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lagmv-2007-12-12-2-sa-15607
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
2 Sa 156/07
2007-12-12
2018-11-25 07:30:06
2019-02-26 19:45:44
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nI. Die Berufung des Beklagten wird auf seine Kosten zurückgewiesen.\n\n \n\nII. Die Berufung wird nicht zugeslassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten\nÄnderungskündigung mit dem Ziel der Entgeltabsenkung.\n\n2\n\n \n\nDie Klägerin war ursprünglich seit über 30 Jahren bei der Stadt Sch. in einem\nKindergarten beschäftigt. Mit Wirkung vom 01.04.2005 übertrug die Stadt Sch.\nsämtliche Kindergärten auf den Beklagten. Hinsichtlich des Übertragsvertrages\nwird auf die Anlage B 1 (Blatt 42 d. A.) Bezug genommen. Das monatliche\nBruttogehalt wurde durch Vertrag vom 20.02.2006 auf 1.759,74 EUR brutto\nvereinbart.\n\n3\n\n \n\nMit Schreiben vom 28.11.2006 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum\n31.05.2007 und bot der Klägerin gleichzeitig an, sie ab dem 01.06.2007 in der\nKindertagesstätte zu einem Bruttogehalt von 1.574,93 EUR weiterzubeschäftigen.\n\n4\n\n \n\nDurch Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 26.04.2007 - 2 Ca 2428/06 - hat\ndas Arbeitsgericht Rostock für Recht erkannt:\n\n5\n\n \n\n1\\. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die\nÄnderungskündigung vom 28.11.2006, der klägerischen Partei am 29.11.2006\nzugegangen, sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.\n\n6\n\n \n\n2\\. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere\nKündigungen geändert oder beendet wurde, sondern zu unveränderten\nArbeitsbedingungen fortbesteht.\n\n7\n\n \n\n3\\. Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.\n\n8\n\n \n\n4\\. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf 6.653,16 EUR.\n\n9\n\n \n\n5\\. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.\n\n10\n\n \n\n6\\. Die Berufung wird zugelassen.\n\n11\n\n \n\nIn den Entscheidungsgründen hat das Gericht ausgeführt, der Beklagte hätte\nsich bei der Begründung seiner Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung nicht\nnur auf das Schreiben der Stadt Sch.n vom 19.09.2006 stützen dürfen, in dem\nausgeführt worden sei, dass ein weiterer Zuschuss ab dem 01.04.2007 nicht mehr\ngezahlt werde. Es seien vielmehr die geprüften Bilanzen für das Jahr 2006 und\n2007 vorzulegen. Ferner sei ein Sanierungsplan nicht vorgelegt worden.\nSchließlich seien die beiden Leiterinnen der Kindertagesstätten zu Unrecht von\nder Änderungskündigung ausgenommen worden.\n\n12\n\n \n\nIm Übrigen wird auch hinsichtlich des weiteren Sachverhaltes auf die\nangefochtene Entscheidung Bezug genommen.\n\n13\n\n \n\nDieses Urteil ist dem Beklagten am 08.05.2007 zugestellt worden. Er hat\ndagegen Berufung eingelegt, die am 08.06.2007 beim Landesarbeitsgericht\neingegangen ist. Die Berufungsbegründung ist am 05.07.2007 beim\nLandesarbeitsgericht eingegangen.\n\n14\n\n \n\nDer Beklagte ist der Auffassung, dass im vorliegenden Falle nicht auf die\nGrundsätze des Bundesarbeitsgerichts abgestellt werden könne, welche für\nprivatrechtlich organisierte mit Gewinnerzielungsabsicht tätige Unternehmen\naufgestellt worden seien. Der Beklagte finanziere sich im Bereich der\nKindertagesstätten ausschließlich durch öffentliche Zuschüsse sowie\nElternbeiträge. Würden die öffentlich-rechtlichen Zuschüsse für eine bestimmte\nKindertagesstätte reduziert, könne der Beklagte sich auch nur auf diese\nkonkrete Kindertagesstätte bei seinen Erwägungen zum Ausspruch einer\nÄnderungskündigung beziehen. Es sei ihm nicht möglich, etwaige Gewinne aus\nanderen Sparten in eine defizitäre Kindertagesstätte zu überführen. Etwaige\nGewinne in anderen Sparten seien von dem Beklagten als gemeinnütziges\nUnternehmen zurückzuerstatten. Die Vorgaben der Stadt Sch. in dem bereits\nvorgelegten Schreiben vom 19.09.2006 würden ausschließlich die Entlohnung von\nMitarbeitern betreffen, welche gem. § 613 a BGB vom Beklagten übernommen\nworden seien. Eine Aufstellung eines Sanierungsplanes hätte keinen Sinn\ngemacht. Bei unveränderten Personalkosten in beiden Kindertagesstätten sei ein\njährliches Defizit in Höhe von fast 70.000,00 EUR zu erwarten gewesen. In\ndiesem Fall könnte der Beklagte die beiden Kindertagesstätten nicht\nweiterführen. Damit lägen sehr wohl dringende betriebliche Erfordernisse vor,\nwelche die Entgeltreduzierung rechtfertigen würden.\n\n15\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n16\n\n \n\ndas Urteil des Arbeitsgerichts Rostock - 2 Ca 2428/06 - abzuändern und die\nKlage abzuweisen.\n\n17\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n18\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n19\n\n \n\nSie tritt der angefochtenen Entscheidung bei. Hinsichtlich des weiteren\nVorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst\nAnlagen Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n20\n\n \n\nDie zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht Rostock hat zu\nRecht der Klage stattgegeben.\n\n21\n\n \n\nDie Unrentabilität des Betriebes kann einer Weiterbeschäftigung des\nArbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen entgegenstehen und ein dringendes\nbetriebliches Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen darstellen, wenn\ndurch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebes oder die\nReduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und die Kosten durch andere\nMaßnahmen nicht zu senken sind.\n\n22\n\n \n\nEine betriebsbedingte Änderungskündigung, die eine aus wirtschaftlichen\nGründen sonst eine erforderlich werdende Beendigungskündigung vermeidet, ist\ndanach grundsätzlich zulässig. Bei der betriebsbedingten Änderungskündigung\nzur Entgeltabsenkung ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber nachhaltig\nin das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und\nGegenleistung eingreift, wenn er die vereinbarte Vergütung reduziert.\nGrundsätzlich sind einmal geschlossene Verträge einzuhalten.\n\n23\n\n \n\nEs ist allgemein anerkannt, dass Geldmangel den Schuldner nicht entlastet. Die\nDringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffes in das Leistungs-/Lohngefüge,\nwie es die Änderungskündigung zur Durchsetzung einer erheblichen Lohnsenkung\ndarstellt, ist deshalb nur dann begründet, wenn bei einer Aufrechterhaltung\nder bisherigen Personalkostenstruktur weitere betrieblich nicht mehr\nauffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der\nBelegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebes führen. Regelmäßig\nsetzt deshalb eine solche Situation einen umfassenden Sanierungsplan voraus,\nder alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung mildere Mittel\nausschöpft (zuletzt BAG vom 01.03.2007 - 2 AZR 580/05 -).\n\n24\n\n \n\nEntgegen den zuvor aufgeführten Grundsätzen, die das Bundesarbeitsgericht in\nständiger Rechtsprechung für die Prüfung einer Änderungskündigung mit dem Ziel\nder Lohnabsenkung anwendet, hat der Beklagte im vorliegenden Fall sich\nlediglich auf die durch die Verringerung der Zuschüsse der Stadt entstandene\nschwierige Situation der Kindertagesstätten in Sch. bezogen. Dabei handelt es\nsich jedoch nicht um den gesamten Betrieb der Beklagten, sondern allenfalls um\neinen Betriebsteil.\n\n25\n\n \n\nDies reicht jedoch nicht aus. Der Beklagte hätte eine schwierige\nwirtschaftliche Situation des gesamten Betriebes darlegen müssen. Dem steht\nauch nicht entgegen, dass es sich um einen gemeinnützigen Träger handelt. Die\nGemeinnützigkeit eines Arbeitgebers hat keine Änderung der vorher aufgezeigten\nGrundsätze zur Folge (vgl. BAG - 7 AZR 659/86 -). Der Beklagten ist es auch\nnicht gelungen, einen Grundsatz darzulegen, wonach bei einem gemeinnützigen\nTräger sämtliche Einrichtungen aus sich selbst heraus lebensfähig sein müssen\nund nicht Verluste aus einem Bereich mit Überschüssen aus einem anderen\nBereich ausgeglichen werden können.\n\n26\n\n \n\nSie hat hierzu die Ausarbeitung ihres Steuerberaters vorgelegt, wonach die\nGemeinnützigkeit zu versagen sei, wenn die Mittel einer Körperschaft nicht für\nsatzungsgemäße Zwecke eingesetzt würden. Der Betrieb von Kindertagesstätten\nsei zwar dem Grunde nach ein gemeinnütziger Zweckpunkt, unterfalle aber nicht\nder Satzung des Beklagten und gelte daher mangels einer derartigen Verankerung\nals wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb.\n\n27\n\n \n\nDieser Vortrag ist mit der Satzung des Beklagten nicht vereinbar. Nach § 1 der\nSatzung (Blatt 168 ff. d. A.) stellt es sich der Beklagte zur Aufgabe, unter\nanderem auf die Verbesserung der individuellen, familiären und sozialen\nLebensbedingungen hinzuwirken. Hierzu gehört der Betrieb von\nKindertagesstätten. Der Betrieb von Kindertagesstätten verbessert die\nfamiliären und sozialen Lebensbedingungen. Durch den Betrieb von\nKindertagesstätten wird die Berufstätigkeit der Eltern, insbesondere von\nAlleinerziehenden überhaupt erst ermöglicht bzw. wesentlich erleichtert.\n\n28\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO.\n\n29\n\n \n\nZur Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG bestand kein Anlass.\n\n
107,024
lagmv-2007-11-08-1-sa-1507
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
1 Sa 15/07
2007-11-08
2018-11-25 07:30:09
2019-02-26 19:47:40
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nI. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund\nvom 22.08.2006 - 4 Ca 163/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.\n\n \n\nII. Die Revision gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um die Höhe des Abfindungsanspruches der Klägerin auf\nder Grundlage des Erlasses zur Gewährung übertariflicher Leistungen für\nAngestellte und Arbeiter in der Landesverwaltung vom 28.06.2004 - IV 130-P\n2164-2/04 (Amtsblatt von Mecklenburg-Vorpommern 2004, Seite 635 ff.).\n\n2\n\n \n\nDie Parteien schlossen einen Aufhebungsvertrag auf der Grundlage des\nobengenannten Erlasses im Wesentlichen mit dem Inhalt der Auflösung des\nArbeitsverhältnisses zum 31.03.2006 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von\n6.143,76 EUR, welchen die Klägerin unter dem Vorbehalt annahm, die Höhe der\nAbfindung sowie eventuelle Ansprüche nach dem Tarifvertrag zur sozialen\nAbsicherung sowie mögliche Schadensersatzansprüche zu prüfen. Aufgrund dieser\nVorbehaltserklärung gelangte das beklagte Land zunächst zu der\nRechtsauffassung, der Auflösungsantrag sei nicht rechtswirksam zustande\ngekommen und forderte die Klägerin auf, die Arbeit wieder aufzunehmen.\n\n3\n\n \n\nIn der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Stralsund vom 01.06.2006\nschlossen die Parteien den folgenden Teilvergleich:\n\n4\n\n \n\n"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis durch\nAuflösungsvertrag vom 07.03.2006/20.03.2006 mit Ablauf des 31.03.2006\naufgelöst worden ist und der Klägerin die Abfindung entsprechend dem Erlass\nvom 28.06.2004 - IV 130-P 2164-2/04 - in seiner jeweils geltenden Fassung\nzusteht.\n\n5\n\n \n\n2\\. Damit ist der Antrag zu 1 aus der Klageschrift vom 24.04.2006 erledigt.\n\n \n\n3\\. ..."\n\n6\n\n \n\nDie Klägerin hat beantragt,\n\n7\n\n \n\ndas beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von\n24.550,20 EUR zuzüglich Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem\njeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.\n\n8\n\n \n\nDas beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.\n\n9\n\n \n\nDas Arbeitsgericht Stralsund hat der Klage in Höhe eines Betrages von 6.143,76\nEUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat im\nWesentlichen argumentiert, das beklagte Land habe dem Grunde und der Höhe nach\nin rechtlich nicht zu beanstandender Weise nach dem Erlass vom 28.06.2004 eine\nKürzung des Abfindungsbetrages vorgenommen. Ein Verstoß gegen die §§ 305 ff.\nBGB sei im Übrigen nicht ersichtlich.\n\n10\n\n \n\nGegen diese am 18.12.2006 zugestellte Entscheidung richtet sich die am\n17.01.2007 beim Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangene\nBerufung der Klägerin nebst Begründung - nach entsprechender gerichtlicher\nFristverlängerung eingegangen am 05.03.2007.\n\n11\n\n \n\nDie Klägerin hält an ihrer Rechtsauffassung fest und trägt vor, die Auslegung\ndes Erlasses vom 28.06.2004 führe zu dem Ergebnis, dass eine Kürzung des\nAbfindungsbetrages lediglich in Verbindung mit der Inanspruchnahme der\nRegelaltersrente vorgenommen werden könne. Bereits nach dem Wortlaut der\neinschlägigen Regelungen sei eine Kürzungsmöglichkeit im Falle eines\nvorzeitigen - verkürzten - Rentenbezuges gerade nicht vorgesehen. Außerdem\nverstoße der Erlass vom 28.06.2004 gegen die Grundsätze der allgemeinen\nGeschäftsbedingungen.\n\n12\n\n \n\nDie Klägerin beantragt:\n\n13\n\n \n\n1\\. Unter Abänderung des am 22.08.2006 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts\nStralsund - 4 Ca 163/06 - wird das beklagte Land verurteilt, weitere 18.406,44\nEUR nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf seit dem\n08.05.2006 zu zahlen.\n\n14\n\n \n\n2\\. Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n15\n\n \n\nDas beklagte Land beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.\n\n16\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten im Berufungsrechtszuge wird auf die zwischen\nden Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n17\n\n \n\nDie zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht\nStralsund hat die Zahlungsklage in Höhe des Berufungsgegenstandes mit\nzutreffenden Erwägungen abgewiesen.\n\n18\n\n \n\n1\\. Die Klägerin verfügt gegen das beklagte Land nicht über einen\nweitergehenden Abfindungsanspruch über den rechtskräftig ausgeurteilten Betrag\nhinaus auf der Grundlage des Erlasses vom 28.06.2004. Dort heißt es unter II\n1. 3 - soweit hier von Bedeutung - wie folgt:\n\n19\n\n \n\n"Arbeitnehmer erhalten (abweichend vom Tarifvertrag zur sozialen Absicherung\nvom 06.07.1992) für jedes volle Jahr der Beschäftigungszeit (§ 19 BAT-O, § 6\nMTA-O bzw. § 52 MTW-O - ohne die nach ÜV Nr. 3 hierzu berücksichtigten Zeiten)\ndas Einfache der letzten Bruttomonatsvergütung bzw. des letzten Bruttomonats-\nTabellenlohnes, mindestens aber 5.112,92 EUR und höchstens das Zwölffache\ndieser Vergütung bzw. dieses Lohnes, aber nicht mehr als 30.677,51 EUR... In\nden Fällen, in denen die Differenz vom Zeitpunkt der Beendigung des\nArbeitsverhältnisses bis zum Eintritt in eine Altersrente kleiner als 30\nMonate ist, wird für jeden fehlenden Monat ein Abzug von 1.022,58 EUR\nvorgenommen. Für Frauen, die bis zum 63. Lebensjahr ausscheiden, führt ein\nAnspruch auf die Altersrente für Frauen nicht zum Wegfall oder zur Kürzung der\nAbfindung. Für die Berechnung einer eventuellen Kürzung wird in diesem Fall\ndie nächstmögliche Altersrente zugrunde gelegt."\n\n20\n\n \n\nII 1. 4 des obengenannten Erlasses - Allgemeines Hinweise - lautet\nauszugsweise:\n\n21\n\n \n\n"Die Herausnahme der Altersrente für Frauen aus der Kürzungsregelung (§ 2 Abs.\n5) ist auf folgende Rechtslage zurückzuführen:\n\n22\n\n \n\nScheiden Männer oder Frauen nach Vollendung des 59. Lebensjahres aus und liegt\nder 30-Monatsregelung die frühestmögliche Altersrente zugrunde, fällt die\nKürzung der Abfindung bei Männern geringer aus als bei Frauen. Frauen haben ab\ndem 60. Lebensjahr einen Anspruch auf die Altersrente für Frauen, während für\nMänner ein Anspruch auf Rente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit\nerst frühestens nach einem Jahr Arbeitslosigkeit entsteht. Um diese deutliche\nBelastung für Frauen zu vermeiden, wird die Altersrente für Frauen aus der\nKürzungsregelung herausgenommen. Für die Berechnung einer eventuellen Kürzung\nwird in diesem Fall die nächstmögliche Altersrente (in der Regel die\nAltersrente wegen Arbeitslosigkeit) zugrunde gelegt..."\n\n23\n\n \n\nUnter Berücksichtung der vorgenannten Voraussetzungen hat das beklagte Land\nden Abfindungsbetrag zu Recht auf den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag\ngekürzt. Ein weitergehender Abfindungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.\nZur Begründung kann diesbezüglich im Wesentlichen auf die erstinstanzlichen\nAusführungen in der streitbefangenen Entscheidung Bezug genommen werden.\n\n24\n\n \n\nErgänzend ist in Ansehung der Berufungsbegründung lediglich anzumerken, dass\nder angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Stralsund nach Auffassung\nder Kammer bei der Auslegung des Erlasses vom 28.06.2004 ein "Verstoß gegen\nDenkgesetze" auch nicht ansatzweise zu entnehmen ist.\n\n25\n\n \n\nBereits aus den oben zitierten Hinweisen unter II 1. 4 des genannten Erlasses\nergibt sich unmissverständlich, dass der Erlassgeber hinsichtlich weiblicher\nMitarbeiter eine Kürzungsmöglichkeit von Abfindungszahlungen nicht nur bezogen\nauf die Regelaltersrente beabsichtigt hat, sondern vielmehr auch von einer\nKürzungsnotwendigkeit im Falle einer vorzeitigen - gegebenenfalls verkürzten -\nRenteninanspruchnahme ausgegangen ist. Denn unter II 1. 4 - Allgemeine\nHinweise - ist ausdrücklich von einem zu vermeidenden Nachteil für Frauen\nhinsichtlich der Kürzungsproblematik von Abfindungen die Rede, die von der\nMöglichkeit der Renteninanspruchnahme ab dem 60. Lebensjahr Gebrauch machen.\nDie genannten Hinweise wären völlig sinnentleert, wollte man den Erlass\nlediglich im Sinne einer Kürzungsmöglichkeit im Falle der Regelaltersrente für\nFrauen auslegen. Vielmehr verbieten die genannten Hinweise - entgegen der\nRechtsauffassung der Klägerin - geradezu eine dementsprechende Auslegung des\nErlasses vom 28.06.2004.\n\n26\n\n \n\n2\\. Die Klägerin kann den von ihr verlangten Anspruch auch nicht auf die §§\n305 ff. BGB stützen.\n\n27\n\n \n\na) Dem Auflösungsvertrag vom 07.03.2006 ist ein Verstoß gegen die Grundsätze\nder allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) nicht zu entnehmen. Zwar\nist der Klägerin zuzugestehen, dass § 1 Abs. 2 des Auflösungsvertrages eine\nunklare Regelung zu ihrem Nachteil enthalten könnte. Diese rechtliche\nÜberlegung ist jedoch mit Blick auf § 3 Abs. 1 des Auflösungsvertrages im\ngleichen Atemzug zu verwerfen, denn dort ist die konkrete Abfindungshöhe\nausdrücklich benannt. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, weshalb\nder Auflösungsvertrag für die Klägerin eine unklare und für sie nachteilige\nRegelung enthalten soll. Im Zeitpunkt der Unterschriftsleistung musste der\nKlägerin unmissverständlich klar sein, dass das beklagte Land auf der\nGrundlage des Erlasses vom 28.06.2004 allenfalls gewillt war, anlässlich der\nBeendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 6.143,76 EUR zu\nzahlen.\n\n28\n\n \n\nb) Auch der zwischen den Parteien geschlossene Teilvergleich in der\nGüteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Stralsund vom 01.06.2006 verstößt - als\nschuldrechtliche Vereinbarung - nicht gegen die Grundsätze der allgemeinen\nGeschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB.\n\n29\n\n \n\nDer dort getroffenen Vereinbarung ist ebenfalls keine rechtlich erhebliche\nUnklarheit zu entnehmen. Vielmehr spiegelt sich dort der übereinstimmende\nWille der Parteien wider, zum einen das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum\n31.03.2006 als aufgelöst zu betrachten, und zum anderen die Rechtsfrage der\nkonkreten Abfindungshöhe im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens\nentscheiden zu lassen. Irgendwelche - wie auch immer geartete - rechtlich\nrelevante Unklarheiten sind insoweit nicht ersichtlich.\n\n30\n\n \n\nNach alledem war wie erkannt zu entscheiden.\n\n31\n\n \n\n3\\. Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens\nzu tragen (§ 97 ZPO).\n\n32\n\n \n\nGründe zur Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht\nersichtlich.\n\n
108,067
olgrost-2007-07-19-1-ss-10707-i-5007
483
Oberlandesgericht Rostock
olgrost
Mecklenburg-Vorpommern
Oberlandesgericht
1 Ss 107/07 I 50/07
2007-07-19
2018-11-25 20:30:13
2019-02-11 06:08:47
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\nDas angefochtene Urteil wird gem. § 349 Abs. 4 StPO mit den zu Grunde\nliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung\nund Entscheidung, auch uber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere\nAbteilung des Amtsgerichtes Wismar zuruckverwiesen.\n\n#### Grunde\n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDas Amtsgericht Wismar hat den Angeklagten wegen Volksverhetzung gem. § 130\nAbs.4 StGB zu einer Geldstrafe von 80 Tagessatzen verurteilt. Im Übrigen wurde\nder Angeklagte vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger\nOrganisationen freigesprochen. Hintergrund der Verurteilung war, dass der\ngestandige Angeklagte bis zum 08.08.2006 uber seinen Internetversandhandel\n"..." u.a. T-Shirts mit dem Aufdruck "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" verkaufte.\n\n2\n\n \n\nGegen das in seiner Anwesenheit verkundete Urteil hat der Angeklagte mit dem\nam 25.01.2007 bei dem Amtsgericht Wismar eingegangenen Schriftsatz seines\nVerteidigers "Rechtsmittel" eingelegt und das Rechtsmittel nach\nUrteilszustellung an den Verteidiger am 07.02.2007 mit am 07.03.2007\neingegangenem weiterem Schriftsatz des Verteidigers als Sprungrevision\nbezeichnet. Die Revision rugt die Verletzung materiellen Rechts. Sie macht\ngeltend, das Amtsgericht habe zu Unrecht die Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-\nSS" unter den Tatbestand des § 130 Abs. 4 StGB subsumiert. Zudem habe sich der\nAngeklagte in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB\nbefunden.\n\n \n\n**II.**\n\n3\n\n \n\nDie zulassige Revision hat in der Sache Erfolg. Das Urteil ist auf die\nSachruge hin aufzuheben, da die Feststellungen den Schuldspruch nicht tragen.\nDas Amtsgericht hat die rechtlichen Anforderungen an das Tatbestandmerkmal\n"Storung des offentlichen Friedens" verkannt.\n\n4\n\n \n\n1\\. Eine Strafbarkeit nach § 130 Abs. 4 StGB wegen des Anbietens von T-Shirts\nmit dem Aufdruck "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" im Internet oder das Tragen\nsolcher T-Shirts kann zwar unter bestimmten Umstanden begrundet sein; die\nFeststellungen des Amtsgerichts sind dazu aber nicht ausreichend.\n\n5\n\n \n\nDer Tatbestand verlangt - anders als die Tatbestande des § 130 Abs. 1 und 3\nStGB - eine vollendete Storung des offentlichen Friedens; eine nur abstrakte\nGefahrdung des offentlichen Friedens genugt nicht (BT-Drucksache 15/5051, S.\n5; Lenckner/Sternberg-Lieben in : Schonke/Schroder, StGB 27. Aufl. § 130 Rdnr.\n22 c). Der Gesetzgeber hat den Tatbestand bewusst als Erfolgsdelikt\nausgestaltet (BT-Drucksache 15/5051 S. 5; Enders/Lange JZ 2006, 105, 107). Das\nbedeutet, dass eine abstrakte Gefahrdung des offentlichen Friedens den\nTatbestand nicht erfullt. Vielmehr muss eine konkrete Storung des offentlichen\nFriedens vorliegen. Ob eine solche Storung des offentlichen Friedens\neingetreten ist, muss jeweils nach den Umstanden des Einzelfalles beurteilt\nwerden und empirisch festgestellt werden (Trondle/Fischer, StGB, 54. Aufl. §\n130 Rdnr. 40).\n\n6\n\n \n\nDas Amtsgericht fuhrt lediglich aus: _"Das Gericht vertritt dazu die\nAuffassung, dass das konkrete Tatverhalten des Angeklagten, das Anbieten und\nVerkauf von T-Shirts mit dem Symbol "Ruhm und Ehre der Waffen-SS"_ **_ohne\njeglichen Zweifel eine St orung_ ** _des offentlichen Friedens bewirkt. Die\nStorung des offentlichen Friedens ist ein objektiver Zustand allgemeiner\nRechtssicherheit sowie das subjektive Bewusstsein, in Ruhe und Frieden zu\nleben. Dieser offentliche Frieden ist dann gestort, wenn eine allgemeine\nBeunruhigung der Bevolkerung eintritt. Nach Auffassung des Gerichts ist\nbereits mit dem Angebot im Internet der offentliche Frieden vollendet gestort,\nda dieses Angebot fur jeden zuganglich ist. Auch der Verkauf und die damit\nverbundene_ **_Wahrscheinlichkeit_ ** _des Tragens dieses T-Shirts in der\nÖffentlichkeit vollendet nach Auffassung des Gerichts die Storung des\noffentlichen Friedens."_\n\n7\n\n \n\nDiese Annahme begegnet rechtlichen Bedenken und genugt den Anforderungen an\ndie Feststellungen zu diesem Tatbestandsmerkmal nicht.\n\n8\n\n \n\na) Das Amtsgericht hat fur das Revisionsgericht in nicht nachvollziehbarer\nWeise eine Gefahrdung des offentlichen Friedens unterstellt, ohne diese mit\nTatsachen zu belegen. Dass tatsachlich eine Storung eingetreten, d.h. eine\ngesellschaftliche Situation entstanden ist, in der in erhohtem Maße mit\nAngriffen auf Individualrechtsguter zu rechnen ist, bleibt eine bloße\nBehauptung.\n\n9\n\n \n\nb) Es ist ferner zu besorgen, dass das Amtsgericht zum einen das\nTatbestandsmerkmal der Friedensstorung mit dem Tatbestandsmerkmal der\noffentlichen Begehung gleichsetzt. Das Anbieten im Internet stellt eine\n"offentliche" Begehung der Tat dar. Zum anderen sind keine nachvollziehbaren\nFeststellungen daruber getroffen, worauf der Schluss beruht, dass der\noffentliche Frieden tatsachlich gestort ist. Soweit das Amtsgericht ausfuhrt,\n" _dieser offentliche Frieden ist dann gestort, wenn eine allgemeine\nBeunruhigung der Bevolkerung eintritt_ ", steht zu befurchten, dass es damit\nverkannt hat, dass § 130 Abs. 4 StGB eben kein potentielles Gefahrdungs-,\nsondern ein Verletzungs- bzw. Erfolgsdelikt (BT-Drucksache a. a. O.,\nLackner/Kuhl, StGB 26. Aufl. § 130 Rdnr.8 b, Trondle/Fischer, a.a.O. § 130\nRdn. 33) ist. Dass dazu Festgestellte ist aber nur als eine abstrakte\nGefahrdung zu qualifizieren.\n\n10\n\n \n\nEs ware erforderlich gewesen, dass das Amtsgericht hinreichend konkretisiert\nhatte, dass beispielsweise ein Umschlagen in Gewalthandlungen unmittelbar\ndurch das Verkaufen oder Tragen der T-Shirts gedroht habe. Das\nBundesverfassungsgericht verlangt, dass es hinreichend wahrscheinlich sein\nmuss, dass der offentliche Friede "tatsachlich gestort" werden wird (BVerfG\nNJW 2005, 3202, 3204). Es genugt nicht wie in § 130 Absatz 1 und 3 StGB eine\ndiesbezugliche Eignung.\n\n11\n\n \n\nc) Festgestellt werden muss, dass die Friedensstorung tatsachlich eingetreten\nist. Dabei konnen geaußerte Emporungen in der Öffentlichkeit, insbesondere in\nGegendemonstrationen, Presseberichte oder eine Vielzahl von Strafanzeigen ein\nIndiz fur derartige Storungen sein (so Ostendorf in : NK-StGB, 2. Aufl. § 130\nRdn. 36; Lenckner/Sternberg-Lieben a.a.O.; kritisch dazu: Lackner/Kuhl,\na.a.O.. Rdnr. 8b; Rudolphi/Stein in : SK-StGB, 64. Lieferung 2005, § 130 Rdnr.\n32, da solche Proteste auch dadurch motiviert sein konnen, um volksverhetzende\nTendenzen bereits im Keim zu ersticken, noch bevor sie zu einer Storung des\noffentlichen Friedens fuhren). Im Übrigen muss bei der Auslegung des\nTatbestandes berucksichtigt werden, dass die Vorschrift im Zusammenhang mit\nder kontinuierlichen Zunahme rechtsextremistischer Versammlungen im Geprage\nhistorischer Aufmarsche des NS-Regimes geschaffen wurde und diesem\nentgegenwirken sollte (BT-Drucksache 14/4832 S. 1 und 15/5051 S. 1). Der\nGesetzgeber hoffte, dadurch rechtsextreme Aufzuge und Versammlungen,\ninsbesondere an Gedenktagen, wirksamer unterbinden zu konnen (vgl.\nRudolphi/Stein a.a.O. § 130 Rdnr.1a; Bertram NJW 2005,1476; Poscher NJW 2005,\n1316). Das Tragen solcher Geschmacklosigkeiten oder ihr Anbieten ohne Bezug\nauf eine offentliche Demonstration stand dabei nicht im Vordergrund (vgl.\nEnders/Lange, JZ 2006, 105 ff.).\n\n12\n\n \n\n2\\. Soweit das Amtsgericht ausfuhrt " _ohne jeglichen Zweifel_ " sei eine\nFriedensgefahrdung eingetreten, reicht dies fur die Feststellung einer\nkonkreten Storung mithin nicht aus. Insoweit musste das Urteil aufgehoben\nwerden. Da weitere Feststellungen noch moglich erscheinen, kam eine\nFreisprechung des Angeklagten durch das Revisionsgericht nach § 354 Abs. 1\nStPO nicht in Betracht.\n\n13\n\n \n\n3\\. Fur die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:\n\n14\n\n \n\na) Die Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" ist weder ein Kennzeichen einer\nehemaligen nationalsozialistischen Organisation im Sinne von § 86 a Abs. 1 Nr.\n1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB noch einem solchen zum Verwechseln ahnlich\nim Sinne von § 86 a Abs. 2 StGB. Es kann aber eine Strafbarkeit nach der\nVorschrift der Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewalt- und\nWillkurherrschaft (§ 130 Abs. 4 StGB) in Betracht kommen, wenn im Einzelfall\nnach den Umstanden die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen festgestellt\nwerden, wonach durch die Verwendung der Parole, die NS-Gewalt- und\nWillkurherrschaft verherrlicht und dadurch der offentliche Frieden in einer\ndie Wurde der Opfer verletzenden Weise gestort werde. Der Straftatbestand\nerfasst aber nicht jede Verherrlichung nationalsozialistischer Anschauung,\nsondern nur solche Handlungen, welche die NS-Gewalt- und Willkurherrschaft\nkennzeichnenden Menschenrechtsverletzungen billigen, rechtfertigen oder\nverherrlichen und damit den Achtungsanspruch der Opfer angreifen (BGH NStZ\n2006, 335 = NJW 2005, 3223).\n\n15\n\n \n\nb) Der Tatbestand des § 130 Abs. 4 StGB ist geschaffen worden, um der "Zunahme\nrechtsextremistischer Versammlungen" mit Hilfe eines Anknupfungstatbestandes\nfur verwaltungsrechtliche Verbote und polizeiliche Auflosungsverfugungen zu\nbegegnen (BT-Drucksache 15/4832 S. 1; 15/5051 S. 1). Die Gesetzesbegrundung\nfuhrt aus: "Dabei ist Voraussetzung (fur eine Strafbarkeit), dass die\nFriedensstorung in einer die Wurde der Opfer des Nationalsozialismus\nverletzenden Weise geschieht".\n\n16\n\n \n\nDiese Qualifizierung verdeutlicht, dass nur eine Handlung tatbestandsmaßig\nist, die den Achtungsanspruch der Opfer der NS-Gewalt- und Willkurherrschaft\nangreift. Geschutztes Rechtsgut ist der offentliche Friede (Trondle/Fischer,\nStGB 54. Aufl. § 130 Rdnr.; Schonke/Schroder/Lenckner, 26 Aufl. § 130 Rdnr. 22\na).\n\n17\n\n \n\n(1) Die Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" stellt ein Verherrlichen dar.\nDieser Begriff findet sich bereits in § 131 Abs. 1 StGB. Er erfasst das\nBeruhmen der NS-Gewalt- und Willkurherrschaft als etwas Großartiges,\nImponierendes oder Heldenhaftes. Darunter ist nicht nur die direkte\nGlorifizierung der Unrechtshandlung der NS-Gewalt- und Willkurherrschaft zu\nverstehen, sondern es reicht aus, wenn diese in einem positiven\nBewertungszusammenhang dargestellt wird oder in der Schilderung der\nUnrechtshandlung und ihrer Verantwortungstrager entsprechende positive\nWertakzente gesetzt werden. Dies kann auch bei Anpreisung einer die\nGewaltherrschaft personifizierten Symbolfigur des NS-Regimes der Fall sein\n(vgl. Schonke/Schroder, a.a.O. S§ 130 Rdnr. 22 b; Trondle/Fischer a.a.O. § 131\nRdnr. 9). Die pauschale Gleichsetzung der Waffen-SS mit Ruhm und Ehre erfullt\ndieses Tatbestandsmerkmal, da damit eine in weiten Teilen verbrecherische\nOrganisation abwegig bewundert und glorifiziert wird.\n\n18\n\n \n\n(2) Auch die Annahme, dass eine solche "Parole" die Wurde der Opfer verletzt,\nbegegnet keinen rechtlichen Bedenken. Dieses in hohem Maße unbestimmte Merkmal\n(Lackner/Kuhl, StGB, 26. Aufl., § 130 Rdnr. 8 b) erfordert, dass der\nAchtungsanspruch der Opfer der NS-Herrschaft angegriffen sein muss. Der\nBegriff "Wurde der Opfer", der auf die Begrenzung rechtsextremer\nMeinungsaußerung zielt, findet sich auch in § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des\nVersammlungsgesetzes. Soweit das Amtsgericht dazu festgestellt hat, "_es ist\nvielmehr davon auszugehen, dass das NS-System als Ganzes die W urde aller\nOpfer regelmaßig verletzt. Dabei sind auch nach Auffassung des Gerichtes\nAusnahmen, in denen das Verherrlichen der NS-Herrschaft die Menschenwurde der\nOpfer von Gewalt- und Willkurmaßnahmen nicht verletzten sollte, schwer\nvorstellbar_", entspricht diese Auslegung der Intention des Gesetzgebers,\nwonach in der Regel davon auszugehen sei, dass die Tathandlung den\nAchtungsanspruch sowie die Menschenwurde der Opfer verletze (BT-Drucksache\n15/5051 S. 5).\n\n
108,548
ag-lubeck-2006-08-29-13b-ur-ii-79706
1,043
Amtsgericht Lübeck
ag-lubeck
Lübeck
Schleswig-Holstein
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
13b UR II 797/06
2006-08-29
2018-11-26 01:30:11
2019-02-14 08:29:47
Beschluss
ECLI:DE:AGLUEBE:2006:0829.13BURII797.06.0A
#### Tenor\n\n \n\nEs wird die Erinnerung vom 21.6.2006 gegen den Beratungshilfe versagenden\nBeschluss des Amtsgerichts vom 2.6.2006 zurückgewiesen.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nDie Erinnerung hat keinen Erfolg.\n\n2\n\n \n\nDer Antragsteller begehrt Beratungshilfe für die Durchführung eines\nEinigungsversuches im Rahmen des (noch außergerichtlichen)\nInsolvenzverfahrens.\n\n3\n\n \n\nDie Wahrnehmung von Rechten im Rahmen von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist als\naußergerichtliches Verfahren im Sinne des BerHG anzusehen. Es geht dabei auch\nnicht nur um eine allgemeine Lebensberatung sondern jedenfalls zu einem großen\nTeil auch um rechtliche Beratung und Vertretung.\n\n4\n\n \n\nJedoch bestehen andere Hilfemöglichkeiten für den Antragsteller.\n\n5\n\n \n\nGem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG kann Beratungshilfe nur bewilligt werden, wenn\nkeine andere Hilfemöglichkeit zur Verfügung steht, deren Inanspruchnahme einem\nRechtsuchenden zumutbar ist.\n\n6\n\n \n\nAls solche andere zumutbare Hilfemöglichkeit besteht die Inanspruchnahme einer\nder drei im Bereich der Hansestadt Lübeck bestehen öffentlichen\nSchuldnerberatungsstellen.\n\n7\n\n \n\nÖffentliche Schuldnerberatungsstellen kommen grundsätzlich als andere\nzumutbare Möglichkeiten der Hilfe in Betracht (vgl. Schoreit/Dehn\nBeratungshilfe, 8. Aufl. § 1 Rz 12a).\n\n8\n\n \n\nOb Rechtsanwälten in einer solchen Situation Beratungshilfe gewährt werden\nkann ist in der Rechtsprechung (vgl. AG Hamm 23 II 1297/05 (positiv) und AG\nDuisburg-Ruhrort 13 II 814/05 (negativ) und Literatur (vgl. Janlewing ZVI 05,\n617 (positiv) und Landmann RPf 00, 196 (negativ)) umstritten.\n\n9\n\n \n\nDas AG Lübeck schließt sich der ablehnenden Auffassung an.\n\n10\n\n \n\nAnerkannte Schuldnerberatungsstellen bieten eine im Bereich der Herbeiführung\neines außergerichtlichen Einigungsversuches besonders kompetente Beratung und\nVertretung von Schuldner an. Diese erfasst grundsätzlich auch -\nzulässigerweise - die Beratung in den rechtlichen Bereichen, die direkt im\nZusammenhang mit der Schuldenregulierung stehen. Die Überprüfung und\nSicherstellung der Kompetenz ist auch eine Aufgabe des Anerkennungsverfahren.\nEin Schuldner ist deswegen in der Beratung durch eine solchen\nSchuldnerberatungsstelle grundsätzlich genauso gut aufgehoben, wie bei einer\nanwaltlichen Beratung und Vertretung, solange es um die Verhandlung und\nAufstellung eines Einigungsplans geht. Das zeigt sich im Übrigen auch daran,\ndass im Rahmen der InsO Schuldnerberatungsstellen und Anwälte gleichgestellt\nsind (vgl. Janlewing a.a.O. Seite 618).\n\n11\n\n \n\nDem kann nicht entgegen gehalten werden, dass es deswegen auch kein\nSubsidiaritätsverhältnis bei der Beratungshilfe geben darf. Denn die\nSubsidiarität ergibt sich nicht aus der InsO sondern aus der für die\nBeratungshilfe spezielleren Norm des § 1 Abs. 1 Nr. 1 BerHG vor. Wenn im\nRahmen der InsO zwei gleichberechtigte Stellen für die Beratung von Schuldnern\nvorgesehen sind, ist es gesetzestechnisch möglich durch Spezialgesetz eine\nSubsidiarität - soweit zumutbar - für den Bereich der Beratungshilfe\neinzuführen. Das ist durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 BerHG geschehen (vgl. auch\ngrundsätzlich Schoreit/Dehn § 1 BerHG Rn 37).\n\n12\n\n \n\nDie Beratungsstellen sind zwar öffentlich gefördert, bieten ihrer Dienste für\ndie Schuldner dann aber - jedenfalls in Lübeck - kostenlos an. Es ist deswegen\nnicht ersichtlich, warum ein Schuldner in jedem Fall einen Rechtsanwalt mit\nder Schuldenregulierung soll beauftragen können, soweit ihm die\nSchuldnerberatung auch helfen kann. Dahinter steht letztlich der Gedanke, dass\nsich ein Schuldner im Rahmen der Beratungshilfe grundsätzlich nicht anders\nverhalten soll, als er es tun würde, wenn er die Kosten selbst aufbringen\nmüsste. Im letzteren Fall würde ein Schuldner aber nicht ohne weiteres einen\nAnwalt aufsuchen, wenn er eine entsprechende Beratung auch kostenlos erhalten\nkann. (Wie sich diese Situation auf die öffentlichen Haushalte insgesamt\nauswirkt, kann dabei für die Entscheidung über die Bewilligung von\nBeratungshilfe im Einzelfall keine Rolle spielen.)\n\n13\n\n \n\nDem kann auch nicht entgegen gehalten werden, die entsprechenden Regelungen\ndes RVG liefen leer. Denn der nach Auffassung des Gerichtes bestehende\ngrundsätzliche Vorrang der öffentlichen Schuldnerberatung gegenüber einer\nanwaltlichen Beratung im Rahmen der Beratungshilfe besagt ja nicht, dass es in\neinzelnen Fällen oder Fallkonstellationen auch anders sein kann.\n\n14\n\n \n\nDas stellt auch grundsätzlich kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, Art 3\nAbs. 1 GG, dar, denn die Beratung durch die öffentlichen\nSchuldnerberatungsstellen, ist für einen Antragsteller grundsätzlich nicht\nschlechter als diejenige durch einen Anwalt. Dabei steht nicht in Frage, dass\nein Schuldner sich Rat auch bei der Aufstellung eines Schuldenbereinigungsplan\neinholen können muss. Dieser Rat ist jedoch, bei einer\nSchuldnerberatungsstelle erhältlich, soweit keine besonderen Umstände\nvorliegen.\n\n15\n\n \n\nSchließlich kann auch nicht auf ein möglicherweise ungeklärtes Verhältnis zur\nallgemeinen öffentlichen Rechtsberatung verwiesen werden. Denn die\nSchuldnerberatung stellt eine, für die betroffene Materie in Art und Ausmaß\nbesondere Form der Beratung dar.\n\n16\n\n \n\nEtwas anderes könnte gelten, wenn die materielle Rechtslage einer gegen einen\nSchuldner geltend gemachten Forderung fraglich und insoweit eine weitergehende\nrechtliche Beratung und Vertretung erforderlich ist. Etwas anderes könnte auch\ndann gelten, wenn bei den öffentlichen Schuldnerberatungsstellen lange\nWartezeiten bestehen und deswegen eine zügige Wahrnehmung von Rechten durch\neinen Schuldner nicht möglich ist.\n\n17\n\n \n\nFür den Bereich der Hansestadt Lübeck haben die anerkannten\nSchuldnerberatungsstellen nach den aktuellen Erkenntnissen des Gerichts\nderzeit aber keinerlei Wartezeiten.\n\n18\n\n \n\nEine besonderes Bedürfnis nach rechtlicher Beratung aufgrund der Natur der\nhier relevanten Forderungen oder der Situation des Antragstellers ist nicht\nerkennbar oder dargetan.\n\n \n\n
108,570
lg-flensburg-2006-08-24-i-kls-306
1,062
Landgericht Flensburg
lg-flensburg
Flensburg
Schleswig-Holstein
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
I KLs 3/06
2006-08-24
2018-11-26 01:30:16
2019-02-14 08:31:17
Urteil
ECLI:DE:LGFLENS:2006:0824.IKLS3.06.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Angeklagten H. S. und O. S. sind der gemeinschaftlichen Untreue schuldig.\n\n \n\nDie Angeklagte H. S. wird zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten\nverurteilt.\n\n \n\nDer Angeklagte O. S. wird zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten\nverurteilt.\n\n \n\nDer Angeklagte U. S. wird wegen Anstiftung zur gemeinschaftlichen Untreue zu\neiner Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt.\n\n \n\nDie Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer eigenen\nnotwendigen Auslagen.\n\n \n\nAngewendete Vorschriften:\n\n \n\nFür die Angeklagten H. S. und O. S.: §§ 266 Abs. 1 2. Alt., Abs. 2, 263 Abs. 3\nSatz 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB.\n\n \n\nFür den Angeklagten U. S.: §§ 266 Abs. 1 2. Alt., Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2\nNr. 1, 25 Abs. 2, 26 StGB.\n\n#### Gründe\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\n1\\. Die 66 Jahre alte Angeklagte H. S. wurde in H. (Thüringen) geboren. Sie\nbesuchte die Hauptschule bis einschließlich der 9. Klasse. Danach absolvierte\nsie eine Lehre als Einzelhandelskauffrau und arbeite in diesem Beruf für eine\nDauer von ungefähr 10 Jahren. Ihr erster Sohn, der Mitangeklagte O. S., wurde\n1965, ihr zweiter Sohn 1966 geboren. Beide Söhne stammen aus ihrer ersten Ehe.\nDie Angeklagte arbeitete dann für einen Zeitraum von ca. 10 Jahren nicht und\nnahm im Jahre 1976, zunächst halbtags und ab 1979 ganztags, eine Tätigkeit in\neiner H.-er Firma auf. Sie war dort als Abteilungsleiterin tätig. Im Jahre\n1979 lernte sie ihren Ehemann, den Mitangeklagten U. S. kennen, den sie am\n22.04.1993 heiratete. Im Jahre 1988 machte sie sich zusammen mit ihrem\nEhemann, zunächst in H. und später in F., selbständig. Sie war in F. zuletzt\nInhaberin und Geschäftsführerin der Firma "IMS-M. H. S." sowie\nNiederlassungsleiterin der Firma "C-T-Network B.V.".\n\n2\n\n \n\nDie Angeklagte ist nicht vorbestraft. Der Bundeszentralregisterauszug über sie\nvom 04.05.2006 enthält keine Eintragungen.\n\n3\n\n \n\n2\\. Der 65 Jahre alte Angeklagte U. S. wurde in Hamburg geboren. Er ist mit\nder Angeklagten H. S. verheiratet. Er gründete im Jahre 1988 eine Firma\n"IMS-M." als Einzelfirma in H. und betätigte sich als Immobilienmakler.\nDaneben verkaufte und "entwickelte" er mit einer eigenen Baufirma auch\nGrundstücke. Die Tätigkeit dauerte bis in die 90iger Jahre hinein an. Die\nBaufirma musste dann Konkurs anmelden. Gegen Ende der 90iger Jahre ging der\nAngeklagte daraufhin zusammen mit seiner Ehefrau nach F.. Der Grund des Umzugs\nnach F. war zunächst das gemeinsame Interesse der Eheleute S. am Segelsport.\nSpäter betätigte sich der Angeklagte dann als Immobilienmakler, danach\nentwickelte er die Idee, Neufahrzeuge zu vermitteln und erarbeitete das\nGeschäftskonzept der Firmen "IMS-M. H. S." und "C-T-Network B.V.".\n\n4\n\n \n\nDer Angeklagte ist ebenfalls nicht vorbestraft. Der\nBundeszentralregisterauszug über ihn vom 04.05.2006 enthält keine Eintragung.\n\n5\n\n \n\n3\\. Der 41 Jahre alte Angeklagte O. S. wurde in H. geboren, er ist der\nleibliche Sohn der Mitangeklagten H. S.. Er legte im Jahre 1987 die\nAbiturprüfung ab und verpflichtete sich danach für die Dauer von zwei Jahren\nbei der Bundeswehr. Er ist Unteroffizier der Reserve. Nach seiner\nBundeswehrzeit war der Angeklagten zunächst ein halbes Jahr lang arbeitslos,\nbevor er eine Lehre als Großhandelskaufmann absolvierte. Diese Lehre schloss\ner 1989 / 1990 ab. Bis in das Jahr 1995 arbeitete er in seinem erlernten\nBeruf. Er war als Entwicklungsleiter zuständig für die Entwicklung und\nProjektierung von Schlauchsystemen. Seit dem Jahre 2002 arbeitete er als\nProkurist und Bürovorsteher in der Firma "IMS-M." mit Sitz in F. und seit\nAnfang des Jahres 2005 als "Managing Director" der Firma "C-T-Network B.V.",\nNiederlassung F..\n\n6\n\n \n\nDer Angeklagte ist verheiratet, er hat ein Kind im Alter von 8 Jahren. Er ist\nzur Zeit arbeitslos und lebt von Arbeitslosenhilfe und der Unterstützung durch\nseine Schwiegermutter und Freunde. Er hat ca. 1.600,00 € monatlich zur\nVerfügung.\n\n7\n\n \n\nAuch der Angeklagte S. ist nicht vorbestraft. Der Bundeszentralregisterauszug\nüber ihn vom 04.05.2006 enthält keine Eintragung.\n\n \n\nII.\n\n8\n\n \n\nIn der Hauptverhandlung konnte der folgende, als erwiesen angesehene\nSachverhalt festgestellt werden:\n\n9\n\n \n\nDie Angeklagte H. S. ist Inhaberin und Geschäftsführerin der auf ihren Namen\nangemeldeten Firma "IMS-M. H. S." - im folgenden Firma "IMS-M." - mit Sitz in\nF., S. 66, gewesen. Der Angeklagte O. S. ist in dieser Firma seiner Mutter\nseit 2002 als Prokurist und Bürovorstand tätig gewesen. Daneben ist er\n"Managing Director" der Firma "C-T-Network B.V." mit Sitz in Holland gewesen.\nDie Niederlassung in F., die als Finanzzentrale fungiert hat, ist in den\nRäumlichkeiten der Firma "IMS-M.", S. 66 in F., betrieben worden. Als\nNiederlassungsleiterin ist wiederum die Mutter des Angeklagten O. S., H. S.,\neingesetzt gewesen.\n\n10\n\n \n\nDie Firma "C-T-Network B.V." ist gegen Ende des Jahres 2004, maßgebliche\nbeeinflusst durch den Angeklagten U. S., gegründet worden. Gesellschafter\ndieser Firma mit Sitz in Holland sind der Angeklagte O. S. als "Managing\nDirector" zu 8 % sowie eine Firma "C-T-Network Limited" zu 92 % gewesen. Die\nGeschäftsanteile dieser Firma sind durch die Herren E. H., H. L., W. R. sowie\ndurch die Firma "IMS-M." zu je 25 % gehalten worden. Die Firma "C-T-Network\nB.V." hat Niederlassungen in F., als Finanzzentrale, in D. und in\nSüddeutschland unterhalten. Die Niederlassung in D., die durch Herrn R. als\nNiederlassungsleiter betrieben worden ist, hat als Auslieferungszentrale für\nbestellte Kraftfahrzeuge fungiert.\n\n11\n\n \n\nDer Grund für die Einsetzung des Angeklagten O. S. als "Managing Director" der\nFirma "C-T-Network B.V." hat hauptsächlich darin bestanden, die Gesellschafter\nder Firma, unter anderem auch den Angeklagten U. S., nicht nach außen in\nErscheinung treten zu lassen. Hintergrund für die Gründung der Firma "C-T-\nNetwork B.V." ist es gewesen, einen besseren Absatz von EU-Neufahrzeugen im\nInland zu gewährleisten und sich gegenüber den in der Bundesrepublik\nansässigen Vertragshändlern behaupten zu können.\n\n12\n\n \n\nAn dem Sitz der Firma "C-T-Network B.V." in Holland hat kein Geschäftsbetrieb\nstattgefunden. Die eigentliche Firmenzentrale ist die Niederlassung in F.\ngewesen. Der Angeklagten O. S. hat trotz seiner Stellung als "Managing\nDirector" keinen wesentlichen Einfluss auf die Geschäfte der Firma ausgeübt.\nIn den Entscheidungsprozess ist er nur am Rande eingebunden gewesen.\nVerhandlungen mit möglichen Vertragspartnern über den Abschluss von\nRahmenverträgen über die Lieferung von Neufahrzeugen sind in erster Linie\ndurch den Angeklagten U. S. aufgenommen worden und durch ihn maßgeblich\ngeführt worden. Des weitern ist für den Geschäftsbetrieb vor Ort der\njeweiligen Niederlassungsleiter zuständig gewesen, in F. die Angeklagte H. S.,\nin D. Herr W. R..\n\n13\n\n \n\nHinter den Niederlassungsleitern hat der Angeklagte U. S. gestanden, der\ngleichsam als "Präsident" der Firma die Ausrichtung und das Geschäftskonzept\ngestaltet hat. Diese tatsächliche Funktion hat der Angeklagte U. S. aus einem\nBüro unter seiner Privatadresse, Am S. 8 b in F., ausgeübt. Er hat von dort\naus telefoniert und Geschäftskontakte geknüpft. Der Angeklagte O. S. ist durch\nihn dann wiederholt am Tage fernmündlich in Kenntnis gesetzt worden.\n\n14\n\n \n\nEine identische tatsächliche Funktion hat der Angeklagte U. S. auch in der\nFirma "IMS-M." ausgeübt. Die Angeklagte H. S. ist zwar nach außen hin als\nInhaberin und Geschäftsführerin eingesetzt gewesen, jedoch sind intern die\nwesentlichen Entscheidungen von ihrem Ehemann getroffen worden.\n\n15\n\n \n\nDie Firmen "IMS-M." und "C-T-Network B.V." sind mittlerweile insolvent.\n\n16\n\n \n\nIm angeklagten Tatzeitraum zwischen Juni 2005 und Oktober 2005 hat sich die\nGeschäftstätigkeit der genannten Firmen folgendermaßen dargestellt: Die Firma\n"IMS-M." hat eine Vielzahl von EU-Neufahrzeuge und Neufahrzeuge aus dem\nInnland zum Kauf angeboten, unter anderem auch über ihre Homepage im Internet\n"www.IMS-M..de". Dabei ist in den Angeboten mit erheblichen Rabatten, für\nEndkunden mit 6 bis 22 %, für Autohändler mit 12 bis 25 % und für so genannte\n"VIP-Händler" mit 20 bis 36 % unter dem jeweiligen Listenpreis, geworben\nworden. Die Firma "IMS-M." ist dabei als Vermittlerin für die Firma "C-T-\nNetwork B.V." als Verkäuferin der Kraftfahrzeuge aufgetreten. Die Firma\n"IMS-M." ist die einzige Vermittlerin gewesen.\n\n17\n\n \n\nDie angeboten Kraftfahrzeuge verschiedener Marken und Typen haben die Kunden\nbei einer Bestellung über die Firma "IMS-M." nach ihren Wünschen mittels eines\nso genannten Konfigurators individuell zusammenstellen können. Die jeweilige\nBestellung ist, nachdem sie bei der Firma "IMS-M." eingegangen ist,\nanschließend an die Firma "C-T-Network B.V." weitergeleitet worden. Die Firma\n"IMS-M." hat für jede Kundenbestellung eine Sicherheitsleistung in Höhe von 3%\ndes Kaufpreises durch den Kunden verlangt.\n\n18\n\n \n\nZur Absicherung der Kaufpreiszahlung hat ein als\n\n19\n\n \n\n"Abwicklungsleitfaden zum Großhändlerpreis + Konditionen"\n\n20\n\n \n\nbezeichnetes Schreiben der Firma "IMS-M." neben der Beibringung einer\nBankgarantie oder Bankbürgschaft für die Kunden auch die Möglichkeit\nvorgesehen, den Kaufpreis abzüglich der Sicherheitsleistung in Höhe von 3%,\nmithin 97 % des Kaufpreises, auf ein Sonderkonto zu überweisen. Der\nAbwicklungsleitfaden hat dazu unter Ziffer 4 den folgenden Wortlaut enthalten:\n\n21\n\n \n\n4\\. Um den Produktionsvorgang schnellstens auszulösen, sichert der Kunde die\n97 % des Kaufpreises wie folgt ab:\n\n22\n\n \n\na) Bankgarantie mit einer Laufzeit von 15 Wochen - die Referenznummer der\nBankgarantie wird auf dem Kaufvertrag vermerkt. Somit ist für den Besteller\nund auch für seine Bank eine klare Bindung der Bankgarantie an die Erfüllung\ndes Kaufvertrages gegeben.\n\n23\n\n \n\nb) Bankbürgschaft mit einer Laufzeit von 15 Wochen - die Referenznummer der\nBankbürgschaft wird auf dem Kaufvertrag vermerkt. Somit ist für den Besteller\nund seine Bank eine klare Bindung der Bankbürgschaft an die Erfüllung des\nKaufvertrages gegeben.\n\n24\n\n \n\nc) Überweisungen von 97% auf ein Sonderkonto bei unserer Bank. Wir bestätigen,\ndass dieser Betrag nur zur Erfüllung Ihres Kaufvertrages dient".\n\n25\n\n \n\nErst zum Zeitpunkt der Abholung des Kraftfahrzeuges durch den Kunden bei der\nNiederlassung der Firma "C-T-Network B.V." in D. hat dann die Auszahlung des\nüberwiesenen Kaufpreises beziehungsweise die Freigabe der hingegebenen\nBankgarantien oder Bankbürgschaften erfolgen sollen.\n\n26\n\n \n\nDer Abwicklungsleitfaden ist durch die Firma "IMS-M." an die jeweiligen Käufer\nder Fahrzeuge zusammen mit einer entsprechenden Auftragsbestätigung übersandt\nworden. In der Auftragsbestätigung ist die Bestellung ferner im Namen der\n\n27\n\n \n\n"nachfolgenden Lieferfirma",\n\n28\n\n \n\nnämlich der Firma "C-T-Network B.V.", bestätigt worden. Nach Eingang der\nZahlung auf das Sonderkonto hat der Kunde dann ein Schreiben der Firma "C-T-\nNetwork B.V." mit folgender Bestätigung erhalten:\n\n29\n\n \n\n"(...) wir bestätigen Ihnen den Eingang Ihrer Einzahlung in Höhe von (...) vom\n(...) auf unser Sonderkonto."\n\n30\n\n \n\nC-T-Network B.V. garantiert Ihnen, dass der von Ihnen eingezahlte Betrag nur\nverwandt wird, um Ihre Bestellung, bzw. die Auslieferung Ihres bestellten\nFahrzeuges sicher zu stellen".\n\n31\n\n \n\nDiese Bestätigungsschreiben hat regelmäßig der Angeklagte O. S. unter der\nBezeichnung "Managing Director" unterschrieben.\n\n32\n\n \n\nDieser Ablauf einer Bestellung hat dem üblichen Verfahren entsprochen. Der\nInhalt des Abwicklungsleitfadens der Firma "IMS-M." und des\nBestätigungsschreibens der Firma "C-T-Network B.V." ist allen drei Angeklagten\nauch bekannt gewesen. Zudem ist die Verfahrensweise von allen Angeklagten\nuntereinander im Vorfeld abgestimmt worden.\n\n33\n\n \n\nAlle drei Angeklagten sind des weiteren auch an der Abfassung des\nAbwicklungsleitfadens bzw. den zugrunde liegenden organisatorischen\nAbstimmungen beteiligt gewesen. Die Angeklagten H. und U. S. haben die erste\nFormulierung des Abwicklungsleitfadens sowie seine späteren Überarbeitungen\nverfasst. Die letzte Fassung ist dann unter Beteiligung eines Rechtsanwaltes\nerarbeitet worden. Der Angeklagte O. S. hat insbesondere die Einrichtung des\nals "Sonderkonto" bezeichneten Kontos bei der C.bank in F., Kontonummer 212\n832 001, veranlasst. Die gewählte Bezeichnung "Sonderkonto" stammt von den\nAngeklagten. Die Verwendung dieses Begriffes ist zwischen ihnen vereinbart\nworden.\n\n34\n\n \n\nDie Gelder sind entweder auf das Konto der Firma "C-T-Network B.V." bei der\nC.bank in F., Kontonummer 212 832 001, BLZ: 215 400 60, oder aber auf das\nKonto bei der V.bank S.- F. eG, Kontonummer 143 193 97, BLZ: 216 617 19,\nüberwiesen worden. Die Sicherheitsleistung in Höhe von 3 % ist auf ein Konto\nder Firma "IMS-M.", ebenfalls bei der V.bank S.- F. eG, Kontonummer 435 056 1,\nBLZ: 216 617 19, eingezahlt worden.\n\n35\n\n \n\nÜber das Kontos 435 056 1 der Firma "IMS-M." bei der V.bank S.- F. eG sind\nalle drei Angeklagten verfügungsberechtigt gewesen, hinsichtlich der übrigen\nKonten nur die beiden Angeklagten H. S. und O. S..\n\n36\n\n \n\nIn dem Zeitraum zwischen Juni und Oktober 2005 haben die nachfolgend\naufgeführten Geschädigten jeweils ein Fahrzeug bestellt und dafür die\nangegebenen Anzahlungen geleistet. Alle Geschädigten haben einen Betrag in\nHöhe von 97 % auf ein entsprechendes Sonderkonto überwiesen. Von der daneben\nbestehenden Möglichkeit der Beibringung einer an die Erfüllung des\nKaufvertrages gebundenen Bankbürgschaft oder Bankgarantie haben sie keinen\nGebrauch gemacht. Die Aufzählung gibt dabei die Gesamtsumme des eingezahlten\nKaufpreises, der sich aus der Sicherheitsleistung in Höhe von 3% für die Firma\n"IMS-M." und des Restkaufpreises von 97 % zusammensetzt, wieder:\n\n37\n\n \n--- \nGeschädigter: | Bestelldatum: | Fahrzeug: | Zahlungsumme: \n| | | \n1\\. F., | 14.07.2005 | Audi A 6 | 42.260,60 €, \nA. | | | \n| | | \n2\\. G., | 20.08.2005 | VW Touran | 22.162,32 €, \nH. | | | \n| | | \n3\\. H., | 31.08.2005 | VW Golf | 22.411,00 €, \nM. | | | \n| | | \n4\\. S., | 24.06.2005 | Seat Ibiza | 12.634,00 €, \nK.-D. | | | \n| | | \n5\\. A. | 12.08.2005 | Toyota Avensis | 24.640,00 €, \nB. | | | \n| | | \n6\\. A., | 03.10.2005 | VW Passat 2.0 TDI DSG DPF Trendline Variant | 26.746,80 €, \nV. | | | \n| | | \n7\\. K., | 23.06.2005 | Peugeot 307 | 17.651,00 €, \nC. | | | \n| | | \n8\\. K., | 25.07.2005 | Skoda Octavia | 15.181,20 €, \nS. | | | \n| | | \n9\\. H., | 29.06.2005 | Peugeot | 20.825,20 €, \nD. | | | \n| | | \n10\\. W., | 17.06.2005 | Audi A 3 FSI | 27.892,40 €, \nM. | | | \n| | | \n11\\. A. | 05.08.2005 | VW Touran | 19.369,34 €, \nK. GmbH | | | \n| | | \n12\\. K., | 14.06.2005 | Peugeot | 13.949,10 €, \nS. | | | \n| | | \n13\\. T., | 06.07.2005 | Opel Combo | 14.825,12 €, \nM. | | | \n| | | \n14\\. F., | 18.06.2005 | Skoda Oktavia | 17.406,00 €, \nS. | | | \n| | | \n15\\. U., | 05.09.2005 | Mercedes, A-Kl. | 22.087,71 €, \nH.-D. | | | \n| | | \n16\\. P., | 09.06.2005 | Peugeot 206 | 17.870,00 €, \nH. | | | \n| | | \n17\\. P., | 09.08.2005 | Skoda Oktavia | 17.012,00 €, \nM. M. | | | \n| | | \n| | | \n18\\. B., | 06.06.2005 | Toyota RAV4 | 23.490,00 €, \nP.-R. | | | \n| | | \n19\\. P., | 23.06.2005 | Volvo S 40 | 18.438,80 €, \nE. | | | \n| | | \n20\\. F., | 12.07.2005 | Opel Zafira | 23.174,00 €, \nA. v. | | | \n| | | \n21\\. W., | 29.06.2005 | Renault Megane | 23.222,00 €, \nR. | | | \n| | | \n22\\. K., | 15.09.2005 | Skoda Octavia | 16.866,00 €, \nG. | | | \n| | | \n23\\. M., | 28.06.2005 | Peugeot 307 | 16.443,90 €, \nS. | | | \n| | | \n24\\. R., | 04.07.2005 | Fiat Croma | 19.525,05 €, \nJ. | | | \n| | | \n25\\. K., | 19.09.2005 | Seat Ibiza | 12.732,00 €, \nT. | | | \n| | | \n26\\. A., | 22.06.2005 | Skoda Octavia | 20.658,00 €, \nG. | | | \n| | | \n27\\. R., | 08.06.2005 | Toyota Prius | 20.340,00 €, \nT. | | | \n| | | \n28\\. W., | 21.07.2005 | Opel Meriva | 16.350,00 €, \nA. | | | \n| | | \n29\\. K., | 06.07.2005 | Peugeot 407 | 24.521,20 €, \nM. | | | \n| | | \n30\\. B., | 22.09.2005 | Opel Zafira | 21.371,84 €, \nR. | | | \n| | | \n31\\. S., | 01.09.2005 | BMW 120 d | 27.350,00 €, \nL. | | | \n| | | \n32\\. S., | 16.09.2005 | Audi A 6 | 32.151,20 €, \nM. | | | \n| | | \n33\\. T., | 06.07.2005 | Opel Meriva | 14.566,00 €, \nJ. | | | \n| | | \n34\\. H., | 20.06.2005 | Renault Megane | 25.522,00 €, \nT. | | | \n| | | \n35\\. R., | 26.08.2005 | Opel Astra GTC 1.7 CDTI Edition | 17.842,00 €, \nM. | | | \n| | | \n36\\. B., | 14.09.2005 | BMW X 3 | 32.413,40 €, \nL. | | | \n| | | \n37\\. R., | 05.10.2005 | Peugeot 206 | 12.909,60 €, \nU. | | | \n| | | \n38\\. B., | 21.07.2005 | H-BMW 1076 | 20.559,20 €, \nB. | | | \n| | | \n39\\. B., | 10.06.2005 | VW Touran | 25.184,40 €, \nM. | | | \nJ. | | | \n| | | \n40\\. B., | 21.06.2005 | Ford Focus | 17.643,70 €, \nH. | | | \n| | | \n41\\. M., | 25.07.2005 | Volkswagen Caddy Life 1,9 TDI 5-Sitzer | 14.260,88 €, \nJ. | | | \n| | | \n42\\. S., | 12.07.2005 | Peugeot 1007 Sport 75 2 Tronic | 12.787,40 €, \nH. | | | \n| | | \n43\\. M., | 22.07.2005 | Opel Combo | 15.317,26 €, \nG. | | | \n| | | \n44\\. M., | 04.07.2005 | Toyota Corolla | 18.076,00 €, \nL. | | | \n| | | \n45\\. L., | 21.06.2005 | Toyota Corolla | 15.329,40 €, \nH. | | | \n| | | \n46\\. K., | 06.07.2005 | Peugeot 206 | 14.696,00 €, \nA. | | | \n| | | \n47\\. L., | 10.06.2005 | VW Touran | 25.232,00 €, \nU. | | | \n| | | \n48\\. F., | 27.09.2005 | VW Golf | 15.066,00 €, \nH. | | | \n| | | \n49\\. G., | 23.09.2005 | Peugeot 206 | 15.042,50 €, \nW. | | | \n| | | \n50\\. B., | 07.06.2005 | Audi A 4 Avant | 24.860,00 €, \nG. | | | \n| | | \n51\\. B., | 29.07.2005 | Volkswagen Touran 1.9 TDI DSG Highline | 24.350,80 €, \nG. | | | \n| | | \n52\\. S., | 18.07.2005 | Skoda Oktavia 1,6 Elegance | 15.902,00 €, \nH.-G. | | | \n| | | \n53\\. V., | 20.07.2005 | VW Golf Plus | 17.726,60 €, \nF. | | | \n| | | \n54\\. S., | 01.09.2005 | VW Passat | 25.422,80 €, \nW. | | | \n| | | \n55\\. M., | 15.08.2005 | Audi A 3 2.0 TDI | 24.885,20 €, \nF. | | | \n| | | \n56\\. D., | 21.09.2005 | Peugeot 206cc | 17.799,10 €, \nD. | | | \n| | | \n57\\. S., | 17.06.2005 | Peugeot 307 CC Sport 180 | 23.481,70 €, \nG. | | | \n| | | \n58\\. S., | 23.08.2005 | Opel Corsa Sport 1.3 CDTI | 15.334,31 €, \nT. | | | \n| | | \n59\\. E., | 24.06.2005 | Fiat Stilo Multi Wagon 1.6 16V Dynamic | 15.581,50 €, \nA | | | \n| | | \n60\\. F., | 29.06.2005 | Mini Cooper | 15.309,18 €, \nH. | | | \n| | | \n61\\. H. Dr., | 23.06.2005 | Mini Cooper Cabrio | 25.061,60 €, \nG. | | | \n| | | \n62\\. B., | 22.09.2005 | Peugeot 206 CC | 13.448,60 €, \nL. | | | \n| | | \n63\\. V. GmbH, | 11.07.2005 | Volvo XC 90 DS Summum | 39.277,40 €, \nGF | | | \n| | | \n64\\. A., | 29.06.2005 | VW Fox | 8.971,60 €, \nF., G. | | | \n| | | \n65\\. N., | 15.09.2005 | Audi A3, 1,6 tiptronic Ambition | 21.999,80 €, \nU. | | | \n| | | \n66.S., | 23.08.2005 | VW Golf Plus 1,6 Comfortline | 17.654,00 €, \nM. | | | \n| | | \n67.D., | 23.06.2005 | Mercedes Benz B-Klasse B 200 | 22.803,31 €, \nU. | | | \n| | | \n68\\. P., | 06.09.2005 | VW Touran 2.0 TDI Highline | 30.742,00 €, \nH. | | | \n| | | \n69\\. S., | 01.09.2005 | Toyota Corolla Combi 1,4 D-4D Luna | 15.590,55 €, \nK. | | | \n| | | \n70\\. J., | 13.06.2005 | BMW 320i | 24.347,60 €, \nI. | | | \n| | | \n71\\. H., | 19.09.2005 | VW Polo 1,4 TDI 59 KW Sportline | 14.022,00 €, \nM. | | | \n| | | \n72\\. G., | 08.06.2005 | VW Golf 2.0 T- FSI GTI | 21.120,00 €, \nS. | | | \n| | | \n73\\. K., | 13.06.2005 | Peugeot CC Platinum 110 | 16.266,50 €, \nK. E. | | | \n| | | \n74\\. K., | 08.07.2005 | Nissan Almera Tino 1.8 accenta plus | 18.377,20 €, \nB. | | | \n| | | \n75\\. G., | 19.07.2005 | Opel Zafira 1.6 Twinport Edition | 19.506,00 €, \nC. H. | | | \n| | | \n76\\. S., | 10.06.2005 | Skoda Octavia Combi I Tour | 13.081,20 €, \nE. | | | \n| | | \n77\\. G., | 10.06.2005 | VW Touran 1,6 FSI Trendline | 19.503,80 €, \nA. | | | \n| | | \n78\\. D., | 15.09.2005 | Toyota Corolla Verso 2.0 I D-4D Sol | 19.116,00 €, \nP. | | | \n| | | \n79\\. S., | 16.08.2005 | Audi A4 1.9 TDI Avant | 25.860,00 €, \nG. | | | \n| | | \n80\\. K., | 04.10.2005 | VW Passat 1.6 Trendline Variant | 19.000,80 €, \nT. | | | \n| | | \n81\\. K., | 10.06.2005 | Toyota Corolla Verso 1,8-l-VVT- i Edition | 18.170,00 €, \nH. | | | \n| | | \n82\\. B., | 28.06.2005 | Volkswagen Touran 1.6 FSI Highline | 21.966,00 €, \nH. J. | | | \n| | | \n83\\. B., | 01.07.2005 | VW Touran 2.0 FSI Highline | 22.024,00 €, \nG. | | | \n| | | \n84\\. E., | 19.07.2005 | Mercedes-Benz- A-Klasse A 200 turbo Elegance | 22.955,20 €, \nE. | | | \n| | | \n85\\. F., | 06.09.2005 | Mazda 3 2.0 Top Sport | 18.283,70 €, \nE. | | | \n| | | \n86\\. B., P. | 03.08.2005 | 2 ISmart fortwo cabrio pasion Tigra Twin top 1.4 Twinport Sport | 40.468,50 €, \nInh. Auto- B. GmbH | | | \n| | | \n87\\. S., | 23.06.2005 | VW Touran Highline 2.0 TDI 103 KW Direktschaltgetriebe | 25.572,00 €, \nG. | | | \n| | | \n88\\. F., | 19.07.2005 | Audi A3 1.9 TDI Ambition | 22.083,80 €, \nR. | | | \n| | | \n89\\. G., M. | 02.09.2005 | Peugeot 307 CC Tendance Hdi FAP 135 | 23,680,91 €, \nA. | | | \n| | | \n90\\. B., | August 2005 | Skoda Octavia | 23.626,00 €, \nR. und A. | | | \n| | | \n91\\. G. Dr., | - | - | 16.467,96 €, \nK. | | | \n| | | \n92\\. A., | - | Mercedes Benz C-Klasse C180 Kompressor T Classic | 26.258,47 €, \nF. | | | \n| | | \n93\\. A., | 20.09.2005 | Peugeot 206 SW Grand Filou Cool Hdi FAP 110 | 12.216,60 €, \nH. | | | \n| | | \n94\\. P., | 15.07.2005 | Kia Sportage 2.0 16V LX 2 WD | 14.550,00 €, \nP. | | | \n| | | \n95\\. K., | 11.07.2005 | VW Polo | 13.333,20 €, \nR. | | | \n| | | \n96\\. G., | 30.08.2005 | Ford Ka 1,3 44 kW Student | 6.172,70 €, \nD. | | | \n| | | \n97\\. W., | 22.08.2005 | Audi A3 Slportbeck | 20.626,40 €, \nM. | | | \n| | | \n98\\. H. Dr., | 13.09.2005 | VW Golf Plusw Comfortline | 24.550,00 €, \nW. H. | | | \n| | | \n99\\. M., | 05.09.2005 | Skoda Octavia 1.6 Ambiente | 15.454,00 €, \nJ. H. | | | \n| | | \n100\\. K., | September 2005 | Toyota Corolla Verso 1,8i VVT i Sol | 18.346,00 €, \nR. R. | | | \n| | | \n101\\. K., N. | 02.08.2005 | Opel Astra GTC 1,7 CDTI Edition 74 KW | 16.316,00 €, \nD. | | | \n| | | \n102\\. B., | 21.06.2005 | Toyota RAV4 2.0l VVT i 4x4 Executive Automatik | 25.780,00 €, \nP. H. | | | \n| | | \n103\\. F., | 15.07.2005 | Opel Tigra Twin Top 1,4 Twinport Sport | 16.222,00 €, \nL. | | | \n| | | \n104\\. S., | 25.05.2005 | Peugeot Partner Gand Filou Cool Hdi 90 | 12.567,50 €, \nJ. | | | \n| | | \n105\\. G., | 02.08.2005 | VW Passat 2,0 TDI | 24.688,00 €, \nG. | | | \n| | | \n106\\. A. | 26.07.2005 | Skoda Octavia Combi 1.6 Ambiente 2 Pkw | 30.905,00 €, \nT. GmbH | | | \n| | | \n107\\. M., | 04.07.2005 | Skoda Fabia Combi 1.4 74kW Elegance | 12.682,00 €. \nG. | | | \n \n38\n\n \n\nDabei hat in den Fällen 91) und 92) das Bestelldatum und im Fall 91) der\nFahrzeugtyp nicht ermittelt werden können. Insgesamt haben die Geschädigten\nZahlungen in einer Gesamtsumme von 2.156.374,61 € geleistet.\n\n39\n\n \n\nEntgegen der den Kunden gemachten Zusicherung, den überwiesenen Kaufpreis nur\nzur Erfüllung der jeweiligen Kaufverträge auszuzahlen, sind die eingezahlten\nGeldbeträge durch die Angeklagten jedoch in erheblichem Umfang zu anderen\nZwecken verwendet worden. Unter anderem hat es die folgenden Entnahmen zu\nprivaten Zwecken der Angeklagten gegeben:\n\n40\n\n \n\nAm 19.07.2005 ist von der Firma "C-T-Network B.V." eine Überweisung in Höhe\nvon 320.000,00 € von deren Konto 212 832 001 bei der C-bank F. auf das Konto\n435 056 1 der Firma IMS-M. bei der V.bank S.- F. eG vorgenommen worden. Dieser\nGeldbetrag ist am 20.07.2005 auf ein privates Konto des Angeklagten O. S. zur\nAnschaffung eines Grundstücks in H. N. weiter transferiert worden.\n\n41\n\n \n\nIm Juli 2004 hat die Angeklagte H. S. eine Überweisung in Höhe von 56.600,00 €\nauf ein Notaranderkonto als Anzahlung für ein durch die Angeklagten S.\nbeabsichtigten Hauskauf in G. von dem Konto 435 056 1 der Firma "IMS-M." bei\nder V.bank S.- F. eG vorgenommen.\n\n42\n\n \n\nIn der Zeit von Februar bis Juni 2005 sind durch die Angeklagte H. S.\nzumindest 10 Raten für die Abzahlung eines im November 2004 durch die\nAngeklagten S. gekauften Katamarans von dem C-bank Konto der Firma "C-T-\nNetwork B.V." in einer Gesamtsumme von 478.700,00 € gezahlt worden.\n\n43\n\n \n\nDarüber hinaus hat es weitere erhebliche Privatentnahmen sowie Entnahmen zur\nAufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes gegeben, darunter Zahlungen in Höhe\nvon insgesamt 80.000,00 € auf Privatkonten der Angeklagten H. S., Einzahlungen\nauf das Visa-Card-Konto der Angeklagten H. S. sowie Zahlungen auf das\nPrivatkonto des Angeklagten O. S. in Höhe von 43.700,00 € vom Konto 435 056 1\nder Firma "IMS-M." bei der V.bank S.- F. eG. Daneben erfolgten Abbuchungen in\nHöhe von 125.000,00 € durch die Angeklagten H. S. am 22.09.2005, in Höhe von\n100.000,00 € durch den Angeklagten O. S. am 14.10.2005 sowie weitere\nÜberweisungen auf Firmenkonten in den Niederlanden am 15.09.2005 in Höhe von\n250.000,00 €, am 16.09.2005 in Höhe von 100.000,00 €, am 27.09.2005 in Höhe\nvon 250.000,00 € und am 12.10.2005 in Höhe von 70.000,00 € von dem Konto 143\n193 97 der Firma "C-T-Network B.V." bei der V.bank S.- F. eG. Weitere\nFeststellungen zur genauen Höhe der Gesamtsumme der entnommenen Gelder haben\nnicht getroffen werden können.\n\n44\n\n \n\nSämtliche zwischen der Firma "C-T-Network B.V." und den insgesamt 107\nGeschädigten geschlossenen Kaufverträge sind nicht erfüllt worden. Es ist\nweder zu einer Auslieferung der bestellten Kraftfahrzeuge gekommen, noch ist\ndie Kaufpreissumme an die Geschädigten zurückgezahlt worden. Die Kaufverträge\nhaben die Angeklagten nicht erfüllen können, da die Versuche, geeignete\nRahmenverträge mit Fahrzeuggroßhändlern über die Lieferung von Kraftfahrzeugen\nzu derart günstigen Konditionen zu schließen, gescheitert sind.\n\n45\n\n \n\nVon den getätigten Entnahmen haben alle drei Angeklagten jeweils Kenntnis\ngehabt auch wenn hinsichtlich des Kontos der Firma "C-T-Network B.V." bei der\nC-bank nur die Angeklagten H. S. und O. S. verfügungsberechtigt gewesen sind.\nDer Angeklagte U. S. ist von den aufgeführten Abbuchungen von dem Konto der\nC-bank jeweils im einzelnen unterrichtet gewesen und hat diese gebilligt.\nSoweit es die Abbuchung des Betrages in Höhe von 320.000,00 € zugunsten des\nAngeklagten O. S. betrifft, hat er diesen in seinem Entschluss, das Grundstück\nzu erwerben, ausdrücklich bestärkt.\n\n46\n\n \n\nAuch die übrigen getätigten Entnahmen zu privaten Zwecken oder zur Fortführung\ndes Geschäftsbetriebes sind jeweils in Kenntnis und mit Billigung aller drei\nAngeklagten erfolgt.\n\n47\n\n \n\nEs haben hingegen keine Feststellungen dahingehend getroffen werden können,\ndass die Angeklagten bereits zu Beginn des angeklagten Tatzeitraumes im Juni\n2005 bereits eingegangene oder noch abzuschließende Kaufverträge nicht haben\nerfüllen wollen.\n\n48\n\n \n\nWährend die Angeklagte H. S. als Inhaberin und Geschäftsführerin der Firma\n"IMS-M." und der Angeklagte O. S. als "Managing Direktor" der Firma "C-T-\nNetwork B.V." gegenüber den Kunden aufgetreten sind, ist der Angeklagte U. S.\nneben seiner bereits erwähnten Rolle als "Präsident" beider Firmen der\neigentliche Ideegeber des durch alle drei Angeklagten verwirklichten\nGeschäftskonzeptes gewesen. Er hat dieses Konzept der Firmentätigkeit\nmaßgeblich entwickelt, nämlich die Gründung einer weiteren, in Holland\nansässigen Firma "C-T-Network B.V." und die Abwicklung der einzelnen\nBestellungen unter Einschaltung der Firma "IMS-M." als Vermittlerin. Ferner\nist der gesteigerte Abschluss von Kaufverträgen mit Kunden gerade in dem\nangeklagten Tatzeitraum in den Monaten von Juni bis Oktober 2005 wesentlich\nauf seine Initiative zurückzuführen. Dieses Vorgehen der Steigerung des\nAuftragsvolumens hat die Voraussetzungen für eine verbesserte\nVerhandlungsposition bei der Vereinbarung eines noch abzuschließenden\nRahmenvertrages mit einem Fahrzeuggroßlieferanten schaffen sollen. Dafür sei\nes notwendig gewesen, in größerem Umfang auf eingezahlte Kundengelder\nzugreifen zu können.\n\n49\n\n \n\nLetztendlich sind die Geschäftsideen des Angeklagten U. S., wenn auch mit\nmöglichen Abweichungen im Detail, durch die beiden Mitangeklagten auch\numgesetzt worden. Der Angeklagte U. S. hat seine Vorstellung von der konkreten\nAusgestaltung und dem Ablauf eines Verkaufs von der Bestellung bis zur\nAuslieferung eines Fahrzeugs unter Mitwirkung der anderen Angeklagten\nverwirklichen können. Aufgrund seiner beherrschenden tatsächlichen Stellung\nhaben sich die Mitangeklagten seinem Willen gebeugt und sich ihm\nuntergeordnet. Im Ergebnis sind alle wesentlichen Entscheidungen nach seinen\nVorgaben umgesetzt worden.\n\n50\n\n \n\nDie Einsetzung der Angeklagten H. S. und O. S. als vertretungsberechtigte\nOrgane der Firmen "IMS-M." und "Car-Trading-Nework B.V." hat darüber hinaus im\nwesentlichen nur formalen Charakter aufgewiesen. Der eigentliche\nEntscheidungsträger beider Firmen ist für alle grundsätzlichen und wichtigen\nFragen tatsächlich der Angeklagte U. S. gewesen.\n\n51\n\n \n\nDie Angeklagten H. und U. S. haben, vor allem vor Gründung der Firma "C-T-\nNetwork B.V.", auch erfolgreich EU-Neufahrzeuge und Neufahrzeuge aus der\nBundesrepublik, zu Beginn ihrer Tätigkeit über Händler in den Niederlanden, in\neiner größere Anzahl erfolgreich an Kunden vermittelt. Zwischen April und\nSeptember 2005 ist es zu einer Auslieferung von insgesamt 161 Kraftfahrzeugen\nan Kunden gekommen.\n\n52\n\n \n\nZudem ist innerhalb des angeklagten Zeitraums auch ein nicht unerheblicher\nGesamtbetrag an eingegangenen Kundengeldern im Wege von Vertragsstornierungen\nan andere Käufer zurückgezahlt worden, so im Juli 2005 in Höhe von 87.000,00\n€, im August 2005 in Höhe von 656.000,00 € und im September 2005 in Höhe von\n106.000,00 € vom Konto 212 832 001 der Firma "C-T-Network B.V." bei der\nC-bank.\n\n53\n\n \n\nDer Angeklagte O. S. hat nach der Einleitung des Strafverfahrens gegen die\ndrei Angeklagten am 07.02.2006 gegenüber der Staatsanwaltschaft Kiel umfassend\nzur Sache ausgesagt. Er hat weiterhin am 23.01.2006 eine Verzichtserklärung\nüber Forderungen, die sich aus der Einzahlung eines Betrages in Höhe von\n579.000,00 € aus den Geschäftskonten der Firmen "IMS-M." und "C-T-Network\nB.V." auf Konten in Liechtenstein ergeben haben, verzichtet. Dadurch hat die\nSicherung und Rückführung dieser Gelder bewirkt werden können.\n\n \n\nIII.\n\n54\n\n \n\nDie getroffenen Feststellungen beruhen hinsichtlich der persönlichen\nVerhältnisse der Angeklagten (Ziffer I.) auf den glaubhaften Angaben der\nAngeklagten und den verlesenen Auszügen aus dem Bundeszentralregister vom\n04.05.2006 und hinsichtlich des Tatgeschehens (Ziffer II.) auf den umfassenden\nund glaubhaften Geständnissen aller Angeklagten, an deren Richtigkeit keine\nBedenken bestehen.\n\n \n\n \n\nIV.\n\n55\n\n \n\n1\\. Die Angeklagten H. S. und O. S. haben sich damit der gemeinschaftlichen\nUntreue schuldig gemacht, §§ 266 Abs. 1 2. Alt., 25 Abs. 2 StGB.\n\n56\n\n \n\nEine erforderliche Treuepflicht beziehungsweise Vermögensbetreuungspflicht hat\ngegenüber sämtlichen Geschädigten bestanden. Im Rahmen des\nTreuebruchstatbestandes nach § 266 Abs. 1 2. Alt. StGB kommen grundsätzlich\nnur inhaltlich besonders qualifizierte Pflichten in Betracht\n(Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, 27. Aufl., 2006, § 266 Rdnr. 23).\nGegenseitige Verträge können dabei nur dann die Grundlage für eine\nVermögensbetreuungspflicht sein, wenn die Treuepflicht wesentliche und nicht\nnur beiläufige Vertragspflicht ist (Tröndle/Fischer, 53. Aufl., 2006, § 266\nRdnr. 29). Dabei finden sich Treuepflichten in aller Regel nur in fremdnützig\ntypisierten Schuldverhältnissen, wenn sie also den Charakter einer\nGeschäftsbesorgung im Sinne des § 675 BGB zum Gegenstand haben (Schönke/\nSchröder/Lenckner/Perron, a.a.O., § 266 Rdnr. 23 a). Dennoch kann sich bei\neiner atypischen Gestaltung der vertraglichen Beziehung eine Treuepflicht auch\naus einem an sich nicht fremdnützigen Rechtsverhältnis ergeben und zwar dann,\nwenn die Stellung des Verkäufers der eines Einkaufskommissionärs (§§ 383 ff.\nHGB) angenähert ist (Schönke/Schröder/Lenckner Perron, a.a.O., § 266 Rdnr.\n27).\n\n57\n\n \n\nEine solche - wenn auch atypische Gestaltung - ist vorliegend gegeben. Denn\nneben den üblichen Verkäuferpflichten im Zusammenhang mit dem Verkauf des\njeweils bestellten Kraftfahrzeuges hat sowohl nach dem Abwicklungsleitfaden\nder Firma "IMS-M." als auch nach dem Bestätigungsschreiben der Firma "Car-\nTrading- Network B.V." gerade die Verwahrung des Kaufpreises in Höhe von\njeweils 97 % auf einem "Sonderkonto" und die Verwendung dieses Geldes gerade\nzur Anschaffung des durch den einzelnen Kunden bestellten Kraftfahrzeuges im\nVordergrund gestanden. Neben die sich aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB ergebenden\nPflichten der Firma "C-T-Network B.V." im Zusammenhang mit der Abwicklung des\neinzelnen Kaufvertrages ist damit die vertraglich garantierte Verpflichtung\ngetreten, die eingezahlten Kundengelder so wie durch den Abwicklungsleitfaden\nund das Bestätigungsschreiben zugesichert und nicht zu anderen Zwecken zu\nverwenden. Durch die Abgabe dieser Garantieerklärung ist der Sicherung der\nVermögensinteressen der Kunden eine besondere und herausgehobene Bedeutung\ninnerhalb der vertraglichen Verpflichtungen eingeräumt worden. Diese\nVerpflichtung kann nicht mehr als bloße untergeordnete und beiläufige\nNebenpflicht zum jeweils geschlossenen Kaufvertrag verstanden werden, sondern\nmuss als eine selbständige, neben die Eigentumsverschaffungspflicht tretende\nvertragliche Verpflichtung verstanden werden. Dies gilt um so mehr, als gerade\ndie abgegebene Garantie für den Großteil der 107 abgeschlossenen Kaufverträge\nüberhaupt erst Auslöser dafür gewesen sein dürfte, dass die Kunden ohne\nBestellung von anderen Sicherheiten eine Vorauszahlung geleistet haben.\nInsofern entspricht die eingegangene Verpflichtung im Ergebnis der Pflicht\neines Kommissionärs (§§ 383 ff. HGB), eingezogenes Geld getrennt von seinem\nsonstigen Geschäftsvermögen aufzubewahren (vgl. Fischer/ Tröndle, a.a.O., §\n266 Rdnr. 36 m.w.N.).\n\n58\n\n \n\nDie Geschädigten haben die Garantieerklärung auch in dieser Richtung verstehen\nmüssen. Denn nach den Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen\nKäufers hat durch die Einzahlung des Kaufpreises auf ein Sonderkonto gerade\nden nachvollziehbaren Sorgen der Kunden vorgebeugt werden sollen, hinsichtlich\ndes Kaufpreises in Vorkasse treten zu müssen, ohne eine hinreichende\nSicherheit zu erhalten. Es ist weiter auf Seiten der Geschädigten der Eindruck\nerweckt worden, das Geld werde erst dann ausgezahlt werden, wenn das bestellte\nFahrzeug an den Kunden ausgeliefert worden ist.\n\n59\n\n \n\nDiese durch Rechtsgeschäft begründete Vermögensbetreuungspflicht hat aufgrund\nder entsprechenden Passage in dem Abwicklungsleitfaden sowohl für die Firma\n"IMS-M.", als auch aufgrund der Formulierung in dem Bestätigungsschreiben für\ndie Firma "Car-Trading- Network B.V." bestanden.\n\n60\n\n \n\nDiese Vermögensbetreuungspflicht müssen sich die Angeklagte H. S. als\nInhaberin und Geschäftsführerin der Firma "IMS-M." und der Angeklagte O. S.\nals "Managing Director" der Firma "Car-Trading- Network B.V." und damit als\nvertretungsberechtigte Organe der handelnden juristischen Personen als\nbesonderes strafbegründendes persönliches Merkmal (§ 28 Abs. 1 StGB) nach § 14\nAbs. 1 Nr. 1 StGB zurechnen lassen. Der "Director" nimmt als\nvertretungsberechtigten Organ einer Limited-Gesellschaft nach englischem Recht\ndie laufende Geschäftsführung wahr (siehe Römermann, NJW 2006, S. 2065, 2067)\nund ist damit hinsichtlich seiner Vertretungsbefugnis mit dem Geschäftsführer\neiner GmbH zu vergleichen.\n\n61\n\n \n\nDie Angeklagten H. S. und O. S. haben diese bestehende Treuepflicht auch\nverletzt. Es genügt insofern eine vermögensrelevante Handlung, durch die sich\nder Täter in Widerspruch zum Inhalt der Vermögensbetreuungspflicht setzt\n(Tröndle/Fischer, a.a.O., § 266 Rdnr. 38). Die Verletzungshandlung liegt in\nder festgestellten zweckwidrigen Verwendung des Geldes und der unterlassenen\nAbsonderung von dem sonstigen Geschäftsvermögen.\n\n62\n\n \n\nDabei müssen sich die beiden Angeklagten die jeweils durch den anderen\nbegangenen Verletzungshandlungen nach § 25 Abs. 2 StGB zurechnen lassen. Denn\ndie Angeklagten haben gemeinschaftlich gehandelt, da die einzelnen Abbuchungen\njeweils in Kenntnis und mit Billigung des anderen und aufgrund eines\neinheitlichen Tatentschlusses, nämlich die eingezahlten Gelder nicht gemäß der\nabgegeben Garantie zu verwenden, erfolgt sind.\n\n63\n\n \n\nEs ist durch die dem Zweck der Garantie zuwiderlaufenden Verwendung der\neingezahlten Gelder auch ein Vermögensnachteil bei den Kunden eingetreten.\nDenn diese haben weder das bestellte Kraftfahrzeug erhalten, noch ist der\nangezahlte Kaufpreis durch die Angeklagten zurückerstattet worden. Der\nGesamtschaden beläuft sich dabei auf die Summe der durch die 107 Geschädigten\ninsgesamt eingezahlten 2.156.374,61 €.\n\n64\n\n \n\nDie Angeklagten H. S. und O. S. haben weiter vorsätzlich gehandelt. Die\nUmstände, die die Vermögensbetreuungspflicht zugunsten der Geschädigten\nbegründet haben, sind ihnen bekannt gewesen. Sie haben Kenntnis von der\nFunktion der Sonderkonten der Firma "C-T-Network B.V." gehabt und haben auch\nvon der Bedeutung der Zusage in der Abwicklungsrichtlinie, das Geld werde nur\nzur Erfüllung der einzelnen Kaufverträge verwendet, gewusst. Die Angeklagten\nhaben ferner auch die Umstände gekannt, die ihre Mittäterschaft nach § 25 Abs.\n2 StGB begründen.\n\n65\n\n \n\nBeide Angeklagten haben auch rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.\n\n66\n\n \n\nDer Treuebruch erfüllt den besonders schweren Fall der gewerbsmäßigen Untreue\n(§ 266 Abs. 2 iVm § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB). Denn aufgrund der\nwiederholten Abbuchungen und der im angeklagten Zeitraum üblichen Praxis, auf\ndie eingezahlten Kundengelder auch zu privaten Zwecken zuzugreifen, muss davon\nausgegangen werden, dass die Angeklagten sich eine nicht nur vorübergehende\nEinnahmequelle von nicht unerheblichem Umfang haben verschaffen wollen (vgl.\nTröndle/ Fischer, a.a.O., § 266 Rdnr. 83, § 263 Rdnr. 120).\n\n67\n\n \n\nEs handelt sich bei der begangenen Untreue, trotz der einzelnen selbständigen\nHandlungen bei der Entnahme und zweckwidrigen Verwendung der eingezahlten\nGelder, um eine einheitliche Tat des Treuebruchs. Die verschiedenen\nEinzelhandlungen in Form der zweckwidrigen Verfügungen über die Gelder auf den\nSonderkonten können zu einer rechtlichen Bewertungseinheit zusammengefasst\nwerden. Denn die aufgrund eines einheitlichen Motivationszusammenhanges -\nSteigerung des Auftragsvolumens zur Stärkung der eigenen Verhandlungsposition\n- jeweils gleichartig erfolgten Zugriffe auf die überwiesenen Gelder, getragen\nvon einem\n\n68\n\n \n\nübereinstimmend im Voraus gebildeten Vorsatz sind insgesamt zur Verfolgung\neines einheitlichen Deliktserfolges vorgenommen worden (vgl. Schönke/\n\n69\n\n \n\nSchröder/Stree/Sternberg-Lieben, a.a.O. Vorbemerkung zu §§ 52 ff. Rdnr. 17).\nVor diesem Hintergrund lässt sich die Zusammenfassung der einzelnen\nvorgenommenen Verfügungen über die Gelder zu einem einheitlicher\nHandlungskomplex rechtfertigen.\n\n70\n\n \n\n2\\. Der Angeklagte U. S. hat sich der Anstiftung zur gemeinschaftlichen\nUntreue in einem besonders schweren Fall schuldig gemacht §§ 266 Abs. 1 2.\nAlt., Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 25 Abs. 2, 26 StGB.\n\n71\n\n \n\nEine Strafbarkeit wegen einer täterschaftlich begangenen Untreue scheidet aus.\nEs fehlt insofern an dem besonderen persönlichen strafbegründenden Merkmal der\nVermögensbetreuungspflicht des Angeklagten U. S. gegenüber den Geschädigten.\nDenn der Angeklagte hat nicht die formale Position eines\nvertretungsberechtigten Organs, weder in der Firma "IMS-M." noch in der Firma\n"Car-Trading- Network B.V.", inne gehabt. Ihn traf auch als so genannter\nfaktischer Geschäftsführer der Firmen keine eigene Vermögensbetreuungspflicht\ngegenüber den Geschädigten.\n\n72\n\n \n\nZwar kann die rein tatsächliche Möglichkeit, auf das Vermögen eines Dritten\neinzuwirken, für die Begründung des Treuebruchtatbestandes ausreichend sein.\nDenn der Treuebruch lässt auch ein sonstiges Treueverhältnis genügen\n("tatsächliches Treueverhältnis", siehe Tröndle/Fischer, a.a.O., § 266 Rdnr.\n31). Der Treuebruchtatbestand knüpft auch nicht zwingend an die formale\nPosition als juristisches Organ an, sondern an die faktische Verfügungsmacht\nüber ein bestimmtes Vermögen, wenn damit ein schützenswertes Vertrauen in eine\npflichtgemäße Wahrnehmung der Vermögensinteressen verbunden ist. Deshalb kann\nauch derjenige, der nicht förmlich zum Geschäftsführer bestellt worden ist,\naber mit Zustimmung der Gesellschafter die Geschäftsführung tatsächlich\nübernommen hat - so genannter faktischer Geschäftsführer bei der GmbH - Täter\ndes Treuebruchs sein (BGH, Urteil vom 10.07.1996, NStZ 1996, S. 540 ff.; BGH,\nBeschluss vom 20.09.1999, NStZ 2000, S. 34 ff.). Jedoch wirkt die Treuepflicht\nin dem Fall des lediglich faktisch agierenden Geschäftsführers nur gegenüber\nder GmbH als juristischer Person selbst und nicht gegenüber möglichen\nGeschäftskunden. Im Übrigen gilt auch, dass im Falle des tatsächlichen\nTreueverhältnisses der Täter trotz des Fehlens einer rechtlich wirksamen\nVermögensbetreuungspflicht seine Tätigkeit nach dem wirklichen oder\nmutmaßlichen Willen des Vermögensinhabers aufnehmen beziehungsweise fortführen\nmuss (Schönke/ Schröder/Lenckner/Perron, a.a.O., § 266 Rdnr. 30).\n\n73\n\n \n\nDiese Voraussetzungen sind bei dem Angeklagten U. S., der stets im Hintergrund\nagierte und für die Kunden nicht erkennbar aufgetreten ist, nicht gegeben.\nInsofern hat nur eine rein faktische Möglichkeit vorgelegen, auf das Vermögen\nder Kunden unter Einschaltung der Mitangeklagten zuzugreifen. Diese im\nVerhältnis zu den Geschädigten nur zufällige Möglichkeit des Zugriffs reicht\nfür die Begründung einer eigenen Treuepflicht nicht aus. Demnach kommt eine\nStrafbarkeit wegen einer Untreue in Täterschaft nicht in Betracht. Das\nbesondere strafbegründende persönliche Merkmal der Vermögensbetreuungspflicht\nliegt bei dem Angeklagten nicht vor. Auch eine Zurechnung nach § 25 Abs. 2\nStGB kann nicht erfolgen, da über diese Bestimmung nur die Zurechnung von\nTathandlungen möglich ist.\n\n74\n\n \n\nAllerdings ist der Angeklagte U. S. als Anstifter des durch die beiden\nMitangeklagten gemeinschaftlich begangenen Treuebruchs zu bestrafen. Er hat\nbei den Mitangeklagten den Tatentschluss zur Untreue hervorgerufen und sie\ndamit zur Tat im Sinne des § 26 StGB bestimmt (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., §\n26 Rdnr. 3).\n\n75\n\n \n\nDie Einwirkungshandlung des Angeklagten ist dabei in folgendem zu sehen:\nAufgrund seiner herausgehobenen tatsächlichen Stellung als "Präsident" der\nbeiden Firmen und Ideengeber hat er gleichsam im Hintergrund alle wichtigen\nEntscheidungen getroffen und sie durch die von ihm eingesetzten Mitangeklagten\nals jeweils Verantwortliche in den Firmen umsetzen lassen. Er hat damit einen\nentscheidenden und vor allem einen beherrschenden Einfluss auf die\nMitangeklagten ausgeübt und das Geschehen nach seinem Willen und seinen\nVorstellungen gelenkt und gesteuert. Der Anstieg der Bestellungen gerade in\ndem Zeitraum zwischen Juni und Oktober 2005 ist als die Umsetzung seines\nGeschäftskonzeptes zu werten. In diesem Zusammenhang hat er den Plan gefasst,\ndurch ein gesteigertes Auftragsvolumen in großem Umfang auf eingezahlte\nKundengelder zurückgreifen zu können, um dadurch seine eigene Position bei der\nAushandlung von günstigen Konditionen beim Abschluss von\nRahmenlieferungsverträgen zu verbessern. Die zweckwidrige Verwendung der\neingezahlten Gelder ist dabei von ihm einkalkuliert gewesen. Die beiden\nMitangeklagten haben sich den Vorgaben des Angeklagten U. S. auch\nuntergeordnet und seine Pläne umgesetzt.\n\n \n\n76\n\n \n\nDie vorsätzlich und rechtswidrige Haupttat im Sinne des § 26 StGB ist der\ndurch die Mitangeklagten H. S. und O. S. verwirklichte gemeinschaftliche\nTreuebruch.\n\n77\n\n \n\nDer Angeklagte U. S. hat auch vorsätzlich gehandelt. Er hat um seine\nbeherrschende Stellung innerhalb der Firmen als auch um die Möglichkeit, auf\ndie beiden Mitangeklagten einwirken zu können, gewusst. Die\nEinwirkungshandlungen sind durch ihn wissentlich begangen worden. Der\nAngeklagte hatte ferner Kenntnis von der zweckwidrigen Verwendung der\neingezahlten Kundengelder und damit auch von dem eingetretenen\nVermögensschaden. Der Umstand, dass keine Kraftfahrzeuge ausgeliefert worden\nsind, ist ihm bekannt gewesen. Schließlich hat er auch die Umstände gekannt,\ndie die Annahme eines Treuebruchs in einem besonders schweren Fall bei den\nMitangeklagten begründen.\n\n78\n\n \n\nDer Angeklagte hat die Anstiftung auch rechtswidrig und schuldhaft begangen.\n\n79\n\n \n\nHingegen kommt für alle Angeklagten eine Strafbarkeit wegen Betruges nicht in\nBetracht, da aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht mit der notwendigen\nSicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Angeklagten jeweils bei\nAbschluss eines Kauf- beziehungsweise Vermittlungsvertrages über ihre\nLeistungsfähigkeit haben täuschen wollen.\n\n \n\nV.\n\n80\n\n \n\nDie Angeklagten H. S. und O. S. sind dem gemäß wegen einer gemeinschaftlich\nbegangenen Untreue in einem besonders schweren Fall, der Angeklagte U. S.\nwegen einer Anstiftung zu dieser Tat zu bestrafen\n\n81\n\n \n\nFür die Angeklagten H. S. und O. S. gilt bei der Bestimmung des Strafmaßes\nzunächst folgendes: Der Tatbestand des § 266 Abs. 1 2. Alt., Abs. 2 iVm § 263\nAbs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB eröffnet für einen Treuebruch in einem besonders\nschweren Fall einen Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe\n(§§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 1 StGB).\n\n82\n\n \n\nHinsichtlich des Angeklagten U. S., bei dem als Anstifter zum gemeinschaftlich\nbegangenen Treubruch das besondere strafbegründende persönliche Merkmal der\nVermögensbetreuungspflicht gefehlt hat, ist bei der Ermittlung des Strafmaßes\nzunächst der Strafrahmen gemäß §§ 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB herabzusetzen.\nDieser ermäßigte Strafrahmen sieht Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu 7\nJahren und 6 Monaten vor (§ 49 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3, Alt. 3 StGB).\n\n83\n\n \n\nStrafmildernd ist für die Angeklagten in der Strafzumessung folgendes zu\nwerten:\n\n84\n\n \n\nZugunsten aller drei Angeklagten sind zunächst ihre umfassenden und frühzeitig\nerfolgten Geständnisse strafmildernd zu berücksichtigen. Die Angeklagten haben\nsich seit Beginn der Hauptverhandlung kooperativ gezeigt, haben alle an sie\ngerichteten Fragen beantwortet und die ihnen zur Last gelegte Tat\nvollumfänglich eingeräumt. Dabei muss auch Berücksichtigung finden, dass durch\ndie Geständnisse ein sehr langer - möglicherweise über die Dauer von einem\nJahr hinaus - und kostenintensiver Prozess verhindert worden ist. Des weiteren\nhaben alle Angeklagten in ihrem letzten Wort die Tat glaubhaft bereut und\nVerfehlungen und Versäumnisse ausdrücklich eingeräumt.\n\n85\n\n \n\nFür alle Angeklagten muss weiter strafmildernd in die Abwägung einfließen,\ndass das Geschäftskonzept nicht von vornherein darauf angelegt gewesen ist,\npotentielle Kaufinteressenten durch eine zweckwidrige Verwendung der\neingezahlten Gelder zu schädigen. Es hat zudem eine beanstandungsfreie Zeit\nder Geschäftstätigkeit gebeben, innerhalb derer es zur ordnungsgemäßen\nAuslieferung von Fahrzeugen gekommen ist. Zum anderen sind auch innerhalb des\nangeklagten Tatzeitraums Kraftfahrzeuge ausgeliefert, Kaufverträge storniert\nund Gelder in nicht unbeträchtlichem Umfang an andere Kunden zurückerstattet\nworden.\n\n86\n\n \n\nZudem kommt allen Angeklagten zugute, dass den Geschädigten eine gewisse\nLeichtfertigkeit zur Last gelegt werden muss, die es den Angeklagten\nermöglicht hat, sich ohne die Bestellung von wirksamen Sicherheiten die\nVerfügungsmacht über die eingezahlten Gelder zu verschaffen. Denn die\nVorausentrichtung des gesamten Kaufpreises ohne hinreichende Absicherung\nstellt ein zumindest unübliches Käuferverhalten dar. Die bestehenden Risiken\nsind entweder nicht hinreichend erkannt oder aber in Kauf genommen worden.\nInsofern dürften die Gedanken der geschädigten Kunden an einen möglichen\nVerlust der eingezahlten Gelder im Hinblick auf die in Aussicht gestellten\nüberdurchschnittlich hohen Rabatte zerstreut worden sein.\n\n87\n\n \n\nSchließlich muss bei allen Angeklagten mildernd in die Strafzumessung\neinfließen, dass sie bislang nicht vorbestraft sind und sich erstmals\nstrafrechtlich zu verantworten haben.\n\n88\n\n \n\nFür den Angeklagten O. S. ist darüber hinaus positiv zu werten, dass er sich\nbereits frühzeitig im Rahmen des Ermittlungsverfahrens kooperativ gezeigt hat\nund zwar durch eine vollumfängliche Aussage zur Sache und daneben durch seine\nMitwirkung an der Rückführung und Sicherung von Geldern aus Liechtenstein. Er\nhat sich dadurch um eine zumindest teilweise Schadenswiedergutmachung bemüht.\n\n89\n\n \n\nZugunsten der Eheleute S. muss schließlich berücksichtigt werden, dass sie\naufgrund ihres hohen Lebensalters einer besonderen Haftempfindlichkeit\nausgesetzt sind.\n\n90\n\n \n\nStrafschärfend spricht zu Lasten der Angeklagten:\n\n91\n\n \n\nZunächst muss der sehr hohe eingetretene Vermögensschaden von über zwei\nMillionen Euro sowie die hohe Anzahl von geschädigten Kunden zu Lasten der\nAngeklagten Berücksichtigung finden. Zudem spricht gegen die Angeklagten auch\nder lange Zeitraum von fünf Monaten innerhalb dessen sie die eingezahlten\nGelder zweckwidrig verwendet haben.\n\n92\n\n \n\nFerner kann den Angeklagten vorgeworfen werden, dass sie in der Verfolgung\nihrer Geschäftsidee eine besondere Beharrlichkeit gezeigt haben. Sie haben\nsich zumindest in der zweiten Hälfte des angeklagten Zeitraumes der Erkenntnis\nverschlossen, dass ihr Geschäftskonzept gescheitert ist und keine\nKraftfahrzeuge an die Geschädigten ausgeliefert werden können. Dennoch haben\nsie es nicht unterlassen, weiterhin im Internet Werbung zu betreiben,\nKaufverträge über Neuwagen abzuschließen und die Anzahlung des Kaufpreises auf\nein Sonderkonto von den Geschädigten zu fordern.\n\n93\n\n \n\nStrafschärfend ist weiterhin der Umstand zu bewerten, dass die Angeklagten\ndurch die Verwendung der eingezahlten Gelder auch zu privaten Zwecken sich in\nbesonderer Weise von der vertraglich begründeten Garantie, die Gelder nicht\nzweckfremd einzusetzen, entfernt haben. Darin ist ein erhöhtes Maß an\nPflichtwidrigkeit zu sehen (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB). Dieses wirkt gerade im\nBereich der Untreue bei einem eklatanten Verstoß gegen die vertraglichen\nVorgaben der Vermögensbetreuungspflicht strafschärfend\n(Schönke/Schröder/Stree, a.a.O., § 46 Rdnr. 17).\n\n94\n\n \n\nDes weiteren wiegt der Schuld- und Unrechtsgehalt der dem Angeklagten U. S.\nzur Last gelegten Anstiftungstat ungleich schwerer als die durch die beiden\nMitangeklagten begangene Untreue, obwohl der Angeklagte an den einzelnen\nzweckwidrigen Zugriffen auf die Sonderkonten nicht beteiligt gewesen ist. Denn\ndem Angeklagten U. S. ist aufgrund seiner beherrschenden Stellung innerhalb\nder beiden Firmen und des im wesentlichen von ihm herrührenden\nGeschäftskonzeptes der Hauptvorwurf für das verwirklichte Unrecht und den auf\nSeiten der Kunden angerichteten Schaden zu machen. Dabei kann auch nicht\nunberücksichtigt bleiben, dass der Angeklagte seine Einflussmöglichkeiten auf\ndie Mitangeklagten zur Verwirklichung seiner Ziele ausgenutzt hat.\n\n95\n\n \n\nDaher ist es trotz des für den Angeklagten U. S. nach §§ 28 Abs. 1, 49 Abs. 1\nStGB gemilderten Strafrahmens von einem Monat bis zu 7 Jahren und 6 Monaten\ngerechtfertigt, gegen ihn eine deutlich höhere Freiheitsstrafe als gegen die\nbeiden Mitangeklagten zu verhängen.\n\n96\n\n \n\nDie Freiheitsstrafe für den Angeklagten O. S. muss angesichts seines\nstrafmildernd wirkenden Nachtatverhaltens ihrerseits geringer ausfallen, als\ndie gegen die Angeklagte H. S. zu verhängende Freiheitsstrafe.\n\n97\n\n \n\nUnter Berücksichtigung aller dieser für und gegen die Angeklagten sprechenden\nUmstände sowie der persönlichen Verhältnisse der Angeklagten und des\nSchuldgehalts der Straftaten sind aufgrund einer Gesamtabwägung die folgenden\nFreiheitsstrafen tat- und schuldangemessen:\n\n98\n\n \n\nFür die Angeklagte H. S. eine Freiheitsstrafe von\n\n99\n\n \n\n3 Jahren und 6 Monaten,\n\n100\n\n \n\nfür den Angeklagten O. S. eine Freiheitsstrafe von\n\n101\n\n \n\n2 Jahren und 9 Monaten,\n\n102\n\n \n\nsowie für den Angeklagten U. S. eine Freiheitsstrafe von\n\n103\n\n \n\n5 Jahren.\n\n104\n\n \n\nIn dieser Gesamtabwägung ist noch einmal besonders das im Hauptverfahren\nfrühzeitig abgelegte und umfassende Geständnis aller Angeklagten zu ihren\nGunsten gewürdigt worden.\n\n \n\nVI.\n\n105\n\n \n\nDie getroffene Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO.\n\n \n\n
