweck an. Die SZ-Tests im Überblick Diesen und alle weiteren SZ-Produkttests finden Sie hier. Die bekannteste und am meisten verbreitete Art ist die Führleine, oft aus Nylon, Neopren oder Leder. "Die Länge lässt sich meist verstellen und so ist sie fürs Gassigehen in der Stadt genauso geeignet wie für einen Spaziergang auf dem Land," erklärt Hundetrainerin Beatrice Rosenthal. Beliebt für den Auslauf im Grünen ist die Schleppleine, die sich durch ihre Länge auszeichnet. Der Hund kann sich in einem Radius von etwa zehn Metern frei bewegen und der Halter hat ihn trotzdem unter Kontrolle. Neben den häufigsten Leinenarten testete die Expertin über zwei Wochen lang, unter anderem auf einer Wandertour in Südtirol, auch je eine Flexi-, Kurz- und Joggingleine. Hunde an der Leine gibt es länger als man denkt. Sie wurden, das belegen archäologische Funde in Saudi-Arabien, bereits vor mehr als 9000 Jahren angeleint.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/test-hundeleine-leine-1.4237788
Hundeleine-Test - Das ist die beste Leine
00/12/2018
Hunde tollen am liebsten frei in der Gegend herum. Das geht nicht immer, und für diesen Fall gibt es Leinen. Welche ist die beste? Neun Modelle im Test.
[]
mlsum_de-train-220746
mlsum_de-train-220746
In Deutschland gibt es ihn bisher vor allem an den größeren Flughäfen, wo ihn chinesische Touristen kaufen: der hochprozentige Schnaps Baijiu. Ein tödliches Gebräu. Nur deshalb nicht als Flugbenzin im Einsatz, weil es sich zu leicht entzündet. Sicherheitsberater Henry Kissinger warnte Richard Nixon nicht ohne Grund, als der Präsident 1972 das erste Mal nach China reiste. Die Chinesen schenkten dem Präsidenten ein, was man neuen Freunden in China eben ausschenkt: Baijiu. In Deutschland nahezu unbekannt, ist Chinas Nationalgetränk der meistgetrunkene Schnaps der Welt. Wörtlich übersetzt "weißer Alkohol", umfasst der Schnaps eine Vielzahl von Getreidespirituosen, die meist aus Sorghum, Reis oder Weizen hergestellt werden.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/baijiu-schnaps-china-deutschland-1.4235641
Chinesischer Schnaps Baijiu - Flüssige Rasierklingen
00/12/2018
Explosiv und höllisch stark: Das chinesische Nationalgetränk Baijiu hat im Ausland einen schlimmen Ruf. Nun bringen wagemutige Gastronomen den Schnaps nach Deutschland.
[]
mlsum_de-train-220747
mlsum_de-train-220747
Der Weihnachtsbaum vor dem Reichstag ist eine Fichte aus der Nähe von Altenau im Harz. 62 Jahre alt, fünf Tonnen schwer, 24 Meter hoch. Sie wurzelte ihr Leben lang geschützt im Kellwassertal und überstand auch die Krisen dieses Jahres gut. Weder der Januarsturm Friederike noch die Sommerdürre beschädigten ihre Schönheit. Als die Mitarbeiter des Forstamts Clausthal die Fichte fällten, hielt sie ein Autokran und legte sie später behutsam auf einem Tieflader ab. Und nun steht sie also im Lichterschmuck vor dem Berliner Parlament und kündet von der Kraft der Christfest-Kultur. Der Weihnachtsbaum ist eine deutsche Erfindung. Vom 16. Jahrhundert an verbreitete er sich von den Zunfthäusern aus über städtische Familien in der ganzen Welt. Heute kann man darüber streiten, ob der Weihnachtsbaum eher ein Symbol des Adventskommerzes oder der besinnlichen Weihnachtsfeiertage ist. Aber beliebt ist er, das ist klar, vor allem in Deutschland. Nirgends ist der Pro-Kopf-Weihnachtsbaum-Verbrauch so hoch wie hier. Nach Angaben des Bundesverbandes der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünerzeuger setzt die Branche zwischen 23 und 25 Millionen Bäume pro Jahr ab. Und Geschäftsführer Martin Rometsch meldet, das Angebot an Nordmanntannen und anderen beliebten Zimmernadelhölzern sei auch dieses Jahr wieder üppig: "Es gibt keine Knappheit." Das Land protzt fast mit seinen Weihnachtsbäumen. In vielen Städten stehen geschmückte Riesenbäume wie Botschafter ihrer Herkunftswälder. Thüringens Forstministerin Birgit Keller (Linke) freute sich vergangene Woche ganz offiziell darüber, dass eine etwa 80-jährige Fichte aus Floh-Seligenthal im Kreis Schmalkalden-Meiningen den begehrten Platz vor dem Brandenburger Tor besetzen darf. Es ist, als wäre die Trockenheit dieses Sommers an der Branche folgenlos vorübergegangen. Rometsch sagt sogar, der heiße Sommer habe manchen Bäumen in den 2500 Anbaubetrieben gutgetan, weil weniger Feuchtigkeit auch weniger Pilzbefall bedeute. "Die Insekten waren auch zurückhaltend." Dürre als Erfolgsfaktor? Natürlich nicht. Die Betriebe mussten mehr wässern, vor allem die kleineren Jungpflanzen aus der Baumschule mit ihren dünnen Wurzeln. Wer das nicht tat, hatte schwere Ausfälle. "Die Setzlinge sind in einzelnen Betrieben zu bis zu 100 Prozent vertrocknet", sagt Rometsch. Detailansicht öffnen Die Fichte aus dem Kellwassertal steht jetzt vor dem Reichstag in Berlin. (Foto: dpa) In den niedersächsischen Landesforsten, der Heimat der Reichstagsfichte, gibt es hingegen keine Klagen wegen der Dürre - zumindest nicht, wenn es ums Weihnachtsgeschäft geht. "Für uns sind Weihnachtsbäume Nischenprodukte", erklärt Sprecher Mathias Aßmann. Die Förster sind vor allem mit der Holzproduktion beschäftigt. Sie lassen Nadelbäume lange Zeit dicht nebeneinander wachsen, damit diese im Schatten ihrer Kronen die unteren Äste abwerfen. So entsteht astreines Holz. Hübsche Christbäume sind im Wald meist junge Zufallsgewächse, die ohnehin wegmüssten. Oder alte Bäume, die immer viel Licht hatten und deshalb ihr volles Nadelkleid behielten. Wie die Reichstagsfichte aus dem Kellwassertal, die über Jahrzehnte still gedieh, bis das Weihnachtsgeschäft sie rief.
stil
https://www.sueddeutsche.de/stil/weihnachten-sommer-klimawandel-1.4233779
Weihnachtsbaum: Wie grün sind deine Blätter
00/12/2018
Die Deutschen lieben ihre Weihnachtsbäume. Aber hat der heiße Sommer den Tannen und Fichten geschadet?
[]