108,883
lg-kiel-2006-06-13-1-s-10205
1,064
Landgericht Kiel
lg-kiel
Kiel
Schleswig-Holstein
1 S 102/05
2006-06-13
2018-11-26 04:30:16
2019-02-14 08:40:40
Beschluss
ECLI:DE:LGKIEL:2006:0613.1S102.05.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Berufung vom 8. April 2005 wird auf Kosten des\nBerufungsklägerszurückgewiesen.\n\n \n\nDer Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.974,20 € festgesetzt.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nDie Berufung hat nach einstimmiger Auffassung der Kammer keine Aussicht auf\nErfolg. Zur Begründung wird Bezug genommen auf den Inhalt des Hinweises vom\n25. April 2006, der den Parteien gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO bekannt gegeben\nworden ist.\n\n2\n\n \n\nAuch nach der Stellungnahme des Berufungsführers auf den Hinweisbeschluss\ndurch Schriftsatz vom 22. Mai 2006 bleibt die Kammer bei ihrer bereits\ndargestellten Auffassung.\n\n3\n\n \n\n1\\. Entgegen der Meinung des Berufungsführers kann dahinstehen, ob es im Jahr\n2002 bzw. 2003 auf dem klägerischen Anwesen zu Wassereinbrüchen gekommen ist.\nEntscheidungserheblich ist vielmehr, dass sich die vom Kläger behauptete\nVerwurzelung der Hauptleitungsrohre zur Überzeugung des Amtsgerichts durch das\nErgebnis der Beweisaufnahme bestätigt hat.\n\n4\n\n \n\nWie bereits im Hinweisbeschluss dargestellt, hat die Vernehmung des Zeugen S.\nmangels eigener Wahrnehmung im streitgegenständlichen Bereich auch keinesfalls\nergeben, dass die Grundleitungen dort frei waren (vgl. Bl. 4 des\nHinweisbeschlusses).\n\n5\n\n \n\nEs war auch keine Beweisaufnahme über die Behauptung des Berufungsführers,\ndass die klägerischen Zuleitungsrohre verwurzelt gewesen seien, erforderlich,\nda es im vorliegenden Fall ausschließlich um die Sanierungskosten der\ngemeinsamen Entwässerungsanlage geht.\n\n6\n\n \n\n2\\. Dem anteiligen Erstattungsanspruch stehen auch nicht die auf der\nEigentümerversammlung getroffenen Vereinbarungen entgegen. Die Kammer hat\nbereits dargelegt, dass die vom Kläger veranlaßten Sanierungsmaßnahmen\nerforderlich und damit zugleich die wirtschaftlich günstigsten aller gleich\ngeeigneten Maßnahmen zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der\nRegenwasser- und Abwasseranlagen darstellten.\n\n7\n\n \n\n3\\. Auf den Einwand des Berufungsführers zur Höhe der entstandenen\nSanierungskosten bleibt noch auszuführen, dass der Umfang der\nVermögensfürsorge- und Überprüfungspflicht des Klägers im Rahmen des § 744\nAbs. 2 BGB aus Sicht eines vernünftigen Teilhabers zu ermitteln war. Unter\nZugrundelegung einer solchen verobjektivierten Sichtweise ist die Kammer\nweiterhin der Auffassung, dass die vom Berufungsführer eingewendeten\nRechnungspositionen durchaus nachvollziehbar erscheinen und keine Veranlassung\nzu dem vom Berufungsführer angenommenen Überprüfungsumfang bieten.\n\n8\n\n \n\nNach dem anzulegenden objektiven Überprüfungsmaßstab erscheinen die\nberechneten Baggerstunden sodann auch keinesfalls überhöht, denn ein\nvernünftiger Teilhaber durfte davon ausgehen, dass die Standzeit insoweit\nmiteinbezogen worden war.\n\n9\n\n \n\n4\\. Zusammengefaßt war der Kläger gegenüber der Gemeinschaft zur Veranlassung\nder notwendigen Erhaltungsmaßregeln berechtigt und ist seinen damit\nzusammenhängenden Pflichten aus Sicht eines vernünftigen Teilhabers durchaus\nnachgekommen.\n\n10\n\n \n\n5\\. Da die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat und die\nFortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung\neine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern, war die Berufung nach\n§ 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.\n\n11\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.\n\n \n\n
111,693
lg-itzehoe-2004-02-12-1-t-1204
1,063
Landgericht Itzehoe
lg-itzehoe
Itzehoe
Schleswig-Holstein
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
1 T 12/04
2004-02-12
2018-11-27 02:30:15
2019-01-17 11:35:37
Beschluss
ECLI:DE:LGITZEH:2004:0212.1T12.04.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Beschwerde wird zuruckgewiesen.\n\n \n\nDie Entscheidung ergeht gerichtsgebuhrenfrei.\n\n \n\nKosten werden nicht erstattet.\n\n#### Grunde\n\n1\n\n \n\nDie Beschwerde des Prozessbevollmachtigten der Klagerin gegen die\nStreitwertfestsetzung des Amtsgerichts ist gem. § 25 Abs. 3 GKG i.V.m. § 9\nAbs. 2 BRAGO zulassig, jedoch nicht begrundet.\n\n2\n\n \n\nNach § 16 Abs. 2 GKG bemißt sich der Streitwert fur die Raumungsklage nach dem\nfur die Dauer eines Jahres zu entrichtenden Mietzins. Dabei ist umstritten, ob\ndie Nebenkosten bei der Mietzinsberechnung hinzuzurechnen sind (zum\nStreitstand Zoller/Herget, 24. Aufl., Rdn. 16 zu § 3, Stichwort\n„Mietstreitigkeiten").\n\n3\n\n \n\nDie Kammer vertritt weiterhin die Auffassung (so schon 1 T 124/93), dass\nallein auf den Nettomietzins abzustellen ist. Dieser wird fur die\nGebrauchsuberlassung entrichtet und bestimmt das Interesse des Vermieters an\nder Raumung und Herausgabe der Wohnung. Die Betriebskosten sind insbesondere\ndann, wenn sie als Vorauszahlung zu entrichten sind, wie vorliegend,\ndurchlaufende Posten und stellen keine Vergutung des Vermieters fur die\nWohnraumuberlassung dar.\n\n4\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 25 Abs. 4 GKG.\n\n \n\n
114,474
lagd-1999-09-17-9-13-sa-71899
793
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
lagd
Nordrhein-Westfalen
Arbeitsgerichtsbarkeit
9 (13) Sa 718/99
1999-09-17
2018-11-28 11:28:46
2019-02-12 08:36:06
Urteil
ECLI:DE:LAGD:1999:0917.9.13SA718.99.00
## Tenor\n\n \n1\n\nT a t b e s t a n d\n\n2\n\nDie Parteien streiten uber die Verpflichtung des beklagten Landes, dem Klager\nfunf Urlaubstage aus dem Jahre 1996 nachzugewahren.\n\n3\n\nDer Klager ist seit 1979 bei der B. Universitat Gesamthochschule W.\nangestellt. Er wird in deren Rechenzentrum als Systemprogrammierer\nbeschaftigt. Am 08.10.1996 beantragte er bei dem fur die\nPersonalangelegenheiten zustandigen Kanzler, ihn fur den Besuch der von der\nWeiterbildungseinrichtung Forum U. fur den 18.11. 22.11.1996 ausgeschriebenen\nVeranstaltung Sylt Eine Insel in Not von der Arbeit freizustellen. Diese\nVeranstaltung war als Arbeitnehmerweiterbildung von der Bildungsberatung und\nBildungswerbung der Stadt K.in der Broschure Bildungsurlaubs-Angebote in NRW\nwie folgt angekundigt:\n\n4\n\nDer Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer schutzt seit mehreren\nJahren das großte zusammenhangende Wattengebiet der Erde. Ziel des Seminars\nist es, sich einen Überblick uber den Lebensraum zu verschaffen und den\nZusammenhang zwischen Meeresverschmutzung, Klimaveranderungen und Zerstorung\ndes Wattenmeers begreifbar zu machen.\n\n5\n\nDas geplante Programm sah wie folgt aus:\n\n6\n\nSonntag: Anreise\n\n7\n\nMontag:\n\n8\n\n10.00 10.45 Uhr Begrußung und Kennenlernen der Teilnehmer/innen\n\n9\n\nVorstellung des Seminarverlaufes\n\n10\n\n11.00 12.30 Uhr Entstehung und Geschichte der schleswig-holsteinischen\n\n11\n\nNordseekuste, des Wattenmeeres, der Inseln und\n\n12\n\nHalligen\n\n13\n\n14.00 17.00 Uhr Die Insel Sylt als Teil der schleswig-holsteinischen Geest\n\n14\n\n\\- Auswirkungen der Umwelteinflusse auf den Geestkern\n\n15\n\nder Insel\n\n16\n\n\\- Kustenschutzmaßnahmen im Wandel der Zeit\n\n17\n\n\\- Nutzen und Kosten der Schutzmaßnahmen\n\n18\n\nDienstag:\n\n19\n\n10.00 12.15 Uhr Einblick in einen Lebensraum\n\n20\n\n\\- Ökosystem Wattenmeer\n\n21\n\n\\- Auswirkungen von Umweltbelastung auf dieses\n\n22\n\nSystem ( schwarze Flecken etc.)\n\n23\n\n\\- Beispiele des angewandten und padagogischen Naturschutzes\n\n24\n\n14.00 17.00 Uhr Die Bedeutung des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches\nWattenmeer\n\n25\n\n\\- Vergleich mit anderen Nationalparks\n\n26\n\n\\- Schutzmaßnahmen des Bundes und des Landes fur das Wattenmeer\n\n27\n\n\\- Interessenkonflikte und Gesetzgebung\n\n28\n\n\\- Entwicklung des Nationalparks\n\n29\n\nMittwoch:\n\n30\n\n10.00 12.15 Uhr Natur- und Kulturgeschichte der Nordfriesischen Inseln\n\n31\n\n14.00 15.30 Uhr Vorbereitung der Fragestunde\n\n32\n\nNatur-, Umweltschutz und/oder Tourismus\n\n33\n\n\\- Ausarbeitung von Fragen in Arbeitsgruppen\n\n34\n\n20.00 21-30 Uhr Fragestunde mit Naturschutzexperten/Politiker/\n\n35\n\nTourismusexperten\n\n36\n\nDonnerstag:\n\n37\n\n09.30 12.30 Uhr Die internationale okologische Bedeutung des Watten-\n\n38\n\nmeeres fur den Vogelzug\n\n39\n\n14.30 16.00 Uhr Geschichtliche Entwicklung des Tourismus und dessen\n\n40\n\nAuswirkungen auf die Insel\n\n41\n\nWesterland: Entwicklung eines Dorfes zum Weltbad.\n\n42\n\nFreitag:\n\n43\n\n10.00 12.15 Uhr Schutzstation Wattenmeer\n\n44\n\nNutzung und Gefahrdung des Wattenmeeres\n\n45\n\nund der Nordsee\n\n46\n\ninternationale Bedeutung des Wattenmeeres\n\n47\n\nSchutzkonzepte und Maßnahmen zum Erhalt\n\n48\n\ndieses Lebensraumes und deren kritische\n\n49\n\nEinschatzung\n\n50\n\n13.30 15.00 Uhr Abschlußdiskussion\n\n51\n\nProbleme des Naturschutzes in unserer Gesellschaft\n\n52\n\nErholungsbedurfnis contra Naturschutz\n\n53\n\nMoglichkeiten jeder/jedes Einzelnen zum Schutze\n\n54\n\nNatur beizutragen\n\n55\n\nSeminarauswertungen/Kritik\n\n56\n\nNach Auswertung des Programms lehnte der Kanzler mit Schreiben vom 14.10.1996\neine Freistellung des Klagers ab.\n\n57\n\nDer Klager hat daraufhin beim Arbeitsgericht den Erlass einer einstweiligen\nVerfugung beantragt. In der mundlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht\nhaben die Parteien am 12.11.1996 einen Prozessvergleich folgenden Inhalts\ngeschlossen:\n\n58\n\n1\\. Der Klager ist berechtigt, in der Zeit vom 18.11. 22.11.96 an der\nBildungs-\n\n59\n\nveranstaltung Sylt eine Insel in Not teilzunehmen.\n\n60\n\n2\\. Ob diese Arbeitsbefreiung als Weiterbildung nach dem Arbeitnehmer-\n\n61\n\nweiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen von der Beklagten unter\n\n62\n\nLohnfortzahlung zu tragen ist oder auf den Erholungsurlaub des Klagers\n\n63\n\nanzurechnen ist, soll vom rechtskraftigen Ausgang des Hauptsachever-\n\n64\n\nfahrens abhangig sein.\n\n65\n\nMit der am 06.12.1996 zur Hauptsache erhobenen Klage hat der Klager beantragt,\n\n66\n\nfestzustellen, dass die Beklagte den Klager in der Zeit vom\n\n67\n\n18\\. November bis 22. November 1196 von der Arbeit zum\n\n68\n\nZwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung nach\n\n69\n\ndem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz fur die Bildungs-\n\n70\n\nurlaubsveranstaltung Sylt eine Insel in Not freizustellen hat\n\n71\n\nund der vorbezeichnete Zeitraum nicht auf den tariflichen\n\n72\n\nJahresurlaub des Klagers anzurechnen ist.\n\n73\n\nDas beklagte Land hat beantragt,\n\n74\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n75\n\nDurch Urteil vom 08.04.1997 hat das Arbeitsgericht Wuppertal die Klage des\nKlagers abgewiesen. Die Berufung des Klagers ist durch Urteil des\nLandesarbeitsgerichts Dusseldorf vom 24.07.1997 13 Sa 775/97 zuruckgewiesen\nund die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen worden. Durch Urteil\nvom 17.11.1998 hat der 9. Senat des BAG 9 AZR 503/97 das Urteil des\nLandesarbeitsgerichts Dusseldorf vom 24.07.1997 aufgehoben und die Sache zur\nanderweitigen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des\nLandesarbeitsgerichts zuruckverwiesen. Dabei ist dem Landesarbeitsgericht\naufgegeben worden, in der erneuten Berufungsverhandlung die erforderlichen\nFeststellungen zum didaktischen Konzept sowie zur zeitlichen und sachlichen\nAusrichtung der einzelnen Lerneinheiten zu treffen und hiernach ausgehend von\ndem vom Senat gepragten Begriff zu beurteilen, ob die Veranstaltung der\npolitischen Weiterbildung gedient habe.\n\n76\n\nDas Forum fur P. und i. Begegnung e.V. ist dem Rechtsstreit auf Seiten des\nKlagers beigetreten. Nachdem der Klager dem Forum fur P. und i.Begegnung e.V.\nden Streit verkundet hatte, hat das beklagte Land den Antrag auf Zuruckweisung\ndes Streithelfers fallen gelassen.\n\n77\n\nMit Schriftsatz vom 13.08.1999 erlautert nunmehr der Streithelfer und\nStreitverkundete des naheren die inhaltliche Ausgestaltung und das didaktische\nKonzept der Bildungsveranstaltung. Auf den Inhalt dieses Schriftsatzes wird\nBezug genommen. Der Klager macht sich diese Ausfuhrungen zu Eigen.\n\n78\n\nDer Klager und der Streitverkundete beantragen,\n\n79\n\nunter Abanderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wuppertal vom\n\n80\n\n08.04.1997 8 (4) Ca 5400/96 festzustellen, dass die Beklagte\n\n81\n\nden Klager in der Zeit vom 18.November bis 22. November 1996\n\n82\n\nvon der Arbeit zum Zwecke der beruflichen und politischen\n\n83\n\nWeiterbildung nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz fur\n\n84\n\ndie Bildungsurlaubsveranstaltung Sylt eine Insel in Not\n\n85\n\nfreizustellen hat und der vorbezeichnete Zeitraum nicht auf den\n\n86\n\ntariflichen Jahresurlaub des Klagers anzurechnen ist.\n\n87\n\nDas beklagte Land beantragt,\n\n88\n\ndie Berufung des Klagers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts\n\n89\n\nWuppertal vom 08.04.1997 8 (4) Ca 5400/96 zuruckzuweisen.\n\n90\n\nDas beklagte Land halt an seiner bereits im ersten Rechtszug im Schriftsatz\nvom 24.02.1997 naher dargestellten Auffassung fest, wonach die vom Klager\nbesuchte Veranstaltung insgesamt gesehen nicht als politische\nWeiterbildungsmaßnahme angesehen werden konne.\n\n91\n\nWegen des weiteren Vorbringens der Parteien in beiden Rechtszugen wird auf den\nvorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsatze verwiesen.\n\n92\n\nE n t s c h e i d u n g s g r u n d e\n\n93\n\nI.\n\n94\n\nDie zulassige Berufung des Klagers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts\nWuppertal vom 08.04.1997 ist unbegrundet.\n\n95\n\n1\\. Soweit es um die Zulassigkeit der vom Klager erhobenen Feststellungsklage\n(§ 256 Abs. 1 ZPO) geht, wird auf die Ausfuhrungen des 9. Senats des BAG im\nUrteil vom 17.11.1998 unter I 1 verwiesen.\n\n96\n\n2\\. Nach den Feststellungen des 9. Senats des BAG (a. a. O.) steht daruber\nhinaus fest, dass lediglich noch abklarungsbedurftig war, ob die vom Klager\nbesuchte Veranstaltung entsprechend § 1 Abs. 2 AWG der politischen\nWeiterbildung gedient hat, wahrend die ubrigen anspruchsbegrundenden\nVoraussetzungen fur eine Freistellungs- und Entgeltfortzahlungspflicht nach §\n1 Abs. 1, § 7 Abs. 1 AWbG vorliegen.\n\n97\n\na) In Übereinstimmung mit den Ausfuhrungen des Streithelfers und\nStreitverkundeten kann davon ausgegangen werden, dass der vom Klager besuchten\nVeranstaltung ein ausreichendes didaktisches Konzept im Sinne der Spruchpraxis\ndes 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts (24.08.1993 9 AZR 240/90 NZA 1994, 456\n= EzA § 7 AWbG Nordrhein-Westfalen Nr. 16 = AP Nr. 9 zu § 1 BildungsurlaubsG\nNRW) zugrunde lag.\n\n98\n\nZweifelhaft ist jedoch in diesem Zusammenhang, ob die Revision gegen das\nUrteil des Landesarbeitsgerichts Dusseldorf vom 24.07.1997 nicht allein\ndeswegen hatte zuruckgewiesen werden mussen, weil der Klager zu einem\nentsprechenden didaktischen Konzept der Veranstaltung nichts vorgetragen\nhatte, obwohl vom beklagten Land unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 9.\nSenats des BAG sowohl von der didaktischen als auch von der sachlichen Seite\nher Bedenken geltend gemacht worden waren. Da der Arbeitgeber den Arbeitnehmer\nfur Maßnahmen der beruflichen und politischen Weiterbildung von der Arbeit\nfreizustellen hat, muss er auch beurteilen konnen, ob die\nanspruchsbegrundenden Voraussetzungen fur eine Freistellung des Arbeitsnehmers\nvorliegen. Die zum Teil in der Literatur (vgl. etwa Klevemann, BB 1989, 209\nff.; Schlomp-Roder, AuR 1988, 373 ff.) vertretene Auffassung, dass der\nArbeitnehmer vor Inanspruchnahme des Arbeitnehmerweiterbildungsurlaubs nicht\nverpflichtet ware, Veranstalter, Thema oder Ort der Bildungsveranstaltung zu\nnennen und dem Arbeitgeber nur eine nachtragliche Kontrolle der\nanspruchsbegrundenden Voraussetzungen gestattet sei, ist abzulehnen, weil ein\nderartiger Freistellungsanspruch durch die gesetzliche Regelung nicht mehr\ngedeckt ist. Diese Bewertung liegt wohl der Entscheidung des 9. Senats des BAG\nvom 09.05.1995 (- 9 AZR 185/94 - NZA 1996, 256 = AP Nr. 14 zu § 1\nBildungsurlaubsG NRW) zugrunde. Danach muss sich das fur die Beurteilung\nmaßgebende Konzept zunachst aus dem vom Veranstalter ausgegebenen Programm und\ndessen Erklarungen dazu, z. B. in einem Einladungsschreiben, ergeben. Lassen\ndiese Unterlagen nicht erkennen, dass das vom Veranstalter verfasste\ndidaktische Konzept auf eine Verbesserung und Forderung des Verstandnisses der\nArbeitnehmer fur gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhange auf\neinem oder mehreren politischen Gebieten gerichtet ist, so besteht kein\nAnspruch auf Freistellung nach § 1 AWbG.\n\n99\n\nEtwas anderes soll nur dann gelten, wenn der Arbeitnehmer darlegt und im\nStreitfall beweisen kann, dass die Veranstaltung nach einem vom Programm und\nseiner Erlauterungen abweichenden didaktischen Konzept durchgefuhrt ist, das\nden gesetzlichen Voraussetzungen genugt. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer\nTatsachen vortragen, aus denen sich die Änderung des bisherigen didaktischen\nKonzepts ergibt und die den Schluss zulassen, es liege nunmehr ein Konzept zur\nVermittlung von Kenntnissen zur politischen Weiterbildung vor. Es soll nicht\nausreichen, dass der Arbeitnehmer vortragt, in einzelnen Lerneinheiten seien\nKenntnisse auf dem einen oder anderen politischen Gebiet ermittelt worden.\n\n100\n\nAus dieser grundsatzlichen Bewertung ist zu entnehmen, dass der Arbeitgeber\nnicht nur vor der Weiterbildungsfreistellung des Arbeitnehmers ersehen muss,\nob es sich um eine anerkannte Bildungsveranstaltung handelt, sondern daruber\nhinaus auch aufgrund der Informationen des Arbeitnehmers eine Beurteilung\ndaruber anstellen kann, ob die Veranstaltung der beruflichen oder politischen\nWeiterbildung zu dienen bestimmt ist. Zumindest in der prozessualen\nAuseinandersetzung um die Freistellungsberechtigung ist es dann Sache des\nArbeitnehmers, das sachliche und didaktische Konzept der Lerninhalte naher zu\nkonkretisieren, wenn der Arbeitgeber dies wie im vorliegenden Fall bereits im\nersten Rechtszuge geschehen mit durchaus beachtlichen Argumenten in Abrede\nstellt. Die Revisionsentscheidung des 9. Senats des BAG vom 17.11.1998\n\n101\n\n\\- 9 AZR 503/97 - erweckt den Eindruck, dass es hierauf nicht ankame, zumal\nder 9. Senat des BAG davon ausgeht, dass vom Klager weder das didaktische\nKonzept noch die zeitliche und sachliche Ausrichtung der einzelnen\nLerneinheiten ausreichend vorgetragen worden sind (II 2 der Grunde).\n\n102\n\nb) Bereits aus dem mit der Klageschrift uberreichten Programm geht hervor,\ndass die zeitliche Dimension der vom Klager besuchten Veranstaltung insgesamt\ngesehen nicht ausreichen kann, um sie als politische Weiterbildungsmaßnahme im\nSinne von § 1 Abs. 2 AWbG qualifizieren zu konnen. Der 9. Senat des BAG hat\noffenbar in der Entscheidung vom 17.11.1998 9 AZR 503/97 die auf Blatt 7 und 8\nd. A. angegebene Seminarzeit fur ausreichend erachtet. Diese Bewertung konnte\ndie Berufungskammer nicht uberzeugen. Nur an zwei Tagen belief sich die\ngesamte Zeit der Veranstaltung auf 5,15 Stunden, wahrend an den weiteren drei\nTagen vier Stunden und 30 Minuten bzw. drei Stunden und 45 Minuten nicht\nuberschritten worden sind. In die uber funfstundigen Seminarteile entfielen\nzudem Exkursionen auf der Insel, die wahrend der Wanderungsphasen keine\nWissensvermittlung an die Gruppe zulassen. Abgesehen davon ist nicht mehr\nnachvollziehbar, ob und inwieweit die Vorbereitung der Fragestunde am Mittwoch\nund die Fragestunde selbst mit Naturschutzexperten, Politikern und\nTourismusexperten politische Bildung vermittelt.\n\n103\n\nDas AWbG in NW enthalt keine konkrete Vorgabe der taglich zu leistenden\nUnterrichtsstunden. Im Gegensatz dazu wird in Brandenburg, Bremen, Hamburg,\nHessen und Rheinland-Pfalz eine mindestens sechsstundige Unterrichtszeit\neingefordert. Auch fur das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz NW hat der 9.\nSenat des Bundesarbeitsgerichts (11.05.1993 9 AZR 289/89 NZA 1993, 990) eine\nBildungsveranstaltung dann noch als eine der Arbeitnehmerweiterbildung\nangesehen, wenn am letzten Tag nur noch 3 1/4 Zeitstunden unterrichtet wurde,\nan anderen Tagen aber sechs Zeitstunden und mehr zur Weiterbildung genutzt\nwurden. In diesem Zusammenhang hat der 9. Senat lediglich unbeanstandet\ngelassen, dass am letzten Tag, der mit der Abreise zusammenfiel, nur noch 3\n1/4 Zeitstunden Wissen vermittelt worden ist.\n\n104\n\nUnabhangig davon, dass der Gesetzgeber anders als in anderen Landesgesetzen in\nNordrhein-Westfalen keine Zeitvorgaben fur die Wissensvermittlung\nfestgeschrieben hat, verdeutlichen die Landesgesetze von Brandenburg, Bremen,\nHamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz, welcher zeitliche Umfang angemessen\nerscheint, damit eine Bildungsveranstaltung vom Geprage her der Weiterbildung,\nnicht aber anderen Zwecken zu dienen bestimmt ist. Nach diesen Maßstaben steht\nbei der vom Klager besuchten Veranstaltung nicht die politische Weiterbildung,\nvielmehr der Freizeitwert im Vordergrund.\n\n105\n\nII.\n\n106\n\nDa der Klager in der Sache unterlegen ist, fallen ihm die Kosten des\nBerufungs- und Revisionsverfahrens zur Last. Die Kosten der Nebenintervention\nhat der Streitverkundete zu tragen.\n\n107\n\nIII.\n\n108\n\nGegen diese Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist fur das beklagte Land\nkein Rechtsmittel gegeben. Wegen der grundsatzlichen Bedeutung der Sache hat\ndie Berufungskammer erneut die Revision an das Bundesarbeitsgericht\nzugelassen. Es bedarf vor allem einer notwendigen Klarstellung fur die\nbetriebliche Praxis, ob und welche Informationen dem Arbeitgeber vor seiner\nEntscheidung uber die Freistellung zu einer Bildungsveranstaltung vom\nArbeitnehmer zuteil werden mussen, um beurteilen zu\n\n109\n\nkonnen, ob uberhaupt ein Freistellungsanspruch besteht. Dies ist deshalb\nerforderlich, weil es kein Selbstbeurlaubungsrecht des Arbeitnehmers gibt.\nDaruber hinaus bedarf es der Klarstellung der Darlegungslast des Arbeitnehmers\nim Rahmen der prozessualen Auseinandersetzung, wenn der Arbeitgeber\nsubstantiiert bestreitet, dass Inhalt oder didaktisches Konzept einer\nbesuchten Weiterbildungsveranstaltung den anspruchsbegrundenden\nVoraussetzungen nicht genugt. Schließlich ist zu klaren, ob auf der Grundlage\ndes AWbG NW ein zeitliches Mindestmaß an taglichen Unterrichtsstunden nicht\nunterschritten werden darf bzw. die Gesamtunterrichtszeit ein bestimmtes Maß\nerreichen muss, um als Weiterbildungsmaßnahme anerkannt werden zu konnen.\n\n110\n\nIV.\n\n111\n\nRechtsmittelbelehrung\n\n112\n\nGegen dieses Urteil kann von dem Klager\n\n113\n\nREVISION\n\n114\n\neingelegt werden.\n\n115\n\nFur das beklagte Land ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.\n\n116\n\nDie Revision muss\n\n117\n\ninnerhalb einer Notfrist von einem Monat\n\n118\n\nnach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim\n\n119\n\nBundesarbeitsgericht,\n\n120\n\nGraf-Bernadotte-Platz 5,\n\n121\n\n34119 Kassel,\n\n122\n\neingelegt werden.\n\n123\n\nDie Revision ist gleichzeitig oder\n\n124\n\ninnerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung\n\n125\n\nschriftlich zu begrunden.\n\n126\n\nDie Revisionsschrift und die Revisionsbegrundung mussen von einem bei einem\ndeutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.\n\n127\n\nBoewer Dr. Heidorn Baumgarten\n\n
128,246
olgsl-2004-09-28-5-w-23604-5-w-236
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
5 W 236/04; 5 W 236/04 - 75
2004-09-28
2019-01-07 09:30:13
2019-02-12 14:05:11
Beschluss
## Tenor\n\nAuf den Antrag des Beschwerdefuhrers vom 1.9.2004 betreffend die Beschwerde\ngegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrucken vom 17.8.2004 - 5 T 349/02 -\nwird dem Beschwerdefuhrer Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zur\nDurchfuhrung des Beschwerdeverfahrens gewahrt.\n\nAuf die Beschwerde des Beschwerdefuhrers vom 1.9.2004 wird der Beschluss des\nLandgerichts Saarbrucken vom 17.8.2004 - 5 T 349/02 - aufgehoben. Das\nVerfahren wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Saarbrucken\nzuruckverwiesen.\n\n## Gründe\n\nI.\n\nDer Antragsteller und Beschwerdefuhrer (im folgenden: Beschwerdefuhrer)\nbeabsichtigt, ein Beschwerdeverfahren gegen die Anordnung seiner zwangsweisen\nUnterbringung zur Durchfuhrung einer zweiwochigen Untersuchung mit dem Zweck\nder Vorbereitung eines Gutachtens zu betreiben und beantragt zu seiner\nDurchfuhrung die Gewahrung von Prozesskostenhilfe.\n\nDer Beschwerdefuhrer steht seit dem 20.8.1998 wegen einer paranoiden\nschizophrenen Psychose unter Betreuung in den Aufgabenkreisen Sorge fur die\nGesundheit und Aufenthaltsbestimmung. Durch Beschluss vom 28.3.2002 (Bl.\n372ff.) hat das Amtsgericht Saarbrucken die Betreuung erweitert auf die\nAufgabenkreise Geltendmachung von Anspruchen auf Sozialhilfe und Vertretung in\ngerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsstreitigkeiten. Fur den\nletztgenannten Aufgabenkreis hat es außerdem einen Einwilligungsvorbehalt\nangeordnet. Das Amtsgericht fuhrt in dem Beschluss u.a. aus, dass der\nBeschwerdefuhrer in den letzten Jahren eine Vielzahl von Klagen vor dem\nVerwaltungsgericht des Saarlandes erhoben habe, wobei er hier u.a. einen\nEingriff in seine verfassungsmaßigen Rechte aufgrund einer staatlichen\nEinwirkung auf ihn mittels elektromagnetischer Strahlen gerugt habe. Grundlage\nfur den Beschluss des Amtsgerichts war ein Gutachten des Sachverstandigen Dr.\nH., Psychiatrische Klinik der Kliniken S., vom 27.6.2001. Zur Erstellung\ndieses Gutachtens hatte der Sachverstandige den Beschwerdefuhrer, nachdem\ndieser der Aufforderung zu einer Untersuchung in der S.-Klinik nicht gefolgt\nwar, zu Hause aufgesucht. Da der Beschwerdefuhrer den Sachverstandigen nicht\nin seine Wohnung lassen wollte, fand ein ca. 10minutiges Gesprach im Hausflur\nstatt, das schließlich von dem Beschwerdefuhrer abgebrochen wurde.\nAnschließend fuhrte der Sachverstandige ein langeres Gesprach mit der Mutter\nund dem Bruder des Beschwerdefuhrers. In dem im Anschluss hieran erstellten\nGutachten fuhrt der Sachverstandige aus, dass aufgrund der bei dem Betroffenen\nfestgestellten Krankheit dieser unfahig sei, die eigenen Angelegenheiten bei\ngerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsstreitigkeiten selbst sinnvoll zu\nbesorgen, da es ihm sein Zustand nicht erlaube, seine burgerlichen Rechte und\nPflichten adaquat zu beurteilen und wahrzunehmen. Dies fuhre dazu, dass der\nBeschwerdefuhrer auch in Zukunft selbstschadigende Äußerungen bei\ngerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsstreitigkeiten abgeben werde.\n\nGegen diesen Beschluss hat der Betroffene Beschwerde eingelegt.\n\nDas Landgericht Saarbrucken hat nach Anhorung des Sachverstandigen mit\nBeschluss vom 18.12.2003 (Bl. 751ff.) die Erstellung eines erneuten\nSachverstandigengutachtens durch den Sachverstandigen H. zur Klarung der\nFrage, ob der Beschwerdefuhrer auf Grund einer psychischen Krankheit oder\neiner korperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine\nAngelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen konne und wenn ja, welche\nBereiche dies betreffe, angeordnet. Gleichzeitig hat es dem Beschwerdefuhrer\nfur den Fall, dass er der Ladung des Sachverstandigen zur Untersuchung nicht\nFolge leiste, die Vorfuhrung durch die zustandige Betreuungsbehorde angedroht.\n\nDer Beschwerdefuhrer wurde sodann seitens des Sachverstandigen mehrfach zur\nUntersuchung geladen. Diesen Ladungen leistete er nicht Folge, wobei er zur\nBegrundung u.a. ein laufendes Befangenheitsverfahren gegen den\nSachverstandigen, Terminskollisionen und nicht einhaltbare Ladungszeiten\nangab.\n\nDarauf hin ordnete das Landgericht Saarbrucken mit Beschluss vom 22.3.2004\n(Bl. 790) die Vorfuhrung des Beschwerdefuhrers zur Vorbereitung der\nUntersuchung durch die Betreuungsbehorde an, welche am 21.4.2004 durchgefuhrt\nwurde. Mangels Mitwirkung des Beschwerdefuhrers bei der Untersuchung konnte\nein Gutachten durch den Sachverstandigen nicht erstellt werden.\n\nIn einer Stellungnahme vom 6.5.2004 (Bl. 814 ff.) fuhrt der Sachverstandige\naus, dass angesichts der fehlenden Mitarbeit des Beschwerdefuhrers eine\nstationare Begutachtung desselben wahrend einer Dauer von zwei bis sechs\nWochen unvermeidlich sei.\n\nDarauf hin hat das Landgericht den Beschwerdefuhrer personlich am 7.7.2004 zur\nFrage der Unterbringung angehort.\n\nNach Anhorung des Beschwerdefuhrers hat das Landgericht Saarbrucken mit\nBeschluss vom 17.8.2004 zur Vorbereitung der Erstellung eines\nSachverstandigengutachtens die zwangsweise Unterbringung des Beschwerdefuhrers\nfur die Dauer von zwei Wochen in der psychiatrischen Klinik S. in Saarbrucken\nund die Vorfuhrung zur Unterbringung und zur Untersuchung durch die\nBetreuungsbehorde angeordnet. Daruber hinaus hat es die Betreuungsbehorde\nermachtigt, zum Zwecke der Durchfuhrung der Vorfuhrung einfache korperliche\nGewalt anzuwenden und ihr gestattet, sich gewaltsam Zugang zur Wohnung des\nBetroffenen zu verschaffen. Dem Sachverstandigen ist aufgegeben worden, den\nVorfuhr- und Untersuchungstermin mit der Betreuungsbehorde abzustimmen.\n\nIn dem Beschluss fuhrt das Landgericht aus, dass die zwangsweise Unterbringung\nzur Vorbereitung des mit Beschluss vom 18.12.2003 angeordneten erneuten\nschriftlichen Sachverstandigengutachtens notwendig sei, da der\nBeschwerdefuhrer die Ladungen des Sachverstandigen zu Untersuchungsterminen am\n15.1.2004, 5.2.2004 und 19.2.2004 nicht befolgt habe. Bei der darauf hin mit\nBeschluss vom 22.3.2004 angeordneten und am 21.4.2004 durchgefuhrten\nVorfuhrung des Beschwerdefuhrers durch die Betreuungsbehorde habe der\nBeschwerdefuhrer gegenuber dem gerichtlich bestellten Sachverstandigen die\nMitwirkung an der Untersuchung verweigert. Der Sachverstandige habe mit\nSchreiben vom 19.7.2004 mitgeteilt, dass wegen der Verweigerung des\nBetroffenen kein psychopathologischer Befund habe erhoben werden konnen, da\ndie Verhaltensbeobachtung von einigen Stunden keine hinreichend sichere\nAussage zur Psychopathologie erlaube. Es ergabe sich daher die Notwendigkeit\neiner langeren Unterbringung zur Erstellung des Gutachtens, er gehe von einer\nUnterbringungsdauer von zwei bis drei Wochen aus. In diesem Zeitraum seien\ndurch Verhaltensbeobachtungen hinreichend sichere Aussagen zu erwarten. In der\nerneuten personlichen Anhorung durch die erkennende Kammer am 7.7.2004 habe\nder Beschwerdefuhrer auf die Frage, ob er bereit sei, sich von dem vom Gericht\nbestellten Sachverstandigen untersuchen zu lassen mit "nein" geantwortet.\nDaher, so das Landgericht, sei es zur Erstellung des fur die\nBeschwerdeentscheidung erforderlichen Sachverstandigengutachtens\nunausweichlich, den Beschwerdefuhrer fur die Dauer von vorerst zwei Wochen\nzwangsweise unterzubringen.\n\nDagegen wendet sich der Betroffene mit seinen Rechtsbehelfen.\n\nII.\n\nA.\n\nAuf den Antrag des Beschwerdefuhrers ist ihm Prozesskostenhilfe fur die\nDurchfuhrung des Beschwerdeverfahrens gegen den Beschluss vom 17.8.2004 zu\ngewahren, da die beabsichtigte Beschwerde Aussicht auf Erfolg hat (§§ 14 FGG,\n114ff. ZPO).\n\nB.\n\nDie Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 17.8.2004 ist nach §§\n69 g Abs. 5 Satz 1, 19, 20 FGG statthaft (1) und begrundet (2).\n\n1.\n\nVorbereitende Zwischenverfugungen, zu denen sowohl der Beschluss uber die\nBeweiserhebung als auch der angefochtene Beschluss vom 17.8.2004 uber die\nzwangsweise Unterbringung des Beschwerdefuhrers zur Vorbereitung des\nGutachtens gehoren, sind grundsatzlich - § 68 b Abs. 3 Satz 2 FGG regelt das\nfur den Fall der Anordnung einer Untersuchung ausdrucklich - einer gesonderten\nAnfechtung entzogen. Ausnahmsweise konnen sie jedoch gesondert mit der\nBeschwerde angefochten werden, wenn sie fur sich allein betrachtet in so\nerheblichem Maße in die Rechte eines Beteiligten eingreifen, dass ihre\nselbstandige Anfechtbarkeit unbedingt geboten ist (KG Berlin, MDR 2001, 335\nm.w.N.). Dazu zahlt die Anordnung der Unterbringung des Betroffenen, fur die §\n68 b Abs. 4 FFG - folgerichtig - keinen Ausschluss der Anfechtbarkeit vorsieht\nDie aufgrund des § 68 b Abs. 4 FGG getroffenen Entscheidungen - die Anordnung\neiner Begutachtung eines Betroffenen im Hinblick auf seinen Geisteszustand und\nUnterbringung zur Vorbereitung der Erstellung eines Gutachtens - stellen einen\nschwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen dar (vgl. KG, a.a.O.).\nSie greifen tief in seine private und personliche Sphare ein und beruhren\nseine Freiheit und Wurde.\n\nDies gilt auch, wenn das Landgericht die Zwischenentscheidung im Rahmen eines\nlaufenden Beschwerdeverfahrens getroffen hat. Nach § 69 g Abs. 5 Satz 1 FGG\ngelten fur das Beschwerdeverfahren die Vorschriften uber den ersten Rechtszug\nentsprechend, so dass die Entscheidungen des Beschwerdegerichts mit der\neinfachen Beschwerde nach § 19 FGG anfechtbar sind (vgl. hierzu auch\nKeidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 19, Rdn. 25; § 27, Rdn. 2, 3; KG,\na.a.O.). Es handelt sich in diesem Fall nicht um die Einlegung eines\nRechtsmittels gegen eine abschließende Entscheidung des Landgerichts als\nBeschwerdegericht mit der Folge, dass statthaftes Rechtsmittel die weitere\nBeschwerde nach § 27 FGG ware, sondern um eine Erstbeschwerde.\n\nDamit ist die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrucken vom\n17.8.2004 - ausnahmsweise - zulassig.\n\n2.\n\nSie ist auch begrundet.\n\na)\n\nDer Beschluss ist nicht verfahrensfehlerfrei ergangen. Das Landgericht hat\nzwar vor Erlass des Beschlusses sowohl den Betroffenen personlich (§ 68 b Abs.\n4 Satz 2 FGG) als auch den Sachverstandigen (§ 68 b Abs. 4 Satz 1 FGG) zuvor\nzur Frage der Erforderlichkeit und Dauer der Unterbringung angehort (vgl.\nhierzu BayObLG Munchen, BayObLGR 2002, 478). Dabei genugt zwar grundsatzlich\ndie schriftliche Anhorung des Sachverstandigen. Vorliegend hat der\nSachverstandige jedoch lediglich in einem Satz zur Notwendigkeit der\nUnterbringung Stellung genommen. Im Hinblick darauf, dass dieser sich indessen\nbereits in der Lage gesehen hatte, ein Gutachten nach einem lediglich\n10minutigem Gesprach an der Haustur zu erstellen, ist den Ausfuhrungen des\nSachverstandigen nicht zu entnehmen, wie er zu dem Schluss gelangt, trotz des\nnicht kooperativen Verhaltens des Beschwerdefuhrers aufgrund einer\nzweiwochigen Verhaltensbeobachtung Erkenntnisse insbesondere uber die Frage\nder Notwendigkeit einer Betreuung fur die Vertretung in gerichtlichen und\naußergerichtlichen Angelegenheiten sowie eines diesbezuglichen\nEinwilligungsvorbehalts treffen zu konnen. Angesichts des bereits durch\ndenselben Sachverstandigen zuvor erstellten Gutachtens, welches offensichtlich\nund rechtlich zutreffend auch dem Landgericht nicht als hinreichende Grundlage\nfur die Anordnung der Betreuung und des Einwilligungsvorbehalts ausreichend\nerscheint, ware es im Hinblick auf den anzuordnenden schwerwiegenden Eingriff\nin die Rechte des Beschwerdefuhrers erforderlich gewesen, ausfuhrlichere\nFeststellungen zur Erforderlichkeit und der Erkenntnismoglichkeiten der\nBeobachtung und des damit verbundenen Eingriffs darzulegen.\nFreiheitsentziehungen, die einem Sachverstandigen, der seine Einschatzung des\nGesundheitszustandes schon abschließend aus anderen Erkenntnisquellen gewonnen\nhat, erlauben sollen, dafur eine tragfahigere Begrundung zu liefern, begegnen\nvon Verfassungs wegen Bedenken. Bestehen umgekehrt beachtliche Zweifel daran,\nob die auf Grund anderer Erkenntnisgrundlagen - offenbar abschließende -\nEinschatzung eines Sachverstandigen auf einer hinreichenden Erforschung des\nSachverhalts beruht, ist eine Freiheitsentziehung, die diesem Sachverstandigen\nweitere Informationen verschaffen soll, ihrem Zweck nach verfassungsrechtlich\nbedenklich. Entweder hat der Sachverstandige vorschnell geurteilt - dann\nbedarf es im Lichte von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG einer vertieften Begrundung\ndafur, dass er nur auf Grund einer Freiheitsentziehung zu Lasten des\nBetroffenen zu einer neuen Bewertung gelangen kann - oder sein Vorgehen\nbegegnet im Ergebnis keinen Bedenken - dann bedarf es keines weiteren\nEingriffs in die Rechte des Betroffenen.\n\nb)\n\nDaruber ist aber eine Anordnung der zwangsweisen Unterbringung auch nur\nzulassig, wenn die Erstellung des Gutachtens auf diese Weise erforderlich ist.\n\nBei der Frage, ob uber die Anordnung der Vorfuhrung zur Untersuchung hinaus\ndie Unterbringung fur eine gewisse Dauer zur Vorbereitung des Gutachtens\nnotwendig ist, ist eine strenge Verhaltnismaßigkeitsprufung vorzunehmen. Die\nMaßnahme muss zum angestrebten Ziel - Erstellung eines Gutachtens zur\nÜberprufung der Beschwerde des Beschwerdefuhrers gegen die angeordneten\nBetreuung und den Einwilligungsvorbehalt bei der Vertretung in gerichtlichen\nund außergerichtlichen Angelegenheiten - verhaltnismaßig sein.\n\nVoraussetzung fur die Bestellung eines Betreuers ist nach § 1896 Abs. 1 BGB,\ndass der Betroffene auf Grund einer korperlichen, geistigen oder seelischen\nBehinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann.\nDabei muss die Erkrankung einen solchen Grad erreichen, dass die Fahigkeit des\nBetroffenen zur Wahrnehmung seines Selbstbestimmungsrechts ausgeschlossen oder\nso erheblich beeintrachtigt ist, dass er fur die Aufgabenkreise der\neinzurichtenden Betreuung zu eigenverantwortlichen Entscheidungen nicht in der\nLage ist (OLG Hamm, FamRZ 1995, 433). Da nach dem\nBetreuungsrechtsanderungsgesetz sich der Betreuungsbedarf auf die\nRechtsfursorge beschrankt, ist genau darzulegen, in welchem Bereich ein\nBetreuungsbedarf dafur besteht, die rechtlich relevanten Angelegenheiten des\nBetroffenen zu regeln. Insoweit handelt es sich bei dem im Beschwerdeverfahren\nangegriffenen Bereich - Vertretung in gerichtlichen und außergerichtlichen\nAngelegenheiten - um einen umfassenden Bereich, ohne dass der Entscheidung des\nAmtsgerichts oder den Entscheidungen des Landgerichts bislang die\nentsprechende Notwendigkeit fur die Betreuung zu entnehmen ist. Denn bei der\nEinrichtung einer Betreuung ist entscheidend darauf abzustellen, dass sich der\nBetroffene in dem jeweiligen Lebensbereich in einer fur ihn grob schadlichen,\nmit Vernunftgrunden nicht erklarbaren Weise verhalt (vgl. MuKo/Schwab, BGB, 4.\nAufl., § 1896, Rdn. 20). Insbesondere ist festzustellen, welche Defizite sich\nfur den Betroffenen aus seiner Krankheit fur die Besorgung seiner\nAngelegenheiten ergaben, wenn die Betreuung in dem betreffenden Bereich\nunterbliebe (Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1896, Rdn. 8). Allein aus\nder Stellung unsinniger oder wenig erfolgversprechender Antrage vor dem\nVerwaltungsgericht ergibt sich - soweit das Vermogen des Beschwerdefuhrers\nhierdurch nicht geschmalert wurde oder wird, wobei auch gestellte Antrage auf\nGewahrung von Prozesskostenhilfe zu berucksichtigen sind - nicht zwangslaufig\ndie Notwendigkeit fur die Bestellung eines Betreuers -, diese Notwendigkeit\nmusste unter Beachtung des Erforderlichkeitsgrundsatzes ausdrucklich\nfestgestellt werden. Inwieweit die moglicherweise vorhandene Krankheit\nAuswirkungen auf zivilrechtliche Prozesse hat, ist bislang ebenfalls nicht\nhinreichend festgestellt, wobei hier auch die Moglichkeit des § 57 ZPO zu\nbeachten ist (vgl. MuKo, a.a.O., § 1896, Rdn. 22). Soweit das Amtsgericht in\ndem angegriffenen Beschluss auf das Gutachten H. Bezug nimmt, ist nicht\nerkennbar, wie der Gutachter zu dem Schluss gelangt, dass der Beschwerdefuhrer\nin Zukunft selbstschadigende Äußerungen bei gerichtlichen und\naußergerichtlichen Rechtsstreitigen abgeben wird, genaue Ausfuhrungen fehlen\nhierzu.\n\nDavon abgesehen ist gleichfalls zu klaren, ob es der Beobachtung des\nBetroffenen wahrend der Dauer einer Unterbringung insoweit bedarf. Es leuchtet\njedenfalls nicht auf Anhieb ein, dass ein wissenschaftlich unkooperativer\nBetroffener, dessen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts veranlassendes\nVerhalten sich letztlich aus Akten ergibt, durch nonverbales Verhalten wahrend\neiner Unterbringung aufschlussreichere Erkenntnisse seinen Geisteszustand\nbetreffend liefern sollte als sie sich durch Letztere seiner Eingaben oder\ndurch seine - psychiatrisch beobachtete - Anhorung durch ein Gericht ergeben\nkonnen. Anderes bedurfte jedenfalls eingehender fachlich untermauerter\nBegrundung durch einen oder den Sachverstandigen.\n\nBei der Frage der Zulassigkeit eines Einwilligungsvorbehalts nach § 1903 Abs.\n1 BGB ist zu beachten, dass die Anordnung desselben zur Abwendung einer\nerheblichen Gefahr fur die Person oder das Vermogen des Betreuten erforderlich\nist. Eine solche ist bereits dem Beschluss des Amtsgerichts nicht zu\nentnehmen. Nicht ausreichend ist insoweit, dass sich aus dem Inhalt der Akten\nund den bisher angestellten Ermittlungen Anhaltspunkte dafur ergeben, dass der\nBeschwerdefuhrer an einer psychischen Krankheit leidet. Daruber hinaus muss\naufgrund des bisherigen Verhaltens eine Selbstschadigung des Beschwerdefuhrers\nan personlichen oder wirtschaftlichen Gutern drohen, die durch den\nEinwilligungsvorbehalt abgewendet werden konnen, wobei die Gefahr\ngeringfugiger Vermogensschaden nicht ausreichend ist (vgl. hierzu MuKo/Schwab,\na.a.O., § 1903, Rdn. 9f.).\n\nNach alledem ist das Verfahren an das Landgericht Saarbrucken zu weiteren\nFeststellungen zuruckzuverweisen (vgl. hierzu Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., §\n12, Rdn. 37).\n\n
132,269
olgkarl-2003-02-10-16-uf-17002
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
16 UF 170/02
2003-02-10
2019-01-07 10:14:15
2019-02-12 13:09:50
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 17.07.2002\n- Az.: 33 F 116/01 - wird in Ziffer 2 aufgehoben. Ein Versorgungsausgleich\nfindet nicht statt.\n\n2\\. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.\n\n3\\. Beschwerdewert: 9.567 EUR\n\n4\\. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Die Ehe der Parteien ist mit seit 17.12.2002 rechtskraftigem Urteil des\nAmtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 17.07.2002 geschieden. \n--- \n| 2 \n--- \n| In Ziffer 2 des Tenors hatte das Amtsgericht ausgesprochen, dass auf dem\nVersicherungskonto Nr. ... des Antragsgegners bei der\nLandesversicherungsanstalt Baden-Wurttemberg Rentenanwartschaften der\ngesetzlichen Rentenversicherung in Hohe von EUR 797,25 monatlich - bezogen auf\nden 30.04.2001 - begrundet werden und zwar zu Lasten der Beamtenversorgung der\nAntragstellerin beim Landesamt fur Besoldung und Versorgung Baden-Wurttemberg,\nPers.-Nr. ... . Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften war dabei in\nEntgeltpunkte umzurechnen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Gegen das der Antragstellerin am 30.07.2002 zugestellte Urteil ... hat sie\nam 28.08.2002 wegen des auf den Versorgungsausgleich entfallenden Teils der\nEntscheidung Beschwerde eingelegt .... \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Antragsgegner ist am 22.12.2002 verstorben. \n--- \n| 5 \n--- \n| Nachdem die Antragstellerin zunachst beantragt hatte, den\nVersorgungsausgleich auszuschließen und hilfsweise, ihn herabzusetzen (...),\nstellt sie nunmehr den Antrag, festzustellen, dass der Versorgungsausgleich\nnicht mehr durchgefuhrt wird. \n--- \n| 6 \n--- \n| II. Die befristete Beschwerde ist gem. §§ 621 Abs. 1 Nr. 6, 621 e Abs. 1,\n621 e Abs. 3 S. 1 und S. 2, 517 ZPO zulassig und begrundet und fuhrt zu der\naus dem Tenor ersichtlichen Änderung der angefochtenen Entscheidung. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Zwar scheitert eine Anwendung des § 619 ZPO daran, dass der Antragsgegner\nnach Rechtskraft des Scheidungsausspruches und nicht davor verstorben ist\n(vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1996, 880; BGH, FamRZ 1983, 683). Dennoch findet\nein Versorgungsausgleich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr statt. Gemaß § 1587\ne Abs. 2 BGB erlischt mit dem Tode des Berechtigten der Ausgleichsanspruch. \n--- \n| 8 \n--- \n| Betroffen sind bei § 1587 e Abs. 2 BGB die Falle, in denen der Berechtigte\nnach Rechtskraft der Scheidung jedoch vor Eintritt der Rechtskraft der\nEntscheidung uber den Versorgungsausgleich verstirbt. Letzteres ist der Fall,\nda der Ausspruch uber den Versorgungsausgleich von der Antragstellerin wirksam\nangefochten worden ist. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Rechtsfolge des § 1587 e Abs. 2 BGB kann, so lange die Rechtskraft der\nEntscheidung nicht eintreten kann, nicht durch einen Feststellungsbescheid der\nbeteiligten Versorgungstrager festgestellt werden, da ein Bescheid nach § 4\nVAHRG eine rechtskraftige gerichtliche Entscheidung voraussetzt, die hier\ngerade nicht vorliegt. Die Rechtsfolge kann aber durch Beschluss ausgesprochen\nwerden (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1990, 296). \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| In der Sache steht das Erloschen des Ausgleichsanspruchs mit dem Ableben\ndes Anspruchsberechtigten einer Erledigung der Hauptsache gleich. Ein\nVersorgungsausgleich ist nicht mehr durchzufuhren. Zur Klarstellung war Ziffer\n2 des amtsgerichtlichen Urteils daher aufzuheben. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 93 a Abs. 1 ZPO. Die\nFestsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 17 a Nr. 1 GKG. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine\ngrundsatzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung\neiner einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts\nnicht erfordert (§§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2, 544 ZPO). \n---\n\n
132,329
vghbw-2004-01-16-4-s-260403
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 S 2604/03
2004-01-16
2019-01-07 10:14:49
2019-01-17 11:52:12
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts\nFreiburg vom 29. Oktober 2003 - 9 K 1818/03 - wird zuruckgewiesen.\n\nDer Antragsteller tragt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\nDer Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beschwerde des Antragsteller hat keinen Erfolg. Dabei geht der Senat\nzugunsten des Antragstellers davon aus, dass die statthafte Beschwerde, die\nrechtzeitig innerhalb der Frist des § 147 Abs. 1 VwGO beim Verwaltungsgericht\neingelegt und innerhalb der - nicht verlangerbaren - Frist des § 146 Abs. 4\nSatz 1 VwGO begrundet worden ist, sich unter Darlegung der Beschwerdegrunde\nentsprechend des Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO noch hinreichend\nmit der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auseinander setzt\nund deshalb zulassig ist. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des\nAntragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung jedoch zu Recht als\nunbegrundet abgelehnt. Die Prufung der mit der Beschwerde dargelegten Grunde\nergibt keine andere Beurteilung (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Der Senat weist\ndie Beschwerde aus den Grunden des angefochtenen Beschluss als unbegrundet\nzuruck (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen\nist erganzend auszufuhren: \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m.\n§ 920 Abs. 2 ZPO) fur eine einstweilige Anordnung zur vorlaufigen\nRuckgangigmachung der ihm gegenuber erfolgten Umsetzung vom\nRechnungsprufungsamt zum Ordnungsamt des Antragsgegners nicht glaubhaft\ngemacht, weil ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache nicht absehbar\nist und dem Antragsteller , der bei einem Erfolg im Hauptsacheverfahren eine\nRuckumsetzung erreichen konnte, in der Zwischenzeit weder unwiederbringliche\nRechtsverluste noch sonst unzumutbare Nachteile entstehen (vgl. zu diesem\nMaßstab etwa Senatsbeschluss vom 07.03.1996 - 4 S 2546/95 -, IÖD 1996, 194).\nDem Antragsteller kann zugemutet werden, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens\nabzuwarten. Denn bei der in diesem Verfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes\nallein moglichen und gebotenen summarischen Prufung der Sach- und Rechtslage\nlasst sich nach Maßgabe der dargelegten Beschwerdegrunde, die allein\nGegenstand der Prufung des Senats sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), weder\nfeststellen, dass die Entbindung des Antragstellers von seinen bisherigen\nDienstaufgaben als Prufer des Rechnungsprufungsamtes und die nunmehr erfolgte\nZuweisung zum Ordnungsamt des Antragsgegners offensichtlich rechtswidrig,\ninsbesondere willkurlich waren, noch dass sein Anspruch auf einen amtsgemaßen\nAufgabenbereich derzeit offensichtlich nicht erfullt ist. Vielmehr durfte der\nAntragsgegner bei der angegriffenen Änderung des Aufgabenbereichs des\nAntragstellers das ihm dabei eingeraumte weite Ermessen nicht verletzt haben,\ninsbesondere die von ihm angefuhrten Grunde nicht lediglich vorgeschoben und\ndeshalb nicht willkurlich gehandelt haben. Die aufgetretenen dienstlichen\nKonflikte zwischen dem Antragsteller und seinen Vorgesetzten im\nRechnungsprufungsamt bedurften entgegen dem Beschwerdevorbringen des\nAntragstellers keiner Losung unter Beibehaltung des bisherigen\nAufgabenbereichs, sondern konnten sachgerecht durch die Umsetzung des\nAntragstellers behoben werden. Dabei ist es entgegen dem Beschwerdevorbringen\nim Interesse eines funktionierenden Dienstbetriebs auch unter dem Blickwinkel\nder Fursorgepflicht des Dienstherrn unerheblich, wer die dienstlichen\nSpannungen im Einzelnen verursacht oder verschuldet hat (standige\nRechtsprechung, vgl. etwa den Beschluss des Senats vom 12.05.1999 - 4 S 660/9\n-, ZBR 2000, 358 = IÖD 1999, 270). Entgegen dem Beschwerdevorbringen des\nAntragstellers durfte die angegriffene Maßnahme ferner nicht dessen Recht auf\nBeibehaltung eines amtsangemessenen Aufgabenbereichs verletzen. Denn die neue\nTatigkeit im Ordnungsamt des Antragsgegners unterscheidet sich weder im\nstatusrechtlichen noch im abstrakt-funktionellen Sinn von dem bisher im\nRechnungsprufungsamt innegehabten, ebenfalls weisungsabhangigen Amt eines nach\nBesoldungsgruppe A 11 besoldeten Kreisamtmanns. Dafur spricht nach der bisher\nunwiderlegten Angabe des Antragsgegners (vgl. AS. 17 der VG-Akte im Verfahren\n9 K 1818/03) auch, dass die dem Antragsteller jetzt zugewiesene Aufgabe der\n"Standesamtsaufsicht" jedenfalls in gewisser Weise ein seiner bisherigen\nTatigkeit vergleichbares Anforderungsprofil haben durfte. Insoweit ist von\nBedeutung, dass die rechtliche Bewertung von Dienstposten, d.h. ihre Zuordnung\nzu statusrechtlichen Ämtern einer bestimmten Besoldungsgruppe, im Rahmen der\ngesetzlichen Vorgaben des Besoldungs- und des Haushaltsrechts durch den\nDienstherrn aufgrund der ihm zustehenden organisatorischen Gestaltungsfreiheit\nerfolgt. Der Beamte hat deshalb grundsatzlich - und mangels gegenteiliger\nAnhaltspunkte auch hier - weder aufgrund der Fursorgepflicht noch aufgrund des\nGleichheitssatzes Anspruch auf eine bestimmte Bewertung des ihm von seinem\nDienstherrn ubertragenen Dienstpostens. Dementsprechend entscheidet der\nDienstherr gemaß dem allgemeinen Grundsatz der sachgerechten Bewertung (§ 18\nSatz 1 BBesG) mit der Ausbringung von Planstellen uber die Anforderungen an\ndie Erfullung auf dem betreffenden Dienstposten wahrzunehmenden offentlichen\nAufgaben. Diese Bewertung erfolgt, soweit sie sich nicht als Missbrauch der\ndabei bestehenden organisatorischen Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn\nerweist, allein im offentlichen Interesse und nicht in Wahrnehmung der dem\nbetroffenen Beamten gegenuber zu beachtenden Fursorgepflicht (standige\nRechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28.11.1991, Buchholz 237.7 § 28\nNWLBG Nr. 9 = NVwZ 1992, 573 = ZBR 1992, 176). Das Beschwerdevorbringen des\nAntragstellers enthalt keine Anhaltspunkte, denen zufolge die Bewertung der\nneuen Funktion des Antragstellers als gleichwertig im Vergleich zu der bisher\nvon ihm ausgeubten Tatigkeit nur vorgeschoben und damit missbrauchlich sein\nkonnte. \n--- \n| 3 \n--- \n| Auch die sonstigen vom Antragsteller dargelegten Beschwerdegrunde\nveranlassen keine andere Entscheidung. Insbesondere bedarf es, wie das\nVerwaltungsgericht zutreffend ausgefuhrt hat, keiner Entscheidung des\nKreistags nach § 48 LKrO i.V.m. § 109 Abs. 4 GemO, da der Antragsteller vor\nseiner Umsetzung weder Leiter des Rechnungsprufungsamts noch ein gemaß § 48\nLKrO i.V.m. § 109 Abs. 1 Satz 3 GemO als freiwillige Einrichtung des\nLandkreises anstelle eines eigenen Rechnungsprufungsamts bestellter\neigenstandiger Rechnungsprufer mit der dem Leiter eines Rechnungsprufungsamts\nvergleichbaren unabhangigen Stellung gewesen ist (vgl. Kunze/Bronner/Katz,\nGemeindeordnung fur Bad.-Wurtt. , § 109 RdNrn. 3,16,17,19,20,27). Vielmehr hat\nder Antragsgegner ein eigenes Rechnungsprufungsamt als besonderes Amt\nerrichtet, so dass allein die Entziehung der Leitung dieses Amtes eines\nBeschlusses des Kreistags bedarf (vgl. Trumpp/Pokrop, Landkreisordnung fur\nBad.-Wurtt., 3.Aufl., 1999, § 48 RdNr. 18). Abgesehen davon erscheint es mit\nBlick auf die durch § 48 LKrO gebotene entsprechende Anwendung des § 109 Abs.\n1 Satz 1 GemO schwerlich denkbar, dass der Antragsgegner als Landkreis -\nanders als ein Stadtkreis und eine Große Kreisstadt - berechtigt sein konnte,\nauf die Einrichtung bzw. Inanspruchnahme eines - eigenen oder anderen -\nRechnungsprufungsamts zu verzichten und stattdessen lediglich einen\nRechnungsprufer zu bestellen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Festsetzung des Streitwerts fur das Beschwerdeverfahren beruht auf §§\n14, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG. Dabei halt der Senat in standiger Praxis die\nHalfte des nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG zu bestimmenden Hauptsachestreitwerts\nfur angemessen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar ( § 152 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n
132,827
vg-karlsruhe-2008-02-06-2-k-119007
158
Verwaltungsgericht Karlsruhe
vg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 K 1190/07
2008-02-06
2019-01-07 10:19:09
2019-01-17 11:52:44
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Der Antrag wird abgelehnt.\n\n2\\. Die Antragstellerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n3\\. Der Streitwert wird auf EUR 7.500 festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Antragstellerin ist eine juristische Person nach tschechischem Recht.\nSie ist Inhaberin einer von der Stadt ... ausgestellten „Registration zum\nBetreiben einer Fahrschule". Unter Hinweis auf diese „Registration" nahm die\nAntragstellerin im Mai 2006 den Betrieb einer Fahrschule in ... auf. Mit\nBescheid vom 27.02.2007 untersagte der Antragsgegner den Fahrschulbetrieb und\nordnete die sofortige Vollziehung an. Die Antragstellerin beantragt, \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 08.03.2007 gegen den\nBescheid des Antragsgegners vom 27.02.2007 wiederherzustellen. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 3 \n--- \n| Der zulassige Antrag ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid vom 27.02.2007 ist\nformell rechtmaßig. Insbesondere ist das besondere Interesse an der sofortigen\nVollziehung entsprechend § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ordnungsgemaß begrundet\nworden. Der Antragsgegner hat am betroffenen Einzelfall orientierte Grunde fur\nden Sofortvollzug angegeben. Ob diese Grunde in der Sache zutreffend sind, ist\nfur die formelle Rechtmaßigkeit der Vollziehungsanordnung unerheblich. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die im Rahmen der Prufung der Erfolgsaussichten eines Antrags nach § 80\nAbs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO vorzunehmende Interessenabwagung fallt vorliegend\nzugunsten des Antragsgegners aus. Das offentliche Interesse an der sofortigen\nVollziehung des Bescheids vom 27.02.2007 uberwiegt das Interesse der\nAntragstellerin, vorlaufig von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben. Der\nWiderspruch gegen den Bescheid wird aller Voraussicht nach zuruckzuweisen sein\n(1.). Daruber hinaus besteht nach Auffassung der Kammer auch ein besonderes\noffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung (2.). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| 1\\. Die auf § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO gestutzte Untersagung des\nFahrschulbetriebs in ... ist aller Voraussicht nach rechtmaßig. Nach dieser\nBestimmung kann, wenn ein Gewerbe, zu dessen Ausubung eine Erlaubnis,\nGenehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, ohne\ndiese Zulassung betrieben wird, die Fortsetzung des Betriebes verhindert\nwerden. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Aufgrund dieser Bestimmung darf der Betrieb einer Fahrschule untersagt\nwerden. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg hat insoweit in seinem\nBeschluss vom 21.10.2003 (9 S 2037/03) ausgefuhrt: „Das Fahrlehrergesetz vom\n25. August 1969 (BGBl. I S. 1336, zuletzt geandert durch Gesetz vom\n15.12.2001, BGBl. I S. 3762) enthalt, anders als die Gewerbeordnung (dort § 15\nAbs. 2 GewO), keine Regelungen uber die Schließung von Betriebsstatten oder\nvon Unterrichtsraumen. Es begnugt sich mit Regelungen uber die Rucknahme und\nden Widerruf der Fahrschulerlaubnis und des Widerrufs der\nZweigstellenerlaubnis (§ 21 FahrlG), sowie dem Ruhen und Erloschen der\nFahrschulerlaubnis (§ 20 FahrlG). Dies schließt indes einen Ruckgriff auf\nRegelungen, die allgemein fur gewerbliche Betatigungen gelten, nicht aus (vgl.\nVGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 1.12.1992 - 14 S 2038/91 - DÖV 1993, 203). Das\nGewerberecht enthalt in § 15 GewO den allgemeinen gewerberechtlichen\nGrundsatz, dass die zustandige Behorde die Befugnis hat, ein Gewerbe zu dessen\nAusubung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung erforderlich\nist, zu verhindern, wenn es ohne diese Zulassung betrieben wird (vgl. auch OVG\nThuringen, Beschluss vom 06.06.2002 - 2 EO 80/01- DÖV 2003, 87). Demgemaß (§\n15 Abs. 2 Satz 1 GewO) kann die zustandige Behorde jemandem, der ohne die\nerforderliche Fahrschulerlaubnis (§ 10 Abs. 1 FahrlG) eine Fahrschule\nbetreibt, den Betrieb untersagen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.11.1982 - 5 B\n62/82 - DÖV 1983, 735)." \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die tatbestandlichen Voraussetzung dieser Bestimmung, der Betrieb eines\nGewerbes ohne die hierfur erforderliche Erlaubnis, durfte erfullt sein. Die\nAntragstellerin hat zwar eine tschechische „Registration zum Betreiben einer\nFahrschule" vorgelegt, doch durfte diese ihre Tatigkeit in ... nicht abdecken. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Diese „Registration zum Betreiben einer Fahrschule" durfte schon in der\ntschechischen Republik raumlich begrenzt sein. Auf jeden Fall aber durfte sie\nnicht den Betrieb einer Zweigstelle in ... rechtfertigen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Nach der vorliegenden beglaubigten Übersetzung ist die Antragstellerin\nInhaberin einer „Registration zum Betreiben _einer_ Fahrschule" (Hervorhebung\ndurch das Gericht). Es ist an keiner Stelle die Rede davon, dass die\nAntragstellerin Inhaberin einer Registration zum Betreiben allgemein von\nFahrschulen ist. Im Gegenteil: Die „Registration" wurde fur eine bestimmte\nBetriebsstelle, namlich unter der Anschrift der Antragstellerin in ...\nerteilt. Weiterhin heißt es dort: „Die Registration zum Betreiben _der_\nFahrschule wurde fur den Betreiber der Fahrschule als Dauereinwilligung (…)\nausgegeben." (Hervorhebungen wiederum durch das Gericht). Unter den „weiteren\nBedingungen zum Betreiben der Fahrschule" wird unter der Rubrik\n„Fahrubungsplatz oder Übungsflache" auf einen umzaunten Bereich eines\nParkplatzes in ..., unter der Rubrik „Lehrfahrzeug" auf eine nicht vorgelegte\nAnlage und unter der Rubrik „Unterrichts- und Fahrlehrer" gleichfalls auf eine\nnicht vorgelegte Anlage verwiesen. Alle diese Bedingungen waren uberflussig,\nwenn es sich um eine allgemeine Genehmigung zum Betreiben von Fahrschulen\nhandeln wurde. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Fur die Auffassung, dass die „Registration" keinesfalls die von der\nAntragstellerin ihr beigemessene Reichweite hat, spricht auch die von dem\nAntragsgegner eingeholte Auskunft, dass eine tschechische Fahrschulerlaubnis\nnur Geltung innerhalb einer von insgesamt 205 Erlaubnisregionen habe und nur\ndie Fuhrung von maximal funf Zweigstellen erlaube. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Auch wenn die „Registration zum Betreiben einer Fahrschule" die ihr von der\nAntragstellerin behauptete Reichweite hatte, wurde diese dennoch nicht zum\nBetrieb einer Fahrschule in ... ermachtigen. Art. 43 EG i.V.m. Art. 48 EG, auf\ndie sich die Antragstellerin beruft, durften dem Erfordernis, eine\nGenehmigung, sei es - wofur angesichts des offensichtlichen Bestehens einer\ntschechischen Fahrschulerlaubnis einiges spricht - nur in Form einer\nZweigstellenerlaubnis, sei es in Form einer Fahrschulerlaubnis, hierfur\neinholen zu mussen, nicht entgegenstehen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs umfasst die\nNiederlassungsfreiheit auch die Moglichkeit, unter Beachtung der\nBerufsregelungen im Gebiet der Gemeinschaft mehr als eine Statte fur die\nAusubung einer Tatigkeit einzurichten und beizubehalten (Beschl. v. 02.12.2005\n- C-11/705 -, „Seidl", Rn. 12). \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Ausgehend hiervon ist es schon fraglich, ob uberhaupt von einer\nBeschrankung der Niederlassungserlaubnis die Rede sein kann. Denn nach dieser\nRechtsprechung sind bei Ausubung der Niederlassungsfreiheit die\n„Berufsregelungen" zu beachten. Nach den deutschen Regelungen setzt aber der\nBetrieb einer Fahrschule eine Fahrschulerlaubnis (§§ 10 ff. FahrlG) und der\nBetrieb einer Zweigstelle eine Zweigstellenerlaubnis (§ 14 FahrlG) voraus.\nDies gilt unabhangig von der Staatsangehorigkeit des Antragstellers bzw. der\nHerkunft einer juristischen Person. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Doch selbst wenn eine Beschrankung vorliegen wurde, ware diese nach\nAuffassung des Gerichts gerechtfertigt. Denn mit dem Erfordernis einer\nFahrschulerlaubnis bzw. einer Zweigstellenerlaubnis wird ein berechtigter\nZweck verfolgt, der mit dem Vertrag vereinbar und aus zwingenden Grunden des\nAllgemeininteresses gerechtfertigt ist, und nicht uber das hinausgeht, was zur\nVerwirklichung dieses Zweckes erforderlich ist (vgl. zu diesen Anforderungen\nEuGH, Beschl. v. 02.12.2005 - C-11/705 -, „Seidl", Rn. 14). Zunachst ist\nfestzuhalten, dass die Erlaubnisse jeweils aufgrund einer rechtlich gebundenen\nEntscheidung ergehen („wird erteilt", siehe § 11 Abs. 1, 2, § 14 Abs. 2\nFahrlG). Die zustandigen Behorden haben also bei der Erteilung der Erlaubnis\nkeinerlei Ermessensspielraum; Erwagungen wie der Schutz bestehender\nFahrschulen vor Konkurrenz durfen deshalb bei der behordlichen\nEntscheidungsfindung keine Rolle spielen. Die jeweiligen Anforderungen sind\nweiterhin unerlasslich fur einen geordneten Fahrschulbetrieb, insbesondere\neinen qualitativ hochwertigen, den zunehmenden Anforderungen im Straßenverkehr\ngerecht werdenden theoretischen und praktischen Unterricht. Es ist\ninsbesondere eine Selbstverstandlichkeit, dass geeignete Unterrichtsraume,\nLernmittel und Lehrfahrzeuge zur Verfugung stehen mussen (§ 11 Abs. 1 Nr. 6, §\n14 Abs. 2 FahrlG). Es versteht sich weiterhin von selbst, dass der Inhaber\neiner Fahrschule bzw. der Leiter des Ausbildungsbetriebs etwa zuverlassig sein\nund die Fahrlehrererlaubnis besitzen muss. Hiervon geht ersichtlich auch die\nAntragstellerin aus. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Durch das Erfordernis einer vorherigen Erlaubnis (sog. praventives Verbot\nmit Erlaubnisvorbehalt, vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl.,\n§ 9 Rn. 51 ff.) wird die Überwachung eines geordneten Fahrschulbetriebs durch\ndie zustandigen Behorden ermoglicht. Das Durchlaufen dieses Verfahrens ist\nauch dem Niederlassungswilligen zumutbar. Randelzhofer/Forsthoff (in:\nGrabitz/Hilf, Das Recht der EU, Band II, Art. 43 EGV Rn. 95) fuhren insofern\nzu Recht aus: „Eine Niederlassung ist auf die dauerhafte Integration in eine\nVolkswirtschaft gerichtet. Anders als bei der nur temporaren Erbringung von\nDienstleistungen, die fur die Erfullung solcher Erfordernisse ungleich\nschwerer wiegt, gewinnen die staatlichen Interessen an einer homogenen Geltung\ninsbesondere des Wirtschaftsaufsichtsrechts an Bedeutung. Die Erfullung jener\nVorschriften, die im Wesentlichen bloß einen gewissen Verwaltungsaufwand\nverursacht, kann dem Niederlassungswilligen als die von ihm zu erbringende\nIntegrationslast zugemutet werden." \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Auch der Beschluss des Europaischen Gerichtshofs vom 2.12.2005, auf den die\nAntragstellerin besonders hinweist, spricht nicht gegen die hier vertretene\nAuffassung. Der Leitsatz dieses Beschlusses lautet: „Art. 43 EG ist dahin\nauszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht,\nnach denen es untersagt ist, Personen, die bereits eine Bewilligung fur eine\nFahrschule besitzen, eine weitere derartige Bewilligung zu erteilen." Diese\nEntscheidung spricht gerade gegen die von der Antragstellerin vertretene\nAuffassung. Denn sie betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine\n„weitere Bewilligung" erteilt werden kann. In der Entscheidung wird somit\nstillschweigend vorausgesetzt, dass der Betrieb einer Fahrschule in einem\nanderen Mitgliedstaat von einer „weiteren Bewilligung" abhangig gemacht werden\ndarf. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Auf die sog. Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123/EG des\nEuropaischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 uber Dienstleistungen im\nBinnenmarkt, ABl. EU Nr. L 376/36) kann sich die Antragstellerin schon deshalb\nnicht berufen, weil diese erst bis zum 28.12.2009 in nationales Recht\numzusetzen ist (Art. 44 Abs. 1). Daruber hinaus ist fraglich, ob das Betreiben\nvon Fahrschulen uberhaupt in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallt. Denn\nnach deren Art. 2 Abs. 2 lit. d findet die Richtlinie keine Anwendung auf\n„Verkehrsdienstleistungen einschließlich Hafendienste, die in den\nAnwendungsbereich von Titel V des Vertrages fallen". Schließlich lasst die\nRichtlinie in ihrem Art. 9 auch zu, dass die Aufnahme und Ausubung einer\nDienstleistungstatigkeit einer Genehmigungsregelung unterworfen wird. Die in\nArt. 9 Abs. 1 der Richtlinie genannten Voraussetzungen entsprechen dabei genau\ndenjenigen, die hier schon im Rahmen der Prufung des Art. 43 EG i.V.m. Art. 48\nEG aufgrund der Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs herangezogen\nworden sind (vgl. dazu auch Erwagungsgrund 40 der Richtlinie). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Der Schluss aus der wechselseitigen Anerkennung von Fuhrerscheinen auf die\ngemeinschaftsweite Geltung von Fahrschulerlaubnissen ist im Übrigen nicht\ngerechtfertigt. Die Anerkennung von Fahrerlaubnissen dient dem\ngemeinschaftsweiten Personenverkehr, wahrend die Geltung von\nFahrschulerlaubnissen die Niederlassungsfreiheit betreffen wurde. Somit\nbesteht schon im Ansatz ein grundlegender Unterschied. Des Weiteren besteht\nfur Fahrerlaubnisse eine ausdruckliche gemeinschaftliche Regelung, wahrend\neine solche fur Fahrschulerlaubnisse fehlt. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Antragsgegner durfte auch ermessensfehlerfrei gehandelt haben.\nAnhaltspunkte fur das Vorliegen von Ermessensfehlern, auf die sich die Prufung\ndes Gerichts zu beschranken hat, sind weder vorgetragen worden noch\nersichtlich. Da die Antragstellerin trotz des Hinweises der Antragsgegnerin\nauf das Erfordernis einer Erlaubnis keinen entsprechenden Antrag gestellt hat,\nkann nicht entscheidend sein, dass die Antragstellerin das Vorliegen der\nmateriellen Voraussetzungen einer Zweigstellenerlaubnis behauptet, Gerade dies\nmuss von der Behorde gepruft werden konnen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 2\\. Es besteht nach Auffassung des Gerichts auch ein besonderes\noffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Der Schutz der zumeist\njungen Fahrerlaubnisbewerber davor, von einer Fahrschule ausgebildet zu\nwerden, die nicht die erforderliche behordliche Erlaubnis besitzt, ist ein\nbesonders wichtiger Belang. Mittelbar wird auch die gleichfalls besonders hoch\nanzusehende Verkehrssicherheit erhoht, da das Bestehen der theoretischen und\nder praktischen Prufung allein noch nicht gewahrleisten kann, dass ein\nVerkehrsteilnehmer die erforderlichen Fahigkeiten aufweist. Hierzu bedarf es\nweiterhin eines qualifizierten und alle Bereiche und Situationen umfassenden\ntheoretischen und praktischen Unterrichts. Insofern ist auch der Vortrag,\nFahrschuler hatten die entsprechenden Prufungen mit Erfolg absolviert, nicht\nvon Bedeutung. Somit streiten fur das besondere offentliche Interesse auch das\nLeben, die korperliche Unversehrtheit und das Eigentum der anderen\nVerkehrsteilnehmer, im Übrigen auch wahrend des praktischen Fahrschulbetriebs,\nsowie derjenigen Personen, die von einem Fehlverhalten im Straßenverkehr\nbetroffen sein konnen. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die\nStreitwertfestsetzung auf Nrn. 54.1, 1.5 des Streitwertkatalogs fur die\nVerwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 2004, 1525). \n---\n\n
133,731
olgkarl-2003-02-25-16-wf-1603
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
16 WF 16/03
2003-02-25
2019-01-07 10:33:37
2019-02-12 12:16:43
Beschluss
## Tenor\n\nDie sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen die Kostenentscheidung im\nBeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mannheim vom 04. Dezember 2002\n- 2B F 228/02 - wird verworfen.\n\nDer Antragsgegner hat der Antragstellerin die im Beschwerdeverfahren\nentstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.\n\nBeschwerdewert: bis 600 EUR\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Antragstellerin hatte unter Berufung auf § 1 Gewaltschutzgesetz und §\n64 FGG beantragt, dem Antragsgegner verschiedene Handlungen zu verbieten. Im\nTermin vom 04. Dezember 2002 schlossen die Beteiligten eine Vereinbarung,\nwonach sich der Antragsgegner verpflichtete, bestimmte Hausanwesen nebst\nHofeinfahrten und Gehwegen nicht zu betreten, Zusammentreffen mit der\nAntragstellerin zu vermeiden und keinerlei Kontakt mit ihr aufzunehmen, außer\nbrieflichen; kurzfristige elterliche Kontakte in Angelegenheiten der\nelterlichen Sorge sollten durch Vermittlung naher bezeichneter Dritter\ndurchgefuhrt werden. Nach Genehmigung der Vereinbarung beschloss das\nAmtsgericht: \n--- \n| 2 \n--- \n| 1\\. Die Vereinbarung der Beteiligten zur Vermeidung von Belastigungen der\nAntragstellerin durch den Antragsgegner vom 04.12.2002 wird gerichtlich\nbestatigt. \n--- \n| 3 \n--- \n| 2 Dem Antragsgegner wird vorsorglich fur den Fall jeder Zuwiderhandlung\ngegen die Verpflichtungen in Ziff. 1 und 2 der bestatigten Vereinbarung ein \n--- \n| 4 \n--- \n| Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 Euro \n--- \n| 5 \n--- \n| und fur den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, \n--- \n| 6 \n--- \n| Ordnungshaft bis zu 6 Monaten \n--- \n| 7 \n--- \n| angedroht. \n--- \n| 8 \n--- \n| 3\\. Der Geschaftswert des Hauptsacheverfahrens wird auf 2.500,00 Euro\nfestgesetzt. \n--- \n| 9 \n--- \n| 4\\. Eine Entscheidung uber die Kosten ergeht am Ende der Sitzung. \n--- \n| 10 \n--- \n| Am Schluss der Sitzung verkundete das Amtsgericht folgenden weiteren\nBeschluss: \n--- \n| 11 \n--- \n| 1\\. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten\nder Antragstellerin tragt der Antragsgegner. \n--- \n4\\. ... \n--- \n| 12 \n--- \n| Zur Begrundung dieser Entscheidung nahm das Amtsgericht Bezug auf § 100 a\nKostO und § 13 a FGG. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die gegen die Kostenentscheidung eingelegte sofortige Beschwerde des\nAntragsgegners ist gem. § 20 a Abs. 1 S. 1 FGG unzulassig. Auf § 20 a Abs. 2\nFGG kann sich der Antragsgegner nicht berufen. Nach dieser Bestimmung findet\ngegen die Entscheidung uber den Kostenpunkt die sofortige Beschwerde statt,\nwenn eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen ist. Dies ist indessen\nder Fall. Die Entscheidung in der Hauptsache erschopft sich zwar darin, dass\ndas Amtsgericht die Vereinbarung vom 04. Dezember 2002 gerichtlich bestatigt\nhat. Offensichtlich schwebte dem Amtsgericht die Fallgestaltung vor, dass eine\nin einem FGG-Verfahren getroffene Vereinbarung, etwa zum Recht des Umgangs\neines Elternteils mit seinem Kind, der gerichtlichen Bestatigung bedarf, damit\ndie Umgangsregelung selbst gem. § 33 a FGG vollzogen werden kann. In diesem\nFall ist die gerichtliche Bestatigung in Wahrheit eine gerichtliche Regelung\ndes Umgangsrechts mit dem Inhalt der Vereinbarung. Eine solche Entscheidung in\nder Hauptsache ist offen-sichtlich auch mit Ziffer 1 des Beschlusses vom 04.\nDezember 2002 gewollt. Die angefochtene Kostenentscheidung stellt sich dann\ndar als Nachholung der bei der Hauptsacheentscheidung zunachst bewusst\nunterlassenen. Wird uber die Hauptsache entschieden ohne Verfugung im\nKostenpunkt, obwohl dies veranlasst gewesen ware, so kann die\nKostenentscheidung nach § 18 Abs. 1 FGG nachgeholt werden. Sie gilt dann als\nTeil der Hauptsacheentscheidung mit der Folge, dass eine selbstandige\nAnfechtung dieser nachtraglichen Kostenentscheidung nicht zulassig ist (vgl.\nKeidel/Kuntze/Winkler/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 20 a Rn. 14 mit\nzahlreichen weiteren Nachweisen). \n--- \n| 14 \n--- \n| Maßgeblich ist im Übrigen allein, dass eine Entscheidung in der Hauptsache\ngetroffen worden ist, mag diese auch uberflussig gewesen sein. Überflussig war\nsie deshalb, weil gem. § 64 b Abs. 4 FGG die Zwangsvollstreckung auch aus\ngerichtlichen Vergleichen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung\nstattfindet, dort insbesondere § 890 ZPO. Voraussetzung dafur, dass aus einem\ngerichtlichen Vergleich mittels Ordnungsgeld und Ordnungshaft die\nZwangsvollstreckung betrieben werden kann, ist lediglich, dass das\nOrdnungsgeld angedroht ist (h. M.; vgl. etwa OLG Koln, OLGR 2000, 412; OLG\nHamm, MDR 1988, 506; OLG Karlsruhe, 6. ZS, Die Justiz 1986, 407; OLG Koblenz,\nFamRZ 1978, 605; OLG Karlsruhe, 1. ZS, Beschluss vom 03.12.1974 1 W 88/74).\nDie gerichtliche Bestatigung der Vereinbarung war also jedenfalls nicht\ndeshalb erforderlich, damit die Zwangsvollstreckung aus ihr eroffnet sein\nwurde. Welche sonstigen Erwagungen dieser gerichtlichen Bestatigung zu Grunde\ngelegen haben mogen, bleibt dunkel. Daran andert jedoch nichts, dass sie eine\nHauptsacheentscheidung darstellt, welche die Anfechtung der nachgeholten\nKostenentscheidung ausschließt. \n---\n\n
133,924
olgkarl-2005-01-27-3-ss-10704
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
3 Ss 107/04
2005-01-27
2019-01-07 10:35:44
2019-02-12 12:16:58
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts M.\nvom 18. Marz 2003 wird als unbegrundet verworfen.\n\n2\\. Die Kosten des Revisionsverfahrens sowie die insoweit entstandenen\nnotwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Das Amtsgericht M. sprach A. F. am 10.11.2003 der Notigung schuldig,\nverwarnte ihn deswegen und behielt sich die Verhangung einer Geldstrafe von 20\nTagessatzen zu je 15 EUR vor. Auf die Berufung des Angeklagten sprach ihn das\nLandgericht M. am 18.03.2004 frei. Hiergegen richtet sich die auf die Ruge der\nVerletzung sachlichen Rechts gestutzte Revision der Staatsanwaltschaft, der im\nErgebnis der Erfolg versagt bleiben musste. \n--- \n| 2 \n--- \n| II. Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, er habe am 15.04.2003 in M.\ndurch Blockieren einer Straße das Passieren eines Militarkonvois verhindert. \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils sollte am 15.04.2003\ngegen 13 Uhr 30 ein aus 37 Fahrzeugen bestehender US-Militartransport von den\nS.-B. in M. zum Hafen M. geleitet werden. Um ein ungehindertes Ausfahren des\nKonvois aus der Kaserne auf den „A.", eine zweispurige Strasse, zu\ngewahrleisten, sperrte die Polizei die gesamte Strasse fur den Verkehr, wobei\nder Konvoi allerdings lediglich den linken Fahrstreifen befuhr. Um gegen den\nIrak-Krieg zu protestieren - die Militarfahrzeuge sollten in diesem Konflikt\neingesetzt werden -, setzte sich eine mit dem Angeklagten bis zu diesem\nZeitpunkt nicht in Zusammenhang stehende unbekannt gebliebene Person auf den\nlinken Fahrstreifen des „A.", was zur Folge hatte, dass der Konvoi und diesem\nvoran ein Begleitfahrzeug der Polizei in einem Abstand von 3 bis 5 Metern vor\ndieser Person anhielten. Der Angeklagte gesellte sich sodann zu dieser Person\nund setzte sich neben sie auf den linken Fahrstreifen des „A.". Mehrfachen\nAufforderungen durch die Polizei, die Fahrbahn zu raumen, kam der Angeklagte\nnicht nach. Nach ca. 10 Minuten sprang er auf und lief weg. Wahrend der Zeit\nder Blockade der linken Fahrspur durch den Angeklagten und seinen\nGesinnungsgenossen war die rechte Fahrspur fur den allgemeinen Verkehr\ngesperrt und hatte problemlos durch den Militarkonvoi befahren werden konnen. \n--- \n| 4 \n--- \n| III. Die Strafkammer hat das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen\neiner Notigung nach § 240 Abs. 1 StGB verneint, da durch das Verhalten des\nAngeklagten niemand zu einer rechtlich erheblichen Handlung, Duldung oder\nUnterlassung gezwungen wurde (vgl. zur Begriffsbestimmung des „Notigens":\nBGHSt 45, 253, 258 f). \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Senat teilt diese Auffassung: Der Konvoi wurde durch das Verhalten des\nAngeklagten schon deswegen nicht zum Anhalten gezwungen, weil er nach den\nFeststellungen schon stand, als der Angeklagte sich zu der bereits auf der\nlinken Fahrspur sitzenden Person gesellte. Zum Stehenbleiben - also dem\nUnterlassen der Weiterfahrt uberhaupt - waren die Fahrer des Konvois nicht\ngezwungen, da sie - dem vorausfahrenden Polizeifahrzeug folgend - auf den\nrechten Fahrstreifen hatten ausweichen konnen. Das erzwungene Unterlassen der\nWeiterfahrt auf dem linken Fahrstreifen kann keinen Notigungserfolg\ndarstellen, weil davon auszugehen ist, dass die Fahrer der Militarfahrzeuge\nauf kurzestem Weg und sicher von der Kaserne zum Hafen gelangen wollten, wobei\nes fur sie - und ihren Willen, der deswegen insoweit auch nicht als\nentgegenstehend gebeugt werden konnte - unerheblich war, ob sie den rechten\noder den linken Fahrstreifen einer Straße benutzten. Hatte ein Spurwechsel\nstattgefunden, schiede eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen eines\nerzwungenen Spurwechsels schon wegen der nach dem Geringfugigkeitsprinzip\nerforderlichen tatbestandlichen Reduktion von § 240 StGB (vergleichbar BGHSt\n41, 231, 240 f zum bewusst verkehrswidrigen Gehen auf der Fahrbahn) aus. \n--- \n| 6 \n--- \n| Wenn dem Angeklagten gelang, die storungsfreie Weiterfahrt des Konvois zu\nverhindern, weil seitens der Polizei die Weiterleitung des Konvois -\nmoglicherweise um der Feststellung der Personalien des Angeklagten willen -\nunterlassen wurde, so ist die verzogerte Weiterfahrt des Konvois sicher durch\nden Angeklagten (mit-) verursacht und von ihm (mit) zu verantworten - diese\nFolge seines Tun hat er aber gleichwohl nicht (gewaltsam) erzwungen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Soweit die Staatsanwaltschaft vortragt, der Konvoi hatte nicht - im Verband\n- auf die rechte Fahrspur ausweichen konnen, setzt sie sich in\nrevisionsrechtlich unzulassiger Weise in Widerspruch zu den\nUrteilsfeststellungen. Die Feststellung, dass ein Ausweichen des Konvois auf\ndie rechte Spur moglich gewesen ware, wird von der rechtsfehlerfrei\nvorgenommenen Beweiswurdigung getragen. Das dem Konvoi vorausfahrende\nPolizeifahrzeug kam nach den Feststellungen 3 bis 5 Meter vor der mittig auf\nder linken Fahrspur sitzenden Person, zu der der Angeklagte sich alsbald\ngesellte, zum Stehen und die rechte Fahrspur war frei. Es bedarf keiner\nweitergehenden Erorterung, dass dem polizeilichen Begleitfahrzeug unter diesen\nUmstanden genugend Raum fur einen Spurwechsel geblieben ware. Weshalb die\nnachfolgenden Fahrzeuge - eines nach dem anderen - dann aufgrund der\nraumlichen Gegebenheiten an einem Spurwechsel hatten gehindert sein sollen -\nder Militarkonvoi bestand nicht aus Panzern, sondern aus Gelandefahrzeugen mit\nAnhangern und kleinen bis mittleren Lastwagen -, erhellt sich nicht. Eine\nsolche Moglichkeit zu erortern, drangte sich nicht auf, so dass die von der\nStrafkammer vorgenommene Beweiswurdigung in dieser Hinsicht nicht luckenhaft\nist. Denkbar ware, dass innerhalb des Konvois einzelne Fahrzeuge so\n„eingeklemmt" waren, dass sie alleine mangels ausreichenden Platzes zum\nRangieren die Fahrbahn nicht hatten wechseln konnen. Hierzu sind keine\nFeststellungen getroffen, was aber unschadlich ist, wenn es - wie hier - keine\nAnhaltspunkte dafur gibt, dass einzelne Fahrer uberhaupt willens gewesen\nwaren, sich aus dem Fahrzeugverband zu losen und einen isolierten Spurwechsel\nvorzunehmen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Der von der Beschwerdefuhrerin gegebene Hinweis auf die vom\nBundesgerichtshof (BGHSt 41, 182 ff) entwickelten Grundsatze zur „Gewalt" \\-\nim Sinne von § 240 StGB - durch Bereiten physischer Hindernisse fuhrt bei\ndieser Ausgangssituation zu keiner anderen Beurteilung. \n--- \n| 9 \n--- \n| Da das Urteil des Landgerichts M. vom 18.03.2004 auch im ubrigen keine\nsachlich-rechtlichen Fehler aufweist, war die Revision der Staatsanwaltschaft\ninsgesamt als unbegrundet zuruckzuweisen. \n--- \n| 10 \n--- \n| IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 und 2 StPO. \n---\n\n
135,412
vg-sigmaringen-2005-02-23-5-k-91004
159
Verwaltungsgericht Sigmaringen
vg-sigmaringen
Sigmaringen
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
5 K 910/04
2005-02-23
2019-01-07 11:10:47
2019-01-17 11:55:27
Urteil
## Tenor\n\nSoweit sich die Klage gegen die im Bescheid des Landratsamtes Sigmaringen vom\n17. Dezember 2001 unter „Bedingungen und Auflagen" verfugte Ziffer 1 und die\nZiffer 4 des Widerspruchsbescheides des Regierungsprasidiums Tubingen vom 07.\nApril 2004 richtet, wird das Verfahren abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 5\nK 376/05 fortgefuhrt.\n\nDie Ziffern 1 und 2 des Widerspruchsbescheides des Regierungsprasidiums\nTubingen vom 07. April 2004 werden aufgehoben.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der\naußergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin ist ein Verkehrsunternehmen mit Sitz in M.. Sie ist im Besitz\neiner Linienverkehrsgenehmigung vom 11.04.2001 auf Grundlage des § 42 PBefG\nfur einen Linienverkehr von Mengen uber Heudorf - Hundersingen - Herbertingen\nnach Marbach (Linie 19). Die Genehmigung ist bis zum 31.07.2005 befristet und\nenthalt zu Gunsten der Linie 7570 der Beigeladenen Bedienungsverbote fur die\nHalteorte Mieterkingen und Herbertingen nach Mengen und fur den Halteort\nMengen nach Ennetach/Muhlstraße. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beigeladene ist ein Unternehmen der D. B. G.. Sie ist im Besitz einer\nbis zum 31.09.2005 erteilten Linienverkehrsgenehmigung auf Grundlage des § 42\nPBefG fur die Strecke Aulendorf - Bad Saulgau - Herbertingen - Sigmaringen\n(Linie 7570). Weiter wurde ihr am 21.09.1998 eine bis zum 31.10.2002\nbefristete Genehmigung zum Betrieb der Sonderform des Linienverkehrs nach § 43\nPBefG (Schulerfahrten) fur die Strecke von Beuren nach Saulgau uber\nHundersingen - Herbertingen - Mieterkingen - Marbach - Bad Saulgau erteilt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 28.06.2001 beantragte die Klagerin die Erweiterung ihrer\nLiniengenehmigung nach § 42 PBefG vom 11.04.2001 um die Strecke Stettberg -\nMoosheim - Bad Saulgau (Realschule, Kaiserstraße, Bahnhof, Berufsschulzentrum)\nund die Eingliederung des Schulerverkehrs der Beigeladenen von Beuren nach Bad\nSaulgau in den offentlichen Linienverkehr. Hinsichtlich der Linienfuhrung wird\nauf folgenden „schematischen Strecken- und Entfernungsplan" verwiesen, den die\nKlagerin ihrem Antrag beifugte: ... \n--- \n| 4 \n--- \n| Zur Begrundung fuhrte die Klagerin aus: Mit dem beantragten Verkehr werde\neine wesentliche Verkehrsverbesserung erreicht. Die Orte Blochingen, Beuren,\nHundersingen und Marbach wurden sowohl an Schul- wie auch an Feiertagen auf\ndirekter Strecke und umsteigefrei an das Mittelzentrum Bad Saulgau angebunden.\nDer Fahrplan des Schulerverkehrs der Beigeladenen sehe derzeit zwei Hin- und\ndrei Ruckfahrten je Schultag vor. Durch die beantragte Linienerweiterung\nergaben sich bei ihr funf Hin- und sechs Ruckfahrten an Schultagen sowie\njeweils zwei Hin- und Ruckfahrten an Feiertagen zwischen Hundersingen und Bad\nSaulgau. Bei der Erstellung des Nahverkehrsplans des Landkreises Sigmaringen\nhabe die Gemeinde Herbertingen auf die unzureichende Bedienung aller Ortsteile\nhingewiesen. Durch die Linienerweiterung wurden diese Ortsteile neben Mengen\nund Herbertingen nun auch ganzjahrig an Bad Saulgau angebunden. In Mengen,\nHerbertingen sowie Bad Saulgau seien zudem zahlreiche Umsteigemoglichkeiten\nzum Schienenverkehr gegeben. \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 13.08.2001 beantragte die Beigeladene die Genehmigung eines\nLinienverkehrs nach § 42 PBefG auf der Strecke Beuren - Bad Saulgau\n(Umwandlung des Schulerverkehrs in einen Verkehr nach § 42 PBefG). Ziel des\nAntrags sei es, nicht nur die Zwischenortsbedienung, sondern vor allem den\nGesamtverkehr nach Bad Saulgau voll zu befriedigen. Mit dieser Vorgehensweise\nsolle auch zu einer besseren Verknupfung von Zug und Bahn beigetragen werden. \n--- \n| 6 \n--- \n| Hinsichtlich des Antrags der Klagerin vom 28.06.2001 erhob die Beigeladene\nEinwendungen. Sie fuhrte aus: Die sich aus der beabsichtigten Erweiterung des\nLinienverkehrs der Klagerin ergebenden Relationen mussten mit\nBedienungsverboten belegt werden, so dass ein Zusatznutzen fur die Fahrgaste\nnicht erkennbar werde. Die auf den Linien 7570 und 7573 bestehenden\nVerbindungen deckten den Bedarf auf dem Streckenabschnitt Herbertingen - Bad\nSaulgau komplett ab. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Klagerin\nvorschlage, den Linienverkehr nach § 43 PBefG Beuren - Bad Saulgau in ihr\nLinienkonzept zu integrieren. Sie, die Beigeladene, sei nicht bereit, ihre\nBesitzstandsrechte aufzugeben. Vielmehr erscheine es ihr notwendig, den\nSchulerverkehr in einen Verkehr nach § 42 PBefG umzuwandeln; ein\nentsprechender Antrag sei von ihr gestellt worden. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Bescheid vom 17.12.2001 genehmigte das Landratsamt Sigmaringen die\nErweiterung des bisherigen Linienverkehrs der Klagerin nach § 42 PBefG von\nMengen - Heudorf - Hundersingen - Herbertingen - Marbach (Linie 19) um die\nTeilstrecke Stettberg - Moosheim - Bad Saulgau (Realschule, Kaiserstraße,\nBahnhof, Berufsschulzentrum) und setzte unter anderem zu Gunsten des\nLinienverkehrs der Beigeladenen nach § 43 Nr. 2 PBefG an Schultagen\nBedienungsverbote fur die Verbindungen Beuren - Bad Saulgau, Hundersingen -\nBad Saulgau und Marbach - Bad Saulgau fest. Der weiter gestellte Antrag der\nKlagerin, den Schulerverkehr der Beigeladenen nach § 43 Nr. 2 PBefG in den\nLinienverkehr der Linie 19 zu integrieren, wurde abgelehnt. Zur Begrundung\nheißt es in dem Bescheid: Fur den reinen Schulerverkehr, den die Beigeladene\nauf dem Linienabschnitt Beuren - Herbertingen - Bad Saulgau betreibe, seien\nvon der Stadt Bad Saulgau als Schultrager bisher keine zusatzlichen Wunsche\nvorgetragen worden. Eine Aufforderung zur Ausgestaltung des bestehenden\nSchulerverkehrs durch die Genehmigungsbehorde sei bislang nicht fur notwendig\nerachtet worden, da die Fahrleistungen fur reine Schulerbeforderungen\nausreichend gewesen seien. Bei den offentlichen Verkehrsinteressen nach § 13\nAbs. 2 PBefG sei auch das Interesse des vorhandenen Verkehrsunternehmens zu\nberucksichtigen gewesen, das seinen bisherigen und funktionierenden\nSonderlinienverkehr aufrecht erhalten wolle. Diese Betrachtungsweise habe auch\ndann zu gelten, wenn der konkurrierende Verkehr ein Verkehr nach § 42 PBefG\nsei und damit einer anderen Verkehrsart entspreche. Zum Schutz des bisherigen\nSonderlinienverkehrs nach § 13 Nr. 2 PBefG seien deshalb Bedienungsverbote von\nBeuren, Hundersingen und Marbach nach Bad Saulgau festzulegen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Gegen diesen Bescheid legten sowohl die Klagerin wie auch die Beigeladene am\n17.01.2002 Widerspruch ein. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Klagerin fuhrte zur Begrundung ihres Widerspruchs aus: Ihr Widerspruch\nrichte sich nur gegen die Versagung der Bedienung des Schulerverkehrs von und\nnach Bad Saulgau und die damit auferlegten Bedienungsverbote. Die Beigeladene\nkonne sich nicht mehr auf ihren Besitzstand berufen. Zum einen sei sie nur bis\nzum 31.10.2002 im Besitz einer Genehmigung nach § 43 Nr. 2 PBefG gewesen.\nDiese sei bislang nicht wiedererteilt worden. Zum anderen habe die\nGenehmigungsbehorde die Beigeladene auf deren Antrag ab dem 01.04.2002 von der\nTarifpflicht befreit, so dass kein dem offentlichen Verkehr dienendes\nUnternehmen mehr gegeben sei. Bei der von der Behorde zu treffenden\nAuswahlentscheidung sei ihr Angebot vorzugswurdig. Es ubersteige bei weitem\ndas Angebot der Beigeladenen. Sie, die Klagerin, habe an Schultagen sieben\nHin- und sechs Ruckfahrten zwischen Hundersingen und Bad Saulgau und an\nFerientagen zwei Hin- und zwei Ruckfahrten im Fahrplan. Die Beigeladene biete\nan Schultagen nur zwei Hin- und drei Ruckfahrten und an Ferientagen gar keine\nFahrten an. Sie, die Klagerin, durfe dabei Fahrgaste ohne Auflagen auf der\nVerbindung Beuren - Hundersingen - Herbertingen - Marbach befordern. Bei einer\nGenehmigung nach § 43 Nr. 2 PBefG bestehe hingegen grundsatzlich ein Verbot\nder Unterwegsbeforderung, so dass von der Beigeladenen nur Fahrgaste von und\nnach Bad Saulgau befordert werden durften. Mit ihrem Verkehr konne also\nHerbertingen/Bahnhof besser an das Herbertinger Umland angebunden werden.\nZudem biete sie erstmals eine Direktverbindung von Blochingen nach Bad Saulgau\nund zwischen Marbach und Moosheim an. Weiter liege ein Fall des § 4 Abs. 7\nÖPNV-Gesetz vor, nach dem zur Starkung des offentlichen Personennahverkehrs\nSonderlinienverkehre nach § 43 Nr. 2 PBefG in geeigneten Fallen in\nLinienverkehre nach § 42 PBefG uberfuhrt werden sollten. Durch ihre\nLinienerweiterung werde das Verkehrsbedurfnis in der betroffenen Raumschaft\nbesser bedient, wodurch die Schulerlinie der Beigeladenen obsolet geworden\nsei. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beigeladene machte zur Begrundung ihres Widerspruchs geltend: Die der\nKlagerin genehmigte Linienerweiterung sei wegen des ihr genehmigten\nSchulerverkehrs nach § 43 Nr. 2 PBefG und ihrer bislang bestehenden Linien\nnach § 42 PBefG mit sehr vielen Bedienungsverboten belegt. Es sei daher keine\nVerbesserung fur den Schuler- wie den allgemeinen Linienverkehr zu erkennen.\nDie Strecke der Klagerin lasse auf Grund der Bedienungsverbote keine\nUnterwegsbedienungen zu. Im Rahmen ihres bisherigen Verkehrs und bei\nIntegration ihres Schulerverkehrs in ihren Linienverkehr zwischen Herbertingen\nund Bad Saulgau (Linien 7570 und 7573) wurde den Fahrgasten ein wesentlich\numfangreicheres Verkehrsangebot zur Verfugung stehen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit Bescheid vom 06.02.2002 lehnte das Landratsamt Sigmaringen den Antrag\nder Beigeladenen vom 13.08.2001 auf Neueinrichtung eines Linienverkehrs nach §\n42 PBefG von Beuren nach Bad Saulgau (Umwandlung des Schulerverkehrs in einen\nVerkehr nach § 42 PBefG) ab. Zur Begrundung heißt es: Die Beigeladene konne\nkeine Besitzstandsrechte aus der bis zum 31.10.2002 befristeten\nLinienverkehrsgenehmigung nach § 43 Nr. 2 PBefG fur den allgemeinen\nLinienverkehr herleiten, da es sich nicht um einen gleichartigen Verkehr\nhandele. Bei einem Vergleich und einer Abwagung der beabsichtigten\nVerkehrssituation ergaben sich fur keinen Verkehrsunternehmer wesentliche\nVorteile gegenuber dem anderen. Da von beiden Verkehrsunternehmern das\nVerkehrsbedurfnis nicht durch Ausgestaltung ihrer bisherigen Verkehre erfullt\nwerden konne, komme es entscheidend darauf an, wer durch Stellung eines\nentsprechenden Antrages das Verkehrsbedurfnis zuerst erkannt habe. Deswegen\nsei der Antrag der Klagerin dem der Beigeladenen vorzuziehen, weswegen der\nKlagerin am 17.12.2001 die Linienerweiterung genehmigt worden sei. Es bestehe\nkein genehmigungsrechtlicher Spielraum fur die Erteilung einer neuen,\nuberwiegend parallel verlaufenden Genehmigung nach § 42 PBefG zu Gunsten der\nBeigeladenen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Am 13.08.2002 beantragte die Beigeladene die Wiedererteilung der Genehmigung\nnach § 43 Nr. 2 PBefG fur den Schulerverkehr auf der Strecke Beuren - Bad\nSaulgau. Die Klagerin erhob hiergegen Einwendungen und machte geltend, dass\nsie die Bedienung des Schulerverkehrs bei einem deutlich besseren\nVerkehrsangebot im Rahmen des Linienverkehrs anbiete. \n--- \n| 13 \n--- \n| Mit Entscheidung vom 06.02.2003 lehnte das Landratsamt Sigmaringen den\nAntrag der Beigeladenen auf Wiedererteilung der Sonderform des Linienverkehrs\nnach § 43 Nr. 2 PBefG von Beuren uber Hundersingen, Herbertingen, Mieterkingen\nund Marbach nach Bad Saulgau ab. Zur Begrundung fuhrte es aus: Die Genehmigung\nnach § 43 Nr. 2 PBefG und die der Beigeladenen kurzfristig erteilte\neinstweilige Erlaubnis seien abgelaufen. Seitdem werde der Verkehr mit den\nvorhandenen Verkehrsmitteln der Klagerin auf Basis einer einstweiligen\nErlaubnis zur allgemeinen Zufriedenheit durchgefuhrt. Die Klagerin biete eine\nbessere Verkehrsbedienung. Ihr Fahrplan ermogliche eine durchgehende\nVerbindung von Blochingen nach Bad Saulgau, was insbesondere fur die Schuler\naus Blochingen Vorteile bringe. Des Weiteren werde eine Zwischenbedienung von\nMarbach nach Moosheim angeboten, die bisher nicht vorhanden gewesen sei. Auch\ndas Angebot der Fahrten habe sich verbessert. Seit der letztmaligen\nWiedererteilung der Genehmigung seien damit Umstande eingetreten, die gegen\neine nochmalige Wiedererteilung sprachen. Die Klagerin erfulle das offentliche\nVerkehrsinteresse mit einem Linienverkehr nach § 42 PBefG. Dies sei nach dem\nÖPNV-Gesetz und dem Nahverkehrsplan gegenuber einem Verkehr nach § 43 Nr. 2\nPBefG vorteilhafter und wunschenswerter. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beigeladene legte gegen diesen Bescheid am 21.02.2003 Widerspruch ein\nund machte geltend: Seit fast 25 Jahren werde der Linienverkehr nach § 43 Nr.\n2 PBefG auf der Strecke von Beuren uber Hundersingen nach Bad Saulgau durch\nsie zufriedenstellend abgewickelt. Der bisherige Schulerverkehr sei weder von\nder Stadt Bad Saulgau als Schultragerin noch von Seiten der\nGenehmigungsbehorde als unzureichend betrachtet worden. Bei dem offentlichen\nVerkehrsinteresse sei nach § 13 Abs. 2 PBefG auch das Interesse des\nvorhandenen Verkehrsunternehmens zu berucksichtigen, den bislang\nfunktionierenden Sonderverkehr aufrecht zu erhalten. Dies musse auch dann\ngelten, wenn es sich um einen Verkehr nach § 42 PBefG handele. \n--- \n| 15 \n--- \n| Auf Anfrage des Regierungsprasidiums Tubingen teilte das Landratsamt\nSigmaringen nach Rucksprache mit den jeweiligen Schultragern bzw. Schulen mit\nSchreiben vom 24.03.2004 mit: Der momentane Bedarf fur die Strecke zwischen\nMarbach - Stettberg - Moosheim - Bad Saulgau werde durch die Fa. Diesch und\ndie Beigeladene abgedeckt. Weder von der Stadt Bad Saulgau noch von Seiten der\nGemeinde Herbertingen sei ein zusatzlicher Bedarf an Fahrten angemeldet\nworden. Nach Auffassung der Gemeinde Herbertingen seien zusatzliche Fahrten an\nschulfreien Tagen zwar zu begrußen, um etwa von Marbach oder Moosheim\nEinkaufsfahrten nach Bad Saulgau durchzufuhren. Es werde aber bezweifelt, ob\nein konkreter Bedarf bestehe. Nach Auskunft der Stadt Bad Saulgau und der\nGemeinde Herbertingen wurden alle notwendigen Fahrten an Schultagen derzeit\nabgedeckt. Dies gelte auch fur die zweite Unterrichtsstunde. Nach Rucksprache\nmit der Gemeinde Herbertingen und der Schulleitung der GHS Herbertingen\nbestehe ein Bedarf fur Fahrten von Marbach nach Herbertingen zur 2.\nSchulstunde, da ein Teil der Schuler erst mit der 2. Stunde beginne. Ein\nBedarf fur eine Verbindung von Moosheim nach Herbertingen werde vom\nSchultrager und der entsprechenden Wohngemeinde derzeit nicht gesehen. Nach\nAuswertung der Schulerstrome ergebe sich in Richtung Mengen ein Bedarf von\nfunf Schulern aus Herbertingen und einem Schuler aus Mieterkingen fur das\nGymnasium und einem Schuler aus Herbertingen fur die Realschule. \n--- \n| 16 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2004 hob das Regierungsprasidium Tubingen\nauf den Widerspruch der Beigeladenen die Ablehnung der Wiedererteilung der\nSchulerverkehrsgenehmigung an die Beigeladene durch das Landratsamt\nSigmaringen vom 06.02.2003 auf (Ziffer 1 des Widerspruchsbescheids), erteilte\nder Beigeladenen die Genehmigung fur den Schulerverkehr nach § 43 Nr. 2 PBefG\nvon Beuren nach Bad Saulgau befristet auf vier Jahre ab Bestandskraft der\nGenehmigung (Ziffer 2) und wies den Widerspruch der Beigeladenen gegen die\nGenehmigung fur die Erweiterung der Linie 19 der Klagerin ebenso zuruck\n(Ziffer 3) wie den Widerspruch der Klagerin gegen die Bedienungsverbote in der\nGenehmigung des Landratsamtes Sigmaringen vom 17.12.2001 (Ziffer 4). Zur\nBegrundung heißt es in dem Widerspruchsbescheid: Die Genehmigung fur die\nKlagerin und die Ablehnung der Wiedererteilung der Schulerverkehrsgenehmigung\nan die Beigeladene seien am Maßstab des § 13 PBefG zu prufen. Die subjektiven\nErteilungsvoraussetzungen lagen sowohl bei der Klagerin wie auch bei der\nBeigeladenen vor. Ein befriedigender Verkehr sei zum maßgeblichen Zeitpunkt\nder Widerspruchsentscheidung nicht vorhanden. Die Genehmigung der Beigeladenen\nsei nach Ablauf der Frist zum 30.10.2002 nicht mehr existent. Die einstweilige\nErlaubnis fur die Klagerin hinsichtlich der Erweiterung ihrer Linie 19\nbegrunde keine Rechtsposition, so dass sie insoweit nicht als vorhandene\nUnternehmerin anzusehen sei. Da keine befriedigende Verkehrsbedienung bestehe,\nbedeuteten sowohl das Angebot der Klagerin wie auch das der Beigeladenen eine\nVerbesserung. Die Klagerin habe das bessere Angebot unterbreitet, wobei aber\nauch in Betracht zu ziehen sei, inwieweit tatsachlich ein Bedarf fur das\nbessere Angebot bestehe. Weiteres Kriterium sei die Ausgestaltung durch einen\nvorhandenen Unternehmer. Doch sei die Beigeladene nicht mehr als vorhandene\nUnternehmerin zu betrachten, da ihre Genehmigung im Verlauf des Verfahrens\nerloschen sei. Weiter in die Abwagung sei einzubeziehen, dass die Klagerin als\nErste ein Angebot auf Verbesserung des Verkehrs auf der Strecke erbracht habe.\nSchließlich sei der Besitzstandsschutz des § 13 Abs. 3 PBefG zu\nberucksichtigen, denn die Beigeladene habe den Schulerverkehr seit 25 Jahren\nbetrieben, ohne dass von irgendeiner Seite geltend gemacht worden sei, dass\ndas Angebot unbefriedigend gewesen sei. § 8 Abs. 3 PBefG stehe dem nicht\nentgegen, da der Nahverkehrsplan des Landkreises Sigmaringen zu der streitigen\nStrecke keine konkreten Aussagen enthalte. Die Beigeladene habe ihren\nBesitzstandsschutz auch nicht verloren, weil die Genehmigungsbehorde auf die\nEinhaltung der Beforderungsentgelte- und Bedingungen verzichtet habe. Denn der\nVerzicht sei auf die Anwendung des naldo-Tarifs im Schulerverkehr der\nBeigeladenen zuruckzufuhren. Der zu berucksichtigende Besitzstand der\nBeigeladenen bedeute zwar keinen absoluten Vorrang des Altunternehmers in dem\nSinn, dass ihm eine beantragte Genehmigung erteilt werden musse. Es mussten\naber die Gesichtspunkte des § 13 Abs. 2 und Abs. 3 PBefG gegeneinander\nabgewogen werden. Dabei mussten auch die wirtschaftlichen Auswirkungen\nbetrachtet werden. Die Beigeladene habe insoweit mitgeteilt, dass sie mit\neinem Unternehmer zusammengearbeitet habe, der wegen des Wegfalls der Linie\neinen Fahrer habe entlassen mussen. Unerheblich sei die konkrete Hohe des\ndurch einen Wegfall der Linie bedingten Einnahmeausfalls fur die Beigeladene.\nDenn jedenfalls angesichts des Umfangs der Schulerlinie mit schultaglich funf\nVerbindungen und vor allem der Dauer des Betriebs dieser Linie seit mehr als\n25 Jahren sei diese nicht von vollig untergeordneter Bedeutung. Der\nWiedererteilung der Schulerverkehrsgenehmigung stehe auch nicht § 4 Abs. 7\nÖPNVG entgegen. Denn Konkurrenzsituationen - insbesondere bestandsgeschutzte\nLinien - seien keine geeigneten Falle im Sinne dieser Vorschrift. Das auf\nZusammenarbeit ausgerichtete ÖPNVG habe nicht die Aufgabe,\nKonkurrenzsituationen zu losen. Unter Abwagung der aufgezeigten\nunterschiedlichen Interessen komme das Regierungsprasidium zu dem Schluss,\ndass die Entscheidung des Landratsamtes, den Schulerverkehr der Beigeladenen\nnicht wieder zu erteilen, fehlerhaft gewesen sei. Nachdem der Beigeladenen die\nGenehmigung fur den Schulerverkehr auf der Strecke Beuren - Bad Saulgau\nwiedererteilt werde, sei diese jedoch durch die Genehmigung fur die Klagerin\nnicht in ihren Rechten verletzt, so dass ihr Widerspruch gegen die\nEntscheidung des Landratsamtes vom 17.12.2001 zuruckzuweisen sei. Da das\nAngebot der Klagerin tatsachlich eine Verbesserung gegenuber der reinen\nSchulerverkehrslinie der Beigeladenen darstelle, die diese nicht im Wege der\nAusgestaltung anbieten konne, sei die Genehmigung mit den enthaltenen\nEinschrankungen zum Schutz der Linie der Beigeladenen rechtmaßig. Nachdem der\nBeigeladenen der Schulerverkehr wieder zu genehmigen sei, seien zu dessen\nSchutz die von der Klagerin angefochtenen Bedienungsverbote unumganglich. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klagerin hat am 27.04.2004 Klage erhoben, zu deren Begrundung sie\nausfuhrt: Die der Beigeladenen erteilte Genehmigung sei bereits deshalb\nrechtswidrig, weil sie sich zum Teil auf Relationen beziehe, fur die sie, die\nKlagerin, bereits eine Genehmigung erhalten habe, und weil sie sich im Übrigen\num eine Genehmigung derselben Verkehrsleistungen bewerbe und ihr Angebot den\noffentlichen Verkehrsinteressen besser entspreche. Ihre im April 2001 erteilte\nund bestandskraftige Genehmigung erfasse bereits alle Relationen zwischen\nBeuren und Marbach - Stettberg. Soweit die der Beigeladenen nach § 43 PBefG\nerteilte Genehmigung die Schulerbeforderung auf diesen Teilstrecken gestatte,\nsei sie mit der bereits erwahnten Ausschließlichkeit einer\nLinienverkehrsgenehmigung bzw. des Ausgestaltungsrechts des\nGenehmigungsinhabers unvereinbar. § 13 Abs. 2 PBefG verbiete die Erteilung von\nGenehmigungen fur Strecken, deren Bedienung einem anderen Verkehrsunternehmen\nbestandskraftig genehmigt sei. Dies gelte auch fur das Verhaltnis von Schuler-\nund Linienverkehr, da der Schulerverkehr regelmaßig vollstandig und ohne\nerhebliche Spannungen in den Linienverkehr integriert werden konne. Eine - im\nÜbrigen rechtswidrige - Parallelgenehmigung fur den Schulerverkehr schranke\ndie Befugnis aus der Linienverkehrsgenehmigung nicht ein. Eine solche\nEinschrankung konnten nur Genehmigungsbestandteile, etwa Bedienungsverbote,\nvermitteln. Auch stehe der der Beigeladenen erteilten Genehmigung das Verbot\nder Parallelgenehmigung wegen der ihr am 17.12.2001 erteilten Genehmigung fur\ndie Linienerweiterung Stettberg - Moosheim - Bad Saulgau entgegen. Diese sei\nbestandskraftig, da die Beigeladene den Widerspruchsbescheid vom 07.04.2004\nnicht angefochten habe. Die ihr erteilte Genehmigung begrunde ein Recht zur\nausschließlichen Beforderung zwischen Mengen, Heudorf, Blochingen, Beuren,\nHundersingen, Herbertingen, Marbach, Mieterkingen, Schwarzach und Bad Saulgau\nund stehe daher der Erteilung von Linienverkehrsgenehmigungen an die\nBeigeladene innerhalb dieser Relationen entgegen. Selbst wenn man dies in\nBezug auf die Strecke zwischen Schwarzach und Bad Saulgau anders sehe, wurden\ndie der Beigeladenen genehmigten Verkehre noch immer weit uberwiegend parallel\nzu Linien verlaufen, die ihr bestandskraftig genehmigt worden seien. Das\nParallelgenehmigungsverbot erfasse auch Strecken, die nur Teil einer\ngenehmigten oder zu genehmigenden Linie seien, sofern es sich nicht bloß um\nganz geringfugige Überschneidungen handele. Fur die Auswahl unter Konkurrenten\nseien die angebotenen Tarifbedingungen von entscheidender Bedeutung. Die der\nBeigeladenen erteilte Genehmigung sei schon deswegen rechtswidrig, weil sie\nausdrucklich von der Tarifpflicht befreie. Es werde das zwingende Gebot der\nVerbindung von Tarif und Genehmigung im Falle einer Konkurrentenauswahl\nverkannt. Eine rechtmaßige Genehmigung konne nicht ohne Verbindung mit einem\nTarif erteilt werden. Zudem musse das offentliche Interesse am niedrigeren\nTarif zur Aufhebung der Genehmigung zu Gunsten der Beigeladenen fuhren. Die\nBeigeladene wolle und solle Schuler zu ihrem Haustarif befordern. Dagegen\nwende sie den naldo-Tarif an. Dieser sehe erheblich niedrigere Fahrpreise vor\nals der Haustarif der Beigeladenen. Weiterhin sei nach dem hier anwendbaren\nArt. 3 Abs. 1 VO EWG Nr. 1191/69 bei der Anordnung einer Verpflichtung des\noffentlichen Dienstes die Losung zu wahlen, die die geringsten Kosten fur die\nAllgemeinheit mit sich bringe. Eine solche Anordnung von Verpflichtungen liege\nhier nach Art. 2 Abs. 2 bis 5 der Verordnung in der durch die\nLinienverkehrsgenehmigung vermittelten Pflichten nach §§ 21, 22, 39 und 40\nPBefG. Wegen der Schulerbeforderung erstatte der Landkreis dem\nBeforderungsunternehmen die Differenz zwischen dem (einheitlichen) Teilpreis\nder Zeitfahrausweise, der von den Schulern erhoben werde (Eigenanteil), und\ndem (Gesamt-)Tarifentgelt. Da das Tarifentgelt der Beigeladenen hoher sei als\nihr Entgelt, biete sie, die Klagerin die Verkehrsbedienung, die die geringsten\nKosten fur die Allgemeinheit verursache. Ihr Angebot bedeute fur den Landkreis\neine Minderbelastung in Hohe von 8.500,-- EUR. Wenn die Verordnung EWG Nr.\n1191/69 nicht anwendbar sei, folge die Rechtswidrigkeit der\nAuswahlentscheidung aus dem EG-rechtlichen Beihilfeverbot in Verbindung mit\nden Kriterien, bei deren Vorliegen solche Kostendeckungsbeitrage keine EG-\nrechtlich verbotenen Beihilfen seien. Im Übrigen fehle es an einer wirksamen\nTarifzustimmung fur die der Beigeladenen nach § 43 PBefG genehmigten\nLeistungen. Die der Beigeladenen erteilte Tarifgenehmigung betreffe nur\nLinienverkehrsleistungen nach § 42 PBefG. Solche Tarife seien auf den\nSchulerverkehr nicht anwendbar. Auch andere offentliche Interessen begrundeten\nihren Klageanspruch. So biete sie auf der streitigen Relation fast doppelt so\nviele Hin- und Ruckfahrten an wie die Beigeladene; auch wurden Ferienfahrten\nangeboten. Deshalb entspreche ihr Angebot dem Nahverkehrsplan besser als\ndasjenige der Beigeladenen, insbesondere was die von der Gemeinde Herbertingen\nangemahnte Anbindung der Herbertinger Teilorte betreffe. Weiter biete sie den\nSchulern einen Verbundtarif, der Inhaber von Schulerfahrausweisen wahrend der\nFerienzeit zur Benutzung aller Verbundlinien des Naldo-Verbundes und wahrend\nder Schulzeit aller Verkehrsmittel des Verbundes zwischen den Anfangs- und\nEndpunkten des Zeitfahrausweises berechtige. Der Integration des\nSchulerverkehrs sei angesichts des offentlichen Verkehrsinteresses an der\nWirtschaftlichkeit von Verkehrsleistungen und an moglichst geringer Belastung\nvon Straßen und Luft sowie sparsamen Energieverbrauch der Vorzug zu geben. Sie\nbiete zwischen Blochingen und Bad Saulgau Beforderungen ohne Umsteigen an, was\neinen Qualitatsvorteil bedeute. Die von der Beklagten vorgenommene\nBedarfsprufung sei mit der Berufsfreiheit nicht vereinbar. Die einen\nmangelnden Bedarf betreffenden Behauptungen der Verwaltung entstammten\nÜberlegungen am grunen Tisch, wahrend sie in tatsachlicher Hinsicht den Bedarf\nzur 2. Schulstunde und um 16.11 Uhr ab Bad Saulgau durch Fahrgastzahlungen\nbelegt habe. Es komme hinzu, dass sich der Bedarf an Schulerfahrten und an\nFahrten des allgemeinen Verkehrs kumuliere. Die Ausfuhrungen der Beklagten zu\n§ 13 Abs. 3 PBefG konnten jedenfalls insoweit nicht gelten, als das zwingende\nRecht des Art. 3 VO Nr. 1191/96 eingreife. Wegen der bereits dargelegten\nLinien-Parallelitat sei schon die der Beigeladenen fur die Zeit bis zum\n31.10.2002 erteilte Genehmigung nach § 43 PBefG rechtswidrig gewesen. Eine\nrechtswidrige Genehmigung vermittle Besitzstandsschutz allenfalls fur den\nZeitraum ihrer Bestandskraft. Zudem konne die bloße Formalie lang dauernder\nfruherer Bedienung, auf die der Widerspruchsbescheid abstelle, die\nEntscheidung nicht tragen. Besondere Umstande fur die Bevorzugung des\nBesitzstandes konne die Beigeladene nicht geltend machen. Insbesondere konne\nsie sich nicht auf Interessen der Rentabilitat von Investitionen oder an\nArbeitsplatzen berufen, soweit sie die streitigen Verkehrsleistungen mit Hilfe\nvon Subunternehmern erbringen wolle. Denn der von der Beigeladenen\nstandardmaßig verwendete Subunternehmervertrag ge- statte eine sofortige\nBeendigung des Subunternehmerverhaltnisses ohne Nachteile fur die Beigeladene,\nwenn sie, die Klagerin, den Verkehr aufnehme. Der Besitzstandsschutz sei zwar\nbei der Entscheidung in die gebotene Abwagung einzustellen. Die von ihr\nbeanstandete Auswahlentscheidung habe indes den Besitzstand nicht nur\nberucksichtigt, sondern als ausreichenden und zwingenden Grund fur die\nEntscheidung zu Gunsten der Beigeladenen angesehen. Da die zu ihren Lasten\nverfugten Bedienungsverbote ausschließlich dem Schutz der Rechte der\nBeigeladenen aus der ihr erteilten Erlaubnis dienten, seien diese ebenfalls\naufzuheben. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 19 \n--- \n| die Ziffern 1 und 2 des Widerspruchsbescheides des Regierungsprasidiums\nTubingen vom 07.04.2004 sowie die im Bescheid des Landratsamtes Sigmaringen\nvom 17.12.2001 unter „Bedingungen und Auflagen" verfugte Ziffer 1 und die\nZiffer 4 des Widerspruchsbescheids des Regierungsprasidiums Tubingen vom\n07.04.2004 aufzuheben. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 21 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Er fuhrt - vertreten durch das Regierungsprasidium Tubingen - aus: Auch wenn\ndie Klagerin ihre Klage auf die Bedienungsverbote beschrankt habe, sei die ihr\nam 17.12.2001 genehmigte Erweiterung des Linienverkehrs von Stettberg nach Bad\nSaulgau nicht bestandskraftig. Ohne die Bedienungsverbote, die zum Schutz des\nDrittbetroffenen nicht selbstandig anfechtbar seien, hatte die Genehmigung\nnicht erteilt werden konnen. Es handele sich insoweit um Inhaltsbestimmungen.\nBei dem genehmigten Verkehr auf Grundlage der Entscheidung des Landratsamtes\nvom 11.04.2001 zu Gunsten der Klagerin und dem Schulerverkehr der Beigeladenen\nhandele es sich nicht um Parallelverkehre. Zum einen liege der der\nBeigeladenen erteilten Genehmigung ein Verkehr nach § 43 PBefG zu Grunde, zum\nanderen habe dieser Verkehr eine andere Zielrichtung. Der Verkehr der Klagerin\nsei ein Verkehr nach § 42 PBefG, der bis zu der jetzt streitigen Genehmigung\nauf die Beforderung nach Mengen und Herbertingen ausgerichtet gewesen sei,\nwahrend der Schulerverkehr der Beigeladenen darauf ausgerichtet sei, Schuler\nvon Beuren und Hundersingen nach Bad Saulgau zu bringen. Wenn es sich um einen\nParallelverkehr handeln wurde, hatte das Landratsamt der Klagerin die\nGenehmigung vom 11.04.2001 nicht erteilen durfen, weil die Beigeladene damals\nvorhandene Unternehmerin gewesen sei. Die Klagerin habe aus der Genehmigung\nvom 11.04.2001 auch kein Ausgestaltungsrecht fur die Erweiterung nach Bad\nSaulgau, da es sich dabei durch die Einbeziehung erheblicher neuer\nStreckenteile nicht mehr um eine Ausgestaltung handele. Die Freistellung der\nBeigeladenen von der Tarifpflicht sei erfolgt, weil das Regierungsprasidium\ndavon ausgegangen sei, dass die Schulerverkehrslinie zwar nicht in den\nVerkehrsverbund naldo integriert sei, wohl aber der naldo-Tarif angewendet\nwerden durfe. Der dann zur Anwendung kommende Tarif wurde dem der Klagerin\nentsprechen. Sollte der naldo die Anwendung des Tarifs auf die Schulerlinie\nder Beigeladenen ablehnen, musse die Beigeladene ihren Tarif zur Zustimmung\nvorlegen. Abgesehen davon werde die Klagerin durch die Tariffreistellung nicht\nin ihren Rechten verletzt. Zwar sei der naldo-Tarif gunstiger als der\nHaustarif der Beigeladenen, doch erlitten die einzelnen Schuler durch den\nTarifunterschied keinen finanziellen Nachteil, da sie nur den nach der Satzung\ndes Landkreises entsprechenden Eigenanteil erbringen mussten. § 13a PBefG\nbetreffe ausschließlich gemeinwirtschaftliche Verkehre, wahrend es sich hier\njeweils um eigenwirtschaftliche Verkehre handele. Fur eigenwirtschaftliche\nVerkehre gelte die EWG Verordnung Nr. 1191/69 aber nicht. Die Tatsche, dass\nder Landkreis als Trager der Aufgabe ÖPNV gewisse Ausgleichsleistungen im\nSchulerverkehr leiste, stehe dem nicht entgegen. Der EuGH habe in seinem\nUrteil vom 24.07.2003 die Auffassung bestatigt, dass die in der VO EWG Nr.\n1191/69 enthaltene Ermachtigung der Mitgliedsstaaten, den Orts- und\nRegionalverkehr von ihrer Anwendung auszunehmen, auch Teilausnahmen zulasse,\nwobei die Ausnahme rechtssicher abgegrenzt sein musse. Dies sei in § 8 Abs. 4\nPBefG der Fall. Es sei unbestritten, dass das Angebot der Klagerin besser als\ndas der Beigeladenen sei. Dies treffe allerdings in erster Linie nur auf die\nVerbindung von Beuren nach Bad Saulgau zu, wobei sich auch die Frage des\nBedarfs stelle. Auch bestehe unbestreitbar der Vorteil, dass die Klagerin mehr\nVerkehrsleistungen je Fahrschein erbringe, solange die Beigeladene den naldo-\nTarif nicht anwende. Doch durfe im Rahmen der Prufung, welches Angebot das\nbessere sei, der Bedarf durchaus berucksichtigt werden. Fur die zweite Fahrt\nnach Bad Saulgau bestehe kein Bedarf; bei durchschnittlich funf Fahrgasten sei\nein echter Bedarf fur eine gesonderte Fahrt nicht zu erkennen. Der Verweis auf\ndie Schuler aus Blochingen und Stettberg beweise nichts, weil daraus nicht\nhervorgehe, ob und wann diese erst in der zweiten Stunde Unterricht hatten.\nHinsichtlich der Ruckfahrt um 16.11 Uhr ab Bad Saulgau sei unklar, wie viele\nder Fahrgaste nach Marbach oder Hundersingen wollten. Konkurrenzsituationen\nseien keine geeigneten Falle fur die Überfuhrung eines Sonderlinienverkehrs in\neinen allgemeinen Linienverkehr. Nach § 13 Abs. 3 PBefG sei in die Abwagung\nauch einzubeziehen, dass ein Verkehr jahrelang in einer dem offentlichen\nVerkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben worden sei. Dies gelte auch\nfur den Sonderlinienverkehr nach § 43 PBefG. Das Regierungsprasidium habe dem\nBesitzstandsschutz keineswegs absoluten Vorrang eingeraumt, sondern eine\nAbwagung mit den Gesichtspunkten des § 13 Abs. 2 PBefG vorgenommen. Insoweit\nwerde auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Es werde trotz der\nKundigungsbestimmungen im Vertrag der Beigeladenen mit deren Subunternehmer\ndavon ausgegangen, dass die Beigeladene wirtschaftliche Vorteile aus der\nGenehmigung habe, die ihr verlustig gingen, wenn die Genehmigung nicht\nwiedererteilt wurde. Diese seien allerdings von der Beigeladenen selbst\ndarzulegen. Die der Klagerin erteilte einstweilige Erlaubnis begrunde keinen\nBesitzstandsschutz. Die Abwagung des Besitzstandsschutzes mit den Vorteilen,\ndie das Angebot der Klagerin fur die Nutzer des ÖPNV biete (Anwendung des\nnaldo-Tarifs, ein etwas besseres Fahrangebot) ergebe auch dann noch ein\nÜberwiegen des Besitzstandsschutzes, wenn die Beigeladene auch in Zukunft den\nnaldo-Tarif nicht anwenden durfe. Dabei sei auch zu berucksichtigen, dass die\nNachteile fur die Nutzer, die nicht aus Beuren, Hundersingen und Marbach\nstammten, durch die der Klagerin erteilte Erweiterungsgenehmigung ihrer Linie\n19 uber Stettberg und Moosheim nach Bad Saulgau aufgefangen wurden. \n--- \n| 23 \n--- \n| Das Landratsamt Sigmaringen fuhrt fur das beklagte Land weiter aus: Es sei\nbei den Stadten Bad Saulgau und Mengen, der Gemeinde Herbertingen und\nverschiedenen Schulleitungen der Bedarf erhoben worden. Hierbei sei im\nWesentlichen kein Bedarf fur eine Angebotserweiterung festgestellt worden.\nLediglich fur die Strecke von Marbach nach Herbertingen sei zur 2. Schulstunde\nvon der Schule in Herbertingen ein Fahrgastaufkommen angezeigt worden. Dieser\nBedarf konne von der Klagerin auf Grund der ihr erteilten Erlaubnis - sofern\ndiese bestandskraftig werden sollte - befriedigt werden, da fur diese Strecke\nkein Bedienungsverbot angeordnet worden sei. Hinsichtlich der Zuschusse des\nLandkreises zu den Schulerbeforderungskosten ergebe sich beim Angebot der\nBeigeladenen eine Mehrbelastung fur den Landkreis in Hohe von 4.715,50 EUR,\nwas im Verhaltnis zum Gesamtwert des Verkehrs von jahrlich ca. 52.000 EUR ein\neher geringer Betrag sei. Ungeachtet dessen hatten die einzelnen Schuler durch\nden Tarifunterschied keinen finanziellen Nachteil, da sie nur den nach der\nSatzung des Landkreises entsprechenden Eigenanteil aufbringen mussten.\nAllerdings seien die Schuler, so lange der Haustarif der Beigeladenen gelte,\nschlechter gestellt als andere Schuler mit naldo-Fahrkarten, da diese die\nFreizeitregelung des naldo nutzen konnten. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Beigeladene stellt keinen Antrag. \n--- \n| 25 \n--- \n| Sie hat unter anderem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes 5 K\n1126/04, das die Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis betraf, geltend\ngemacht: Zwar entstehe ein großer Anteil des mit dem Betrieb der\nVerkehrsleistungen verbundenen Aufwands bei dem von ihr eingesetzten\nSubunternehmer. Dennoch erbringe auch sie eigene Leistungen, etwa in Form von\nPlanungs- und Organisationsleistungen. Die berechtigten Interessen des von ihr\neingesetzten Subunternehmers seien wie ihre eigenen in die Abwagung\neinzubeziehen. Die Klagerin habe berucksichtigen mussen, dass sie die\nErweiterung ihrer Linie in Kenntnis der bestehenden uberschneidenden Linie der\nBeigeladenen beantragt habe und habe daher auch damit rechnen mussen, dass die\nLinie nur einschließlich der Bedienungsverbote genehmigt werde, so dass die\nverminderte Mehreinnahmen der Klagerin Folge eines absehbaren und nicht\nungewohnlichen unternehmerischen Risikos seien. Soweit die Klagerin vorbringe,\ndass der Vorteil ihres Angebots darin bestehe, dass die Inhaber von naldo-\nZeitfahrausweisen auch außerhalb des Schulerverkehrs alle Linien des naldo-\nNetzes benutzen durften, sei zu entgegnen, dass auch dieses Angebot im\nWesentlichen auf den Schulerverkehr ausgerichtet sei und die Anwohner der\nbetreffenden Linie außerhalb der Schultage keinen Anschluss an den ÖPNV hatten\nund daher nur schwer in den Genuss der potenziellen Nutzungsmoglichkeiten der\nnaldo-Fahrausweise kommen konnten. Der von der Klagerin geltend gemachte\nangebliche Vorteil sei in seiner praktischen Auswirkung fur die betroffenen\nKarteninhaber zu vernachlassigen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Wahrend des Verwaltungs- und Klageverfahrens ist der hier streitige Verkehr\ndurch einstweilige Erlaubnisse geregelt worden: Am 28.02.2002 erteilte das\nRegierungsprasidium Tubingen der Beigeladenen eine bis zum 30.11.2002\nbefristete einstweilige Erlaubnis fur den Verkehr nach § 43 Nr. 2 PBefG auf\nder Strecke Beuren - Bad Saulgau. Den Antrag auf weitere Verlangerung dieser\nErlaubnis lehnte das Landratsamt Sigmaringen, an das das Regierungsprasidium\ndas Verfahren abgegeben hatte, mit Bescheid vom 11.12.2002 ab. Mit Bescheid\nvom 25.10.2002 erteilte das Regierungsprasidium Tubingen der Klagerin eine\neinstweilige Erlaubnis fur die am 17.12.2001 genehmigte Erweiterung der Linie\n19 unter Einbeziehung des Schulerverkehrs; Bedienungsverbote unter anderem zu\nGunsten der Linie 7570 der Beigeladenen wurden aufgenommen. In der Folgezeit\nerhielt die Klagerin weitere einstweilige Erlaubnisse, zuletzt am 26.11.2003\nbefristet bis zum 31.05.2004. Mit Bescheid vom 17.05.2004 erteilte das\nLandratsamt Sigmaringen der Beigeladenen die einstweilige Erlaubnis fur den\nSchulerverkehr nach § 43 Nr. 2 PBefG auf der Strecke Beuren - Hundersingen -\nBad Saulgau und erganzte sie mit Bescheid vom 02.06.2004 dahingehend, dass die\nvom Regierungsprasidium Tubingen genehmigten Beforderungsentgelte und\n-bedingungen im Linienverkehr nach § 42 PBefG gultig seien und der\nentsprechenden Anwendung im Schulerverkehr Beuren - Bad Saulgau zugestimmt\nwerde. Am 27.05.2004 erteilte das Regierungsprasidium Tubingen der Klagerin\ndie einstweilige Erlaubnis fur die Linienerweiterung der Linie 19 Marbach -\nHerbertingen - Hundersingen nach Mengen uber Stettberg und Moosheim nach Bad\nSaulgau und setzte mit der gleichen Begrundung wie im Bescheid des\nLandratsamtes Sigmaringen vom 17.05.2004 unter anderem fur die Relationen\nBeuren - Bad Saulgau, Hundersingen - Bad Saulgau, Marbach - Bad Saulgau an\nSchultagen Bedienungsverbote fest. Der Antrag der Klagerin auf vorlaufigen\ngerichtlichen Rechtsschutz, der die der Beigeladenen erteilte einstweilige\nErlaubnis vom 17.05.2004 betraf, blieb erfolglos (Beschluss der Kammer vom\n23.08.2004 - 5 K 1126/04 -). \n--- \n| 27 \n--- \n| Dem Gericht liegen die Akten des Regierungsprasidiums Tubingen und des\nLandratsamtes Sigmaringen vor. Es hat die Gerichtsakten des einstweiligen\nRechtsschutzverfahrens 5 K 1126/04 beigezogen. Auf diese Unterlagen sowie auf\ndie gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen wird wegen weiterer Einzelheiten\nBezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 28 \n--- \n| Die Abtrennung des Verfahrens bezuglich der von der Klagerin angegriffenen\nBedienungsverbote (im Bescheid des Landratsamtes Sigmaringen vom 17.12.2001\nunter „Bedingungen und Auflagen" verfugte Ziffer 1 und Ziffer 4 des\nWiderspruchsbescheides des Regierungsprasidiums Tubingen vom 07.04.2004)\nerfolgt gemaß § 93 Satz 2 VwGO. Denn diese selbstandig anfechtbaren Auflagen\n(vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 06.12.1968 - VII C 73.67 -, BVerwGE 31, 133)\nsind zum Schutz der der Beigeladenen befristet auf vier Jahre ab Bestandskraft\nerteilten Genehmigung fur den Schulerverkehr nach § 43 Nr. 2 PBefG verfugt\nworden, so dass der Erfolg der Klage gegen die Bedienungsverbote entscheidend\nvom Ausgang der zudem mit der Klage begehrten Aufhebung dieser Genehmigung\nabhangt. Da - wie im Weiteren ausgefuhrt wird - die auf den Widerspruch der\nBeigeladenen im Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Tubingen vom\n07.04.2004 erteilte Genehmigung wegen eines Ermessensfehlers aufzuheben und\ndamit uber den Widerspruch der Beigeladenen erneut zu entscheiden ist, kann\nnicht gleichzeitig mit der gerichtlichen Entscheidung uber die Klage der\nKlagerin gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung fur den\nSchulerverkehr nach § 43 Nr. 2 PBefG auch uber das Begehren auf Aufhebung der\nBedienungsverbote entschieden werden. Denn eines solche Entscheidung wurde\nunzulassig der noch vom Regierungsprasidium Tubingen zu treffenden\nErmessensentscheidung vorgreifen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Klage auf Aufhebung der Ziffern 1 und 2 des Widerspruchsbescheides des\nRegierungsprasidiums Tubingen vom 07.04.2004 ist zulassig (I.) und begrundet\n(II.). \n--- \n| 30 \n--- \n| I. Da der Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Tubingen die\nAblehnung der Wiedererteilung der Schulerverkehrsgenehmigung an die\nBeigeladene durch das Landratsamt Sigmaringen vom 06.02.2003 aufhebt und der\nBeigeladenen die Genehmigung fur den Schulerverkehr von Beuren nach Bad\nSaulgau erteilt, enthalt der Widerspruchsbescheid eine erstmalige Beschwer der\nKlagerin, so dass sie diesen Teil des Widerspruchsbescheides gemaß § 79 Abs. 1\nNr. 2 VwGO anfechten und dessen isolierte Aufhebung begehren kann. Dies hat\nbei Ermessensakten - wie vorliegend - zur Folge, dass bei Begrundetheit der\nKlage die Widerspruchsbehorde unter Beachtung der Grunde des Urteils erneut\nuber den Widerspruch zu entscheiden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.1961 -\nVI C 124.61 -, BVerwGE 13, 195; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 79\nRdNrn. 6, 8; Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 79 RdNr. 28). \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Klagerin ist nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Denn die Vorschriften\ndes Personenbeforderungsgesetzes schutzen auch den ubergangenen Bewerber, der\ngeltend macht, die Genehmigung habe ihm und nicht einem Konkurrenten erteilt\nwerden mussen. Zwar normiert das Personenbeforderungsgesetz nicht ausdrucklich\neinen Rechtsanspruch auf Erteilung der in § 2 PBefG vorgeschriebenen\nGenehmigung, wenn keiner der gesetzlich vorgesehenen Versagungsgrunde\neingreift. Gleichwohl ist anerkannt, dass ein solcher Rechtsanspruch besteht\n(BVerwG, Urteil vom 06.04.2000 - 3 C 6.99 -, Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 4; VGH\nBad.-Wurtt., Urteil vom 27.11.2003 - 3 S 709/03 -, UPR 2004, 240). Dem liegt\ndie Erkenntnis zu Grunde, dass ein Gesetz, das einen Anspruch ausschließen\nwurde, wegen Verstoßes gegen Art. 12 GG verfassungswidrig ware. Dies fuhrt\ngenerell zu einer entsprechenden Auslegung der einfachgesetzlichen Normen,\nohne dass jeweils ein unmittelbarer Ruckgriff auf die Grundrechtsbestimmung\nerforderlich ist. Die Gewahrung eines Rechtsanspruchs bietet notwendigerweise\nauch Schutz davor, dass dieser Anspruch durch die Erteilung einer\nentsprechenden Genehmigung an einen Dritten vereitelt wird. Zur Wahrung der\noffentlichen Verkehrsinteressen gemaß § 13 Abs. 2 PBefG gehort es im\nAllgemeinen, dass nicht mehreren Unternehmern fur denselben Verkehr parallel\nzueinander eine Linienverkehrsgenehmigung erteilt wird. Das gilt jedenfalls,\nwenn - wie hier - davon auszugehen ist, dass eine annahernd kostendeckende\nBedienung der Linie nur durch einen Unternehmer erfolgen kann und eine\nKonkurrenz zu einem ruinosen Wettbewerb fuhren muss („unstreitig erschopftes\nKontingent"). Eine sachgerechte Verkehrsbedienung ware somit gefahrdet. Ebenso\nwie einem vorhandenen Unternehmer, dessen Betrieb durch die Erteilung einer\nGenehmigung an einen Konkurrenten beeintrachtigt wird, steht auch demjenigen\nein Klagerecht zu, der selbst einen Anspruch auf eine\nLinienverkehrsgenehmigung hat, wenn durch die Erteilung einer entsprechenden\nGenehmigung an einen Dritten die Wahrnehmung dieses Anspruchs praktisch\nverhindert wird. Auch in diesem Fall hat § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG\ndrittschutzende Wirkung. Eine solche Konkurrenzsituation, die der Klagerin\neine Klagebefugnis einraumt, ist hier gegeben, nachdem die Klagerin mit Antrag\nvom 28.06.2001 die Erweiterung ihrer Linie 19 und die Eingliederung des\nSchulerverkehrs der Beigeladenen auf der hier streitigen Linie beantragt hat,\ndie entsprechende Genehmigung fur den Schulerverkehr jedoch der Beigeladenen\nim Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Tubingen vom 07.04.2004\nerteilt und die Linie 19 der Beigeladenen mit entsprechenden\nBedienungsverboten versehen wurde. \n--- \n| 32 \n--- \n| II. Die Klage ist auch begrundet. Die der Beigeladenen im\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Tubingen vom 07.04.2004 erteilte\nGenehmigung fur den Schulerverkehr nach § 43 Nr. 2 PBefG von Beuren nach Bad\nSaulgau ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage bei Erlass des\nWiderspruchsbescheides (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.07.1989 - 7 C 39.87 -,\nDVBl. 1990, 44; Urteil vom 06.04.2000, a.a.O.) rechtswidrig und verletzt die\nKlagerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 33 \n--- \n| Dabei lasst die Kammer dahinstehen, ob die angegriffene Genehmigung - wie\ndie Klagerin meint - mit europarechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist. Dies\nkonnte insbesondere im Hinblick auf die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates\nvom 26.06.1969 uber das Vorgehen der Mitgliedsstaaten bei mit dem Begriff des\noffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des\nEisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffverkehrs in der Fassung der Verordnung\n(EWG) Nr. 1893/91 des Rates vom 20.06.1991 problematisch sein (vgl. dazu:\nEuGH, Urteil vom 24.07.2003 - Rs. C-280/00 - (Altmark Trans), NJW 2003, 2515\nauf die Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts, Beschluss vom 06.04.2000 - 3 C\n7.99 -, NVwZ 2001, 320; vgl. zu dieser Problematik und den Konsequenzen aus\nder Altmark Trans-Entscheidung: OVG Niedersachsen, Urteil vom 16.09.2004 - 7\nLB 3545/01 -, NVwZ-RR 2005, 105; VG Stade, Urteil vom 16.09.2004 - 1 A 463/03\n-, NVwZ-RR 2005, 140: Der Bundesgesetzgeber hat in § 8 Abs. 4 PBefG eine vom\nEuGH geforderte wirksame Teilbereichsausnahme von den in der VO (EWG) Nr.\n1191/69 getroffenen Regelungen betreffend den eigenwirtschaftlich betriebenen\nVerkehr getroffen). Denn die angefochtene Genehmigung ist unabhangig von der\nAnwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 und sonstiger europarechtlicher -\ninsbesondere beihilferechtlicher - Vorgaben schon aus anderen Grunden\nrechtswidrig. \n--- \n| 34 \n--- \n| Gegenstand der der Beigeladenen erteilten Genehmigung ist - was unter den\nBeteiligten auch nicht streitig ist - die eigenwirtschaftliche Erbringung\neiner Verkehrsleistung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.04.2000. a.a.O., nach\ndem offentliche Zuschusse zu defizitaren Verkehrsleistungen unter der Geltung\ndes innerstaatlichen Rechts die Eigenwirtschaftlichkeit des Verkehrs im Sinne\nvon § 8 Abs. 4 PBefG nicht in Frage stellen). Damit mussen - unabhangig von\netwaigen weitergehenden europarechtlichen Anforderungen - jedenfalls die\nGenehmigungsvoraussetzungen des § 13 PBefG vorliegen. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Genehmigung fur einen eigenwirtschaftlichen (§ 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG)\nLinienverkehr darf nur erteilt werden, wenn die subjektiven\nZulassungsvoraussetzungen nach § 13 Abs. 1 PBefG erfullt sind. Sie ist nach §\n13 Abs. 2 PBefG zwingend zu versagen, wenn der Verkehr auf Straßen\ndurchgefuhrt werden soll, die sich aus Grunden der Verkehrssicherheit oder\nwegen ihres Bauzustandes hierfur nicht eignen (Nr. 1) oder wenn durch den\nbeantragten Verkehr die offentlichen Verkehrsinteressen beeintrachtigt werden\n(Nr. 2), was insbesondere bei den in § 13 Abs. 2 Nr. 2 a), b) und c) PBefG\ngenannten Voraussetzungen der Fall ist. Im offentlichen Personennahverkehr\nkann die Genehmigung zudem versagt werden, wenn der beantragte Verkehr mit\neinem Nahverkehrsplan im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 und 3 PBefG nicht in\nEinklang steht (§ 13 Abs. 2 a PBefG). Bei der fur die Entscheidung uber das\nVorliegen einer Beeintrachtigung offentlicher Verkehrsinteressen im Sinne des\n§ 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG erforderlichen Bewertung und Gewichtung sind\nVerkehrsinteressen der unterschiedlichsten Art und ihre befriedigende\nBedienung zu bewerten. Hierbei und auch bei der Frage, wie gewichtig einzelne\nund offentliche Verkehrsinteressen sowohl fur sich gesehen als auch im\nVerhaltnis zu anderen sind, steht der Genehmigungsbehorde ein\nBeurteilungsspielraum zu und ist die Entscheidung deshalb - ahnlich wie andere\nplanerische Verwaltungsentscheidungen - der gerichtlichen Überprufung nur\nbegrenzt zuganglich (vgl. hierzu und zum Folgenden: VGH Bad.-Wurtt., Urteil\nvom 27.11.2003, a.a.O.). Im Konflikt zwischen verschiedenen offentlichen\nVerkehrsinteressen hat die Behorde eine abwagende (planerische) Entscheidung\nzu treffen. Dazu hat sie die ortlichen und uberortlichen Verkehrsbedurfnisse\nzu ermitteln und zu bewerten, um dann zu entscheiden, ob und in welchem Maße\nsie befriedigt werden konnen und sollen. Diese Entscheidung setzt nicht nur\nprognostische, sondern auch verkehrs- und raumordnungspolitische Wertungen\nvoraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.7.1989 - 7 C 39.87 -, BVerwGE 82, 260).\nErfullen mehrere Bewerber fur ein und dieselbe Linie die\nZulassungsvoraussetzungen des § 13 PBefG, kann aber nur einer von ihnen zum\nZuge kommen, so hat die Genehmigungsbehorde nach standiger Rechtsprechung eine\nin ihrem Ermessen stehende Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei sind in\nerster Linie die offentlichen Verkehrsinteressen, insbesondere die Fragen der\nbesseren Verkehrsbedienung und der Kostengunstigkeit zu berucksichtigen und\ndie langjahrige beanstandungsfreie Bedienung einer Linie durch einen Bewerber\nnach § 13 Abs. 3 PBefG „angemessen" zu berucksichtigen. Die\nGenehmigungsanspruche der konkurrierenden Bewerber nach §§ 2, 13 PBefG\nreduzieren sich in einer solchen Konkurrenzsituation jeweils auf das Recht auf\neine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung der Behorde, die von Seiten des\nGerichts nach § 114 VwGO nur daraufhin uberpruft werden kann, ob die\ngesetzlichen Grenzen des Ermessens uberschritten sind oder ob von dem Ermessen\nin einer dem Zweck der Ermachtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch\ngemacht worden ist (VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 18.05.2000 - 3 S 812/99 -). In\nAnwendung dieser Grundsatze fehlt es vorliegend an einer fehlerfreien\nAuswahlentscheidung des Regierungsprasidiums. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur eine solche Auswahlentscheidung der\nGenehmigungsbehorde lagen beim Erlass des Widerspruchsbescheides vor.\nInsbesondere war - entgegen der Ansicht der Klagerin - kein zwingender\nVersagungsgrund zu Lasten der Beigeladenen im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2a\nPBefG gegeben, nach dem die Genehmigung nicht erteilt werden soll, wenn der\nVerkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend bedient werden kann.\nZur Wahrung offentlicher Verkehrsinteressen gemaß § 13 Abs. 2 PBefG gehort es\nim Allgemeinen, dass nicht mehreren Unternehmern fur denselben Verkehr\nparallel zueinander eine Linienverkehrsgenehmigung erteilt wird (BVerwG,\nUrteil vom 06.04.2000 - 3 C 6.99, a.a.O.). Dies gilt, wie bereits ausgefuhrt,\njedenfalls dann, wenn - wie hier - davon auszugehen ist, dass eine annahernd\nkostendeckende Bedienung der Linie nur durch einen Unternehmer erfolgen kann\nund eine Konkurrenz zu einem ruinosen Wettbewerb fuhren muss („unstreitig\nerschopftes Kontingent"). Soweit sich die Klagerin diesbezuglich auf die ihr\nam 11.04.2001 erteilte Genehmigung auf Grundlage des § 42 PBefG fur einen\nLinienverkehr Mengen - Herbertingen - Marbach beruft, ist eine (der\nBeigeladenen genehmigte) Schulerbeforderung auf dieser Linie nach Bad Saulgau\ngerade nicht moglich. Die Kammer hat bereits im Beschluss des einstweiligen\nRechtsschutzverfahrens vom 23.08.2004 - 5 K 1126/04 - darauf hingewiesen, dass\nder Verkehr der Klagerin auf Grundlage dieser Genehmigung vor allem auf den\nTransport von Schulern nach Mengen und Herbertingen ausgerichtet war und ist,\nwahrend es bei der hier streitigen Erlaubnis um den Schulerverkehr auf der\nStrecke Beuren - Hundersingen - Bad Saulgau geht; eine Schulerbeforderung ist\nauf dieser Verbindung nach der Genehmigung vom 11.04.2001 nicht moglich. Dies\nwar ja auch der Grund, weswegen die Klagerin am 27.06.2001 die Integration des\nSchulerverkehrs der Beigeladenen in ihren Linienverkehr beantragte. Insoweit\nkann sich die Klagerin auch nicht auf ein Ausgestaltungsrecht berufen. Denn\ndie Ausgestaltung muss sich im Rahmen des bestehenden Verkehrs halten. Sie\nsetzt etwas Vorhandenes voraus, das durch die Änderung verbessert werden soll.\nDabei muss das Vorhandene im Wesentlichen erhalten bleiben, weil sonst keine\nAusgestaltung, sondern eine Umgestaltung vorliegt. Deshalb kann im Wege der\nAusgestaltung der vorhandene, vom Unternehmer betriebene Verkehr (nur) in\nEinzelheiten geandert und im Hinblick auf die bestehende unbefriedigende\nVerkehrsbedienung verbessert werden. Der bisherige Verkehr muss aber in seinem\nwesentlichen Kern erhalten bleiben. Deshalb konnen wesentliche Änderungen\neiner Linie nicht mehr als Ausgestaltung angesehen werden. Unter die\nAusgestaltungsbefugnis fallen vor allem Änderungen des Fahrplans durch\nVerdichtung, bessere zeitliche Abstimmung des Verkehrs oder durch die\nVerbesserung der Anschlusse zur Schließung einer vorhandenen Lucke im\nVerkehrsangebot. Zwar konnen auch Veranderungen der Linie auf einzelnen\nStreckenabschnitten in Betracht kommen. Voraussetzung ist aber immer, dass die\nLinie in ihrem Wesen erhalten bleibt und nicht zu einem anderen Verkehr\numgestaltet wird. Deshalb kann im Wege der Ausgestaltung die Linienfuhrung nur\nim Rahmen der vorhandenen Verkehrsrelation geringfugig geandert werden. Sie\nlasst eine Erweiterung des vorhandenen Verkehrs, etwa durch die Einbeziehung\nneuer Streckenteile, nicht zu (BVerwG, Urteil vom 28.07.1989 - 7 C 39/87 -,\nNJW 1989, 3233; VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 01.09.1992 - 14 S 1158/90 -).\nEine solche unzulassige Erweiterung des vorhandenen Verkehrs wurde indes\neintreten, wenn die Klagerin von dem von ihr geltend gemachten\nAusgestaltungsrecht Gebrauch machen konnte. Denn die Einbeziehung der Relation\nStettberg - Bad Saulgau wurde ein vollkommen neues, auf der von der Klagerin\nauf Grundlage der Genehmigung vom 11.04.2001 bislang nicht bedienbares\nVerkehrsbedurfnis (Schulerverkehr nach Bad Saulgau) befriedigen. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Klagerin kann sich im Hinblick auf das von ihr geltend gemachte Verbot\nder Doppelbedienung auch nicht auf die mit Bescheid vom 17.12.2001 genehmigte\nLinienerweiterung fur die Strecke Stettberg - Moosheim - Bad Saulgau berufen.\nDenn diese Linienerweiterung ist mit Bedienungsverboten fur die die\nVerbindungen Beuren - Bad Saulgau, Hundersingen - Bad Saulgau und Marbach -\nBad Saulgau belegt, die zwar von der Klagerin angefochten, aber bislang nicht\n(bestandskraftig) aufgehoben sind. \n--- \n| 38 \n--- \n| Die der Klagerin bzw. dann der Beigeladenen erteilten einstweiligen\nErlaubnisse nach § 20 PBefG fuhren ebenfalls nicht zu einer befriedigenden\nBedienung des Verkehrs im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG. Sie dienen\nlediglich dazu, vorubergehend die Befriedigung des offentlichen\nVerkehrsinteresses sicherzustellen, wenn eine rechtzeitige und vollziehbare\nEntscheidung uber eine Liniengenehmigung nicht getroffen werden kann. Der auf\nGrundlage einer einstweiligen Erlaubnis zum Linienverkehr zugelassene\nUnternehmer kann demgemaß nicht die Rechtsstellung eines vorhandenen\nUnternehmers haben. \n--- \n| 39 \n--- \n| Andererseits kann auch die Beigeladene nicht die Regelung des § 13 Abs. 2\nPBefG fur sich beanspruchen. Denn deren Genehmigung fur den Schulerverkehr auf\nder hier streitigen Verbindung ist zum 31.10.2002 abgelaufen. Nach Ablauf\neiner Genehmigung mussen aber bei einem Antrag auf Erteilung einer neuen\nGenehmigung fur dieselbe Linie samtliche Zulassungsvoraussetzungen neu gepruft\nwerden. In diesem Fall steht dem bisherigen Genehmigungsinhaber nur der\neingeschrankte Besitzstandsschutz nach Maßgabe des § 13 Abs. 3 PBefG zu (VGH\nBad.-Wurtt., Urteil vom 27.11.2003 - 3 S 709/03 -). \n--- \n| 40 \n--- \n| Die bei dieser Ausgangslage getroffene Entscheidung des\nRegierungsprasidiums, die Genehmigung wieder der Beigeladenen zu erteilen, ist\nermessensfehlerhaft und verletzt dadurch zugleich das Recht der Klagerin auf\neine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung. Auf die von der Klagerin des\nWeiteren aufgeworfene Frage, ob die der Beigeladenen erteilte Genehmigung\nbereits deswegen rechtswidrig ist, weil die Beigeladene zu Unrecht von der\nTarifpflicht nach § 39 Abs. 2 PBefG befreit worden ist, kommt es deswegen\nnicht mehr an (vgl. aber VG Dessau, Beschluss vom 20.12.1999 - 2 B 1371/99 DE\n-; Bidinger, Personenbeforderungsrecht, § 39 PBefG Anm. 96: § 39 PBefG dient\nnicht den Individualinteressen anderer Unternehmer). \n--- \n| 41 \n--- \n| Die von der Widerspruchsbehorde unter maßgeblicher Heranziehung des § 13\nAbs. 3 PBefG getroffene Entscheidung, der Beigeladenen die Genehmigung fur die\nstreitige Linie zu erteilen, erweist sich als ermessensfehlerhaft. Allerdings\nist bei der Auswahlentscheidung gemaß § 13 Abs. 3 PBefG „angemessen" zu\nberucksichtigen, dass ein Verkehr von einem Unternehmer jahrelang in einer dem\noffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben worden ist. Das\nGesetz raumt damit dem Interesse des vorhandenen Unternehmers am Erhalt seines\nBesitzstandes in der Auswahlentscheidung keinen - absoluten - Vorrang ein, was\ndie Widerspruchsbehorde auch erkannt hat. Es weist diesem Gesichtspunkt nur\neine besondere Bedeutung als Abwagungsposten in der Auswahlentscheidung zu.\nDie Bedeutung der Besitzstandklausel des § 13 Abs. 3 PBefG liegt darin, dass\nsie gegenuber den zwingenden Versagungsgrunden nach § 13 Abs. 2 PBefG eine\nebenso selbstandige wie gleichwertige Regelung ist und insbesondere den\nVorrang des bei der Entscheidung uber die Wiedererteilung der\nLinienverkehrsgenehmigung vorhandenen Unternehmers aufhebt (VGH Bad.-Wurtt.,\nUrteil vom 02.05.1995 - 3 S 886/94 -, TranspR 1997, 121 m.w.N.; VG Karlsruhe,\nUrteil vom 15.01.2003 - 5 K 1141/02 -). Die Genehmigungsbehorde hat unter\nangemessener Berucksichtigung des Besitzstandsinteresses des vorhandenen\nUnternehmers in erster Linie darauf abzustellen, welcher der Bewerber die\nbessere Verkehrsbedienung bietet. Das erfordert einen konkreten behordlichen\nVergleich der von den Bewerbern angebotenen Verkehre unter Bewertung und\nGewichtung der jeweils beruhrten offentlichen Verkehrsbedurfnisse. Weiterhin\nist bei der Bewertung und Gewichtung des Schutzes des vorhandenen Unternehmers\nnach § 13 Abs. 3 PBefG der Sinn und Zweck dieser Besitzstandsregelung zu\nberucksichtigen. Sie schutzt namlich die im Hinblick auf den bedienten Verkehr\ngetroffenen Investitionen, die durch die Zulassung eines neuen Unternehmers\nfur den jeweiligen Beforderungsverkehr nicht ohne Weiteres entwertet sein\nsollen (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 28.04.1999 - 7 M 786/99 -,\nGewArch 2000, 337; Bidinger, a.a.O., § 13 PBefG, Anm. 74 f); die bloße Gewinn-\nerwartung des vorhandenen Unternehmers ist hingegen nicht Schutzgegenstand des\n§ 13 Abs. 3 PBefG. Von § 13 Abs. 3 PBefG wird lediglich der Inhaber der\nGenehmigung, nicht ein von ihm beauftragter Subunternehmer geschutzt. Dies\nfolgt bereits aus der Begriffsbestimmung des Unternehmers in § 2 Abs. 1 Satz 2\nPBefG, nach der Unternehmer im Sinne des Personenbeforderungsgesetzes ist, wer\nim Besitz einer entsprechenden Genehmigung ist. Nach § 3 Abs. 1 PBefG, wird\ndie Genehmigung dem Unternehmer, der den Verkehr in eigenen Namen, unter\neigener Verantwortung und fur eigene Rechnung betreiben muss (§ 3 Abs. 2\nPBefG), fur einen bestimmten Verkehr und fur seine Person (naturliche oder\njuristische Person) erteilt. Der in § 13 Abs. 3 PBefG normierte\nBesitzstandsschutz ist demgemaß genehmigungsbezogen und begunstigt nur den\nUnternehmer, dem die Genehmigung erteilt ist (vgl. OVG Niedersachsen,\nBeschluss vom 28.04.1999, a.a.O.; Bidinger, a.a.O., § 13 PBefG Anm. 76; vgl.\nzur fehlenden Unternehmereigenschaft eines Subunternehmers im Sinne des\nPersonenbeforderungsgesetzes auch: VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 27.11.2003,\na.a.O.). Insoweit kann bei der von der Behorde zu treffenden\nErmessensentscheidung, welchem Konkurrenten die Genehmigung zu erteilen ist,\nnach § 13 Abs. 3 PBefG nur der Besitzstandsschutz des Genehmigungsinhabers\nberucksichtigt werden, nicht aber der eines von diesem mit der konkreten\nErbringung der Verkehrsleistung beauftragten Subunternehmers. In diesen\nKonstellationen ist zu berucksichtigen, dass der vorhandene Unternehmer, der\neinen Subunternehmer beauftragt, im Hinblick auf die von ihm getatigten\nInvestitionen, die § 13 Abs. 3 PBefG vorrangig schutzen will, regelmaßig\nweniger schutzwurdig ist als der Genehmigungsinhaber, der bislang selbst den\nVerkehr erbracht hat und auch weiter erbringen will. So verhalt es sich auch\nhier. Die Vertreter der Beigeladenen haben sowohl schriftsatzlich wie auch in\nder mundlichen Verhandlung angegeben, dass „ein großer Teil" des mit dem\nBetrieb der Verkehrsleistungen verbundenen Aufwands bei dem von der\nBeigeladenen eingesetzten Subunternehmer entstehe. Von der Beigeladenen fur\ndie Linie erbrachte Leistungen wurden im Wesentlichen Planungs- und\nOrganisationsleistungen betreffen. Solche Leistungen sind aber deutlich\nweniger aufwandig als die Leistungen, die im Hinblick auf Personal und\nMaterial fur das Befahren der konkreten Verkehrslinie erforderlich sind, zumal\nda die Organisations- und Planungsleistungen teilweise auch anteilig fur\nmehrere von der Beigeladenen in der betroffenen Region bedienten Linien\nerbracht werden. Zudem besteht fur die Beigeladene unstreitig die Moglichkeit,\nfristlos den Vertrag mit ihrem Subunternehmer zu kundigen, wenn ihr der\nVerkehr auf der betreffenden Linie nicht mehr genehmigt ist. Demgemaß musste\ndas Regierungsprasidium bei der in ihrem Ermessen stehenden\nAuswahlentscheidung berucksichtigen, dass dem von § 13 Abs. 3 PBefG\nvermittelten Bestandsschutz ein gemindertes Gewicht zukommt, nachdem große\nTeile des ublichen Investitionsaufwandes eines vorhandenen Unternehmers fur\nden Betrieb der ihm genehmigten Linie bei der Beigeladenen gerade nicht\nangefallen sind. Dies hat das Regierungsprasidium indes unterlassen. Im\nangegriffenen Widerspruchsbescheid wird vielmehr darauf abgestellt, dass der\nUnternehmer, mit dem die Beigeladene zusammengearbeitet habe, wegen des\nWegfalls der Linie einen Fahrer habe entlassen mussen. Ansonsten wird nur\npauschal erwahnt, dass angesichts des Umfangs der Schulerlinie mit\nschultaglich funf Verbindungen und vor allem der Dauer des Betriebs der Linie\nseit mehr als 25 Jahren diese nicht von vollig untergeordneter\nwirtschaftlicher Bedeutung gewesen sei. Hingegen wurde nicht konkret\nermittelt, welche schutzwurdigen Investitionen die Beigeladene in die ihr\ngenehmigte Linie getatigt hat, nachdem - wie ihre Vertreter in der mundlichen\nVerhandlung angegeben haben - der Verkehr uber den gesamten Zeitraum von einem\nSubunternehmer erbracht worden ist. Im gerichtlichen Verfahren hat das\nRegierungsprasidium wiederum nur pauschal geltend gemacht, es gehe davon aus,\ndass die Beigeladene wirtschaftliche Vorteile aus der Genehmigung habe, die\nihr verlustig gingen, wenn sie die Genehmigung nicht wiedererteilt bekame;\ndiese seien jedoch von der Beigeladenen selbst darzulegen. \n--- \n| 42 \n--- \n| Dem auf diese Weise geminderten Bestandsschutz nach § 13 Abs. 3 PBefG steht\nhier das - zwischen den Beteiligten im Ergebnis unstreitige - bessere\nVerkehrsangebot der Klagerin gegenuber, was die Frequenz der Bedienung der\nLinie, die Preisgestaltung durch Anwendung des naldo-Tarifs und die\nIntegration des Schulerverkehrs in den Linienverkehr betrifft. Ebenso sind die\nAufwendungen des Landkreises fur Zuschusse fur die Klagerin geringer als fur\ndie Beigeladene. Diese von der Widerspruchsbehorde erkannten Vorteile des\nVerkehrsangebots der Klagerin sind dann abzuwagen gegen das\nBesitzschutzinteresse der Beigeladenen nach § 13 Abs. 3 PBefG. Bei dieser\nAbwagungsentscheidung muss nach dem Vorstehenden zum Ausdruck kommen, dass die\nBehorde wegen des Umstands, dass die Beigeladene als vorhandene Unternehmerin\ndie Relation nicht selbst bedient, sondern „lediglich" Genehmigungsinhaberin\nist und die Strecke von einem von ihr eingesetzten Subunternehmer befahren\nwird, dem Interesse der Beigeladenen am Erhalt der Genehmigung weniger Gewicht\nbeimisst, als wenn die Beigeladene die Strecke auch tatsachlich befahrt und\ndeswegen deutlich hohere Investitionsaufwendungen gehabt hatte. Nachdem dies\nbislang unterblieben ist, misst die Abwagungsentscheidung im\nWiderspruchsbescheid vom 07.04.2004 der Besitzstandsklausel des § 13 Abs. 3\nPBefG ein zu hohes, von deren gesetzlichem Zweck nicht mehr erfasstes Gewicht\nbei, und ist deswegen ermessensfehlerhaft. Das Regierungsprasidium wird daher\nunter Berucksichtigung des Umstandes, dass die Beigeladene als vorhandene\nUnternehmerin bislang einen Subunternehmer zur Bedienung des ihr genehmigten\nVerkehrs eingesetzt hat, eine erneute Abwagungsentscheidung zu treffen haben. \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO. Die\nEntscheidung uber die Kosten des abgetrennten Verfahrens bleibt dessen\nEntscheidung vorbehalten. Das Gericht sieht nach § 167 Abs. 2 VwGO davon ab,\ndas Urteil hinsichtlich der Kosten fur vorlaufig vollstreckbar zu erklaren und\nsieht sich nicht veranlasst, die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 VwGO). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 28 \n--- \n| Die Abtrennung des Verfahrens bezuglich der von der Klagerin angegriffenen\nBedienungsverbote (im Bescheid des Landratsamtes Sigmaringen vom 17.12.2001\nunter „Bedingungen und Auflagen" verfugte Ziffer 1 und Ziffer 4 des\nWiderspruchsbescheides des Regierungsprasidiums Tubingen vom 07.04.2004)\nerfolgt gemaß § 93 Satz 2 VwGO. Denn diese selbstandig anfechtbaren Auflagen\n(vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 06.12.1968 - VII C 73.67 -, BVerwGE 31, 133)\nsind zum Schutz der der Beigeladenen befristet auf vier Jahre ab Bestandskraft\nerteilten Genehmigung fur den Schulerverkehr nach § 43 Nr. 2 PBefG verfugt\nworden, so dass der Erfolg der Klage gegen die Bedienungsverbote entscheidend\nvom Ausgang der zudem mit der Klage begehrten Aufhebung dieser Genehmigung\nabhangt. Da - wie im Weiteren ausgefuhrt wird - die auf den Widerspruch der\nBeigeladenen im Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Tubingen vom\n07.04.2004 erteilte Genehmigung wegen eines Ermessensfehlers aufzuheben und\ndamit uber den Widerspruch der Beigeladenen erneut zu entscheiden ist, kann\nnicht gleichzeitig mit der gerichtlichen Entscheidung uber die Klage der\nKlagerin gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung fur den\nSchulerverkehr nach § 43 Nr. 2 PBefG auch uber das Begehren auf Aufhebung der\nBedienungsverbote entschieden werden. Denn eines solche Entscheidung wurde\nunzulassig der noch vom Regierungsprasidium Tubingen zu treffenden\nErmessensentscheidung vorgreifen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Klage auf Aufhebung der Ziffern 1 und 2 des Widerspruchsbescheides des\nRegierungsprasidiums Tubingen vom 07.04.2004 ist zulassig (I.) und begrundet\n(II.). \n--- \n| 30 \n--- \n| I. Da der Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Tubingen die\nAblehnung der Wiedererteilung der Schulerverkehrsgenehmigung an die\nBeigeladene durch das Landratsamt Sigmaringen vom 06.02.2003 aufhebt und der\nBeigeladenen die Genehmigung fur den Schulerverkehr von Beuren nach Bad\nSaulgau erteilt, enthalt der Widerspruchsbescheid eine erstmalige Beschwer der\nKlagerin, so dass sie diesen Teil des Widerspruchsbescheides gemaß § 79 Abs. 1\nNr. 2 VwGO anfechten und dessen isolierte Aufhebung begehren kann. Dies hat\nbei Ermessensakten - wie vorliegend - zur Folge, dass bei Begrundetheit der\nKlage die Widerspruchsbehorde unter Beachtung der Grunde des Urteils erneut\nuber den Widerspruch zu entscheiden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.1961 -\nVI C 124.61 -, BVerwGE 13, 195; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 79\nRdNrn. 6, 8; Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 79 RdNr. 28). \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Klagerin ist nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Denn die Vorschriften\ndes Personenbeforderungsgesetzes schutzen auch den ubergangenen Bewerber, der\ngeltend macht, die Genehmigung habe ihm und nicht einem Konkurrenten erteilt\nwerden mussen. Zwar normiert das Personenbeforderungsgesetz nicht ausdrucklich\neinen Rechtsanspruch auf Erteilung der in § 2 PBefG vorgeschriebenen\nGenehmigung, wenn keiner der gesetzlich vorgesehenen Versagungsgrunde\neingreift. Gleichwohl ist anerkannt, dass ein solcher Rechtsanspruch besteht\n(BVerwG, Urteil vom 06.04.2000 - 3 C 6.99 -, Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 4; VGH\nBad.-Wurtt., Urteil vom 27.11.2003 - 3 S 709/03 -, UPR 2004, 240). Dem liegt\ndie Erkenntnis zu Grunde, dass ein Gesetz, das einen Anspruch ausschließen\nwurde, wegen Verstoßes gegen Art. 12 GG verfassungswidrig ware. Dies fuhrt\ngenerell zu einer entsprechenden Auslegung der einfachgesetzlichen Normen,\nohne dass jeweils ein unmittelbarer Ruckgriff auf die Grundrechtsbestimmung\nerforderlich ist. Die Gewahrung eines Rechtsanspruchs bietet notwendigerweise\nauch Schutz davor, dass dieser Anspruch durch die Erteilung einer\nentsprechenden Genehmigung an einen Dritten vereitelt wird. Zur Wahrung der\noffentlichen Verkehrsinteressen gemaß § 13 Abs. 2 PBefG gehort es im\nAllgemeinen, dass nicht mehreren Unternehmern fur denselben Verkehr parallel\nzueinander eine Linienverkehrsgenehmigung erteilt wird. Das gilt jedenfalls,\nwenn - wie hier - davon auszugehen ist, dass eine annahernd kostendeckende\nBedienung der Linie nur durch einen Unternehmer erfolgen kann und eine\nKonkurrenz zu einem ruinosen Wettbewerb fuhren muss („unstreitig erschopftes\nKontingent"). Eine sachgerechte Verkehrsbedienung ware somit gefahrdet. Ebenso\nwie einem vorhandenen Unternehmer, dessen Betrieb durch die Erteilung einer\nGenehmigung an einen Konkurrenten beeintrachtigt wird, steht auch demjenigen\nein Klagerecht zu, der selbst einen Anspruch auf eine\nLinienverkehrsgenehmigung hat, wenn durch die Erteilung einer entsprechenden\nGenehmigung an einen Dritten die Wahrnehmung dieses Anspruchs praktisch\nverhindert wird. Auch in diesem Fall hat § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG\ndrittschutzende Wirkung. Eine solche Konkurrenzsituation, die der Klagerin\neine Klagebefugnis einraumt, ist hier gegeben, nachdem die Klagerin mit Antrag\nvom 28.06.2001 die Erweiterung ihrer Linie 19 und die Eingliederung des\nSchulerverkehrs der Beigeladenen auf der hier streitigen Linie beantragt hat,\ndie entsprechende Genehmigung fur den Schulerverkehr jedoch der Beigeladenen\nim Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Tubingen vom 07.04.2004\nerteilt und die Linie 19 der Beigeladenen mit entsprechenden\nBedienungsverboten versehen wurde. \n--- \n| 32 \n--- \n| II. Die Klage ist auch begrundet. Die der Beigeladenen im\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Tubingen vom 07.04.2004 erteilte\nGenehmigung fur den Schulerverkehr nach § 43 Nr. 2 PBefG von Beuren nach Bad\nSaulgau ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage bei Erlass des\nWiderspruchsbescheides (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.07.1989 - 7 C 39.87 -,\nDVBl. 1990, 44; Urteil vom 06.04.2000, a.a.O.) rechtswidrig und verletzt die\nKlagerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 33 \n--- \n| Dabei lasst die Kammer dahinstehen, ob die angegriffene Genehmigung - wie\ndie Klagerin meint - mit europarechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist. Dies\nkonnte insbesondere im Hinblick auf die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates\nvom 26.06.1969 uber das Vorgehen der Mitgliedsstaaten bei mit dem Begriff des\noffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des\nEisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffverkehrs in der Fassung der Verordnung\n(EWG) Nr. 1893/91 des Rates vom 20.06.1991 problematisch sein (vgl. dazu:\nEuGH, Urteil vom 24.07.2003 - Rs. C-280/00 - (Altmark Trans), NJW 2003, 2515\nauf die Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts, Beschluss vom 06.04.2000 - 3 C\n7.99 -, NVwZ 2001, 320; vgl. zu dieser Problematik und den Konsequenzen aus\nder Altmark Trans-Entscheidung: OVG Niedersachsen, Urteil vom 16.09.2004 - 7\nLB 3545/01 -, NVwZ-RR 2005, 105; VG Stade, Urteil vom 16.09.2004 - 1 A 463/03\n-, NVwZ-RR 2005, 140: Der Bundesgesetzgeber hat in § 8 Abs. 4 PBefG eine vom\nEuGH geforderte wirksame Teilbereichsausnahme von den in der VO (EWG) Nr.\n1191/69 getroffenen Regelungen betreffend den eigenwirtschaftlich betriebenen\nVerkehr getroffen). Denn die angefochtene Genehmigung ist unabhangig von der\nAnwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 und sonstiger europarechtlicher -\ninsbesondere beihilferechtlicher - Vorgaben schon aus anderen Grunden\nrechtswidrig. \n--- \n| 34 \n--- \n| Gegenstand der der Beigeladenen erteilten Genehmigung ist - was unter den\nBeteiligten auch nicht streitig ist - die eigenwirtschaftliche Erbringung\neiner Verkehrsleistung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.04.2000. a.a.O., nach\ndem offentliche Zuschusse zu defizitaren Verkehrsleistungen unter der Geltung\ndes innerstaatlichen Rechts die Eigenwirtschaftlichkeit des Verkehrs im Sinne\nvon § 8 Abs. 4 PBefG nicht in Frage stellen). Damit mussen - unabhangig von\netwaigen weitergehenden europarechtlichen Anforderungen - jedenfalls die\nGenehmigungsvoraussetzungen des § 13 PBefG vorliegen. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Genehmigung fur einen eigenwirtschaftlichen (§ 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG)\nLinienverkehr darf nur erteilt werden, wenn die subjektiven\nZulassungsvoraussetzungen nach § 13 Abs. 1 PBefG erfullt sind. Sie ist nach §\n13 Abs. 2 PBefG zwingend zu versagen, wenn der Verkehr auf Straßen\ndurchgefuhrt werden soll, die sich aus Grunden der Verkehrssicherheit oder\nwegen ihres Bauzustandes hierfur nicht eignen (Nr. 1) oder wenn durch den\nbeantragten Verkehr die offentlichen Verkehrsinteressen beeintrachtigt werden\n(Nr. 2), was insbesondere bei den in § 13 Abs. 2 Nr. 2 a), b) und c) PBefG\ngenannten Voraussetzungen der Fall ist. Im offentlichen Personennahverkehr\nkann die Genehmigung zudem versagt werden, wenn der beantragte Verkehr mit\neinem Nahverkehrsplan im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 und 3 PBefG nicht in\nEinklang steht (§ 13 Abs. 2 a PBefG). Bei der fur die Entscheidung uber das\nVorliegen einer Beeintrachtigung offentlicher Verkehrsinteressen im Sinne des\n§ 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG erforderlichen Bewertung und Gewichtung sind\nVerkehrsinteressen der unterschiedlichsten Art und ihre befriedigende\nBedienung zu bewerten. Hierbei und auch bei der Frage, wie gewichtig einzelne\nund offentliche Verkehrsinteressen sowohl fur sich gesehen als auch im\nVerhaltnis zu anderen sind, steht der Genehmigungsbehorde ein\nBeurteilungsspielraum zu und ist die Entscheidung deshalb - ahnlich wie andere\nplanerische Verwaltungsentscheidungen - der gerichtlichen Überprufung nur\nbegrenzt zuganglich (vgl. hierzu und zum Folgenden: VGH Bad.-Wurtt., Urteil\nvom 27.11.2003, a.a.O.). Im Konflikt zwischen verschiedenen offentlichen\nVerkehrsinteressen hat die Behorde eine abwagende (planerische) Entscheidung\nzu treffen. Dazu hat sie die ortlichen und uberortlichen Verkehrsbedurfnisse\nzu ermitteln und zu bewerten, um dann zu entscheiden, ob und in welchem Maße\nsie befriedigt werden konnen und sollen. Diese Entscheidung setzt nicht nur\nprognostische, sondern auch verkehrs- und raumordnungspolitische Wertungen\nvoraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.7.1989 - 7 C 39.87 -, BVerwGE 82, 260).\nErfullen mehrere Bewerber fur ein und dieselbe Linie die\nZulassungsvoraussetzungen des § 13 PBefG, kann aber nur einer von ihnen zum\nZuge kommen, so hat die Genehmigungsbehorde nach standiger Rechtsprechung eine\nin ihrem Ermessen stehende Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei sind in\nerster Linie die offentlichen Verkehrsinteressen, insbesondere die Fragen der\nbesseren Verkehrsbedienung und der Kostengunstigkeit zu berucksichtigen und\ndie langjahrige beanstandungsfreie Bedienung einer Linie durch einen Bewerber\nnach § 13 Abs. 3 PBefG „angemessen" zu berucksichtigen. Die\nGenehmigungsanspruche der konkurrierenden Bewerber nach §§ 2, 13 PBefG\nreduzieren sich in einer solchen Konkurrenzsituation jeweils auf das Recht auf\neine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung der Behorde, die von Seiten des\nGerichts nach § 114 VwGO nur daraufhin uberpruft werden kann, ob die\ngesetzlichen Grenzen des Ermessens uberschritten sind oder ob von dem Ermessen\nin einer dem Zweck der Ermachtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch\ngemacht worden ist (VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 18.05.2000 - 3 S 812/99 -). In\nAnwendung dieser Grundsatze fehlt es vorliegend an einer fehlerfreien\nAuswahlentscheidung des Regierungsprasidiums. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur eine solche Auswahlentscheidung der\nGenehmigungsbehorde lagen beim Erlass des Widerspruchsbescheides vor.\nInsbesondere war - entgegen der Ansicht der Klagerin - kein zwingender\nVersagungsgrund zu Lasten der Beigeladenen im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2a\nPBefG gegeben, nach dem die Genehmigung nicht erteilt werden soll, wenn der\nVerkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend bedient werden kann.\nZur Wahrung offentlicher Verkehrsinteressen gemaß § 13 Abs. 2 PBefG gehort es\nim Allgemeinen, dass nicht mehreren Unternehmern fur denselben Verkehr\nparallel zueinander eine Linienverkehrsgenehmigung erteilt wird (BVerwG,\nUrteil vom 06.04.2000 - 3 C 6.99, a.a.O.). Dies gilt, wie bereits ausgefuhrt,\njedenfalls dann, wenn - wie hier - davon auszugehen ist, dass eine annahernd\nkostendeckende Bedienung der Linie nur durch einen Unternehmer erfolgen kann\nund eine Konkurrenz zu einem ruinosen Wettbewerb fuhren muss („unstreitig\nerschopftes Kontingent"). Soweit sich die Klagerin diesbezuglich auf die ihr\nam 11.04.2001 erteilte Genehmigung auf Grundlage des § 42 PBefG fur einen\nLinienverkehr Mengen - Herbertingen - Marbach beruft, ist eine (der\nBeigeladenen genehmigte) Schulerbeforderung auf dieser Linie nach Bad Saulgau\ngerade nicht moglich. Die Kammer hat bereits im Beschluss des einstweiligen\nRechtsschutzverfahrens vom 23.08.2004 - 5 K 1126/04 - darauf hingewiesen, dass\nder Verkehr der Klagerin auf Grundlage dieser Genehmigung vor allem auf den\nTransport von Schulern nach Mengen und Herbertingen ausgerichtet war und ist,\nwahrend es bei der hier streitigen Erlaubnis um den Schulerverkehr auf der\nStrecke Beuren - Hundersingen - Bad Saulgau geht; eine Schulerbeforderung ist\nauf dieser Verbindung nach der Genehmigung vom 11.04.2001 nicht moglich. Dies\nwar ja auch der Grund, weswegen die Klagerin am 27.06.2001 die Integration des\nSchulerverkehrs der Beigeladenen in ihren Linienverkehr beantragte. Insoweit\nkann sich die Klagerin auch nicht auf ein Ausgestaltungsrecht berufen. Denn\ndie Ausgestaltung muss sich im Rahmen des bestehenden Verkehrs halten. Sie\nsetzt etwas Vorhandenes voraus, das durch die Änderung verbessert werden soll.\nDabei muss das Vorhandene im Wesentlichen erhalten bleiben, weil sonst keine\nAusgestaltung, sondern eine Umgestaltung vorliegt. Deshalb kann im Wege der\nAusgestaltung der vorhandene, vom Unternehmer betriebene Verkehr (nur) in\nEinzelheiten geandert und im Hinblick auf die bestehende unbefriedigende\nVerkehrsbedienung verbessert werden. Der bisherige Verkehr muss aber in seinem\nwesentlichen Kern erhalten bleiben. Deshalb konnen wesentliche Änderungen\neiner Linie nicht mehr als Ausgestaltung angesehen werden. Unter die\nAusgestaltungsbefugnis fallen vor allem Änderungen des Fahrplans durch\nVerdichtung, bessere zeitliche Abstimmung des Verkehrs oder durch die\nVerbesserung der Anschlusse zur Schließung einer vorhandenen Lucke im\nVerkehrsangebot. Zwar konnen auch Veranderungen der Linie auf einzelnen\nStreckenabschnitten in Betracht kommen. Voraussetzung ist aber immer, dass die\nLinie in ihrem Wesen erhalten bleibt und nicht zu einem anderen Verkehr\numgestaltet wird. Deshalb kann im Wege der Ausgestaltung die Linienfuhrung nur\nim Rahmen der vorhandenen Verkehrsrelation geringfugig geandert werden. Sie\nlasst eine Erweiterung des vorhandenen Verkehrs, etwa durch die Einbeziehung\nneuer Streckenteile, nicht zu (BVerwG, Urteil vom 28.07.1989 - 7 C 39/87 -,\nNJW 1989, 3233; VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 01.09.1992 - 14 S 1158/90 -).\nEine solche unzulassige Erweiterung des vorhandenen Verkehrs wurde indes\neintreten, wenn die Klagerin von dem von ihr geltend gemachten\nAusgestaltungsrecht Gebrauch machen konnte. Denn die Einbeziehung der Relation\nStettberg - Bad Saulgau wurde ein vollkommen neues, auf der von der Klagerin\nauf Grundlage der Genehmigung vom 11.04.2001 bislang nicht bedienbares\nVerkehrsbedurfnis (Schulerverkehr nach Bad Saulgau) befriedigen. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Klagerin kann sich im Hinblick auf das von ihr geltend gemachte Verbot\nder Doppelbedienung auch nicht auf die mit Bescheid vom 17.12.2001 genehmigte\nLinienerweiterung fur die Strecke Stettberg - Moosheim - Bad Saulgau berufen.\nDenn diese Linienerweiterung ist mit Bedienungsverboten fur die die\nVerbindungen Beuren - Bad Saulgau, Hundersingen - Bad Saulgau und Marbach -\nBad Saulgau belegt, die zwar von der Klagerin angefochten, aber bislang nicht\n(bestandskraftig) aufgehoben sind. \n--- \n| 38 \n--- \n| Die der Klagerin bzw. dann der Beigeladenen erteilten einstweiligen\nErlaubnisse nach § 20 PBefG fuhren ebenfalls nicht zu einer befriedigenden\nBedienung des Verkehrs im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG. Sie dienen\nlediglich dazu, vorubergehend die Befriedigung des offentlichen\nVerkehrsinteresses sicherzustellen, wenn eine rechtzeitige und vollziehbare\nEntscheidung uber eine Liniengenehmigung nicht getroffen werden kann. Der auf\nGrundlage einer einstweiligen Erlaubnis zum Linienverkehr zugelassene\nUnternehmer kann demgemaß nicht die Rechtsstellung eines vorhandenen\nUnternehmers haben. \n--- \n| 39 \n--- \n| Andererseits kann auch die Beigeladene nicht die Regelung des § 13 Abs. 2\nPBefG fur sich beanspruchen. Denn deren Genehmigung fur den Schulerverkehr auf\nder hier streitigen Verbindung ist zum 31.10.2002 abgelaufen. Nach Ablauf\neiner Genehmigung mussen aber bei einem Antrag auf Erteilung einer neuen\nGenehmigung fur dieselbe Linie samtliche Zulassungsvoraussetzungen neu gepruft\nwerden. In diesem Fall steht dem bisherigen Genehmigungsinhaber nur der\neingeschrankte Besitzstandsschutz nach Maßgabe des § 13 Abs. 3 PBefG zu (VGH\nBad.-Wurtt., Urteil vom 27.11.2003 - 3 S 709/03 -). \n--- \n| 40 \n--- \n| Die bei dieser Ausgangslage getroffene Entscheidung des\nRegierungsprasidiums, die Genehmigung wieder der Beigeladenen zu erteilen, ist\nermessensfehlerhaft und verletzt dadurch zugleich das Recht der Klagerin auf\neine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung. Auf die von der Klagerin des\nWeiteren aufgeworfene Frage, ob die der Beigeladenen erteilte Genehmigung\nbereits deswegen rechtswidrig ist, weil die Beigeladene zu Unrecht von der\nTarifpflicht nach § 39 Abs. 2 PBefG befreit worden ist, kommt es deswegen\nnicht mehr an (vgl. aber VG Dessau, Beschluss vom 20.12.1999 - 2 B 1371/99 DE\n-; Bidinger, Personenbeforderungsrecht, § 39 PBefG Anm. 96: § 39 PBefG dient\nnicht den Individualinteressen anderer Unternehmer). \n--- \n| 41 \n--- \n| Die von der Widerspruchsbehorde unter maßgeblicher Heranziehung des § 13\nAbs. 3 PBefG getroffene Entscheidung, der Beigeladenen die Genehmigung fur die\nstreitige Linie zu erteilen, erweist sich als ermessensfehlerhaft. Allerdings\nist bei der Auswahlentscheidung gemaß § 13 Abs. 3 PBefG „angemessen" zu\nberucksichtigen, dass ein Verkehr von einem Unternehmer jahrelang in einer dem\noffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben worden ist. Das\nGesetz raumt damit dem Interesse des vorhandenen Unternehmers am Erhalt seines\nBesitzstandes in der Auswahlentscheidung keinen - absoluten - Vorrang ein, was\ndie Widerspruchsbehorde auch erkannt hat. Es weist diesem Gesichtspunkt nur\neine besondere Bedeutung als Abwagungsposten in der Auswahlentscheidung zu.\nDie Bedeutung der Besitzstandklausel des § 13 Abs. 3 PBefG liegt darin, dass\nsie gegenuber den zwingenden Versagungsgrunden nach § 13 Abs. 2 PBefG eine\nebenso selbstandige wie gleichwertige Regelung ist und insbesondere den\nVorrang des bei der Entscheidung uber die Wiedererteilung der\nLinienverkehrsgenehmigung vorhandenen Unternehmers aufhebt (VGH Bad.-Wurtt.,\nUrteil vom 02.05.1995 - 3 S 886/94 -, TranspR 1997, 121 m.w.N.; VG Karlsruhe,\nUrteil vom 15.01.2003 - 5 K 1141/02 -). Die Genehmigungsbehorde hat unter\nangemessener Berucksichtigung des Besitzstandsinteresses des vorhandenen\nUnternehmers in erster Linie darauf abzustellen, welcher der Bewerber die\nbessere Verkehrsbedienung bietet. Das erfordert einen konkreten behordlichen\nVergleich der von den Bewerbern angebotenen Verkehre unter Bewertung und\nGewichtung der jeweils beruhrten offentlichen Verkehrsbedurfnisse. Weiterhin\nist bei der Bewertung und Gewichtung des Schutzes des vorhandenen Unternehmers\nnach § 13 Abs. 3 PBefG der Sinn und Zweck dieser Besitzstandsregelung zu\nberucksichtigen. Sie schutzt namlich die im Hinblick auf den bedienten Verkehr\ngetroffenen Investitionen, die durch die Zulassung eines neuen Unternehmers\nfur den jeweiligen Beforderungsverkehr nicht ohne Weiteres entwertet sein\nsollen (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 28.04.1999 - 7 M 786/99 -,\nGewArch 2000, 337; Bidinger, a.a.O., § 13 PBefG, Anm. 74 f); die bloße Gewinn-\nerwartung des vorhandenen Unternehmers ist hingegen nicht Schutzgegenstand des\n§ 13 Abs. 3 PBefG. Von § 13 Abs. 3 PBefG wird lediglich der Inhaber der\nGenehmigung, nicht ein von ihm beauftragter Subunternehmer geschutzt. Dies\nfolgt bereits aus der Begriffsbestimmung des Unternehmers in § 2 Abs. 1 Satz 2\nPBefG, nach der Unternehmer im Sinne des Personenbeforderungsgesetzes ist, wer\nim Besitz einer entsprechenden Genehmigung ist. Nach § 3 Abs. 1 PBefG, wird\ndie Genehmigung dem Unternehmer, der den Verkehr in eigenen Namen, unter\neigener Verantwortung und fur eigene Rechnung betreiben muss (§ 3 Abs. 2\nPBefG), fur einen bestimmten Verkehr und fur seine Person (naturliche oder\njuristische Person) erteilt. Der in § 13 Abs. 3 PBefG normierte\nBesitzstandsschutz ist demgemaß genehmigungsbezogen und begunstigt nur den\nUnternehmer, dem die Genehmigung erteilt ist (vgl. OVG Niedersachsen,\nBeschluss vom 28.04.1999, a.a.O.; Bidinger, a.a.O., § 13 PBefG Anm. 76; vgl.\nzur fehlenden Unternehmereigenschaft eines Subunternehmers im Sinne des\nPersonenbeforderungsgesetzes auch: VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 27.11.2003,\na.a.O.). Insoweit kann bei der von der Behorde zu treffenden\nErmessensentscheidung, welchem Konkurrenten die Genehmigung zu erteilen ist,\nnach § 13 Abs. 3 PBefG nur der Besitzstandsschutz des Genehmigungsinhabers\nberucksichtigt werden, nicht aber der eines von diesem mit der konkreten\nErbringung der Verkehrsleistung beauftragten Subunternehmers. In diesen\nKonstellationen ist zu berucksichtigen, dass der vorhandene Unternehmer, der\neinen Subunternehmer beauftragt, im Hinblick auf die von ihm getatigten\nInvestitionen, die § 13 Abs. 3 PBefG vorrangig schutzen will, regelmaßig\nweniger schutzwurdig ist als der Genehmigungsinhaber, der bislang selbst den\nVerkehr erbracht hat und auch weiter erbringen will. So verhalt es sich auch\nhier. Die Vertreter der Beigeladenen haben sowohl schriftsatzlich wie auch in\nder mundlichen Verhandlung angegeben, dass „ein großer Teil" des mit dem\nBetrieb der Verkehrsleistungen verbundenen Aufwands bei dem von der\nBeigeladenen eingesetzten Subunternehmer entstehe. Von der Beigeladenen fur\ndie Linie erbrachte Leistungen wurden im Wesentlichen Planungs- und\nOrganisationsleistungen betreffen. Solche Leistungen sind aber deutlich\nweniger aufwandig als die Leistungen, die im Hinblick auf Personal und\nMaterial fur das Befahren der konkreten Verkehrslinie erforderlich sind, zumal\nda die Organisations- und Planungsleistungen teilweise auch anteilig fur\nmehrere von der Beigeladenen in der betroffenen Region bedienten Linien\nerbracht werden. Zudem besteht fur die Beigeladene unstreitig die Moglichkeit,\nfristlos den Vertrag mit ihrem Subunternehmer zu kundigen, wenn ihr der\nVerkehr auf der betreffenden Linie nicht mehr genehmigt ist. Demgemaß musste\ndas Regierungsprasidium bei der in ihrem Ermessen stehenden\nAuswahlentscheidung berucksichtigen, dass dem von § 13 Abs. 3 PBefG\nvermittelten Bestandsschutz ein gemindertes Gewicht zukommt, nachdem große\nTeile des ublichen Investitionsaufwandes eines vorhandenen Unternehmers fur\nden Betrieb der ihm genehmigten Linie bei der Beigeladenen gerade nicht\nangefallen sind. Dies hat das Regierungsprasidium indes unterlassen. Im\nangegriffenen Widerspruchsbescheid wird vielmehr darauf abgestellt, dass der\nUnternehmer, mit dem die Beigeladene zusammengearbeitet habe, wegen des\nWegfalls der Linie einen Fahrer habe entlassen mussen. Ansonsten wird nur\npauschal erwahnt, dass angesichts des Umfangs der Schulerlinie mit\nschultaglich funf Verbindungen und vor allem der Dauer des Betriebs der Linie\nseit mehr als 25 Jahren diese nicht von vollig untergeordneter\nwirtschaftlicher Bedeutung gewesen sei. Hingegen wurde nicht konkret\nermittelt, welche schutzwurdigen Investitionen die Beigeladene in die ihr\ngenehmigte Linie getatigt hat, nachdem - wie ihre Vertreter in der mundlichen\nVerhandlung angegeben haben - der Verkehr uber den gesamten Zeitraum von einem\nSubunternehmer erbracht worden ist. Im gerichtlichen Verfahren hat das\nRegierungsprasidium wiederum nur pauschal geltend gemacht, es gehe davon aus,\ndass die Beigeladene wirtschaftliche Vorteile aus der Genehmigung habe, die\nihr verlustig gingen, wenn sie die Genehmigung nicht wiedererteilt bekame;\ndiese seien jedoch von der Beigeladenen selbst darzulegen. \n--- \n| 42 \n--- \n| Dem auf diese Weise geminderten Bestandsschutz nach § 13 Abs. 3 PBefG steht\nhier das - zwischen den Beteiligten im Ergebnis unstreitige - bessere\nVerkehrsangebot der Klagerin gegenuber, was die Frequenz der Bedienung der\nLinie, die Preisgestaltung durch Anwendung des naldo-Tarifs und die\nIntegration des Schulerverkehrs in den Linienverkehr betrifft. Ebenso sind die\nAufwendungen des Landkreises fur Zuschusse fur die Klagerin geringer als fur\ndie Beigeladene. Diese von der Widerspruchsbehorde erkannten Vorteile des\nVerkehrsangebots der Klagerin sind dann abzuwagen gegen das\nBesitzschutzinteresse der Beigeladenen nach § 13 Abs. 3 PBefG. Bei dieser\nAbwagungsentscheidung muss nach dem Vorstehenden zum Ausdruck kommen, dass die\nBehorde wegen des Umstands, dass die Beigeladene als vorhandene Unternehmerin\ndie Relation nicht selbst bedient, sondern „lediglich" Genehmigungsinhaberin\nist und die Strecke von einem von ihr eingesetzten Subunternehmer befahren\nwird, dem Interesse der Beigeladenen am Erhalt der Genehmigung weniger Gewicht\nbeimisst, als wenn die Beigeladene die Strecke auch tatsachlich befahrt und\ndeswegen deutlich hohere Investitionsaufwendungen gehabt hatte. Nachdem dies\nbislang unterblieben ist, misst die Abwagungsentscheidung im\nWiderspruchsbescheid vom 07.04.2004 der Besitzstandsklausel des § 13 Abs. 3\nPBefG ein zu hohes, von deren gesetzlichem Zweck nicht mehr erfasstes Gewicht\nbei, und ist deswegen ermessensfehlerhaft. Das Regierungsprasidium wird daher\nunter Berucksichtigung des Umstandes, dass die Beigeladene als vorhandene\nUnternehmerin bislang einen Subunternehmer zur Bedienung des ihr genehmigten\nVerkehrs eingesetzt hat, eine erneute Abwagungsentscheidung zu treffen haben. \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO. Die\nEntscheidung uber die Kosten des abgetrennten Verfahrens bleibt dessen\nEntscheidung vorbehalten. Das Gericht sieht nach § 167 Abs. 2 VwGO davon ab,\ndas Urteil hinsichtlich der Kosten fur vorlaufig vollstreckbar zu erklaren und\nsieht sich nicht veranlasst, die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 VwGO). \n---\n\n
135,424
vg-sigmaringen-2005-02-24-8-k-182903
159
Verwaltungsgericht Sigmaringen
vg-sigmaringen
Sigmaringen
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
8 K 1829/03
2005-02-24
2019-01-07 11:10:57
2019-01-17 11:55:27
Urteil
## Tenor\n\nDer Klage wird abgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten um die Rechtmaßigkeit der Aufbewahrung von\nerkennungsdienstlichen Unterlagen und personenbezogenen Daten, die im Zuge\nmehrerer gegen den Klager eingeleiteten Ermittlungsverfahren erhoben worden\nsind. \n--- \n| 2 \n--- \n| Im Einzelnen gingen dem folgende Ermittlungs- und Strafverfahren voraus: \n--- \n| 3 \n--- \n| Im Jahre 1982 wurde gegen den Klager wegen mehrfachen Diebstahls, begangen\nin der Zeit zwischen dem 01.04. und dem 12.04.1982 zusammen mit mehreren\nanderen Jugendlichen, ermittelt. Im Zuge der Ermittlungen wurde der Klager\nerkennungsdienstlich behandelt. Das Verfahren kam dadurch zum Abschluss, dass\nder Klager 40 Stunden gemeinnutzige Arbeit in einer Jugendherberge leisten\nmusste. \n--- \n| 4 \n--- \n| Im Jahre 1987 wurde gegen den Klager wegen des Verdachts der gefahrlichen\nKorperverletzung, begangen am 04.03.1987, ermittelt. Das Verfahren wurde durch\nBeschluss des Amtsgerichts Tubingen vom 29.04.1988 (3 Ls 288/87) gem. § 153a\nStPO unter Auferlegung einer Geldbuße von 250,00 DM eingestellt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 23.08.1989 wurde der Klager durch Urteil des Amtsgerichts Reutlingen (7\nLs 116/89) wegen gefahrlicher Korperverletzung, begangen am 12.06.1988, zu\neiner Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, die fur zwei Jahre zur\nBewahrung ausgesetzt wurde. Im Zuge der Ermittlungen wurde der Klager erneut\nerkennungsdienstlich behandelt. \n--- \n| 6 \n--- \n| Im Jahre 1993 wurde gegen den Klager wegen Verdachts des Diebstahls,\nbegangen am 01.08.1993 ermittelt. Das Verfahren wurde von der\nStaatsanwaltschaft Tubingen mit Verfugung vom 22.11.1993 (23 Js 7593/93) gem.\n§ 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da dem Beschuldigten die Tat nicht mit einer\nzur Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachzuweisen sei. Der Tater hatte\nzwar bei Begehung des Diebstahles das Fahrzeug des Klagers benutzt. Allerdings\nkonnte nicht nachgewiesen werden, das es tatsachlich der Klager war, der die\nTat begangen hat. \n--- \n| 7 \n--- \n| Im Jahre 1996 wurde der Klager wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz durch\nillegalen Besitz einer Schusswaffe in den Jahren 1994 und 1995 zu einer\nGeldstrafe von 60 Tagessatzen a 40,00 DM verurteilt. Im Zuge der Ermittlungen\nwurde der Klager erneut erkennungsdienstlich behandelt. \n--- \n| 8 \n--- \n| Im Jahre 1997 wurde gegen den Klager wegen des Verdachts der\nKorperverletzung ermittelt. Dieses Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft\nTubingen mit Beschluss vom 24.02.1997 (14 Js 2750/97) gem. § 170 Abs. 2 StPO\nwegen Verzichts auf die Stellung eines Strafantrages durch den Geschadigten\neingestellt. \n--- \n| 9 \n--- \n| In den Jahren 2001 und 2002 wurde gegen den Klager wegen Verdachts der\nBeihilfe zum Betrug ermittelt. Der Klager wurde beschuldigt, einem Dritten\ndurch nachtragliche Ausstellung von Rechnungen dabei behilflich gewesen zu\nsein, bei einer Versicherung auf betrugerische Weise zu einer\nSchadensregulierung zu gelangen. Das Verfahren wurde von der\nStaatsanwaltschaft Tubingen mit Verfugung vom 27.11.2002 (42 Js 13432/01) gem.\n§ 170 Abs. 2 StPO eingestellt. In der Verfugung heißt es, dass die Rechnungen\nnach dem Brand ausgestellt wurden, dem Klager jedoch nicht nachzuweisen sei,\ndass er einen Betrug habe unterstutzen wollen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Schließlich wurde gegen den Klager im Jahre 2004 wegen des Verdachts der\nKorperverletzung, begangen am 18.07.2004, ermittelt. Dem Klager wurde\nvorgeworfen, unter Alkoholeinfluss eine andere Person geschlagen zu haben.\nGegen den Klager wurde deshalb per Strafbefehl vom 09.02.2005 eine Geldstrafe\nvon 30 Tagessatzen a 50,00 EUR verhangt. \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit Schreiben vom 07.01.2003 beantragte der Klager unter Bezugnahme auf die\nVerfahrenseinstellung im Jahre 2002 bei der Polizeidirektion Tubingen die\nVernichtung samtlicher Identifizierungsunterlagen einschließlich der vom\nKlager gefertigten Lichtbilder, die in den polizeilichen Sammlungen enthalten\nsind. \n--- \n| 12 \n--- \n| Diesen Antrag lehnte die Polizeidirektion Tubingen mit Bescheid vom\n10.07.2003 ab. Zur Begrundung wird im Bescheid ausgefuhrt, die Voraussetzungen\nder Rechtsgrundlage - § 38 Polizeigesetz Baden-Wurttemberg (PolG) - seien in\nBezug auf den Klager erfullt. In keinem der oben angefuhrten strafrechtlichen\nErmittlungsverfahren sei, auch wenn keine Verurteilung erfolgte, der\nTatverdacht zur Ganze ausgeraumt worden. Die Tatsache, dass der Klager seit\n1982 immer wieder polizeilich in Erscheinung getreten sei, darunter zweimal\nwegen Diebstahls und mehrfach wegen Korperverletzung, gebe Grund zu der\nAnnahme, dass er auch kunftig wieder Anlass zu strafrechtlichen Ermittlungen\ngeben werde. Bei entsprechenden kunftigen Ermittlungen wurde die\nAufklarungsarbeit mit den vorhandenen erkennungsdienstlichen Unterlagen\nwesentlich unterstutzt, unter Umstanden durch Lichtbilder und/oder\nFingerabdrucke sogar erst moglich. Daruber hinaus lagen die Voraussetzungen\ndes § 38 Abs. 2 PolG i.V.m. § 5 Abs. 1 Durchfuhrungsverordnung zum\nPolizeigesetz Baden-Wurttemberg (DVO PolG) vor, wonach die Regelfrist zur\nSpeicherung der Daten und der Aufbewahrung der Unterlagen unter anderem bei\nFallen von uberregionaler Bedeutung zehn Jahre betrage. Die oben angefuhrten\nVerurteilungen und sonstigen polizeilichen Erkenntnisse seien Belege dafur,\ndass in Bezug auf den Klager von Straftaten von uberregionaler Bedeutung\nauszugehen sei. Da sich die Fristberechnung nach der jungsten Tatzeit richte,\nsei die Loschung/Vernichtung erst zum 01.12.2006 vorgesehen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Gegen diesen Bescheid legte der Klager mit Schreiben vom 05.08.2003\nWiderspruch ein. Zur Begrundung fuhrte er aus, dass der Klager lediglich in\ndrei Fallen verurteilt worden sei. In diesen drei Fallen sei kein Delikt\ndabei, das uberregionale Bedeutung habe. Es handle sich allesamt um Straftaten\nvon weit unterdurchschnittlicher Schwere, wobei die zuletzt nachgewiesene Tat\nim Jahre 1995 begangen worden sei und die erste Tat, ein Diebstahl von\nStallhasen, nunmehr 21 Jahre zuruckliege und vom Klager im jugendlichen Alter\nbegangen worden sei. Weiter fuhrte der Klager aus, dass er heute sehr\nerfolgreich ein Elektrounternehmen betreibe. Diesem Betrieb sei es hochst\nabtraglich, wenn seine Lichtbilder immer wieder in Wahllichtbildervorlagen\nverwendet wurden. Denn jeder, dem diese Lichtbilder vorgelegt wurden, konne\ndaraus schließen, dass der Klager in der Vergangenheit strafrechtlich in\nErscheinung getreten sei. \n--- \n| 14 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2003, dem Klager zugestellt am\n18.09.2003, wies das Regierungsprasidium Tubingen den Widerspruch des Klagers\nmit im Wesentlichen gleicher Begrundung wie im Ausgangsbescheid zuruck. Die\nVoraussetzungen der Rechtsgrundlage - § 36 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 38 Abs. 1\nPolG Baden-Wurttemberg - seien beim Klager zum gegenwartigen Zeitpunkt\nerfullt. Die Regelfrist fur die Überprufung der weiteren Aufbewahrung von\npolizeilichen Unterlagen betrage nach § 38 Abs. 2 PolG i.V.m. § 5 DVO PolG\nunter anderem bei Fallen von uberregionaler Bedeutung zehn Jahre. Fur die\nBewertung von Straftaten als uberregional sei nicht allein die Schwere der\neinzelnen Straftat bedeutsam, sondern auch die Haufung von Straftaten uber\nJahre hinweg zu berucksichtigen. Von uberregionaler Bedeutung konne daher auch\nausgegangen werden, wenn der Tatverdachtige durch wiederholte Tatbegehung\nzeige, dass eine kriminelle Neigung bestehe. Die oben angefuhrten\nVerurteilungen und sonstigen polizeilichen Erkenntnisse seien Belege dafur,\ndass diese Voraussetzungen beim Klager vorlagen. Da sich die Fristberechnung\nnach der jungsten Tatzeit, im vorliegenden Fall sei dies der 18.11.1997,\nrichte, sei die Loschung/Vernichtung - soweit keine weiteren Erkenntnisse im\nRahmen von Ermittlungsverfahren zugespeichert/aufgenommen werden mussen - zum\n01.12.2006 vorgesehen. Da gleichermaßen zielfuhrende, den Klager jedoch\nweniger belastende Maßnahmen nicht ersichtlich seien, musse dessen\npersonliches Interesse an der Vernichtung der Unterlagen gegenuber dem\nAnspruch der Allgemeinheit an die staatlichen Organe, alle rechtmaßig\nerforderlichen Voraussetzungen fur die Aufklarung von Straftaten zu schaffen,\nzurucktreten. \n--- \n| 15 \n--- \n| Am 16.10.2003 hat der Klager Klage zum Verwaltungsgericht Sigmaringen\nerhoben. Zur Begrundung hat der Klager zunachst die Rechtsauffassung geaußert,\ndass bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 38 PolG vorliegen, alle\ndie festgehaltenen Straftaten auszuscheiden haben, die eingestellt worden\nseien. Wenn keine Anklage mangels hinreichenden Tatverdachtes erfolge, gebe es\nauch keinen Anlass, die Vorgange zur Begrundung der Speicherung\npersonenbezogener Daten heranzuziehen. Somit blieben drei Straftaten ubrig,\nmit denen die Speicherung der Daten begrundet werden konnte, namlich der\nWaffenbesitz im Jahre 1996, die gefahrliche Korperverletzung im Jahre 1988 und\nder Hasendiebstahl im Jahre 1982. Bei der letztgenannten Tat handle es sich um\ndie Verfehlung Jugendlicher von außerst harmloser Art, so dass sich aus diesem\nVorgang kaum der Schluss herleiten lasse, dass der Antragsteller zukunftig\nwieder Straftaten begehen werde. Immerhin liege der Vorgang schon 21 Jahre\nzuruck und der Antragsteller sei damals 16 Jahre alt gewesen. Was die\ngefahrliche Korperverletzung im Jahre 1988 angehe, sei dies zwar eine\nschwerwiegende Straftat. Allerdings liege diese heute 15 Jahre zuruck; der\nKlager sei zum Zeitpunkt der Tat 22 Jahre alt gewesen. Zur Tatausfuhrung sei\nzudem anzumerken, dass der Klager einem Freund, der von drei Personen mit\nerheblicher krimineller Vergangenheit massiv tatlich angegriffen worden sei,\nzunachst Nothilfe geleistet, und dass er jedenfalls von sich aus nicht die\nInitiative zu einer kriminellen Handlung ergriffen habe. Der Klager sei seit\ndieser Zeit nicht mehr wegen einer Korperverletzung straffallig geworden, so\ndass der lange Zeitraum heute die Gewahr biete, dass der Klager eben gerade\nnicht mehr einschlagig straffallig werden werde. Was schließlich die zuletzt\ngeahndete Straftat aus dem Jahre 1996 angehe, seien seit dieser sieben Jahre\nvergangen. Der Unrechtsgehalt dieser Straftat sei als außerst gering\neinzuschatzen. Die beim Klager gefundene Waffe habe von seinem Großvater\ngestammt, die dieser ganz offensichtlich als Erinnerungsstuck aufbewahrt habe.\nDie Waffe sei nicht schusstauglich gewesen, so dass von ihr keinerlei Gefahr\nausgehen konnte. Daher sei davon auszugehen, dass diese Tat nicht geeignet sei\nzu begrunden, dass der Klager zukunftig wieder straffallig auffallig werden\nwerde. Aus diesem Grunde hatte bereits die letzte Prufung, ob personenbezogene\nDaten zu speichern seien, bezuglich dieser Tat ergeben mussen, dass keine\nAnhaltspunkte fur zukunftige Straftaten bestunden und die Daten nicht weiter\nzu speichern seien. Weiter hat der Klager vorgetragen, die Speicherung seiner\nDaten und die Verwendung seiner Lichtbilder bei der polizeilichen\nErmittlungsarbeit werfe ein ausgesprochen schlechtes Bild auf den Klager. Jede\nPerson, die das Bild des Klagers, insbesondere bei Wahllichtbildvorlagen sehe,\nwisse, dass der Klager zumindest fruher strafrechtlich in Erscheinung getreten\nsei, was tatsachlich jedoch weit geringer der Fall gewesen sei, als es den\nAnschein erwecke. Dies bleibe kein polizeiinterner Vorgang, sondern Personen,\ndie den Klager kennen, behielten dies nicht fur sich, so dass der Klager mit\nseinem Elektrounternehmen Wettbewerbsnachteile zu befurchten habe, wenn seine\nVergangenheit als Straftater publik werde. Demnach stehe der zu befurchtende\nwirtschaftliche Nachteil fur den Klager in keinem Verhaltnis zu dem Nutzen,\nden die Speicherung seiner Daten fur die Polizeibehorde mit sich bringe, denn\naufgrund der Gesamtschau der von dem Klager begangenen Straftaten und dem\nZeitablauf sei nicht mehr davon auszugehen, dass der Klager zukunftig weitere\nStraftaten begehen werde. \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 17 \n--- \n| die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Landespolizeidirektion\nTubingen vom 10.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des\nRegierungsprasidiums Tubingen vom 15.09.2003 zu verpflichten, die\nerkennungsdienstlichen, wie auch die ubrigen polizeilichen Unterlagen, die den\nKlager betreffen, zu vernichten sowie die entsprechenden Daten in den\npolizeilichen Dateien zu loschen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 19 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Zur Begrundung hat er zusatzlich zum bisherigen Vortrag ausgefuhrt, dass\nder Klager verkenne, dass die Speicherung/Aufbewahrung von Daten/Unterlagen\nselbst bei einer Einstellung des Verfahrens gem. § 170 Abs. 2 StPO in Betracht\nkomme, soweit ein verbleibender Restverdacht - und nur auf diesen sei\nvorliegend bei der Speicherung der Daten abgestellt worden - noch gegeben sei.\nZu den einzelnen Ermittlungsverfahren sei wie folgt Stellung zu nehmen: Was\nden Diebstahl im Jahre 1982 angehe, konne die zu Tage getretene kriminelle\nEnergie aufgrund der mehrfachen und der Tatbegehung in der Gruppe nicht\nverharmlost werden. Es handle sich auch nicht um einen Fall von geringer\nBedeutung im Sinne des § 5 Abs. 3 DVO PolG. Denn dies sei nach § 5 Abs. 4 DVO\nPolG bei gewohnheitsmaßiger Begehung zu verneinen. Gewohnheitsmaßig handle im\nallgemeinen, wer durch wiederholte Tatbegehung erkennen lasse, dass eine\nkriminelle Neigung vorliege, weshalb im Regelfall bei Begehung mehrerer\nStraftaten, die einzeln gesehen durchaus von vergleichsweise geringerem\nUnrechtsgehalt sein konnten, nicht von Fallen geringerer Bedeutung im Sinne\ndes § 5 Abs. 3 DVO PolG auszugehen sei. Hinsichtlich des vom Klager\neingewandten Zeitablaufs bleibe festzuhalten, dass der Klager die seinerzeit\nprognostizierte Wiederholungsgefahr durch die in der Folge begangenen weiteren\nStraftaten bestatigt habe. Was weiter das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts\nder gefahrlichen Korperverletzung im Jahre 1987 angehe, sei dieses zwar gem. §\n153a StPO eingestellt worden. Die Auferlegung einer Geldbuße bedeute jedoch\ngleichzeitig, dass eine - wenn auch geringe - Schuld des Beschuldigten\nfestgestellt, mithin der Tatverdacht nicht ganzlich ausgeraumt worden sei. Im\nHinblick auf das Ermittlungsverfahren im Jahre 1993 wegen Verdachts des\nDiebstahles ergebe sich der verbleibende Restverdacht daraus, dass der Klager\nHalter des tatbeteiligten Fahrzeuges gewesen sei und er im Übrigen keine\nAngaben gemacht habe, die den Verdacht hatten ausraumen konnen. Was die\nVerurteilung des Klagers wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz im Jahre 1996\nangehe, seien im Zusammenhang mit der Prufung der Rechtmaßigkeit der Fortdauer\nder Datenspeicherung zur vorbeugenden Bekampfung von Straftaten weder die\nUmstande des Waffenbesitzes noch die Funktionsfahigkeit der Waffe von Belang.\nIn Bezug auf die im Jahre 1997 und im Jahre 2002 gem. § 170 Abs. 2 StPO\neingestellten Ermittlungsverfahren sei schließlich festzuhalten, dass die\nUnschuldsvermutung einer weiteren Speicherung der Daten und Aufbewahrung der\nUnterlagen uber ein Beschuldigten nicht entgegen stehe, wenn in dem Verfahren\nnicht jeglicher Tatverdacht ausgeraumt worden sei. Dies sei hier, da die\nEinstellung einmal wegen Verzichts auf die Stellung eines Strafantrages durch\nden Geschadigten (14 Js 2750/97), das andere Mal mangels Tatnachweises (42 Js\n13423/01) erfolgte, der Fall gewesen. Insgesamt seien in diesem Sinne alle\nVorgange mit dem Hinblick auf die Rechtmaßigkeit ihrer Speicherung gepruft\nworden. Dagegen spreche auch nicht, dass seit der letzten angezeigten Straftat\nca. sieben Jahre vergangen seien. Die Speicher- bzw. Aufbewahrungsfrist fur\ndie vom Klager gespeicherten Daten und vorgehaltenen Unterlagen sei gem. § 5\nAbs. 2 Nr. 2 DVO PolG auf 10 Jahre festgelegt worden, da beim Klager aufgrund\nder zahlreichen, teils gravierenden strafrechtliche Ermittlungsverfahren im\nVerlaufe von 15 Jahren von einer „gewohnheitsmaßigen Begehung" im Sinne von §\n5 Abs. 4 DVO PolG auszugehen sei. Die Speicherfrist orientiere sich an der\njungsten Tatzeit, weshalb - vorbehaltlich keiner weiteren hinzukommenden\npolizeilichen Erkenntnisse - die Loschung zum 01.12.2006 vorgesehen sei. Auch\ndas Vorbringen, dass eine Verwendung der gespeicherten Daten im Einzelfall fur\nden Klager zu Wettbewerbsnachteilen fuhren konne, andere an der Rechtmaßigkeit\nder Speicherung nichts. Die gespeicherten Daten sowie die vorgehaltenen Akten\neinschließlich der Lichtbilder und Fingerabdrucke, seien grundsatzlich\nausschließlich fur die polizeiinterne Nutzung bestimmt. Es konne dabei\nunterstellt werden, dass bei der entsprechenden Verwendung der Unterlagen\njeweils fachkundig und daher auch mit entsprechender Sensibilitat vorgegangen\nwerde. \n--- \n| 21 \n--- \n| Mit Schreiben vom 15.02.2005 hat die Beklagte erganzend vorgetragen, der\nerneute Vorgang aus dem Jahre 2004 bestatige die Wiederholungsgefahr fur\nweitere strafrechtlich relevante Taten. Aufgrund dieses Vorfalls verlangere\nsich das Aussonderungsdatum erneut. \n--- \n| 22 \n--- \n| Dem Gericht haben die Behordenakten der Beklagten ebenso wie die\nErmittlungsakten der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren 42 Js 13423/01\nvorgelegen. Hierauf und auf die gewechselten Schriftsatze wird erganzend Bezug\ngenommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 23 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Denn dem Klager steht zum\nZeitpunkt der mundlichen Verhandlung kein Anspruch auf Vernichtung der uber\nihn vorhandenen erkennungsdienstlichen Unterlagen und personenbezogenen Daten\nzu (§ 113 Abs. 5 VwGO). \n--- \n| 24 \n--- \n| Der vom Klager gestellte Antrag auf Loschung der ihn betreffenden\nerkennungsdienstlichen Unterlagen und personenbezogenen Daten beurteilt sich\nnach § 38 Abs.1 Satz 4 PolG, denn Rechtsgrundlage fur die Aufbewahrung und\nSpeicherung ist § 38 Abs.1 PolG. Diese landesrechtliche Bestimmung ist auch in\nFallen der erkennungsdienstlichen Behandlung eines Beschuldigten nach § 81b\nStPO anwendbar, insbesondere, wenn die Erhebung der Daten ohnehin bereits zu\npraventiven Zwecken auf der Grundlage des § 81 b 2. Alt. StPO erfolgt ist.\nDenn § 481 StPO steht der Anwendung hinreichend bestimmter\nbereichsspezifischer landesrechtlicher Rechtsgrundlagen fur die Speicherung,\nVeranderung und Nutzung von Daten zu praventiv-polizeilichen Zwecken nicht\nentgegen (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 18.12.2003, VBlBW 2004, 214; Urt. v.\n27.09.1999, NVwZ-RR 2000, 287). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach § 38 Abs.1 Satz 1 PolG kann der Polizeivollzugsdienst personenbezogene\nDaten, die ihm im Rahmen von Ermittlungsverfahren bekannt geworden sind,\nspeichern, verandern und nutzen, soweit und solange dies zur Abwehr einer\nGefahr oder zur vorbeugenden Bekampfung von Straftaten erforderlich ist. Zur\nvorbeugenden Bekampfung von Straftaten ist die Speicherung, Veranderung und\nNutzung personenbezogener Daten erforderlich, wenn die betreffende Person\nverdachtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und tatsachliche\nAnhaltspunkte dafur vorliegen, dass sie kunftig eine Straftat begehen wird (§\n38 Abs.1 Satz 2 PolG). Die fur die weitere Speicherung, Veranderung und\nNutzung personenbezogener Daten zur vorbeugenden Verbrechensbekampfung -\nkumulativ zum Tatverdacht - gesetzlich geforderten tatsachlichen Anhaltspunkte\nfur eine Wiederholungsgefahr konnen sich nach der - nicht abschließenden -\nAufzahlung in § 38 Abs. 1 Satz 3 PolG insbesondere aus Art, Ausfuhrung und\nSchwere der Tat ergeben. Diese Voraussetzungen fur die Zulassigkeit der\nSpeicherung, Veranderung und Nutzung personenbezogener Daten aus\nErmittlungsverfahren durch den Polizeivollzugsdienst und gegebenenfalls fur\ndie Loschung dieser Daten raumen der Behorde kein Ermessen und auch keinen\nBeurteilungsspielraum ein. Auch die gesetzlich geforderte Abwagung zwischen\ndem offentlichen Interesse an der Speicherung der Daten und dem gegenlaufigen\npersonlichen Interesse des Betroffenen, wie sie durch den\nErforderlichkeitsvorbehalt in § 38 Abs. 1 Satz 1 PolG ("... soweit und solange\n... erforderlich ist.") nach Maßgabe des Verhaltnismaßigkeitsgrundsatzes\nvorausgesetzt wird, ist der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle\nunterworfen. Bei der Beurteilung der sich aus den tatsachlichen Anhaltspunkten\nerschließenden Wiederholungsgefahr (§ 38 Abs. 1 Satze 2 u. 3 PolG) steht dem\nPolizeivollzugsdienst allerdings ein Prognosespielraum zu (vgl. zum Ganzen VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 26.05.1992, VBlBW 1993, 13). \n--- \n| 26 \n--- \n| Gemessen an diesen Voraussetzungen steht dem Klager ein Anspruch auf\nVernichtung der uber ihn vorhandenen erkennungsdienstlichen Unterlagen und\npersonenbezogenen Daten nicht zu. Denn die Beklagte geht zu Recht davon aus,\ndass die Speicherung der den Klager betreffenden personenbezogenen Daten\nweiterhin zur Bekampfung von Straftaten erforderlich und damit zulassig ist. \n--- \n| 27 \n--- \n| Gegenstand der gespeicherten Daten sind - soweit streitbefangen - sieben\ndurch Polizeidienststellen des Beklagten durchgefuhrte Ermittlungsverfahren\naus dem Zeitraum 1982 bis 2002, denen der Verdacht von Straftaten aus den\nBereichen Korperverletzung, Diebstahl und Betrug sowie in einem Fall des\nVerstoßes gegen das Waffengesetz zu Grunde lagen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Diese sieben Taten begangen zu haben, die Gegenstand der gespeicherten\nDaten sind, ist der Klager verdachtig (§ 38 Abs.1 Satz 2 1.Halbs. PolG).\nSoweit die Ermittlungsverfahren zur Verurteilung des Klagers gefuhrt haben\n(Taten im Zeitraum 01.04. bis 12.04.1982, vom 12.06.1988 und Verstoß gegen das\nWaffengesetz in den Jahren 1994 und 1995), wird dies auch vom Klager nicht in\nFrage gestellt. In dem Fall, in dem es zur Einstellung des Verfahrens nach §\n153a StPO (Ereignis vom 04.03.1987) gekommen ist, besteht gleichfalls ein\nTatverdacht gegen den Klager, denn der hinreichende Tatverdacht ist\nVoraussetzung fur die Zulassigkeit der Einstellung nach § 153 a StPO (vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 26.05.1992, a.a.O.). Ein Tatverdacht besteht schließlich\nauch insoweit, als die Ermittlungsverfahren gegen den Klager gem. § 170 Abs.2\nStPO eingestellt worden sind. Entgegen der Auffassung des Klagers schließt die\nVerfahrenseinstellung nach § 170 Abs.2 StPO einen gegen den Beschuldigten\nfortbestehenden Tatverdacht nicht notwendig aus, sofern ein erheblicher\n„Restverdacht" bestehen bleibt. Dem steht Art. 6 Abs.2 MRK, wonach bis zum\ngesetzlichen Nachweis seiner Schuld vermutet wird, dass der wegen einer\nstrafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist, nicht entgegen, denn diese\nVermutung beruhrt die polizeiliche Ermittlungstatigkeit bei konkreten\nVerdachtsmomenten nicht (VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 23.02.1987 - 1 S 2808/86 -,\nNJW 1987, 2764). Ob ein „Restverdacht" in diesem Sinne vorliegt, ist anhand\nder Ermittlungsakten und insbesondere des Einstellungsbeschlusses\nfestzustellen (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 26.05.1992, a.a.O.; Urteile v.\n23.02.1987 - 1 S 2624/86 - NJW 1987, 2763 und - 1 S 2808/86 - NJW 1987, 2764);\nhinsichtlich der drei Verfahrenseinstellungen nach § 170 Abs.2 StPO ist dies\nder Fall. \n--- \n| 29 \n--- \n| Fur das Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1993 (23 Js 7593/93,\nEinstellungsverfugung vom 22.11.1993) folgt dies daraus, dass trotz der\nEinstellung die durch konkrete Tatsachen hervorgerufenen objektiven\nVerdachtsmomente nicht widerlegt worden sind. Der begangene Diebstahl ist von\neinem Zeugen immerhin so genau beobachtet worden, dass dieser Farbe und\nKennzeichen des mitgefuhrten PKW angeben konnte. Aufgrund dieser Angaben\nkonnte der PKW des Klagers als Tatfahrzeug identifiziert werden. Da der Klager\nbei der anschließenden Vernehmung keine Angaben machte, konnten die\nZusammenhange nicht aufgeklart, mithin die gegen ihn bestehenden\nVerdachtsmomente nicht vollstandig ausgeraumt werden. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Fur das Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1997 (14 Js 2750/97,\nEinstellungsverfugung vom 24.02.1997) ergibt sich der „Restverdacht" zunachst\naus dem Umstand, dass der Klager bei seiner damaligen Vernehmung angegeben\nhatte, sich zwar alkoholbedingt nicht mehr erinnern, jedoch auch nicht\nausschließen zu konnen, die Tat begangen zu haben. Hinzu kommt, dass die\nEinstellung nicht mangels hinreichenden Tatverdachts, sondern wegen fehlenden\nStrafantrags des Geschadigten aus Rechtsgrunden erfolgte. \n--- \n| 31 \n--- \n| Schließlich besteht auch hinsichtlich des Ermittlungsverfahrens in den\nJahren 2001 und 2002 (42 Js 13432/01, Einstellungsverfugung vom 27.11.2002)\nein fur § 38 Abs.1 Satz 2 PolG erheblicher „Restverdacht". Dies folgt zunachst\naus den Grunden der Einstellungsverfugung, wonach der gegen den Klager\ngerichtete Tatverdacht im Ermittlungsverfahren keineswegs ausgeraumt werden\nkonnte, sondern vielmehr „etliche Ungereimtheiten" verblieben sind. Bestatigt\nwird dies durch die der Kammer vorliegenden Ermittlungsakten. So ergibt sich\nbeispielsweise aus dem abschließenden Ermittlungsbericht des Dezernats S/OK\nvom 29.08.2001, dass eine Musikanlage, die sich zum Brandzeitpunkt im Gebaude\nbefunden haben soll, nicht - wie gegenuber der Versicherung angegeben - im\nEigentum des Beschuldigten D., sondern des Klagers gestanden hatte. Weiter\nkonnte festgestellt werden, dass eine Rechnung fur diese Anlage erst 4 Tage\nnach dem Brand ausgestellt worden war. Aufgrund dieser Umstande war der\nVerdacht entstanden, der Klager habe „durch Erstellung einer falschen Rechnung\nWiederbeschaffungskosten fur den Beschuldigten D. in Hohe von DM 3.945,19\nvorgetauscht, obwohl laut Lieferantenrechnung ihm als Eigentumer der\nMusikanlage lediglich ein Schaden in Hohe von netto DM 1.950,-- entstanden"\nsei. Diese objektiven Verdachtsmomente konnten durch den Klager nicht\nvollstandig ausgeraumt werden. Insbesondere konnte der Klager ausweislich\neines Berichtes des Dezernats S/OK vom 23.07.2001 fur die Musikanlage weder\nAusgangsrechnungen vorlegen noch Zahlungseingange nachweisen. Die Einstellung\nvom 27.11.2002 erfolgte daher letztlich nur, weil dem Klager nicht\nnachzuweisen war, „dass er einen Betrug des getrennt verfolgten D. hat\nunterstutzen wollen". \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Zu Recht geht der Beklagte auch von einer fortbestehenden\nWiederholungsgefahr in der Person des Klagers aus (§ 38 Abs. 1 Satz 3 und 4\nPolG). Im Hinblick auf die Vielzahl der dem Klager zur Last gelegten\nStrafgesetzverstoße und die zum Teil - namlich was den Verdacht der\nKorperverletzung angeht - strukturelle Ähnlichkeit der Taten sieht die Kammer\nkeinen Anlass, an der Berechtigung dieser Prognose zu zweifeln. Der Klager ist\nimmerhin zumindest in sieben Fallen wahrend eines langeren Zeitraums von rund\n20 Jahren strafrechtlich in Erscheinung getreten. Eine Gleichartigkeit der\nGesetzverstoße liegt dabei jedenfalls insoweit vor, als in drei Fallen wegen\neinfacher oder gefahrlicher Korperverletzung ermittelt worden ist. Es ist\nnicht erkennbar, dass der Klager inzwischen von der insoweit gezeigten\nGewaltbereitschaft in Konfliktsituationen Abstand genommen hatte. Im Gegenteil\nwird die vom Beklagten schon zu Beginn dieses Verfahrens beim Klager\nangenommene Wiederholungsgefahr dadurch bestatigt, dass gegen ihn im Jahre\n2004 erneut wegen des Verdachts der Korperverletzung ermittelt worden ist;\nwegen des Vorwurfs, unter Alkoholeinfluss eine andere Person geschlagen zu\nhaben, ist gegen den Klager am 09.02.2005 Strafbefehl ergangen. Die\nIndizwirkung dieses Vorfalls wird auch nicht dadurch beseitigt, dass der\nKlager nach seinen Angaben gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt hat. Denn\nselbst bei Erfolg des Einspruchs ware das Vorliegen eines Tatverdachts im\nSinne des § 38 Abs.1 Satz 2 PolG nicht in Abrede gestellt, da Voraussetzung\nfur einen Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft das Vorliegen eines\nhinreichenden Tatverdachts ist (vgl. § 407 Abs.1 Satz 4 StPO). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Mit dem festgestellten Tatverdacht in den sieben Fallen aus den Jahren 1982\nbis 2002 und der auf tatsachlichen Anhaltspunkten beruhenden\nWiederholungsgefahr sind die Voraussetzungen erfullt, unter denen der\ngeneralisierenden Wertung des Gesetzgebers in § 38 Abs. 1 Satz 2 und 3 PolG\nzufolge die Speicherung der personenbezogenen Daten aus diesen\nErmittlungsverfahren zur vorbeugenden Bekampfung von Straftaten erforderlich\nist (§ 38 Abs. 1 Satz 1 PolG). Steht dies fest, kann die Behorde im Regelfall\ndavon ausgehen, dass die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten bis\nzum Ablauf der gesetzlichen Regelspeicherfristen (§ 38 Abs. 2 Satz 2 PolG)\ngeboten und damit zulassig ist. Dies entspricht erkennbar der Wertung des\nGesetzgebers, der mit den Fristen in § 38 Abs. 2 Satz 2 PolG nicht nur den\nZeitpunkt bestimmt hat, nach dem der Polizeivollzugsdienst spatestens von Amts\nwegen zu uberprufen hat, ob die weitere Speicherung der personenbezogenen\nDaten noch erforderlich ist (§ 38 Abs. 2 Satz 1 PolG), sondern damit zugleich\nden zeitlichen Rahmen abgesteckt hat, nach dessen Ablauf die personenbezogenen\nDaten im Regelfall zu loschen sind (§ 38 Abs. 3 Satz 2 PolG). Bis zum Ablauf\ndieser Fristen jedoch geht der Gesetzgeber grundsatzlich von der\nErforderlichkeit der nach § 38 Abs. 1 PolG zulassigerweise gespeicherten Daten\naus (so § 38 Abs. 1 Satz 2 PolG, vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 26.05.1992,\na.a.O.). Die Loschung der Daten vor Ablauf der Regelspeicherfristen ist danach\nnur im Ausnahmefall geboten, wenn die Überprufung im Einzelfall (§ 46 Abs. 1\nSatz 1 Nr. 2 PolG) ergibt, dass die weitere Speicherung der personenbezogenen\nDaten fur den Polizeivollzugsdienst nicht mehr zur Abwehr einer Gefahr oder\nzur vorbeugenden Bekampfung von Straftaten erforderlich ist (§ 38 Abs. 1 Satz\n1 PolG). Dies kann bei der Speicherung von Daten zur vorbeugenden Bekampfung\nvon Straftaten etwa der Fall sein bei Wegfall der Wiederholungsgefahr (§ 38\nAbs. 1 Satze 2 u. 3 PolG) oder wenn besondere Umstande die\nUnverhaltnismaßigkeit der weiteren Datenspeicherung fur den Betroffenen\nbegrunden. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die gesetzliche Regelspeicherfrist, die fur die vom Klager gespeicherten\nDaten 5 Jahre betragt (§ 38 Abs. 2 Satz 2 PolG i. V. m. § 5 Abs.1 Nr.1 DVO\nPolG), ist fur die von ihm gespeicherten Daten noch nicht abgelaufen. Aus\ndiesem Grunde kommt es auch nicht darauf an und kann folglich dahinstehen, ob\n- wie der Beklagte meint - in Bezug auf den Klager uberregional bedeutsame\nStraftaten im Sinne des § 5 Abs.2 Nr.3 DVO PolG vorliegen, welche eine\n10jahrige Speicherfrist auslosen wurden. Die Frist beginnt gemaß § 38 Abs.3\nSatz 1 PolG fruhestens mit Bekanntwerden des neuerlichen Vorfalls vom\n18.07.2004 zu laufen. Denn maßgeblich fur die Fristberechnung ist der\nZeitpunkt, an dem der Polizeivollzugsdienst Kenntnis von dem zeitlich letzten\nVerdacht gegen den Betroffenen erhalten hat, eine mit Strafe bedrohte Handlung\nbegangen zu haben (ebenso VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 27.09.1999, a.a.O.; Urt. v.\n26.05.1992, a.a.O; Wolf/Stephan, Polizeigesetz Baden-Wurttemberg, § 38 Rdnr.\n12). Diese Auslegung ist mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar und erscheint der\nKammer im Hinblick auf den Zweck der Speicherung - die Aufklarungsarbeit fur\nden Fall, dass der Klager in den Kreis der Verdachtigen fiele, zu erleichtern\n- auch geboten. \n--- \n| 35 \n--- \n| Ein Anspruch des Klagers ergibt sich auch nicht unter Berucksichtigung von\n§ 46 Abs.1 Nr.2 i. V. m. § 38 Abs.2 PolG daraus, dass bereits zu einem\nfruherem Zeitpunkt eine Überprufung zur Vernichtung der Daten hatte fuhren\nmussen. Denn selbst wenn man den neuerlichen Vorfall aus dem Jahre 2004\nunberucksichtigt ließe, ware die 5jahrige Regelspeicherfrist noch nicht\nabgelaufen. Maßgeblich kame es dann auf das Ermittlungsverfahren wegen\nBeihilfe zum Betrug aus den Jahren 2001 und 2002 an, wobei die Frist gemaß §\n38 Abs.3 Satz 1 PolG fruhestens am 30.03.2001 mit Übersendung der Allianz-\nSchadensakten, welche u. a. die nachtraglich ausgestellten Rechnungen des\nKlagers enthalten hatten, zu laufen begonnen hat. Etwas anderes ergibt sich\nauch nicht aus dem Umstand, dass das objektive Ereignis - der Brand des\nClubheims „M. B." \\- bereits am 05.10.1996 stattgefunden hat. Entscheidend fur\nden Fristbeginn ist namlich - wie bereits ausgefuhrt - der Zeitpunkt, an dem\nder Polizeivollzugsdienst Kenntnis von dem Verdacht gegen den Betroffenen\nerhalten hat. Der Klager kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf kurzere\nRegelspeicherfristen berufen. Gemaß § 38 Abs.2 Satz 4 PolG i. V. m. § 5 Abs.3\nSatz 1 DVO PolG verkurzt sich die Frist in „Fallen von geringer Bedeutung" auf\n3 Jahre. Ein Fall geringer Bedeutung, der eine Verkurzung der 5jahrigen\nRegelspeicherfrist bei den vom Klager gespeicherten Daten gebieten wurde,\nliegt bei ihm indes nicht vor. Die in den Jahren 1982 bis 2002 erfassten\nEreignisse sind nach dem Gegenstand des zugrunde liegenden Tatvorwurfs, vor\nallem jedoch im Hinblick auf ihre Haufung und hinsichtlich der Tatmotivation\nzum Teil strukturellen Gleichartigkeit nicht von geringer Bedeutung. Was den\nBetrugsverdacht aus den Jahren 2001 und 2002 angeht, kommt hinzu, dass sich\ndie im Raum stehende Schadenshohe ausweislich der Einstellungsverfugung auf\nca. 5.400,-- DM belaufen hat. Der fur die Annahme eines Regelfalls geringer\nBedeutung (§ 5 Abs.3 Satz 2 DVO PolG) eingeraumte Schadensbereich von maximal\n500,-- DM ist damit weit uberschritten. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die weitere Speicherung der Daten belastet den Klager schließlich auch\nnicht in unverhaltnismaßiger Weise. Gegenuber dem dargelegten berechtigten\nInteresse des Polizeivollzugsdienstes am weiteren Zugriff auf die von dem\nKlager gespeicherten Daten muss dessen Interesse, nicht mehr durch die\nfortdauernde Datenspeicherung uber ihm zur Last gelegte fruhere\nStrafgesetzverstoße belastet zu sein, zurucktreten. Hieran vermag auch der vom\nKlager geaußerte Umstand, dass er ein Elektrounternehmen betreibt und insoweit\nWettbewerbsnachteile befurchtet, nichts zu andern. Zum einen stuft die Kammer\ndie Moglichkeit, das die uber den Klager gespeicherten Daten an Unbefugte\nseitens der Polizeidienststellen weitergegeben werden, als sehr gering ein.\nZum anderen ist auch zu gewartigen, dass die Speicherung der Daten letztlich\nauf dem bewussten Verhalten des Klagers beruht, dass ihn dem berechtigten\nVerdacht aussetzte, gegen waffen- und strafrechtliche Vorschriften verstoßen\nzu haben, und dass sich die zu Recht angenommene Wiederholungsgefahr erst\nkurzlich in einem weiteren Ermittlungsverfahren gegen den Klager realisiert\nhat. Angesichts dessen mussen etwaige Nachteile, die sich eventuell daraus\nergeben konnen, dass Lichtbilder des Klagers in Wahllichtbildvorlagen\nverwendet werden, vom Klager hingenommen werden; dies zumal solche\nWahllichtbildvorlagen - wie der Vertreter des Beklagten in der mundlichen\nVerhandlung ausgefuhrt hat - nicht vollig wahllos, sondern aufgrund\nkriminalistischer Erfahrung im Einzelfall unter Berucksichtigung von Bezugen\nund Zusammenhangen zur Person eines Verdachtigen zusammengestellt werden. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer hatte keine\nVeranlassung, das Urteil hinsichtlich der Kosten fur vorlaufig vollstreckbar\nzu erklaren (§ 167 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Berufung gegen dieses Urteil war durch das Verwaltungsgericht nicht\ngemaß § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, da keiner der in § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder\n4 VwGO abschließend aufgezahlten Zulassungsgrunde vorliegt. Unbenommen bleibt\nder Antrag auf Zulassung (vgl. die Rechtsmittelbelehrung), uber den gemaß §\n124 a Abs. 4, 5 VwGO der VGH Baden-Wurttemberg entscheidet. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 23 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Denn dem Klager steht zum\nZeitpunkt der mundlichen Verhandlung kein Anspruch auf Vernichtung der uber\nihn vorhandenen erkennungsdienstlichen Unterlagen und personenbezogenen Daten\nzu (§ 113 Abs. 5 VwGO). \n--- \n| 24 \n--- \n| Der vom Klager gestellte Antrag auf Loschung der ihn betreffenden\nerkennungsdienstlichen Unterlagen und personenbezogenen Daten beurteilt sich\nnach § 38 Abs.1 Satz 4 PolG, denn Rechtsgrundlage fur die Aufbewahrung und\nSpeicherung ist § 38 Abs.1 PolG. Diese landesrechtliche Bestimmung ist auch in\nFallen der erkennungsdienstlichen Behandlung eines Beschuldigten nach § 81b\nStPO anwendbar, insbesondere, wenn die Erhebung der Daten ohnehin bereits zu\npraventiven Zwecken auf der Grundlage des § 81 b 2. Alt. StPO erfolgt ist.\nDenn § 481 StPO steht der Anwendung hinreichend bestimmter\nbereichsspezifischer landesrechtlicher Rechtsgrundlagen fur die Speicherung,\nVeranderung und Nutzung von Daten zu praventiv-polizeilichen Zwecken nicht\nentgegen (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 18.12.2003, VBlBW 2004, 214; Urt. v.\n27.09.1999, NVwZ-RR 2000, 287). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach § 38 Abs.1 Satz 1 PolG kann der Polizeivollzugsdienst personenbezogene\nDaten, die ihm im Rahmen von Ermittlungsverfahren bekannt geworden sind,\nspeichern, verandern und nutzen, soweit und solange dies zur Abwehr einer\nGefahr oder zur vorbeugenden Bekampfung von Straftaten erforderlich ist. Zur\nvorbeugenden Bekampfung von Straftaten ist die Speicherung, Veranderung und\nNutzung personenbezogener Daten erforderlich, wenn die betreffende Person\nverdachtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und tatsachliche\nAnhaltspunkte dafur vorliegen, dass sie kunftig eine Straftat begehen wird (§\n38 Abs.1 Satz 2 PolG). Die fur die weitere Speicherung, Veranderung und\nNutzung personenbezogener Daten zur vorbeugenden Verbrechensbekampfung -\nkumulativ zum Tatverdacht - gesetzlich geforderten tatsachlichen Anhaltspunkte\nfur eine Wiederholungsgefahr konnen sich nach der - nicht abschließenden -\nAufzahlung in § 38 Abs. 1 Satz 3 PolG insbesondere aus Art, Ausfuhrung und\nSchwere der Tat ergeben. Diese Voraussetzungen fur die Zulassigkeit der\nSpeicherung, Veranderung und Nutzung personenbezogener Daten aus\nErmittlungsverfahren durch den Polizeivollzugsdienst und gegebenenfalls fur\ndie Loschung dieser Daten raumen der Behorde kein Ermessen und auch keinen\nBeurteilungsspielraum ein. Auch die gesetzlich geforderte Abwagung zwischen\ndem offentlichen Interesse an der Speicherung der Daten und dem gegenlaufigen\npersonlichen Interesse des Betroffenen, wie sie durch den\nErforderlichkeitsvorbehalt in § 38 Abs. 1 Satz 1 PolG ("... soweit und solange\n... erforderlich ist.") nach Maßgabe des Verhaltnismaßigkeitsgrundsatzes\nvorausgesetzt wird, ist der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle\nunterworfen. Bei der Beurteilung der sich aus den tatsachlichen Anhaltspunkten\nerschließenden Wiederholungsgefahr (§ 38 Abs. 1 Satze 2 u. 3 PolG) steht dem\nPolizeivollzugsdienst allerdings ein Prognosespielraum zu (vgl. zum Ganzen VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 26.05.1992, VBlBW 1993, 13). \n--- \n| 26 \n--- \n| Gemessen an diesen Voraussetzungen steht dem Klager ein Anspruch auf\nVernichtung der uber ihn vorhandenen erkennungsdienstlichen Unterlagen und\npersonenbezogenen Daten nicht zu. Denn die Beklagte geht zu Recht davon aus,\ndass die Speicherung der den Klager betreffenden personenbezogenen Daten\nweiterhin zur Bekampfung von Straftaten erforderlich und damit zulassig ist. \n--- \n| 27 \n--- \n| Gegenstand der gespeicherten Daten sind - soweit streitbefangen - sieben\ndurch Polizeidienststellen des Beklagten durchgefuhrte Ermittlungsverfahren\naus dem Zeitraum 1982 bis 2002, denen der Verdacht von Straftaten aus den\nBereichen Korperverletzung, Diebstahl und Betrug sowie in einem Fall des\nVerstoßes gegen das Waffengesetz zu Grunde lagen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Diese sieben Taten begangen zu haben, die Gegenstand der gespeicherten\nDaten sind, ist der Klager verdachtig (§ 38 Abs.1 Satz 2 1.Halbs. PolG).\nSoweit die Ermittlungsverfahren zur Verurteilung des Klagers gefuhrt haben\n(Taten im Zeitraum 01.04. bis 12.04.1982, vom 12.06.1988 und Verstoß gegen das\nWaffengesetz in den Jahren 1994 und 1995), wird dies auch vom Klager nicht in\nFrage gestellt. In dem Fall, in dem es zur Einstellung des Verfahrens nach §\n153a StPO (Ereignis vom 04.03.1987) gekommen ist, besteht gleichfalls ein\nTatverdacht gegen den Klager, denn der hinreichende Tatverdacht ist\nVoraussetzung fur die Zulassigkeit der Einstellung nach § 153 a StPO (vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 26.05.1992, a.a.O.). Ein Tatverdacht besteht schließlich\nauch insoweit, als die Ermittlungsverfahren gegen den Klager gem. § 170 Abs.2\nStPO eingestellt worden sind. Entgegen der Auffassung des Klagers schließt die\nVerfahrenseinstellung nach § 170 Abs.2 StPO einen gegen den Beschuldigten\nfortbestehenden Tatverdacht nicht notwendig aus, sofern ein erheblicher\n„Restverdacht" bestehen bleibt. Dem steht Art. 6 Abs.2 MRK, wonach bis zum\ngesetzlichen Nachweis seiner Schuld vermutet wird, dass der wegen einer\nstrafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist, nicht entgegen, denn diese\nVermutung beruhrt die polizeiliche Ermittlungstatigkeit bei konkreten\nVerdachtsmomenten nicht (VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 23.02.1987 - 1 S 2808/86 -,\nNJW 1987, 2764). Ob ein „Restverdacht" in diesem Sinne vorliegt, ist anhand\nder Ermittlungsakten und insbesondere des Einstellungsbeschlusses\nfestzustellen (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 26.05.1992, a.a.O.; Urteile v.\n23.02.1987 - 1 S 2624/86 - NJW 1987, 2763 und - 1 S 2808/86 - NJW 1987, 2764);\nhinsichtlich der drei Verfahrenseinstellungen nach § 170 Abs.2 StPO ist dies\nder Fall. \n--- \n| 29 \n--- \n| Fur das Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1993 (23 Js 7593/93,\nEinstellungsverfugung vom 22.11.1993) folgt dies daraus, dass trotz der\nEinstellung die durch konkrete Tatsachen hervorgerufenen objektiven\nVerdachtsmomente nicht widerlegt worden sind. Der begangene Diebstahl ist von\neinem Zeugen immerhin so genau beobachtet worden, dass dieser Farbe und\nKennzeichen des mitgefuhrten PKW angeben konnte. Aufgrund dieser Angaben\nkonnte der PKW des Klagers als Tatfahrzeug identifiziert werden. Da der Klager\nbei der anschließenden Vernehmung keine Angaben machte, konnten die\nZusammenhange nicht aufgeklart, mithin die gegen ihn bestehenden\nVerdachtsmomente nicht vollstandig ausgeraumt werden. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Fur das Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1997 (14 Js 2750/97,\nEinstellungsverfugung vom 24.02.1997) ergibt sich der „Restverdacht" zunachst\naus dem Umstand, dass der Klager bei seiner damaligen Vernehmung angegeben\nhatte, sich zwar alkoholbedingt nicht mehr erinnern, jedoch auch nicht\nausschließen zu konnen, die Tat begangen zu haben. Hinzu kommt, dass die\nEinstellung nicht mangels hinreichenden Tatverdachts, sondern wegen fehlenden\nStrafantrags des Geschadigten aus Rechtsgrunden erfolgte. \n--- \n| 31 \n--- \n| Schließlich besteht auch hinsichtlich des Ermittlungsverfahrens in den\nJahren 2001 und 2002 (42 Js 13432/01, Einstellungsverfugung vom 27.11.2002)\nein fur § 38 Abs.1 Satz 2 PolG erheblicher „Restverdacht". Dies folgt zunachst\naus den Grunden der Einstellungsverfugung, wonach der gegen den Klager\ngerichtete Tatverdacht im Ermittlungsverfahren keineswegs ausgeraumt werden\nkonnte, sondern vielmehr „etliche Ungereimtheiten" verblieben sind. Bestatigt\nwird dies durch die der Kammer vorliegenden Ermittlungsakten. So ergibt sich\nbeispielsweise aus dem abschließenden Ermittlungsbericht des Dezernats S/OK\nvom 29.08.2001, dass eine Musikanlage, die sich zum Brandzeitpunkt im Gebaude\nbefunden haben soll, nicht - wie gegenuber der Versicherung angegeben - im\nEigentum des Beschuldigten D., sondern des Klagers gestanden hatte. Weiter\nkonnte festgestellt werden, dass eine Rechnung fur diese Anlage erst 4 Tage\nnach dem Brand ausgestellt worden war. Aufgrund dieser Umstande war der\nVerdacht entstanden, der Klager habe „durch Erstellung einer falschen Rechnung\nWiederbeschaffungskosten fur den Beschuldigten D. in Hohe von DM 3.945,19\nvorgetauscht, obwohl laut Lieferantenrechnung ihm als Eigentumer der\nMusikanlage lediglich ein Schaden in Hohe von netto DM 1.950,-- entstanden"\nsei. Diese objektiven Verdachtsmomente konnten durch den Klager nicht\nvollstandig ausgeraumt werden. Insbesondere konnte der Klager ausweislich\neines Berichtes des Dezernats S/OK vom 23.07.2001 fur die Musikanlage weder\nAusgangsrechnungen vorlegen noch Zahlungseingange nachweisen. Die Einstellung\nvom 27.11.2002 erfolgte daher letztlich nur, weil dem Klager nicht\nnachzuweisen war, „dass er einen Betrug des getrennt verfolgten D. hat\nunterstutzen wollen". \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Zu Recht geht der Beklagte auch von einer fortbestehenden\nWiederholungsgefahr in der Person des Klagers aus (§ 38 Abs. 1 Satz 3 und 4\nPolG). Im Hinblick auf die Vielzahl der dem Klager zur Last gelegten\nStrafgesetzverstoße und die zum Teil - namlich was den Verdacht der\nKorperverletzung angeht - strukturelle Ähnlichkeit der Taten sieht die Kammer\nkeinen Anlass, an der Berechtigung dieser Prognose zu zweifeln. Der Klager ist\nimmerhin zumindest in sieben Fallen wahrend eines langeren Zeitraums von rund\n20 Jahren strafrechtlich in Erscheinung getreten. Eine Gleichartigkeit der\nGesetzverstoße liegt dabei jedenfalls insoweit vor, als in drei Fallen wegen\neinfacher oder gefahrlicher Korperverletzung ermittelt worden ist. Es ist\nnicht erkennbar, dass der Klager inzwischen von der insoweit gezeigten\nGewaltbereitschaft in Konfliktsituationen Abstand genommen hatte. Im Gegenteil\nwird die vom Beklagten schon zu Beginn dieses Verfahrens beim Klager\nangenommene Wiederholungsgefahr dadurch bestatigt, dass gegen ihn im Jahre\n2004 erneut wegen des Verdachts der Korperverletzung ermittelt worden ist;\nwegen des Vorwurfs, unter Alkoholeinfluss eine andere Person geschlagen zu\nhaben, ist gegen den Klager am 09.02.2005 Strafbefehl ergangen. Die\nIndizwirkung dieses Vorfalls wird auch nicht dadurch beseitigt, dass der\nKlager nach seinen Angaben gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt hat. Denn\nselbst bei Erfolg des Einspruchs ware das Vorliegen eines Tatverdachts im\nSinne des § 38 Abs.1 Satz 2 PolG nicht in Abrede gestellt, da Voraussetzung\nfur einen Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft das Vorliegen eines\nhinreichenden Tatverdachts ist (vgl. § 407 Abs.1 Satz 4 StPO). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Mit dem festgestellten Tatverdacht in den sieben Fallen aus den Jahren 1982\nbis 2002 und der auf tatsachlichen Anhaltspunkten beruhenden\nWiederholungsgefahr sind die Voraussetzungen erfullt, unter denen der\ngeneralisierenden Wertung des Gesetzgebers in § 38 Abs. 1 Satz 2 und 3 PolG\nzufolge die Speicherung der personenbezogenen Daten aus diesen\nErmittlungsverfahren zur vorbeugenden Bekampfung von Straftaten erforderlich\nist (§ 38 Abs. 1 Satz 1 PolG). Steht dies fest, kann die Behorde im Regelfall\ndavon ausgehen, dass die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten bis\nzum Ablauf der gesetzlichen Regelspeicherfristen (§ 38 Abs. 2 Satz 2 PolG)\ngeboten und damit zulassig ist. Dies entspricht erkennbar der Wertung des\nGesetzgebers, der mit den Fristen in § 38 Abs. 2 Satz 2 PolG nicht nur den\nZeitpunkt bestimmt hat, nach dem der Polizeivollzugsdienst spatestens von Amts\nwegen zu uberprufen hat, ob die weitere Speicherung der personenbezogenen\nDaten noch erforderlich ist (§ 38 Abs. 2 Satz 1 PolG), sondern damit zugleich\nden zeitlichen Rahmen abgesteckt hat, nach dessen Ablauf die personenbezogenen\nDaten im Regelfall zu loschen sind (§ 38 Abs. 3 Satz 2 PolG). Bis zum Ablauf\ndieser Fristen jedoch geht der Gesetzgeber grundsatzlich von der\nErforderlichkeit der nach § 38 Abs. 1 PolG zulassigerweise gespeicherten Daten\naus (so § 38 Abs. 1 Satz 2 PolG, vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 26.05.1992,\na.a.O.). Die Loschung der Daten vor Ablauf der Regelspeicherfristen ist danach\nnur im Ausnahmefall geboten, wenn die Überprufung im Einzelfall (§ 46 Abs. 1\nSatz 1 Nr. 2 PolG) ergibt, dass die weitere Speicherung der personenbezogenen\nDaten fur den Polizeivollzugsdienst nicht mehr zur Abwehr einer Gefahr oder\nzur vorbeugenden Bekampfung von Straftaten erforderlich ist (§ 38 Abs. 1 Satz\n1 PolG). Dies kann bei der Speicherung von Daten zur vorbeugenden Bekampfung\nvon Straftaten etwa der Fall sein bei Wegfall der Wiederholungsgefahr (§ 38\nAbs. 1 Satze 2 u. 3 PolG) oder wenn besondere Umstande die\nUnverhaltnismaßigkeit der weiteren Datenspeicherung fur den Betroffenen\nbegrunden. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die gesetzliche Regelspeicherfrist, die fur die vom Klager gespeicherten\nDaten 5 Jahre betragt (§ 38 Abs. 2 Satz 2 PolG i. V. m. § 5 Abs.1 Nr.1 DVO\nPolG), ist fur die von ihm gespeicherten Daten noch nicht abgelaufen. Aus\ndiesem Grunde kommt es auch nicht darauf an und kann folglich dahinstehen, ob\n- wie der Beklagte meint - in Bezug auf den Klager uberregional bedeutsame\nStraftaten im Sinne des § 5 Abs.2 Nr.3 DVO PolG vorliegen, welche eine\n10jahrige Speicherfrist auslosen wurden. Die Frist beginnt gemaß § 38 Abs.3\nSatz 1 PolG fruhestens mit Bekanntwerden des neuerlichen Vorfalls vom\n18.07.2004 zu laufen. Denn maßgeblich fur die Fristberechnung ist der\nZeitpunkt, an dem der Polizeivollzugsdienst Kenntnis von dem zeitlich letzten\nVerdacht gegen den Betroffenen erhalten hat, eine mit Strafe bedrohte Handlung\nbegangen zu haben (ebenso VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 27.09.1999, a.a.O.; Urt. v.\n26.05.1992, a.a.O; Wolf/Stephan, Polizeigesetz Baden-Wurttemberg, § 38 Rdnr.\n12). Diese Auslegung ist mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar und erscheint der\nKammer im Hinblick auf den Zweck der Speicherung - die Aufklarungsarbeit fur\nden Fall, dass der Klager in den Kreis der Verdachtigen fiele, zu erleichtern\n- auch geboten. \n--- \n| 35 \n--- \n| Ein Anspruch des Klagers ergibt sich auch nicht unter Berucksichtigung von\n§ 46 Abs.1 Nr.2 i. V. m. § 38 Abs.2 PolG daraus, dass bereits zu einem\nfruherem Zeitpunkt eine Überprufung zur Vernichtung der Daten hatte fuhren\nmussen. Denn selbst wenn man den neuerlichen Vorfall aus dem Jahre 2004\nunberucksichtigt ließe, ware die 5jahrige Regelspeicherfrist noch nicht\nabgelaufen. Maßgeblich kame es dann auf das Ermittlungsverfahren wegen\nBeihilfe zum Betrug aus den Jahren 2001 und 2002 an, wobei die Frist gemaß §\n38 Abs.3 Satz 1 PolG fruhestens am 30.03.2001 mit Übersendung der Allianz-\nSchadensakten, welche u. a. die nachtraglich ausgestellten Rechnungen des\nKlagers enthalten hatten, zu laufen begonnen hat. Etwas anderes ergibt sich\nauch nicht aus dem Umstand, dass das objektive Ereignis - der Brand des\nClubheims „M. B." \\- bereits am 05.10.1996 stattgefunden hat. Entscheidend fur\nden Fristbeginn ist namlich - wie bereits ausgefuhrt - der Zeitpunkt, an dem\nder Polizeivollzugsdienst Kenntnis von dem Verdacht gegen den Betroffenen\nerhalten hat. Der Klager kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf kurzere\nRegelspeicherfristen berufen. Gemaß § 38 Abs.2 Satz 4 PolG i. V. m. § 5 Abs.3\nSatz 1 DVO PolG verkurzt sich die Frist in „Fallen von geringer Bedeutung" auf\n3 Jahre. Ein Fall geringer Bedeutung, der eine Verkurzung der 5jahrigen\nRegelspeicherfrist bei den vom Klager gespeicherten Daten gebieten wurde,\nliegt bei ihm indes nicht vor. Die in den Jahren 1982 bis 2002 erfassten\nEreignisse sind nach dem Gegenstand des zugrunde liegenden Tatvorwurfs, vor\nallem jedoch im Hinblick auf ihre Haufung und hinsichtlich der Tatmotivation\nzum Teil strukturellen Gleichartigkeit nicht von geringer Bedeutung. Was den\nBetrugsverdacht aus den Jahren 2001 und 2002 angeht, kommt hinzu, dass sich\ndie im Raum stehende Schadenshohe ausweislich der Einstellungsverfugung auf\nca. 5.400,-- DM belaufen hat. Der fur die Annahme eines Regelfalls geringer\nBedeutung (§ 5 Abs.3 Satz 2 DVO PolG) eingeraumte Schadensbereich von maximal\n500,-- DM ist damit weit uberschritten. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die weitere Speicherung der Daten belastet den Klager schließlich auch\nnicht in unverhaltnismaßiger Weise. Gegenuber dem dargelegten berechtigten\nInteresse des Polizeivollzugsdienstes am weiteren Zugriff auf die von dem\nKlager gespeicherten Daten muss dessen Interesse, nicht mehr durch die\nfortdauernde Datenspeicherung uber ihm zur Last gelegte fruhere\nStrafgesetzverstoße belastet zu sein, zurucktreten. Hieran vermag auch der vom\nKlager geaußerte Umstand, dass er ein Elektrounternehmen betreibt und insoweit\nWettbewerbsnachteile befurchtet, nichts zu andern. Zum einen stuft die Kammer\ndie Moglichkeit, das die uber den Klager gespeicherten Daten an Unbefugte\nseitens der Polizeidienststellen weitergegeben werden, als sehr gering ein.\nZum anderen ist auch zu gewartigen, dass die Speicherung der Daten letztlich\nauf dem bewussten Verhalten des Klagers beruht, dass ihn dem berechtigten\nVerdacht aussetzte, gegen waffen- und strafrechtliche Vorschriften verstoßen\nzu haben, und dass sich die zu Recht angenommene Wiederholungsgefahr erst\nkurzlich in einem weiteren Ermittlungsverfahren gegen den Klager realisiert\nhat. Angesichts dessen mussen etwaige Nachteile, die sich eventuell daraus\nergeben konnen, dass Lichtbilder des Klagers in Wahllichtbildvorlagen\nverwendet werden, vom Klager hingenommen werden; dies zumal solche\nWahllichtbildvorlagen - wie der Vertreter des Beklagten in der mundlichen\nVerhandlung ausgefuhrt hat - nicht vollig wahllos, sondern aufgrund\nkriminalistischer Erfahrung im Einzelfall unter Berucksichtigung von Bezugen\nund Zusammenhangen zur Person eines Verdachtigen zusammengestellt werden. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer hatte keine\nVeranlassung, das Urteil hinsichtlich der Kosten fur vorlaufig vollstreckbar\nzu erklaren (§ 167 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Berufung gegen dieses Urteil war durch das Verwaltungsgericht nicht\ngemaß § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, da keiner der in § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder\n4 VwGO abschließend aufgezahlten Zulassungsgrunde vorliegt. Unbenommen bleibt\nder Antrag auf Zulassung (vgl. die Rechtsmittelbelehrung), uber den gemaß §\n124 a Abs. 4, 5 VwGO der VGH Baden-Wurttemberg entscheidet. \n---\n\n
136,888
sg-konstanz-2006-03-09-s-5-al-156504
151
Sozialgericht Konstanz
sg-konstanz
Konstanz
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
S 5 AL 1565/04
2006-03-09
2019-01-07 12:03:44
2019-01-17 11:57:01
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Der Bescheid der Beklagten vom 10.05.2004 in Verbindung mit der Mitteilung\nvom 30.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2004 wird\ninsoweit abgeandert, als der Klager sich lediglich 14 Tage zu spat gemeldet\nhat und der Minderungsbetrag lediglich EUR 490,00 betragt.\n\n2\\. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n3\\. Die Beklagte hat dem Klager die Halfte seiner außergerichtlichen Kosten zu\nerstatten.\n\n4\\. Die Berufung wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte den\nArbeitslosengeldanspruch des Klagers zu Recht wegen einer verspateten Meldung\ndes Klagers als Arbeitsuchender gekurzt hat. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der am 24.05.1955 geborene Klager ist iranischer Staatsangehoriger. Er war\nzuletzt als Kundenbetreuer bei S. GmbH beschaftigt. Das Arbeitsverhaltnis\nwurde durch Aufhebungsvertrag am 16.01.2004 zum 29.02.2004 beendet. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Klager meldete sich am 12.02.2004 arbeitslos und beantragte die\nGewahrung von Arbeitslosengeld. Die Beklagte bewilligte Arbeitslosengeld ab\n01.03.2004. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Schreiben vom 30.04.2004 teilte die Beklagte dem Klager mit, er habe\nsich bis spatestens 18.01.2004 melden mussen. Er habe sich erst am 12.02.2004\nund damit um 26 Tage zu spat gemeldet. Es ergebe sich ein Minderungsbetrag von\nEUR 910,00. Mit Bescheid vom 10.05.2004 setzte die Beklagte eine\nMinderungssumme von EUR 910,00 fest. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Schreiben vom 18.05.2004 erhob der Klager Widerspruch mit der\nBegrundung, er habe sich am 12.02.2004 rechtzeitig arbeitsuchend gemeldet. Er\nhabe sich nicht bis spatestens 18.01.2004 melden mussen. Der 18.01.2004 sei\nein Sonntag gewesen. Er habe außerdem keine Kenntnis davon gehabt, dass er\nsich bereits vor dem faktischen Ende des Arbeitsvertrages arbeitsuchend melden\nmusse. Erst aufgrund einer Besprechung bei der Schuldnerberatung sei er darauf\nhingewiesen worden, dass er sich arbeitsuchend melden musse. Er habe sich dann\nunverzuglich am gleichen Tag arbeitsuchend gemeldet. Es liege keine\nPflichtverletzung im Sinne von § 37 b S. 1 SGB III vor. Ein Verschulden bei\nUnkenntnis einer derartigen Verpflichtung konne nur dann angenommen werden,\nwenn im Rahmen des Arbeitsverhaltnisses durch den Arbeitgeber im Zusammenhang\nmit der Beendigung des Arbeitsverhaltnisses eine entsprechende Aufklarung\nstattgefunden habe. Er sei jedoch nicht aufgeklart worden. Dies ergebe sich\nauch aus dem Aufhebungsvertrag, der keinen entsprechenden Hinweis enthalte. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2004 wies die Beklagte den Widerspruch\nmit der Begrundung zuruck, Grunde fur die verspatete Meldung seien nicht\nanzuerkennen. Unerheblich sei, ob der Klager auf die Pflicht hingewiesen\nworden sei oder ob ihm die Pflicht anderweitig bekannt gewesen sei. Die\nMeldung sei um 26 Tage zu spat erfolgt. Es ergebe sich ein Minderungsbetrag\nvon EUR 910,00. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 30.06.2004 erhob der Klager Klage. Der Klager tragt\nerganzend vor, er habe Muhe, deutsche Texte komplizierterer Art zu lesen. Er\nlese keine deutsche Tageszeitung. Unverzuglich bedeute "ohne schuldhaftes\nZogern". Eine Verletzung der in § 37 b SGB III normierten Obliegenheit konne\nnur dann angenommen werden, wenn die verspatete Meldung schuldhaft erfolgt\nsei. Wenn jemand von der Obliegenheit keine Kenntnis habe, konne er die\nObliegenheit auch nicht verletzen. Es bestehe keine allgemeine Pflicht eines\nBurgers, ein Gesetz zu kennen. Es sei davon auszugehen, dass auch die meisten\nArbeitgeber, ihre Verpflichtung den Arbeitnehmer auf die Meldepflicht\nhinzuweisen, nicht gekannt hatten. \n--- \n| 8 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung vom 09.03.2006 hat die Beklagte den mit der\nKlage geltend gemachten Anspruch insoweit anerkannt, als sie anstatt von 26\nVerspatungstagen lediglich von 18 Verspatungstagen ausgegangen ist und den\nMinderungsbetrag entsprechend von EUR 910,00 auf EUR 630,00 reduziert hat. Der\nKlager hat dieses Teilanerkenntnis der Beklagten angenommen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 10 \n--- \n| den Bescheid vom 10.05.2004 in Verbindung mit der Mitteilung vom 30.04.2004\nin Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2004 aufzuheben. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte tragt erganzend vor, die Neuregelungen des § 37 b und des §\n140 SGB III seien am 01.07.2003 in Kraft getreten. Der Gesetzgeber habe damit\neine angemessene Frist fur die Kenntnisnahme der Neuregelungen eingeraumt. In\nFernsehen, Radio und Zeitungen sei eindringlich auf die Pflicht zur\nfruhzeitigen Meldung als Arbeitsuchender hingewiesen worden. Die Beklagte\nweise auch im Internet auf die Verpflichtung zur fruhzeitigen Meldung ebenso\nhin wie auf die drohenden finanziellen Nachteile. Im Übrigen sei es\nselbstverstandlich, sich sofort nach Kenntnis von der Beendigung eines\nVersicherungspflichtverhaltnisses arbeitsuchend zu melden, da es in erster\nLinie um die Suche nach einem moglichst nahtlosen Arbeitsverhaltnis gehe. Fur\ndie Obliegenheitsverletzung nach § 37 b SGB III sei es unerheblich, ob der\nKlager die Pflicht zur Meldung gekannt habe. Es gelte der Grundsatz, dass im\nAllgemeinen erwartet werde, dass Versicherte ihre Rechtspflichten kennen.\nUnkenntnis entschuldige Pflichtverstoße grundsatzlich nicht. Außerdem musse\neine Information nicht zwingend im Aufhebungsvertrag schriftlich fixiert sein. \n--- \n| 14 \n--- \n| Das Gericht hat zunachst eine schriftliche Auskunft von S. GmbH eingeholt.\nDanach erhalte jeder Arbeitnehmer nach einer Kundigung ein Merkblatt und werde\nmundlich daruber informiert, dass sie sich unverzuglich arbeitsuchend melden\nmussen. Der Klager sei hieruber durch den Bereichsleiter Herrn Kratzer\ninformiert worden. \n--- \n| 15 \n--- \n| Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen K. \n--- \n| 16 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Leistungsakte der Beklagten\nund auf die Gerichtsakte Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang\nbegrundet. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Minderung des Arbeitslosengeldanspruchs des\nKlagers sind zwar grundsatzlich erfullt, jedoch hat die Beklagte den\nMinderungsbetrag zu hoch festgesetzt. \n--- \n| 19 \n--- \n| Nach § 140 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der im Jahr 2004\nmaßgeblichen alten Fassung (a. F.) mindert sich das dem Arbeitslosen\nzustehende Arbeitslosengeld, wenn sich der Arbeitslose entgegen § 37 b (SGB\nIII a. F.) nicht unverzuglich arbeitsuchend gemeldet hat. Nach § 37 b S. 1 SGB\nIII a. F. sind Personen, deren Versicherungspflichtverhaltnis endet,\nverpflichtet, sich unverzuglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts\npersonlich bei der Agentur fur Arbeit arbeitsuchend zu melden. \n--- \n| 20 \n--- \n| Gegen diese Pflicht hat der Klager im vorliegenden Fall verstoßen. Nach der\nLegaldefinition des § 121 Abs. 1 S. 1 Burgerliches Gesetzbuch (BGB) bedeutet\nunverzuglich ohne schuldhaftes zogern. Dies setzt grundsatzlich eine Meldung\nspatestens am Tag nach der Kenntnis vom Ende des\nVersicherungspflichtverhaltnisses voraus. Zwar wird im Rahmen des § 121 Abs. 1\nS. 1 BGB in der Regel dem Anfechtenden eine Überlegungsfrist zugebilligt.\nHintergrund hierfur ist jedoch, dass eine Anfechtung mit rechtlichen\nNachteilen fur den Anfechtenden verbunden sein kann. Demgegenuber stellt die\nArbeitsuchendmeldung nach § 37 b S. 1 SGB III a. F. eine reine\nTatsachenerklarung dar, die fur den Erklarenden mit keinen Nachteilen\nverbunden ist. Einer Überlegungsfrist bedarf es daher nicht, so dass die\nMitteilung grundsatzlich am Folgetag nach Kenntnisnahme von dem Ende des\nVersicherungspflichtverhaltnisses erfolgen muss (vgl. Bundessozialgericht,\nUrteil vom 18.08.2005 - B 7a/7 AL 94/04 R). \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Beklagte raumte im streitgegenstandlichen Zeitraum allerdings eine\nKulanzfrist von sieben Tagen ein, so dass diese Kulanzfrist unter\nGleichheitsgesichtspunkten auch fur den Klager gilt. Da der Klager durch\nAbschluss des Aufhebungsvertrages am 16.01.2004 von der Beendigung seines\nVersicherungspflichtverhaltnisses am 29.02.2004 Kenntnis erlangte, hatte er\nsich daher bis spatestens 23.01.2004 arbeitsuchend melden mussen. Tatsachlich\nmeldete er sich jedoch erst am 12.02.2004 und damit nicht mehr rechtzeitig. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die verspatete Meldung erfolgte auch schuldhaft. Insbesondere kannte der\nKlager seine Verpflichtung, sich unverzuglich arbeitsuchend zu melden, als er\nden Aufhebungsvertrag unterschrieb. Zu dieser Überzeugung gelangt die Kammer\naufgrund der glaubhaften und uberzeugenden Angaben des Zeugen K. Dieser gab\nbei seiner Vernehmung an, dass der Klager in einem Gesprach vor Abschluss des\nAufhebungsvertrages daruber aufgeklart wurde, dass er sich so bald wie moglich\nbeim Arbeitsamt arbeitsuchend melden muss. An diesem Gesprach nahm neben dem\nKlager und dem Zeugen K. auch der Personalleiter Herr V. teil. Die Aufklarung\nerfolgte durch Herrn V. Nur an die konkrete Formulierung fur die Angabe des\nZeitrahmens konnte sich der Zeuge K. nicht erinnern. Er wusste nicht mehr, ob\nvon "unverzuglich", "moglichst bald" oder "sofort" die Rede war. Daruber\nhinaus gab der Zeuge an, dass er Klager den Hinweis nach seinem Eindruck gut\nverstanden hat. Die Kammer ist vom Wahrheitsgehalt der Angaben des Zeugen K.,\nder am Ausgang des Verfahrens kein Interesse hat, uberzeugt. Es sind keine\nGrunde ersichtlich, warum er falsche Angaben zum Nachteil des Klagers machen\nsollte. Die Vernehmung der vom Klager benannten Zeugen war nicht geboten, da\nsie bei dem Gesprach, in dem der Hinweis erfolgte, nicht anwesend waren. \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach der Überzeugung der Kammer sind demnach die Voraussetzungen des § 140\nS. 1 i. V. m. § 37 b S. 1 SGB III a. F. dem Grunde nach erfullt. Auf die\nkonkrete Formulierung, die Herr V. bei seinem Hinweis gewahlt hat, kommt es\nnicht an, da bei allen genannten Formulierungen jedenfalls zum Ausdruck kam,\ndass eine sehr zeitnahe Meldung als arbeitsuchend bei der Beklagten\n(jedenfalls innerhalb der siebentagigen Kulanzfrist) hatte erfolgen mussen.\nSollte der Klager unsicher gewesen sein, bis wann er sich arbeitsuchend melden\nmuss, hatte er diese Unsicherheit durch Nachfragen beim Arbeitgeber oder bei\nder Beklagten beseitigen konnen. Der Klager handelte daher auch schuldhaft. \n--- \n| 24 \n--- \n| Jedoch ist der angefochtene Bescheid insoweit rechtswidrig, als die\nBeklagte einen zu hohen Minderungsbetrag festgesetzt hat. Der Klager erhielt\nArbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von EUR 448,05. Die Beklagte ist\nzunachst zu Recht davon ausgegangen, dass nach § 140 S. 2 Nr. 2 SGB III a. F.\nbei einem Bemessungsentgelt (von mehr als EUR 400,00) bis zu EUR 700,00 die\nMinderung fur jeden Tag der verspateten Meldung um EUR 35,00 erfolgt. Bei der\nErmittlung dieser Verspatungstage sind aber Tage fehlender Dienstbereitschaft\ndes Arbeitsamtes (insbesondere Wochenend- und Feiertage) ebenso wie Tage\nherauszurechnen, in denen es dem Arbeitslosen aus subjektiven Grunden nicht\nmoglich oder nicht zumutbar war, die Agentur fur Arbeit aufzusuchen (vgl.\nBundessozialgericht, a. a. O.). Hintergrund hierfur ist, dass §§ 140, 37 b SGB\nIII a. F. nur ein dem Arbeitslosen vorwerfbares Verhalten sanktionieren soll.\nDaher sind zunachst die Wochenendtage (24. und 25.01.2004, 31.01. und\n01.02.2004 sowie der 07. und 08.02.2004) bei der Berechnung nicht zu\nberucksichtigen. Das Gleiche gilt fur die gesamten ersten sieben Tage nach\nKenntnisnahme vom Ende des Versicherungspflichtverhaltnisses, welche die\nBeklagte aus Kulanz als Zeitraum fur eine rechtzeitige Meldung gewahrt. Dies\ngilt auch dann, wenn die Beklagte im streitgegenstandlichen Zeitraum die\nPraxis verfolgt hat, zwar eine Kulanzzeit von sieben Tagen einzuraumen, bei\neiner Meldung ab dem achten Tag nach Kenntnisnahme des Betroffenen vom Ende\ndes Versicherungspflichtverhaltnisses auch die ersten sieben Tage bei der\nBerechnung des Minderungsbetrages zu berucksichtigen. Denn diese Praxis der\nBeklagten ist widerspruchlich. Wenn die Beklagte am siebten Tag nach\nKenntnisnahme des Betroffenen vom Ende des Versicherungspflichtverhaltnisses\nnoch von einer rechtzeitigen Meldung ausgeht und dies in ihren Leistungsakten\nauch dokumentiert, so muss sie sich hieran festhalten lassen und diese Zeit\nbei der Berechnung der Minderungstage abziehen. Eine Meldung am achten Tag\nnach Kenntnisnahme ist daher aufgrund der von der Beklagten eingeraumten\nKulanzzeit lediglich um einen Tag verspatet. Anderenfalls wurde derjenige, der\nsich nach acht Tagen meldet mit acht Verspatungstagen belastet, wahrend\ndemjenigen, der sich noch am siebten Tag meldet, keine Minderung seines\nLeistungsanspruchs auferlegt wurde. Dies wurde eine unangemessene\nBenachteiligung von denjenigen bedeuten, die sich kurz nach dem Ablauf von\nsieben Tagen bei der Beklagten arbeitsuchend melden. Die Beklagte hat daher\nnur die Moglichkeit, die Kulanzzeit zu reduzieren oder sie ganz abzuschaffen.\nHalt sie aber an der Gewahrung einer siebentagigen Kulanzzeit fest, darf sie\ndiese Zeit bei der Berechnung der Minderungstage nicht berucksichtigen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Im vorliegenden Fall ist die Beklagte davon ausgegangen, dass eine\nrechtzeitige Meldung des Klagers noch bis einschließlich 23.01.2004 moglich\ngewesen ware (Bl. 283 der Leistungsakte). Da der Klager sich erst am\n12.02.2004 gemeldet hat, ergeben sich hieraus im Ergebnis 14 Verspatungstage\n(26., 27., 28., 29. und 30.01. sowie 02., 03., 04., 05., 06., 09., 10., 11.\nund 12.02.2004). Hieraus folgt ein Minderungsbetrag von EUR 490,00 (14 x EUR\n35,00). \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klage hatte daher teilweise Erfolg. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und\nentspricht dem Ausgang des Verfahrens. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedurftig, da\nfur beide Beteiligten der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 500,00 nicht\nerreicht ist. Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG aufgrund der\ngrundsatzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Insbesondere hat das\nBundessozialgericht in seinem Urteil vom 18.08.2005 - B 7a AL 94/04 R die\nFrage ausdrucklich offen gelassen, welche Anzahl von Minderungstagen sich\nergibt, wenn die Beklagte zwar eine Reaktionszeit von sieben Tagen zugesteht,\nbei einer Meldung nach Ablauf von sieben Tagen jedoch die gesamten Tage dieser\nReaktionszeit als Tage der Verspatung wertet. Diese Frage durfte bei\nzahlreichen gerichtsanhangigen Verfahren entscheidungserheblich sein, so dass\nihr grundsatzliche Bedeutung zukommt. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang\nbegrundet. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Minderung des Arbeitslosengeldanspruchs des\nKlagers sind zwar grundsatzlich erfullt, jedoch hat die Beklagte den\nMinderungsbetrag zu hoch festgesetzt. \n--- \n| 19 \n--- \n| Nach § 140 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der im Jahr 2004\nmaßgeblichen alten Fassung (a. F.) mindert sich das dem Arbeitslosen\nzustehende Arbeitslosengeld, wenn sich der Arbeitslose entgegen § 37 b (SGB\nIII a. F.) nicht unverzuglich arbeitsuchend gemeldet hat. Nach § 37 b S. 1 SGB\nIII a. F. sind Personen, deren Versicherungspflichtverhaltnis endet,\nverpflichtet, sich unverzuglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts\npersonlich bei der Agentur fur Arbeit arbeitsuchend zu melden. \n--- \n| 20 \n--- \n| Gegen diese Pflicht hat der Klager im vorliegenden Fall verstoßen. Nach der\nLegaldefinition des § 121 Abs. 1 S. 1 Burgerliches Gesetzbuch (BGB) bedeutet\nunverzuglich ohne schuldhaftes zogern. Dies setzt grundsatzlich eine Meldung\nspatestens am Tag nach der Kenntnis vom Ende des\nVersicherungspflichtverhaltnisses voraus. Zwar wird im Rahmen des § 121 Abs. 1\nS. 1 BGB in der Regel dem Anfechtenden eine Überlegungsfrist zugebilligt.\nHintergrund hierfur ist jedoch, dass eine Anfechtung mit rechtlichen\nNachteilen fur den Anfechtenden verbunden sein kann. Demgegenuber stellt die\nArbeitsuchendmeldung nach § 37 b S. 1 SGB III a. F. eine reine\nTatsachenerklarung dar, die fur den Erklarenden mit keinen Nachteilen\nverbunden ist. Einer Überlegungsfrist bedarf es daher nicht, so dass die\nMitteilung grundsatzlich am Folgetag nach Kenntnisnahme von dem Ende des\nVersicherungspflichtverhaltnisses erfolgen muss (vgl. Bundessozialgericht,\nUrteil vom 18.08.2005 - B 7a/7 AL 94/04 R). \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Beklagte raumte im streitgegenstandlichen Zeitraum allerdings eine\nKulanzfrist von sieben Tagen ein, so dass diese Kulanzfrist unter\nGleichheitsgesichtspunkten auch fur den Klager gilt. Da der Klager durch\nAbschluss des Aufhebungsvertrages am 16.01.2004 von der Beendigung seines\nVersicherungspflichtverhaltnisses am 29.02.2004 Kenntnis erlangte, hatte er\nsich daher bis spatestens 23.01.2004 arbeitsuchend melden mussen. Tatsachlich\nmeldete er sich jedoch erst am 12.02.2004 und damit nicht mehr rechtzeitig. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die verspatete Meldung erfolgte auch schuldhaft. Insbesondere kannte der\nKlager seine Verpflichtung, sich unverzuglich arbeitsuchend zu melden, als er\nden Aufhebungsvertrag unterschrieb. Zu dieser Überzeugung gelangt die Kammer\naufgrund der glaubhaften und uberzeugenden Angaben des Zeugen K. Dieser gab\nbei seiner Vernehmung an, dass der Klager in einem Gesprach vor Abschluss des\nAufhebungsvertrages daruber aufgeklart wurde, dass er sich so bald wie moglich\nbeim Arbeitsamt arbeitsuchend melden muss. An diesem Gesprach nahm neben dem\nKlager und dem Zeugen K. auch der Personalleiter Herr V. teil. Die Aufklarung\nerfolgte durch Herrn V. Nur an die konkrete Formulierung fur die Angabe des\nZeitrahmens konnte sich der Zeuge K. nicht erinnern. Er wusste nicht mehr, ob\nvon "unverzuglich", "moglichst bald" oder "sofort" die Rede war. Daruber\nhinaus gab der Zeuge an, dass er Klager den Hinweis nach seinem Eindruck gut\nverstanden hat. Die Kammer ist vom Wahrheitsgehalt der Angaben des Zeugen K.,\nder am Ausgang des Verfahrens kein Interesse hat, uberzeugt. Es sind keine\nGrunde ersichtlich, warum er falsche Angaben zum Nachteil des Klagers machen\nsollte. Die Vernehmung der vom Klager benannten Zeugen war nicht geboten, da\nsie bei dem Gesprach, in dem der Hinweis erfolgte, nicht anwesend waren. \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach der Überzeugung der Kammer sind demnach die Voraussetzungen des § 140\nS. 1 i. V. m. § 37 b S. 1 SGB III a. F. dem Grunde nach erfullt. Auf die\nkonkrete Formulierung, die Herr V. bei seinem Hinweis gewahlt hat, kommt es\nnicht an, da bei allen genannten Formulierungen jedenfalls zum Ausdruck kam,\ndass eine sehr zeitnahe Meldung als arbeitsuchend bei der Beklagten\n(jedenfalls innerhalb der siebentagigen Kulanzfrist) hatte erfolgen mussen.\nSollte der Klager unsicher gewesen sein, bis wann er sich arbeitsuchend melden\nmuss, hatte er diese Unsicherheit durch Nachfragen beim Arbeitgeber oder bei\nder Beklagten beseitigen konnen. Der Klager handelte daher auch schuldhaft. \n--- \n| 24 \n--- \n| Jedoch ist der angefochtene Bescheid insoweit rechtswidrig, als die\nBeklagte einen zu hohen Minderungsbetrag festgesetzt hat. Der Klager erhielt\nArbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von EUR 448,05. Die Beklagte ist\nzunachst zu Recht davon ausgegangen, dass nach § 140 S. 2 Nr. 2 SGB III a. F.\nbei einem Bemessungsentgelt (von mehr als EUR 400,00) bis zu EUR 700,00 die\nMinderung fur jeden Tag der verspateten Meldung um EUR 35,00 erfolgt. Bei der\nErmittlung dieser Verspatungstage sind aber Tage fehlender Dienstbereitschaft\ndes Arbeitsamtes (insbesondere Wochenend- und Feiertage) ebenso wie Tage\nherauszurechnen, in denen es dem Arbeitslosen aus subjektiven Grunden nicht\nmoglich oder nicht zumutbar war, die Agentur fur Arbeit aufzusuchen (vgl.\nBundessozialgericht, a. a. O.). Hintergrund hierfur ist, dass §§ 140, 37 b SGB\nIII a. F. nur ein dem Arbeitslosen vorwerfbares Verhalten sanktionieren soll.\nDaher sind zunachst die Wochenendtage (24. und 25.01.2004, 31.01. und\n01.02.2004 sowie der 07. und 08.02.2004) bei der Berechnung nicht zu\nberucksichtigen. Das Gleiche gilt fur die gesamten ersten sieben Tage nach\nKenntnisnahme vom Ende des Versicherungspflichtverhaltnisses, welche die\nBeklagte aus Kulanz als Zeitraum fur eine rechtzeitige Meldung gewahrt. Dies\ngilt auch dann, wenn die Beklagte im streitgegenstandlichen Zeitraum die\nPraxis verfolgt hat, zwar eine Kulanzzeit von sieben Tagen einzuraumen, bei\neiner Meldung ab dem achten Tag nach Kenntnisnahme des Betroffenen vom Ende\ndes Versicherungspflichtverhaltnisses auch die ersten sieben Tage bei der\nBerechnung des Minderungsbetrages zu berucksichtigen. Denn diese Praxis der\nBeklagten ist widerspruchlich. Wenn die Beklagte am siebten Tag nach\nKenntnisnahme des Betroffenen vom Ende des Versicherungspflichtverhaltnisses\nnoch von einer rechtzeitigen Meldung ausgeht und dies in ihren Leistungsakten\nauch dokumentiert, so muss sie sich hieran festhalten lassen und diese Zeit\nbei der Berechnung der Minderungstage abziehen. Eine Meldung am achten Tag\nnach Kenntnisnahme ist daher aufgrund der von der Beklagten eingeraumten\nKulanzzeit lediglich um einen Tag verspatet. Anderenfalls wurde derjenige, der\nsich nach acht Tagen meldet mit acht Verspatungstagen belastet, wahrend\ndemjenigen, der sich noch am siebten Tag meldet, keine Minderung seines\nLeistungsanspruchs auferlegt wurde. Dies wurde eine unangemessene\nBenachteiligung von denjenigen bedeuten, die sich kurz nach dem Ablauf von\nsieben Tagen bei der Beklagten arbeitsuchend melden. Die Beklagte hat daher\nnur die Moglichkeit, die Kulanzzeit zu reduzieren oder sie ganz abzuschaffen.\nHalt sie aber an der Gewahrung einer siebentagigen Kulanzzeit fest, darf sie\ndiese Zeit bei der Berechnung der Minderungstage nicht berucksichtigen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Im vorliegenden Fall ist die Beklagte davon ausgegangen, dass eine\nrechtzeitige Meldung des Klagers noch bis einschließlich 23.01.2004 moglich\ngewesen ware (Bl. 283 der Leistungsakte). Da der Klager sich erst am\n12.02.2004 gemeldet hat, ergeben sich hieraus im Ergebnis 14 Verspatungstage\n(26., 27., 28., 29. und 30.01. sowie 02., 03., 04., 05., 06., 09., 10., 11.\nund 12.02.2004). Hieraus folgt ein Minderungsbetrag von EUR 490,00 (14 x EUR\n35,00). \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klage hatte daher teilweise Erfolg. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und\nentspricht dem Ausgang des Verfahrens. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedurftig, da\nfur beide Beteiligten der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 500,00 nicht\nerreicht ist. Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG aufgrund der\ngrundsatzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Insbesondere hat das\nBundessozialgericht in seinem Urteil vom 18.08.2005 - B 7a AL 94/04 R die\nFrage ausdrucklich offen gelassen, welche Anzahl von Minderungstagen sich\nergibt, wenn die Beklagte zwar eine Reaktionszeit von sieben Tagen zugesteht,\nbei einer Meldung nach Ablauf von sieben Tagen jedoch die gesamten Tage dieser\nReaktionszeit als Tage der Verspatung wertet. Diese Frage durfte bei\nzahlreichen gerichtsanhangigen Verfahren entscheidungserheblich sein, so dass\nihr grundsatzliche Bedeutung zukommt. \n---\n\n
136,996
lsgbw-2007-03-22-l-7-as-64007-er-b
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 7 AS 640/07 ER-B
2007-03-22
2019-01-07 12:04:51
2019-01-17 11:57:08
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts\nStuttgart vom 19. Januar 2007 wird zuruckgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die\nGewahrung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten\nBuch Sozialgesetzbuch (SGB II) fur die Zeit ab 1. Dezember 2006 in Hohe des\nvon ihnen mit monatlich 441,15 EUR bezifferten ungedeckten Bedarfs. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die am ... 1964 geborene Antragstellerin zu 1. ist geschieden; die aus der\nEhe hervorgegangene Tochter S. lebt bei dem Vater in D., der gemeinsame Sohn,\nder Antragsteller zu 2., lebt seit dem 1. September 2005 bei ihr. Aufgrund\nVereinbarung mit ihrem fruheren Ehemann vom 1. August 2005 ist die\nAntragstellerin zu 1. allein fur den Unterhalt des Antragstellers zu 2.\nverantwortlich, der fruhere Ehemann allein fur den der Tochter S.. Die\nAntragstellerin zu 1. ubt seit dem 1. Juli 2006 vorlaufig befristet bis 28.\nAugust 2007 eine Teilzeittatigkeit beim Amtsgericht E. -Notariat- aus, mit der\nsie ein monatliches Einkommen von 1.135,18 EUR brutto/855,30 EUR netto\nerzielt; außerdem bezieht sie Kindergeld in Hohe von 154,00 EUR fur den\nAntragsteller zu 2. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Antragstellerin zu 1. lebt seit dem 1. September 2003 mit Herrn L. in\neiner 4-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnflache von 107,5 qm zusammen, welche\ndieser am 1. Marz 2003 zu einem Nettomietpreis von 700,- EUR monatlich\nangemietet hat; Nebenkosten fallen in Hohe von 190,- EUR monatlich an. Seit 1.\nSeptember 2005 lebt dort auch der Antragsteller zu 2. Nach ihrem Vorbringen\nerstattet die Antragstellerin zu 1. monatlich 464,00 EUR an Herrn L.. Dieser\nlebt von seiner Ehefrau getrennt und hat ebenfalls zwei Kinder, die bei der\nMutter in D. leben. Herr L. hat aufgrund eines familiengerichtlichen\nVergleichs vom 15. Juli 2003 vor dem Amtsgericht Dresden - Familiengericht -\nmonatlich 644,96 EUR an Trennungsunterhalt sowie 514,00 EUR an Kindesunterhalt\nzu zahlen. Fur die Ausubung des Umgangrechts mit seinen Kindern wendet er nach\nseinen Angaben monatlich 128,67 EUR auf. Ausweislich einer vorgelegten\nVerdienstbescheinigung (fur Dezember 2005) erzielt Herr L. aus einer nicht\nselbstandigen Tatigkeit ein monatliches Einkommen von 5.186,00 EUR brutto/\n3.677,21 EUR netto (Bl. 74 der Verwaltungsakte). \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Antragstellerin zu 1., die bis 30. Marz 2005 Arbeitslosengeld (Alg ) in\nHohe von 30,97 EUR taglich bezog, beantragte am 15. Dezember 2005 erstmals fur\nsich und den Antragsteller zu 2. Leistungen nach dem SGB II und gab dazu an,\nmit Herrn L. in einer eheahnlichen Gemeinschaft zu leben. In der Anlage zum\nAntrag bezeichnete sie ihn jeweils als „Partner". Unter anderem legte sie den\nEinkommensteuerbescheid des Herrn L. fur das Jahr 2004 vor, in welchem die\nsteuerliche Berucksichtigung von geltend gemachten Unterhaltsleistungen an die\nAntragstellerin zu 1. abgelehnt wurde. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom 27. Dezember 2005 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag im\nHinblick auf das Vermogen der Antragstellerin zu 1. ab. Auf den Widerspruch\nder Antragstellerin zu 1., in welchem sich diese selbst als „Lebensgefahrtin"\nvon Herrn L. bezeichnete (Bl. 18 der Verwaltungsakte) und deren Neuantrag vom\n18. Januar 2006 hob die Antragsgegnerin diesen Bescheid mit Bescheid vom\n22.02.2006 auf und lehnte den Antrag erneut ab, nunmehr unter Hinweis auf das\nEinkommen des Herrn L.. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag wurden fur den\nAntragsteller zu 2. Leistungen fur die Zeit vom 15. Dezember 2005 bis 31. Mai\n2006 bewilligt. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2006 wurde der\nWiderspruch der Antragstellerin zu 1. als unbegrundet zuruckgewiesen mit der\nBegrundung, unter Anrechnung des Einkommens des Herrn L. sei diese nicht\nbedurftig. Die dagegen erhobene Klage wurde vom Sozialgericht Stuttgart (SG)\ndurch Urteil vom 17. Oktober 2006 (S 12 AS 4049/06) abgewiesen. Die dagegen\neingelegte Berufung ist beim Landessozialgericht anhangig (L 7 AS 5741/06). \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Fortzahlungsantrag der Antragstellerin zu 1. vom 17. Juli 2006 wurde\nvon der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 1. August 2006 abgelehnt, der dagegen\nerhobene Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 13. November 2006\nzuruckgewiesen. Die dagegen erhobene Klage ist beim SG anhangig (S 17 AS\n8797/06). Den weiteren Fortzahlungsantrag der Antragstellerin zu 1. vom 16.\nNovember 2006 lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21. November 2006\nab, den Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2006 ab.\nDie dagegen erhobene Klage ist ebenfalls beim SG anhangig (S 17 AS 9719/06). \n--- \n| 7 \n--- \n| Auf Antrag der Antragstellerin zu 1. hat das SG durch Beschluss vom 7. Marz\n2006 (S 7 AS 1070/06 ER) die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen\nAnordnung verpflichtet, dieser darlehensweise ab 17. Februar 2006 fur die\nDauer von sechs Monaten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Hohe\nvon 557,59 EUR monatlich zu gewahren. In Umsetzung des Beschlusses erhielt die\nAntragstellerin zu 1. dementsprechend darlehensweise Leistungen. Auf erneuten\nAntrag auf Gewahrung einstweiligen Rechtschutzes wurde die Antragsgegnerin\ndurch Beschluss des SG vom 16. August 2006 (S 12 AS 5877/06 ER) verpflichtet,\nab dem 17. August 2006 darlehensweise vorbehaltlich des Weiterbestehens der\nHilfebedurftigkeit der Antragstellerin bis 30. November 2006 dieser Leistungen\nin Hohe von 352,92 EUR monatlich zu gewahren. In Umsetzung dieses Beschlusses\nwurden der Antragstellerin zu 1. daraufhin darlehensweise Leistungen bis zum\n30. November 2006 bewilligt. \n--- \n| 8 \n--- \n| Am 16. November 2006 hat die Antragstellerin zu 1. beim Landessozialgericht\nBaden-Wurttemberg (LSG) beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr\nauch fur die Zeit ab 1. Dezember 2006 vorlaufig Leistungen nach dem SGB II zu\ngewahren. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2006 (L 7 AS 5756/06 ER) hat sich das\nLSG fur sachlich unzustandig erklart und den Rechtsstreit an das Sozialgericht\nStuttgart verwiesen. In der Sache tragen die Antragsteller vor, es bestehe\nkeine Bedarfsgemeinschaft mit Herrn L.. Die Antragstellerin zu 1. fuhre keine\neheahnliche Gemeinschaft mit diesem. Aus Verfassungsgrunden sei das Bestehen\neiner weiteren eheahnlichen Lebensgemeinschaft bei gleichzeitigem Bestehen\neiner rechtskraftigen Ehe ausgeschlossen. Tatsachlich erhielten die\nAntragsteller keine finanzielle Unterstutzung durch Herrn L.. Sie hatten keine\nMoglichkeit, Unterhaltsanspruche gegen diesen durchzusetzen; die\nAntragstellerin zu 1. habe bereits am 5. November 2006 beim Amtsgericht\nEsslingen -Familiengericht- eine Unterhaltsklage gegen Herrn L. angestrengt,\nwelche durch Urteil vom 9. November 2006 (3 F 1256/06) wegen Unzustandigkeit\ndes Familiengerichts fur die Geltendmachung von Anspruchen innerhalb einer\nBedarfsgemeinschaft abgewiesen worden sei. Außerdem habe die Antragstellerin\nzu 1. bislang ergebnislos die Antragsgegnerin schriftlich aufgefordert, den\nbehaupteten Anspruch gegen Herrn L. durchzusetzen bzw. auf sich uberzuleiten\nund durchzusetzen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Durch den angegriffenen Beschluss vom 19. Januar 2007 (S 17 AS 10047/06 ER)\nhat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt mit\nder Begrundung, die Antragsteller hatten mangels Hilfebedurftigkeit keinen\nAnspruch auf (einstweilige) Gewahrung von Leistungen nach dem SGB II. Sie\nkonnten ihren Lebensunterhalt mit den vorhandenen finanziellen Mitteln, also\ndem Einkommen der Antragstellerin zu 1., dem Kindergeld und dem Einkommen des\nHerrn L. bestreiten. Die Antragsteller bildeten mit diesem eine\nBedarfsgemeinschaft mit der Folge, dass im Rahmen der\nHilfebedurftigkeitsprufung auch dessen Einkommen und Vermogen zu\nberucksichtigen seien. Dies gelte nicht nur im Verhaltnis zur Antragstellerin\nzu 1. als Partnerin, sondern uber die Bestimmung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II\nin der ab 1. August 2006 geltenden Fassung auch im Verhaltnis zum\nAntragsteller zu 2. als dem minderjahrigen Kind der Antragstellerin zu 1. \n--- \n| 10 \n--- \n| Zur Bedarfsgemeinschaft gehorten nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II in der ab\n1. August 2006 geltenden Fassung als Partner der erwerbsfahigen\nHilfebedurftigen die Person, die mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt so\nzusammenlebe, dass nach verstandiger Wurdigung der wechselseitige Wille\nanzunehmen sei, Verantwortung fureinander zu tragen und fureinander\neinzustehen, sowie nach Nr. 4 der Bestimmung die dem Haushalt angehorenden\nminderjahrigen, unverheirateten Kinder der in Nummern l bis 3 genannten\nPersonen, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen oder Vermogen die Leistungen\nzur Sicherung ihres Lebensunterhaltes beschaffen konnten. Durch die Neufassung\ndes § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II, der bis zum 31. Juli 2006 Personen erfasst\nhabe, die mit den erwerbsfahigen Hilfebedurftigen in eheahnlicher Gemeinschaft\nlebten, habe nach dem Willen des Gesetzgebers keine Änderung, sondern\nlediglich eine Erweiterung dahingehend erfolgen sollen, dass neben den\neheahnlichen Gemeinschaften im Sinne der Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts auch gleichgeschlechtliche partnerschaftsahnliche\nGemeinschaften einbezogen werden sollten, die eine Einstands- und\nVerantwortungsgemeinschaft im Sinne dieser Rechtsprechung bildeten. Eine\neheahnliche Gemeinschaft sei nach der genannten Entscheidung des BVerfG eine\nLebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt\nsei, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulasse und sich\ndurch innere Bindungen auszeichne, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner\nfureinander begrundeten, also uber die Beziehungen in einer reinen Haushalts-\nund Wirtschaftsgemeinschaft hinausgingen. Fur die Partner einer solchen\nGemeinschaft bestunden keine gegenseitigen Unterhaltspflichten. Daher sei eine\nsolche Gemeinschaft nur eheahnlich, wenn die Bindungen der Partner so eng\nseien, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und\nWechselfallen des Lebens erwartet werden konne. Nur wenn sich die Partner\neiner Gemeinschaft so sehr fureinander verantwortlich fuhlten, dass sie\nzunachst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellten, bevor sie ihr\npersonliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedurfnisse verwendeten, sei\nihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten\nvergleichbar. Ob eine solche Gemeinschaft vorliege, lasse sich in der Praxis\nnur anhand von Indizien feststellen. Als solche Hinweistatsachen kamen nach\nder Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. November 1992 (1 BvL\n8/87) unter Anderem die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von\nKindern und Angehorigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, uber\nEinkommen und Vermogensgegenstande des anderen Partners zu verfugen, in\nBetracht. Bei der Beurteilung, ob eine eheahnliche Gemeinschaft vorliege, sei\nauch zu berucksichtigen, dass eine solche jederzeit ohne ein rechtlich\ngeregeltes Verfahren aufgelost werden konne. In der Regel werde dies\nallerdings mit der Auflosung der Wohngemeinschaft verbunden sein. Der\nGesetzgeber habe mit Wirkung zum 1. August 2006 in Anlehnung an die vom\nBundesverfassungsgericht nicht erschopfend genannten Hinweistatsachen fur das\nVorliegen einer eheahnlichen Gemeinschaft eine Regelung aufgenommen, die die\nVermutung einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft begrunde, um eine\nin der Verwaltungspraxis leichtere Feststellung der inneren Tatsachen einer\nsolchen Gemeinschaft mittels einer Beweislastumkehr zu ermoglichen. Danach\nwerde ab 1. August 2006 gemaß § 7 Abs. 3a) SGB II fur Personen im Sinne des §\n7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II der wechselseitige Wille, Verantwortung fur einander zu\ntragen und fur einander einzustehen, in den dort geregelten Fallen vermutet. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Antragsteller zu 2. gehore als Sohn der Antragstellerin zu 1. nach § 7\nAbs. 3 Nr. 4 SGB II zur Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter. Dieser\nBedarfsgemeinschaft sei auch Herr L. als Partner der Antragstellerin zu 1. im\nSinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II zuzuordnen. Insoweit griffen die\nVermutungsregelungen des § 7 Abs. 3a Nr. l und 3 SGB II ein. Die\nAntragstellerin zu 1. lebe mit Herrn L. bereits seit dem 1. September 2003 und\ndamit uber drei Jahren zusammen, seit dem 1. September 2005 werde auch der\nAntragsteller zu 2. im Haushalt versorgt. Diese Vermutung sei zwar\nwiderlegbar, die Antragsteller hatten diese aber nicht glaubhaft erschuttert.\nZwar bestritten sowohl die Antragstellerin zu 2. als auch Herr L. das\nVorliegen einer solchen Gemeinschaft, nach der Gesamtschau der vorliegenden\nIndizien sprachen aber neben den genannten Vermutungstatbestanden weitere\ngewichtige Anhaltspunkte dafur, dass die Gemeinschaft uber ein bloßes\nZusammenwohnen hinaus ein Zusammenleben im Sinne einer Verantwortungs- und\nEinstehensgemeinschaft darstelle. So sei die Antragstellerin zu 1. im Leben\ndes Herrn L. bereits seit mehreren Jahren ein derart fester Bestandteil, dass\nbereits in einer gerichtlichen Vereinbarung vom 10. Juli 2003 vor dem\nAmtsgericht Dresden die Antragstellerin als Begleitperson im Rahmen des\ngeschutzten Umgangs des Herrn L. mit seinen Kindern aufgenommen worden sei.\nAuch die sonstige Freizeit- bzw. Urlaubsgestaltung spreche fur eine sehr enge\nBindung der Partner, nachdem die beiden gemeinsam mit den jeweiligen Kindern\nim Urlaub gewesen seien. Dies hatten sie in der mundlichen Verhandlung vor dem\nSG am 17. Oktober 2006 angegeben, wenn auch widerspruchlich bezuglich\nZeitpunkt und Urlaubsziel. Ebenso sprachen die Umstande des Alltags fur das\nVorliegen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft, insbesondere die\nArt des raumlichen Zusammenwohnens. Die von Herrn L. angemietete Wohnung werde\nvon den Antragstellern und Herrn L. so genutzt, dass eine eigene Intimsphare\nder Personen nicht bestehe. Schlafzimmer, Bad, Kuche und Wohnzimmer wurden\ngemeinsam genutzt. Im Schlafzimmer bestehe zwar nach den Angaben der\nAntragstellerin zu 1. eine Trennung der Schlafstatte und des Kleiderschrankes,\naber nur insoweit als der eine jeweils die rechte und der andere jeweils die\nlinke Halfte nutze. Dies stelle keine raumliche Trennung dar, vielmehr sei bei\ngemeinsamer Nutzung des Schlafzimmers die Erhaltung einer getrennten\nIntimsphare gerade nicht gegeben. Auch in finanzieller Hinsicht bestunden\ngewichtige Anhaltspunkte fur eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft.\nHierfur spreche maßgeblich, dass Herr L. die Antragstellerin zu 1.\nunbestritten bereits in der Vergangenheit finanziell unterstutzt habe, indem\ner z. B. ausweislich des vorgelegten Steuerbescheides fur das Jahr 2004 im\nRahmen seiner Steuererklarung an diese erbrachte Zahlungen als\nUnterhaltsleistungen geltend gemacht habe. Hierbei habe er der Antragstellerin\nzu 1., die nicht durchgehend ihren vollen Mietanteil habe aufbringen konnen,\neingeraumt, die offenen Betrage zu einem spateren, nicht naher festgelegten\nZeitpunkt zu zahlen. Nach den - insoweit widerspruchlichen - Angaben der\nAntragstellerin zu 1. und des Herrn L. in der mundlichen Verhandlung vor dem\nSG seien diese Betrage erst dieses Jahr bzw. (noch) nicht zuruckgezahlt\nworden. Durch die bloße Erklarung des Herrn L. nach Stellung des\nLeistungsantrages durch die Antragstellerin zu 1., er sei nicht mehr bereit,\ndiese finanziell zu unterstutzen, sei die Vermutung der Einstands- und\nVerantwortungsgemeinschaft nicht zu widerlegen. Wenn dies ausreichen wurde,\nhatten die Betroffenen es jeweils selbst in der Hand, ihre Hilfebedurftigkeit\nherbeizufuhren. Eine andere Beurteilung sei auch von Verfassungs wegen nicht\ngeboten. Zwar sei die Beendigung einer (eheahnlichen) Einstands- und\nVerantwortungsgemeinschaft nach der genannten Entscheidung des BVerfG\ngrundsatzlich jederzeit moglich, dies gehe aber regelmaßig mit der Auflosung\nauch der Wohngemeinschaft einher. Eine solche sei im vorliegenden Fall gerade\nnicht vollzogen worden. Außerdem liege - selbst wenn entsprechend dem\nVorbringen der Antragstellerin zu 1. keine gemeinsamen Konten und keine\nVerfugungsgewalt uber des jeweils anderen Einkommen und Vermogen bestehe -\neine finanzielle Verknupfung mit Herrn L. insoweit vor, als dieser ausweislich\ndes vorgelegten Mietvertrages die Miete im Außenverhaltnis alleine trage und\nlediglich im Innenverhaltnis die Überweisung eines Mietanteils der\nAntragstellerin zu 1. an ihn vereinbart sei; außerdem sei Herr L. ausweislich\nder Niederschrift uber die mundliche Verhandlung vor dem SG in der\nLebensversicherung der Antragstellerin zu 1. als Begunstigter im Todesfalle\nberucksichtigt. Dem Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft stehe auch nicht\nentgegen, dass die Antragstellerin zu 1. bzw. Herr L. noch verheiratet sei,\nvon dem Ehepartner aber dauerhaft getrennt lebe. Dies schließe eine\neheahnliche Gemeinschaft nach der Rechtsprechung nicht aus. Unter\nBerucksichtigung des Bedarfs und des Einkommens dieser Bedarfsgemeinschaft\nbestehe keine Hilfebedurftigkeit der Antragsteller. Schließlich folge ein\nAnordnungsanspruch auch nicht aus § 23 Abs. l SGB II. Zwar fuhre das BSG in\nder Entscheidung vom 7. November 2006 (B 7b AS 8/06 R) aus, dass es in Fallen\neiner Bedarfsgemeinschaft, in der die Einkommensverteilung tatsachlich nicht\ndurchgefuhrt werde, in Betracht komme, ggf. ein Darlehen nach § 23 Abs. l SGB\nII zu gewahren und die Darlehensschuld zu erlassen - bei gleichzeitiger\nInanspruchnahme des Mitgliedes der Bedarfsgemeinschaft, das sein Einkommen\nnicht zur Verfugung stelle, nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II -; die\nAntragsteller machten auch geltend, eine Einkommensverteilung finde\ntatsachlich nicht statt, was jedoch aus den dargestellten Umstanden nicht\nglaubhaft sei. Insbesondere hatten die Antragsteller es selbst in der Hand,\neine Einkommensverteilung herbeizufuhren, indem sie mit ihrem Anspruch gegen\nden Anspruch des Herrn L. auf Zahlung des vereinbarten anteiligen monatlichen\nMietanteils aufrechnen konnten. \n--- \n| 12 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller, mit der diese ihr\nbisheriges Vorbringen weiterverfolgen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Antragsteller beantragen sinngemaß, \n--- \n| 14 \n--- \n| den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2007 aufzuheben\nund die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,\nihnen ab 1. Dezember 2006 vorlaufig bis zur rechtskraftigen Entscheidung uber\ndie eingelegte Berufung (L 7 AS 5741/06) darlehensweise Leistungen nach dem\nSGB II in Hohe von EUR 441,15 monatlich zu gewahren. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Antragsgegnerin beantragt, \n--- \n| 16 \n--- \n| die Beschwerde zuruckzuweisen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der\nGerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. \n--- \nII. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes\n(SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das SG nicht\nabgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulassig, jedoch unbegrundet. \n--- \n| 19 \n--- \n| Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht\nein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf\nden Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine\nVeranderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des\nAntragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden konnte. Einstweilige\nAnordnungen sind auch zur Regelung eines vorlaufigen Zustands in Bezug auf ein\nstreitiges Rechtsverhaltnis zulassig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung\nwesentlicher Nachteile notig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Die §§ 920, 921, 923,\n926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 ZPO gelten entsprechend (§ 86b Abs. 2 Satz\n4 SGG). \n--- \n| 20 \n--- \n| Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine\nRegelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer\neinstweiligen Anordnung verlangt grundsatzlich die - summarische - Prufung der\nErfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer\nvorlaufigen gerichtlichen Entscheidung (standige Rechtsprechung des Senats;\nvgl. z.B. Beschlusse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72\nund vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 <beide auch in\njuris; jeweils m.w.N.>). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs\n(Anordnungsanspruch) und die Eilbedurftigkeit der erstrebten einstweiligen\nRegelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG\ni.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung <ZPO>); dabei sind die insoweit zu\nstellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung\nvorlaufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit\nBlick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht\n<BVerfG> NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Mithin erforderlich\nist sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund, die jedoch,\ngemessen an dem mit dem Antrag verfolgten Rechtsschutzziel (vgl. BVerfG NVwZ\n2004, 95; NVwZ 2005, 927), in einer Wechselbeziehung zueinander stehen, sodass\nsich die Anforderungen je nach dem zu erwartendem Maß des Erfolgs in der\nHauptsache, der Dringlichkeit der erstrebten vorlaufigen Regelung oder der\nSchwere des drohenden Nachteils vermindern konnen (standige\nSenatsrechtsprechung; vgl. z. B. Beschlusse vom 4. Januar 2007 - L 7 SO\n6235/06 ER-B - und vom 29. Januar 2007 - L 7 SO 5672/06 ER-B - <beide\nm.w.N.>). Maßgebend fur die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind\nregelmaßig die Verhaltnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung\n(vgl. Senatsbeschlusse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72,\nvom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 <beide m.w.N.>). Die\nEilbedurftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmaßig zu\nverneinen, soweit Anspruche fur bereits vor Stellung des einstweiligen Antrags\nabgelaufene Zeitraume erhoben werden (vgl. Senatsbeschlusse vom 30. November\n2006 - L 7 SO 5206/06 ER-B - und vom 28. Dezember 2006 - L 7 AS 6383/06 ER-B-\n<beide m.w.N.>). \n--- \n| 21 \n--- \n| Diese Voraussetzungen liegen vorliegend nicht vor. Zu Recht und mit\nuberzeugender Begrundung hat das SG das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs\nverneint. Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die Richtigkeit der\nerstinstanzlichen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Auch nach Auffassung des\nSenats fehlt es an der Glaubhaftmachung der Hilfebedurftigkeit der\nAntragsteller im streitbefangenen Zeitraum, da bei summarischer Prufung eine\nBedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 SGB II mit Herrn L. besteht mit der\nFolge, dass gemaß § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II auch dessen Einkommen bei der\nBedarfsberechnung zu berucksichtigen ist mit der Folge, dass es zur Sicherung\nihres Lebensunterhalts einzusetzen ist. \n--- \n| 22 \n--- \n| Durch das zum 1. August 2006 in Kraft getretene Gesetz zur Fortentwicklung\nder Grundsicherung fur Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I 1706) ist der\nBegriff der Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 SGB II) teilweise neu gefasst\nworden. Danach gehort zur Bedarfsgemeinschaft als Partner der erwerbsfahigen\nHilfebedurftigen - neben dem nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten (Nr. 3\na) und dem nicht dauernd getrennt lebenden Lebenspartner (Nr. 3 b) - auch eine\nPerson, die mit dem erwerbsfahigen Hilfebedurftigen in einem gemeinsamen\nHaushalt so zusammenlebt, dass nach verstandiger Wurdigung der wechselseitige\nWille anzunehmen ist, Verantwortung fureinander zu tragen und fureinander\neinzustehen (Nr. 3 c). Dass die Neufassung des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II n. F.\n- im Gegensatz zur fruheren Fassung - den Begriff der eheahnlichen\nGemeinschaft nicht mehr explizit erwahnt, erfolgte ausweislich der\nGesetzesmaterialien deswegen, weil hierdurch auch die Zuordnung von zwei in\neiner nicht eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebenden\nPersonen zu einer Bedarfsgemeinschaft ermoglicht werden sollte (vgl. BT-\nDrucks. 16/1410, S. 19). Auf der anderen Seite knupft aber auch die Neufassung\nersichtlich an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an, wonach fur\ndie Annahme einer eheahnlichen Gemeinschaft die Bindungen der Partner so eng\nsein mussen, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und\nWechselfallen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner einer\nGemeinschaft so sehr fureinander verantwortlich fuhlen, dass sie zunachst den\ngemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr personliches\nEinkommen zur Befriedigung eigener Bedurfnisse einsetzen, ist ihre Lage mit\nderjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die\nverscharfte Bedurftigkeitsprufung vergleichbar (BVerfG, Urteil vom 17.\nNovember 1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, S. 234 ff., 265; Beschluss vom 2.\nSeptember 2004 - 1 BvR 1962/04 - <juris>, vgl. auch Bundesverwaltungsgericht\n<BVerwG> in BVerwGE 98, 195 , 199; Bundessozialgericht <BSG> in BSGE 90, 90 ,\n98 f.). Ein substantieller Unterschied gegenuber der fruheren Regelung des § 7\nAbs. 3 Nr. 3 b SGB II ist damit, was die Kriterien fur das Vorliegen einer\nsolchen Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft anbelangt, in der Neufassung\nnicht zu erkennen (vgl. zu diesen Kriterien die Senatsentscheidungen vom 31.\nJanuar 2006 - L 7 AS 108/06 ER-B - und vom 21. September 2006 - L 7 SO 1110/06\n- <jeweils juris>). So ist - auch weiterhin - bei Prufung der Voraussetzungen\nnicht ausschlaggebend, ob ein Wille, Verantwortung fureinander zu tragen und\nfureinander einzustehen, tatsachlich vorliegt (ebenso LSG Hamburg, Beschluss\nvom 8. Februar 2007 - L 5 B 21/07 ER AS -, SG Reutlingen, Beschluss vom 18.\nDezember 2006 - S 2 AS 4271/06 ER - <jeweils juris>). Eine Modifikation ergibt\nsich allerdings insoweit, als der Gesetzgeber mit der Vermutungsregelung des §\n7 Abs. 3a SGB II Tatbestande normiert hat, deren Vorliegen nach seinem Willen\nden Schluss auf das Bestehen einer solchen Gemeinschaft zulassen sollen\n(kritisch dazu Otto in Otto/Gurgel, Handbuch des Fachanwalts, Sozialrecht,\nKap. 4 Rdnr. 26b). \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Antragstellerin zu 1. erfullt den Vermutungstatbestand des § 7 Abs. 3a\nNr. 1 SGB II, da sie - unstreitig - seit 1. September 2003, also seit ca. 3 ½\nJahren, mit Herrn L. zusammen lebt. Damit wird der wechselseitige Wille,\nVerantwortung fureinander zu tragen und fureinander einzustehen, vermutet. Die\nEinbeziehung des Antragstellers zu 2. in die somit anzunehmende\nBedarfsgemeinschaft ergibt sich uber die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II,\nso dass es insoweit darauf ankommt, ob dieser seinerseits unter den\nVermutungstatbestand des Abs. 3a Nr. 4 fallt, was ein - hier bestrittenes -\n„Versorgen" des Kindes durch „die Partner" voraussetzt. \n--- \n| 24 \n--- \n| Das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft in diesem\nSinne wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass einer der Partner noch\nanderweitig verheiratet ist. Die Rechtsprechung hat bereits entschieden, dass\ndem Vorliegen einer eheahnlichen Gemeinschaft nicht entgegen steht, dass\njedenfalls einer der Partner noch anderweitig verheiratet ist (vgl. bereits\nVGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 16. November 1995 - 6 S 3171/94 - <juris>\nzu § 122 BSHG). Das Bundesverfassungsgericht hat in der auch von den\nAntragstellern in Bezug genommenen Entscheidung vom 17. November 1992 (a.a.O.)\nausgefuhrt, dass die Einkommensanrechnung unter Partnern einer solchen\neheahnlichen Gemeinschaft zwar von Verfassungs wegen nicht geboten, aber bei\nAuslegung des Begriffes der eheahnlichen Gemeinschaft im Sinne einer\nVerantwortungs- und Einstehensgemeinschaft mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.\nDementsprechend wird auch das Vorliegen einer Einstehensgemeinschaft nach § 7\nAbs. 3 SGB II n. F., deren Bestehen auf außere und innere Tatsachen gegrundet\nist und nicht auf eine formale rechtliche Bindung zwischen den Partnern, nicht\ndadurch gehindert, dass (mindestens) einer der Partner noch (formal)\nverheiratet ist. \n--- \n| 25 \n--- \n| Dem Vorbringen der Antragsteller ist einzuraumen, dass die Annahme einer\nsolchen Einstehensgemeinschaft nicht unwiderleglich ist. Dies hat auch im\nAnwendungsbereich des § 7 Abs. 3a SGB II zu gelten, wobei das Vorliegen eines\n„Vermutungstatbestandes" nach Absatz 3a allerdings eine Beweislasterschwernis\nzu Lasten des Anspruchstellers bewirkt (die Gesetzesbegrundung spricht sogar\nvon einer „Beweislastumkehr", vgl. BT-Drucks. 16/1410 S. 19). Welche\nAnforderungen im Einzelnen zur Widerlegung einer der Vermutungsvarianten\nerfullt sein mussen, bedarf indessen anlasslich des vorliegenden Verfahrens\nkeiner Entscheidung. Jedenfalls kann die schlichte Erklarung, nicht in\nVerantwortungsgemeinschaft zu leben, nicht genugen (vgl. dazu die Begrundung\ndes Gesetzentwurfes, BT-Drucksache 16/1410, S. 19; SG Reutlingen, Beschluss\nvom 18. Dezember 2006 - S 2 AS 4271/06 ER -; SG Leipzig, Beschluss vom 7.\nNovember 2006 - S 19 AS 1571/06 ER -; SG Schleswig, Beschluss vom 28. November\n2006 - S 1 AS 1061/06 ER - <jeweils juris>). Es ist vielmehr Sache des\nHilfebedurftigen, plausible Grunde darzulegen, die gegebenenfalls bewiesen\nsein mussen, dass keiner der in § 7 Abs 3a SGB II aufgefuhrten Sachverhalte\nvorliegt oder dass die Vermutung durch andere Umstande entkraftet wird\n(Landessozialgericht Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 16. Januar 2007 - L 13\nAS 3747/06 ER-B -, <juris>; vgl. entsprechend zur Rechtslage vor Einfugung des\n§ 7 Abs. 3a SGB II, Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. Juni 2005 - L 11 B\n226/05 AS ER - <juris>). bzw. dass das Zusammenwohnen (nunmehr) als reine\nZweck- oder Wohngemeinschaft einzustufen ist; soweit es um die Aufhebung der\neheahnlichen Gemeinschaft geht, wird diese allerdings in der Lebensrealitat\nregelmaßig mit der Auflosung der Wohngemeinschaft verbunden sein (BVerfG,\na.a.O.). Mit Blick darauf, dass die eheahnliche Gemeinschaft rechtlich nicht\nverfestigt ist und aus ihr keine zivilrechtlichen Unterhaltsanspruche\nentstehen und weil sie auch jederzeit von den Beteiligten aufgelost werden\nkann, sind hierfur - wie generell bei der Ermittlung der Bedurftigkeit als\nVoraussetzung existenzsichernder Leistungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.\nMai 2005 - 1 BvR 569/05 -, NVwZ 2005, 927 -) - allerdings nur zeitnahe\nUmstande und Indizien von Belang und nicht solche aus zuruckliegenden\nZeitraumen (Senatsbeschluss vom 1. Juni 2006 - L 7 AS 1704/06 ER -; vgl. auch\nHessisches LSG, Beschluss vom 29. Juni 2005 - L 7 AS 1/05 ER -, FEVS 57, 42). \n--- \n| 26 \n--- \n| Hiervon ausgehend ist die gesetzliche Vermutung des Vorliegens einer\nBedarfsgemeinschaft der Antragstellerin zu 1. mit Herrn L. bei der in diesem\neinstweiligen Rechtsschutzverfahren nur moglichen summarischer Prufung nicht\nwiderlegt; es sprechen vielmehr zahlreiche gewichtige Indizien fur deren\nBestatigung. Wegen der weiteren Begrundung wird hierzu zur Vermeidung von\nWiederholungen auf die uberzeugenden Ausfuhrungen des SG Bezug genommen (§ 153\nAbs. 2 SGG entsprechend). Erganzend hierzu ist auszufuhren, dass auch das\nErgebnis des Erorterungstermins am 15. Februar 2007 vor dem Berichterstatter\nim (Berufungs-) Verfahren L 7 AS 5741/06 die gesetzliche Vermutung nicht\nentkraftet, sondern bestatigt hat. Dies betrifft namentlich die schwerlich\nnachvollziehbaren Ausfuhrungen der Antragstellerin zu 1. zu den\nWohnverhaltnissen und der (angeblichen) Unmoglichkeit, in der gemeinsamen\n4-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnflache von 107,5 qm raumlich getrennt zu\nschlafen sowie ihre im Widerspruch zu ihrer eigenen fruheren Formulierung (Bl.\n18 d. A.) und dem Protokoll des Amtsgerichts Dresden - Familiengericht - vom\n10. Juli 2003 - stehende Einlassung, nicht Lebensgefahrtin, sondern nur\n„Wohngemeinschaftspartnerin" von Herrn L. zu sein. Wegen der weiteren\nEinzelheiten der Anhorung der Klagerin wird hierzu auf die gefertigte\nNiederschrift verwiesen. Von erheblicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang,\ndass Herr L. im familiengerichtlichen Verfahren einem Vergleich zugestimmt\nhat, in welchem die Antragstellerin zu 1. an drei Stellen als seine\nLebensgefahrtin bezeichnet und in die Gestaltung des Umgangsrechts mit seinen\nKindern einbezogen wird. Damit wird eine personliche Nahe und Vertrautheit\ndeutlich, die klar fur eine erhebliche und verpflichtende Bindung zwischen den\nPartnern spricht. \n--- \n| 27 \n--- \n| Unter Zugrundelegung einer somit anzunehmenden Bedarfsgemeinschaft zwischen\nder Antragstellerin zu 1. und Herrn L., in welche der Antragsteller zu 2. uber\ndie Bestimmung des § 7 Abs. 2 Nr. 4 SGB II einbezogen ist, lasst sich die\nBedurftigkeit nach § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II nicht feststellen.\nAusweislich der von der Antragsgegnerin im Verfahren L 7 AS 5756/06 ER (Bl.\n17-19 der Verfahrensakte) vorgelegten schlussigen Bedarfs- und\nEinkommensberechnung, die auch von den Antragstellern nicht substantiell in\nFrage gestellt wird, ubersteigt das gemeinsame berucksichtigungsfahige\nEinkommen der Partner den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft um 653,24 EUR\nmonatlich. Selbst unter Zugrundelegung des seit Januar 2007 von 514,00 EUR auf\n573,00 EUR monatlich gestiegenen Kindesunterhalts, welcher von Herrn L. zu\nzahlen ist, ergibt sich noch eine hinreichende Bedarfsdeckung. Soweit die\nAntragsteller uber die Regelung des § 11 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 3 der\nArbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) vom 20. Oktober 2004\n(BGBl. I S. 2622) hinausgehende Absetzungen vom Einkommen und Kosten geltend\nmachen, wie „ehebedingte Verbindlichkeiten" des Herrn L. in Form von Kredit-\nund sonstigen Schulden, ist darauf hinzuweisen, dass die Aufzahlung der\nmoglichen Absetzungen in § 11 Abs. 2 SGB II ihrem Wortlaut nach abschließend\nist und weitere Absetzungen daher grundsatzlich nicht vorzunehmen sind (Bruhl\nin Munder <Hrsg.>, LPK-SGB II, 2. Auflage, § 11 Rdnr. 43). Der Senat verkennt\nnicht, dass diese Regelung gerade unter Zugrundelegung der mit der\ngesetzlichen Neuregelung zum 1. August 2006 verbundenen Erweiterung der\nBedarfsgemeinschaft und den damit verbundenen weit reichenden finanziellen\nEinstandspflichten (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II) zu Harten auf Seiten\neiner Person fuhren kann, die bei isolierter Betrachtung nicht hilfebedurftig\nware und - ohne Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht - nunmehr\ngehalten ist, ihr Einkommen fur die ubrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft\neinzusetzen mit der Folge, dass sie sich dadurch moglicherweise außerstande\nsetzt, anderweit bestehende Verpflichtungen zu erfullen (zur Problematik s.\nBruhl in Munder, a.a.O., Rdnr. 12 m.w.N.). \n--- \n| 28 \n--- \n| Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Konzeption\nbestehen gleichwohl jedenfalls in der Konstellation der „funktionierenden\nBedarfsgemeinschaft" nicht, in welcher bewilligte Leistungen bzw.\neinzusetzendes Einkommen den bedurftigen Personen zufließen (ebenso BSG,\nUrteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 - NDV-RD 2007, 3-8). Eine hiervon\nabweichende Konstellation, in welcher einzusetzendes Einkommen den ubrigen\nMitgliedern der Bedarfsgemeinschaft vorenthalten wird, wird vorliegend zwar\nbehauptet, aber nicht glaubhaft gemacht. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193\nSGG. \n--- \n| 30 \n--- \n| Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG). \n---\n\n
138,145
olgkarl-2004-04-14-1-ss-15903
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
1 Ss 159/03
2004-04-14
2019-01-07 13:58:36
2019-02-12 12:40:08
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts X. vom\n30. September 2002 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und unter Abanderung\ndes Tenors wie folgt neu gefasst:\n\nDer Angeklagte ist der fahrlassigen Korperverletzung schuldig.\n\nEr wird deshalb verwarnt.\n\nDie Verurteilung zu einer Geldstrafe von funf Tagessatzen zu je Euro 50 bleibt\nfur Dauer von zwei Jahren vorbehalten.\n\nAngewendete Vorschriften: §§ 223,229,230, 59 StGB\n\n2\\. Die weitergehende Revision wird verworfen.\n\n3\\. Der Angeklagte tragt die Kosten des Verfahrens. Jedoch wird die\nVerfahrensgebuhr um die Halfte ermaßigt. Die dem Angeklagten entstandenen\nnotwendigen Auslagen fallen zur Halfte der Staatskasse zu Last.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Das Amtsgericht X. verurteilte den Angeklagten am 30.09.2002 wegen\nfahrlassiger Korperverletzung zu einer Geldstrafe von 10 Tagessatzen zu je\nEuro 50, weil er am 29.06.2001 gegen 16.25 in X. in einem verkehrsberuhigten\nBereich (Spielstraße; Zeichen 325) das sechsjahrige und die Fahrbahn\nunvermittelt uberquerende Kind Natalie K. mit seinem Kraftfahrzeug aus\nUnachtsamkeit erfasst hatte und das Auto nach Abbremsen mit dem linken\nVorderrad auf dem Fuß des Madchens mit der Folge von Prellungen und\nHautabschurfungen zum Stehen kam. \n--- \n| 2 \n--- \n| Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision, mit\nwelcher er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rugt. \n--- \n| 3 \n--- \n| II. Das Rechtsmittel fuhrt zur Änderung des Strafausspruchs und zur\nHerabsetzung der Strafe durch den Senat. \n--- \n| 4 \n--- \n| 1\\. Allerdings ist die vom Amtsgericht wegen fahrlassiger Korperverletzung\nerfolgte Verurteilung zu einer Geldstrafe aus Rechtsgrunden nicht zu\nbeanstanden, so dass die Revision an sich zu verwerfen gewesen ware. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| a. Soweit der Angeklagte mit der Verfahrensruge u.a. geltend macht, die\nÖffentlichkeit sei aufgrund einer beim Amtsgericht X. verschlossenen\nGerichtstur in unzulassiger Weise ausgeschlossen gewesen, liegt eine\nVerletzung des § 338 Nr. 6 StPO nicht vor. \n--- \n| 6 \n--- \n| Aufgrund des Revisionsvortrags, der vorliegenden dienstlichen Stellungnahme\ndes 1.Justizwachtmeisters und des Sitzungsprotokolls ist zwar als nachgewiesen\nanzusehen, dass wahrend der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten beim\nAmtsgericht X. die Eingangstur wahrend der Schlussvortrage, zumindest wahrend\ndes letzten Wortes des Angeklagten verschlossen gewesen war. Einen Verstoß\ngegen den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO stellt diese\ntatsachliche und versehentliche Behinderung des Zugangs aber nicht dar, da den\nTatrichter hieran kein Verschulden trifft, wozu auch eine fehlende Überwachung\nvon Gerichtspersonal gehoren wurde (BGHSt 21, 72 f.; 22, 297 ff.; NStZ 1995,\n143 f.). Allein in dem spaten und außerhalb der ublichen Dienstzeiten\nliegenden Aufruf der Sache um 17.20 Uhr und einem fehlenden Hinweis an der\nEingangstur auf diese Sitzung ist eine solche Pflichtverletzung nicht zu\nsehen, da innerhalb des Gerichts durch organisatorische Hinweise klargestellt\nwar, dass die Eingangsture wahrend laufenden Sitzungen nicht verschlossen\nwerden darf. Dass eine solche Anweisung beim Amtsgericht X. bestand, ergibt\nsich aus der dienstlichen Erklarung des 1.Justiz-hauptwachtmeisters vom\n23.10.2002, der dienstlichen Erklarung der Tatrichterin vom 15.11.2002 und dem\nUmstand, dass die Tur bis etwa 19 Uhr offen gewesen war, so dass es sich beim\nVerschließen der Ture um einen individuellen Fehler des Justizwachtmeisters\nund nicht um ein organisatorisches Verschulden des Gerichts handelte. \n--- \n| 7 \n--- \n| b. Auch die Sachruge hat keinen Erfolg. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Dabei kann der Senat offen lassen, ob - was die Revision angreift - die\ngerichtliche Beweiswurdigung, insbesondere die Wurdigung der kindlichen\nZeugenaussage, auf einer noch tragfahigen Grundlage beruht, denn das\nsorgfaltswidrige Verhalten des Angeklagten ergibt sich bereits aus seiner\neigenen und insoweit durchaus glaubhaften Einlassung. Dieser hat in der\nHauptverhandlung namlich angegeben, „er habe beim sehr langsamen Einfahren die\nSteinbruckstraße sein Hauptaugenmerk auf die rechts spielenden Kinder gelegt,\nsich aber auch nach vorne orientiert. Als er einen leichten Aufprall gehort\nhabe, habe er sofort gebremst, sei jedoch auf dem Fuß des Kindes zum Stehen\ngekommen. Er habe dieses vorher nicht sehen konnen, weil links von ihm,\nparallel zu seinem Fahrzeug, in Gegenrichtung ein helles Fahrzeug mit einem\nhoheren Aufbau gestanden sei, hinter dem Natalie hervorgekommen sein musse.\nDas Kind sei in seinen vorderen linken Kotflugel gelaufen." \n--- \n| 9 \n--- \n| Bei dieser Sachlage hat der Angeklagte aber die fur das Befahren einer\nSpielstraße i.S.d. § 42 Abs. 4 a StVO gebotenen Sorgfaltspflichten nicht\neingehalten, vielmehr hatte er sich auf die Moglichkeit einrichten mussen,\ndass in einem solchen verkehrsberuhigten Bereich, in welchem Kinderspiele\nuberall erlaubt sind, auch zunachst noch nicht sichtbare Personen,\ninsbesondere Kinder, plotzlich die Fahrbahn betreten konnen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Es bestehen namlich besondere, uber die allgemeine Sorgfaltspflichten (vgl.\nBGH NJW 1986, 184 f. ;BGH NZV 1992, 360 f.; BGH NJW 1982, 1149) hinausgehende\nbesondere Anforderungen, wenn sich der Kraftfahrer mit seinem Fahrzeug in\neiner sogenannten "Spielstraße" (verkehrsberuhigter Bereich, Zeichen 325)\nbewegt. In diesem Fall verlangt § 42 Abs. 4 a StVO vom Kraftfahrer zunachst,\ndass er Schrittgeschwindigkeit - etwa 4 bis 7 km/h (OLG Koln VRS 69, 382 f.) -\neinhalt (Nr. 2) und Fußganger weder gefahrdet noch behindert sowie, wenn\nnotig, wartet (Nr. 3). Daruber hinaus muss der Kraftfahrer sein Verhalten\ninsbesondere darauf einrichten, dass in verkehrsberuhigten Bereichen Fußganger\ndie Straße in ihrer ganzen Breite benutzen durfen und Kinderspiele uberall\nerlaubt sind (§ 42 Abs. 4 a Nr. 1 StVO). Aufgrund dieser in einem\nverkehrsberuhigten Bereich bestehenden Besonderheit ist es einem hier\ndurchfahrenden Kraftfahrer abzuverlangen, dass er sich - jedenfalls dort, wo\nes nach den ortlichen Gegebenheiten in Frage kommt - auch auf die Moglichkeit\neinrichtet, dass zunachst noch nicht sichtbare Personen, insbesondere Kinder,\nplotzlich die Fahrbahn betreten konnten (vgl. OLG Frankfurt DAR 1999, 543 f.;\nOLG Koln VRS 36, 360 f.; OLG Braunschweig NJW 1963, 2038). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Nach Maßgabe dieser Grundsatze hat sich der Angeklagte sorgfaltswidrig\nverhalten. Wegen der auf der rechten Seite spielenden Kinder hatte er den\nlinken Fahrbahnbereich namlich nicht mit der notigen Aufmerksamkeit\nbeobachtet. Außerdem war die linke Fahrbahnhalfte fur ihn wegen des\nGegenverkehrs (dort stand oder fuhr ein helleres Fahrzeug mit Aufbau) nicht\nvollstandig einsehbar. Bei dieser Gefahrenlage hatte der Angeklagte aber sein\nFahrzeug anhalten mussen oder selbst eine Fahrt mit Schrittgeschwindigkeit -\nkonkrete Feststellung zur Fahrgeschwindigkeit enthalt das Urteil nicht -\nallenfalls noch durch „Weitertasten" fortsetzen durfen, denn er hatte in der\nkonkreten Situation (spielende Kinder am Fahrbahnrand) damit rechnen konnen\nund mussen, dass von der linken und fur ihn nicht vollstandig einsehbaren\nSeite ein spielendes Kind in die Fahrbahn lauft. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Senat hat jedoch bei seiner Entscheidung von Amts wegen berucksichtigt,\ndass das Verfahren nach Erlass des tatrichterlichen Urteils in erheblicher\nWeise unter Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot des Art. 6 MRK durch die\nJustizbehorden verzogert worden ist (BGH NStZ 1997, 29 f.; OLG Stuttgart\nJustiz 2002, 375; dass. Beschluss vom 23.10.2003, 5 Ss 409/03; OLG Karlsruhe,\nBeschluss vom 08.03.2004, 3 Ss 9/04). \n--- \n| 13 \n--- \n| Das angefochtene Urteil ist am 30.09.2002 verkundet worden, die Akten\nwurden dem Senat jedoch erst am 19.01.2004 vorgelegt. Diese Verzogerung hat\nihre Ursache maßgeblich darin, dass die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil\ndes Amtsgerichts, durch dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von zehn\nTagessatzen verurteilt worden war, am 02.10.2002 eine auf den\nRechtsfolgenausspruch beschrankte Berufung eingelegt und erst auf\ngerichtlichen Hinweis am 08.08.2002 diese wieder zuruckgenommen hatte, ohne\ndass fur eine Rechtsmitteleinlegung ein sachlicher Grund ersichtlich ware.\nDabei kann der Senat offen lassen, ob der Vortrag der Revision zutrifft, die\nEinlegung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft sei entgegen Nr. 147 Abs.1\nSatz 4 RiStBV nur erfolgt, um eine Entscheidung des Revisionsgerichts nach §\n335 StPO zu vermeiden, denn unabhangig hiervon ist die aufgrund der\nVorgehensweise der Staatsanwaltschaft und die hierdurch bewirkte\nVerfahrensverzogerung durch sachliche Grunde nicht gerechtfertigt. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Nach § 313 Abs. 1 StPO ist die Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts\nzu einer Verurteilung von nicht mehr als 15 Tagessatzen nur bei Annahme durch\ndas Landgericht zulassig, wobei eine solche nur erfolgen darf, wenn das\nRechtsmittel nicht offensichtlich unbegrundet ist (§ 313 Abs. 2 StPO). Von\neiner solchen Aussichtslosigkeit war vorliegend aber auszugehen. Zu Recht\nfuhrt das Amtsgericht in seinen Strafzumessungserwagungen hierzu aus, der\nAngeklagte - ein pensionierter Polizeibeamter - sei bislang nicht vorbestraft,\ner bedauere den Unfall und das Maß seiner Schuld sei im untersten Bereich\nanzusiedeln. Zwar hatte die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung noch\nauf eine Geldstrafe von 20 Tagessatzen angetragen, nach dem unwidersprochenen\nVortrag der Revision aber zuvor selbst - der Angeklagte hatte dem nicht\nzugestimmt - mehrfach auf eine Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO gegen\nZahlung einer Geldbuße von Euro 300 hingewirkt, so dass sie sich diese\ngerichtliche Sichtweise selbst zu eigen gemacht hatte. \n--- \n| 15 \n--- \n| Daruber hinaus liegt ein Verstoß gegen § 147 Abs. 1 Satz 3 RiStBV vor.\nDanach ist ein Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zur Nachprufung des\nStrafmaßes nur einzulegen, wenn die Strafe in einem offensichtlichen\nMissverhaltnis zur Schwere der Tat steht. Dies ist hier ersichtlich nicht der\nFall, selbst wenn man das von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafmaß als\nangemessen zugrunde legen wollte, denn zwischen einer Strafe von zehn\nTagessatzen - wie hier vom Gericht verhangt - und 20 Tagessatzen - wie von der\nStaatsanwaltschaft beantragt - besteht kein offensichtliches Missverhaltnis. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Einlegung des Rechtsmittels der Berufung durch die Staatsanwaltschaft\nhatte bis zu seiner Rucknahme damit zur gesetzlichen Folge, dass die Revision\ndes Angeklagten ebenfalls als Berufung zu behandeln war (§ 335 Abs. 3 Satz 1)\nund die Akten dem Revisionsgericht nicht vorgelegt werden konnten. Zwar sieht\nder Senat die Sachbehandlung durch die Staatsanwaltschaft nicht als\nrechtsmissbrauchlich an (vgl. hierzu aber die Erwagungen im Beschluss des\n2.Strafsenats des OLG Karlsruhe im Verfahren nach § 23 EGGVG vom 26.06.2003, 2\nVAs 36/02), denn allein die - wenn auch sachwidrige - Geltendmachung eines\nprozessualen Rechts genugt hierfur nicht. Die hierdurch eingetretene\nVerfahrensverzogerung kann jedoch im Rahmen des Art 6 MRK beachtlich sein,\nwenn diese als unangemessen lang anzusehen ist. \n--- \n| 17 \n--- \n| Dies hat der Senat vorliegend bejaht, wobei neben dem Zeitablauf von mehr\nals funfzehn Monaten bis zur Vorlage der Akten erganzend zu berucksichtigen\nwar (vgl. hierzu BVerfG NJW 2003, 2897 ff.; BGH NStZ-RR 2002, 219), dass die\nTat nunmehr annahernd drei Jahre zuruck liegt, was in Anbetracht des\nTatvorwurfs - fahrlassige Korperverletzung im Straßenverkehr - eine gemessen\nan anderen gleichartigen Verfahren durchaus außergewohnlich lange Gesamtdauer\ndarstellt. Hingegen hat es der Senat nicht als zurechenbare erhebliche\nMitverursachung des Angeklagten angesehen (vgl. hierzu BVerfG a.a.O.), dass\ndieser - im Ergebnis mangels Unzulassigkeit des Antrags vergeblich (vgl. OLG\nKarlsruhe, Beschluss vom 26.06.2003, 2 VAs 36/02) - die Berufungseinlegung der\nStaatsanwaltschaft mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach Art. 23\nEGGVG auf ihre Rechtmaßigkeit hin uberprufen lassen wollte, denn die Dauer des\ndortigen Verfahrens von mehr als acht Monaten ist dem Angeklagten - jedenfalls\nnicht vollumfanglich - zuzurechnen, sondern hat ihre Ursache vornehmlich im\nBereich der Justiz. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Senat hat zur Vermeidung einer weiteren Verfahrensverzogerung in\nentsprechender Anwendung des § 354 Abs. 2 StPO (vgl. hierzu BGH NStZ 1997, 29\nm.w.N) in der Sache selbst entschieden und wegen des erheblichen Verstoßes\ngegen das Beschleunigungsgebot die in Anbetracht der Einkommenssituation des\nAngeklagten denkbar mildeste Sanktion - der Angeklagte und die\nStaatsanwaltschaft haben der vom Senat angeregten Einstellung des Verfahrens\nnach § 153 Abs.2 StPO nicht zugestimmt - verhangt, den Angeklagten nach § 59\nStGB verwarnt und die Verhangung einer Geldstrafe von funf Tagessatzen zu je\nEuro 50 fur die Dauer von zwei Jahren vorbehalten. \n--- \n| 19 \n--- \n| III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 und 4 StPO. \n---\n\n
138,173
vghbw-2004-04-20-8-s-21504
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
8 S 215/04
2004-04-20
2019-01-07 13:58:54
2019-01-17 11:58:21
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts\nStuttgart vom 19. Dezember 2003 - 13 K 4681/03 - werden zuruckgewiesen.\n\nDie Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des\nBeschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der\nBeigeladenen.\n\nDer Streitwert fur das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 5.000,-- festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die - zulassigen - Beschwerden sind unbegrundet. Das Verwaltungsgericht hat\nzu Recht einen Verstoß des genehmigten Vorhabens der Beigeladenen gegen die\nAbstandsflachenregelungen des § 5 LBO verneint. Die Auffassung der\nAntragsteller, auf die Hohe der nordlichen Außenwand, die fur die Ermittlung\ndes zur gemeinsamen Grundstucksgrenze einzuhaltenden Abstandes maßgeblich ist,\nsei die Hohe des dort vorhandenen Walmdaches zu einem Viertel anzurechnen,\nworaus eine zu geringe Abstandsflachentiefe folge, trifft nicht zu. Im\neinzelnen ergibt sich dies aus folgendem: \n--- \n| 2 \n--- \n| Nach § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 LBO wird die Hohe von Dachern mit einer\nNeigung von mehr als 45° zu einem Viertel auf die Wandhohe angerechnet. Diese\nRegelung findet - wie die Antragsteller zu Recht hervorheben - auch auf das\nvorliegend streitige Walmdach Anwendung, weil dieses eine Neigung von 63°\naufweist. Die Antragsteller verkennen aber, dass dieser Walm zugleich die in §\n5 Abs. 5 S. 2 LBO definierte Giebelflache der Nordfassade des genehmigten\nWohnhauses darstellt. In einem zweiten Schritt kommt deshalb zusatzlich die\nRegelung des § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 LBO zur Anwendung (Sauter, LBO, § 5\nRdNr. 78 und insbesondere Abbildung 17; OVG NW, Beschluss vom 31.1.1994 - 10 B\n1414/93 - BRS 56 Nr. 97, S. 272). Danach ware die so ermittelte Hohe der als\nWalmdach ausgebildeten Giebelflache nur dann auf die Wandhohe anzurechnen,\nwenn eine der sie begrenzenden Dachflachen, also der Ortgange der West- und\nOstdacher des geplanten Wohnhauses, eine Neigung von mehr als 45° aufwiese.\nDer Neigungswinkel der Dacher betragt aber nur 35°; eine Anrechnung der Hohe\ndes Walmdachs findet damit nicht statt. Die geplante Abstandsflachentiefe von\n2,92 m ist deshalb nicht zu beanstanden. \n--- \n| 3 \n--- \n| Daraus folgt zugleich, dass die im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom\n19.2.2004 „hilfsweise" zugelassene Abweichung nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 LBO ins\nLeere geht. Im Übrigen bemerkt der Senat hierzu, dass die Voraussetzungen\ndieser Bestimmung nicht gegeben sind. Denn nach der Rechtsprechung aller mit\nBaurechtssachen befassten Senate des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg\n(Urteile des Senats vom 8.11.1999 - 8 S 1668/99 - BRS 62 Nr. 94 und vom\n27.10.2000 - 8 S 445/00 \\- VBlBW 2001, 144; Beschluss des 3. Senats vom\n13.6.2003 - 3 S 938/03 - BauR 2003, 1549; Urteil des 5. Senats vom 10.10.2002\n- 5 S 1655/01 - BauR 2003, 1201) ist bei der Prufung der Frage, ob\nnachbarliche Belange erheblich beeintrachtigt werden, von der normativen\nWertung auszugehen, dass eine den nach § 5 Abs. 7 S. 3 LBO nachbarschutzenden\nTeil unterschreitende Tiefe der Abstandsflache regelmaßig zu einer erheblichen\nund damit nicht mehr hinnehmbaren Beeintrachtigung des betreffenden Nachbarn\nfuhrt, gleichgultig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfugig ist.\nEine hiervon abweichende Beurteilung ist nur gerechtfertigt, wenn auf dem\nbetroffenen Nachbargrundstuck besondere Umstande vorliegen, die das Interesse\ndes Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschutzenden Teils der\nAbstandsflachentiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwurdig erscheinen\nlassen. Derartige Besonderheiten sind fur das Nachbargrundstuck der\nAntragsteller - nur auf dieses und nicht (auch) auf das Baugrundstuck der\nBeigeladenen ist abzustellen - nicht ersichtlich. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 und 162 Abs. 3\nVwGO. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 25 Abs. 2, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1\nS. 1 GKG. \n--- \n| 6 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 S. 2\nGKG). \n---\n\n
138,286
vg-stuttgart-2005-04-04-2-k-468904
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 K 4689/04
2005-04-04
2019-01-07 14:00:06
2019-01-17 11:58:28
Beschluss
## Tenor\n\nDas Verfahren wird eingestellt.\n\nDie Kosten des Verfahrens tragen die Klager als Gesamtschuldner und der\nBeklagte jeweils zur Halfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der\nBeigeladenen, die diese selbst tragt. Die Zuziehung eines Bevollmachtigten fur\ndas Vorverfahren war notwendig.\n\nDer Streitwert des Verfahrens wird auf 7.500 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Nachdem die Klager und der Beklagte den Rechtsstreit in der Hauptsache\nubereinstimmend fur erledigt erklart haben, ist das Verfahren in\nentsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und gemaß § 161\nAbs. 2 VwGO durch den Berichterstatter unter Berucksichtigung des bisherigen\nSach- und Streitstandes nach billigem Ermessen uber die Kosten des Verfahrens\nzu entscheiden. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten des Verfahrens den Klagern und\ndem Beklagten jeweils zur Halfte aufzuerlegen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Eine Auferlegung der Kosten an die Beigeladene scheidet aus. Zwar hat die\nBeigeladene die Erledigung des Rechtsstreits dadurch herbeigefuhrt, dass sie\nmit Schreiben vom 08.02.2005 der Kammer mitgeteilt hat, dass sie die\nBauvoranfrage und das Baugesuch fur das streitgegenstandliche Bauvorhaben\nzuruckziehe, da sie nicht mehr uber Rechte an dem Baugrundstuck verfuge, und\ndeshalb zur Vermeidung weiterer Kosten bitte, „das Verfahren per sofort zu\nstoppen". Nach § 154 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO konnen - soweit hier von Interesse\n- dem Beigeladenen Kosten aber nur auferlegt werden, wenn er Antrage gestellt\nhat. Dies ist hier nicht geschehen. Es sind auch keine Anhaltspunkte\nersichtlich, die es rechtfertigen konnten, der Beigeladenen die Kosten des\nVerfahrens unter dem Gesichtspunkt des „Verschuldens" (vgl. §§ 154 Abs. 3\nHalbsatz 2, 155 Abs. 4 VwGO) aufzuerlegen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Kammer halt es auch nicht fur gerechtfertigt, das Herbeifuhren der\nErledigung des Rechtsstreits durch die Beigeladene der Risikosphare des\nBeklagten mit der Folge zuzurechnen, dass dieser - ohne summarische Prufung\nder Erfolgsaussichten der Klage - die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen\nhatte. \n--- \n| 5 \n--- \n| Billigem Ermessen entspricht es vielmehr allein - so sehen es ersichtlich\nauch die Klager und der Beklagte -, die Kosten demjenigen Hauptbeteiligten\naufzuerlegen, der bei einer Fortsetzung des Verfahrens voraussichtlich\nunterlegen ware. Dies ist beim derzeitigen, fur die Kostenentscheidung\nmaßgeblichen Zeitpunkt als offen anzusehen. Die Erfolgsaussichten der Klage\ndurften bei der vorliegend gebotenen summarischen Prufung davon abhangen, ob\nden Klagern Nachbarschutz lediglich nach Maßgabe des in der „Wurdigung der\nnachbarlichen Interessen" in § 31 Abs. 2 BauGB verankerten\nRucksichtnahmegebots - dessen Verletzung hier wohl nicht nahe liegend ist - zu\ngewahren ist, oder ob sie - wenn der Beigeladenen Befreiung von einer\njedenfalls auch nachbarschutzenden Festsetzung des Bebauungsplans erteilt\nworden ware - Anspruch darauf haben, dass die Befreiung in jeder Hinsicht die\nrechtlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB erfullt. Dies hangt davon\nab, ob die durch den einfachen Bebauungsplan „XXX" von 1953 festgesetzte\nhintere Baugrenze, von deren Einhaltung der Beklagte Befreiung erteilt hat,\nnachbarschutzende Wirkung zugunsten des dieser Baugrenze gegenuber liegenden\nGrundstucks Flst. Nr. XXX, an dem die Klager Wohnungseigentum besitzen,\nentfaltet. Hierbei spielen insbesondere die Anforderungen der Rechtsprechung\ndes Verwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttembergs eine Rolle, vor allem\ndiejenigen des im Widerspruchsbescheid in Bezug genommenen Beschlusses vom\n18.06.2004 (8 S 803/04), der maßgeblich auf die konkreten Umstande des\nEinzelfalles abstellt. Dies alles lasst sich ohne eine eingehende Befassung\nmit dieser Rechtsprechung und den hier bestehenden ortlichen Verhaltnissen,\nfur die nach Eintritt der Erledigung des Rechtsstreits kein Raum mehr ist,\nnicht abschließend klaren. \n--- \n| 6 \n--- \n| Sind die Erfolgsaussichten als offen anzusehen, sind die Kosten\ngegeneinander aufzuheben oder verhaltnismaßig zu teilen (vgl. § 155 Abs. 1\nVwGO). Die Kammer halt es unter den gegebenen Umstanden fur billig, die Kosten\nhalftig zu teilen, was zur Folge hat, dass der Beklagte auch die Halfte der im\nGerichtsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Klager zu tragen\nhat. Dies rechtfertigt sich daraus, dass angesichts der Schwierigkeit der\ntatsachlichen und rechtlichen Fragen die Klager berechtigterweise einen Anwalt\nzuziehen durften (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 161 Rn. 17 m. w. N.). Deshalb war\nauch die Zuziehung eines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren nach § 162 Abs.\n2 Satz 2 VwGO fur notwendig zu erklaren, weshalb die Beklagte auch die\nGebuhren und Auslagen der Klager im Vorverfahren halftig zu tragen hat. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beigeladene tragt unter den gegebenen Umstanden - sie hat die\nErledigung selbst herbeigefuhrt - jedenfalls ihre außergerichtlichen Kosten\nselbst. Da sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt hat, gibt es keine\n„unterliegende Partei" im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO, der die Kosten aus\nBilligkeit selbst dann auferlegt werden konnten, wenn - wie hier - der\nnotwendig beigeladene Bauherr keinen Antrag gestellt und den Prozeß auch nicht\nwesentlich gefordert hat (vgl. VGH Bad.-Wurtt. Beschl. v. 01.09.1997 - 8 S\n1958/97 -, VBlBW 1998, 57). \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Kostenentscheidung bezuglich der gesamtschuldnerischen Haftung der\nKlager ergibt sich aus § 159 Satz 2 VwGO. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i.\nV. m. mit Ziff. 9.7.1 des Streitwertkatalogs fur die\nVerwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004. \n---\n\n
139,656
olgkarl-2003-12-12-14-u-3403
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
14 U 34/03
2003-12-12
2019-01-07 14:42:01
2019-02-12 12:19:17
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des\nLandgerichts Freiburg vom 16.01.2003 - 1 0 44/02 - wird in bezug auf die\nKlageantrage I 1 bis 3 (Hauptantrage) sowie auf den Hilfsantrag II 1 in der\nmodifizierten Fassung gemaß Seite 2 des Klagerschriftsatzes vom 15.04.2003 als\nunbegrundet zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| A Der Klager verlangt die Feststellung, daß sein durch Dienstvertrag mit der\nBeklagten Nr. 1 vom 02.01.1997 begrundetes Dienstverhaltnis als\nHauptgeschaftsfuhrer der Handwerkskammer F. weder durch am 12.02.2001 seitens\nder Beklagten Nr. 1 ausgesprochene außerordentliche Kundigung noch durch\nAufhebungsvertrag beendet worden ist, das Dienstverhaltnis vielmehr\nfortbestehe und er zu unveranderten Bedingungen weiterzubeschaftigen sei.\nHilfsweise begehrt er weitere Abfuhrung der Umlage fur seine Altersversorgung\nan den Kommunalen Versorgungsverband Baden-Wurttemberg (KVBW) und macht\nmaterielle und immaterielle Schadensersatzanspruche gegen die Beklagte Nr. 1\nund deren Prasidenten, den Beklagten Nr. 2, wegen Äußerungen gegenuber der\nPresse und im Internet geltend. \n--- \n| 2 \n--- \n| Wegen der vom Klager erstinstanzlich verfolgten Anspruche im einzelnen, des\nzugrundeliegenden Sachverhalts, des Vorbringens der Parteien sowie der\ngestellten Antrage wird auf Tatbestand und Entscheidungsgrunde des\nangefochtenen Urteils sowie auf den Tatbestandsberichtigungsbeschluß des\nLandgerichts vom 13.03.2003 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO). \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Landgericht hat die Klage sowohl hinsichtlich der Haupt- als auch\nhinsichtlich der Hilfsantrage abgewiesen. Zur Begrundung hat es ausgefuhrt: \n--- \n| 4 \n--- \n| In Hinblick auf den am 13.02.2001 zur Beseitigung insoweit vorher eventuell\nbestehender Unsicherheiten geschlossenen Aufhebungsvertrag konne dahingestellt\nbleiben, ob die am 12.02.2001 ausgesprochene fristlose Kundigung wirksam\ngewesen sei. Der Aufhebungsvertrag sei nicht wirksam gemaß § 123 BGB wegen\nwiderrechtlicher Drohung angefochten. Unabhangig davon, wie man die\nGeschehnisse vom 12.02.2001 - Drohung mit einer fristlosen Kundigung; Hinweis\nauf dann zu erwartende Pressereaktionen - werte, seien sie fur den Abschluß\ndes Aufhebungsvertrags am 13.02.2001 nicht kausal gewesen. - Ein\nRucktrittsrecht nach dem HausTWG bestehe nicht. - Der Aufhebungsvertrag sei\nnicht mangels Genehmigung durch das Wirtschaftsministerium Baden-Wurttemberg\nunwirksam. - Der Hilfsantrag auf Fortfuhrung der Altersversorgung sei\nunbegrundet, weil sie nicht vereinbart worden sei; beamtenrechtliche\nGrundsatze kamen nicht zur Anwendung, weil der Klager nicht Beamter auf\nLebenszeit gewesen sei. - Hilfsweise geltend gemachte Schadensersatzanspruche\nim Zusammenhang mit Äußerungen gegenuber der Presse kamen nicht Betracht, weil\ndie Äußerungen durch Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt gewesen seien. - Die\nVoraussetzungen auf Ersatz immaterieller Schaden seien nicht gegeben, weil die\nBeklagte Nr. 1 weder uber den Klager unwahre Tatsachenbehauptungen\naufgestellt, noch an ihm Schmahkritik geubt habe. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit seiner Berufung verfolgt der Klager - der insbesondere beanstandet, das\nLandgericht habe nicht berucksichtigt, daß die außerordentliche Kundigung ganz\noffensichtlich unbegrundet gewesen sei - seine erstinstanzlichen Hauptantrage\n(Antrage I 1 - 3) sowie Hilfsantrag II 2 unverandert und die Hilfsantrage II\n1, 3 und 4 in zum Teil modifizierter Form weiter: \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Antrag II 1 beantragt er hilfsweise, \n--- \n| 7 \n--- \n| die Beklagte Nr. 1 zu verurteilen, an den Kommunalen Versorgungsverband\nBaden-Wurttemberg (KVBW) die ruckstandige Umlage fur die Altersversorgung des\nKlagers fur den Monat Juli 2001 in Hohe von 2.132,39 EUR abzufuhren. \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Hilfsantrag II 3 beantragt er hilfsweise, \n--- \n| 9 \n--- \n| die Beklagten zu verurteilen, an den Klager 2.787,25 EUR nebst Zinsen in\nHohe von 5 % uber dem Basiszinssatz seit Rechtshangigkeit als Ersatz des\nSchadens zu bezahlen, welcher dem Klager anteilig im ersten Quartal 2002 durch\ndie im erstinstanzlichen Hilfsantrag II 3 unter lit. a - d genannten\nHandlungen entstanden sind. \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Hilfsantrag II 4 beantragt der Klager hilfsweise, \n--- \n| 11 \n--- \n| die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Klager eine\nangemessene, in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschadigung fur den\nimmateriellen Schaden zu zahlen, den sie dem Klager im Vorfeld, bei und nach\nder fristlosen Kundigung vom 12.02.2001 bzw. dem Aufhebungsvertrag vom\n13.02.2001 zugefugt haben. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen\nZuruckweisung der Berufung. \n--- \n| 13 \n--- \n| Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden\nInstanzen gewechselten Schriftsatze samt Anlagen Bezug genommen. \n--- \n| 14 \n--- \n| B. Die Berufung des Klagers ist zulassig. Bereits jetzt steht fest, daß sie\nhinsichtlich der Hauptantrage (Antrage I 1 - 3) sowie des Hilfsantrags II 1\nunbegrundet ist. Über die Hilfsantrage II 2 - 4, die Schadensersatzanspruche\nwegen Äußerungen der Beklagten Nr. 1 und Nr. 2 uber die Beendigung des\nDienstverhaltnisses gegenuber der Presse und wegen einer Mitteilung im\nInternet zum Gegenstand haben, kann der Senat noch nicht befinden. Soweit\nEntscheidungsreife besteht, war gemaß § 301 Abs. 1 S. 1 ZPO durch Teilurteil\nzu entscheiden. \n--- \n| 15 \n--- \n| I. Zu den Hauptantragen \n--- \n| 16 \n--- \n| 1\\. Zutreffend hat das Landgericht entschieden, daß Hauptantrag I 1 -\nFeststellung der Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags vom 13.02.2001 -\nunbegrundet ist. \n--- \n| 17 \n--- \n| a) Der mit Schreiben des Klagers vom 05.02.2002 - und damit noch innerhalb\nder Jahresfrist nach § 124 Abs. 1 BGB - angefochtene Aufhebungsvertrag vom\n13.02.2001 ist nicht gemaß § 123 Abs. 1 BGB von Anfang nichtig (§ 142 Abs. 1\nBGB), denn der Klager war zum Vertragsabschluß nicht widerrechtlich durch\nDrohung bestimmt worden. \n--- \n| 18 \n--- \n| aa) Es ist zwar unstreitig, daß der Klager den Aufhebungsvertrag vom\n13.02.2001 abgeschlossen hat, weil die Klagerin andernfalls an der von ihr am\nVortag ausgesprochenen außerordentlichen Kundigung festgehalten hatte. \n--- \n| 19 \n--- \n| Es steht auch außer Zweifel, daß die Ankundigung des Dienstherrn, eine\naußerordentliche Kundigung auszusprechen oder an ihr festzuhalten, eine\nDrohung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB darstellt, weil mit einer Kundigung\nNachteile fur den Dienstverpflichteten verbunden sind (hierzu BAG, BB 1999, S.\n2511 ff. [2511] m.w.N.). Eine derartige Drohung ist nach allgemeiner\nAuffassung in Rechtsprechung (vgl. etwa BAG, a.a.O.) und Literatur (etwa\nSchaub/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, 10. Aufl. 2002, § 122, Rdn. 16, m.w.N.)\ndann widerrechtlich im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB, wenn ein verstandiger\nArbeitgeber eine solche Kundigung nicht ernsthaft in Erwagung ziehen durfte,\nwobei Widerrechtlichkeit nicht lediglich dann zu verneinen ist, wenn sich die\nKundigung in einem Kundigungsschutzprozess als rechtsbestandig erwiesen hatte. \n--- \n| 20 \n--- \n| Allerdings kann die Frage, ob die außerordentliche Kundigung vom 12.02.2001\nbei Anlegung dieser Maßstabe als widerrechtlich zu qualifizieren ist, nicht\nbeurteilt werden, weil die auf Seite 2 des Kundigungsschreibens vom selben Tag\n(AH K, Anlage 4) genannten Kundigungsgrunde ausschließlich nicht durch\nTatsachen unterlegte und daher nicht uberprufbare Wertungen darstellen und der\nKlager auch nicht von seinem Recht nach § 626 Abs. 2 S. 3 BGB Gebrauch gemacht\nhat, die unverzugliche Mitteilung der Kundigungsgrunde - und zwar der\nzugrundeliegenden Tatsachen (Muller-Glogel, in: Erfurter Kommentar zum\nArbeitsrecht, 3. Aufl. 2003, Rdn. 299 zu § 626 BGB ) - zu verlangen. Einer\nKlarung bedarf es indessen nicht, vielmehr kann fur die Prufung der\nAnfechtbarkeit des Aufhebungsvertrags zugunsten des Klagers dessen eigene\nWertung zugrundegelegt werden, wonach die fristlose Kundigung mangels sie\nrechtfertigender Kundigungsgrunde „offensichtlich unberechtigt" war (z.B. S.\n20 der Berufungsbegrundung), so daß die zum Zweck des Abschlusses eines\nAufhebungsvertrags erfolgte Drohung mit ihr bzw. mit ihrer Aufrechterhaltung\nwiderrechtlich im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB war. Die Zugrundelegung der\neigenen Bewertung des Klagers ist deshalb zulassig und sachgerecht, weil zum\neinen auch die Beklagte nicht vorgetragen hat, aufgrund welcher Tatsachen die\nKundigung erfolgt ist, und zum anderen der Klager nach eigenen Angaben auch\nforensisch erfahrener Arbeitsrechtler war und ist - so war er vor und nach\nseiner Hauptgeschaftsfuhrertatigkeit Rechtsanwalt und zwar, zumindest nach\nseinem Ausscheiden bei der Beklagten Nr. 1, Fachanwalt fur Arbeitsrecht. \n--- \n| 21 \n--- \n| bb) Indessen erweist sich der Aufhebungsvertrag vom 13.02.2001 unter\nZugrundelegung der eigenen Bewertung des Klagers, wonach die fristlose\nKundigung vom 12.02.2001 offensichtlich unbegrundet war, als nicht nach § 123\nAbs. 1 BGB anfechtbar. Wie ausgefuhrt, war dann zwar die in der - mit dem\nAngebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags verbundenen - Kundigung\nliegende Drohung zweifelsfrei widerrechtlich. Diese Drohung war aber fur den\nVertragsabschluß am Spatnachmittag des nachsten Tages nicht ursachlich (1).\nGleiches gilt fur die - nach dem Vortrag des Klagers ebenfalls am 12.02.2001\nim Zusammenhang mit der Kundigungserklarung erfolgte - Bemerkung des\nVorstandsmitglieds der Beklagten Nr. 1, R., wonach bei Nichtabschluss eines\nAufhebungsvertrags demnachst in der Zeitung zu lesen sein werde:\n„Handwerkskammer kundigt W. fristlos". \n--- \n| 22 \n--- \n| (1) Aufgrund der gesamten Umstande steht zur Überzeugung des Senats fest,\ndaß der Klager seine auf den Abschluss des Aufhebungsvertrags gerichtete\nWillenserklarung aufgrund eigener selbstandiger Überlegung abgegeben und nicht\neinem auf Bestimmung seines Willens gerichteten Verlangen nachgegeben hat, so\ndaß es am ursachlichen Zusammenhang zwischen Drohung und Abgabe der\nWillenserklarung fehlt (vgl. Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl. 1999, Rdn. 43\nzu § 123 m.w.N.): \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Vermutung eines ursachlichen Zusammenhangs zwischen der in der\nfristlosen Kundigung wahrend der außerordentlichen Vorstandssitzung am\nNachmittag des 12.02.2001 (Beginn: 16:00 Uhr) liegenden Drohung und dem\nAbschluß des Aufhebungsvertrags am spaten Nachmittag des nachsten Tages wird\nzwar durch den Zeitablauf allein noch nicht widerlegt (Soergel/Hefermehl,\na.a.O., Rdn. 43 zu § 123 m.w.N.). Zu dem Schluß, daß der Klager den Vertrag\naufgrund freien Willensentschlusses abgeschlossen hat, fuhren aber eine Reihe\nweiterer Umstande. Daß der Klager selbst die Bedenkzeit von nahezu 24 Stunden\nfur ausreichend hielt, um seine Gedanken zu ordnen, Fur und Wider eines von\nden Beklagten in Aussicht gestellten Aufhebungsvertrags abzuwagen und\nÜberlegungen zum Inhalt eines solchen Vertrags anzustellen, zeigt schon die\nTatsache, daß der Beginn der Sitzung vom 13.02.2001 auf seine Bitte um drei\nStunden von 19:00 Uhr auf 16:00 Uhr vorverlegt worden war. Insbesondere als\nerfahrener und gewandter Arbeitsrechtler war der Klager - wie das Landgericht\nim angefochtenen Urteil zutreffend ausgefuhrt hat - in der Lage, in der zur\nVerfugung stehenden Zeit die Wirksamkeit der Kundigung zu prufen und\nabzuwagen, ob er sie durch Abschluß einer Aufhebungsvereinbarung eliminieren\nsolle oder aber ob er sie zunachst hinnehmen und dann mit den vom Gesetz zur\nVerfugung gestellten Mitteln bekampfen solle. In dieser Zeit konnte er nicht\nnur den Rat seiner Ehefrau - die eine Rechtsanwaltskanzlei betreibt - und\nanderer Rechtsanwalte in Anspruch nehmen, sondern auch Literatur und\nRechtsprechung recherchieren. Daß er die Zeit tatsachlich auch genutzt hat,\nzeigt der Umstand, daß ihm am Vormittag des 13.02.2001 uber den Zentralverband\ndes Deutschen Handwerks (ZDH) sogar der Zugriff auf das nicht veroffentlichte\nUrteil des OLG Dresden vom 22.12.1999 gelang. \n--- \n| 24 \n--- \n| Aufgrund seines beruflichen Wissens und seiner Erfahrung war fur den Klager\nohne weiteres zu erkennen, daß er sich keinesfalls in der ausweglosen\nZwangslage befand, entweder die fristlose Kundigung mit der Folge hinzunehmen,\ndaß seine wirtschaftliche Existenz und sein Ruf ruiniert wurden oder aber sich\nauf einen Aufhebungsvertrag einzulassen. Dies folgt insbesondere daraus, daß\ndie fehlende Berechtigung der Kundigung nach seinem eigenen Vortrag\noffensichtlich war. Anders als eine Kundigung, deren Berechtigung nur\nzweifelhaft ist, bot eine fraglos und offensichtlich rechtswidrige Kundigung\ndie Moglichkeit, sich dagegen schnell und mit sicherer Erfolgsaussicht zu\nverteidigen, was dem Klager als auch forensisch erfahrenem Arbeitsrechtler,\nder zudem auf den Rat qualifizierter Berater zuruckgreifen konnte, bekannt\nwar. Es gehort zum arbeitsrechtlichen Standard, daß der Dienstherr durch eine\nunwirksame außerordentliche Kundigung in Annahmeverzug gerat mit der Folge,\ndaß er dem Dienstverpflichteten gemaß § 615 S. 1 BGB die vereinbarte Vergutung\nweiterzuzahlen hat, ferner, daß dieser Vergutungsanspruch mit einem\nAufhebungsvertrag entfallt (vgl. Schaub, a.a.O., § 138, Rdn. 5, und\nSchaub/Linck, a.a.O., § 95, Rdn. 2 f.). Dem forensisch erfahrenen Klager war\nauch bekannt, daß dieser Anspruch bei offensichtlicher Unwirksamkeit der\nKundigung klageweise schnell und sicher durchzusetzen gewesen ware. In\nexistentielle wirtschaftliche Schwierigkeiten ware der Klager schon deshalb\nnicht geraten, weil er gemaß § 940 ZPO eine - freilich auf das Existenzminimum\nbeschrankte - einstweilige Verfugung hatte erwirken konnen (vgl. Preis, in:\nErfurter Kommentar, a.a.O., Rdn. 124 zu § 615 BGB m.w.N.). Daß eine\naußerordentliche Kundigung fur den Gekundigten einen „Makel" darstellt, ist\nzwar richtig, freilich nur dann, wenn sie wirksam ist; spatestens durch ein\nihre Unwirksamkeit feststellendes Urteil ware der Klager rehabilitiert\ngewesen. \n--- \n| 25 \n--- \n| (2) Mit dem Klager kann wohl davon ausgegangen werden, daß nach seinem\nVortrag angedrohte Presseveroffentlichungen uber eine fristlose Kundigung\nnicht abzuwehren gewesen ware. Die damit moglicherweise verbundenen\nwirtschaftlichen Beeintrachtigungen - Schwierigkeiten bei der Grundung einer\nneuen Existenz - waren aber nur vorubergehender Natur gewesen, weil das\nArbeitsverhaltnis mitsamt vereinbartem Vergutungsanspruch fortbestand und der\nKlager wirtschaftlich auf neue Einnahmequellen nicht angewiesen gewesen ware. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die offensichtliche Unwirksamkeit der Kundigung hatte zwar nicht verhindern\nkonnen, daß durch zu erwartende Presseveroffentlichungen immaterieller Schaden\neingetreten ware. Aber auch dies rechtfertigt nicht die Annahme einer zur\nAnfechtbarkeit wegen widerrechtlicher Drohung fuhrenden Zwangslage. Abgesehen\ndavon, daß derjenige, der ein exponiertes und gut dotiertes offentliches Amt\ninne hat, damit rechnen muß, Objekt auch von kritischen\nPresseveroffentlichungen zu werden, ware zu erwarten gewesen, daß die\nrechtskraftige Feststellung der Unwirksamkeit der Kundigung - mit der Folge\neiner Rehabilitierung des Klagers - ebenfalls von der Presse publiziert worden\nware. \n--- \n| 27 \n--- \n| b) Mit Recht hat das Landgericht ausgefuhrt, daß ein Rucktrittsrecht nach\ndem HausTWG nicht besteht. Der Abschluß eines Vertrags uber die Aufhebung\neines Dienstvertrags ist schon deshalb kein unter das genannte Gesetz\nfallendes Geschaft, weil der Arbeitsplatz - zu dem der Klager auch das von der\nBeklagten Nr. 1 getragene Berufsbildungszentrum in O. rechnet - kein\n„spezifisch ungewohnlicher Ort" fur derartige Vertrage ist (vgl. Muller-\nGlogel, a.a.O., Rdn. 13 zu § 620 BGB m.w.N.; ebenso BAG, Urteil vom 27.11.2003\n- 2 AZR 177/03 - [noch nicht veroffentlicht; zitiert nach BAG-Pressemitteilung\nNr. 79/03 vom 27.11.2003]). \n--- \n| 28 \n--- \n| c) Entgegen der Auffassung des Klagers ist der Aufhebungsvertrag nicht\nmangels Genehmigung durch das Wirtschaftsministerium unwirksam. Auch dies hat\ndas Landgericht, auf dessen Ausfuhrungen (LGU 11) Bezug genommen wird, richtig\nausgefuhrt. Auch wenn die Auffassung des Klagers, daß es „der Genehmigung\neiner entsprechenden Position" durch das Wirtschaftsministerium bedurft habe,\nzutreffen mag, so stellt diese Genehmigung doch keine\nWirksamkeitsvoraussetzung des Vertrages dar, weil es sich dabei allenfalls um\nein Internum handelt und ein etwaiger Verstoß keine Außenwirkung hatte. \n--- \n| 29 \n--- \n| d) Der Aufhebungsvertrag ist auch nicht gemaß § 138 BGB unwirksam. Ein vom\nKlager behaupteter Verstoß des Vertrags gegen die guten Sitten und ein grobes\nMißverhaltnis von Leistung und Gegenleistung ist nicht zu erkennen. Der Klager\nhat mit der Beklagten Nr. 1 als Gegenleistung fur die Beendigung des\nbestehenden Dienstverhaltnisses eine Zahlung von 250.000,00 DM vereinbart und\nerhalten. Ob dieser Betrag die Obergrenze des Erreichbaren darstellte, kann\ndahingestellt bleiben. Es stand jedenfalls in der freien Entscheidung des\nKlagers, ob er zu diesem - die ursprunglichen Vorstellungen der Beklagten Nr.\n1 weit ubertreffenden - Konditionen abschloß oder nicht. Daß der\nHauptgeschaftsfuhrer der Handwerkskammer Dresden in einem vom Klager als\nvergleichbar angesehenen - tatsachlich aber in wesentlichen Punkten anders\nliegenden (dort hatte der fristlos gekundigte Hauptgeschaftsfuhrer in einem in\nmehreren Instanzen gefuhrten Kundigungsschutzprozeß letztlich obsiegt, nachdem\ndie Handwerkskammer bereits einen Nachfolger eingestellt hatte) - Fall\n900.000,00 EUR aushandeln konnte, indiziert nicht die Sittenwidrigkeit des\nhier zu beurteilenden Vertrages. \n--- \n| 30 \n--- \n| e) Entgegen der Auffassung des Klagers fuhrt die nach seiner Bewertung\noffensichtliche Unwirksamkeit der außerordentlichen Kundigung vom 12.02.2001\nnicht zur Unwirksamkeit des am spaten Nachmittag des nachsten Tages\ngeschlossenen Aufhebungsvertrags. Dies ergibt sich daraus, daß zwischen\nKundigung und Vertrag - wie ausgefuhrt - ein langerer Zeitraum lag, innerhalb\ndessen der Klager sich beraten und sein weiteres Vorgehen uberdenken konnte,\nso daß er sich nicht in einer Drucksituation befunden hat und frei entscheiden\nkonnte. \n--- \n| 31 \n--- \n| f) Zu Unrecht meint der Klager, der Aufhebungsvertrag sei wegen „strukturell\nungleicher Verhandlungsstarke" der beiden Vertragspartner unwirksam. Es\nentspricht allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur\n(Schaub/Linck, a.a.O., § 122, Rdn. 30, m.w.N.), daß arbeitsrechtliche\nAufhebungsvertrage grundsatzlich nicht in Anlehnung an die Rechtsprechung des\nBVerfG (BVerfGE 89, S. 214 ff.) zur „strukturell ungleichen\nVerhandlungsstarke" unwirksam sind. Fur den hier vorliegenden Fall der\nAufhebung eines Dienstvertrags gilt dies erst recht, weil dem Klager als\nforensisch erfahrenem und verhandlungsgewohntem Juristen seitens des\nVorstandes der Beklagten Nr. 1 lediglich einige Handwerker ohne\narbeitsrechtliche Spezialkenntnisse gegenuberstanden, die wahrend der\nVerhandlungen allenfalls mit einem Mobiltelefon Kontakt zu einem Anwalt\naufnehmen konnten. \n--- \n| 32 \n--- \n| g) Fehl geht die Auffassung des Klagers, der Aufhebungsvertrag vom\n13.02.2001 - und die außerordentliche Kundigung vom Vortag - seien aufgrund\ndessen unwirksam, daß sie unter Verletzung von § 18 Abs. 4 der Satzung der\nBeklagten Nr. 1 zustandegekommen seien. Nach dieser Vorschrift darf ein\nVorstandsmitglied nicht an Beratungen und Beschlußfassungen uber solche\nAngelegenheiten teilnehmen, die sein personliches Interesse beruhren. Indessen\nstellt die Beratung uber eine Trennung vom Hauptgeschaftsfuhrer keine\n„personliche Angelegenheit" des Prasidenten im Sinne der genannten\nSatzungsbestimmung dar, auch wenn der Prasident Loyalitatskonflikte des\nHauptgeschaftsfuhrers befurchtet. Und selbst wenn ein Verstoß gegen § 18 Abs.\n4 der Satzung zur Nichtigkeit von Beschlussen fuhren wurde, hatte dies keine\nAuswirkung auf in Ausfuhrung solcher Beschlusse erfolgte Rechtsgeschafte im\nAußenverhaltnis. \n--- \n| 33 \n--- \n| h) Zu Unrecht schließlich meint der Klager, aus § 32 Abs. 5 der Satzung\ni.V.m. § 66 LBG und § 14 BeamtZuVO (Beamtenrechtszustandigkeitsverordnung)\nergebe sich, daß die Beklagte Nr. 1 fur die Beendigung des Dienstverhaltnisses\ndurch Aufhebungsvertrag nicht zustandig gewesen sei. Dabei ist zwar richtig,\ndaß gemaß § 14 Nr. 1 lit. a BeamtZuVO bei den Handwerkskammern die in der\nLandesdisziplinarordnung bezeichneten Befugnisse des Dienstvorgesetzten\ngegenuber dem Hauptgeschaftsfuhrer dem Wirtschaftsministerium zustehen.\nIndessen stellt der Abschluß eines Vertrags uber die Aufhebung eines\nDienstverhaltnisses keine Disziplinarmaßnahme dar. \n--- \n| 34 \n--- \n| 2\\. Ohne Erfolg bleibt die Berufung auch in bezug auf Hauptantrag I 2 -\nFeststellung, daß das Dienstverhaltnis zwischen dem Klager und der Beklagten\nNr. 2 durch die von der Beklagten Nr. 1 am 12.02.2001 ausgesprochene\naußerordentliche Kundigung nicht aufgelost worden ist, sondern zu\nunveranderten Vertragsbedingungen gemaß Dienstvertrag vom 02.01.1997\nfortbesteht: \n--- \n| 35 \n--- \n| a) Mit Recht hat das Landgericht die Klage, soweit mit ihr Feststellung der\nUnwirksamkeit der Kundigung begehrt wird, unter Hinweis auf die Praambel des\nAufhebungsvertrags vom 13.02.2003 als unzulassig angesehen. Nach Satz 2 der\nPraambel haben die Beklagte Nr. 1 und der Klager den Aufhebungsvertrag als\nVergleich „zur einvernehmlichen Beilegung ihrer Unstimmigkeiten und zur\nVermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung" geschlossen. Durch den -\nwie ausgefuhrt - wirksamen Vertragsschluß haben die Parteien ihren Streit uber\ndie Wirksamkeit der ausgesprochenen Kundigung beendet und eine gerichtliche\nAuseinandersetzung hieruber ausgeschlossen. Einer gleichwohl auf Feststellung\nder Unwirksamkeit der Kundigung gerichteten Klage fehlt daher das\nRechtsschutzbedurfnis (vgl. etwa Staudinger/Marburger, BGB, 2002, Rdn. 54 zu §\n779). \n--- \n| 36 \n--- \n| b) Daß der Antrag unbegrundet ist, soweit damit die Feststellung des\nFortbestehens des Dienstverhaltnisses begehrt wird, ergibt sich unmittelbar\naus obigen Ausfuhrungen zu Hauptantrag I 1. \n--- \n| 37 \n--- \n| 3\\. Auch bezuglich Hauptantrag I 3, mit der der Klager Verurteilung der\nBeklagten Nr. 1 begehrt, ihn zu unveranderten Vertragsbedingungen gemaß\nDienstvertrag vom 02.01.1997 als Hauptgeschaftsfuhrer weiter zu beschaftigen,\nkann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Auffassung des Landgerichts, einem\nWeiterbeschaftigungsanspruch des Klagers stehe der wirksame Aufhebungsvertrag\nvom 13.02.2001 entgegen, ist zutreffend. \n--- \n| 38 \n--- \n| II. 1. Von den Hilfsantragen ist lediglich der Antrag zu II 1\nentscheidungsreif. \n--- \n| 39 \n--- \n| Auch insoweit kann die Berufung keinen Erfolg haben, weil - das Landgericht\nhat dies richtig ausgefuhrt - die Beklagte Nr. 1 aufgrund des wirksamen\nAufhebungsvertrags zur weiteren Abfuhrung von Zahlungen fur die\nAltersversorgung des Klagers nicht verpflichtet ist: \n--- \n| 40 \n--- \n| Gemaß § 4 des Aufhebungsvertrags bestehen mit der Erfullung der Anspruche\naus diesem Vertrag keine weiteren gegenseitigen Anspruche aus dem\nDienstverhaltnis. Weiter heißt es: „Hiervon unberuhrt bleiben die\nVersorgungsanspruche des Herrn Dr. Weng gemaß § 5 \'Vorsorgung\' des\nDienstvertrags vom 02.01.1997 ...". \n--- \n| 41 \n--- \n| Demgemaß hat die Versorgung so zu erfolgen, wie es in § 5 des Dienstvertrags\nvorgesehen ist. Dessen Abs. 3 lautet: \n--- \n| 42 \n--- \n| „Die Gewahrung von Versorgung ist ausgeschlossen, wenn der Angestellte\naufgrund einer Kundigung oder eines Auflosungsvertrags \n--- \n| 43 \n--- \n| a) vor der Vollendung der in § 52 S. 1 Nr. 1 Landesbeamtengesetz genannten\nAltersgrenze oder \n--- \nb) ... \n--- \n| 44 \n--- \n| ausscheidet". \n--- \n| 45 \n--- \n| Daß der Klager die Altersgrenze nach § 52 S. 1 Nr. 1 LBG zu dem im\nAufhebungsvertrag vereinbarten Ende des Dienstverhaltnisses noch nicht\nerreicht hatte, ist unstreitig. Demgemaß bestehen auch keine weiteren\nVersorgungsanspruche. Fur eine Anwendung der Unklarheitenregel nach § 5 AGBG\nist schon deshalb kein Raum, weil keine Unklarheit besteht. Keiner\nEntscheidung bedarf es daher, ob es sich bei dem Dienstvertrag um einen\n„Verbrauchervertrag" im Sinne von § 24 a AGBG mit der Folge handelt, daß uber\ndessen Nr. 2 die Vorschrift des § 5 AGBG anwendbar ist. \n--- \n| 46 \n--- \n| Den geltend gemachten Anspruch zu stutzen ist auch nicht der Vortrag auf S.\n25 der Berufungserwiderung geeignet, wonach ein Abteilungsleiter des KVBW dem\nKlager am 24.05.2001 erklart hat, eine Nachversicherung sei nicht\nerforderlich, weil die Kammer nach der getroffenen Vereinbarung uber den\n30.06.2001 hinaus zur Leistung der Umlage verpflichtet sei. Die behauptete\nFalschauskunft wurde namlich keine dem Aufhebungsvertrag widersprechende\nVerpflichtung des Beklagten Nr. 1, sondern allenfalls Schadensersatzanspruche\ngegen den KVBW begrunden. \n--- \n| 47 \n--- \n| 2\\. Der Rechtsstreit ist noch nicht entscheidungsreif, soweit sich der\nKlager mit der Berufung dagegen wendet, daß das Landgericht\nSchadensersatzanspruche gemaß Hilfsantragen II 2 - 4 verneint hat. \n--- \n| 48 \n--- \n| III. Eine das Berufungsverfahren betreffende Kostenentscheidung hatte nicht\nzu erfolgen, da sie vom endgultigen Ausgang des Rechtsstreits abhangt. \n--- \n| 49 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder\nhat die vorliegende Rechtssache grundsatzliche Bedeutung, noch erfordern die\nFortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung\neine Entscheidung des Revisionsgerichts. \n---\n\n
139,763
lsgbw-2004-05-18-l-11-kr-330003
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 11 KR 3300/03
2004-05-18
2019-01-07 14:44:41
2019-01-17 11:59:56
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Klagerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22.\nMai 2003 wird zuruckgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Kosten einer\noperativen Behandlung bei Prof. Dr. K in S, Frankreich, zu ubernehmen hat. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die am ... 1954 geborene Klagerin ist bei der Beklagten krankenversichert.\nAm 21.09.2001 beantragte sie die Übernahme der Kosten einer Untersuchung und\noperativen Behandlung durch Prof. Dr. K in S. Beigefugt war ein Attest des\nFacharztes fur Orthopadie Dr. B, demzufolge die Klagerin unter einer\nMyelonkompression der HWS leide und aufgrund des schwierigen Falles der\nErkrankung die Behandlung bei einem sehr erfahrenen Operateur wie Prof. Dr. K\ndringend erforderlich sei. Ein ahnlich erfahrener Operateur sei ihm in der\nBundesrepublik Deutschland nicht bekannt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Gestutzt auf eine sozialmedizinische Beratung durch Dr. C vom Medizinischen\nDienst der Krankenversicherung Baden-Wurttemberg (MDK), wonach ein Notfall\nnicht vorliege und alternativ auch eine Operation z. B. bei Prof. H in L oder\nin der W Klinik in Bad W innerhalb Deutschlands moglich sei, lehnte die\nBeklagte mit Bescheid vom 01.10.2001 die Übernahme der Kosten einer Behandlung\nbei Prof. Dr. K ab, da die Indikation fur eine Auslandsbehandlung nicht\ngegeben sei. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Zur Begrundung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs machte die Klagerin\ngeltend, die Alternative, eine Operation bei Prof. H in L oder in der W Klinik\nBad W durchzufuhren, helfe ihr nicht weiter, da diese Kliniken keine Prothese\nam Halswirbel einsetzten, sondern nur versteiften. Die Klinik in Strassburg\nbei Prof. K sei die einzige, die diese Operation durchfuhre. Außerdem habe die\nKlinik ein Abkommen mit allen Krankenkassen, wobei sie sich auf das\neuropaische Recht berufe. Die Beklagte veranlasste hierauf ein weiteres\nsozialmedizinisches Gutachten nach Aktenlage durch den MDK. Dr. Sch wies\ndarauf hin, dass endoprothetische Maßnahmen im Bereich der verschiedenen\nWirbelsaulenabschnitte vorerst keine vertraglich geregelte Therapieleistung\ndarstellten. Es handele sich hierbei um operative Behandlungsverfahren, die\nihre Überlegenheit gegenuber anerkannten Therapiemaßnahmen noch nicht bewiesen\nhatten. Im Falle der Klagerin konne trotz fehlender neurologischer Befunde und\neiner bildgebenden Diagnostik zu ihrem Krankheitsgeschehen mit Sicherheit\nausgesagt werden, dass eine operative Behandlung im Inland gute\nErfolgsaussichten beinhalte, die Krankheitsursache aufzuheben. Nachdem Dr. B\ndie Qualifikation des MDK- Gutachters im Hinblick auf die Beurteilung der\nIndikationsstellung zum Einsetzen einer endoprothetischen Maßnahme\nbezweifelte, außerte sich Dr. Sch in einer weiteren Stellungnahme nach\nAktenlage dahingehend, spinale Stenosen, wie sie bei der Klagerin vorlagen,\nwurden regelmaßig und mit Erfolg von Wirbelsaulen-Chirurgen im Inland\nbehandelt. Dementsprechend unterrichtete die Beklagte die Klagerin und hielt\nerneut an ihrer Entscheidung vom 01.10.2001 fest. Die Klagerin ubersandte\ndaraufhin ein weiteres Attest des Dr. B vom Februar 2002, in dem dieser auf\ndie gunstige Kostensituation in Strassburg und auf die Rechtsprechung des\nEuropaischen Gerichtshofes hinwies. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2002 half die Beklagte dem Widerspruch\nder Klagerin nicht ab: Gemaß § 18 Abs. 1 SGB V konne die Krankenkasse die\nKosten der erforderlichen Behandlung im Ausland ubernehmen, wenn eine dem\nallgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende\nBehandlung einer Krankheit im Inland nicht moglich sei. Diese Voraussetzungen\nseien nicht gegeben, da die im Falle der Klagerin notwendige Behandlung auch\nin der Bundesrepublik Deutschland moglich sei und sehr gute Erfolgsaussichten\nbestunden. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Deswegen erhob die Klagerin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) mit der\nBegrundung, im Hinblick auf das Fortschreiten der bei ihr bestehenden\ncervikalen Myelopathie und auf deren Gefahrlichkeit sei eine operative\nMaßnahme unbedingt notwendig. Weder die Rehabilitationsklinik K noch das\nWirbelsaulenzentrum Bad W setzten Prothesen am Halswirbel ein, allenfalls\nwerde die Wirbelsaule versteift. Demgegenuber setze die Klinik des Prof. Dr. K\nin S eine Prothese an einem Halswirbel ein. Prof. Dr. K sei der einzige\nOperateur, der diese Operation durchfuhre. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme von\nDr. C vom MDK entgegen. Die von Prof. Dr. K angewandte Operationstechnik werde\nin der Charite in B sowie im Klinikum L angewendet. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Prof. Dr. H teilte auf Anfrage des SG mit, dass derzeit in dem von ihm\ngeleiteten Klinikum K keine Bandscheibenprothesen implantiert wurden. Dies\nhange damit zusammen, dass er von der Wertigkeit und langfristigen\nStandfestigkeit dieser Prothesen nicht uberzeugt sei. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Eine Nachfrage bei der Charite B ergab, dass in der Neurochirurgie\nBandscheibenprothesen implantiert wurden. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Urteil vom 22.05.2003, den Prozessbevollmachtigten der Klagerin\nzugestellt am 24.07.2003, wies das SG die Klage ab. In den\nEntscheidungsgrunden fuhrte es im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen\ndes § 18 SGB V nicht vorlagen. Dies gelte unabhangig von der Frage, ob im\nFalle der Klagerin tatsachlich allein die beabsichtigte Operation, die\nImplantation einer Bandscheibenprothese, dem Stand der medizinischen\nErkenntnisse entspreche. Denn in der Neurochirurgie der Charite wurden\nebenfalls Bandscheibenprothesen implantiert. Es konne damit nicht davon\nausgegangen werden, dass nur im Ausland eine dem Stand der medizinischen\nErkenntnisse entsprechende Behandlung der Klagerin erfolgen konne. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die am 21.08.2003 eingelegte Berufung der Klagerin.\nSie halt daran fest, dass Prof. Dr. K derzeit der einzige Spezialist im\nBereich der Implantation einer Bandscheibenprothese sei. Sollte die Beklagte\ntatsachlich auf dem Standpunkt stehen, dass die Kostenubernahme nur dann\nerfolgen sollte, wenn die Operation in B stattfinde, so habe sie auch die\nReisekosten nach B zu ubernehmen und zwar zu einer entsprechenden\nUntersuchung. Die Beklagte konne nicht nur schlicht die Behandlung bei Prof.\nDr. K ablehnen ohne eigene weitere Aktivitaten zu entfalten. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Klagerin beantragt - sinngemaß -, \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Mai 2003 aufzuheben und die\nBeklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01. Oktober 2001 in der Gestalt\ndes Widerspruchsbescheides vom 9. April 2002 zu verurteilen, die Kosten einer\nOperation der Halswirbelsaule bei Prof. Dr. K in S zu ubernehmen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Sie halt das Urteil des SG fur richtig. Die Voraussetzungen fur eine\noperative Behandlung im Ausland seien nicht gegeben, da die Operation in der\nCharite B durchgefuhrt werden konne. Die fur die Behandlung anfallenden\nFahrtkosten nach B wurden ubernommen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Senat hat Dr. B als sachverstandigen Zeugen gehort und eine Auskunft der\nCharite B eingeholt. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Dr. B hat unter Beifugung weiterer Arztunterlagen (u. a. Reha-\nEntlassungsbericht der T Klinik Bad K vom Februar 2001, Befundbericht des\nRadiologen Dr. R uber die im August 1999 durchgefuhrte Kernspintomographie der\nHWS, Berichte des Prof. Dr. K vom Marz, Juni und Oktober 2001) die im Laufe\nder Behandlung seit Dezember 1998 erhobenen Befunde und Krankheitsaußerungen\nmitgeteilt. Aufgrund der rezidivierenden Beschwerden und der guten\nOperationsergebnisse, die Prof. K in seinen Operationen zeige, halte er eine\nDiskektomie und Einsetzung einer Diskusendprothese C6/7 fur erforderlich. Die\nin der Charite durchgefuhrten Bandscheibenersatzoperationen und die\npostoperativen Erfolge seien nach seiner Kenntnis nicht als hervorragend zu\nbezeichnen. Er habe der Klagerin Prof. K empfohlen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Prof. Dr. B, Direktor der Klinik und Poliklinik fur Neurochirurgie in der\nCharite B, hat mitgeteilt, das bei der Klagerin vorgesehene\nOperationsverfahren entspreche dem allgemein anerkannten Stand der\nmedizinischen Erkenntnisse und werde nicht nur in der Charite B seit mehr als\n15 Jahren, sondern an jeder neurochirurgischen Klinik in Deutschland\ndurchgefuhrt. Es bestunden keine Wartezeiten. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mundliche Verhandlung\neinverstanden erklart. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der\nAkten beider Rechtszuge Bezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 22 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin, uber die der Senat mit dem\nEinverstandnis der Beteiligten gemaß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)\nohne mundliche Verhandlung entscheiden konnte, ist nicht begrundet. Das SG hat\ndie Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide verletzen die\nKlagerin nicht in ihren Rechten. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach § 16 SGB V ruht der Anspruch auf Leistungen, solange sich Versicherte\nim Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort wahrend eines\nvorubergehenden Aufenthaltes erkranken. Unberuhrt hiervon bleiben die Falle,\nin denen aufgrund zwischen- bzw. uberstaatlichen Rechts Leistungsanspruche im\nZusammenhang mit einem Auslandsaufenthalt verwirklicht werden konnen.\nMaßgebend sind hierfur die Regelungen der bilateralen\nSozialversicherungsabkommen bzw. die Verordnungen der Europaischen Union (EWG-\nVerordnungen). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Das nationale deutsche Recht lasst im Fall der Klagerin eine Übernahme der\ndurch eine operative Behandlung in S, Frankreich, entstehenden Kosten nicht\nzu. Ein Kostenubernahmeanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 18 Abs. 1\nSGB V. Diese Vorschrift normiert eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 16 Abs.\n1 Nr. 1 SGB V und ermoglicht es den Krankenkassen, die Kosten einer\nerforderlichen Krankenbehandlung im Ausland ganz oder teilweise zu ubernehmen,\nwenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse\nentsprechende Behandlung nur im Ausland moglich ist. Voraussetzung ist, dass\ndie im Ausland angebotene Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der\nmedizinischen Erkenntnisse genugt und im Inland keine diesem Standard\nentsprechende Behandlung der bei der Versicherten bestehenden Erkrankung\nmoglich ist. Die Regelung greift auch ein, wenn die Behandlung im Inland zwar\nan sich moglich ist, aber wegen fehlender Kapazitaten oder aus anderen Grunden\nnicht rechtzeitig erfolgen kann. Fur die Anwendung des § 18 Abs. 1 SGB V\nreicht es indessen nicht aus, dass die konkrete, von der Versicherten\ngewunschte Therapie nur im Ausland durchgefuhrt werden kann. Die Krankenkasse\ndarf die Kosten dieser Therapie vielmehr nur ubernehmen, wenn fur die\nbetreffende Krankheit im Inland uberhaupt keine, also auch keine andere\nBehandlungsmethode zur Verfugung steht, die dem Stand der wissenschaftlichen\nErkenntnisse genugt (vgl. BSG, Urteil vom 16.6.1999 - B 1 KR 4/98 R). Denn die\nAuslandsbehandlung stellt, ebenso wie eine Behandlung durch nicht zugelassene\nÄrzte und Krankenhauser im Inland - einen bloßen Notbehelf fur den Fall dar,\ndass der Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung mit den\nMitteln des Sachleistungssystems nicht erfullt werden kann. Die in § 18 Abs. 1\nSGB V vorausgesetzte Notwendigkeit, mit Hilfe der Auslandsbehandlung eine\nLucke in der medizinischen Versorgung in Deutschland zu schließen, besteht\nnach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, aber nur, wenn\neine im Geltungsbereich des SGB V nicht behandelbare Krankheit im Ausland mit\nder erforderlichen Erfolgsaussicht behandelt werden kann, und nicht schon\ndann, wenn das im Ausland angebotene Leistungsspektrum lediglich andere\nmedizinische Maßnahmen umfasst, ohne im Ergebnis die Behandlungsmoglichkeiten\nfur die beim Versicherten bestehende Krankheit entscheidend zu verbessern\n(vgl. BSG, Urteil vom 16.6.1999 - B 1 KR 4/98 R). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Vorliegend steht nach der Auskunft von Prof. Dr. B fest, dass die bei der\nKlagerin vorgesehene Operation der Halswirbelsaule auch im Inland durchgefuhrt\nwerden kann, und zwar nicht nur in der Charite B, sondern auch an anderen\nneurochirurgischen Kliniken in Deutschland (z. B. Hochschulkliniken). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Aus dem Europaischen Gemeinschaftsrecht lasst sich der von der Klagerin\ngeltend gemachte Kostenubernahmeanspruch nicht begrunden. Insbesondere\nverletzen die Beschrankungen des Deutschen Rechts, jedenfalls im Bereich der\nstationaren Krankenhausversorgung, Vorschriften des EG-Vertrages uber den\nSchutz des freien Dienstleistungsverkehrs nicht. Nach der Rechtsprechung des\nEuropaischen Gerichtshofs sind Gesundheitsleistungen, die Gegenstand\nsozialversicherungsrechtlicher Anspruche sind, von der Garantie der\nDienstleistungsfreiheit in Art. 49 (vormals Art. 59) des EG-Vertrages nicht\nausgenommen. Das gilt auch, wenn der Leistungsempfanger einem\nKrankenversicherungssystem angehort, das die Krankenbehandlung als\nSachleistung gewahrt (Urteil vom 12. Juli 2001, Rechtssache C-157/99,\nSmits/Peerbooms, Slg. 2001, I-5473 Rdnr. 55 - 58). Das Gemeinschaftsrecht\nlasst zwar die Zustandigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer\nSysteme der sozialen Sicherheit unberuhrt, doch mussen die Mitgliedstaaten bei\nder Ausubung dieser Befugnis das Gemeinschaftsrecht beachten. Beschrankungen\ndes nationalen Rechts, die geeignet sind, den freien Austausch von\nmedizinischen Dienstleistungen innerhalb der Europaischen Union zu behindern,\nsind grundsatzlich unzulassig und konnen nur ausnahmsweise aus Grunden der\noffentlichen Gesundheit (Art. 55 i. V. m. Art. 46 EG-Vertrag) oder aus anderen\nzwingenden Grunden des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein. Als solche Grunde\nhat der Gerichtshof zum einen eine erhebliche Gefahrdung des finanziellen\nGleichgewichts der Krankenversicherung und des Ziels einer ausgewogenen, allen\nzuganglichen arztlichen und klinischen Versorgung, zum anderen die Erhaltung\neines bestimmten Versorgungsumfangs oder eines bestimmten Niveaus der\nHeilkunde im Inland genannt (EuGH, Urteil vom 28.4.1998, Rechtssache C-158/96,\nKohll, Slg. 1998, I-1931 Rdnr. 41, 46, 50 - 51; Urteil vom 12. Juli 2001,\nRechtssache C-368/998, Vanbraekel, Slg. 2001, I-5363 Rdnr. 47 - 49; Urteil vom\n12.7.2001, Rechtssache C-157/99, Smits/Peerbooms, Slg. 2001, I-5473 Rdrn. 72 -\n74). In Fallen einer stationaren Krankenhausbehandlung hat der Gerichtshof\nunabhangig von der Art des Krankenversicherungssystems die mit einem\nGenehmigungserfordernis verbundene Behinderung des Dienstleistungsverkehrs als\ngerechtfertigt angesehen, weil im Krankenhaussektor eine Planung und damit\neinhergehende Reglementierung fur die Gewahrleistung einer ausgewogenen und\nfinanzierbaren klinischen Versorgung der Bevolkerung unerlasslich sei\n(Rechtssache C-157/99, Smits/Peerbooms; EuGH, Urteil vom 13.5.2003 -\nRechtssache C-385/99, V. G. Muller-Faure). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Abschließend weist der Senat daraufhin, dass die Frage, ob und\ngegebenenfalls in welcher Hohe der Klagerin bei einer operativen Behandlung im\nInland (z. B. B) Fahrkosten zu erstatten sind, nicht Gegenstand des\nvorliegenden Verfahrens ist. Entscheidend ist hier allein, ob es im Inland fur\ndas Krankheitsbild der Klagerin Behandlungsmoglichkeiten gibt, die dem Stand\nder wissenschaftlichen Erkenntnisse genugen. Solche stehen - wie oben\nausgefuhrt - nicht nur in der Charite B zur Verfugung. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 22 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin, uber die der Senat mit dem\nEinverstandnis der Beteiligten gemaß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)\nohne mundliche Verhandlung entscheiden konnte, ist nicht begrundet. Das SG hat\ndie Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide verletzen die\nKlagerin nicht in ihren Rechten. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach § 16 SGB V ruht der Anspruch auf Leistungen, solange sich Versicherte\nim Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort wahrend eines\nvorubergehenden Aufenthaltes erkranken. Unberuhrt hiervon bleiben die Falle,\nin denen aufgrund zwischen- bzw. uberstaatlichen Rechts Leistungsanspruche im\nZusammenhang mit einem Auslandsaufenthalt verwirklicht werden konnen.\nMaßgebend sind hierfur die Regelungen der bilateralen\nSozialversicherungsabkommen bzw. die Verordnungen der Europaischen Union (EWG-\nVerordnungen). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Das nationale deutsche Recht lasst im Fall der Klagerin eine Übernahme der\ndurch eine operative Behandlung in S, Frankreich, entstehenden Kosten nicht\nzu. Ein Kostenubernahmeanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 18 Abs. 1\nSGB V. Diese Vorschrift normiert eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 16 Abs.\n1 Nr. 1 SGB V und ermoglicht es den Krankenkassen, die Kosten einer\nerforderlichen Krankenbehandlung im Ausland ganz oder teilweise zu ubernehmen,\nwenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse\nentsprechende Behandlung nur im Ausland moglich ist. Voraussetzung ist, dass\ndie im Ausland angebotene Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der\nmedizinischen Erkenntnisse genugt und im Inland keine diesem Standard\nentsprechende Behandlung der bei der Versicherten bestehenden Erkrankung\nmoglich ist. Die Regelung greift auch ein, wenn die Behandlung im Inland zwar\nan sich moglich ist, aber wegen fehlender Kapazitaten oder aus anderen Grunden\nnicht rechtzeitig erfolgen kann. Fur die Anwendung des § 18 Abs. 1 SGB V\nreicht es indessen nicht aus, dass die konkrete, von der Versicherten\ngewunschte Therapie nur im Ausland durchgefuhrt werden kann. Die Krankenkasse\ndarf die Kosten dieser Therapie vielmehr nur ubernehmen, wenn fur die\nbetreffende Krankheit im Inland uberhaupt keine, also auch keine andere\nBehandlungsmethode zur Verfugung steht, die dem Stand der wissenschaftlichen\nErkenntnisse genugt (vgl. BSG, Urteil vom 16.6.1999 - B 1 KR 4/98 R). Denn die\nAuslandsbehandlung stellt, ebenso wie eine Behandlung durch nicht zugelassene\nÄrzte und Krankenhauser im Inland - einen bloßen Notbehelf fur den Fall dar,\ndass der Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung mit den\nMitteln des Sachleistungssystems nicht erfullt werden kann. Die in § 18 Abs. 1\nSGB V vorausgesetzte Notwendigkeit, mit Hilfe der Auslandsbehandlung eine\nLucke in der medizinischen Versorgung in Deutschland zu schließen, besteht\nnach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, aber nur, wenn\neine im Geltungsbereich des SGB V nicht behandelbare Krankheit im Ausland mit\nder erforderlichen Erfolgsaussicht behandelt werden kann, und nicht schon\ndann, wenn das im Ausland angebotene Leistungsspektrum lediglich andere\nmedizinische Maßnahmen umfasst, ohne im Ergebnis die Behandlungsmoglichkeiten\nfur die beim Versicherten bestehende Krankheit entscheidend zu verbessern\n(vgl. BSG, Urteil vom 16.6.1999 - B 1 KR 4/98 R). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Vorliegend steht nach der Auskunft von Prof. Dr. B fest, dass die bei der\nKlagerin vorgesehene Operation der Halswirbelsaule auch im Inland durchgefuhrt\nwerden kann, und zwar nicht nur in der Charite B, sondern auch an anderen\nneurochirurgischen Kliniken in Deutschland (z. B. Hochschulkliniken). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Aus dem Europaischen Gemeinschaftsrecht lasst sich der von der Klagerin\ngeltend gemachte Kostenubernahmeanspruch nicht begrunden. Insbesondere\nverletzen die Beschrankungen des Deutschen Rechts, jedenfalls im Bereich der\nstationaren Krankenhausversorgung, Vorschriften des EG-Vertrages uber den\nSchutz des freien Dienstleistungsverkehrs nicht. Nach der Rechtsprechung des\nEuropaischen Gerichtshofs sind Gesundheitsleistungen, die Gegenstand\nsozialversicherungsrechtlicher Anspruche sind, von der Garantie der\nDienstleistungsfreiheit in Art. 49 (vormals Art. 59) des EG-Vertrages nicht\nausgenommen. Das gilt auch, wenn der Leistungsempfanger einem\nKrankenversicherungssystem angehort, das die Krankenbehandlung als\nSachleistung gewahrt (Urteil vom 12. Juli 2001, Rechtssache C-157/99,\nSmits/Peerbooms, Slg. 2001, I-5473 Rdnr. 55 - 58). Das Gemeinschaftsrecht\nlasst zwar die Zustandigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer\nSysteme der sozialen Sicherheit unberuhrt, doch mussen die Mitgliedstaaten bei\nder Ausubung dieser Befugnis das Gemeinschaftsrecht beachten. Beschrankungen\ndes nationalen Rechts, die geeignet sind, den freien Austausch von\nmedizinischen Dienstleistungen innerhalb der Europaischen Union zu behindern,\nsind grundsatzlich unzulassig und konnen nur ausnahmsweise aus Grunden der\noffentlichen Gesundheit (Art. 55 i. V. m. Art. 46 EG-Vertrag) oder aus anderen\nzwingenden Grunden des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein. Als solche Grunde\nhat der Gerichtshof zum einen eine erhebliche Gefahrdung des finanziellen\nGleichgewichts der Krankenversicherung und des Ziels einer ausgewogenen, allen\nzuganglichen arztlichen und klinischen Versorgung, zum anderen die Erhaltung\neines bestimmten Versorgungsumfangs oder eines bestimmten Niveaus der\nHeilkunde im Inland genannt (EuGH, Urteil vom 28.4.1998, Rechtssache C-158/96,\nKohll, Slg. 1998, I-1931 Rdnr. 41, 46, 50 - 51; Urteil vom 12. Juli 2001,\nRechtssache C-368/998, Vanbraekel, Slg. 2001, I-5363 Rdnr. 47 - 49; Urteil vom\n12.7.2001, Rechtssache C-157/99, Smits/Peerbooms, Slg. 2001, I-5473 Rdrn. 72 -\n74). In Fallen einer stationaren Krankenhausbehandlung hat der Gerichtshof\nunabhangig von der Art des Krankenversicherungssystems die mit einem\nGenehmigungserfordernis verbundene Behinderung des Dienstleistungsverkehrs als\ngerechtfertigt angesehen, weil im Krankenhaussektor eine Planung und damit\neinhergehende Reglementierung fur die Gewahrleistung einer ausgewogenen und\nfinanzierbaren klinischen Versorgung der Bevolkerung unerlasslich sei\n(Rechtssache C-157/99, Smits/Peerbooms; EuGH, Urteil vom 13.5.2003 -\nRechtssache C-385/99, V. G. Muller-Faure). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Abschließend weist der Senat daraufhin, dass die Frage, ob und\ngegebenenfalls in welcher Hohe der Klagerin bei einer operativen Behandlung im\nInland (z. B. B) Fahrkosten zu erstatten sind, nicht Gegenstand des\nvorliegenden Verfahrens ist. Entscheidend ist hier allein, ob es im Inland fur\ndas Krankheitsbild der Klagerin Behandlungsmoglichkeiten gibt, die dem Stand\nder wissenschaftlichen Erkenntnisse genugen. Solche stehen - wie oben\nausgefuhrt - nicht nur in der Charite B zur Verfugung. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. \n---\n\n
139,944
olgkarl-2004-07-05-19-ar-904
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
19 AR 9/04
2004-07-05
2019-01-07 14:46:49
2019-02-12 12:19:35
Beschluss
## Tenor\n\nAls zustandiges Gericht fur die Pfandung eines den Antragsgegnern gemeinsam\nzustehenden Anspruchs gegenuber Rechtsanwalt B. v. R., wird das\n\n> > Amtsgericht Freiburg i.Br.\n\nbestimmt.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Antragsteller haben beim Amtsgericht Freiburg i.Br. einen Pfandungs-\nund Überweisungsbeschluss beantragt. Nach ihrem Vorbringen haben sie gegenuber\nden Antragsgegnern einen Anspruch in Hohe von 5.162,99 EUR aus dem am\n13.8.2003 vor dem Amtsgericht Dresden geschlossenen Vergleich. Wegen dieses\nAnspruchs soll der angeblich den Antragsgegnern gegenuber dem damaligen\nProzessbevollmachtigten der Antragsgegner (Drittschuldner) zustehende Anspruch\nauf Auszahlung des diesem als Treuhander uberwiesenen Vergleichsbetrages\ngepfandet und zur Einziehung uberwiesen werden. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Antragsgegner haben ihren allgemeinen Gerichtsstand in Freiburg und\nMunchen. Die Antragsteller haben beantragt, ein fur beide Schuldner\nzustandiges Vollstreckungsgericht zu bestimmen. \n--- \nII. \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Oberlandesgericht Freiburg ist zur Entscheidung uber das Gesuch\nberufen, denn die Antragsgegner haben ihren allgemeinen Gerichtsstand in\nverschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken und zum Bezirk des Oberlandesgerichts\nKarlsruhe gehort das zunachst mit der Sache befasste Gericht, § 36 Abs. 2 ZPO. \n--- \nIII. \n--- \n| 4 \n--- \n| 1\\. Die Vorschrift des § 36 Nr. 3 ZPO ist nicht nur im Erkenntnisverfahren\nanwendbar, sondern sinngemaß auch bei einer Forderungspfandung, wenn gegen\nmehrere Schuldner, denen die zu pfandende Forderung gemeinschaftlich zusteht,\neinheitlich vollstreckt werden soll (BayObLGZ 1959, 270/271; BayObLG Rpfleger\n1983, 288; Beschl. v. 7.9.1989 - AR 1 Z 102/89 - juris). Diese Voraussetzungen\nsind hier erfullt, weil die Forderung gegen den Treuhander den Schuldnern\ngemeinschaftlich zusteht; so versteht der Senat den Vortrag der Antragsteller. \n--- \n| 5 \n--- \n| 2\\. Die Voraussetzungen des § 36 Nr. 3 ZPO liegen vor, soweit der zu\npfandende Anspruch den Antragsgegnern gemeinschaftlich zusteht; insoweit war\ndie Bestimmung des zustandigen Gerichts auf einen solchen Anspruch zu\nbeschranken. Es erscheint zweckmaßig, von den beiden hier gemaß § 828 Abs. 2\nZPO zustandigen Vollstreckungsgerichten das Amtsgericht Freiburg als\ngemeinsames ortlich zustandiges Vollstreckungsgericht zu bestimmen, weil diese\nGericht bereits mit der Sache befasst ist. \n--- \n| 6 \n--- \n| Von einer Anhorung der Schuldner wurde wegen § 834 ZPO im\nBestimmungsverfahren abgesehen (vgl. BayObLGZ 1985, 397/398; Beschl. v.\n9.7.1989). \n---\n\n
140,171
ag-heilbronn-2004-09-01-11-c-252404
48
Amtsgericht Heilbronn
ag-heilbronn
Heilbronn
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
11 C 2524/04
2004-09-01
2019-01-07 14:52:47
2019-01-17 12:00:22
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin 1160 EUR nebst Zinsen\nhieraus in Hohe von 8% uber dem Basiszinssatz seit dem 9.4.2004 zu zahlen.\n\n2\\. Von den Kosten des Rechtsstreits tragt die Beklagte.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die\nVollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 110% des aufgrund des\nUrteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klagerin vor der\nVollstreckung Sicherheit in Hohe von 110% des zu vollstreckenden Betrags\nleistet.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin begehrt Zahlung von An- und Abfahrtskosten. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin fuhrte fur die Beklagte am 5.3.2004 Montagearbeiten in einer\nHalle der Beklagten in N aus. Dazu waren 5 Monteure der Klagerin von N\n(Rheinland) nach N und zuruck gefahren. Hin- und Ruckfahrt dauerten jeweils 4\nStunden. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Dem Vertrag lag ein Angebot vom 17.2.2004 (Anlage B 1) zugrunde, in dem es\nu.a. heißt: \n--- \n| 4 \n--- \n| Fur eine Demontage und Montage Regal-Mecalux im Stundenlohn an. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Stundenlohn betragt 25 EUR \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Kilometerpauschale 0,52 EUR pro KM \n--- \n... \n--- \n| 7 \n--- \n| Spesen-Übernachtung nach Aufwand. \n--- \n| 8 \n--- \n| Preise zzgl. MWSt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Dieses Angebot wurde mit Fax vom 24.2.2004 (Anlage B 2) durch die Beklagte\nbestatigt. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Am Tag der Arbeiten hat die Beklagte zudem einen Montagebericht\nunterzeichnet, in dem hinter dem Wort Anfahrt die Zahl 4 und hinter dem Wort\nAbfahrt ebenfalls die Zahl 4 sowie hinter dem Wort Kilometer die Zahl 364 (1\nStrecke) steht. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Klagerin tragt vor, sie sei berechtigt, die Kosten fur\nStundenlohnkosten fur An- und Abfahrt erstattet zu verlangen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Klagerin beantragt: \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| die Beklagte zu verurteilen, an die Klagerin 1160 EUR nebst Zinsen i.H.v.\n8% uber dem Basiszinssatz seit dem 9.4.2004 zu zahlen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagte beantragt: \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Klagabweisung. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Sie tragt vor, die Klagerin habe keinen Anspruch auf An- und Abfahrtkosten\nbei einer vereinbarten Vergutung nach Zeitaufwand. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten\nSchriftsatze und das Protokoll der mundlichen Verhandlung verwiesen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 18 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 1\\. Die Klagerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 1160\nEUR aus §§ 631 f BGB. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Beklagte hat den Auftrag gemaß Angebot vom 17.2.2004 durch ihr Fax vom\n24.2.2004 bestatigt. Der Vertrag ist daher mit dem Inhalt des Angebots\nzustande gekommen. Es ist insoweit nicht erforderlich, dass der Vertragstext\nausdrucklich Worte wie "Der Stundenlohn ist auch fur die Dauer der An- und\nAbfahrt zu verguten" enthalt. Es genugt, dass die Vergutungspflicht konkludent\naus der Vertragsauslegung folgt. Bei Auslegung des vorliegenden Vertragstexts\nnach objektivem Empfangerhorizont (aus Sicht eines verstandigen\nErklarungsempfangers) ergibt sich, dass auch die An- und Abfahrt zu verguten\nist. Das Angebot enthalt nicht nur einen Stundenlohn, sondern eben auch eine\nKilometerpauschale. Daraus folgt logischerweise, dass auch die Fahrt nicht\nkostenlos, sondern zu verguten war, sonst hatte die Erwahnung einer\nKilometerpauschale keinen Sinn. Wenn bereits fur Fahrzeugabnutzung und\nBenzinverbrauch eine Kilometerpauschale anfallt, wird ein verstandiger\nErklarungsempfanger auch davon ausgehen mussen, dass fur die Arbeiter wahrend\nder entsprechenden Fahrtzeit eine Stundenvergutung entsprechend dem\nVergutungssatz von 25 EUR (zzgl. MWSt.) pro Stunde anfallt. Dass die\nBeklagtenseite dies damals im ubrigen nicht anders gesehen hat, folgt aus der\nUnterzeichnung des Montageberichts. Schon dass uberhaupt Eintragungen hinter\nden Worten An- und Abfahrt erfolgt sind und mit unterschrieben wurden, zeigt,\ndass die An- und Abfahrt nicht irrelevant sein sollte. Selbst wenn hinter den\njeweils eingefugten Zahlen 4 die Worte "Stunden" oder "h" fehlen, kann es sich\nletztlich um nichts anders als Stundenangaben handeln. Eine logische andere\nBedeutung dieser Ziffern 4 wurde von Beklagtenseite auch gar nicht\nvorgetragen. Unerheblich ist, dass die Ruckfahrt zur Zeit der Unterschrift\nnoch bevorstand. Wenn die Anfahrt 4 Stunden dauerte bzw. diese Stundenzahl\ndafur akzeptiert wurde, konnte auch davon ausgegangen werden, dass die\nRuckfahrt entsprechende 4 Stunden dauern wurde. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 5x8= 40 Stunden zu je 25 EUR zzgl. MWSt. ergibt eine Forderung der Klagerin\nin Hohe von 1160 EUR. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| 2\\. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 BGB. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur\nvorlaufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 18 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 1\\. Die Klagerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 1160\nEUR aus §§ 631 f BGB. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Beklagte hat den Auftrag gemaß Angebot vom 17.2.2004 durch ihr Fax vom\n24.2.2004 bestatigt. Der Vertrag ist daher mit dem Inhalt des Angebots\nzustande gekommen. Es ist insoweit nicht erforderlich, dass der Vertragstext\nausdrucklich Worte wie "Der Stundenlohn ist auch fur die Dauer der An- und\nAbfahrt zu verguten" enthalt. Es genugt, dass die Vergutungspflicht konkludent\naus der Vertragsauslegung folgt. Bei Auslegung des vorliegenden Vertragstexts\nnach objektivem Empfangerhorizont (aus Sicht eines verstandigen\nErklarungsempfangers) ergibt sich, dass auch die An- und Abfahrt zu verguten\nist. Das Angebot enthalt nicht nur einen Stundenlohn, sondern eben auch eine\nKilometerpauschale. Daraus folgt logischerweise, dass auch die Fahrt nicht\nkostenlos, sondern zu verguten war, sonst hatte die Erwahnung einer\nKilometerpauschale keinen Sinn. Wenn bereits fur Fahrzeugabnutzung und\nBenzinverbrauch eine Kilometerpauschale anfallt, wird ein verstandiger\nErklarungsempfanger auch davon ausgehen mussen, dass fur die Arbeiter wahrend\nder entsprechenden Fahrtzeit eine Stundenvergutung entsprechend dem\nVergutungssatz von 25 EUR (zzgl. MWSt.) pro Stunde anfallt. Dass die\nBeklagtenseite dies damals im ubrigen nicht anders gesehen hat, folgt aus der\nUnterzeichnung des Montageberichts. Schon dass uberhaupt Eintragungen hinter\nden Worten An- und Abfahrt erfolgt sind und mit unterschrieben wurden, zeigt,\ndass die An- und Abfahrt nicht irrelevant sein sollte. Selbst wenn hinter den\njeweils eingefugten Zahlen 4 die Worte "Stunden" oder "h" fehlen, kann es sich\nletztlich um nichts anders als Stundenangaben handeln. Eine logische andere\nBedeutung dieser Ziffern 4 wurde von Beklagtenseite auch gar nicht\nvorgetragen. Unerheblich ist, dass die Ruckfahrt zur Zeit der Unterschrift\nnoch bevorstand. Wenn die Anfahrt 4 Stunden dauerte bzw. diese Stundenzahl\ndafur akzeptiert wurde, konnte auch davon ausgegangen werden, dass die\nRuckfahrt entsprechende 4 Stunden dauern wurde. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 5x8= 40 Stunden zu je 25 EUR zzgl. MWSt. ergibt eine Forderung der Klagerin\nin Hohe von 1160 EUR. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| 2\\. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 BGB. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur\nvorlaufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. \n--- \n---\n\n
140,240
vghbw-2004-09-15-8-s-239203
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
8 S 2392/03
2004-09-15
2019-01-07 14:53:20
2019-01-17 12:00:25
Urteil
## Tenor\n\nDer Antrag wird abgewiesen.\n\nDer Antragsteller tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan „Friedhofstraße" der\nAntragsgegnerin vom 26.9.2003. \n--- \n| 2 \n--- \n| Das 0,72 ha große Plangebiet liegt am nordlichen Ortsrand der Gemeinde\nUmmendorf, Ortsteil Fischbach, an einem nach Westen abfallenden Hang. Es wird\nzur Zeit als Grunland genutzt. Der Bebauungsplan sieht ein allgemeines\nWohngebiet vor (drei Einzelhauser mit jeweils maximal zwei Wohneinheiten); fur\ndas Gebaude Nr. 1 ist eine Gemeinbedarfsflache mit der Zweckbestimmung\n„kirchlicher Gemeindesaal" ausgewiesen. Der Bebauungsplan erstreckt sich auch\nauf die Friedhofstraße, die das Plangebiet im Norden begrenzt. Es handelt sich\num eine relativ steile Straße mit einer Fahrbahnbreite von maximal 4,50 m ohne\nGehwege; im mittleren Abschnitt befindet sich in der Steigungsstrecke ein\nunubersichtlicher Kurvenbereich. Der Bebauungsplan sieht vor, dass die\nFriedhofstraße auf eine Fahrbahnbreite von 5,50 m verbreitert und insbesondere\nim Kurvenbereich aufgeweitet wird, um dort die Sichtverhaltnisse zu verbessern\nund gleichzeitig eine Ausweichmoglichkeit zu schaffen. Nordlich der\nFriedhofstraße grenzt dorfliche Bebauung an. In sudostlicher Richtung schließt\nsich unmittelbar ein landwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetrieb an. Der Abstand\nzwischen den Stallungen und dem nachstgelegenen Baufenster Nr. 3\n(Wohnbebauung) betragt etwa 50 m. \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach vorgezogener Burgerbeteiligung und nach offentlicher Auslegung der am\n18.11.2002 und am 14.2.2003 gebilligten Planentwurfe vom 30.12.2002 bis\n30.1.2003 und vom 10.3.2003 bis 11.4.2003 beschloss der Gemeinderat der\nAntragsgegnerin am 22.9.2003 den Bebauungsplan als Satzung. Der Beschluss\nwurde im Mitteilungsblatt vom 26.9.2003 bekannt gemacht; eine Genehmigung ist\nnicht eingeholt worden. \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Antragsteller ist Eigentumer des nicht im Plangebiet liegenden\nGrundstucks Flst.Nr. 47/1 (Wohnhaus Friedhofstraße x) nordwestlich der\nFriedhofstraße und des im Plangebiet befindlichen Grundstucks Flst.Nr. 45 mit\neiner Große von etwa 30 qm. Eine Teilflache des zuletzt genannten Grundstucks\nist Bestandteil der vorhandenen Friedhofstraße im oben genannten\nKurvenbereich. Der Bebauungsplan weist diese Flache sowie eine geringfugige\nzusatzliche Flache als Verkehrsflache „Friedhofstraße" aus. Der restliche Teil\ndes Grundstucks Flst.Nr. 45 wird als offentliche Grunflache ausgewiesen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 24.10.2003 hat der Antragsteller das Normenkontrollverfahren mit dem\nAntrag eingeleitet, \n--- \n| 6 \n--- \n| den Bebauungsplan „Friedhofstraße" der Gemeinde Ummendorf vom 26. September\n2003 fur unwirksam zu erklaren. \n--- \n| 7 \n--- \n| Er macht geltend: Der Bebauungsplan hatte gemaß § 10 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs.\n2 S. 2 BauGB der Genehmigung der hoheren Verwaltungsbehorde bedurft; der\nMangel der nicht erteilten Genehmigung sei gem. § 214 Abs. 1 Nr. 3 BauGB auch\nbeachtlich. Das Plangebiet sei unter Berucksichtigung der festgesetzten\nNutzungsart faktisch ein reines Wohngebiet. Die Ausweisung als allgemeines\nWohngebiet sei nur im Hinblick auf Nutzungskonflikte mit dem angrenzenden\nlandwirtschaftlichen Betrieb erfolgt; im Hinblick darauf sei im\nAufstellungsverfahren auch an eine Ausweisung als „Mischgebiet" oder\n„Dorfgebiet" gedacht worden. Mit der Ausweisung als allgemeines Wohngebiet\nwurden die Nutzungskonflikte mit dem angrenzenden landwirtschaftlichen Betrieb\nverdeckt, aber nicht gelost. Abwagungsfehlerhaft sei auch die Ausweisung\nseines Grundstucks Flst.Nr. 45 als offentliche Grun- und Verkehrsflache.\nHinsichtlich des bereits uberteerten und verkehrlich genutzten Teils dieses\nGrundstucks sei die Antragsgegnerin zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie\nseit unvordenklicher Zeit als offentliche Verkehrsflache gewidmet sei. Ihm sei\nauch nicht bekannt, dass sein Rechtsvorganger mit der Überteerung\neinverstanden gewesen sei. Den nicht uberteerten Teil des Grundstucks FlstNr.\n45 benotige er fur private Zwecke. Die Antragsgegnerin habe nicht dargelegt,\nweshalb dieser Teil einer offentlichen Nutzung zugefuhrt werden musse.\nInsbesondere sei nicht ersichtlich, weshalb keine private Grunflache\nausgewiesen worden sei. Fehlerhaft sei auch die Ausweisung einer offentlichen\nGrunflache entlang seines Grundstucks Friedhofstraße x. Bei dem entsprechenden\nzur Friedhofstraße hin abfallenden gemeindeeigenen Streifen handle es sich um\neine Erdaufschuttung von bis zu 0,5 m, deren Abtragung geplant sei. Die\nAntragsgegnerin habe insoweit versaumt zu prufen, ob diese Maßnahme die\nStandfestigkeit seines nicht unterkellerten Wohngebaudes beeintrachtigen\nkonne; ausweislich des geotechnischen Gutachtens des Ing.-Buros xxx und\nPartner GmbH bestehe an der dortigen Hanglage Rutschgefahr. Der Bebauungsplan\nverletze den in § 1a Abs. 1 BauGB verankerten Grundsatz des schonenden und\nsparsamen Umgangs mit Grund und Boden. Das Baufenster Nr. 4 sei erheblich\ngroßer als die ubrigen Baufenster; die Flache hatte angesichts fehlender\nweiterer Flachenpotentiale effektiver genutzt und weitere Baufenster\nausgewiesen werden mussen. Der Bebauungsplan lose auch nicht den durch die\nAusweisung des Baufensters Nr. 1 als Flache fur den Gemeinbedarf entstehenden\nKonflikt hinsichtlich der Immissionsbelastung. Auch die Deckung des\nStellplatzbedarfs werde offen gelassen; eine Verlagerung der Konfliktlosung in\ndas Baugenehmigungsverfahren komme hier nicht in Betracht, weil die\nAntragsgegnerin die Problematik im Aufstellungsverfahren bereits erkannt habe.\nUnzureichend gewurdigt habe die Antragsgegnerin sein Interesse, von weiteren\nErschließungskosten verschont zu bleiben. Sie habe zwar ausgefuhrt, dass es\nsich bei der Friedhofstraße wohl um eine historische Straße handele,\nandererseits aber auch angemerkt, dass Erschließungsbeitrage anfielen, falls\ndie Friedhofstraße nicht endgultig hergestellt gewesen sein sollte. Mit\nnaturschutzrechtlichen Regelungen nicht zu vereinbaren sei die vorgesehene\nAbholzung des Waldes, um den vorgeschriebenen Abstand der Wohnbebauung\n(Bauplatz Nr. 4) zum Wald von 20 m einhalten zu konnen. Dieser Eingriff werde\nauch nicht durch geeignete Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen kompensiert. Zu\nbeanstanden sei außerdem, dass der naturschutzrechtliche Ausgleich nicht im\nBebauungsplan selbst vorgenommen, sondern in der Begrundung insoweit lediglich\nauf die Eingriffs- und Ausgleichsbilanz verwiesen werde. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Antragsgegnerin beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| den Antrag abzuweisen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Sie erwidert: Der Bebauungsplan sei nicht genehmigungsbedurftig gewesen.\nAufgrund der geringen Große des Plangebiets konne er als aus dem - ohnehin\nnicht parzellenscharfen - Flachennutzungsplan entwickelt angesehen werden. Im\nÜbrigen werde der Flachennutzungsplan parallel fortgeschrieben, so dass der\nBebauungsplan gem. § 8 Abs. 3 BauGB bereits vorab habe bekannt gemacht werden\ndurfen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Plangebiet faktisch ein\nreines Wohngebiet darstellen sollte. Mit Blick auf die Gemeinbedarfsflache\nnach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO entspreche es vielmehr einem allgemeinen\nWohngebiet; der Ausschluss der in § 4 Abs. 3 BauNVO genannten Ausnahmen andere\ndaran nichts. Die Ausweisung des Grundstucks Flst.Nr. 45 des Antragstellers\nals offentliche Verkehrs- und Grunflache sei nicht zu beanstanden. Die\nFriedhofstraße werde auch insoweit seit unvordenklicher Zeit als offentliche\nStraße genutzt, als die Trasse im Bereich des Grundstucks Flst.Nr. 45 liege.\nAußerdem sei der Rechtsvorganger des Antragstellers mit der Überteerung der\nFriedhofstraße und der Nutzung des Grundstucks Flst.Nr. 45 als offentliche\nStraße ausdrucklich einverstanden gewesen; dementsprechend habe er diese\nNutzung auch jahrelang unbeanstandet gelassen. Vor allem sei eine\nverkehrstechnische Erschließung des Friedhofs und der an der Friedhofstraße\nbefindlichen Gebaude ohne den Straßenausbau gar nicht moglich. Es fuhrte zu\nnicht mehr hinnehmbaren Verkehrsverhaltnissen, wenn das Grundstuck Flst.Nr. 45\ndes Antragstellers aus der Ausbauplanung genommen wurde. Die Darstellung einer\noffentlichen Grunflache als Straßenbegleitflache auch im Bereich des\nGrundstucks Flst.Nr. 45 entspreche dem stadtebaulichen Ziel zur Gestaltung des\nStraßenraumes. Was die Standsicherheit des Wohnhauses des Antragstellers\nangehe, sei zwischen den Beteiligten Mitte Mai 2004 eine baunachbarrechtliche\nVereinbarung uber eine Bestandsaufnahme an den Gebauden zum Zwecke einer\nBeweissicherung von moglichen mit dem Ausbau der Friedhofstraße verbundenen\nBauschaden geschlossen worden; die vereinbarte Beweissicherung sei\nmittlerweile durchgefuhrt worden. Die Ausweisung des Baufensters Nr. 4\nverstoße nicht gegen den Grundsatz schonenden Umgangs mit Grund und Boden.\nDieser Aspekt sei im Aufstellungsverfahren gesehen worden. Von einer\nintensiveren Nutzung sei jedoch wegen des vorgeschriebenen Waldabstandes, der\nHohenlage auf der Nordseite und des vorgesehenen Grungurtels abgesehen worden.\nAußerdem sei wegen der Hanglage mit einem Hohenunterschied von uber 2 m ein\netwas vergroßertes Baufenster ausgewiesen worden, um die Ausnutzung des\nGrundstucks zu verbessern. Wegen der geringen Große der Gemeinbedarfsflache\nfur das kirchliche Gemeindehaus werde es mit Sicherheit nicht zu einem starken\nVerkehrsaufkommen und erheblichen Immissionen kommen. Die\nStellplatzproblematik werde im Genehmigungsverfahren gelost. Im Übrigen habe\nsie - die Antragsgegnerin - mittlerweile das Grundstuck Friedhofstraße x\n(Flst.Nr. 47/11) erworben, auf dem nach Abbruch der Gebaude die notwendigen\nStellplatze angelegt wurden. Auf eine mogliche Erschließungsbeitragspflicht\nkonne sich der Antragsteller nicht berufen, weil diese sich unmittelbar aus\ndem Gesetz ergebe. Im Übrigen werde der Ausbau der Friedhofstraße gem. § 242\nAbs. 1 BauGB keine Erschließungsbeitragspflicht auslosen, weil die\nFriedhofstraße bereits 1961 als historische Straße vorhanden gewesen sei. Die\nReduzierung des Waldabstandes sei in Abstimmung mit dem Staatlichen Forstamt\nerfolgt. Zudem habe sie - die Antragsgegnerin - auf Anregung des Forstamts den\nursprunglich dem Baufenster 4 zugedachten Waldabschnitt im ostlichen Bereich\ndes Grundstucks Flst.Nr. 44/2 selbst erworben. Schließlich habe das\nLandratsamt - untere Naturschutzbehorde - ausdrucklich bestatigt, dass der\nnaturschutzrechtliche Ausgleich fehlerfrei erfolgt sei. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Senat hat in der mundlichen Verhandlung Beweis erhoben durch Einnahme\neines Augenscheins; wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die\nAnlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten\nwird auf die Schriftsatze der Beteiligten und die dem Senat vorliegenden\nBebauungsplanakten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| I. Der Normenkontrollantrag ist zulassig. Insbesondere besitzt der\nAntragsteller die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BauGB erforderliche Antragsbefugnis,\nweil er sich gegen Festsetzungen des Bebauungsplans wendet, die unmittelbar\nsein eigenes Grundstuck betreffen und daher eine Bestimmung von Inhalt und\nSchranken seines Eigentums bedeuten. Die Antragsbefugnis ist in einem solchen\nFall regelmaßig zu bejahen (BVerwG, Beschl. vom 7.7.1997 - 4 BN 1.97 - ZfBR\n1997, 314 = PBauE § 47 Abs. 2 VwGO Nr. 40; Urteil vom 10.3.1998 - 4 CN 6.97 -\nZfBR 1998, 205 = PBauE § 47 Abs. 2 VwGO Nr. 42). \n--- \n| 13 \n--- \n| II. Der Antrag ist jedoch nicht begrundet. Der Bebauungsplan ist\nverfahrensfehlerfrei zustande gekommen (1.) und steht in Einklang mit\nhoherrangigem materiellem Recht (2.). \n--- \n| 14 \n--- \n| 1\\. Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich. \n--- \n| 15 \n--- \n| a) Die maßgebliche Bekanntmachung der Auslegung des Planentwurfs im\n„Mitteilungsblatt" der Antragsgegnerin vom 28.2.2003 genugt den Anforderungen\ndes § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB. Danach sind die Entwurfe der Bauleitplane mit dem\nErlauterungsbericht oder der Begrundung auf die Dauer eines Monats offentlich\nauszulegen; Ort und Dauer der Auslegung sind mindestens eine Woche vorher\nortsublich bekannt zu machen mit dem Hinweis darauf, dass Anregungen wahrend\nder Auslegungsfrist vorgebracht werden konnen. Die Bekanntmachung muss so\nformuliert sein, dass ein an der beabsichtigten Planung interessierter Burger\nnicht davon abgehalten wird, sich durch Anregungen am Verfahren zu beteiligen;\nsie darf keine Zusatze enthalten, die geeignet sind, als Beschrankung dieses\njedermann zustehenden Rechts verstanden zu werden (vgl. BVerwG, Beschlusse v.\n11.4.1978 - 4 B 37.78 - BRS 33 Nr. 15 und v. 28.1.1997 - 4 NB 39.96 - VBlBW\n1997, 296 = PBauE § 3 BauGB Nr. 16; sowie VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v.\n25.2.1994 - 5 S 317/93 \\- VBlBW 1994, 491 = PBauE § 3 BauGB Nr. 10; BayVGH,\nUrt. v. 22.3.1982 - 25 XIV/78 - NJW 1983, 297). Da nach § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB\nAnregungen ohne Formzwang vorgebracht werden konnen, darf die Bekanntmachung\nbei einem mit seinen Rechten nicht naher vertrauten Leser nicht den Anschein\nerwecken, er konne sie nur im Rathaus mundlich zur Niederschrift vortragen\n(vgl. Senatsurt. v. 12.7.2004 - 8 S 351/04 - im Anschluss an\nNormenkontrollbeschluss des Senats v. 18.8.1997 - 8 S 1401/97 - BRS 59 Nr. 16\n= PBauE § 3 BauGB Nr. 19) oder umgekehrt, er konne sie nur schriftlich\neinreichen (vgl. Senatsurt. vom 15.9.2004 - 8 S 1148/03 -). \n--- \n| 16 \n--- \n| Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Bekanntmachung der Auslegung des\nPlanentwurfs im „Mitteilungsblatt" vom 28.2.2003 genugt diesen Anforderungen\nnoch. Der - ordnungsgemaßen - Bekanntgabe von Beginn und Ende der\nAuslegungsfrist und der Öffnungszeiten schließt sich folgender Hinweis an: \n--- \n| 17 \n--- \n| „Wahrend der Auslegungsfrist konnen Anregungen bei der Gemeindeverwaltung,\nBiberacher Straße 9, 88444 Ummendorf, Zimmer 2 (H. Kammerlander), vorgebracht\nwerden. Da das Ergebnis der Behandlung der Anregungen mitgeteilt wird, ist die\nAngabe der Anschrift des Verfassers zweckmaßig." \n--- \n| 18 \n--- \n| Diesem Hinweis kann der verstandige Leser entnehmen, dass er Anregungen\nsowohl im Rathaus zur Niederschrift mundlich vortragen oder stattdessen auch\nschriftlich einreichen kann. Dass Anregungen zur Niederschrift vorgetragen\nwerden konnen, folgt eindeutig aus Satz 1 des oben zitierten Hinweises. Dort\nwird namlich die Zimmernummer des zustandigen Sachbearbeiters genannt, was\nersichtlich als Hilfestellung fur den Fall mundlichen Vorbringens gedacht ist.\nIn Satz 2 des Hinweises ist vom Verfasser der Anregungen die Rede. Damit kann\nnach allgemeinem Sprachgebrauch nur derjenige gemeint sein, der Anregungen\nschriftlich einreicht; zudem macht die Bitte um Angabe der Anschrift fur den\nFall keinen Sinn, dass Anregungen beim zustandigen Sachbearbeiter mundlich zur\nNiederschrift vorgetragen werden. Bei dieser Gelegenheit sei darauf\nhingewiesen, dass die Gemeinden allen Schwierigkeiten, die sich nach der\nErfahrung des Senats bei der offentlichen Bekanntmachung der Auslegung der\nPlanentwurfe immer wieder einstellen, etwa durch folgende - von vielen\nGemeinden auch verwendete - Fassung des gebotenen Hinweises begegnen konnten:\n„Wahrend der Auslegungsfrist konnen Anregungen schriftlich oder mundlich zur\nNiederschrift beim Burgermeisteramt vorgebracht werden" (vgl. BVerwG, Beschl.\nv. 28.1.1997 - 4 NB 39.96 -, VBlBW 1997, 296 und VGH Bad.-Wurtt., Urt. v.\n4.7.1996 - 5 S 1697/95 -, VBlBW 1997, 24 zur Zulassigkeit und Zweckmaßigkeit\ndes Zusatzes „zur Niederschrift"). \n--- \n| 19 \n--- \n| b) Entgegen der Auffassung des Antragstellers bedurfte der Bebauungsplan\nkeiner Genehmigung. Die §§ 10 Abs. 2 S. 1, 8 Abs. 2 S. 2 BauGB kommen nicht\nzur Anwendung, weil zur Zeit des Satzungsbeschlusses ein gultiger\nFlachennutzungsplan vorlag. Auch aus den §§ 10 Abs. 2 S. 1, 8 Abs. 3 S. 2\nBauGB kann keine Genehmigungspflicht hergeleitet werden, weil der\nBebauungsplan „Friedhofstraße" aus dem geltenden Flachennutzungsplan gemaß § 8\nAbs. 2 Satz 1 BauGB entwickelt wurde. Der Senat hat den Flachennutzungsplan in\nder mundlichen Verhandlung eingesehen. Dabei konnte festgestellt werden, dass\ndieser im Bereich des Plangebiets eine Gemeinbedarfsflache sowie eine Flache\nfur Wohnzwecke darstellt (vgl. auch Auszug aus dem Flachennutzungsplan in\nKopie, Bl. 137 b der Planakten sowie Schreiben des Stadtplanungsamts der Stadt\nBiberach vom 23.1.2003, Bl. 205 der Planakten). Diese Darstellungen decken\nsich nach der Nutzungsart mit den Festsetzungen des Bebauungsplans.\nHinsichtlich der raumlichen Zuordnung der Nutzungen besteht zwar keine\nvollstandige Deckungsgleichheit. Die Unterschiede rechtfertigen sich jedoch\naus dem Übergang der vorbereitenden, nicht parzellenscharfen\nFlachennutzungsplanung in die konkretere Stufe der Bauleitplanung und lassen\ndie Grundkonzeption des Flachennutzungsplans unberuhrt; sie halten sich damit\ninnerhalb des Rahmens gestaltender Entwicklung (grundlegend BVerwG, Urt. v.\n28.2.1975 - IV C 74.72 -, BVerwGE 48, 70 = PBauE § 8 BauGB Nr. 2;\nSenatsbeschl. v. 4.5.1999 - 8 S 1024/99 -, ZfBR 2000, 55). \n--- \n| 20 \n--- \n| 2\\. Der Bebauungsplan begegnet auch inhaltlich keinen Bedenken. \n--- \n| 21 \n--- \n| a) Er verstoßt nicht gegen zwingende Rechtsvorschriften. \n--- \n| 22 \n--- \n| Es trifft nicht zu, dass die Ausweisung des Plangebiets als allgemeines\nWohngebiet gegen § 4 BauNVO verstoßt, weil es nach den tatsachlich getroffenen\nFestsetzungen dem Typus des reinen Wohngebiets nach § 3 BauNVO entspreche. Der\nBebauungsplan setzt neben Wohnbebauung auch eine Gemeinbedarfsflache (fur\nkirchliche Zwecke) fest; das Plangebiet entspricht damit genau dem Typus des\nallgemeinen Wohngebiets (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO einerseits und § 3 Abs.\n3 Nr. 2 BauNVO andererseits). \n--- \n| 23 \n--- \n| Fehl geht auch der Einwand, die Ausweisung des Baufensters Nr. 4 verletze\nden in § 1a Abs. 1 BauGB verankerten Grundsatz des sparsamen und schonenden\nUmgangs mit Grund und Boden. Dabei wird schon im Ansatz verkannt, dass diesem\nGrundsatz keineswegs ein zwingendes, durch Planung nicht uberwindbares Gebot\neiner moglichst verdichteten Bebauung zu entnehmen ist (vgl. BVerwG, Beschl.\nvom 21.12.1993 - 4 NB 40.93 - NVwZ 1994, 685). Die Antragsgegnerin hat mehrere\nplausible stadtebauliche Grunde fur den Zuschnitt dieses Baufensters am Rande\ndes Plangebiets und in besonderer topographischer Lage angefuhrt. Die\nAusweisung ist daher durch die planerische Gestaltungsfreiheit der\nAntragsgegnerin gedeckt, zumal ein etwa 200 qm großes Baufenster fur ein\nEinfamilienhaus (mit maximal zwei Wohneinheiten) ohnehin nicht aus dem Rahmen\neiner ublichen Inanspruchnahme von Grund und Boden fallt. \n--- \n| 24 \n--- \n| b) Das Abwagungsgebot ist nicht verletzt. \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach § 1 Abs. 6 BauGB a.F. sind bei der Aufstellung der Bauleitplane die\noffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht\nabzuwagen. Die gerichtliche Kontrolle hat sich nach standiger Rechtsprechung\n(grundlegend: BVerwG, Urt. v. 5.7.1974, - IV C 50.72 - BVerwGE 45, 309 = PBauE\n§ 1 Abs. 6 BauGB Nr. 3) auf die Prufung zu beschranken, ob eine Abwagung\nuberhaupt stattgefunden hat, ob in sie an Belangen eingestellt worden ist, was\nnach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste, ob die Bedeutung der\nbetroffenen offentlichen und privaten Belange richtig erkannt worden ist und\nob der Ausgleich zwischen den von der Planung beruhrten offentlichen und\nprivaten Belange in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer\nobjektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhaltnis steht. Hat die\nGemeinde diese Anforderungen beachtet, wird das Abwagungsgebot nicht dadurch\nverletzt, dass sie bei der Abwagung der verschiedenen Belange dem einen den\nVorzug einraumt und sich damit notwendig fur die Zuruckstellung des anderen\nentscheidet (BVerwG, Urteile v. 12.12.1969 - 4 C 105.65 -, BVerwGE 34, 301 =\nPBauE § 1 Abs. 6 BauGB Nr. 1 und v. 5.7.1974, a.a.O.). Gemessen daran ist der\nBebauungsplan „Friedhofstraße" frei von Abwagungsmangeln. \n--- \n| 26 \n--- \n| aa) Er beruht zum einen nicht auf einer unzureichenden Feststellung des\nAbwagungsmaterials, wie der Antragsteller meint. \n--- \n| 27 \n--- \n| Hinsichtlich des vom Antragsteller geltend gemachten Interesses, von\nErschließungskosten fur den geplanten Ausbau der Friedhofstraße verschont zu\nbleiben, vermag der Senat keinen Abwagungsausfall festzustellen. Dies liegt\nfur das Grundstuck Flst.Nr. 45 des Antragstellers auf der Hand, das als\noffentliche Verkehrs- und Grunflache ausgewiesen ist und daher gemaß § 129\nAbs. 1 Satz 1 BauGB keiner Beitragspflicht unterliegt. Ob auch das\nHausgrundstuck Friedhofstraße x nach § 242 Abs. 1 BauGB beitragsfrei ist, wie\ndie Antragsgegnerin zu bedenken gibt, kann offen bleiben. Denn selbst wenn\ninsoweit Beitragspflicht bestunde, lage kein abwagungsbeachtlicher Belang vor. \n--- \n| 28 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine kunftige Beitragspflicht\nunbeachtlich, wenn das Grundstuck im Innenbereich liegt, weil der Beitrag dann\nunabhangig von der Gultigkeit des Bebauungsplans unmittelbar aufgrund der\nVorschrift des § 133 Abs. 1 Satz 2 BauGB erhoben werden kann (Senatsbeschl.\nvom 12.2.1990 - 8 S 2917/88 -, NVwZ 1990, 896). Ein solcher Fall durfte hier\nnicht gegeben sein. Zwar durfte der Bereich nordlich der Friedhofstraße, in\ndem das Hausgrundstuck des Antragstellers liegt, als Innenbereich anzusehen\nsein. Der nunmehr uberplante Bereich sudlich der Friedhofstraße ist jedoch\nbislang Außenbereich mit der Folge, dass die Friedhofstraße bei Ungultigkeit\ndes Bebauungsplans nur einseitig bebaubar ware und der Antragsteller nur zur\nDeckung der halben Ausbaukosten herangezogen werden konnte (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 25.6.1969 - IV C 14.68 -, BVerwGE 32, 226). Demgegenuber besteht im\nFalle der Gultigkeit des Bebauungsplans Beitragspflicht hinsichtlich der\ngesamten Ausbaukosten, weil die Friedhofstraße dann beidseitig bebaubar ist.\nAllerdings durfte die Beitragshohe in beiden Fallen nicht erheblich\nvoneinander abweichen, weil im Falle der Gultigkeit des Bebauungsplans zwar -\nwie ausgefuhrt - die gesamten Ausbaukosten beitragsrechtlich zu\nberucksichtigen sind, diese aber auf der anderen Seite auf einen großeren\nKreis von Beitragszahlern zu verteilen sind, namlich zusatzlich auf alle\nAnlieger der Friedhofstraße im Plangebiet. Ob das Interesse des\nAntragstellers, von Erschließungsbeitragen verschont zu bleiben, aus diesem\nGrunde unbeachtlich ist, kann jedoch dahinstehen (zur fehlenden\nAbwagungsbeachtlichkeit objektiv geringfugiger Belange vgl. BVerwG, Urteil vom\n24.9.1998 - 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215). Denn der Belang, von\nErschließungsbeitragen verschont zu bleiben, muss unabhangig davon\ngrundsatzlich nicht in die bauplanerische Abwagung eingestellt werden. Wie\ndargelegt, hat der Senat die Abwagungsbeachtlichkeit kunftiger\nErschließungsbeitrage insoweit verneint, als die Beitragspflicht unabhangig\nvon der Gultigkeit des Bebauungsplans unmittelbar aus § 133 Abs. 1 Satz 2\nBauGB folgt, weil es sich um ein Innenbereichsgrundstuck handelt. Der\nBebauungsplan ist jedoch auch in den anderen Fallen, in denen § 133 Abs. 1\nSatz 2 BauGB nicht anwendbar ist, nicht unmittelbar Rechtsgrundlage fur die\nErhebung von Erschließungsbeitragen. Die Beitragspflicht beruht vielmehr auch\ndann auf den eigenstandigen gesetzlichen Regelungen der §§ 127 ff. BauGB, wenn\ndie Erschließung nach Maßgabe eines gultigen Bebauungsplans durchgefuhrt wird.\nZu diesen beitragsrechtlichen Regelungen zahlt insbesondere § 129 Abs. 1 Satz\n1 BauGB, wonach Beitrage nur insoweit erhoben werden konnen, als die\nErschließungsanlagen erforderlich sind, um die Bauflachen entsprechend den\nbaurechtlichen Vorschriften zu nutzen. Beitragspflichtig sind danach nur\nEigentumer, denen die Erschließungsmaßnahme einen Vorteil bringt und dies auch\nnur soweit, als dieser Vorteil in einem angemessenen Verhaltnis zur\nBeitragslast steht (vgl. BVerwG, Beschl. vom 31.8.2001 - 9 B 38.01 -, DVBl.\n2002, 67 m.w.N.; Urt. vom 30.1.1976 - IV C 12. und 13.74 -, BRS 30 Nr. 1; vgl.\nauch VGH Bad.-Wurtt., Normenkontrollbeschl. vom 19.11.1990 - 3 S 439/90 -\nm.w.N.). Das Beitragsrecht sieht mithin eigenstandige Regelungen zur Bewertung\nund zum Ausgleich widerstreitender Interessen vor. Im Hinblick darauf kann\neine eventuelle kunftige Beitragspflicht ohnehin nicht generell als im\nAufstellungsverfahren zu berucksichtigender abwagungsbeachtlicher Nachteil\ngewertet werden. Auch die einzelfallbezogene Wurdigung der Zumutbarkeit einer\nkunftigen Beitragslast ist im Bebauungsplanverfahren grundsatzlich nicht\ngeboten, sondern kann schon deshalb einem nachgelagerten Verfahren nach\nMaßgabe spezifisch beitragsrechtlicher Bestimmungen uberlassen bleiben, weil\ndie Beitragshohe regelmaßig erst bei der Veranlagung hinreichend genau\nfeststehen wird. Ob etwas anderes in Sonderfallen gelten muss, in denen\nbereits zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses erkennbar ist, dass die\nErschließungskosten in krassem Missverhaltnis zum Erschließungsvorteil stehen\nwerden (vgl. BVerwG, a.a.O.), oder ob im Hinblick auf den Schutz der\nGrundstuckseigentumer vor unzumutbaren Beitragsforderungen nach § 129 Abs. 1\nSatz 1 BauGB auch in solchen Fallen Abwagungsunbeachtlichkeit besteht, bedarf\nvorliegend keiner Erorterung. Denn nach Art, Umfang und Zielrichtung des\nAusbaus der Friedhofstraße wird dieser aller Voraussicht nach keine\nunzumutbare Beitragsbelastung der Anlieger nach sich ziehen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Dem Antragsteller kann auch nicht gefolgt werden, wenn er meint, der\nSatzungsgeber habe bei der Festsetzung der offentlichen Grunflache auf\ngemeindeeigenem Grund vor seinem Grundstuck Friedhofstraße x versaumt zu\nprufen, ob der geplante Wegfall der dortigen Anboschung die Standsicherheit\nseines nicht unterkellerten Hauses gefahrde. Dem Gebot der Konfliktbewaltigung\nkann nicht entnommen werden, dass eventuelle Folgeprobleme bautechnischer Art\nbereits im Bebauungsplan zu klaren sind. Dies darf vielmehr der\nPlandurchfuhrung uberlassen werden, soweit keine Anhaltspunkte dafur bestehen,\ndass mit der Durchfuhrung des Bebauungsplans verbundene bautechnische Probleme\nauch bei Anwendung der allgemein anerkannten bautechnischen Regeln nicht oder\nnur mit unverhaltnismaßig hohem Aufwand gelost werden konnen (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 5.3.1997 - 11 A 5.96 - UPR 1997, 327; Beschluss des Senats vom\n23.12.1997 - 8 S 627/97 -; PBauE § 1 Abs. 6 BauGB Nr. 59). Vorliegend musste\ndie Antragsgegnerin keine Vorsorge dafur treffen, dass die Standsicherheit des\nHauses des Antragstellers durch Abgrabung der Boschung nicht gefahrdet wird,\nweil es Regeln „guter fachlicher Praxis" gibt, die ein solches Vorgehen nicht\nzulassen. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafur, dass eine Gefahrdung des\nGebaudes nicht durch technische Schutzvorkehrungen vermieden werden kann.\nDafur gibt auch das vom Antragsteller als Beleg angefuhrte geotechnische\nGutachten vom 26.1.2001 (Bl. 1 der Planakten) nichts her. Es betrifft nicht\nden Bereich nordlich der Friedhofstraße vor dem Wohnhaus des Antragstellers,\nsondern untersucht den Baugrund im Plangebiet. Im Übrigen werden in dem\nGutachten auf Seite 9 Sicherungsmaßnahmen beschrieben, die ergriffen werden\nkonnen, falls wegen auftretenden Grund- und Schichtwassers die Gefahr\nbestunde, dass Boschungen ins Rutschen geraten. Die Rutschgefahr wird also\ngerade als beherrschbar eingeschatzt. Davon abgesehen haben sich die\nBeteiligten mittlerweile auf einen Erhalt der Boschung vor dem Wohnhaus des\nAntragstellers - bei gleichzeitigen Maßnahmen zur Verbesserung der Sicht -\ngeeinigt, wie sich in der mundlichen Verhandlung herausgestellt hat. \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Antragsgegnerin kann auch keine fehlende Abwagung hinsichtlich des\ndurch den kirchlichen Gemeindesaal ausgelosten Stellplatzbedarfs vorgeworfen\nwerden. Regelungen hierzu konnen in einem kunftigen Baugenehmigungsverfahren\ngetroffen werden. Es liegt auch fern anzunehmen, dass die Stellplatzfrage in\ndem landlich gepragten Ortsteil Fischbach der Antragsgegnerin nicht gelost\nwerden konnte. Davon abgesehen hat die Antragsgegnerin dargelegt, dass sie\nmittlerweile das nahe gelegene Grundstuck Friedhofstraße x (Flst.Nr. 47/11)\nerworben hat, auf dem nach Abbruch der dortigen Gebaude die fur den\nkirchlichen Gemeindesaal notwendigen Stellplatze angelegt werden sollen.\nAngesichts der geringen Große der Gemeinbedarfsflache und der vorgesehenen\nNutzungsart kann auch von einer bereits im Bebauungsplan zu losenden\nImmissionsproblematik keine Rede sein. \n--- \n| 31 \n--- \n| bb) Die Ausweisung des Grundstucks Flst.Nr. 45 als offentliche Verkehrs-\nund Grunflache beruht nicht auf einer Fehlgewichtung mit gegenlaufigen\nInteressen des Antragstellers. Ausweislich der Planunterlagen und nach den\nerganzenden Feststellungen des Senats wahrend der Einnahme des Augenscheins\nliegen dem Satzungsbeschluss des Gemeinderats der Antragsgegnerin vom\n22.9.2003 vielmehr uberwiegende stadtebauliche Belange zugrunde. \n--- \n| 32 \n--- \n| Fur die Ausweisung der bereits bisher uberteerten Flache des Grundstuck\nFlst.Nr. 45 (vgl. Ausbauplanung, Bl. 153 b der Planakten) als offentliche\nStraßenflache liegt dies auf der Hand. Die Fahrbahnbreite betruge ohne diesen\nGrundstucksteil weniger als 3 m (vgl. Bl. 153 b der Planakten); seine weitere\nNutzung zu Verkehrszwecken ist fur eine ordnungsgemaße Erschließung der an der\nFriedhofstraße liegenden Gebaude und des Friedhofs daher unabdingbar, was der\nAntragsteller im Planaufstellungsverfahren im Übrigen selbst eingeraumt hat\n(vgl. Schriftsatz v. 16.6.2003, Bl. 227 d Ruckseite der Planakten). Daher war\nfur die Ausweisung der bereits uberteerten Flache als offentliche\nVerkehrsflache auch nicht maßgeblich, ob sie kraft unvordenklicher Verjahrung\nbereits als solche gewidmet ist oder ob Abwehrrechte des Antragstellers\ninfolge einer auf die Überteerung oder die tatsachliche verkehrliche Nutzung\nbezogenen Zustimmung oder Duldung seines Rechtsvorgangers verwirkt sind. Ein\nweiterer geringfugiger Teil des Grundstucks Flst.Nr. 45 ist zusatzlich als\nVerkehrsflache ausgewiesen, um die Friedhofstraße auf eine Breite von 5,50 m\naufzuweiten mit dem Ziel, Ausweichmoglichkeiten zu schaffen und die\nunubersichtliche Situation im dortigen steilen Kurvenbereich zu entscharfen\n(vgl. Ausbauplanung, Bl. 155 c und d der Planakten). Der Verbesserung der\nSichtverhaltnisse soll auch die offentliche Grunflache dienen, mit der der\nverbleibende kleine Rest des Grundstucks Flst.Nr. 45 uberplant ist; die\noffentliche Grunflache soll außerdem den Übergang von der Straßenflache in die\nkunftige Gemeinbedarfsflache (kirchlicher Gemeindesaal) ansprechend gestalten.\nDie Einnahme des Augenscheins hat ergeben, dass eine Verbesserung der Sicht-\nund Ausweichmoglichkeiten gerade im Bereich des Grundstucks Flst.Nr. 45 aus\nden in der Planung genannten Grunden naheliegend ist. Auch die mit der\noffentlichen Grunflache verfolgten gestalterischen Ziele sind ohne Weiteres\nplausibel. Dieser stadtebaulichen Rechtfertigung der Planung wird nicht\ndadurch die Grundlage entzogen, dass die Friedhofstraße tatsachlich nur mit\neiner Breite von 4 m endgultig ausgebaut wurde und nach Angaben der\nAntragsgegnerin geplant ist, den verbleibenden Bereich des Grundstucks\nFlst.Nr. 45 als „begrunte Ausweichflache" (uberfahrbarer Schotterrasen) zu\nnutzen. Zwar ist die Antragsgegnerin damit von den Festsetzungen des\nBebauungsplans abgeruckt. Insbesondere stellt auch eine begrunte\nAusweichflache fur den Straßenverkehr keine offentliche Grunflache, sondern\neine Verkehrsflache dar (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB einerseits und § 9 Abs.\n1 Nr. 11 BauGB andererseits); eine solche Ausweisung ware also fehlerhaft.\nDarauf kommt es indes nicht an. Denn es liegen keine Anhaltspunkte dafur vor,\ndass der Satzungsgeber die nach den obigen Ausfuhrungen stadtebaulich\ngerechtfertigte Aufweitung der Straße und die Festsetzung einer offentlichen\nGrunflache nur vorgeschoben hat, in Wirklichkeit jedoch von vornherein den\njetzigen Zustand habe herbeifuhren wollen. Vielmehr wollte die Antragsgegnerin\nmit dieser Abweichung von den planerischen Festsetzungen lediglich Wunschen\ndes Antragstellers entgegenkommen, wie in der mundlichen Verhandlung deutlich\ngeworden ist. Welche beitragsrechtlichen Folgen die Abweichung von den\nplanerischen Festsetzungen hat, ist vorliegend nicht zu entscheiden. \n--- \n| 33 \n--- \n| Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Gemeinderat der Antragsgegnerin\nden stadtebaulichen Belangen den Vorrang vor den gegenlaufigen Interessen des\nAntragstellers gegeben hat. Dieser gab in der mundlichen Verhandlung an, den\nbisher nicht uberteerten Teil des Grundstucks Flst.Nr. 45 als Pkw-Stellplatz\nund als Abstellplatz etwa fur Fahrrader und Rollschuhe genutzt zu haben; zum\nZeitpunkt des Augenscheins lagerte dort Holz und war ein Fahrrad der Familie\ndes Antragstellers abgestellt. Die Antragsgegnerin halt sich im Rahmen ihrer\nplanerischen Gestaltungsfreiheit, wenn sie den oben genannten verkehrlichen\nund gestalterischen Zielen den Vorrang vor diesem Nutzungsinteresse des\nAntragstellers gibt, zumal dieser nach den ortlichen Gegebenheiten keineswegs\ndarauf angewiesen ist, gerade das uberplante Grundstuck als Abstellflache zu\nnutzen. Schließlich war auch nicht die Festsetzung einer privaten Grunflache\nals milderes Mittel geboten. Denn eine solche Festsetzung ware mit Blick auf\ndie vom Antragsteller geltend gemachten Nutzungsinteressen nicht geeignet, die\nmit der Ausweisung einer Grunflache verfolgten gestalterischen Ziele zu\nerreichen. \n--- \n| 34 \n--- \n| cc) Die vom Antragsteller behauptete Unvertraglichkeit zwischen geplanter\nWohnnutzung und angrenzendem landwirtschaftlichem Betrieb liegt nicht vor.\nWahrend der Einnahme des Augenscheins konnte festgestellt werden, dass weder\nvon den Stallen an der Hauptstraße noch von der als Weide- und Auslaufflache\nfur Ziegen und Rinder genutzten Wiese des landwirtschaftlichen Anwesens\nGeruche ausgehen, welche die Bewohner des Plangebiets beeintrachtigen konnten.\nSelbst an der nachstgelegenen Ecke des Baufensters Nr. 3 und auch bei einem\nzum Zeitpunkt des Augenscheins aus Richtung des landwirtschaftlichen Anwesens\nwehenden Wind waren keine belastigenden Geruche wahrzunehmen; ohnehin muss in\nlandlichen Gegenden bei jedem Wohngebiet am Dorfrand mit Weidetieren auf den\nangrenzenden Außenbereichsflachen gerechnet werden (vgl. Senatsurt. v.\n31.7.2003 - 8 S 1255/02 -). Auch Gerausche des Geblases fur die Heubeluftung\nsind an der genannten Stelle nach dem Ergebnis einer Horprobe wahrend der\nEinnahme des Augenscheines nicht wahrnehmbar. Das Geblase am Maissilo wird\nnach Angaben der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebs nur an etwa zwei\nTagen im Jahr benotigt und lauft auch an diesen Tagen nur dann, wenn gerade\nMais angeliefert wird; eine nennenswerte Gerauschbelastigung ist daher\nauszuschließen. \n--- \n| 35 \n--- \n| dd) Die Abwagung kann schließlich auch im Hinblick auf die Belange des\nNatur- und Landschaftsschutzes nicht beanstandet werden (§§ 1 Abs. 6, 1a Abs.\n2 Nr. 2 BauGB a.F.). Ausweislich der Eingriffs-Ausgleichs-Bilanz und der\nStellungnahme der zustandigen Naturschutzbehorde wird der zu erwartende\nEingriff innerhalb des Plangebiets ausgeglichen (vgl. Bilanz sowie Schreiben\ndes Landratsamts Biberach v. 18.10.2001, Bl. 50 und 71 der Planakten).\nEntgegen der Auffassung des Antragstellers sind die Ausgleichsmaßnahmen auch\nim Bebauungsplan selbst verbindlich festgesetzt. Fehl geht die Ruge, bei der\nRealisierung des Bebauungsplans werde Wald abgeholzt, weil dieser keine\nentsprechenden Festsetzungen enthalt (vgl. auch Stellungnahme des\nBurgermeisters der Antragsgegnerin in der Sitzung am 24.2.2003, Bl. 149b\nRuckseite und Bl. 96ed der Planakten). \n--- \n| 36 \n--- \n| Nach allem ist der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO\nabzuweisen. \n--- \n| 37 \n--- \n| Grunde fur eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht\ngegeben. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| I. Der Normenkontrollantrag ist zulassig. Insbesondere besitzt der\nAntragsteller die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BauGB erforderliche Antragsbefugnis,\nweil er sich gegen Festsetzungen des Bebauungsplans wendet, die unmittelbar\nsein eigenes Grundstuck betreffen und daher eine Bestimmung von Inhalt und\nSchranken seines Eigentums bedeuten. Die Antragsbefugnis ist in einem solchen\nFall regelmaßig zu bejahen (BVerwG, Beschl. vom 7.7.1997 - 4 BN 1.97 - ZfBR\n1997, 314 = PBauE § 47 Abs. 2 VwGO Nr. 40; Urteil vom 10.3.1998 - 4 CN 6.97 -\nZfBR 1998, 205 = PBauE § 47 Abs. 2 VwGO Nr. 42). \n--- \n| 13 \n--- \n| II. Der Antrag ist jedoch nicht begrundet. Der Bebauungsplan ist\nverfahrensfehlerfrei zustande gekommen (1.) und steht in Einklang mit\nhoherrangigem materiellem Recht (2.). \n--- \n| 14 \n--- \n| 1\\. Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich. \n--- \n| 15 \n--- \n| a) Die maßgebliche Bekanntmachung der Auslegung des Planentwurfs im\n„Mitteilungsblatt" der Antragsgegnerin vom 28.2.2003 genugt den Anforderungen\ndes § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB. Danach sind die Entwurfe der Bauleitplane mit dem\nErlauterungsbericht oder der Begrundung auf die Dauer eines Monats offentlich\nauszulegen; Ort und Dauer der Auslegung sind mindestens eine Woche vorher\nortsublich bekannt zu machen mit dem Hinweis darauf, dass Anregungen wahrend\nder Auslegungsfrist vorgebracht werden konnen. Die Bekanntmachung muss so\nformuliert sein, dass ein an der beabsichtigten Planung interessierter Burger\nnicht davon abgehalten wird, sich durch Anregungen am Verfahren zu beteiligen;\nsie darf keine Zusatze enthalten, die geeignet sind, als Beschrankung dieses\njedermann zustehenden Rechts verstanden zu werden (vgl. BVerwG, Beschlusse v.\n11.4.1978 - 4 B 37.78 - BRS 33 Nr. 15 und v. 28.1.1997 - 4 NB 39.96 - VBlBW\n1997, 296 = PBauE § 3 BauGB Nr. 16; sowie VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v.\n25.2.1994 - 5 S 317/93 \\- VBlBW 1994, 491 = PBauE § 3 BauGB Nr. 10; BayVGH,\nUrt. v. 22.3.1982 - 25 XIV/78 - NJW 1983, 297). Da nach § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB\nAnregungen ohne Formzwang vorgebracht werden konnen, darf die Bekanntmachung\nbei einem mit seinen Rechten nicht naher vertrauten Leser nicht den Anschein\nerwecken, er konne sie nur im Rathaus mundlich zur Niederschrift vortragen\n(vgl. Senatsurt. v. 12.7.2004 - 8 S 351/04 - im Anschluss an\nNormenkontrollbeschluss des Senats v. 18.8.1997 - 8 S 1401/97 - BRS 59 Nr. 16\n= PBauE § 3 BauGB Nr. 19) oder umgekehrt, er konne sie nur schriftlich\neinreichen (vgl. Senatsurt. vom 15.9.2004 - 8 S 1148/03 -). \n--- \n| 16 \n--- \n| Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Bekanntmachung der Auslegung des\nPlanentwurfs im „Mitteilungsblatt" vom 28.2.2003 genugt diesen Anforderungen\nnoch. Der - ordnungsgemaßen - Bekanntgabe von Beginn und Ende der\nAuslegungsfrist und der Öffnungszeiten schließt sich folgender Hinweis an: \n--- \n| 17 \n--- \n| „Wahrend der Auslegungsfrist konnen Anregungen bei der Gemeindeverwaltung,\nBiberacher Straße 9, 88444 Ummendorf, Zimmer 2 (H. Kammerlander), vorgebracht\nwerden. Da das Ergebnis der Behandlung der Anregungen mitgeteilt wird, ist die\nAngabe der Anschrift des Verfassers zweckmaßig." \n--- \n| 18 \n--- \n| Diesem Hinweis kann der verstandige Leser entnehmen, dass er Anregungen\nsowohl im Rathaus zur Niederschrift mundlich vortragen oder stattdessen auch\nschriftlich einreichen kann. Dass Anregungen zur Niederschrift vorgetragen\nwerden konnen, folgt eindeutig aus Satz 1 des oben zitierten Hinweises. Dort\nwird namlich die Zimmernummer des zustandigen Sachbearbeiters genannt, was\nersichtlich als Hilfestellung fur den Fall mundlichen Vorbringens gedacht ist.\nIn Satz 2 des Hinweises ist vom Verfasser der Anregungen die Rede. Damit kann\nnach allgemeinem Sprachgebrauch nur derjenige gemeint sein, der Anregungen\nschriftlich einreicht; zudem macht die Bitte um Angabe der Anschrift fur den\nFall keinen Sinn, dass Anregungen beim zustandigen Sachbearbeiter mundlich zur\nNiederschrift vorgetragen werden. Bei dieser Gelegenheit sei darauf\nhingewiesen, dass die Gemeinden allen Schwierigkeiten, die sich nach der\nErfahrung des Senats bei der offentlichen Bekanntmachung der Auslegung der\nPlanentwurfe immer wieder einstellen, etwa durch folgende - von vielen\nGemeinden auch verwendete - Fassung des gebotenen Hinweises begegnen konnten:\n„Wahrend der Auslegungsfrist konnen Anregungen schriftlich oder mundlich zur\nNiederschrift beim Burgermeisteramt vorgebracht werden" (vgl. BVerwG, Beschl.\nv. 28.1.1997 - 4 NB 39.96 -, VBlBW 1997, 296 und VGH Bad.-Wurtt., Urt. v.\n4.7.1996 - 5 S 1697/95 -, VBlBW 1997, 24 zur Zulassigkeit und Zweckmaßigkeit\ndes Zusatzes „zur Niederschrift"). \n--- \n| 19 \n--- \n| b) Entgegen der Auffassung des Antragstellers bedurfte der Bebauungsplan\nkeiner Genehmigung. Die §§ 10 Abs. 2 S. 1, 8 Abs. 2 S. 2 BauGB kommen nicht\nzur Anwendung, weil zur Zeit des Satzungsbeschlusses ein gultiger\nFlachennutzungsplan vorlag. Auch aus den §§ 10 Abs. 2 S. 1, 8 Abs. 3 S. 2\nBauGB kann keine Genehmigungspflicht hergeleitet werden, weil der\nBebauungsplan „Friedhofstraße" aus dem geltenden Flachennutzungsplan gemaß § 8\nAbs. 2 Satz 1 BauGB entwickelt wurde. Der Senat hat den Flachennutzungsplan in\nder mundlichen Verhandlung eingesehen. Dabei konnte festgestellt werden, dass\ndieser im Bereich des Plangebiets eine Gemeinbedarfsflache sowie eine Flache\nfur Wohnzwecke darstellt (vgl. auch Auszug aus dem Flachennutzungsplan in\nKopie, Bl. 137 b der Planakten sowie Schreiben des Stadtplanungsamts der Stadt\nBiberach vom 23.1.2003, Bl. 205 der Planakten). Diese Darstellungen decken\nsich nach der Nutzungsart mit den Festsetzungen des Bebauungsplans.\nHinsichtlich der raumlichen Zuordnung der Nutzungen besteht zwar keine\nvollstandige Deckungsgleichheit. Die Unterschiede rechtfertigen sich jedoch\naus dem Übergang der vorbereitenden, nicht parzellenscharfen\nFlachennutzungsplanung in die konkretere Stufe der Bauleitplanung und lassen\ndie Grundkonzeption des Flachennutzungsplans unberuhrt; sie halten sich damit\ninnerhalb des Rahmens gestaltender Entwicklung (grundlegend BVerwG, Urt. v.\n28.2.1975 - IV C 74.72 -, BVerwGE 48, 70 = PBauE § 8 BauGB Nr. 2;\nSenatsbeschl. v. 4.5.1999 - 8 S 1024/99 -, ZfBR 2000, 55). \n--- \n| 20 \n--- \n| 2\\. Der Bebauungsplan begegnet auch inhaltlich keinen Bedenken. \n--- \n| 21 \n--- \n| a) Er verstoßt nicht gegen zwingende Rechtsvorschriften. \n--- \n| 22 \n--- \n| Es trifft nicht zu, dass die Ausweisung des Plangebiets als allgemeines\nWohngebiet gegen § 4 BauNVO verstoßt, weil es nach den tatsachlich getroffenen\nFestsetzungen dem Typus des reinen Wohngebiets nach § 3 BauNVO entspreche. Der\nBebauungsplan setzt neben Wohnbebauung auch eine Gemeinbedarfsflache (fur\nkirchliche Zwecke) fest; das Plangebiet entspricht damit genau dem Typus des\nallgemeinen Wohngebiets (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO einerseits und § 3 Abs.\n3 Nr. 2 BauNVO andererseits). \n--- \n| 23 \n--- \n| Fehl geht auch der Einwand, die Ausweisung des Baufensters Nr. 4 verletze\nden in § 1a Abs. 1 BauGB verankerten Grundsatz des sparsamen und schonenden\nUmgangs mit Grund und Boden. Dabei wird schon im Ansatz verkannt, dass diesem\nGrundsatz keineswegs ein zwingendes, durch Planung nicht uberwindbares Gebot\neiner moglichst verdichteten Bebauung zu entnehmen ist (vgl. BVerwG, Beschl.\nvom 21.12.1993 - 4 NB 40.93 - NVwZ 1994, 685). Die Antragsgegnerin hat mehrere\nplausible stadtebauliche Grunde fur den Zuschnitt dieses Baufensters am Rande\ndes Plangebiets und in besonderer topographischer Lage angefuhrt. Die\nAusweisung ist daher durch die planerische Gestaltungsfreiheit der\nAntragsgegnerin gedeckt, zumal ein etwa 200 qm großes Baufenster fur ein\nEinfamilienhaus (mit maximal zwei Wohneinheiten) ohnehin nicht aus dem Rahmen\neiner ublichen Inanspruchnahme von Grund und Boden fallt. \n--- \n| 24 \n--- \n| b) Das Abwagungsgebot ist nicht verletzt. \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach § 1 Abs. 6 BauGB a.F. sind bei der Aufstellung der Bauleitplane die\noffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht\nabzuwagen. Die gerichtliche Kontrolle hat sich nach standiger Rechtsprechung\n(grundlegend: BVerwG, Urt. v. 5.7.1974, - IV C 50.72 - BVerwGE 45, 309 = PBauE\n§ 1 Abs. 6 BauGB Nr. 3) auf die Prufung zu beschranken, ob eine Abwagung\nuberhaupt stattgefunden hat, ob in sie an Belangen eingestellt worden ist, was\nnach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste, ob die Bedeutung der\nbetroffenen offentlichen und privaten Belange richtig erkannt worden ist und\nob der Ausgleich zwischen den von der Planung beruhrten offentlichen und\nprivaten Belange in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer\nobjektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhaltnis steht. Hat die\nGemeinde diese Anforderungen beachtet, wird das Abwagungsgebot nicht dadurch\nverletzt, dass sie bei der Abwagung der verschiedenen Belange dem einen den\nVorzug einraumt und sich damit notwendig fur die Zuruckstellung des anderen\nentscheidet (BVerwG, Urteile v. 12.12.1969 - 4 C 105.65 -, BVerwGE 34, 301 =\nPBauE § 1 Abs. 6 BauGB Nr. 1 und v. 5.7.1974, a.a.O.). Gemessen daran ist der\nBebauungsplan „Friedhofstraße" frei von Abwagungsmangeln. \n--- \n| 26 \n--- \n| aa) Er beruht zum einen nicht auf einer unzureichenden Feststellung des\nAbwagungsmaterials, wie der Antragsteller meint. \n--- \n| 27 \n--- \n| Hinsichtlich des vom Antragsteller geltend gemachten Interesses, von\nErschließungskosten fur den geplanten Ausbau der Friedhofstraße verschont zu\nbleiben, vermag der Senat keinen Abwagungsausfall festzustellen. Dies liegt\nfur das Grundstuck Flst.Nr. 45 des Antragstellers auf der Hand, das als\noffentliche Verkehrs- und Grunflache ausgewiesen ist und daher gemaß § 129\nAbs. 1 Satz 1 BauGB keiner Beitragspflicht unterliegt. Ob auch das\nHausgrundstuck Friedhofstraße x nach § 242 Abs. 1 BauGB beitragsfrei ist, wie\ndie Antragsgegnerin zu bedenken gibt, kann offen bleiben. Denn selbst wenn\ninsoweit Beitragspflicht bestunde, lage kein abwagungsbeachtlicher Belang vor. \n--- \n| 28 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine kunftige Beitragspflicht\nunbeachtlich, wenn das Grundstuck im Innenbereich liegt, weil der Beitrag dann\nunabhangig von der Gultigkeit des Bebauungsplans unmittelbar aufgrund der\nVorschrift des § 133 Abs. 1 Satz 2 BauGB erhoben werden kann (Senatsbeschl.\nvom 12.2.1990 - 8 S 2917/88 -, NVwZ 1990, 896). Ein solcher Fall durfte hier\nnicht gegeben sein. Zwar durfte der Bereich nordlich der Friedhofstraße, in\ndem das Hausgrundstuck des Antragstellers liegt, als Innenbereich anzusehen\nsein. Der nunmehr uberplante Bereich sudlich der Friedhofstraße ist jedoch\nbislang Außenbereich mit der Folge, dass die Friedhofstraße bei Ungultigkeit\ndes Bebauungsplans nur einseitig bebaubar ware und der Antragsteller nur zur\nDeckung der halben Ausbaukosten herangezogen werden konnte (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 25.6.1969 - IV C 14.68 -, BVerwGE 32, 226). Demgegenuber besteht im\nFalle der Gultigkeit des Bebauungsplans Beitragspflicht hinsichtlich der\ngesamten Ausbaukosten, weil die Friedhofstraße dann beidseitig bebaubar ist.\nAllerdings durfte die Beitragshohe in beiden Fallen nicht erheblich\nvoneinander abweichen, weil im Falle der Gultigkeit des Bebauungsplans zwar -\nwie ausgefuhrt - die gesamten Ausbaukosten beitragsrechtlich zu\nberucksichtigen sind, diese aber auf der anderen Seite auf einen großeren\nKreis von Beitragszahlern zu verteilen sind, namlich zusatzlich auf alle\nAnlieger der Friedhofstraße im Plangebiet. Ob das Interesse des\nAntragstellers, von Erschließungsbeitragen verschont zu bleiben, aus diesem\nGrunde unbeachtlich ist, kann jedoch dahinstehen (zur fehlenden\nAbwagungsbeachtlichkeit objektiv geringfugiger Belange vgl. BVerwG, Urteil vom\n24.9.1998 - 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215). Denn der Belang, von\nErschließungsbeitragen verschont zu bleiben, muss unabhangig davon\ngrundsatzlich nicht in die bauplanerische Abwagung eingestellt werden. Wie\ndargelegt, hat der Senat die Abwagungsbeachtlichkeit kunftiger\nErschließungsbeitrage insoweit verneint, als die Beitragspflicht unabhangig\nvon der Gultigkeit des Bebauungsplans unmittelbar aus § 133 Abs. 1 Satz 2\nBauGB folgt, weil es sich um ein Innenbereichsgrundstuck handelt. Der\nBebauungsplan ist jedoch auch in den anderen Fallen, in denen § 133 Abs. 1\nSatz 2 BauGB nicht anwendbar ist, nicht unmittelbar Rechtsgrundlage fur die\nErhebung von Erschließungsbeitragen. Die Beitragspflicht beruht vielmehr auch\ndann auf den eigenstandigen gesetzlichen Regelungen der §§ 127 ff. BauGB, wenn\ndie Erschließung nach Maßgabe eines gultigen Bebauungsplans durchgefuhrt wird.\nZu diesen beitragsrechtlichen Regelungen zahlt insbesondere § 129 Abs. 1 Satz\n1 BauGB, wonach Beitrage nur insoweit erhoben werden konnen, als die\nErschließungsanlagen erforderlich sind, um die Bauflachen entsprechend den\nbaurechtlichen Vorschriften zu nutzen. Beitragspflichtig sind danach nur\nEigentumer, denen die Erschließungsmaßnahme einen Vorteil bringt und dies auch\nnur soweit, als dieser Vorteil in einem angemessenen Verhaltnis zur\nBeitragslast steht (vgl. BVerwG, Beschl. vom 31.8.2001 - 9 B 38.01 -, DVBl.\n2002, 67 m.w.N.; Urt. vom 30.1.1976 - IV C 12. und 13.74 -, BRS 30 Nr. 1; vgl.\nauch VGH Bad.-Wurtt., Normenkontrollbeschl. vom 19.11.1990 - 3 S 439/90 -\nm.w.N.). Das Beitragsrecht sieht mithin eigenstandige Regelungen zur Bewertung\nund zum Ausgleich widerstreitender Interessen vor. Im Hinblick darauf kann\neine eventuelle kunftige Beitragspflicht ohnehin nicht generell als im\nAufstellungsverfahren zu berucksichtigender abwagungsbeachtlicher Nachteil\ngewertet werden. Auch die einzelfallbezogene Wurdigung der Zumutbarkeit einer\nkunftigen Beitragslast ist im Bebauungsplanverfahren grundsatzlich nicht\ngeboten, sondern kann schon deshalb einem nachgelagerten Verfahren nach\nMaßgabe spezifisch beitragsrechtlicher Bestimmungen uberlassen bleiben, weil\ndie Beitragshohe regelmaßig erst bei der Veranlagung hinreichend genau\nfeststehen wird. Ob etwas anderes in Sonderfallen gelten muss, in denen\nbereits zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses erkennbar ist, dass die\nErschließungskosten in krassem Missverhaltnis zum Erschließungsvorteil stehen\nwerden (vgl. BVerwG, a.a.O.), oder ob im Hinblick auf den Schutz der\nGrundstuckseigentumer vor unzumutbaren Beitragsforderungen nach § 129 Abs. 1\nSatz 1 BauGB auch in solchen Fallen Abwagungsunbeachtlichkeit besteht, bedarf\nvorliegend keiner Erorterung. Denn nach Art, Umfang und Zielrichtung des\nAusbaus der Friedhofstraße wird dieser aller Voraussicht nach keine\nunzumutbare Beitragsbelastung der Anlieger nach sich ziehen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Dem Antragsteller kann auch nicht gefolgt werden, wenn er meint, der\nSatzungsgeber habe bei der Festsetzung der offentlichen Grunflache auf\ngemeindeeigenem Grund vor seinem Grundstuck Friedhofstraße x versaumt zu\nprufen, ob der geplante Wegfall der dortigen Anboschung die Standsicherheit\nseines nicht unterkellerten Hauses gefahrde. Dem Gebot der Konfliktbewaltigung\nkann nicht entnommen werden, dass eventuelle Folgeprobleme bautechnischer Art\nbereits im Bebauungsplan zu klaren sind. Dies darf vielmehr der\nPlandurchfuhrung uberlassen werden, soweit keine Anhaltspunkte dafur bestehen,\ndass mit der Durchfuhrung des Bebauungsplans verbundene bautechnische Probleme\nauch bei Anwendung der allgemein anerkannten bautechnischen Regeln nicht oder\nnur mit unverhaltnismaßig hohem Aufwand gelost werden konnen (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 5.3.1997 - 11 A 5.96 - UPR 1997, 327; Beschluss des Senats vom\n23.12.1997 - 8 S 627/97 -; PBauE § 1 Abs. 6 BauGB Nr. 59). Vorliegend musste\ndie Antragsgegnerin keine Vorsorge dafur treffen, dass die Standsicherheit des\nHauses des Antragstellers durch Abgrabung der Boschung nicht gefahrdet wird,\nweil es Regeln „guter fachlicher Praxis" gibt, die ein solches Vorgehen nicht\nzulassen. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafur, dass eine Gefahrdung des\nGebaudes nicht durch technische Schutzvorkehrungen vermieden werden kann.\nDafur gibt auch das vom Antragsteller als Beleg angefuhrte geotechnische\nGutachten vom 26.1.2001 (Bl. 1 der Planakten) nichts her. Es betrifft nicht\nden Bereich nordlich der Friedhofstraße vor dem Wohnhaus des Antragstellers,\nsondern untersucht den Baugrund im Plangebiet. Im Übrigen werden in dem\nGutachten auf Seite 9 Sicherungsmaßnahmen beschrieben, die ergriffen werden\nkonnen, falls wegen auftretenden Grund- und Schichtwassers die Gefahr\nbestunde, dass Boschungen ins Rutschen geraten. Die Rutschgefahr wird also\ngerade als beherrschbar eingeschatzt. Davon abgesehen haben sich die\nBeteiligten mittlerweile auf einen Erhalt der Boschung vor dem Wohnhaus des\nAntragstellers - bei gleichzeitigen Maßnahmen zur Verbesserung der Sicht -\ngeeinigt, wie sich in der mundlichen Verhandlung herausgestellt hat. \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Antragsgegnerin kann auch keine fehlende Abwagung hinsichtlich des\ndurch den kirchlichen Gemeindesaal ausgelosten Stellplatzbedarfs vorgeworfen\nwerden. Regelungen hierzu konnen in einem kunftigen Baugenehmigungsverfahren\ngetroffen werden. Es liegt auch fern anzunehmen, dass die Stellplatzfrage in\ndem landlich gepragten Ortsteil Fischbach der Antragsgegnerin nicht gelost\nwerden konnte. Davon abgesehen hat die Antragsgegnerin dargelegt, dass sie\nmittlerweile das nahe gelegene Grundstuck Friedhofstraße x (Flst.Nr. 47/11)\nerworben hat, auf dem nach Abbruch der dortigen Gebaude die fur den\nkirchlichen Gemeindesaal notwendigen Stellplatze angelegt werden sollen.\nAngesichts der geringen Große der Gemeinbedarfsflache und der vorgesehenen\nNutzungsart kann auch von einer bereits im Bebauungsplan zu losenden\nImmissionsproblematik keine Rede sein. \n--- \n| 31 \n--- \n| bb) Die Ausweisung des Grundstucks Flst.Nr. 45 als offentliche Verkehrs-\nund Grunflache beruht nicht auf einer Fehlgewichtung mit gegenlaufigen\nInteressen des Antragstellers. Ausweislich der Planunterlagen und nach den\nerganzenden Feststellungen des Senats wahrend der Einnahme des Augenscheins\nliegen dem Satzungsbeschluss des Gemeinderats der Antragsgegnerin vom\n22.9.2003 vielmehr uberwiegende stadtebauliche Belange zugrunde. \n--- \n| 32 \n--- \n| Fur die Ausweisung der bereits bisher uberteerten Flache des Grundstuck\nFlst.Nr. 45 (vgl. Ausbauplanung, Bl. 153 b der Planakten) als offentliche\nStraßenflache liegt dies auf der Hand. Die Fahrbahnbreite betruge ohne diesen\nGrundstucksteil weniger als 3 m (vgl. Bl. 153 b der Planakten); seine weitere\nNutzung zu Verkehrszwecken ist fur eine ordnungsgemaße Erschließung der an der\nFriedhofstraße liegenden Gebaude und des Friedhofs daher unabdingbar, was der\nAntragsteller im Planaufstellungsverfahren im Übrigen selbst eingeraumt hat\n(vgl. Schriftsatz v. 16.6.2003, Bl. 227 d Ruckseite der Planakten). Daher war\nfur die Ausweisung der bereits uberteerten Flache als offentliche\nVerkehrsflache auch nicht maßgeblich, ob sie kraft unvordenklicher Verjahrung\nbereits als solche gewidmet ist oder ob Abwehrrechte des Antragstellers\ninfolge einer auf die Überteerung oder die tatsachliche verkehrliche Nutzung\nbezogenen Zustimmung oder Duldung seines Rechtsvorgangers verwirkt sind. Ein\nweiterer geringfugiger Teil des Grundstucks Flst.Nr. 45 ist zusatzlich als\nVerkehrsflache ausgewiesen, um die Friedhofstraße auf eine Breite von 5,50 m\naufzuweiten mit dem Ziel, Ausweichmoglichkeiten zu schaffen und die\nunubersichtliche Situation im dortigen steilen Kurvenbereich zu entscharfen\n(vgl. Ausbauplanung, Bl. 155 c und d der Planakten). Der Verbesserung der\nSichtverhaltnisse soll auch die offentliche Grunflache dienen, mit der der\nverbleibende kleine Rest des Grundstucks Flst.Nr. 45 uberplant ist; die\noffentliche Grunflache soll außerdem den Übergang von der Straßenflache in die\nkunftige Gemeinbedarfsflache (kirchlicher Gemeindesaal) ansprechend gestalten.\nDie Einnahme des Augenscheins hat ergeben, dass eine Verbesserung der Sicht-\nund Ausweichmoglichkeiten gerade im Bereich des Grundstucks Flst.Nr. 45 aus\nden in der Planung genannten Grunden naheliegend ist. Auch die mit der\noffentlichen Grunflache verfolgten gestalterischen Ziele sind ohne Weiteres\nplausibel. Dieser stadtebaulichen Rechtfertigung der Planung wird nicht\ndadurch die Grundlage entzogen, dass die Friedhofstraße tatsachlich nur mit\neiner Breite von 4 m endgultig ausgebaut wurde und nach Angaben der\nAntragsgegnerin geplant ist, den verbleibenden Bereich des Grundstucks\nFlst.Nr. 45 als „begrunte Ausweichflache" (uberfahrbarer Schotterrasen) zu\nnutzen. Zwar ist die Antragsgegnerin damit von den Festsetzungen des\nBebauungsplans abgeruckt. Insbesondere stellt auch eine begrunte\nAusweichflache fur den Straßenverkehr keine offentliche Grunflache, sondern\neine Verkehrsflache dar (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB einerseits und § 9 Abs.\n1 Nr. 11 BauGB andererseits); eine solche Ausweisung ware also fehlerhaft.\nDarauf kommt es indes nicht an. Denn es liegen keine Anhaltspunkte dafur vor,\ndass der Satzungsgeber die nach den obigen Ausfuhrungen stadtebaulich\ngerechtfertigte Aufweitung der Straße und die Festsetzung einer offentlichen\nGrunflache nur vorgeschoben hat, in Wirklichkeit jedoch von vornherein den\njetzigen Zustand habe herbeifuhren wollen. Vielmehr wollte die Antragsgegnerin\nmit dieser Abweichung von den planerischen Festsetzungen lediglich Wunschen\ndes Antragstellers entgegenkommen, wie in der mundlichen Verhandlung deutlich\ngeworden ist. Welche beitragsrechtlichen Folgen die Abweichung von den\nplanerischen Festsetzungen hat, ist vorliegend nicht zu entscheiden. \n--- \n| 33 \n--- \n| Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Gemeinderat der Antragsgegnerin\nden stadtebaulichen Belangen den Vorrang vor den gegenlaufigen Interessen des\nAntragstellers gegeben hat. Dieser gab in der mundlichen Verhandlung an, den\nbisher nicht uberteerten Teil des Grundstucks Flst.Nr. 45 als Pkw-Stellplatz\nund als Abstellplatz etwa fur Fahrrader und Rollschuhe genutzt zu haben; zum\nZeitpunkt des Augenscheins lagerte dort Holz und war ein Fahrrad der Familie\ndes Antragstellers abgestellt. Die Antragsgegnerin halt sich im Rahmen ihrer\nplanerischen Gestaltungsfreiheit, wenn sie den oben genannten verkehrlichen\nund gestalterischen Zielen den Vorrang vor diesem Nutzungsinteresse des\nAntragstellers gibt, zumal dieser nach den ortlichen Gegebenheiten keineswegs\ndarauf angewiesen ist, gerade das uberplante Grundstuck als Abstellflache zu\nnutzen. Schließlich war auch nicht die Festsetzung einer privaten Grunflache\nals milderes Mittel geboten. Denn eine solche Festsetzung ware mit Blick auf\ndie vom Antragsteller geltend gemachten Nutzungsinteressen nicht geeignet, die\nmit der Ausweisung einer Grunflache verfolgten gestalterischen Ziele zu\nerreichen. \n--- \n| 34 \n--- \n| cc) Die vom Antragsteller behauptete Unvertraglichkeit zwischen geplanter\nWohnnutzung und angrenzendem landwirtschaftlichem Betrieb liegt nicht vor.\nWahrend der Einnahme des Augenscheins konnte festgestellt werden, dass weder\nvon den Stallen an der Hauptstraße noch von der als Weide- und Auslaufflache\nfur Ziegen und Rinder genutzten Wiese des landwirtschaftlichen Anwesens\nGeruche ausgehen, welche die Bewohner des Plangebiets beeintrachtigen konnten.\nSelbst an der nachstgelegenen Ecke des Baufensters Nr. 3 und auch bei einem\nzum Zeitpunkt des Augenscheins aus Richtung des landwirtschaftlichen Anwesens\nwehenden Wind waren keine belastigenden Geruche wahrzunehmen; ohnehin muss in\nlandlichen Gegenden bei jedem Wohngebiet am Dorfrand mit Weidetieren auf den\nangrenzenden Außenbereichsflachen gerechnet werden (vgl. Senatsurt. v.\n31.7.2003 - 8 S 1255/02 -). Auch Gerausche des Geblases fur die Heubeluftung\nsind an der genannten Stelle nach dem Ergebnis einer Horprobe wahrend der\nEinnahme des Augenscheines nicht wahrnehmbar. Das Geblase am Maissilo wird\nnach Angaben der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebs nur an etwa zwei\nTagen im Jahr benotigt und lauft auch an diesen Tagen nur dann, wenn gerade\nMais angeliefert wird; eine nennenswerte Gerauschbelastigung ist daher\nauszuschließen. \n--- \n| 35 \n--- \n| dd) Die Abwagung kann schließlich auch im Hinblick auf die Belange des\nNatur- und Landschaftsschutzes nicht beanstandet werden (§§ 1 Abs. 6, 1a Abs.\n2 Nr. 2 BauGB a.F.). Ausweislich der Eingriffs-Ausgleichs-Bilanz und der\nStellungnahme der zustandigen Naturschutzbehorde wird der zu erwartende\nEingriff innerhalb des Plangebiets ausgeglichen (vgl. Bilanz sowie Schreiben\ndes Landratsamts Biberach v. 18.10.2001, Bl. 50 und 71 der Planakten).\nEntgegen der Auffassung des Antragstellers sind die Ausgleichsmaßnahmen auch\nim Bebauungsplan selbst verbindlich festgesetzt. Fehl geht die Ruge, bei der\nRealisierung des Bebauungsplans werde Wald abgeholzt, weil dieser keine\nentsprechenden Festsetzungen enthalt (vgl. auch Stellungnahme des\nBurgermeisters der Antragsgegnerin in der Sitzung am 24.2.2003, Bl. 149b\nRuckseite und Bl. 96ed der Planakten). \n--- \n| 36 \n--- \n| Nach allem ist der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO\nabzuweisen. \n--- \n| 37 \n--- \n| Grunde fur eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht\ngegeben. \n---\n\n
140,358
olgstut-2004-10-15-8-wf-10704
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
8 WF 107/04
2004-10-15
2019-01-07 15:12:05
2019-02-12 12:19:58
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Auf die sofortige Beschwerde des Klagers wird der Beschluss des\nRechtspflegers des Amtsgerichts - Familiengericht - Nagold vom 25.5.2004 dahin\n\n> > > abgeandert\n\ndass dem Klager die Zahlung von monatlichen Raten in Hohe von 30,-- EUR ab\n1.7.2004 auf die Prozesskosten auferlegt wird.\n\n2\\. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde des Klagers zuruckgewiesen.\n\n3\\. Der Klager tragt die Gerichtsgebuhr, die auf die Halfte ermaßigt wird.\nAußergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.\n\n4\\. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Dem Klager wurde antragsgemaß mit Beschluss des Amtsgerichts -\nFamiliengericht - Nagold vom 18.6.2002 und mit Beschluss des\nOberlandesgerichts Stuttgart vom 30.4.2003 Prozesskostenhilfe ohne\nRatenzahlung fur eine Klage auf Kindesunterhalt bewilligt. Von der Klage mit\numfasst waren Anspruche, die nach dem Unterhaltsvorschussgesetz auf das Land\nubergegangen und mit Abtretungsvertrag zwischen dem Land Baden-Wurttemberg und\ndem Klager vom 4.11.2001 auf den Klager ruckubertragen worden waren. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die wirtschaftlichen Verhaltnisse des Klagers haben sich seit der\nErstbewilligung von Prozesskostenhilfe insbesondere insoweit verandert, als er\nfur die bei ihm lebenden Kinder J. und T. Barunterhalt in Hohe von monatlich\njeweils 249,-- EUR von der Beklagten erhalt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Rechtspfleger beim Amtsgericht Nagold hat daraufhin die\nProzesskostenhilfe-Bewilligungsbeschlusse dahingehend abgeandert, dass der\nKlager ab dem 1.7.2004 monatliche Raten in Hohe von 60,-- EUR auf die\nProzesskosten zu zahlen hat. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Gegen diesen dem Klager am 28.5.2004 zugestellten Beschluss hat er mit\nSchreiben vom 21.6.2004, beim Amtsgericht Nagold am 22.6.2004 eingegangen,\nsofortige Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, die von ihm monatlich\ngezahlten vermogenswirksamen Leistungen seien als besondere Belastung vom\nGehalt abzuziehen. Weil er mit zwei Kindern allein zusammenlebe und allein fur\nderen Pflege und Erziehung sorge, sei als besondere Belastung ein Betrag in\nHohe von 40 % vom sozialrechtlichen Eckregelsatz abzuziehen. Das Kindergeld\ndurfe nicht als Einkommen berucksichtigt werden. Soweit er vom Land Baden-\nWurttemberg an ihn zuruck abgetretene Anspruche eingeklagt habe, sei\nProzesskostenhilfe offensichtlich nur aus prozessokonomischen Grunden fur den\ngesamten Streitwert bewilligt worden. Die anteiligen Kosten des Verfahrens\nmussten deshalb beim Landratsamt C. geltend gemacht werden. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die zulassige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde\nist teilweise begrundet. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| 1.) Zahlungen auf einen Vertrag zur vermogenswirksamen Anlage sind keine\nbesonderen Belastungen im Sinn des § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO (strittig; vgl. OLG\nStuttgart, Beschluss vom 17.6.2004, AZ: 18 WF 130/04; OLG Dresden OLGR 2002,\n551; a.A. Zoller-Philippi ZPO 24. Aufl., § 115 RN 12 m.w.N.). Zwar werden die\nvermogenswirksamen Anlagen in der Regel langfristig angelegt und stehen daher\nfur die Prozessfinanzierung nicht zur Verfugung; die Zahlungen auf den\nzugrunde liegenden Vertrag konnen jedoch in der Regel ohne weiteres ausgesetzt\nwerden, wenn der Rechtsstreit und die in diesem Zusammenhang gewahrte\nProzesskostenhilfe ansonsten nicht finanziert werden kann (OLG Dresden\na.a.O.). Allerdings entfallen bei einer Vertragsaussetzung die Zuschusse des\nArbeitgebers nach dem Vermogensbildungsgesetz, die laut der vorgelegten\nGehaltsabrechnung vom Januar 2004 fur den Klager 3,33 EUR betragen. Dieser\nBetrag ist deshalb vom Einkommen des Klagers abzuziehen, wenn die Sparbeitrage\ndes Klagers fur vermogenswirksame Anlagen im Übrigen beim Einkommen des\nKlagers berucksichtigt werden (vgl. auch OLG Stuttgart a.a.O.). Bei diesen\nSparleistungen handelt es sich deshalb um eine Vermogensbildung aus frei\nverfugbarem Eigeneinkommen. Dem steht nicht entgegen, dass der Klager\nbeabsichtigt, die ersparten Guthaben zur Schuldentilgung zu verwenden, wobei\ngegebenenfalls auch das Sparvermogen aus einem solchen Vertrag uber\nvermogenswirksame Leistungen zur Deckung zur Prozesskosten einzusetzen sein\nkann (vgl. OLG Koblenz FamRZ 2000, 1094; OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 858). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| 2.) Der Klager darf entgegen der Auffassung des Amtsgerichts als besondere\nBelastung im Sinn des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO 40 % des Eckregelsatzes\nnach § 22 BSHG (derzeit 297,-- EUR) als Mehrbedarf abziehen. Dieser Abzug\nberuht darauf, dass er zwei Kinder unter 16 Jahren allein erzieht und im\nHinblick darauf seinen Beruf als Polizeibeamter uberobligatorisch ausubt (vgl.\nOLG Stuttgart a.a.O.). Diese besondere Belastung ist nicht durch die\nBerucksichtigung in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart, AZ: 18\nWF 130/04, „verbraucht", sondern als fortbestehende besondere Belastung auch\nim vorliegenden Verfahren zu berucksichtigen. Soweit in diesem Beschluss\nausgefuhrt wird, der Mehrbedarfsbetrag durfe dem Begunstigten nur einmal\nzugute kommen, bezieht sich dies nicht auf andere Prozesskostenhilfeverfahren,\nsondern auf den Umstand, dass der Klager zwei Kinder unter 16 Jahren allein in\nseinem Haushalt betreut und nicht fur jedes Kind der Mehrbedarfsbetrag\nanzusetzen ist, sondern fur alle Kinder zusammen einmal der Mehrbedarfsbetrag\ngutzuschreiben ist. Das anzusetzende Einkommen des Klagers reduziert sich\ndamit um 118,80 EUR (40 % aus 297,-- EUR). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| 3.) Die Behandlung des an einen Elternteil ausgezahlten vollstandigen\nKindergelds ist in der Rechtsprechung umstritten. Teilweise wird vertreten, im\nRahmen der Prozesskostenhilfe sei Kindergeld immer vollstandig Einkommen,\nsoweit es an den Antragsteller ausbezahlt wird (vgl. z.B. OLG Munchen OLGR\n2004, 32; OLG Celle Beschluss vom 19.11.2002, AZ: 16 W 71/02; FamRZ 2004,\n1119). Teilweise wird vertreten, aufgrund der Zweckbestimmung des Kindergeldes\nsei dies nicht als Einkommen der Eltern zu berucksichtigen und verringere auch\nnicht als Einkommen des Kindes dessen Grundfreibetrag (vgl. OLG Koblenz FamRZ\n2004, 120). Nach der Auffassung des Senats ist die Halfte des vollstandigen,\nan den Klager ausgezahlten Kindergeldes im Rahmen der Prozesskostenhilfe\nseinem Einkommen hinzuzurechnen. Das Kindergeld steht nicht dem Kind selbst\nzu, sondern dient zur Minderung der Unterhaltslast seiner beiden Elternteile.\nWird das Kindergeld aber nur an einen von ihnen ausgezahlt, so muss sich das\nKind dies gemaß § 1612b Abs. 1 BGB auf seinen Barunterhaltsanspruch gegen den\nanderen Elternteil anrechnen lassen (vgl. Palandt-Dietrichsen BGB, 63. Aufl. §\n1612b RN 2). Über den im Innenverhaltnis auf den barunterhaltspflichtigen\nElternteil entfallenden Kindergeldanteil kann deshalb der Klager nicht frei\nverfugen, sondern muss diesen Anteil den Kindern zur Verfugung stellen, so\ndass dieser halftige Anteil kein Einkommen des Klagers ist (vgl. OLG Stuttgart\nFamRZ 2000, 1586; OLG Frankfurt OLGR 2003, 63). Ist aber der auf den\nbarunterhaltspflichtigen Elternteil entfallende Anteil des Kindergelds\nletztlich aufgrund der Vorschrift des § 1612b BGB Unterhalt des Kindes, so ist\ndieser Teil des Kindergeldes mit dem Freibetrag fur die Kinder zu verrechnen,\nsoweit dieser nicht durch die Unterhaltsleistungen des anderen Elternteils\naufgezehrt sind. Damit entfallt im vorliegenden Fall der vom Amtsgericht nach\nBerucksichtigung der Unterhaltsleistungen der Beklagten verbliebene\nUnterhaltsfreibetrag der Kinder in Hohe von insgesamt 8,-- EUR. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| 4.) Im Prozesskostenhilfeabanderungsverfahren kann dahingestellt bleiben,\nob bei einer Klage nach Ruckabtretung von ubergegangenen Unterhaltsanspruchen\ngemaß § 7 UVG Prozesskostenhilfe fur die gesamte Klage bewilligt werden kann\n(so OLG Stuttgart FamRZ 2002, 1044, 1045; OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 1508,\n1510). Hier hat der Klager auf eigenen Antrag fur die gesamte Klage\nProzesskostenhilfe beantragt und bewilligt erhalten. Die Frage, in welchem\nUmfang Prozesskostenhilfe fur eine Klage oder Rechtsverteidigung zu bewilligen\nwar, ist nicht mehr Gegenstand des Abanderungsverfahrens nach § 120 Abs. 4\nZPO. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Weil das Land Baden-Wurttemberg, vertreten durch das Landratsamt C., nicht\nBeteiligter des Prozesskostenhilfe-Abanderungsverfahrens ist, konnen ihm keine\nZahlungen auferlegt werden. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Allerdings hat der Klager einen materiellrechtlichen\nKostenerstattungsanspruch gegen das Land Baden-Wurttemberg aus § 7 Abs. 2 Satz\n3 UVG. Soweit er hierauf Zahlungen erhalt, handelt es sich um Einkunfte, die\nzur Deckung der Prozesskosten einzusetzen sind. Insoweit wird eine Änderung\nder Prozesskostenhilfebewilligung gemaß § 120 Abs. 4 ZPO bei Eingang\nentsprechender Zahlungen beim Klager zu prufen sein. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| 5.) Das einzusetzende Einkommen errechnet sich danach wie folgt: \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| \n--- \n| Monatliches Einkommen inklusive des halftigen Kindergeldes: \n--- \n| 1.424,12 EUR \n--- \n| ./. \n--- \n| Zuschuss zu VL \n--- \n| 3,33 EUR \n--- \n| | Unterkunft und Heizung \n--- \n| 497,10 EUR \n--- \n| | Unfall- und Rechtsschutzversicherung \n--- \n| 10,92 EUR \n--- \n| | Pflegeversicherung \n--- \n| 11,99 EUR \n--- \n| | Krankenversicherung \n--- \n| 22,93 EUR \n--- \n| | PKH-Rate im Verfahren F 164/01 \n--- \n| 75,00 EUR \n--- \n| | Unterhaltsfreibetrag des Klagers \n--- \n| 364,00 EUR \n--- \n| | Unterhaltsfreibetrag der Kinder \n--- \n| 0,00 EUR \n--- \n| | Freibetrag fur Erwerbstatige \n--- \n| 148,50 EUR \n--- \n| | besondere Belastung durch minderjahrige Kinder \n--- \n| 118,80 EUR \n--- \n| | Fahrtkosten zur Arbeitsstelle \n--- \n| 92,40 EUR \n--- \n| einzusetzendes Einkommen: \n--- \n| 79,15 EUR \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Klager hat danach monatliche Raten in Hohe von 30,-- EUR auf die\nProzesskosten zu zahlen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| 6.) Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, wobei die in Nr. 1956\nKV/GKG a.F. vorgesehene Festgebuhr aufgrund des teilweisen Erfolgs der\nBeschwerde auf die Halfte zu ermaßigen war. Gemaß § 127 Abs. 4 ZPO sind\naußergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Bezuglich der in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstrittenen Frage\nder Behandlung von vermogenswirksamen Anlagen und Kindergeld im Rahmen der\nProzesskostenhilfe ist die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen\nRechtsprechung gemaß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 ZPO\nzuzulassen. \n--- \n---\n\n
140,445
olgstut-2004-11-04-2-u-10804
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
2 U 108/04
2004-11-04
2019-01-07 15:15:47
2019-02-12 12:20:04
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Verfugungsklagerin wird das Urteil des Landgerichts\nHeilbronn vom 14.05.2004 - 21 O 48/04 KfH -\n\n> > > > > **abge andert:**\n\nDer Verfugungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfugung,\n\n> > bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise\n> Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle\n> wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die\n> Ordnungshaft an den Geschaftsfuhrern der Verfugungsbeklagten zu vollstrecken\n> ist,\n\n> > untersagt,\n\n> > im geschaftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes Haushaltsgerate mit\n> Produktausstattungsmerkmalen zu bewerben, uber welche die beworbenen Gerate\n> zum Zeitpunkt des Erscheinens der Werbung tatsachlich nicht verfugen.\n\nIm Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfugung unter\ngleichzeitiger Zuruckweisung der weitergehenden Berufung\n\n> > > > > **zur uckgewiesen.**\n\nDie Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander\naufgehoben.\n\nStreitwert des Berufungsverfahrens: 50.000,-- EUR.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| **I.** \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Verfugungsbeklagte hat am 04.03.2004 in einer Beilage der Zeitung "H"\nfur ein Mikrowellengerat des Herstellers S geworben. Dabei hat sie als\nProduktausstattungsmerkmal u. a. eine Mikrowellenleistung von 900 Watt\nangegeben; tatsachlich verfugt die beworbene Mikrowelle jedoch uber eine\nMikrowellenleistung von lediglich 800 Watt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Des Weiteren hat die Verfugungsbeklagte am 10.03.2004 in der Zeitung „E" in\neiner Beilage einen DVD-Player vom Typ G des Herstellers G beworben, u. a. mit\ndem Produktausstattungsmerkmal „integrierter AC-3 Decoder". \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Verfugungsklagerin sieht hierin eine irrefuhrende Werbung, da der DVD-\nPlayer zur Wiedergabe von Mehrkanalton ein Zusatzgerat benotige und daher\nnicht uber die Funktion eines integrierten AC-3 Decoders verfuge. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Verfugungsklagerin hat beantragt, \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| der Verfugungsbeklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu\nuntersagen, im geschaftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Gerate der\nUnterhaltungselektronik - und/oder - Haushaltsgerate mit\nProduktausstattungsmerkmalen zu bewerben, uber welche die beworbenen Gerate\nzum Zeitpunkt des Erscheinens der Werbung tatsachlich nicht verfugen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Außerdem hat die Verfugungsklagerin einen Hilfsantrag gestellt mit dem\nZusatz „insbesondere wenn dies geschieht, wie in der Werbung der\nAntragsgegnerin am 04.03.2004 in der „H" und am 10.03.2004 in der Zeitung „E". \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Verfugungsbeklagte ist den Antragen entgegengetreten. Sie ist der\nAuffassung, dass die Antragsfassung, soweit diese sich auf Haushaltsgerate\nbeziehe, die konkrete Verletzungsform verfehle und eine unzulassige\nVerallgemeinerung darstelle. Hinsichtlich der Werbung fur den\nstreitgegenstandlichen DVD-Player macht die Verfugungsbeklagte geltend, dass\ndieser in der Lage sei, eine im 5-Kanalsystem aufgenommene DVD auf ein\n2-Kanalsystem umzuwandeln, mithin uber einen AC-3 Decoder verfuge. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Das Landgericht hat mit Urteil vom 14.05.2004 den Antrag auf Erlass einer\neinstweiligen Verfugung zuruckgewiesen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Soweit der Unterlassungsantrag sich auf Haushaltsgerate bezieht, hat das\nLandgericht den Antrag zuruckgewiesen, da in dem Antrag das Charakteristische\nder konkreten Verletzungshandlung nicht zum Ausdruck komme. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Hinsichtlich des streitgegenstandlichen DVD-Players ist das Landgericht\naufgrund der Vernehmung des Zeugen A und der Produktbeschreibung zu der\nAuffassung gelangt, dass der streitgegenstandliche DVD-Player uber einen\nintegrierten AC-3 Digital-Decoder verfuge, womit die Funktion gemeint sei,\ndigitale Signale in analoge Signale umzuwandeln. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfugungsklagerin, mit der geltend\ngemacht wird, dass die Werbung mit nicht vorhandenen\nProduktausstattungsmerkmalen fur eine Mikrowelle die Gefahr gleichartiger\nVerstoße fur Haushaltsgerate begrunde, mithin keine unzulassige\nVerallgemeinerung vorliege. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Entgegen der Auffassung des Landgerichts gehe der Verkehr bei der Werbung\neines DVD-Players mit integriertem AC-3 Digital-Decoder davon aus, dass dieser\nin der Lage sei, die Dolby-Digital-Signale in sechs separate analoge Signale\numzuwandeln. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Verfugungsklagerin wiederholt die in der 1. Instanz gestellten Antrage. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Verfugungsbeklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Sie halt das angegriffene Urteil fur richtig und macht geltend, dass die\nAufgabe eines AC-3 Decoders darin bestehe, den in einem 5-Kanalsystem\naufgenommen Ton in ein 2-Kanalsystem umzuwandeln, was das beworbene Gerat ohne\nweiteres leiste. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| **II.** \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Berufung der Verfugungsklagerin ist zulassig und insoweit begrundet,\nals die Untersagung der Werbung fur Haushaltsgerate mit nicht zutreffenden\nProduktionsausstattungsmerkmalen begehrt wird. \n--- \n--- \n1. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Hinsichtlich der beworbenen Mikrowelle ist zwischen den Parteien\nunstreitig, dass in der Werbung eine zu hohe Wattzahl angegeben wurde und\ninsoweit ein Verstoß gegen § 5 i.V.m. § 3 UWG n. F. vorliegt. Außer Streit ist\nauch, dass die Werbung mit einer zu hohen Leistung die fur einen\nUnterlassungsanspruch notwendige wettbewerbsrechtliche Relevanz aufweist. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Mit der Verfugungsklagerin ist davon auszugehen, dass die Erstreckung des\nUnterlassungsantrages auf Haushaltsgerate keine unzulassige Verallgemeinerung\ndarstellt und auch im Hinblick auf die Bestimmtheit des Unterlassungsantrags\nnicht zu beanstanden ist. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Unter dem Gesichtspunkt der ausreichenden Schutzgewahrung durch\nUnterlassungstitel sind Verallgemeinerungen im Klagantrag zulassig, wenn damit\nder Kern, das Charakteristische der konkreten Verletzungshandlung, richtig\nerfasst wird (BGH GRUR 1989, 609, 611 - Fotoapparate; BGH GRUR 1991, 254, 257\n- unbestimmter Unterlassungsantrag I; BGH GRUR 1996, 800, 802 - EDV-Gerate). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Dem liegt die Erwagung zugrunde, dass eine in bestimmter Form begangene\nVerletzungshandlung nicht nur die Wiederholung der genau identischen\nVerletzungshandlung vermuten lasst, sondern auch eine Vermutung fur die\nBegehung zwar leicht abgewandelter, aber in ihrem Kern gleicher Handlungen\nbegrundet (vgl. BGH GRUR 1999, 509, 511 - Vorratslucken; BGH GRUR 2000, 202,\n187, 188 - Lieferstorung). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Maßgebend ist daher, ob die Werbung fur eine Mikrowelle mit falschen\nProduktangaben die Gefahr begrundet, dass andere Haushaltsgerate ebenfalls mit\nfalschen Produktmerkmalen beworben werden. Dies wiederum ist davon abhangig,\nob die konkrete Verletzungshandlung Eigenarten oder Besonderheiten aufweist,\ndie bei anderen Geraten der Warengruppe nicht gegeben sind. Bestehen keine\nsolchen Abweichungen, folgt aus der konkreten Verletzungshandlung die\nVermutung fur die zukunftige Begehung gleichartiger Verstoße. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Bei einer Mikrowelle handelt es sich um ein Haushaltsgerat, bei dem in der\nWerbung die fur den Verbraucher wesentlichen technischen Daten, wie die\nWattzahl, mitgeteilt werden. Insoweit unterscheidet sich die Werbung fur eine\nMikrowelle nicht von der Werbung fur Waschmaschinen, bei denen ebenso\nleistungsbeschreibende Merkmale wie z. B. die Umdrehungszahl und der\nWasserverbrauch angegeben werden. Entsprechendes gilt fur Kuhlschranke und\nandere zu der Gruppe der „Weißen Ware" gehorende Haushaltsgerate. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Verfugungsbeklagten kann aus der Entscheidung\ndes Bundesgerichtshofs (GRUR 2003, 446, 447 - Preisempfehlung fur\nSondermodelle), wonach auch Waschmaschinen und Kuhlautomaten von der\nWarengruppe „Haushaltsgerate" erfasst werden, kann nicht abgeleitet werden,\ndass die Warengruppe „Haushaltsgerate" ausschließlich auf Gerate der sog.\n„Weißen Ware" zu beschranken ist. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Ebenso wie eine Verallgemeinerung unter Verwendung der Bezeichnung „Gerate\nfur Unterhaltungselektronik" fur zulassig gehalten wurde (vgl. BGH GRUR 2000,\n907,909 - Filialleiterfehler), ist vorliegend die Erweiterung des Antrags auf\n„Haushaltsgerate" nicht zu beanstanden. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Demnach ist die Berufung insoweit begrundet, als der Unterlassungsanspruch\nsich auf Haushaltsgerate bezieht. \n--- \n--- \n2. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Ohne Erfolg bleibt die Berufung in Bezug auf die Bewerbung von Geraten der\nUnterhaltungselektronik mit unzutreffenden Produktausstattungsmerkmalen. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Voraussetzung fur einen Irrefuhrung i.S.v. § 5 UWG ist, dass der Verkehr\nmit dem Ausstattungsmerkmal „ integrierter AC-3 Decoder" eine Funktion\nverbindet, uber die der beworbenen DVD-Player nicht verfugt. Dies lasst sich\nvorliegend nicht feststellen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Verfugungsklagerin hat den durch den Zeugen A bestatigten Vortrag der\nVerfugungsbeklagten, wonach ein AC-3 Decoder lediglich die Funktion habe, die\nauf einer DVD gespeicherten Daten so umzuwandeln, dass sie mit einem\nangeschlossenen Fernsehgerat wiedergegeben werden konnen, nicht widerlegt. Ihr\ngegenteiliger Vortrag, der Verkehr verstehe die Werbung fur einen DVD-Player\nmit dem Ausstattungsmerkmal „integrierter AC-3 Decoder" dahingehend, dass an\ndieses Gerat - ohne Zwischengerate - sechs Lautsprecher angeschlossen werden\nkonnen, ist nicht glaubhaft gemacht und kann daher der Entscheidung nicht\nzugrunde gelegt werden. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Damit fehlt es an der Glaubhaftmachung des fur den Erlass einer\neinstweiligen Verfugung notwendigen Verfugungsanspruchs. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 ZPO. \n--- \n---\n\n
140,482
ag-goppingen-2004-11-12-2-c-196902
44
Amtsgericht Göppingen
ag-goppingen
Göppingen
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
2 C 1969/02
2004-11-12
2019-01-07 15:16:04
2019-01-17 12:00:39
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin 3.299,92 Euro nebst Zinsen\nin Hohe von 5 % uber dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 9. September\n2002 zu bezahlen.\n\n2\\. Der Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n3\\. Das Urteil ist fur die Klagerin gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 120\n% des zu vollstreckenden Betrages vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten um Anspruche der Klagerin als KfZ-\nHaftpflichtversicherung eines Unfallverursachers gegen den Beklagten als von\nder Geschadigten eines Verkehrsunfalls beauftragten KfZ-Sachverstandigen auf\nSchadensersatz aus Werkvertrag mit Schutzwirkung fur Dritte. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Am 8. Februar 2002 wurde bei einem Verkehrsunfall in B das Fahrzeug der\n..., ein Mercedes Benz E 230 Avantgarde mit dem amtlichen Kennzeichen ...,\nbeschadigt Die Klagerin war als Kraftfahrthaftpflichtversicherung des\nUnfallverursachers ... zum Ersatz des an diesem Fahrzeug entstandenen Schadens\nverpflichtet. Im Rahmen der Schadensregulierung beauftragte die Geschadigte\nden Beklagten, der in Eislingen als freier KfZ-Sachverstandiger tatig ist, mit\nder Erstellung eines Gutachtens zur Schadenshohe. In seinem Gutachten vom 09.\nJanuar 2002 bezifferte der Beklagte den Restwert des beschadigten Fahrzeugs\nauf 3.500,00 Euro. Fur die Erstellung des Gutachtens stellte er der\nGeschadigten ... 1.033,26 Euro in Rechnung. Diese gab das Fahrzeug bereits am\nTag nach der Erstellung des Gutachtens unter Zugrundelegung des von dem\nBeklagten festgelegten Restwerts bei der Mercedes Benz Niederlassung M in\nDonzdorf in Zahlung. Die Klagerin entschadigte ... auf der Grundlage des\nRestwertgebotes des Beklagten und bezahlte auch die Gutachterkosten. Mit\nSchreiben vom 09.09.2002 lehnte der Beklagte die von der Klagerin begehrte\nRegresszahlung wegen Pflichtverletzung eines Werkvertrages mit Schutzwirkung\nzugunsten Dritter ab. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin ist der Ansicht, \n--- \n| 4 \n--- \n| der Beklagte habe den Restwert des verunfallten Fahrzeugs sorgfaltswidrig\ndeutlich unterhalb des ublichen Marktwertes geschatzt. Auf dem ortlichen Markt\nsei ein durchschnittlicher Restwert in Hohe von 5.766,66 Euro fur das\nbeschadigte Fahrzeug zu erzielen gewesen. Sie habe Anspruch auf die Differenz\nzwischen diesem und dem beklagtenseits geschatzten Restwert in Hohe von\n3.500,00 Euro, insgesamt 2.266,66 Euro, sowie auf die Erstattung des fur die\nErstellung des Sachverstandigengutachtens gezahlten Betrages in Hohe von\n1.033,26 Euro. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| den Beklagten zu verurteilen, an die Klagerin 3.299,92 Euro nebst 5 %\nZinsen uber dem Basiszinssatz hieraus seit 9. September 2002 zu bezahlen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Beklagte ist der Ansicht, \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| ihm sei keine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Er tragt vor, er habe bei der\nFirma ..., der Firma ... und der ... drei Angebote zur Hohe des Restwertes\neingeholt. Von der Firma ... und der Firma ... habe er Angebote uber 3.500,00\nEuro, von der Firma S ein Angebot uber 3.000,00 Euro erhalten. Alle diese\nAngebote habe er telefonisch am 9. Januar 2002 abgerufen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsatze\nsowie die Protokolle der mundlichen Verhandlungen vom 11. April 2003 und vom\n22. Oktober 2004 Bezug genommen. In der mundlichen Verhandlung vom 22. Oktober\n2004 erlauterte der Sachverstandige Dipl.-Ing. (FH) ... sein schriftliches\nGutachten vom 11. Oktober 2004. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klagerin hat Anspruch auf den geltend gemachten Schadensersatz in Hohe\nvon 2.266,66 Euro als Differenz zwischen dem von dem Beklagten festgesetzten\nRestwert von 3.500 Euro und dem von ihr selbst am regionalen Markt in der Zeit\nvom 22. Mai bis zum 17. September 2002 ermittelten Durchschnittswert von\n5.766,67 Euro aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit dem zwischen der\nGeschadigten ... und dem Beklagten geschlossenen Werkvertrag uber die\nErstattung eines schriftlichen Sachverstandigengutachtens mit Schutzwirkung\nfur Dritte. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| 1\\. Die Klagerin war als regulierungspflichtige Versicherung in den\nzwischen der Geschadigten und dem Beklagten geschlossenen Gutachtervertrag,\neinem Werkvertrag gemaß § 631 ff. BGB, einbezogen. Das Gutachten zur\nSchadenshohe nach einem Verkehrsunfall war gerade zum Zwecke der\nSchadensregulierung gegenuber der eintrittspflichtigen Versicherung zu\nerstellen. Der Beklagte wusste bei Annahme des Gutachtensauftrags, dass die\nGeschadigte das Gutachten als Grundlage der Schadensregulierung gegenuber der\ngegnerischen Versicherung zu verwenden beabsichtigte und dass die Hohe der von\nder gegnerischen Versicherung, hier der Klagerin, zu regulierenden Betrage von\ndem Ergebnis seines Gutachtens abhangt. Der Vertrag uber die Erstellung des\nGutachtens entfaltete Schutzwirkung zu Gunsten der Klagerin als regulierende\ngegnerische Versicherung. Diese war auch schutzbedurftig, denn ihr standen\nweder eigene vertragliche Anspruche gegen die Auftraggeberin des Gutachtens\nnoch gegen den Beklagten zu. Als schadensregulierende Versicherung war sie,\nwie der Beklagte wusste, zum Ersatz der der Geschadigten zustehenden Anspruche\nnur in der Lage, wenn der Beklagte fur die Richtigkeit der im Gutachten\nerstellten Angaben auch der gegnerischen Versicherung gegenuber einzustehen\nvermochte. \n--- \n| 15 \n--- \n| 2\\. Den Beklagten traf daher auch gegenuber der Klagerin die Pflicht zur\nsorgfaltigen Erstattung des Gutachtens bei zutreffender Ermittlung der hierzu\nerforderlichen Anknupfungstatsachen. Diese ihm obliegende Schutz- und\nVorsorgepflicht hat der Beklagte zurechenbar schuldhaft im Sinne des § 276 BGB\nverletzt. Seine Pflichtverletzung besteht darin, dass er unter\nAußerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt unreflektiert die\nunangemessen niedrigen Werte der Autoaufkaufer ubernahm und nicht der\nMarktlage entsprechend die fur das geschadigte Fahrzeug unmittelbar nach\nSchadenseintritt am Markt zu erzielenden Restwerte ermittelte. Er handelte\nfahrlassig im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB. Nach Abschluss der Beweisaufnahme\nist das Gericht der Überzeugung, dass entgegen den Festsetzungen im Gutachten\ndes Beklagten der Restwert des Pkw Mercedes Benz E 230 Avantgarde mit dem\namtlichen Kennzeichen ... mindestens 5.766,66 Euro betrug und auch zu diesem\nPreis hatte verkauft werden konnen. \n--- \n| 16 \n--- \n| a. Der Sachverstandige ..., DEKRA Ulm, hat in seinem Gutachten vom 11. Marz\n2004, welches in der mundlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2004 erortert\nwurde, fur das Gericht glaubhaft und sachkundig Angaben zu dem fur das\nFahrzeug zu erzielenden Restwert gemacht. Im Unterschied zu dem Beklagten hat\ner die seinem Gutachten zugrunde gelegten Restwerte dergestalt ermittelt, dass\ner insgesamt 5 Unternehmen unter Vorlage der Lichtbilder des geschadigten\nFahrzeugs aufsuchte und zunachst den Anschein erweckte, dass dieses Fahrzeug\nauch tatsachlich zu erwerben sei. Auf diese Weise erhielt er am 26., 27. und\n28. Februar 2004 die fur das Fahrzeug im Februar 2004 gebotenen Restwerte.\nAnschließend ließ er die Handler Angebote fur einen Erwerb des Fahrzeugs im\nJanuar 2002 abgeben. Auf diese Weise erhielt er einen Durchschnittswert fur\nein Angebot fur Januar 2002 in Hohe von 6.640,00 Euro inklusive\nMehrwertsteuer. Der Beklagte, der seine Angebote telefonisch eingeholt hatte,\nhatte dagegen in seinem Gutachten lediglich einen Restwert von 3.500,00 Euro\nzugrunde gelegt. Auf der Grundlage seiner telefonischen Anfragen war es den\nbietenden Unternehmen schon nicht moglich, sich ein so umfassendes Bild von\nden am Fahrzeug bestehenden Schaden zu machen, wie dies zur Abgabe eines\nrealistischen Angebotes erforderlich gewesen ware. Dies hatte der Beklagte als\nSachverstandiger mit langjahriger Erfahrung erkennen mussen. \n--- \n| 17 \n--- \n| b. Die Differenz der von dem Sachverstandigen ... ermittelten Angebote mit\neinem Mittelwert zwischen 6.640,00 Euro, welcher sich aus Angeboten einer\nSpanne zwischen 6.200,00 Euro und 7.000,00 Euro errechnet und dem\nRestwertangebot des Beklagten ist so groß, dass sie sich nur mit einem\nAußerachtlassen der von einem Sachverstandigen bei der Schadensfestsetzung\naufzubringenden erforderlichen Sorgfalt erklaren lasst. Sie liegt außerhalb\neines moglichen Bewertungsspielraums des Sachverstandigen. Als Kontrollwerte\nhat der gerichtlich bestellte Sachverstandige L zusatzlich Restwertangebote\nfur das beschadigte Fahrzeug uber das Internet und die dort lediglich dem\ngewerblichen Fahrzeughandel und KfZ-Sachverstandigen zugangliche Internetborse\nCarTV unter dem Stichtag des 18. Januar 2002 sowie uberregionale Angebote\nermittelt. Auf diese Weise erhielt er bei 8 Angeboten einen durchschnittlichen\nRestwert von 6.528,00 Euro. Selbst die mit einer zeitlichen Verschiebung von\nmehr als 2 Jahren zu Stichtagen zwischen dem 26. und dem 28. Februar 2004\neingeholten Restwertangebote ergaben einen durchschnittlichen Restwert von\n4.400,00 Euro inklusive Mehrwertsteuer und lagen trotz der zwischenzeitlichen\nVeranderungen der Restwerte am Markt deutlich uber dem vom Beklagten\nermittelten Restwert. Auf Frage zu der Spanne moglicher Differenzen zwischen\nam Markt zu erhaltenden ublichen Restwertangeboten fuhrte der Sachverstandige\n... in der mundlichen Verhandlung vom 15.10.2004 aus, dass Differenzen\nzwischen den Angeboten in Hohe von 1.000,00 Euro oder mehr immer moglich\nseien. Vorliegend handelt es sich jedoch um weit hohere Spannen zwischen dem\nvon dem Beklagten angeblich ermittelten Hochstgebot von 3.500,00 Euro und dem\nvon dem Sachverstandigen ... ermittelten niedrigsten Gebot von 6.200,00 Euro.\nAuf Frage, wie er sich als uber lange Zeit auf diesem Fachgebiet tatiger\nSachverstandiger erklaren konne, dass dem Beklagten gegenuber derart niedrige\nRestwertangebote abgegeben worden seien, hat der Sachverstandige zur\nÜberzeugung des Gerichts ausgefuhrt, dass in fruheren Jahren einzelne Handler\nbei telefonischer Auskunft zunachst moglichst geringe Restwertangebote\nabgegeben hatte, um an die Fahrzeuge zu gelangen. Habe man ihnen sodann jedoch\nhohere Vergleichsangebote genannt, seien sie auch bereit gewesen, hohere\nBetrage zu bezahlen. Wie er deutlich machte, sind Restwerte letztlich keine\nrechnerisch ermittelten Werte, sondern Handelsobjekte und damit Marktpreise.\nEinem erfahrenen Sachverstandigen in der Position des Beklagten hatte\nauffallen mussen, dass die ihm genannten Restwerte deutlich aus dem Rahmen der\nfur die Region ortsublichen Restwerte am Markt fielen. Er hatte den befragten\nBietern angesichts dieser gebotenen Zweifel zumindest Lichtbilder des\nbeschadigten Fahrzeugs zur Abgabe ihrer Angebote zur Verfugung stellen mussen.\nIn Anbetracht der ihm gebotenen, niedrigeren Zahlungen fur den beschadigten\nPkw hatte er im konkreten Fall zudem Kontrollangebote einholen mussen. Dies\nware beispielsweise uber die schon damals im Internet zur Verfugung stehenden\nRestwertborsen moglich gewesen. Den Sachverstandigen traf die Verpflichtung,\nsich in Zweifelsfallen wie diesem umfassend zu informieren und alle ihm zur\nVerfugung stehenden Erkenntnismoglichkeiten auszuschopfen. Dies ist unabhangig\nvon der Frage, ob zu dieser Zeit von einem pflichtgemaß arbeitenden\nSachverstandigen in jeden Fall zu erwarten war, dass er uber einen\nInternetanschluss verfugt und jedes der erhaltenen Angebote mit Angeboten aus\neiner Internetborse am uberregionalen Markt abgleicht. Diese Frage kann im\nvorliegenden Fall dahinstehen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| 3\\. Die Klagerin macht mit ihrer Klage lediglich die Differenz zwischen dem\nvon dem Beklagten festgesetzten Restwert und den von ihr selbst am regionalen\nMarkt in der Zeit vom 22. Mai bis zum 17. September 2002 ermittelten\nRestwerten bei einem Durchschnittswert von 5.766,67 Euro als Schaden im Sinne\nder §§ 249 ff. BGB geltend. Sie hat Anspruch auf Ersatz eines Betrages von\n2.266,66 Euro. \n--- \n| 19 \n--- \n| a. Die Pflichtverletzung des Beklagten war kausal fur die Entstehung eines\nSchadens in dieser Hohe. Auf Grund der fehlerhaften Schatzung des Beklagten\nregulierte die Klagerin gegenuber der Geschadigten den Unfallschaden unter\nZugrundelegung des von dem Beklagten ermittelten Restwertes. Da der\ntatsachliche Restwert jedoch mindestens um 2.266,66 Euro hoher lag, hatte die\nKlagerin ausgehend vom wirklichen Wert mindestens diesen Betrag an die\nGeschadigte weniger zahlen mussen. \n--- \n| 20 \n--- \n| b. Ein Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB muss sich die Klagerin nicht\nzurechnen lassen. Nachdem die Beklagte das Fahrzeug bereits am 10. Januar 2002\nunter Zugrundelegung des von dem Beklagten ermittelten Restwerts an die\nMercedes Benz Niederlassung M in Donzdorf veraußerte, verblieb der Klagerin\nkeine Zeit, zu dem von dem Beklagten ermittelten Restwert Alternativangebote\neinzuholen und die Veraußerung unter Zugrundelegung des zu niedrig angesetzten\nRestwertes zu verhindern. Ein Auswahlverschulden bei der Auswahl des Beklagten\nals Sachverstandigen oder ein kollusives Zusammenwirken mit diesem konnte der\nGeschadigten zudem nicht vorgeworfen werden. \n--- \n| 21 \n--- \n| c. Der Verkauf des Fahrzeugs zum geringen Restwert wurde gerade durch das\nfehlerhafte Gutachten des Beklagten verursacht. Im Vertrag zur Inzahlunggabe\ndes beschadigten Pkw vom 10. Januar 2002 wird ausdrucklich auf das Gutachten\ndes Beklagten vom Vortag Bezug genommen. Dass die Versicherung schließlich der\nGeschadigten den Schaden unter Zugrundelegung des fehlerhaften Gutachtens\nerrechneten Schadens regulierte, hat der Beklagte geradezu herausgefordert.\nDies stellte keine ungewohnliche Reaktion der Klagerin dar. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klagerin hat Anspruch auf Ersatz weiterer 1.033,26 Euro in Hohe der von\ndem Beklagten fur sein Gutachten vom 09.01.2002 in Rechnung gestellten Kosten\naus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem zwischen der Geschadigten ... und\ndem Beklagten geschlossenen Werkvertrag uber die Erstattung eines\nschriftlichen Sachverstandigengutachtens mit Schutzwirkung fur Dritte. \n--- \n| 23 \n--- \n| Durch die schuldhaft fehlerhafte Festsetzung des Restwertes zur\nSchadensregulierung ist das Gutachten fur die Geschadigte und die Klagerin\nunbrauchbar und damit wertlos geworden. Die Klagerin hat diese Gutachterkosten\nder Geschadigten ersetzt. Angesichts der Hohe der mit 17.061,25 Euro\nermittelten erforderlichen Reparaturkosten und einem Wiederbeschaffungswert in\nHohe von 17.500,00 Euro war die Einholung eines Sachverstandigengutachtens zur\nSchadensermittlung auch geboten, das Gutachten war zur zweckentsprechenden\nRechtsverfolgung erforderlich. Die hierzu entstehenden Kosten waren daher gem.\n§§ 249 ff. BGB ersatzfahig. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 S. 1, 2 BGB. \n--- \n--- \n**IV.** \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Entscheidung zur vorlaufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709\nSatz 1, Satz 2 ZPO. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klagerin hat Anspruch auf den geltend gemachten Schadensersatz in Hohe\nvon 2.266,66 Euro als Differenz zwischen dem von dem Beklagten festgesetzten\nRestwert von 3.500 Euro und dem von ihr selbst am regionalen Markt in der Zeit\nvom 22. Mai bis zum 17. September 2002 ermittelten Durchschnittswert von\n5.766,67 Euro aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit dem zwischen der\nGeschadigten ... und dem Beklagten geschlossenen Werkvertrag uber die\nErstattung eines schriftlichen Sachverstandigengutachtens mit Schutzwirkung\nfur Dritte. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| 1\\. Die Klagerin war als regulierungspflichtige Versicherung in den\nzwischen der Geschadigten und dem Beklagten geschlossenen Gutachtervertrag,\neinem Werkvertrag gemaß § 631 ff. BGB, einbezogen. Das Gutachten zur\nSchadenshohe nach einem Verkehrsunfall war gerade zum Zwecke der\nSchadensregulierung gegenuber der eintrittspflichtigen Versicherung zu\nerstellen. Der Beklagte wusste bei Annahme des Gutachtensauftrags, dass die\nGeschadigte das Gutachten als Grundlage der Schadensregulierung gegenuber der\ngegnerischen Versicherung zu verwenden beabsichtigte und dass die Hohe der von\nder gegnerischen Versicherung, hier der Klagerin, zu regulierenden Betrage von\ndem Ergebnis seines Gutachtens abhangt. Der Vertrag uber die Erstellung des\nGutachtens entfaltete Schutzwirkung zu Gunsten der Klagerin als regulierende\ngegnerische Versicherung. Diese war auch schutzbedurftig, denn ihr standen\nweder eigene vertragliche Anspruche gegen die Auftraggeberin des Gutachtens\nnoch gegen den Beklagten zu. Als schadensregulierende Versicherung war sie,\nwie der Beklagte wusste, zum Ersatz der der Geschadigten zustehenden Anspruche\nnur in der Lage, wenn der Beklagte fur die Richtigkeit der im Gutachten\nerstellten Angaben auch der gegnerischen Versicherung gegenuber einzustehen\nvermochte. \n--- \n| 15 \n--- \n| 2\\. Den Beklagten traf daher auch gegenuber der Klagerin die Pflicht zur\nsorgfaltigen Erstattung des Gutachtens bei zutreffender Ermittlung der hierzu\nerforderlichen Anknupfungstatsachen. Diese ihm obliegende Schutz- und\nVorsorgepflicht hat der Beklagte zurechenbar schuldhaft im Sinne des § 276 BGB\nverletzt. Seine Pflichtverletzung besteht darin, dass er unter\nAußerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt unreflektiert die\nunangemessen niedrigen Werte der Autoaufkaufer ubernahm und nicht der\nMarktlage entsprechend die fur das geschadigte Fahrzeug unmittelbar nach\nSchadenseintritt am Markt zu erzielenden Restwerte ermittelte. Er handelte\nfahrlassig im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB. Nach Abschluss der Beweisaufnahme\nist das Gericht der Überzeugung, dass entgegen den Festsetzungen im Gutachten\ndes Beklagten der Restwert des Pkw Mercedes Benz E 230 Avantgarde mit dem\namtlichen Kennzeichen ... mindestens 5.766,66 Euro betrug und auch zu diesem\nPreis hatte verkauft werden konnen. \n--- \n| 16 \n--- \n| a. Der Sachverstandige ..., DEKRA Ulm, hat in seinem Gutachten vom 11. Marz\n2004, welches in der mundlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2004 erortert\nwurde, fur das Gericht glaubhaft und sachkundig Angaben zu dem fur das\nFahrzeug zu erzielenden Restwert gemacht. Im Unterschied zu dem Beklagten hat\ner die seinem Gutachten zugrunde gelegten Restwerte dergestalt ermittelt, dass\ner insgesamt 5 Unternehmen unter Vorlage der Lichtbilder des geschadigten\nFahrzeugs aufsuchte und zunachst den Anschein erweckte, dass dieses Fahrzeug\nauch tatsachlich zu erwerben sei. Auf diese Weise erhielt er am 26., 27. und\n28. Februar 2004 die fur das Fahrzeug im Februar 2004 gebotenen Restwerte.\nAnschließend ließ er die Handler Angebote fur einen Erwerb des Fahrzeugs im\nJanuar 2002 abgeben. Auf diese Weise erhielt er einen Durchschnittswert fur\nein Angebot fur Januar 2002 in Hohe von 6.640,00 Euro inklusive\nMehrwertsteuer. Der Beklagte, der seine Angebote telefonisch eingeholt hatte,\nhatte dagegen in seinem Gutachten lediglich einen Restwert von 3.500,00 Euro\nzugrunde gelegt. Auf der Grundlage seiner telefonischen Anfragen war es den\nbietenden Unternehmen schon nicht moglich, sich ein so umfassendes Bild von\nden am Fahrzeug bestehenden Schaden zu machen, wie dies zur Abgabe eines\nrealistischen Angebotes erforderlich gewesen ware. Dies hatte der Beklagte als\nSachverstandiger mit langjahriger Erfahrung erkennen mussen. \n--- \n| 17 \n--- \n| b. Die Differenz der von dem Sachverstandigen ... ermittelten Angebote mit\neinem Mittelwert zwischen 6.640,00 Euro, welcher sich aus Angeboten einer\nSpanne zwischen 6.200,00 Euro und 7.000,00 Euro errechnet und dem\nRestwertangebot des Beklagten ist so groß, dass sie sich nur mit einem\nAußerachtlassen der von einem Sachverstandigen bei der Schadensfestsetzung\naufzubringenden erforderlichen Sorgfalt erklaren lasst. Sie liegt außerhalb\neines moglichen Bewertungsspielraums des Sachverstandigen. Als Kontrollwerte\nhat der gerichtlich bestellte Sachverstandige L zusatzlich Restwertangebote\nfur das beschadigte Fahrzeug uber das Internet und die dort lediglich dem\ngewerblichen Fahrzeughandel und KfZ-Sachverstandigen zugangliche Internetborse\nCarTV unter dem Stichtag des 18. Januar 2002 sowie uberregionale Angebote\nermittelt. Auf diese Weise erhielt er bei 8 Angeboten einen durchschnittlichen\nRestwert von 6.528,00 Euro. Selbst die mit einer zeitlichen Verschiebung von\nmehr als 2 Jahren zu Stichtagen zwischen dem 26. und dem 28. Februar 2004\neingeholten Restwertangebote ergaben einen durchschnittlichen Restwert von\n4.400,00 Euro inklusive Mehrwertsteuer und lagen trotz der zwischenzeitlichen\nVeranderungen der Restwerte am Markt deutlich uber dem vom Beklagten\nermittelten Restwert. Auf Frage zu der Spanne moglicher Differenzen zwischen\nam Markt zu erhaltenden ublichen Restwertangeboten fuhrte der Sachverstandige\n... in der mundlichen Verhandlung vom 15.10.2004 aus, dass Differenzen\nzwischen den Angeboten in Hohe von 1.000,00 Euro oder mehr immer moglich\nseien. Vorliegend handelt es sich jedoch um weit hohere Spannen zwischen dem\nvon dem Beklagten angeblich ermittelten Hochstgebot von 3.500,00 Euro und dem\nvon dem Sachverstandigen ... ermittelten niedrigsten Gebot von 6.200,00 Euro.\nAuf Frage, wie er sich als uber lange Zeit auf diesem Fachgebiet tatiger\nSachverstandiger erklaren konne, dass dem Beklagten gegenuber derart niedrige\nRestwertangebote abgegeben worden seien, hat der Sachverstandige zur\nÜberzeugung des Gerichts ausgefuhrt, dass in fruheren Jahren einzelne Handler\nbei telefonischer Auskunft zunachst moglichst geringe Restwertangebote\nabgegeben hatte, um an die Fahrzeuge zu gelangen. Habe man ihnen sodann jedoch\nhohere Vergleichsangebote genannt, seien sie auch bereit gewesen, hohere\nBetrage zu bezahlen. Wie er deutlich machte, sind Restwerte letztlich keine\nrechnerisch ermittelten Werte, sondern Handelsobjekte und damit Marktpreise.\nEinem erfahrenen Sachverstandigen in der Position des Beklagten hatte\nauffallen mussen, dass die ihm genannten Restwerte deutlich aus dem Rahmen der\nfur die Region ortsublichen Restwerte am Markt fielen. Er hatte den befragten\nBietern angesichts dieser gebotenen Zweifel zumindest Lichtbilder des\nbeschadigten Fahrzeugs zur Abgabe ihrer Angebote zur Verfugung stellen mussen.\nIn Anbetracht der ihm gebotenen, niedrigeren Zahlungen fur den beschadigten\nPkw hatte er im konkreten Fall zudem Kontrollangebote einholen mussen. Dies\nware beispielsweise uber die schon damals im Internet zur Verfugung stehenden\nRestwertborsen moglich gewesen. Den Sachverstandigen traf die Verpflichtung,\nsich in Zweifelsfallen wie diesem umfassend zu informieren und alle ihm zur\nVerfugung stehenden Erkenntnismoglichkeiten auszuschopfen. Dies ist unabhangig\nvon der Frage, ob zu dieser Zeit von einem pflichtgemaß arbeitenden\nSachverstandigen in jeden Fall zu erwarten war, dass er uber einen\nInternetanschluss verfugt und jedes der erhaltenen Angebote mit Angeboten aus\neiner Internetborse am uberregionalen Markt abgleicht. Diese Frage kann im\nvorliegenden Fall dahinstehen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| 3\\. Die Klagerin macht mit ihrer Klage lediglich die Differenz zwischen dem\nvon dem Beklagten festgesetzten Restwert und den von ihr selbst am regionalen\nMarkt in der Zeit vom 22. Mai bis zum 17. September 2002 ermittelten\nRestwerten bei einem Durchschnittswert von 5.766,67 Euro als Schaden im Sinne\nder §§ 249 ff. BGB geltend. Sie hat Anspruch auf Ersatz eines Betrages von\n2.266,66 Euro. \n--- \n| 19 \n--- \n| a. Die Pflichtverletzung des Beklagten war kausal fur die Entstehung eines\nSchadens in dieser Hohe. Auf Grund der fehlerhaften Schatzung des Beklagten\nregulierte die Klagerin gegenuber der Geschadigten den Unfallschaden unter\nZugrundelegung des von dem Beklagten ermittelten Restwertes. Da der\ntatsachliche Restwert jedoch mindestens um 2.266,66 Euro hoher lag, hatte die\nKlagerin ausgehend vom wirklichen Wert mindestens diesen Betrag an die\nGeschadigte weniger zahlen mussen. \n--- \n| 20 \n--- \n| b. Ein Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB muss sich die Klagerin nicht\nzurechnen lassen. Nachdem die Beklagte das Fahrzeug bereits am 10. Januar 2002\nunter Zugrundelegung des von dem Beklagten ermittelten Restwerts an die\nMercedes Benz Niederlassung M in Donzdorf veraußerte, verblieb der Klagerin\nkeine Zeit, zu dem von dem Beklagten ermittelten Restwert Alternativangebote\neinzuholen und die Veraußerung unter Zugrundelegung des zu niedrig angesetzten\nRestwertes zu verhindern. Ein Auswahlverschulden bei der Auswahl des Beklagten\nals Sachverstandigen oder ein kollusives Zusammenwirken mit diesem konnte der\nGeschadigten zudem nicht vorgeworfen werden. \n--- \n| 21 \n--- \n| c. Der Verkauf des Fahrzeugs zum geringen Restwert wurde gerade durch das\nfehlerhafte Gutachten des Beklagten verursacht. Im Vertrag zur Inzahlunggabe\ndes beschadigten Pkw vom 10. Januar 2002 wird ausdrucklich auf das Gutachten\ndes Beklagten vom Vortag Bezug genommen. Dass die Versicherung schließlich der\nGeschadigten den Schaden unter Zugrundelegung des fehlerhaften Gutachtens\nerrechneten Schadens regulierte, hat der Beklagte geradezu herausgefordert.\nDies stellte keine ungewohnliche Reaktion der Klagerin dar. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klagerin hat Anspruch auf Ersatz weiterer 1.033,26 Euro in Hohe der von\ndem Beklagten fur sein Gutachten vom 09.01.2002 in Rechnung gestellten Kosten\naus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem zwischen der Geschadigten ... und\ndem Beklagten geschlossenen Werkvertrag uber die Erstattung eines\nschriftlichen Sachverstandigengutachtens mit Schutzwirkung fur Dritte. \n--- \n| 23 \n--- \n| Durch die schuldhaft fehlerhafte Festsetzung des Restwertes zur\nSchadensregulierung ist das Gutachten fur die Geschadigte und die Klagerin\nunbrauchbar und damit wertlos geworden. Die Klagerin hat diese Gutachterkosten\nder Geschadigten ersetzt. Angesichts der Hohe der mit 17.061,25 Euro\nermittelten erforderlichen Reparaturkosten und einem Wiederbeschaffungswert in\nHohe von 17.500,00 Euro war die Einholung eines Sachverstandigengutachtens zur\nSchadensermittlung auch geboten, das Gutachten war zur zweckentsprechenden\nRechtsverfolgung erforderlich. Die hierzu entstehenden Kosten waren daher gem.\n§§ 249 ff. BGB ersatzfahig. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 S. 1, 2 BGB. \n--- \n--- \n**IV.** \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Entscheidung zur vorlaufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709\nSatz 1, Satz 2 ZPO. \n--- \n---\n\n
140,656
ag-karlsruhe-2004-12-16-8-c-24004
50
Amtsgericht Karlsruhe
ag-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
8 C 240/04
2004-12-16
2019-01-08 11:06:31
2019-01-17 12:00:49
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klager EUR 1.440,00 nebst Zinsen in\nHohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB aus jeweils\n90,00 EUR seit dem 05.06.2003, 05.07.2003, 05.09.2003, 05.10.2003, 05.11.2003,\n05.12.2003 sowie 05.01.2004, 05.02.2004, 05.03.2004, 05.04.2004, 05.05.2004,\n05.06.2004, 05.07.2004, 05.08.2004, 05.09.2004, 05.10.2004 zu bezahlen.\n\n2\\. Die Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n3\\. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 120 % des zu\nvollstreckenden Betrages vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager als Rechtsnachfolger der ursprunglichen Vermieter machen\ngegenuber der Beklagten restlichen Mietzins fur den Zeitraum Juni 2003 bis\neinschließlich Oktober 2004 in Hohe von jeweils 90,00 EUR monatlich gegenuber\nder Beklagten geltend, die nebst ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann\nmit Formularmietvertrag zum 01.12.1983 eine Wohnung im 2. Obergeschoss links\nim Anwesen ... angemietet hat. Ende des Jahres 2002 zog in dem Anwesen ... die\nFamilie K mit ihren Kindern in die uber der Wohnung der Beklagten gelegene\nMietwohnung ein, wobei auf Veranlassung der Hausverwaltung des Anwesens ... in\nder Wohnung der neuen Mieter am 19.08.2002 ein Laminatboden verlegt wurde,\nwobei nach Mitteilung der verlegenden Firma vom 16.06.2004 (AS 151) ein fest\nverklebter Schlingenteppichboden als erste Schallbrucke belassen und ein\nschalldammend beschichteter Laminat schwimmend verlegt worden ist. Die\nBeklagte mindert seit Juni 2003 den mietvertraglich geschuldeten Mietzins um\nmonatlich 90,00 EUR, da von den Kindern der Eheleute K Ruhestorungen ausgehen\nsollen, wobei auf Nachfrage Beschwerden anderer Mitbewohner des Anwesens den\nVermietern gegenuber nicht geltend gemacht wurden (Stellungnahme der Mieter\nund vom 29.11.2003, AS 51). Die Klager begehren den seitens der Beklagten\ngeminderten Mietzins in Hohe von 90,00 EUR monatlich seit dem Juni 2003 und\nbeantragen: \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beklagte wird verurteilt, an die Klager EUR 1.440,00 nebst Zinsen in\nHohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB aus jeweils\n90,00 EUR seit dem 05.06.2003, 05.07.2003, 05.09.2003, 05.10.2003, 05.11.2003,\n05.12.2003 sowie 05.01.2004, 05.02.2004, 05.03.2004, 05.04.2004, 05.05.2004,\n05.06.2004, 05.07.2004, 05.08.2004, 05.09.2004, 05.10.2004 zu bezahlen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| die Klage abzuweisen und tragt vor, \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| nach Entfernung des Teppichbodens und Neuverlegung eines Laminatbodens in\nder uber der Wohnung der Beklagten liegenden Wohnung der Familie seien die bei\nErrichtung des Anwesens geltenden Anforderungen an Trittschalldammung nicht\neingehalten worden, da in dem darunter liegenden Schlafzimmer der Beklagten\njeder Schritt und der Tritt der uber der Wohnung der Beklagten wohnenden\nMieter/Haustiere (Meerschweinchen) zu horen sei, da aufgrund des nicht\nordnungsgemaß verlegten schallgeschutzten Bodens Lauf-, Tritt- und\nSprunggerausche derart laut in das Schlafzimmer der Beklagten hineinwirken\nwurden, so dass an ein Schlafen oder Ruhen nicht zu denken sei. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die\ngewechselten Schriftsatze nebst Anlagen verwiesen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Das Gericht hat entsprechend Beschluss vom 17.08.2004 (AS 159 ff) Beweis\nerhoben durch die Einholung eines Sachverstandigengutachtens. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche\nGutachten des Sachverstandigen Dipl.-Ing. R S vom 11.11.2004 (AS 197 - 243)\nBezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 9 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und der Sache nach in vollem Umfang auch begrundet. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Den Klagern steht gegenuber der Beklagten der geltend gemachte\nMietzinsanspruch fur den Zeitraum Juni 2003 bis einschließlich Oktober 2004 in\nHohe von 90,00 EUR monatlich, also insgesamt 1.440,00 EUR zu, da der Beklagten\nein Recht zur Mietzinsminderung fur den genannten Zeitraum nicht zusteht.\nMietzinsminderungsanspruche sind nicht gegeben, da die Wohnung der Beklagten\nnicht mangelhaft ist. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Ein Mangel der Wohnung liegt vor, wenn die vermietete Wohnung mit einem\nFehler behaftet ist, der ihre Tauglichkeit zu dem vertragsmaßigen Gebrauch\naufhebt oder mindert. Maßstab dieses vertragsgemaßen Zustandes ist entweder\neine besondere vertragliche Vereinbarung oder, sofern diese fehlt, der nach\nder objektiven Verkehrsanschauung zu erwartende Zustand der Mietsache. Da der\nvertragsgemaße Zustand maßgeblich ist, konnen auch nur die Umstande\nherangezogen werden, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags, mithin\nam 01.12.1983 gultig waren. Dies gilt auch fur die Anwendung der fur die\nWohnung maßgeblichen technischen Normen. Bei dem streitgegenstandlichen\nAnwesen handelt es sich um ein alteres 5-geschossiges Mehrfamilienwohnhaus in\nmassiver Bauweise, wobei das Anwesen in den Jahren 1983/1964 errichtet worden\nist. Der Mietvertrag hinsichtlich der von der Beklagten bewohnten Wohnung\nwurde am 19.10.1983 abgeschlossen; das Mietverhaltnis begann am 01.12.1983.\nUnter diesen Umstanden kann die Beklagte nur erwarten, dass die von ihr\nbezogene Wohnung die zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebaudes maßgeblichen\nSchallschutznormen DIN 4109 "Schallschutz im Hochbau", in der Fassung\nSeptember 1962 erfullen. Denn da keine ausdruckliche Vereinbarung uber den\nSchallschutz getroffen worden ist, konnte die Beklagte auch davon ausgehen,\ndass das Haus den Schallschutzerfordernissen entspricht, die zum damaligen\nZeitpunkt an ein fachgerecht errichtetes Haus gestellt wurden. Diesen\nErfordernissen genugt, wie der Sachverstandige ausdrucklich festgestellt hat,\ndie Wohnung auch in ihrem jetzigen Zustand. Nach den glaubhaften\nnachvollziehbaren Ausfuhrungen des Sachverstandigen in seinem Gutachten vom\n11.11.2004, denen sich das Gericht anschließt, waren die Anforderungen an den\nSchallschutz der Deckenkonstruktion, nach der zum Zeitpunkt der\nGebaudeerrichtung gultigen DIN 4109 erfullt, wobei der Sachverstandige\nausgefuhrt hat, dass die Deckenkonstruktion unter Vorhandensein eines\nschwimmenden Estrichs auch die heutigen verscharften Anforderungen an Luft -\nbzw. Trittschallschutz nach der DIN 4109, Ausgabe 11/89 knapp erfullt, wobei\ndies jedoch dahingestellt bleiben kann, da die heute gultige DIN 4109 nur bei\nNeubauten gilt; eine Nachrustungspflicht dem Bauherrn bzw. Vermieter nicht\nzugemutet werden kann. Etwas anderes gilt auch nicht nach der Entscheidung des\nBundesverfassungsgerichtes (ZMR 1998, 687). Zwar hat dort das\nBundesverfassungsgericht die Auffassung vertreten, dass bei einer Verscharfung\nvon technischen Vorschriften, die eine Gesundheitsgefahrdung der Bewohner\nverhindern sollen, diese verscharften Vorschriften auch fur laufende\nMietverhaltnisse anzuwenden sind. Dabei hat aber das Bundesverfassungsgericht\nzutreffend auf den Gesichtspunkt abgehoben, dass es zu einer vertragsgemaßen\nNutzung einer Wohnung gehort, dass diese ohne Gesundheitsgefahrdung bewohnt\nwerden kann. Wenn es sich also erst im Laufe eines Mietverhaltnisses\nherausstellt, dass die ursprunglich erkannten Grenzwerte zu hoch veranschlagt\nwurden, so ist die Wohnung an die neuen Erkenntnisse anzupassen, weil sie\nschon von Beginn des Mietverhaltnisses an unerkannt nicht den vertraglichen\nErfordernissen genugte. Diese Erwagungen sind jedoch im Rahmen des\nSchallschutzes in dem hier streitgegenstandlichen Umfang nicht maßgeblich.\nDenn es geht nicht um die Gesundheitsgefahrdung der Beklagten, sondern um ein\nmoglichst von den Aktivitaten der anderen Mieter ungestortes Wohnen. Fur die\nBejahung eines Mangels ist auch nicht ausreichend, dass sich der Schallschutz\nunter Umstanden durch den aufgebrachten Laminatboden verschlechtert hat. Nach\nden Ausfuhrungen des Gutachters waren die im Rahmen der Begutachtung gezielt\nerzeugten Gerausche derart, dass diese nur bei Konzentration auf die\nGerauschwahrnehmung und bei Nichtvorhandensein sonstiger Storgerausche\ninnerhalb des Raumes leicht wahrnehmbar waren. Nach den Ausfuhrungen des\nSachverstandigen, denen sich das Gericht anschließt, lag die Intensitat der\nGerausche im Rahmen dessen, was bei Wohnungen dieses Baualters ublicherweise\nzu erwarten ist und war wesentlich geringer einzustufen als beispielsweise die\nbei Holzbalkendecken mit Dielenbelagen in Altbauten haufig als storend\nwahrgenommenen Gegengerausche. Nach den Ausfuhrungen des Sachverstandigen war\nnicht jeder Schritt und Tritt wahrnehmbar sondern lediglich die seitens des\nSachverstandigen bewusst erzeugten intensiven Gerausche. In seiner\nBegutachtung hat der Sachverstandige auch ausgefuhrt, dass die Verlegung des\nLaminatbodens auch zu keiner Verschlechterung der vorhandenen Luft- oder\nTrittschalldammung gefuhrt hat, so dass nach festgestellt werden kann, dass\nder Schallschutz sich durch den aufgebrachten Laminatboden deutlich\nverschlechtert hat, wobei darauf hingewiesen werden muss, dass die Beklagte\nkeinen Anspruch darauf hat, dass in der uber ihrer Wohnung liegenden\nMietwohnung der ursprunglich bestehende Zustand - Verlegung mit Teppichboden -\naufrecht erhalten bleiben muss. Ein Mieter im Rahmen eines Mehrfamilienhauses\nmuss vorbehaltlich besonderer Vereinbarungen die Beeintrachtigung hinnehmen,\ndie durch die vertragsgemaße Nutzung der anderen Mieter entstehen, soweit\nderen Raume fur diese vertragliche Nutzung vorgesehen sind. Die daraus\nresultierenden Schwankungen in der Wohnqualitat gehoren zum vertragsgemaßen\nZustand der Mietraume. Ebenso wie der Mieter nicht davor geschutzt ist, dass\ndurch einen Mieterwechsel von einem z. B. alteren Ehepaar zu einer Familie mit\nKindern verstarkt Larmbelastigungen auftreten, so ist er auch nicht davon\ngeschutzt, dass durch eine Veranderung des Bodenbelags unter Umstanden\nverstarkt Gerausche erzeugt werden. Die uber der Wohnung der Beklagten\ngelegenen Raume sind zum wohnen vorgesehen, wobei die damit verbundene\nGerauschentwicklung durch die Beklagten hinzunehmen ist. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Da nach alledem die Wohnung nicht mangelhaft ist, ist eine\nMietzinsminderung von vorliegend 20 % nicht anzuerkennen, so dass nach alledem\nder Klage in vollem Umfang stattzugeben war. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 709 ZPO. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 9 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und der Sache nach in vollem Umfang auch begrundet. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Den Klagern steht gegenuber der Beklagten der geltend gemachte\nMietzinsanspruch fur den Zeitraum Juni 2003 bis einschließlich Oktober 2004 in\nHohe von 90,00 EUR monatlich, also insgesamt 1.440,00 EUR zu, da der Beklagten\nein Recht zur Mietzinsminderung fur den genannten Zeitraum nicht zusteht.\nMietzinsminderungsanspruche sind nicht gegeben, da die Wohnung der Beklagten\nnicht mangelhaft ist. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Ein Mangel der Wohnung liegt vor, wenn die vermietete Wohnung mit einem\nFehler behaftet ist, der ihre Tauglichkeit zu dem vertragsmaßigen Gebrauch\naufhebt oder mindert. Maßstab dieses vertragsgemaßen Zustandes ist entweder\neine besondere vertragliche Vereinbarung oder, sofern diese fehlt, der nach\nder objektiven Verkehrsanschauung zu erwartende Zustand der Mietsache. Da der\nvertragsgemaße Zustand maßgeblich ist, konnen auch nur die Umstande\nherangezogen werden, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags, mithin\nam 01.12.1983 gultig waren. Dies gilt auch fur die Anwendung der fur die\nWohnung maßgeblichen technischen Normen. Bei dem streitgegenstandlichen\nAnwesen handelt es sich um ein alteres 5-geschossiges Mehrfamilienwohnhaus in\nmassiver Bauweise, wobei das Anwesen in den Jahren 1983/1964 errichtet worden\nist. Der Mietvertrag hinsichtlich der von der Beklagten bewohnten Wohnung\nwurde am 19.10.1983 abgeschlossen; das Mietverhaltnis begann am 01.12.1983.\nUnter diesen Umstanden kann die Beklagte nur erwarten, dass die von ihr\nbezogene Wohnung die zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebaudes maßgeblichen\nSchallschutznormen DIN 4109 "Schallschutz im Hochbau", in der Fassung\nSeptember 1962 erfullen. Denn da keine ausdruckliche Vereinbarung uber den\nSchallschutz getroffen worden ist, konnte die Beklagte auch davon ausgehen,\ndass das Haus den Schallschutzerfordernissen entspricht, die zum damaligen\nZeitpunkt an ein fachgerecht errichtetes Haus gestellt wurden. Diesen\nErfordernissen genugt, wie der Sachverstandige ausdrucklich festgestellt hat,\ndie Wohnung auch in ihrem jetzigen Zustand. Nach den glaubhaften\nnachvollziehbaren Ausfuhrungen des Sachverstandigen in seinem Gutachten vom\n11.11.2004, denen sich das Gericht anschließt, waren die Anforderungen an den\nSchallschutz der Deckenkonstruktion, nach der zum Zeitpunkt der\nGebaudeerrichtung gultigen DIN 4109 erfullt, wobei der Sachverstandige\nausgefuhrt hat, dass die Deckenkonstruktion unter Vorhandensein eines\nschwimmenden Estrichs auch die heutigen verscharften Anforderungen an Luft -\nbzw. Trittschallschutz nach der DIN 4109, Ausgabe 11/89 knapp erfullt, wobei\ndies jedoch dahingestellt bleiben kann, da die heute gultige DIN 4109 nur bei\nNeubauten gilt; eine Nachrustungspflicht dem Bauherrn bzw. Vermieter nicht\nzugemutet werden kann. Etwas anderes gilt auch nicht nach der Entscheidung des\nBundesverfassungsgerichtes (ZMR 1998, 687). Zwar hat dort das\nBundesverfassungsgericht die Auffassung vertreten, dass bei einer Verscharfung\nvon technischen Vorschriften, die eine Gesundheitsgefahrdung der Bewohner\nverhindern sollen, diese verscharften Vorschriften auch fur laufende\nMietverhaltnisse anzuwenden sind. Dabei hat aber das Bundesverfassungsgericht\nzutreffend auf den Gesichtspunkt abgehoben, dass es zu einer vertragsgemaßen\nNutzung einer Wohnung gehort, dass diese ohne Gesundheitsgefahrdung bewohnt\nwerden kann. Wenn es sich also erst im Laufe eines Mietverhaltnisses\nherausstellt, dass die ursprunglich erkannten Grenzwerte zu hoch veranschlagt\nwurden, so ist die Wohnung an die neuen Erkenntnisse anzupassen, weil sie\nschon von Beginn des Mietverhaltnisses an unerkannt nicht den vertraglichen\nErfordernissen genugte. Diese Erwagungen sind jedoch im Rahmen des\nSchallschutzes in dem hier streitgegenstandlichen Umfang nicht maßgeblich.\nDenn es geht nicht um die Gesundheitsgefahrdung der Beklagten, sondern um ein\nmoglichst von den Aktivitaten der anderen Mieter ungestortes Wohnen. Fur die\nBejahung eines Mangels ist auch nicht ausreichend, dass sich der Schallschutz\nunter Umstanden durch den aufgebrachten Laminatboden verschlechtert hat. Nach\nden Ausfuhrungen des Gutachters waren die im Rahmen der Begutachtung gezielt\nerzeugten Gerausche derart, dass diese nur bei Konzentration auf die\nGerauschwahrnehmung und bei Nichtvorhandensein sonstiger Storgerausche\ninnerhalb des Raumes leicht wahrnehmbar waren. Nach den Ausfuhrungen des\nSachverstandigen, denen sich das Gericht anschließt, lag die Intensitat der\nGerausche im Rahmen dessen, was bei Wohnungen dieses Baualters ublicherweise\nzu erwarten ist und war wesentlich geringer einzustufen als beispielsweise die\nbei Holzbalkendecken mit Dielenbelagen in Altbauten haufig als storend\nwahrgenommenen Gegengerausche. Nach den Ausfuhrungen des Sachverstandigen war\nnicht jeder Schritt und Tritt wahrnehmbar sondern lediglich die seitens des\nSachverstandigen bewusst erzeugten intensiven Gerausche. In seiner\nBegutachtung hat der Sachverstandige auch ausgefuhrt, dass die Verlegung des\nLaminatbodens auch zu keiner Verschlechterung der vorhandenen Luft- oder\nTrittschalldammung gefuhrt hat, so dass nach festgestellt werden kann, dass\nder Schallschutz sich durch den aufgebrachten Laminatboden deutlich\nverschlechtert hat, wobei darauf hingewiesen werden muss, dass die Beklagte\nkeinen Anspruch darauf hat, dass in der uber ihrer Wohnung liegenden\nMietwohnung der ursprunglich bestehende Zustand - Verlegung mit Teppichboden -\naufrecht erhalten bleiben muss. Ein Mieter im Rahmen eines Mehrfamilienhauses\nmuss vorbehaltlich besonderer Vereinbarungen die Beeintrachtigung hinnehmen,\ndie durch die vertragsgemaße Nutzung der anderen Mieter entstehen, soweit\nderen Raume fur diese vertragliche Nutzung vorgesehen sind. Die daraus\nresultierenden Schwankungen in der Wohnqualitat gehoren zum vertragsgemaßen\nZustand der Mietraume. Ebenso wie der Mieter nicht davor geschutzt ist, dass\ndurch einen Mieterwechsel von einem z. B. alteren Ehepaar zu einer Familie mit\nKindern verstarkt Larmbelastigungen auftreten, so ist er auch nicht davon\ngeschutzt, dass durch eine Veranderung des Bodenbelags unter Umstanden\nverstarkt Gerausche erzeugt werden. Die uber der Wohnung der Beklagten\ngelegenen Raume sind zum wohnen vorgesehen, wobei die damit verbundene\nGerauschentwicklung durch die Beklagten hinzunehmen ist. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Da nach alledem die Wohnung nicht mangelhaft ist, ist eine\nMietzinsminderung von vorliegend 20 % nicht anzuerkennen, so dass nach alledem\nder Klage in vollem Umfang stattzugeben war. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 709 ZPO. \n--- \n---\n\n
140,993
vg-karlsruhe-2005-06-23-2-k-421904
158
Verwaltungsgericht Karlsruhe
vg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 K 4219/04
2005-06-23
2019-01-08 16:53:47
2019-01-17 12:01:10
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Der Bescheid des Beklagten vom 23.03.2005 wird aufgehoben.\n\nDer Beklagte wird verpflichtet, seinen Bescheid vom ... in dem er die\nErstattung der Kosten fur die stationare Behandlung des Kindes ... abgelehnt\nhat, zuruckzunehmen und der Klagerin fur dessen stationare Behandlung\n42.135,99 EUR zu erstatten.\n\n2\\. Der Beklagte tragt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin, die auf dem Gebiet der Stadt ... eine Klinik betreibt, macht\ngegen den Beklagten gem. § 121 BSHG die Erstattung von Aufwendungen geltend,\ndie ihr fur die stationare Behandlung des Kindes ... in der Zeit vom\n26.11.2001 bis 04.02.2002 in Hohe von 42.135,99 EUR entstanden sind. Der\nBeklagte hat dies mit bestandskraftigem Bescheid vom 14.02.2002 abgelehnt. Mit\ndem vorliegenden Verfahren begehrt die Klagerin die Abanderung dieses\nBescheides. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Mutter von ..., die am ... geborene ...urde am 26.11.2001 um 6.35 Uhr\nmit vorzeitiger Plazentalosung in der 29+3 SSW (brettharter Bauch und vaginale\nBlutungen seit einigen Stunden) bei der Klagerin eingeliefert. Es wurde eine\nNotsectio vorgenommen; das Kind M.P. kam um 7.13 Uhr mit einem Geburtsgewicht\nvon 1360 g zur Welt und wurde wegen Atemnotsyndrom sofort intubiert und um\n7.20 Uhr in die Kinderklinik der Klagerin verlegt, wo es zunachst bis zum\n04.02.2002 verblieb. Am 06.02.2002 wurde das Kind erneut in die Kinderklinik\nder Klagerin eingeliefert und blieb dort bis zum 19.04.2002; die fur diesen\nzweiten Klinikaufenthalt entstandenen Kosten in Hohe von 29.220,86 EUR hat der\nBeklagte der Klagerin im Mai 2002 erstattet. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mutter und Kind waren im streitgegenstandlichen Zeitraum nicht\nkrankenversichert. Die Mutter hatte bis zu ihrem im Sommer 2001 erfolgten\nWegzug nach (Landkreis ...) vom Beklagten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt\nerhalten. Nach ihrer am 03.12.2001 erfolgten Entlassung aus der Klinik der\nKlagerin erhielt sie ebenfalls wieder vom Beklagten laufende Hilfe zum\nLebensunterhalt; spater auch das Kind ... \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit am 14.02.2002 eingegangenem Kostenubernahmeantrag vom 13.02.2002 wandte\nsich die Klagerin an den Beklagten. Dieser lehnte hinsichtlich des Kindes den\nAntrag mit Bescheid vom 14.02.2002 mit der Begrundung ab, die Mutter des\nKindes sei laut Auskunft des Einwohnermeldeamtes ... zum Zeitpunkt ihrer\nstationaren Aufnahme in ... gemeldet gewesen. Dieser Bescheid ist\nbestandskraftig geworden. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit einem weiteren Bescheid vom 14.02.2002 lehnte der Beklagte auch die\nÜbernahme der Kosten fur den stationaren Aufenthalt der Mutter (26.11. -\n03.12.2001) ab. Gegen diesen Bescheid legte die Klagerin Widerspruch ein, den\nder Beklagte mit Bescheid vom 22.07.2002 zuruckwies. Auf die von der Klagerin\nerhobene Klage hat die erkennende Kammer mit Urteil vom 11.11.2004 - 2 K 97/04\n- den Bescheid des Beklagten vom 14.02.2002 sowie dessen Widerspruchsbescheid\nvom 22.07.2002 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, der Klagerin die fur\ndie stationare Behandlung von Frau ... entstandenen Kosten in Hohe von\n3.247,40 EUR zu erstatten. Zur Begrundung hat die Kammer in dieser\nEntscheidung ausgefuhrt, der Klagerin stehe ein Erstattungsanspruch gem. § 121\nBSHG zu. Die Passivlegitimation fur die Erstattung der Nothilfekosten treffe\nden Beklagten, da Frau ... ihren gewohnlichen Aufenthalt bereits Mitte\nNovember 2001 wieder in dessen Zustandigkeitsbereich verlegt habe. Das Urteil\nist seit dem 28.11.2004 rechtskraftig. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Schreiben vom 30.11.2004 - bei der Beklagten eingegangen am 03.12.2004\n- beantragte die Klagerin die Rucknahme gem. § 44 SGB X des hinsichtlich des\nKindes ergangenen bestandskraftigen ablehnenden Bescheides vom 14.02.2002. Der\nBescheid vom 14.02.2002 gehe davon aus, dass der gewohnliche Aufenthaltsort\nder Mutter des Kindes zum Zeitpunkt deren stationaren Aufnahme ... gewesen sei\nund somit außerhalb des Zustandigkeitsbereichs des Beklagten; dem Bescheid\nliege somit ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde. Es wurde Frist zur Zahlung\nbis zum 30.12.2004 gesetzt. Nachdem der Beklagte auf diesen Antrag in keiner\nWeise reagierte, erhob die Klagerin am 27.12.2004 Untatigkeitsklage. \n--- \n| 7 \n--- \n| Wahrend des Klageverfahrens hat der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom\n23.03.2005 abgelehnt. Die Kostenubernahme sei durch den Bescheid vom\n14.02.2002 bestandskraftig abgelehnt worden; § 44 SGB X sei in der Sozialhilfe\ngrundsatzlich nicht anwendbar. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 23.03.2005 zu\nverpflichten, seinen Bescheid vom 14.02.2002, in dem er die Erstattung der\nKosten fur die stationare Behandlung des Kindes ... abgelehnt hat,\nzuruckzunehmen und ihr fur dessen stationare Behandlung 42.135,99 EUR zu\nerstatten. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Zur Begrundung verweist er auf die Ausfuhrungen im Bescheid vom 23.03.2005. \n--- \n| 13 \n--- \n| Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den\nBeteiligten gewechselten Schriftsatze sowie die dem Gericht vorliegenden\neinschlagigen Akten des Beklagten und die Gerichtsakten im Verfahren 2 K 97/04\nverwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die vor Ablauf der in § 75 Satz 2 VwGO genannten Dreimonatsfrist und damit\nverfruht erhobene Untatigkeitsklage war im maßgeblichen Zeitpunkt der\nmundlichen Verhandlung zulassig geworden, nachdem der Beklagte seinen\nnegativen (Ausgangs-) Bescheid erst am 23.03.2005 und damit nach Ablauf der am\n03.03.2005 endenden Dreimonatsfrist erlassen hat. Ein Widerspruchsverfahren\nist in diesem Fall nicht notwendig; der verspatet ergangene negative Bescheid\nkonnte in den Rechtsstreit einbezogen werden, ohne dass die Einbeziehung an\ndie Frist des § 74 VwGO gebunden gewesen ware (siehe zum Ganzen\nEyermann/Rennert, VwGO, § 75 Rd.Nrn.12 und 18). \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet. Der Klagerin steht gegenuber dem Beklagten\ngem. § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ein Anspruch auf Abanderung des bestandskraftigen\nablehnenden Bescheides vom 14.02.2002 und positive Verbescheidung ihres\nErstattungsbegehrens zu. \n--- \n| 16 \n--- \n| Gemaß § 44 Abs.1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er\nunanfechtbar geworden ist, mit Wirkung fur die Vergangenheit zuruckzunehmen,\nsoweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig\nangewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als\nunrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht\nerbracht oder Beitrage zu Unrecht erhoben worden sind, (Satz 1). Im Übrigen,\nd.h. soweit die in § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X genannten Voraussetzungen nicht -\nalle - vorliegen, **ist** ein rechtswidriger nicht begunstigender\nVerwaltungsakt, nachdem er unanfechtbar geworden ist, lediglich mit Wirkung\nfur die Zukunft zuruckzunehmen (§ 44 Abs.2 Satz 2 SGB X); mit Wirkung fur die\nVergangenheit kann er zuruckgenommen werden (§ 44 Abs.2 Satz 2 SGB X). Ist ein\nVerwaltungsakt mit Wirkung fur die Vergangenheit zuruckgenommen worden, werden\nSozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses\nGesetzbuches langstens fur einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rucknahme\nerbracht (§ 44 Abs.4 Satz 1 SGB X). \n--- \n| 17 \n--- \n| Bei dem bestandskraftigen Bescheid des Beklagten vom 14.02.2002 handelt es\nsich um einen eine Sozialleistung i. S. d. § 11 Satz 1 SGB I ablehnenden\nBescheid. Der Anspruch des Nothelfers gem. § 121 BSHG auf Erstattung der ihm\nentstandenen Kosten ist ein offentlich-rechtlicher Anspruch auf Leistungen\nnach dem BSHG (siehe Mergler/Zink, BSHG, § 121 Rd.Nr.23). Gem. § 121 BSHG sind\njemandem, der in einem Eilfall einem anderen Hilfe gewahrt, die der Trager der\nSozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis nach dem BSHG gewahrt haben wurde, auf\nAntrag die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten (Satz 1). Die\nVorschrift enthalt systematisch eine Ausnahmeregelung von dem Grundsatz des §\n5 BSHG, wonach Sozialhilfe erst einsetzt, sobald dem Trager der Sozialhilfe\nbekannt wird, dass die Voraussetzungen fur die Gewahrung vorliegen. Sie sieht\nein speziell sozialhilferechtliches und damit offentlich-rechtliches Institut\nder Geschaftsfuhrung ohne Auftrag vor und regelt die Erstattung von\nAufwendungen Dritter, die in offentlich-rechtlicher Geschaftsfuhrung ohne\nAuftrag fur den Trager der Sozialhilfe gehandelt haben. Die Anwendung der\nVorschrift setzt voraus, dass jemand, der kein Trager der Sozialhilfe und auch\nkeine Behorde oder Amtstrager (z.B. Kreiskrankenhaus) des zustandigen\nSozialhilfetragers ist, einem anderen in einem Eilfall Hilfe gewahrt hat, also\nin einem Fall, in dem rechtzeitige Hilfeleistung des Tragers der Sozialhilfe\nnicht moglich erscheint, bei objektiver Betrachtung sofortige Hilfeleistung\nnotwendig ist, wenn also in einer plotzlich auftretenden Notlage sofort\ngehandelt und geholfen werden muss. \n--- \n| 18 \n--- \n| Vorschriften des BSHG stehen der Anwendung des § 44 SGB X nicht entgegen.\nEine Vorschrift, die die Aufhebung rechtswidriger nicht begunstigender\nVerwaltungsakte unter den Voraussetzungen des § 44 SGB X und in dem in dieser\nVorschrift bestimmten Umfange ausdrucklich verbietet, enthalt das BSHG nicht. \n--- \n| 19 \n--- \n| Ebenso wenig stehen vorliegend geltende Strukturprinzipien des BSHG\nzwingend der Anwendung des § 44 SGB X entgegen (zu dieser Voraussetzung s.\nBVerwG, Urt. v. 25.04.1985 - 5 C 123/83 -, BVerwGE 71, 220 m.w.N.), soweit\nrechtswidrige nicht begunstigende Verwaltungsakte mit Wirkung fur die\nVergangenheit zuruckzunehmen sind (§ 44 Abs. 1 S. 1 SGB X) oder zuruckgenommen\nwerden konnen (§ 44 Abs. 2 S. 2 SGB X). Zwar gilt im Sozialhilferecht der\nGrundsatz, dass Sozialhilfeleistungen einen gegenwartigen Bedarf voraussetzen\nund deshalb grundsatzlich nicht fur vergangene Zeitraume zu verlangen sind und\ndas Bundesverwaltungsgericht hat deshalb mit Urteil vom 15.12.1983 - 5 C 65/82\n- BVerwGE 68, 285, entschieden, dass § 44 SGB X auf das Leistungsrecht des\nBSHG nicht anwendbar ist. Der sich aus § 5 BSHG ergebende Grundsatz „keine\nHilfe fur die Vergangenheit" sei ein Strukturprinzip des Sozialhilferechts,\nund mit diesem Grundsatz sei es nicht vereinbar, dass der Trager der\nSozialhilfe verpflichtet sein konnte, einen Bescheid aufzuheben, mit dem er in\nder Vergangenheit die Gewahrung von Sozialhilfe unter unrichtiger Anwendung\ndes Rechts oder auf der Grundlage eines Sachverhalts, der unrichtig war,\nabgelehnt hat, zu dem Zweck, den Weg fur eine nachtragliche Gewahrung der\nSozialhilfe fur vergangene Zeitabschnitte freizumachen. \n--- \n| 20 \n--- \n| § 121 BSHG, auf den die Klagerin ihr Erstattungsbegehren stutzt, enthalt\njedoch systematisch gerade eine Ausnahmeregelung von dem Grundsatz des § 5\nBSHG, wonach Sozialhilfe erst einsetzt, sobald dem Trager der Sozialhilfe\nbekannt wird, dass die Voraussetzungen fur die Gewahrung vorliegen. In dem in\n§ 121 BSHG geregelten Sonderfall werden zwar nicht dem Hilfesuchenden selbst,\nwohl aber dem ihm aus der Not helfenden Dritten, der fur den nicht rechtzeitig\nerreichbaren Sozialhilfetrager eingesprungen ist, die Kosten fur die in der\nVergangenheit gewahrte Nothilfe erstattet. Der Grundsatz des\nSozialhilferechts, dass Sozialhilfeleistungen einen gegenwartigen Bedarf\nvoraussetzen und deshalb grundsatzlich nicht fur vergangene Zeitraume zu\nverlangen sind, gilt somit im Rahmen des § 121 BSHG gerade nicht. Eine\nLeistung nach dieser Vorschrift ist nicht auf die Beseitigung einer aktuellen\nNotlage, sondern darauf gerichtet, dem Nothelfer die ihm entstandenen Kosten\nzu ersetzen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Auch daruber hinaus weist der Bescheid vom 14.02.2002 die Merkmale auf, die\n§ 44 Abs.1 Satz 1 SGB X als Voraussetzungen fur die Rucknahme nennt und die §\n44 Abs.2 Satz 1 SGB X mit dem Begriff "rechtswidriger nicht begunstigender\nVerwaltungsakt" umschreibt. Da eine von der Klagerin begehrte Leistung nach\ndem BSHG nicht gewahrt worden ist, handelt es sich um einen nicht\nbegunstigenden Verwaltungsakt. Dieser war, wie sich aus dem rechtskraftigen\nUrteil der Kammer vom 11.11.2004 - 2 K 97/04 - ergibt, rechtswidrig; der\ngewohnliche Aufenthalt des Kindes M.P. bestimmte sich nach dem seiner Mutter,\nder nach dem genannten Urteil der Kammer zum Zeitpunkt der Aufnahme in die\nKlinik der Klagerin im Zustandigkeitsbereich des Beklagten war. Ob der\nBeklagte bei Erlass des Bescheides vom 14.02.2002 von einem unrichtigen\nSachverhalt ausgegangen ist (der Annahme, die Mutter habe sich zum Zeitpunkt\nder stationaren Aufnahme noch im Landkreis Karlsruhe aufgehalten) oder den\nrelevanten Sachverhalt zwar gekannt, aber unrichtig subsumiert hat und deshalb\nzu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der gewohnliche Aufenthalt der Mutter\naußerhalb seines Zustandigkeitsbereichs gelegen habe, kann dahingestellt\nbleiben. § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X gilt sowohl fur die Konstellation, dass das\nRecht unrichtig angewandt worden ist als auch fur die Konstellation, dass von\neinem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Beklagte ist somit zur Rucknahme des bestandskraftigen ablehnenden\nBescheides vom 14.02.2002 verpflichtet und gem. § 44 Abs. 4 S. 1 SGB X zur\nErbringung der von der Klagerin begehrten Kostenerstattung. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Verfahren ist\ngerichtskostenfrei ( § 188 S. 2 VwGO). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die vor Ablauf der in § 75 Satz 2 VwGO genannten Dreimonatsfrist und damit\nverfruht erhobene Untatigkeitsklage war im maßgeblichen Zeitpunkt der\nmundlichen Verhandlung zulassig geworden, nachdem der Beklagte seinen\nnegativen (Ausgangs-) Bescheid erst am 23.03.2005 und damit nach Ablauf der am\n03.03.2005 endenden Dreimonatsfrist erlassen hat. Ein Widerspruchsverfahren\nist in diesem Fall nicht notwendig; der verspatet ergangene negative Bescheid\nkonnte in den Rechtsstreit einbezogen werden, ohne dass die Einbeziehung an\ndie Frist des § 74 VwGO gebunden gewesen ware (siehe zum Ganzen\nEyermann/Rennert, VwGO, § 75 Rd.Nrn.12 und 18). \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet. Der Klagerin steht gegenuber dem Beklagten\ngem. § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ein Anspruch auf Abanderung des bestandskraftigen\nablehnenden Bescheides vom 14.02.2002 und positive Verbescheidung ihres\nErstattungsbegehrens zu. \n--- \n| 16 \n--- \n| Gemaß § 44 Abs.1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er\nunanfechtbar geworden ist, mit Wirkung fur die Vergangenheit zuruckzunehmen,\nsoweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig\nangewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als\nunrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht\nerbracht oder Beitrage zu Unrecht erhoben worden sind, (Satz 1). Im Übrigen,\nd.h. soweit die in § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X genannten Voraussetzungen nicht -\nalle - vorliegen, **ist** ein rechtswidriger nicht begunstigender\nVerwaltungsakt, nachdem er unanfechtbar geworden ist, lediglich mit Wirkung\nfur die Zukunft zuruckzunehmen (§ 44 Abs.2 Satz 2 SGB X); mit Wirkung fur die\nVergangenheit kann er zuruckgenommen werden (§ 44 Abs.2 Satz 2 SGB X). Ist ein\nVerwaltungsakt mit Wirkung fur die Vergangenheit zuruckgenommen worden, werden\nSozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses\nGesetzbuches langstens fur einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rucknahme\nerbracht (§ 44 Abs.4 Satz 1 SGB X). \n--- \n| 17 \n--- \n| Bei dem bestandskraftigen Bescheid des Beklagten vom 14.02.2002 handelt es\nsich um einen eine Sozialleistung i. S. d. § 11 Satz 1 SGB I ablehnenden\nBescheid. Der Anspruch des Nothelfers gem. § 121 BSHG auf Erstattung der ihm\nentstandenen Kosten ist ein offentlich-rechtlicher Anspruch auf Leistungen\nnach dem BSHG (siehe Mergler/Zink, BSHG, § 121 Rd.Nr.23). Gem. § 121 BSHG sind\njemandem, der in einem Eilfall einem anderen Hilfe gewahrt, die der Trager der\nSozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis nach dem BSHG gewahrt haben wurde, auf\nAntrag die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten (Satz 1). Die\nVorschrift enthalt systematisch eine Ausnahmeregelung von dem Grundsatz des §\n5 BSHG, wonach Sozialhilfe erst einsetzt, sobald dem Trager der Sozialhilfe\nbekannt wird, dass die Voraussetzungen fur die Gewahrung vorliegen. Sie sieht\nein speziell sozialhilferechtliches und damit offentlich-rechtliches Institut\nder Geschaftsfuhrung ohne Auftrag vor und regelt die Erstattung von\nAufwendungen Dritter, die in offentlich-rechtlicher Geschaftsfuhrung ohne\nAuftrag fur den Trager der Sozialhilfe gehandelt haben. Die Anwendung der\nVorschrift setzt voraus, dass jemand, der kein Trager der Sozialhilfe und auch\nkeine Behorde oder Amtstrager (z.B. Kreiskrankenhaus) des zustandigen\nSozialhilfetragers ist, einem anderen in einem Eilfall Hilfe gewahrt hat, also\nin einem Fall, in dem rechtzeitige Hilfeleistung des Tragers der Sozialhilfe\nnicht moglich erscheint, bei objektiver Betrachtung sofortige Hilfeleistung\nnotwendig ist, wenn also in einer plotzlich auftretenden Notlage sofort\ngehandelt und geholfen werden muss. \n--- \n| 18 \n--- \n| Vorschriften des BSHG stehen der Anwendung des § 44 SGB X nicht entgegen.\nEine Vorschrift, die die Aufhebung rechtswidriger nicht begunstigender\nVerwaltungsakte unter den Voraussetzungen des § 44 SGB X und in dem in dieser\nVorschrift bestimmten Umfange ausdrucklich verbietet, enthalt das BSHG nicht. \n--- \n| 19 \n--- \n| Ebenso wenig stehen vorliegend geltende Strukturprinzipien des BSHG\nzwingend der Anwendung des § 44 SGB X entgegen (zu dieser Voraussetzung s.\nBVerwG, Urt. v. 25.04.1985 - 5 C 123/83 -, BVerwGE 71, 220 m.w.N.), soweit\nrechtswidrige nicht begunstigende Verwaltungsakte mit Wirkung fur die\nVergangenheit zuruckzunehmen sind (§ 44 Abs. 1 S. 1 SGB X) oder zuruckgenommen\nwerden konnen (§ 44 Abs. 2 S. 2 SGB X). Zwar gilt im Sozialhilferecht der\nGrundsatz, dass Sozialhilfeleistungen einen gegenwartigen Bedarf voraussetzen\nund deshalb grundsatzlich nicht fur vergangene Zeitraume zu verlangen sind und\ndas Bundesverwaltungsgericht hat deshalb mit Urteil vom 15.12.1983 - 5 C 65/82\n- BVerwGE 68, 285, entschieden, dass § 44 SGB X auf das Leistungsrecht des\nBSHG nicht anwendbar ist. Der sich aus § 5 BSHG ergebende Grundsatz „keine\nHilfe fur die Vergangenheit" sei ein Strukturprinzip des Sozialhilferechts,\nund mit diesem Grundsatz sei es nicht vereinbar, dass der Trager der\nSozialhilfe verpflichtet sein konnte, einen Bescheid aufzuheben, mit dem er in\nder Vergangenheit die Gewahrung von Sozialhilfe unter unrichtiger Anwendung\ndes Rechts oder auf der Grundlage eines Sachverhalts, der unrichtig war,\nabgelehnt hat, zu dem Zweck, den Weg fur eine nachtragliche Gewahrung der\nSozialhilfe fur vergangene Zeitabschnitte freizumachen. \n--- \n| 20 \n--- \n| § 121 BSHG, auf den die Klagerin ihr Erstattungsbegehren stutzt, enthalt\njedoch systematisch gerade eine Ausnahmeregelung von dem Grundsatz des § 5\nBSHG, wonach Sozialhilfe erst einsetzt, sobald dem Trager der Sozialhilfe\nbekannt wird, dass die Voraussetzungen fur die Gewahrung vorliegen. In dem in\n§ 121 BSHG geregelten Sonderfall werden zwar nicht dem Hilfesuchenden selbst,\nwohl aber dem ihm aus der Not helfenden Dritten, der fur den nicht rechtzeitig\nerreichbaren Sozialhilfetrager eingesprungen ist, die Kosten fur die in der\nVergangenheit gewahrte Nothilfe erstattet. Der Grundsatz des\nSozialhilferechts, dass Sozialhilfeleistungen einen gegenwartigen Bedarf\nvoraussetzen und deshalb grundsatzlich nicht fur vergangene Zeitraume zu\nverlangen sind, gilt somit im Rahmen des § 121 BSHG gerade nicht. Eine\nLeistung nach dieser Vorschrift ist nicht auf die Beseitigung einer aktuellen\nNotlage, sondern darauf gerichtet, dem Nothelfer die ihm entstandenen Kosten\nzu ersetzen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Auch daruber hinaus weist der Bescheid vom 14.02.2002 die Merkmale auf, die\n§ 44 Abs.1 Satz 1 SGB X als Voraussetzungen fur die Rucknahme nennt und die §\n44 Abs.2 Satz 1 SGB X mit dem Begriff "rechtswidriger nicht begunstigender\nVerwaltungsakt" umschreibt. Da eine von der Klagerin begehrte Leistung nach\ndem BSHG nicht gewahrt worden ist, handelt es sich um einen nicht\nbegunstigenden Verwaltungsakt. Dieser war, wie sich aus dem rechtskraftigen\nUrteil der Kammer vom 11.11.2004 - 2 K 97/04 - ergibt, rechtswidrig; der\ngewohnliche Aufenthalt des Kindes M.P. bestimmte sich nach dem seiner Mutter,\nder nach dem genannten Urteil der Kammer zum Zeitpunkt der Aufnahme in die\nKlinik der Klagerin im Zustandigkeitsbereich des Beklagten war. Ob der\nBeklagte bei Erlass des Bescheides vom 14.02.2002 von einem unrichtigen\nSachverhalt ausgegangen ist (der Annahme, die Mutter habe sich zum Zeitpunkt\nder stationaren Aufnahme noch im Landkreis Karlsruhe aufgehalten) oder den\nrelevanten Sachverhalt zwar gekannt, aber unrichtig subsumiert hat und deshalb\nzu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der gewohnliche Aufenthalt der Mutter\naußerhalb seines Zustandigkeitsbereichs gelegen habe, kann dahingestellt\nbleiben. § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X gilt sowohl fur die Konstellation, dass das\nRecht unrichtig angewandt worden ist als auch fur die Konstellation, dass von\neinem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Beklagte ist somit zur Rucknahme des bestandskraftigen ablehnenden\nBescheides vom 14.02.2002 verpflichtet und gem. § 44 Abs. 4 S. 1 SGB X zur\nErbringung der von der Klagerin begehrten Kostenerstattung. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Verfahren ist\ngerichtskostenfrei ( § 188 S. 2 VwGO). \n--- \n \n## Sonstige Literatur\n\n| \n---|--- \n| 24 \n--- \n| RECHTSMITTELBELEHRUNG: \n--- \n| 25 \n--- \n| Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg zugelassen wird. Der Antrag auf\nZulassung der Berufung ist beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, Postfach 11 14\n51, 76064 Karlsruhe, oder Nordliche Hildapromenade 1, 76133 Karlsruhe,\ninnerhalb eines Monats nach Zustellung des vollstandigen Urteils zu stellen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei\nMonaten nach Zustellung des vollstandigen Urteils sind die Grunde darzulegen,\naus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begrundung ist, soweit sie nicht\nbereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Verwaltungsgerichtshof\nBaden-Wurttemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim, oder Postfach 103264,\n68032 Mannheim, einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn \n--- \n| 27 \n--- \n| 1\\. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, \n--- \n| 28 \n--- \n| 2\\. die Rechtssache besondere tatsachliche oder rechtliche Schwierigkeiten\naufweist, \n--- \n| 29 \n--- \n| 3\\. die Rechtssache grundsatzliche Bedeutung hat, \n--- \n| 30 \n--- \n| 4\\. das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des\nBundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshofe\ndes Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser\nAbweichung beruht oder \n--- \n| 31 \n--- \n| 5\\. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender\nVerfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung\nberuhen kann. \n--- \n| 32 \n--- \n| Bei der Beantragung der Zulassung der Berufung muss sich jeder Beteiligte\ndurch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im\nSinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befahigung zum Richteramt als\nBevollmachtigten vertreten lassen. \n--- \n| 33 \n--- \n| Juristische Personen des offentlichen Rechts und Behorden konnen sich auch\ndurch Beamte oder Angestellte mit der Befahigung zum Richteramt sowie\nDiplomjuristen im hoheren Dienst, Gebietskorperschaften auch durch Beamte oder\nAngestellte mit Befahigung zum Richteramt der zustandigen Aufsichtsbehorde\noder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als\nMitglied zugehoren, vertreten lassen. \n--- \n| 34 \n--- \n| In Angelegenheiten der Kriegsopferfursorge und des Schwerbehindertenrechts\nsowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten des\nSozialhilferechts sind vor dem Verwaltungsgerichtshof als\nProzessbevollmachtigte auch Mitglieder und Angestellte von Verbanden im Sinne\ndes § 14 Abs. 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes und von Gewerkschaften\nzugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung\nbefugt sind. \n--- \n| 35 \n--- \n| In Abgabenangelegenheiten sind vor dem Verwaltungsgerichtshof als\nProzessbevollmachtigte auch Steuerberater und Wirtschaftsprufer zugelassen. \n--- \n| 36 \n--- \n| In Angelegenheiten, die Rechtsverhaltnisse aus einem gegenwartigen oder\nfruheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder\nZivildienstverhaltnis betreffen und Streitigkeiten, die sich auf die\nEntstehung eines solchen Verhaltnisses beziehen, in\nPersonalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem\nZusammenhang mit einem gegenwartigen oder fruheren Arbeitsverhaltnis von\nArbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen\neinschließlich Prufungsangelegenheiten, sind vor dem Verwaltungsgerichtshof\nals Prozessbevollmachtigte auch Mitglieder und Angestellte von Gewerkschaften\nzugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt\nsind. \n--- \n| 37 \n--- \n| Lasst der Verwaltungsgerichtshof die Berufung zu, wird das Antragsverfahren\nals Berufungsverfahren fortgesetzt. Die Berufung ist innerhalb eines Monats\nnach Zustellung des Beschlusses uber die Zulassung der Berufung zu begrunden.\nDie Begrundung ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg,\nSchubertstraße 11, 68165 Mannheim, oder Postfach 103264, 68032 Mannheim,\neinzureichen. Die Begrundungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten\nAntrag von dem Vorsitzenden des Senats verlangert werden. Die Begrundung muss\neinen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzufuhrenden Grunde\nder Anfechtung (Berufungsgrunde). \n--- \n| 38 \n--- \n| BESCHLUSS: \n--- \n| 39 \n--- \n| Der Gegenstandswert wird gemaß § 33 Abs. 1 RVG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG auf\nEUR 42.135,99 festgesetzt. \n--- \n| 40 \n--- \n| Hinsichtlich der Beschwerdemoglichkeit gegen die Gegenstandswertfestsetzung\nwird auf § 33 Abs. 2 RVG verwiesen. \n---\n\n
141,042
lg-karlsruhe-2005-07-01-2-o-11205
135
Landgericht Karlsruhe
lg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
2 O 112/05
2005-07-01
2019-01-08 16:54:17
2019-01-17 12:01:13
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende\nMietverhaltnis uber das Grundstuck in 76337 W.- E., Gemarkung E., Flurstuck\nNr. .../1, eingetragen im Grundbuch von W.- E., Blatt..., auf Grund wirksamen\nMietvertrags vom 02.11.2000/17.11.2000 unverandert fortbesteht, insbesondere\nnicht durch die Kundigung und Anfechtung der Beklagten vom 21.05.2001 beendet\nwurde.\n\n2\\. Die Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 110\n% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die\nKlagerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu\nvollstreckenden Betrages leistet.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin begehrt die Feststellung des (Fort)Bestehens eines zwischen\nihr und der Beklagten abgeschlossenen Mietvertrages uber eine\nGrundstucksflache fur den Betrieb einer Mobilfunk-Basisstation mit\nAntennenmast. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Parteien streiten im Wesentlichen uber die Frage, ob die Beklagte zur\nAnfechtung oder Kundigung des Mietvertrages berechtigt war. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin, vormals firmierend unter X., ein Mobilfunkunternehmen,\nerrichtet zum bundesweiten Betrieb eines eigenen Mobilfunknetzes\nMobilfunkantennen auf angemieteten Flachen. Sie schloss mit der beklagten\nGemeinde unter dem 02.11./17.11.2000 einen Freiflachen-Mietvertrag uber die\nNutzung des Wiesengrundstucks Jahnstraße in W.- E. zur Errichtung und\nUnterhaltung eines Mobilfunkantennenmastes sowie zum Betrieb von\nFunkstationen; wegen der Einzelheiten der Vertragsbestimmungen wird auf den\nMietvertrag Bezug genommen (AH Klagerin Anlage K 1). Eine derartige Anlage\ndarf erst dann betrieben werden, wenn die so genannte Standortbescheinigung\nder Regulierungsbehorde fur Telekommunikation und Post vorliegt, die nur\nerteilt werden darf, wenn die Grenzwerte der 26. BImSchV eingehalten werden;\ndiese Standortbescheinigung liegt im vorliegenden Fall vor. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Vor Vertragsabschluss hatte im Ausschuss fur Umwelt und Technik des\nGemeinderates der Beklagten am 19.07.2000 und 13.09.2000 jeweils eine\nDiskussion uber das Vorhaben stattgefunden (AH Beklagte Anlage B 1); am\n18.10.2000 hatte der Gemeinderat die Verwaltung mit dem Abschluss des\nMietvertrages beauftragt (AH Beklagte Anlage B 2). \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Nachdem in der Bevolkerung Widerstand gegen eine derartige Mobilfunkstation\nerkennbar wurde, kam es am 31.01.2001 zu einer Veranstaltung, bei der etwa 300\nBurger Gelegenheit zur Diskussion mit Vertretern der Klagerin hatten. Am\n25.04.2001 beauftragte der Gemeinderat der Beklagten die Gemeindeverwaltung\ndamit, mit der Klagerin abzuklaren, ob eine einvernehmliche Vertragsaufhebung\nmoglich sei. Die Beklagte wandte sich mit am 02.05.2001 bei der Klagerin\neingegangenem Schreiben an diese und bat um ein Gesprach (AH Klagerin Anlage K\n3). In einem Telefonat vom 16.05.2001 wurde der Beklagten von einem Vertreter\nder Klagerin mitgeteilt, dass die Klagerin auf einer Vertragsfortfuhrung\nbestehe. Die Beklagte erklarte daraufhin mit Schreiben vom 21.05.2001 (AH\nKlagerin Anlage K 4) die fristlose Kundigung, fursorglich Anfechtung des\nFreiflachen-Mietvertrages. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Nachdem die Beklagte den Antrag der Klagerin auf Erteilung einer\nBaugenehmigung fur ihr Vorhaben abgelehnt hatte, wurde sie mit Urteil des\nVerwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16.04.2003 verpflichtet, uber den Antrag der\nKlagerin auf Erteilung einer Baugenehmigung unter Beachtung der\nRechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (AH Klagerin Anlage K 2);\nder Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil wurde vom\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg abgelehnt (AH Klagerin Anlage K 6). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Schreiben vom 14.01.2005 (AH Klagerin Anlage K 8) ließ die Beklagte der\nKlagerin mitteilen, dass sie an ihrer Auffassung zur Wirksamkeit der Kundigung\ndes Mietvertrages festhalte. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klagerin ist der Auffassung, der zwischen ihr und der Beklagten\ngeschlossene Mietvertrag bestehe nach wie vor und tragt hierzu vor, weder die\nAnfechtung noch die Kundigung der Beklagten seien berechtigt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die gesundheitlichen Bedenken der Beklagten seien vollig unbegrundet. Bei\nEinhaltung der Grenzwerte des 26. BImSchV fur hochfrequente elektromagnetische\nStrahlung konnten Gesundheitsbeeintrachtigungen nach dem aktuellen Stand der\nWissenschaft ausgeschlossen werden (vgl. Empfehlung der\nStrahlenschutzkommission vom 13./14.09.2001 AH Klagerin Anlage K 9). Dabei\nhatten bei den Grenzwerten insbesondere auch die athermischen Wirkungen\nBerucksichtigung gefunden (AH Klagerin Anlage K 9 Seite 5). Mangels\nGefahrdungspotenziales habe sie daher auch nicht uber nichtbestehende Risiken\naufklaren mussen und konnen. Soweit in der Bevolkerung allgemein eine\nVerunsicherung uber mogliche Gesundheitsgefahren bestanden habe, sei der\nBeklagten dies selbst bekannt gewesen. Diese habe vor Abschluss des\nMietvertrages selbst in ihren Gremien uber die Gefahrlichkeit bzw.\nUngefahrlichkeit einer Mobilfunkanlage diskutiert, dabei sei der Beklagten -\nunstreitig - positiv bekannt gewesen, dass sich Burgerproteste zur\nVerhinderung einer derartigen Anlage in der Nachbargemeinde S. gebildet\nhatten. Damit liege weder ein wichtiger Grund fur die von der Beklagten\nerklarte fristlose Kundigung noch ein Anfechtungsgrund vor. Ein Irrtum der\nBeklagten konne bereits deshalb nicht bejaht werden, weil die Beklagte uber\nden beabsichtigten Betrieb einer Mobilfunksendeanlage ausfuhrlich in ihren\nGremien diskutiert habe. Das wissenschaftlich nicht belegbare Gefuhl einer\nGesundheitsbeeintrachtigung stelle keine verkehrswesentliche Eigenschaft im\nSinne des § 119 Abs. 2 BGB dar. Im Übrigen ware eine Anfechtung des Vertrages\nauch nicht unverzuglich im Sinne des § 121 BGB erfolgt, die Anfechtung sei\ndamit jedenfalls verfristet. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Vertrag auch nicht wegen\nSittenwidrigkeit nichtig. Die im Vertrag vorgesehenen Kundigungsmoglichkeiten\nseien in der Gesamtschau des Vertrages zu wurdigen, wobei zu berucksichtigen\nsei, dass der Aufbau einer derartigen Funkstation unter Errichtung eines\nSendemastes fur sie, die Klagerin, eine erhebliche Investition darstelle. Die\nKosten fur die Errichtung (ohne Technikeinheit und ohne Kosten fur die\nStromleitungsverlegung) wurden sich auf ca. EUR 120.000,00 belaufen, die\ngeschatzten Ruckbaukosten bei Beendigung des Vertrages auf etwa EUR 96.000,00.\nDahingegen musse die Beklagte keinerlei Investitionen tatigen. Nur durch die\nMindestlaufzeit konne fur sie die notwendige Planungssicherheit, die auf Grund\nder Investitionen zwingend erforderlich sei, hergestellt werden. Auch der\nvereinbarte Mietzins sei keineswegs unangemessen. Daruber hinaus habe sich die\nBeklagte selbst vor Vertragsabschluss intensiv mit den ublichen Mietpreisen\nauseinandergesetzt. Da die Flache mit einem Wasserhochbehalter bebaut sei,\nkomme auch jede anderweitige wirtschaftliche Verwertung fur die Beklagte\nschlicht nicht in Betracht. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Klagerin beantragt: \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende\nMietverhaltnis uber das Grundstuck in 76337 W.- E., Gemarkung E., Flurstuck\nNr. .../1, eingetragen im Grundbuch von W.- E., Blatt..., gemaß Mietvertrag\nvom 02.11.2000/17.11.2000 nicht durch die Kundigung und Anfechtung der\nBeklagten vom 21.05.2001 beendet wurde, sondern unverandert fortbesteht. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt: \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klage wird abgewiesen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagte ist der Auffassung, zwischen ihr und der Klagerin bestunde\nkein wirksamer Mietvertrag (mehr) und tragt hierzu vor, \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| der Vertrag sei bereits wegen Sittenwidrigkeit nichtig, da er von einer\nmassiven Benachteiligung zu ihren Lasten als Vermieterin gepragt sei. Dies\ndrucke sich insbesondere in den Regelungen zur ordentlichen Kundigung des\nVertrages in Zusammenhang mit der in § 4 normierten Vertragsdauer aus. Auf\nGrund des massiven Missverhaltnisses zur Frage der Kundigungsmoglichkeiten zu\nihren Lasten sei von einer Knebelung durch die Klagerin auszugehen. Auch der\nin § 3 vorgesehene Mietzins fuhre bereits fur sich allein, jedenfalls im\nZusammenspiel mit der eingeschrankten Kundigungsmoglichkeit zur\nSittenwidrigkeit des Vertrages. Der angemessene Mietzins fur eine derartige\nMietflache von 100 m² belaufe sich mindestens auf EUR 8.000,00 jahrlich, auf\nGrund des groben Missverhaltnisses zum vertraglich vereinbarten Mietzins von\nEUR 3.834,69 sei der Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung der Klagerin\ngerechtfertigt. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Vertrag sei von ihr daruber hinaus wirksam angefochten worden. Eine\nausfuhrliche Diskussion uber im Zusammenhang mit der Errichtung und dem\nBetrieb des Antennenmastes stehende Gefahren habe nicht stattgefunden, sie sei\nvon der Klagerin auch nicht uber derartige Gefahren informiert bzw. aufgeklart\nworden. Lediglich peripher sei uber Gesundheitsfragen diskutiert worden, die\nDiskussion sei jedoch unter Hinweis auf die bei dem Betrieb eingehaltenen\nGrenzschutzwerte nicht weiter vertieft worden. Die von dem Betrieb ausgehenden\nGesundheitsbeeintrachtigungen stellten eine verkehrswesentliche Eigenschaft im\nSinne von § 119 Abs. 2 BGB dar. In Kenntnis aller erforderlichen Informationen\nuber denkbare thermische und athermische Effekte von Mobilfunksendeanlagen\nhatte sie angesichts ihrer Pflicht zum Schutz der korperlichen Unversehrtheit\nihrer Bewohner den Mietvertrag nicht abgeschlossen. Daruber hinaus habe die\nKlagerin sie durch Unterlassen getauscht, in dem sie den ihr obliegenden\nInformations- und Aufklarungspflichten arglistig nicht nachgekommen sei. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Jedenfalls sei der Vertrag von ihr wirksam fristlos gekundigt worden, wobei\nmehrere wichtige Grunde vorlagen: \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Unter Heranziehung der arbeitsrechtlichen Grundsatze von Druckkundigungen\nsei ihr aufgrund des erheblichen Drucks aus der Bevolkerung eine\nVertragsfortsetzung nicht zumutbar. Der Friede innerhalb der Gemeinde sei\ngefahrdet. Denn in E. habe sich - unstreitig - eine Burgerbewegung gegen die\nErrichtung der Anlage gebildet, eine Unterschriftenliste mit Kinderzeichnungen\n(AH Beklagte Anlage B 5) gegen die Anlage sei erstellt worden. Wahrend der\nerforderlichen Baumaßnahmen sei daher mit intensiven Demonstrationen und\nSitzblockaden zu rechnen, dies obwohl sie, die Beklagte, Versuche unternommen\nhabe, uber die geplante Baumaßnahme aufzuklaren. So seien beispielsweise\nSprechstunden durch ihren Burgermeister abgehalten worden, die zur Beruhigung\nder Lage hatten beitragen sollen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der der Klagerin obliegenden\nInformations- und Aufklarungspflichten bestehe ein Anspruch auf\nRuckgangigmachung des nachteiligen Vertrages, da dieser bei pflichtgemaßer\nAufklarung nicht zustande gekommen ware. Soweit sich die Vertreter der\nKlagerin am 19.07.2000 nur sehr allgemein zum Thema Elektrosmog geaußert und\ngeflissentlich die Gefahren von thermischen und athermischen Wirkungen des\nMobilfunks verschwiegen hatten, sei sie dabei auch nicht daruber aufgeklart\nworden, dass es andern Orts sowie uberhaupt typischerweise regelmaßig im\nZusammenhang mit derartigen Mietvertragen wegen einer moglichen\nGesundheitsgefahrdung zu Diskussionen und Widerstanden aus der Bevolkerung\ngekommen sei bzw. komme. Hierauf hatte die Klagerin auf Grund ihres\nWissensvorsprunges aber hinweisen mussen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Schließlich halte sie nach wie vor daran fest, dass von dem Betrieb der\nAnlage Gesundheitsgefahren fur die Bevolkerung ausgingen, zumal in den\nimmissionsschutzrechtlichen Grenzwerten athermische Wirkungen entgegen der\nAuffassung der Klagerin gerade nicht berucksichtigt seien. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Unwirksamkeit des Mietvertrages ergebe sich schließlich unter dem\nGesichtspunkt des Wegfalls der Geschaftsgrundlage. Ihre Erwartung, der mit der\nKlagerin abgeschlossene Mietvertrag konne ohne Storung vollzogen werden, sei\nGegenstand der Geschaftsgrundlage geworden. Das Risiko einer erheblichen\nStorung des Vertrages infolge fehlender Aufklarung uber typischerweise\nauftretende Diskussionen hinsichtlich moglicher Gefahrenpotenziale, die sich\nzu einem massiven offentlichen Druck, wie vorliegend, steigern konnten, sei\ndabei der Sphare der Klagerin zuzuordnen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen\nauf den Inhalt der gewechselten Schriftsatze nebst allen Anlagen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 24 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Der zwischen den Parteien am 02.11.2000/17.11.2000 zustande gekommene\nMietvertrag uber das Wiesengrundstuck Jahnstraße in W.- E. ist wirksam und\nweder auf Grund der erklarten Anfechtung bzw. Kundigung der Beklagten noch aus\nsonstigen Grunden beendet worden. \n--- \n--- \nI. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, insbesondere ist das Feststellungsinteresse im\nSinne des § 256 Abs. 1 ZPO zu bejahen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Klagerin hat ein schutzwurdiges Interesse an der baldigen Feststellung\nder Wirksamkeit des Mietverhaltnisses, da die Beklagte diese ernstlich\nbestreitet. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet. Der zwischen den Parteien zustande gekommene\nFreiflachen-Mietvertrag ist wirksam und besteht fort. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| 1\\. Keine Sittenwidrigkeit \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Mietvertrag weder auf Grund\nder Regelungen zur Vertragsdauer und zu den Kundigungsmoglichkeiten noch auf\nGrund des vereinbarten Mietzinses wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemaß\n§ 138 Abs. 1 BGB nichtig. Es kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass\nder Inhalt des Mietvertrages mit grundlegenden Wertungen der Rechts- oder\nSittenordnung unvereinbar ist oder dass auf Grund einer Gesamtwurdigung des\nRechtsgeschaftes ein objektiver Sittenverstoß im Verhalten der Klagerin\ngegenuber der Beklagten liegt. \n--- \n--- \na) \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der das Schuldrecht bestimmende Grundsatz der allgemeinen Vertragsfreiheit\nermoglicht es grundsatzlich, auch rechtsgeschaftliche Bindungen uber einen\nlangen Zeitraum einzugehen, weshalb die vertraglich vorgesehene und zwischen\nden Parteien vereinbarte Laufzeit von 30 Jahren fur sich genommen auch unter\nBerucksichtigung der in § 544 BGB enthaltenen Wertung - nach dieser Bestimmung\nkann ein Mietvertrag der fur eine langere Zeit als 30 Jahre geschlossen ist,\nnach Ablauf von 30 Jahren nach Überlassung der Mietsache außerordentlich mit\ngesetzlicher Frist gekundigt werden - allein wegen der rechtsgeschaftlichen\nBindung uber einen langen Zeitraum rechtlich nicht zu beanstanden ist. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Grenzen der durch die langfristige Vertragsbindung und durch den\nAusschluss des Rechts zur ordentlichen Kundigung fur die Beklagte fur den\ngesamten Mietzeitraum von 30 Jahren bewirkten langfristigen Vertragsbindung,\ndie durch die guten Sitten § 138 BGB und den Grundsatz von Treu und Glauben §\n242 BGB gezogen werden, sind vorliegend unter Berucksichtigung und Abwagung\nder beiderseitigen Interessen eingehalten. Ein anerkennenswertes Interesse der\nBeklagten, nicht auf derart lange Dauer an einen Mietvertrag gebunden zu sein,\nware beispielsweise dann zu bejahen, wenn die Mietsache selbst einem schnellen\ntechnischen Wandel unterlage, was jedoch nicht der Fall ist. Die vorliegend\nfur die Beklagte allein in Betracht kommende Vermietung des Grundstucks -\nneben dem Verkauf des Anwesens, der der Beklagten jedoch nach wie vor moglich\nist - und ihre insoweit erfolgte Bindung an die Klagerin als Vertragspartnerin\nfuhrt weder dazu, dass die Beklagte der Klagerin wirtschaftlich ausgeliefert\nware noch dass sie in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit unzumutbar\nbeschrankt ware. Auf der anderen Seite sind im Rahmen der Abwagung der\nbeiderseitigen Interessen die fur den Betrieb der Mobilfunkanlage\nerforderlichen Investitionen der Klagerin - dass derartige Investitionen in\nnicht unbetrachtlichem Umfang uberhaupt erforderlich sind, wird von der\nBeklagten selbst nicht in Abrede gestellt -, um die Mobilfunkversorgung\nuberhaupt gewahrleisten zu konnen, und der technische Wandel gerade auf dem\nGebiet des Mobilfunks zu Gunsten der Klagerin einzubeziehen, wobei dieser\nGesichtspunkt daruber hinaus die der Klagerin eingeraumte\nKundigungsmoglichkeit nach Ablauf des 20. Vertragsjahres mit einer Frist von 6\nMonaten nachvollziehbar erscheinen lasst. Das durchaus legitime Interesse der\nKlagerin an einer langfristigen Bindung, eventuell vorzeitigen Beendigung des\nVertrages nach (immerhin) 20 Jahren und die damit einhergehende vertragliche\nBindung fur die Beklagte fuhrt damit insgesamt nicht zu einem fur die Beklagte\nnicht mehr hinnehmbaren Übermaß (vgl. BGH Urteil vom 26.04.1995, Az: VIII ZR\n124/94, zitiert nach Juris Nr. KORE321529500 ). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Frage, ob der Mietvertrag bei unterstellter ubermaßig langer Laufzeit\nin entsprechender Anwendung von § 139 BGB mit einer dem tatsachlichen oder\nvermuteten Parteiwillen entsprechenden geringeren Laufzeit aufrecht zu\nerhalten ware (vgl. hierzu BGH Urteil vom 21.03.1990, Az: VIII ZR 49/89,\nzitiert nach Juris Nr. KORE302479001 ), kann damit dahinstehen. \n--- \n--- \nb) \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Eine Sittenwidrigkeit lasst sich auch nicht aus den Vereinbarungen zur\nMietzinshohe - insbesondere auch nicht im Zusammenwirken mit den unter a)\ndargelegten Vertragsbedingungen - begrunden. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Ein wucherahnliches Rechtsgeschaft im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB liegt vor,\nwenn Leistung und Gegenleistung in einem auffalligen Missverhaltnis stehen und\nweitere sittenwidrige Umstande hinzutreten, die zum Beispiel auf eine\nverwerfliche Gesinnung gegenuber dem Vertragspartner schließen lassen\n(Palandt, BGB, 64. Auflage, § 138 Rdnr. 34 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Behauptung der Beklagten, der jahrlich vereinbarte Mietzins von DM\n7.5000,00/EUR 3.834,69, mit dem auch samtliche Neben- und Betriebskosten fur\ndas Grundstuck mit Ausnahme der Energiekosten abgedeckt sind, stunde in einem\nbesonders auffalligen Missverhaltnis zu dem mindestens sachgerechten Mietzins\nvon EUR 8.000,00 jahrlich, was fur eine verwerfliche Gesinnung der Klagerin\nspreche, bedarf keiner Überprufung zur Frage des angemessenen Mietzinses. Denn\nselbst wenn bei einem gewerblichen Miet- oder Pachtvertrag ein krasses\nMissverhaltnis zwischen dem vereinbarten Miet- oder Pachtzins und dem\nmarktublichen Miet- oder Pachtzins besteht, so rechtfertigt dies allein - wenn\nkeine weiteren fur ein sittenwidriges Verhalten sprechende Umstande\nhinzukommen - den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des objektiv\nBegunstigten regelmaßig nur dann, wenn fur ihn ohne weiteres erkennbar war,\nwie hoch der marktubliche Miet- oder Pachtzins in etwa sein durfte (BGH Urteil\nvom 13.06.2001, Az: XII ZR 49/99; BGH Urteil vom 10.10.2001, Az: XII ZR 93/99,\nzitiert nach Juris Nr. KORE710452001 ; BGH Urteil vom 31.10.2001, Az: XII ZR\n159/99, zitiert nach Juris Nr. KORE501842002 ). Dass der Klagerin ohne\nweiteres erkennbar gewesen ware, wie hoch der marktubliche Mietzins fur eine\nderartige Flache in etwa sein durfte, lasst sich dem Vorbringen der Beklagten\nnicht entnehmen. Dabei ist insbesondere zu berucksichtigen, dass die Beklagte\nselbst, wie aus dem vorgelegten Protokoll der Sitzung des Gemeinderates vom\n18.10.2000 ersichtlich, entsprechende Umfragen zur Mietzinshohe durchgefuhrt\nhatte. Ausweislich des Protokolls hat sich der Verwaltungssprecher in dieser\nSitzung dahingehend geaußert, dass nach aktuellen Umfragen mit Stand vom\n31.08.2000 durchschnittlich ein Betrag von DM 6.000,00 bezahlt werde. Da das\nAngebot der Klagerin, das ursprunglich bei DM 4.000,00 lag, fur zu niedrig\nerachtet wurde, sollte der Verwaltung der Beklagten aufgegeben werden, uber\neinen Mietzins von DM 7.500,00 zzgl. DM 1.000,00 fur jeden weiteren\nUntermieter - wie letztlich auch vertraglich vereinbart - zu verhandeln. Wie\nder Klagerin damit ein behauptetes Abweichen vom angemessenen Mietzins hatte\nerkennbar sein sollen, wenn selbst die Recherchen der Beklagten zu einem -\ngegenuber dem spater vertraglich vereinbarten Mietzins - geringeren Mietzins\ngefuhrt haben, ist nicht erkennbar. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Daruber hinaus ist zu berucksichtigen, dass es sich bei der Beklagten um\neine mit entsprechend sachkundigem Fachpersonal besetzte offentlich-rechtliche\nKorperschaft handelt, was ebenso wie bei einem Vollkaufmann als\nBenachteiligtem zu der widerleglichen Vermutung fuhren durfte, dass der\nBegunstigte, hier die Klagerin, nicht in verwerflicher Weise eine personliche\noder geschaftliche Unterlegenheit des Benachteiligten, hier der Beklagten,\nausgenutzt hat, so dass eine verwerfliche Gesinnung im Sinne des § 138 Abs. 1\nBGB nicht bereits auf Grund eines auffalligen Missverhaltnisses von Leistung\nund Gegenleistung festgestellt werden konnte (vgl. hierzu BGH Urteil vom\n06.05.2003, Az: XI ZR 226/02, zitiert nach Juris KORE313062003 ). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Letztlich stunde einem derartigen Schluss vom Vorliegen einer besonders\ngroben Äquivalenzstorung auf eine subjektiv unlautere Ausnutzung auch der\nrelativ geringe Wert des vereinbarten bzw. behaupteten angemessenen Mietzinses\n(ca. EUR 4.000,00 zu EUR 8.000,00) entgegen. Denn die Unterschreitung bzw.\nÜberschreitung des Mietzinses um die Halfte bzw. das Doppelte - wie vorliegend\nvon der Beklagten geltend gemacht - ist um so weniger aussagekraftig, je\ngeringer der absolute Wert ist (vgl. hierzu BGH Urteil vom 27.09.2002, Az: V\nZR 218/01, zitiert nach Juris Nr. KORE310812002 ). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| 2\\. Keine wirksame Anfechtung \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Die von der Beklagten mit Schreiben vom 21.05.2001 erklarte Anfechtung\nihrer auf den Abschluss des Mietvertrages gerichteten Willenserklarung greift\nnicht durch. \n--- \n--- \na) \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Ein Anfechtungsgrund gemaß § 119 Abs. 2 BGB scheidet aus. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Nach § 119 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB kann eine Willenserklarung bei einem\nIrrtum uber Eigenschaften der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen\nwerden, angefochten werden. Eine tatsachlich bestehende und von der\nMobilfunksendeanlage ausgehende Gesundheitsgefahr kann vorliegend nicht als\nverkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB angenommen\nwerden, denn nach dem derzeitigen Stand von Wissenschaft und Technik sind\nGesundheitsgefahren bei Einhaltung der Werte nach der 26. BImSchV gerade nicht\nbelegbar (vgl. Urteil des VG Karlsruhe AH Klagerin Anlage K 2 mit zahlreichen\nweiteren Nachweisen; BGH Urteil vom 13.02.2004, Az: V ZR 218/03 AH Klagerin\nAnlage K 10). Soweit die Beklagte gleichwohl tatsachliche Gesundheitsgefahren\nbehauptet, ist ihrem Antrag auf Einholung eines Sachverstandigengutachtens\nnicht nachzugehen, da es an der erforderlichen Substanziierung fehlt, worauf\ndie Beklagte hingewiesen wurde, ohne dass erganzender Vortrag hierzu erfolgt\nware. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Daruber hinaus ware die mit Schreiben vom 21.05.2001 erklarte Anfechtung\nauch nicht unverzuglich im Sinne des § 121 Abs. 1 BGB erfolgt. Die Beklagte\nhat selbst vorgetragen, dass ihr bereits unter dem 31.01.2001 auf Grund\nentsprechender Proteste aus der Bevolkerung Unterschriftenlisten und ahnliches\nvorgelegt wurden. Dass der Beklagten trotz der an sie herangetragenen Bedenken\naus der Gemeinde, die sich gerade mit moglichen Gesundheitsgefahren befassten,\nerst nahezu vier Monate spater der behauptete Anfechtungsgrund bekannt gewesen\nsein sollte, kann nicht angenommen werden. \n--- \n--- \nb) \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Auch eine arglistige Tauschung der Klagerin im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB\ndurch Unterlassen kann nicht festgestellt werden. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Klagerin nicht zu einer\nweitergehenden Aufklarung bzw. umfassenden Information uber in der\nÖffentlichkeit diskutierte, wissenschaftlich jedoch nicht belegbare\nGesundheitsgefahren verpflichtet. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Aus dem vorgelegten Auszug des Protokolls der Ausschusssitzung vom\n19.07.2000 ergibt sich, dass in Anwesenheit eines Vertreters der Klagerin auf\nDiskussionen in der Öffentlichkeit uber Gesundheitsfragen verwiesen wurde.\nMangels begrundeter wissenschaftlicher Erkenntnisse uber bestehende\nGesundheitsgefahren, sofern die Voraussetzung der Einhaltung der Grenzwerte\n26. BImSchV erfullt ist, war von der Klagerin keine Aufklarung uber mogliche\nGesundheitsgefahren, die gerade nicht belegt sind, geschuldet, zumal derartige\nDiskussionen auch bereits im Jahre 2000 (wie in den Jahren zuvor) in der\nÖffentlichkeit und in der Presse gefuhrt wurden und der Beklagten kaum\nverborgen geblieben sein konnen. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| 3\\. Keine wirksame fristlose Kundigung \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Beklagte war nicht nach § 543 BGB berechtigt, den Mietvertrag aus\nwichtigem Grund außerordentlich fristlos zu kundigen. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Nach § 543 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhaltnis aus\nwichtigem Grund außerordentlich fristlos kundigen. Ein wichtiger Grund liegt\nnach Satz 2 der Vorschrift vor, wenn dem Kundigenden unter Berucksichtigung\naller Umstande des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der\nVertragsparteien, und unter Abwagung der beiderseitigen Interessen die\nFortsetzung des Mietverhaltnisses bis zum Ablauf der Kundigungsfrist oder bis\nzur sonstigen Beendigung des Mietverhaltnisses nicht zugemutet werden kann.\nEin derartiger wichtiger Grund kann vorliegend nicht festgestellt werden. \n--- \n--- \na) \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Die von der Beklagten behaupteten Gesundheitsgefahrdungen der Bevolkerung\nkonnen, da es fur derartige Gefahren keine zureichenden tatsachlichen\nAnhaltspunkte gibt, nicht als wichtiger Grund angesehen werden. Wie bereits\nvom Bundesgerichtshof im Urteil vom 13.02.2004 (Az. V ZR 218/03) festgestellt,\nberucksichtigen die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte sowohl die\nthermischen als auch die athermischen Effekte elektromagnetischer Felder. Dass\nbei Einhaltung der durch die 26. BImSchV gesetzten Grenzwerte gleichwohl ein\nGefahrdungspotenzial vorhanden ist, ist von der Beklagten nicht substanziiert\ndargetan und auch nicht erkennbar; dass Schaden moglich sind, d.h. nicht\nausgeschlossen werden konnen, mag zutreffen, reicht allerdings nicht aus, um\neine Kundigung wegen tatsachlich bestehender Gesundheitsgefahren zu\nrechtfertigen. Dadurch wird die Beklagte auch nicht rechtlos gestellt. Denn\nsollten sich im Verlaufe des Mietverhaltnisses auf Grund weitergehender\nForschungserkenntnisse doch noch Gesundheitsgefahren trotz Einhaltung der\nGrenzwerte herausstellen, obliegt der Klagerin als Nebenpflicht aus dem\nMietvertrag die Pflicht zur Unterlassung bzw. Beseitigung der von der Anlage\nausgehender Gefahren; kame die Klagerin dieser Pflicht nicht nach, ware die\nBeklagte selbstverstandlich zur fristlosen Kundigung des Mietverhaltnisses\nberechtigt. \n--- \n--- \nb) \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Die außerordentliche fristlose Kundigung ist auch weder unter\nBerucksichtigung des Protestes der Bevolkerung noch wegen Verletzung\nvorvertraglicher Informations- und Aufklarungspflichten berechtigt. Auch\nbesteht kein Anspruch der Beklagten auf Ruckgangigmachung des Vertrages wegen\nVerletzung vertraglicher Aufklarungspflichten. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass Parteien, die bei\nVertragsverhandlungen notwendigerweise entgegengesetzte Interessen verfolgen,\nsich grundsatzlich jeweils selbst uber die sie betreffenden allgemeinen\nVerhaltnisse und eventuellen Risiken informieren mussen. Eine\nInformationspflicht kann ausnahmsweise nur bzgl. solcher Umstande angenommen\nwerden, die erkennbar fur den Entschluss des anderen Teils von besonderer\nBedeutung sind, was insbesondere dort bejaht wird, wo der andere Teil\nbesonders schutzbedurftig erscheint, was sich z.B. aus einem bestehenden\nInformationsgefalle ergeben kann. Die Beklagte kann vorliegend nicht ernsthaft\ndamit gehort werden, dass ihr im Jahr 2000 die Diskussionen in der\nÖffentlichkeit uber mogliche Gesundheitsgefahren unbekannt gewesen waren. Dies\nerscheint bereits durch das zitierte Protokoll der Ausschusssitzung vom\n19.07.2000 widerlegt. Da die Beklagte als Gemeinde uber entsprechendes\nFachpersonal verfugt, kann von einem Informationsgefalle nicht ausgegangen\nwerden. Dies gilt auch im Hinblick auf die von der Beklagten angefuhrten\nallgemeinen Widerstande seitens der Bevolkerung gegen derartige Vorhaben der\nKlagerin. Denn der Beklagten war gerade aus der Nachbargemeinde S. bekannt,\ndass dort eine Burgerinitiative einen Standort zur Aufstellung eines\nFunkantennenmastes verhindert hatte (vgl. Protokoll der Ausschusssitzung vom\n19.07.2000). Das Entstehen einer Burgerbewegung und die sich daraus fur die\npolitisch Handelnden ergebenden Schwierigkeiten bei Einhaltung des\nMietvertrages mit der Klagerin rechtfertigen jedoch keine außerordentliche\nKundigung, sondern beruhen auf einer offensichtlichen Fehleinschatzung der\npolitischen Dimension der Frage und der sich daraus ergeben Folgen fur die\nGemeinde (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.03.1994, Az: 7 U 270/93). Das\nRisiko einer falschen Einschatzung der politischen Auswirkungen der von der\nBeklagten getroffenen Entscheidung gehort zu ihrem eigenen Verantwortungs- und\nRisikobereich, die sie nicht mit Hilfe von Aufklarungspflichten auf die\nKlagerin als Vertragspartnerin abwalzen kann. Dass der Beklagten auf Grund\ndieser Umstande ein Festhalten am Vertrag unmoglich gemacht wird, trifft nicht\nzu. Es ist der Beklagten zuzumuten, im Rahmen der Rechtsordnung und der ihr\ndurch diese eingeraumten Moglichkeiten die Erfullung des Vertrages zu\nermoglichen und auf die Burger der Gemeinde entsprechend einzuwirken. Es kann\nder Beklagten auch nicht zugestimmt werden, dass sie durch die Abhaltung von\nBurgersprechstunden des Burgermeisters alles getan habe, um „maßigend" auf\nihre besorgten Gemeindeburger einzuwirken. Denn im Rahmen der mundlichen\nVerhandlung wurde von den Parteien ubereinstimmend vorgetragen, dass der\njetzige Burgermeister E. bei der Veranstaltung am 31.01.2001, zu dem Zeitpunkt\nnoch als Burgermeister-Kandidat, mit dem Versprechen aufgetreten ist, dass es\nmit ihm keine Mobilfunkanlage in der Gemeinde geben werde. Nachdem die\nBeklagte - mit ihrem jetzigen Burgermeister - bis heute die Auffassung\nvertritt, auf Grund bestehender Gesundheitsgefahren die Durchfuhrung des\nVertrages verweigern zu konnen, erscheint es sogar wahrscheinlicher, dass sich\nder Protest innerhalb der Bevolkerung, da von der Verwaltungsspitze\nmitgetragen, noch verstarkt hat. Jedenfalls ist die dadurch entstandene\npolitische Situation dem Risikobereich der Beklagten zuzuordnen, so dass auch\njegliche Anspruche wegen Storung der Geschaftsgrundlage im Sinne von § 313\nBGB, ohne dass die Frage der Anwendbarkeit hier geklart werden musste,\nausscheiden. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, diejenige uber die vorlaufige\nVollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Der Gebuhrenstreitwert wird gemaß § 41 Abs. 1 GKG auf EUR 3.834,69\nfestgesetzt. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 24 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Der zwischen den Parteien am 02.11.2000/17.11.2000 zustande gekommene\nMietvertrag uber das Wiesengrundstuck Jahnstraße in W.- E. ist wirksam und\nweder auf Grund der erklarten Anfechtung bzw. Kundigung der Beklagten noch aus\nsonstigen Grunden beendet worden. \n--- \n--- \nI. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, insbesondere ist das Feststellungsinteresse im\nSinne des § 256 Abs. 1 ZPO zu bejahen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Klagerin hat ein schutzwurdiges Interesse an der baldigen Feststellung\nder Wirksamkeit des Mietverhaltnisses, da die Beklagte diese ernstlich\nbestreitet. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet. Der zwischen den Parteien zustande gekommene\nFreiflachen-Mietvertrag ist wirksam und besteht fort. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| 1\\. Keine Sittenwidrigkeit \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Mietvertrag weder auf Grund\nder Regelungen zur Vertragsdauer und zu den Kundigungsmoglichkeiten noch auf\nGrund des vereinbarten Mietzinses wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemaß\n§ 138 Abs. 1 BGB nichtig. Es kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass\nder Inhalt des Mietvertrages mit grundlegenden Wertungen der Rechts- oder\nSittenordnung unvereinbar ist oder dass auf Grund einer Gesamtwurdigung des\nRechtsgeschaftes ein objektiver Sittenverstoß im Verhalten der Klagerin\ngegenuber der Beklagten liegt. \n--- \n--- \na) \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der das Schuldrecht bestimmende Grundsatz der allgemeinen Vertragsfreiheit\nermoglicht es grundsatzlich, auch rechtsgeschaftliche Bindungen uber einen\nlangen Zeitraum einzugehen, weshalb die vertraglich vorgesehene und zwischen\nden Parteien vereinbarte Laufzeit von 30 Jahren fur sich genommen auch unter\nBerucksichtigung der in § 544 BGB enthaltenen Wertung - nach dieser Bestimmung\nkann ein Mietvertrag der fur eine langere Zeit als 30 Jahre geschlossen ist,\nnach Ablauf von 30 Jahren nach Überlassung der Mietsache außerordentlich mit\ngesetzlicher Frist gekundigt werden - allein wegen der rechtsgeschaftlichen\nBindung uber einen langen Zeitraum rechtlich nicht zu beanstanden ist. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Grenzen der durch die langfristige Vertragsbindung und durch den\nAusschluss des Rechts zur ordentlichen Kundigung fur die Beklagte fur den\ngesamten Mietzeitraum von 30 Jahren bewirkten langfristigen Vertragsbindung,\ndie durch die guten Sitten § 138 BGB und den Grundsatz von Treu und Glauben §\n242 BGB gezogen werden, sind vorliegend unter Berucksichtigung und Abwagung\nder beiderseitigen Interessen eingehalten. Ein anerkennenswertes Interesse der\nBeklagten, nicht auf derart lange Dauer an einen Mietvertrag gebunden zu sein,\nware beispielsweise dann zu bejahen, wenn die Mietsache selbst einem schnellen\ntechnischen Wandel unterlage, was jedoch nicht der Fall ist. Die vorliegend\nfur die Beklagte allein in Betracht kommende Vermietung des Grundstucks -\nneben dem Verkauf des Anwesens, der der Beklagten jedoch nach wie vor moglich\nist - und ihre insoweit erfolgte Bindung an die Klagerin als Vertragspartnerin\nfuhrt weder dazu, dass die Beklagte der Klagerin wirtschaftlich ausgeliefert\nware noch dass sie in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit unzumutbar\nbeschrankt ware. Auf der anderen Seite sind im Rahmen der Abwagung der\nbeiderseitigen Interessen die fur den Betrieb der Mobilfunkanlage\nerforderlichen Investitionen der Klagerin - dass derartige Investitionen in\nnicht unbetrachtlichem Umfang uberhaupt erforderlich sind, wird von der\nBeklagten selbst nicht in Abrede gestellt -, um die Mobilfunkversorgung\nuberhaupt gewahrleisten zu konnen, und der technische Wandel gerade auf dem\nGebiet des Mobilfunks zu Gunsten der Klagerin einzubeziehen, wobei dieser\nGesichtspunkt daruber hinaus die der Klagerin eingeraumte\nKundigungsmoglichkeit nach Ablauf des 20. Vertragsjahres mit einer Frist von 6\nMonaten nachvollziehbar erscheinen lasst. Das durchaus legitime Interesse der\nKlagerin an einer langfristigen Bindung, eventuell vorzeitigen Beendigung des\nVertrages nach (immerhin) 20 Jahren und die damit einhergehende vertragliche\nBindung fur die Beklagte fuhrt damit insgesamt nicht zu einem fur die Beklagte\nnicht mehr hinnehmbaren Übermaß (vgl. BGH Urteil vom 26.04.1995, Az: VIII ZR\n124/94, zitiert nach Juris Nr. KORE321529500 ). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Frage, ob der Mietvertrag bei unterstellter ubermaßig langer Laufzeit\nin entsprechender Anwendung von § 139 BGB mit einer dem tatsachlichen oder\nvermuteten Parteiwillen entsprechenden geringeren Laufzeit aufrecht zu\nerhalten ware (vgl. hierzu BGH Urteil vom 21.03.1990, Az: VIII ZR 49/89,\nzitiert nach Juris Nr. KORE302479001 ), kann damit dahinstehen. \n--- \n--- \nb) \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Eine Sittenwidrigkeit lasst sich auch nicht aus den Vereinbarungen zur\nMietzinshohe - insbesondere auch nicht im Zusammenwirken mit den unter a)\ndargelegten Vertragsbedingungen - begrunden. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Ein wucherahnliches Rechtsgeschaft im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB liegt vor,\nwenn Leistung und Gegenleistung in einem auffalligen Missverhaltnis stehen und\nweitere sittenwidrige Umstande hinzutreten, die zum Beispiel auf eine\nverwerfliche Gesinnung gegenuber dem Vertragspartner schließen lassen\n(Palandt, BGB, 64. Auflage, § 138 Rdnr. 34 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Behauptung der Beklagten, der jahrlich vereinbarte Mietzins von DM\n7.5000,00/EUR 3.834,69, mit dem auch samtliche Neben- und Betriebskosten fur\ndas Grundstuck mit Ausnahme der Energiekosten abgedeckt sind, stunde in einem\nbesonders auffalligen Missverhaltnis zu dem mindestens sachgerechten Mietzins\nvon EUR 8.000,00 jahrlich, was fur eine verwerfliche Gesinnung der Klagerin\nspreche, bedarf keiner Überprufung zur Frage des angemessenen Mietzinses. Denn\nselbst wenn bei einem gewerblichen Miet- oder Pachtvertrag ein krasses\nMissverhaltnis zwischen dem vereinbarten Miet- oder Pachtzins und dem\nmarktublichen Miet- oder Pachtzins besteht, so rechtfertigt dies allein - wenn\nkeine weiteren fur ein sittenwidriges Verhalten sprechende Umstande\nhinzukommen - den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des objektiv\nBegunstigten regelmaßig nur dann, wenn fur ihn ohne weiteres erkennbar war,\nwie hoch der marktubliche Miet- oder Pachtzins in etwa sein durfte (BGH Urteil\nvom 13.06.2001, Az: XII ZR 49/99; BGH Urteil vom 10.10.2001, Az: XII ZR 93/99,\nzitiert nach Juris Nr. KORE710452001 ; BGH Urteil vom 31.10.2001, Az: XII ZR\n159/99, zitiert nach Juris Nr. KORE501842002 ). Dass der Klagerin ohne\nweiteres erkennbar gewesen ware, wie hoch der marktubliche Mietzins fur eine\nderartige Flache in etwa sein durfte, lasst sich dem Vorbringen der Beklagten\nnicht entnehmen. Dabei ist insbesondere zu berucksichtigen, dass die Beklagte\nselbst, wie aus dem vorgelegten Protokoll der Sitzung des Gemeinderates vom\n18.10.2000 ersichtlich, entsprechende Umfragen zur Mietzinshohe durchgefuhrt\nhatte. Ausweislich des Protokolls hat sich der Verwaltungssprecher in dieser\nSitzung dahingehend geaußert, dass nach aktuellen Umfragen mit Stand vom\n31.08.2000 durchschnittlich ein Betrag von DM 6.000,00 bezahlt werde. Da das\nAngebot der Klagerin, das ursprunglich bei DM 4.000,00 lag, fur zu niedrig\nerachtet wurde, sollte der Verwaltung der Beklagten aufgegeben werden, uber\neinen Mietzins von DM 7.500,00 zzgl. DM 1.000,00 fur jeden weiteren\nUntermieter - wie letztlich auch vertraglich vereinbart - zu verhandeln. Wie\nder Klagerin damit ein behauptetes Abweichen vom angemessenen Mietzins hatte\nerkennbar sein sollen, wenn selbst die Recherchen der Beklagten zu einem -\ngegenuber dem spater vertraglich vereinbarten Mietzins - geringeren Mietzins\ngefuhrt haben, ist nicht erkennbar. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Daruber hinaus ist zu berucksichtigen, dass es sich bei der Beklagten um\neine mit entsprechend sachkundigem Fachpersonal besetzte offentlich-rechtliche\nKorperschaft handelt, was ebenso wie bei einem Vollkaufmann als\nBenachteiligtem zu der widerleglichen Vermutung fuhren durfte, dass der\nBegunstigte, hier die Klagerin, nicht in verwerflicher Weise eine personliche\noder geschaftliche Unterlegenheit des Benachteiligten, hier der Beklagten,\nausgenutzt hat, so dass eine verwerfliche Gesinnung im Sinne des § 138 Abs. 1\nBGB nicht bereits auf Grund eines auffalligen Missverhaltnisses von Leistung\nund Gegenleistung festgestellt werden konnte (vgl. hierzu BGH Urteil vom\n06.05.2003, Az: XI ZR 226/02, zitiert nach Juris KORE313062003 ). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Letztlich stunde einem derartigen Schluss vom Vorliegen einer besonders\ngroben Äquivalenzstorung auf eine subjektiv unlautere Ausnutzung auch der\nrelativ geringe Wert des vereinbarten bzw. behaupteten angemessenen Mietzinses\n(ca. EUR 4.000,00 zu EUR 8.000,00) entgegen. Denn die Unterschreitung bzw.\nÜberschreitung des Mietzinses um die Halfte bzw. das Doppelte - wie vorliegend\nvon der Beklagten geltend gemacht - ist um so weniger aussagekraftig, je\ngeringer der absolute Wert ist (vgl. hierzu BGH Urteil vom 27.09.2002, Az: V\nZR 218/01, zitiert nach Juris Nr. KORE310812002 ). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| 2\\. Keine wirksame Anfechtung \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Die von der Beklagten mit Schreiben vom 21.05.2001 erklarte Anfechtung\nihrer auf den Abschluss des Mietvertrages gerichteten Willenserklarung greift\nnicht durch. \n--- \n--- \na) \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Ein Anfechtungsgrund gemaß § 119 Abs. 2 BGB scheidet aus. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Nach § 119 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB kann eine Willenserklarung bei einem\nIrrtum uber Eigenschaften der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen\nwerden, angefochten werden. Eine tatsachlich bestehende und von der\nMobilfunksendeanlage ausgehende Gesundheitsgefahr kann vorliegend nicht als\nverkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB angenommen\nwerden, denn nach dem derzeitigen Stand von Wissenschaft und Technik sind\nGesundheitsgefahren bei Einhaltung der Werte nach der 26. BImSchV gerade nicht\nbelegbar (vgl. Urteil des VG Karlsruhe AH Klagerin Anlage K 2 mit zahlreichen\nweiteren Nachweisen; BGH Urteil vom 13.02.2004, Az: V ZR 218/03 AH Klagerin\nAnlage K 10). Soweit die Beklagte gleichwohl tatsachliche Gesundheitsgefahren\nbehauptet, ist ihrem Antrag auf Einholung eines Sachverstandigengutachtens\nnicht nachzugehen, da es an der erforderlichen Substanziierung fehlt, worauf\ndie Beklagte hingewiesen wurde, ohne dass erganzender Vortrag hierzu erfolgt\nware. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Daruber hinaus ware die mit Schreiben vom 21.05.2001 erklarte Anfechtung\nauch nicht unverzuglich im Sinne des § 121 Abs. 1 BGB erfolgt. Die Beklagte\nhat selbst vorgetragen, dass ihr bereits unter dem 31.01.2001 auf Grund\nentsprechender Proteste aus der Bevolkerung Unterschriftenlisten und ahnliches\nvorgelegt wurden. Dass der Beklagten trotz der an sie herangetragenen Bedenken\naus der Gemeinde, die sich gerade mit moglichen Gesundheitsgefahren befassten,\nerst nahezu vier Monate spater der behauptete Anfechtungsgrund bekannt gewesen\nsein sollte, kann nicht angenommen werden. \n--- \n--- \nb) \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Auch eine arglistige Tauschung der Klagerin im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB\ndurch Unterlassen kann nicht festgestellt werden. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Klagerin nicht zu einer\nweitergehenden Aufklarung bzw. umfassenden Information uber in der\nÖffentlichkeit diskutierte, wissenschaftlich jedoch nicht belegbare\nGesundheitsgefahren verpflichtet. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Aus dem vorgelegten Auszug des Protokolls der Ausschusssitzung vom\n19.07.2000 ergibt sich, dass in Anwesenheit eines Vertreters der Klagerin auf\nDiskussionen in der Öffentlichkeit uber Gesundheitsfragen verwiesen wurde.\nMangels begrundeter wissenschaftlicher Erkenntnisse uber bestehende\nGesundheitsgefahren, sofern die Voraussetzung der Einhaltung der Grenzwerte\n26. BImSchV erfullt ist, war von der Klagerin keine Aufklarung uber mogliche\nGesundheitsgefahren, die gerade nicht belegt sind, geschuldet, zumal derartige\nDiskussionen auch bereits im Jahre 2000 (wie in den Jahren zuvor) in der\nÖffentlichkeit und in der Presse gefuhrt wurden und der Beklagten kaum\nverborgen geblieben sein konnen. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| 3\\. Keine wirksame fristlose Kundigung \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Beklagte war nicht nach § 543 BGB berechtigt, den Mietvertrag aus\nwichtigem Grund außerordentlich fristlos zu kundigen. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Nach § 543 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhaltnis aus\nwichtigem Grund außerordentlich fristlos kundigen. Ein wichtiger Grund liegt\nnach Satz 2 der Vorschrift vor, wenn dem Kundigenden unter Berucksichtigung\naller Umstande des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der\nVertragsparteien, und unter Abwagung der beiderseitigen Interessen die\nFortsetzung des Mietverhaltnisses bis zum Ablauf der Kundigungsfrist oder bis\nzur sonstigen Beendigung des Mietverhaltnisses nicht zugemutet werden kann.\nEin derartiger wichtiger Grund kann vorliegend nicht festgestellt werden. \n--- \n--- \na) \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Die von der Beklagten behaupteten Gesundheitsgefahrdungen der Bevolkerung\nkonnen, da es fur derartige Gefahren keine zureichenden tatsachlichen\nAnhaltspunkte gibt, nicht als wichtiger Grund angesehen werden. Wie bereits\nvom Bundesgerichtshof im Urteil vom 13.02.2004 (Az. V ZR 218/03) festgestellt,\nberucksichtigen die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte sowohl die\nthermischen als auch die athermischen Effekte elektromagnetischer Felder. Dass\nbei Einhaltung der durch die 26. BImSchV gesetzten Grenzwerte gleichwohl ein\nGefahrdungspotenzial vorhanden ist, ist von der Beklagten nicht substanziiert\ndargetan und auch nicht erkennbar; dass Schaden moglich sind, d.h. nicht\nausgeschlossen werden konnen, mag zutreffen, reicht allerdings nicht aus, um\neine Kundigung wegen tatsachlich bestehender Gesundheitsgefahren zu\nrechtfertigen. Dadurch wird die Beklagte auch nicht rechtlos gestellt. Denn\nsollten sich im Verlaufe des Mietverhaltnisses auf Grund weitergehender\nForschungserkenntnisse doch noch Gesundheitsgefahren trotz Einhaltung der\nGrenzwerte herausstellen, obliegt der Klagerin als Nebenpflicht aus dem\nMietvertrag die Pflicht zur Unterlassung bzw. Beseitigung der von der Anlage\nausgehender Gefahren; kame die Klagerin dieser Pflicht nicht nach, ware die\nBeklagte selbstverstandlich zur fristlosen Kundigung des Mietverhaltnisses\nberechtigt. \n--- \n--- \nb) \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Die außerordentliche fristlose Kundigung ist auch weder unter\nBerucksichtigung des Protestes der Bevolkerung noch wegen Verletzung\nvorvertraglicher Informations- und Aufklarungspflichten berechtigt. Auch\nbesteht kein Anspruch der Beklagten auf Ruckgangigmachung des Vertrages wegen\nVerletzung vertraglicher Aufklarungspflichten. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass Parteien, die bei\nVertragsverhandlungen notwendigerweise entgegengesetzte Interessen verfolgen,\nsich grundsatzlich jeweils selbst uber die sie betreffenden allgemeinen\nVerhaltnisse und eventuellen Risiken informieren mussen. Eine\nInformationspflicht kann ausnahmsweise nur bzgl. solcher Umstande angenommen\nwerden, die erkennbar fur den Entschluss des anderen Teils von besonderer\nBedeutung sind, was insbesondere dort bejaht wird, wo der andere Teil\nbesonders schutzbedurftig erscheint, was sich z.B. aus einem bestehenden\nInformationsgefalle ergeben kann. Die Beklagte kann vorliegend nicht ernsthaft\ndamit gehort werden, dass ihr im Jahr 2000 die Diskussionen in der\nÖffentlichkeit uber mogliche Gesundheitsgefahren unbekannt gewesen waren. Dies\nerscheint bereits durch das zitierte Protokoll der Ausschusssitzung vom\n19.07.2000 widerlegt. Da die Beklagte als Gemeinde uber entsprechendes\nFachpersonal verfugt, kann von einem Informationsgefalle nicht ausgegangen\nwerden. Dies gilt auch im Hinblick auf die von der Beklagten angefuhrten\nallgemeinen Widerstande seitens der Bevolkerung gegen derartige Vorhaben der\nKlagerin. Denn der Beklagten war gerade aus der Nachbargemeinde S. bekannt,\ndass dort eine Burgerinitiative einen Standort zur Aufstellung eines\nFunkantennenmastes verhindert hatte (vgl. Protokoll der Ausschusssitzung vom\n19.07.2000). Das Entstehen einer Burgerbewegung und die sich daraus fur die\npolitisch Handelnden ergebenden Schwierigkeiten bei Einhaltung des\nMietvertrages mit der Klagerin rechtfertigen jedoch keine außerordentliche\nKundigung, sondern beruhen auf einer offensichtlichen Fehleinschatzung der\npolitischen Dimension der Frage und der sich daraus ergeben Folgen fur die\nGemeinde (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.03.1994, Az: 7 U 270/93). Das\nRisiko einer falschen Einschatzung der politischen Auswirkungen der von der\nBeklagten getroffenen Entscheidung gehort zu ihrem eigenen Verantwortungs- und\nRisikobereich, die sie nicht mit Hilfe von Aufklarungspflichten auf die\nKlagerin als Vertragspartnerin abwalzen kann. Dass der Beklagten auf Grund\ndieser Umstande ein Festhalten am Vertrag unmoglich gemacht wird, trifft nicht\nzu. Es ist der Beklagten zuzumuten, im Rahmen der Rechtsordnung und der ihr\ndurch diese eingeraumten Moglichkeiten die Erfullung des Vertrages zu\nermoglichen und auf die Burger der Gemeinde entsprechend einzuwirken. Es kann\nder Beklagten auch nicht zugestimmt werden, dass sie durch die Abhaltung von\nBurgersprechstunden des Burgermeisters alles getan habe, um „maßigend" auf\nihre besorgten Gemeindeburger einzuwirken. Denn im Rahmen der mundlichen\nVerhandlung wurde von den Parteien ubereinstimmend vorgetragen, dass der\njetzige Burgermeister E. bei der Veranstaltung am 31.01.2001, zu dem Zeitpunkt\nnoch als Burgermeister-Kandidat, mit dem Versprechen aufgetreten ist, dass es\nmit ihm keine Mobilfunkanlage in der Gemeinde geben werde. Nachdem die\nBeklagte - mit ihrem jetzigen Burgermeister - bis heute die Auffassung\nvertritt, auf Grund bestehender Gesundheitsgefahren die Durchfuhrung des\nVertrages verweigern zu konnen, erscheint es sogar wahrscheinlicher, dass sich\nder Protest innerhalb der Bevolkerung, da von der Verwaltungsspitze\nmitgetragen, noch verstarkt hat. Jedenfalls ist die dadurch entstandene\npolitische Situation dem Risikobereich der Beklagten zuzuordnen, so dass auch\njegliche Anspruche wegen Storung der Geschaftsgrundlage im Sinne von § 313\nBGB, ohne dass die Frage der Anwendbarkeit hier geklart werden musste,\nausscheiden. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, diejenige uber die vorlaufige\nVollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Der Gebuhrenstreitwert wird gemaß § 41 Abs. 1 GKG auf EUR 3.834,69\nfestgesetzt. \n--- \n---\n\n
141,100
vg-sigmaringen-2005-07-14-4-k-74303
159
Verwaltungsgericht Sigmaringen
vg-sigmaringen
Sigmaringen
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 K 743/03
2005-07-14
2019-01-08 17:32:10
2019-01-17 12:01:16
Urteil
## Tenor\n\nDie Verfugung des Regierungsprasidiums Tubingen - Bezirksstelle fur Asyl - vom\n24. Marz 2003 wird aufgehoben.\n\nDer Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager setzt sich gegen seine Ausweisung und Abschiebung zur Wehr. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der am ... in K. in der Turkei geborene, ledige Klager, ein turkischer\nStaatsangehoriger, wuchs bis zu seinem 12. Lebensjahr mit einer alteren\nSchwester und zwei jungeren Brudern in der Turkei bei seiner Mutter auf. Sein\nseit ca. 28 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland berufstatiger Vater B. D.\nholte im Jahr 1992 zunachst den Klager und seine Schwester nach Deutschland.\nIm Jahr 1993 folgte die Mutter Z. D. mit den beiden Brudern. Die Familie\nwohnte bis 1.4.1999 in einer Obdachlosenunterkunft in M., wo der Klager\nzunachst zwei Jahre eine Vorbereitungsklasse besuchte, um die deutsche Sprache\nzu lernen. Anschließend ging er in die regulare Hauptschule, wobei er, bedingt\ndurch Sprachprobleme, erhebliche Schwierigkeiten hatte. 1996 wurde er nach\nBeendigung der siebten Hauptschulklasse entlassen. Danach nahm er vom\n23.9.1997 bis 28.8.1998 beim ...-haus in S. erfolgreich an einem Lehrgang zur\nVerbesserung beruflicher Bildungs- und Eingliederungschancen teil. Die\nbeabsichtigte Ausbildung als Maurer und Dachdecker konnte er danach aber nicht\nverwirklichen. Stattdessen arbeitete er ab 27.10.1998 bis Sommer 1999 bei\neiner Gebaudereinigungsfirma in O. Anschließend war er bis August 2000 bei der\nFa. M. ... in E.-M.beschaftigt. Danach war er einige Monate arbeitslos. Von\nApril bis Juni 2001 arbeitete er beim Autohaus G. in M. Eine geplante\nAusbildung im Autohaus kam ebenfalls nicht zustande. Von September 2001 bis\nzur Inhaftierung am 22.2.2002 arbeitete er beim Baugeschaft H. in E.-D. Nach\nseiner Haftentlassung war er vom Januar bis Mai 2004 als Bauhelfer bei der Fa.\n... tatig. Danach war er arbeitslos. Seit dem 1.4.2005 ist er bei der ... auf\n165-EUR-Basis beschaftigt. Dem Klager wurde am 17.11.1999 vom Landratsamt ...\neine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Strafrechtlich ist der Klager wie folgt in Erscheinung getreten: \n--- \n| 4 \n--- \n| \\- Mit Strafbefehl des Amtsgerichts E. vom 24.8.2000, rechtskraftig seit\ndem 19.9.2000 - ... - wurde gegen ihn wegen des Besitzes eines nach dem\nWaffenrecht verbotenen Gegenstands (Metall-Nunchaku) eine Geldstrafe in Hohe\nvon 15 Tagessatzen zu je 30 DM verhangt. \n--- \n| 5 \n--- \n| \\- Mit Urteil des Amtsgerichts E. - ... - vom 5.12.2000 wurde er wegen\nsechs Vergehen des unerlaubten Erwerbs von Betaubungsmitteln, eines Vergehens\nder vorsatzlichen Trunkenheit im Verkehr sowie eines Vergehens des\nvorsatzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Jugendstrafe von 7 Monaten\nverurteilt, deren Vollstreckung zur Bewahrung ausgesetzt wurde. Die\nVerurteilung bezog sich auf folgende Taten: 1. An einem nicht naher\nbestimmbaren Wochenende um den 25.8.2000 herum kaufte er in W. in der\nDiskothek „..." ca. 2,5 g Kokain fur 400 DM, das er in den folgenden Tagen\nschnupfte. 2. In der Nacht vom 1. zum 2.9.2000 kaufte er in der gleichen\nDiskothek gut ein Gramm Kokain fur 170 DM, das er noch am gleichen Wochenende\nverbrauchte. 3. Am 3.9.2000 kaufte er in U. vor dem Cafe´ ... ca. sieben Gramm\nKokain fur 980 DM, das er im Lauf der nachsten Tage schnupfte. 4. In der Nacht\nvom 9. zum 10.9.2000 kaufte er in R. in der Diskothek „..." ein Gramm Kokain\nfur 140 DM, das er sofort verbrauchte. 5. Am 12.9.2000 fuhr er mit seinem PKW\nnach U. und kaufte dort ca. 1 Gramm Heroin. 6. Am selben Tag nahm er gegen\n16:30 Uhr die Halfte des Heroins zu sich. Nachdem er die Wirkung deutlich\nspurte, fuhr er mit seinem PKW nach M. zuruck, dort fur langere Zeit umher und\nschließlich uber E. wieder Richtung U. Gegen 20:30 Uhr fiel er wegen seiner\nFahrweise einer Polizeistreife auf, die die Fahrt beendete. 7. Obwohl sein\nFuhrerschein in Gewahrsam genommen und beschlagnahmt worden war, fuhr der\nKlager am 14.9.2000 mit seinem PKW. Zur Strafzumessung ist im Urteil\nausgefuhrt: „ ... Der Angeklagte steht an einem gefahrlichen Scheideweg, das\nGericht hatte bei diesem Sachverhalt von schadlichen Neigungen im Sinne von §\n17 JGG, die bei dem Angeklagten vorliegen, auszugehen ... Die Vollstreckung\nkonnte noch zur Bewahrung ausgesetzt werden. Es besteht nach der\nHauptverhandlung Anlass zur Hoffnung, dass der Angeklagte sich jetzt besinnen\nund kunftig straffrei fuhren wird und insbesondere ein Reifeprozess\ndurchlauft, der zu einer sozialen Eingliederung fuhren wird. \n--- \n| 6 \n--- \n| \\- Mit Strafbefehl des Amtsgerichts E. vom 9.5.2001, rechtskraftig sei dem\n13.7.2001, - ... - wurde gegen den Klager, weil er am 24.11.2000\nBetaubungsmittel (0,2 g Kokain) in seinem Besitz gehabt hatte, eine Geldstrafe\nvon 30 Tagessatzen zu je 30 DM verhangt. \n--- \n| 7 \n--- \n| \\- Mit Urteil des Amtsgerichts U. vom 29.5.2002, rechtskraftig seit dem\n29.5.2002, - ... - wurde der Klager unter Einbeziehung der Verurteilung vom\n5.12.2000 wegen vorsatzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betaubungsmitteln\nin 11 Fallen, dabei einmal in Tateinheit mit vorsatzlicher Einfuhr von\nBetaubungsmitteln zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten\nverurteilt. Die Verurteilung bezog sich auf folgende Taten: 1. Von Mitte 1999\nbis Marz 2000 veraußerte der Klager in mindestens funf Fallen unter anderem\naus seiner Wohnung in M. Ecstasy. Dabei veraußerte er in zwei Fallen jeweils\n400 Stuck, in zwei weiteren Fallen jeweils 300 Stuck und in einem Fall 100\nTabletten. Die fur 9 DM pro Stuck erworbenen Tabletten veraußerte der Klager\nzur Finanzierung der eigenen Betaubungsmittelabhangigkeit zum Stuckpreis von\n10 / 11 DM weiter. 2. Anfang Mai 2000 kaufte der Klager in Rotterdam 700\nEcstasy - Tabletten zum Stuckpreis von 1 - 1,50 DM und fuhrte die Tabletten\nanschließend in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er sie unter anderem in\nder Diskothek ... in R. zum Stuckpreis von 20 DM verkaufte, um den Gewinn zur\nFinanzierung seiner eigenen Betaubungsmittelabhangigkeit zu verwenden. 3. Im\nMai und Juni 2000 veraußerte der Klager in M. in seiner Wohnung in vier Fallen\nHaschisch, in zwei Fallen fur jeweils 50 DM, in zwei weiteren Fallen fur\njeweils 100 DM und in einem Fall 65 g fur 700 DM. Zur Strafzumessung ist im\nUrteil ausgefuhrt: „ ... Der zur Tatzeit 19/20 Jahre alte Angeklagte war\nHeranwachsender, Retardierungen aus seiner Personlichkeitsentwicklung fuhren\njedoch vorliegend zur Anwendung von Jugendstrafrecht ... Bei der Bemessung ...\nwar zu Lasten des Angeklagten zu berucksichtigen, dass er uber einen sehr\nlangen Zeitraum von fast einem Jahr mit insgesamt 2200 Ecstasy-Tabletten\nHandel betrieben hat ... Seit der Hauptverhandlung im Dezember 2000 beim\nAmtsgericht - Jugendgericht - E. ist der Angeklagte wegen Handeltreibens mit\nBetaubungsmitteln nicht mehr auffallig geworden, woraus sich ergibt, dass er\ndie Verurteilung zu einer Jugendstrafe mit Bewahrung ernst genommen hat. ...\nZu berucksichtigen war auch der personliche Werdegang, die anfangs bestehenden\nSprachprobleme, nachdem er als Jugendlicher in ein fur ihn vollig neues Umfeld\nwechseln musste und die damit verbundenen anfanglichen Integrationsprobleme.\nDennoch hat er sich im Laufe der Zeit hier integriert, war in der Jugendarbeit\nim alternativen Jugendhaus in M. tatig und will sich auch weiterhin in die\nhiesige Gesellschaft integrieren. Er ist bereit, eine stationare\nLangzeittherapie aufzunehmen ... Angesichts dieser Gesamtumstande waren\nvorliegend schadliche Neigungen im Sinne des § 17 JGG mit Sicherheit\nfestzustellen, diese liegen auch noch im Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor.\n..." \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager befand sich vom 22.2.2002 bis zum 23.8.2003 in Strafhaft. Mit\nBeschluss des Amtsgerichts R. vom 20.8.2003 wurde seine Restjugendstrafe zur\nBewahrung ausgesetzt. Fur die Bewahrungszeit von zwei Jahren wurde der Klager\nder Aufsicht und Leitung eines Bewahrungshelfers unterstellt. In dem Beschluss\nwurde ausgefuhrt, der Klager sei Erstverbußer. Er habe sich bezuglich seiner\nDrogenabhangigkeit selbstkritisch gezeigt und habe von Anfang an die Absicht\ngehabt, eine Drogenlangzeittherapie zu machen. Alle in der Haftzeit\ndurchgefuhrten Urinkontrollen hatten mit einem negativen Ergebnis geendet. Er\nhabe im standigen Kontakt mit der Drogenberatung in der Justizvollzugsanstalt\nR. gestanden. \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Schreiben des Regierungsprasidiums T. - Bezirksstelle fur Asyl - vom\n1.3.2002 wurde der Klager zur beabsichtigten Ausweisung angehort. Er brachte\ndazu vor, die am 29.5.2002 abgeurteilten Straftaten lagen zeitlich alle vor\nseiner Verurteilung vom 5.12.2000. Die Ergebnisse laufender Drogen-Screenings\nbelegten, dass er keine Drogen mehr konsumiere. Außerdem wolle er sich einer\nDrogentherapie unterziehen, was bisher nur wegen fehlender Kostenzusage nicht\ngeschehen sei. Die Kostenzusage erhalte er nicht, weil nicht geklart sei, ob\ner weiter in der Bundesrepublik Deutschland bleiben konne. Fur die Zeit nach\nseiner Entlassung stehe ihm ein Arbeitsplatz zur Verfugung. \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Verfugung vom 24.3.2003 wurde der Klager vom Regierungsprasidium T. -\nBezirksstelle fur Asyl - aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen. Die\nsofortige Vollziehung dieser Maßnahme wurde angeordnet. Dem Klager wurde die\nAbschiebung direkt aus der Strafhaft angedroht. Fur den Fall, dass die\nAbschiebung nicht zum Haftende erfolgen konne und dass der Klager nicht\nfreiwillig ausreise, wurde die Abschiebung in die Turkei angedroht. Zur\nBegrundung wurde im wesentlichen ausgefuhrt, der Klager habe den Ist-\nAusweisungstatbestand des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG verwirklicht. Wegen des vom\nKlager zu beanspruchenden besonderen Ausweisungsschutzes sei die Ist-\nAusweisung zu einer Regelausweisung herabgestuft. Deren Voraussetzungen seien\ngegeben, nachdem bei ihm schwerwiegende Grunde der offentlichen Sicherheit und\nOrdnung in spezialpraventiver Hinsicht vorlagen. Beim Klager musse wegen\nseiner bisherigen Straftaten konkret von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen\nwerden und es bestehe die begrundete Besorgnis, dass der Klager vor dem\nAbschluss des Hauptsacheverfahrens erneut straffallig werde. Deswegen sei die\nAusweisung auch in Ansehung des Ausweisungsschutzes, den der Klager nach Art.\n14 ARB 1/80 beanspruchen konne, zwingend geboten. Das Verhalten des Klagers\ndeute auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Storungen der offentlichen\nOrdnung hin. \n--- \n| 11 \n--- \n| Am 25.4.2003 hat der Klager gegen die Ausweisung Klage erhoben. Zur\nBegrundung ist ausgefuhrt, der Klager genieße als Abkommling eine\nRechtsstellung nach Art. 7 ARB 1/80. Die Frage, ob er ausgewiesen werden\nkonne, beantworte sich daher bei ihm nicht nach den Vorschriften des aktuellen\nAuslandergesetzes, die entgegen der Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80\nverscharft worden seien, sondern nach den Vorschriften der Auslandergesetze\nvon 1965 oder 1990. Insofern fehle bislang eine ordnungsgemaße\nErmessensentscheidung, die auch den langjahrigen Aufenthalt in der\nBundesrepublik Deutschland berucksichtige. Außerdem lagen die Voraussetzungen\nnach Art. 14 ARB 1/80 fur eine Ausweisung des Klagers nicht vor. Bei ihm\nbestehe nach dem Bericht des Leiters der Vollzugsanstalt R. vom 6.8.2003, nach\nden Ausfuhrungen im Bewahrungsbeschluss des Amtsgerichts R. vom 20.8.2003 und\nnach dem Bericht des Bewahrungshelfers vom 3.2.2005 keine konkrete\nWiederholungsgefahr. Der Bericht des Bewahrungshelfers belege, dass sich der\nKlager nach der Haftentlassung weiterhin positiv entwickelt habe. Er sei\nmittlerweile sozial integriert und in der Jugendarbeit auf kommunaler Ebene\nengagiert. Die damit erfolgte, vollige Abkehr des Klagers von seinem fruheren\nVerhalten, wurde durch die schriftlichen Aussagen des Burgermeisters von M.\nund die Angaben von Polizeihauptkommissar K., der den ortlichen Polizeiposten\nin M. leite, bestatigt. Der Klager arbeite seit seiner Haftentlassung mit der\nGemeinde und mit dem ortlichen Polizeiposten bei der Betreuung und Integration\nvon vorwiegend turkischstammigen Jugendlichen zusammen. Insofern engagiere er\nsich auch mit Erfolg im ortlichen Alternativen Jugendzentrum, dessen Vorstand\ner angehore. Der positive Bericht von Polizeihauptkommissar K. sei auch\ndeswegen beachtlich, weil der Polizist den Klager auch aus der Zeit kenne, als\ner die abgeurteilten Straftaten beging und insofern seine Fortschritte\nbeurteilen konne. Schließlich konne der Klager seine seit Februar 2002\nbestehende Drogenabstinenz durch diverse Drogenscreenings und eine Haaranalyse\nnahezu luckenlos belegen. Seine letzte Straftat sei von ihm im November 2000\nbegangen worden und liege daher nunmehr 4,5 Jahre zuruck. Er sei in seine\nGroßfamilie integriert und arbeite nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes im\nMoment auf 165-EUR-Basis bei einer Reinigungsfirma. Zugleich bemuhe er sich um\neine Lehrstelle als Metallfacharbeiter oder Autolackierer. Sein Vater helfe\nihm finanziell. Zur endgultigen Verarbeitung seiner Suchterfahrung halte er\nKontakt zur Psychosozialen Beratungsstelle der Drogenhilfe U. e.V.. Von dort\nwerde weiter versucht, eine Kostenzusage fur eine Therapie, die der Klager\nseit 2002 machen wolle, zu erwirken. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Verfugung vom 24. Marz 2003 aufzuheben. \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 15 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Zur Begrundung wird zunachst ausgefuhrt, die Regelungen des\nAuslandergesetzes zur Ausweisung seien in Bezug auf den Fall des Klagers nicht\nscharfer als die in fruheren Auslandergesetzen. Nach fruherem Auslanderrecht\nvon 1965 habe eine Ausweisung bei illegalem Rauschgifthandel regelmaßig ohne\nErmessensfehler erfolgen konnen. Mit Telefaxschreiben an das Gericht vom\n1.4.2005 und 8.6.2005 wird ausgefuhrt, die Ausweisungsentscheidung sei nunmehr\nnach der neuesten Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG auf § 55 Abs. 1 Nr. 2\nAufenthG (Ermessensausweisung) zu stutzen. Wegen der mit dem Handeln mit\nharten Drogen verbundenen erheblichen kriminellen Energie sei bereits bei\neinmaliger Bestrafung wegen unerlaubten Handeltreiben mit Drogen von einer\nWiederholungsgefahr auszugehen. Außerdem hatten die Straftaten des Klagers\nalle im Zusammenhang mit seiner Drogenabhangigkeit, zuletzt Heroinabhangigkeit\ngestanden. Dass diese Suchtproblematik nicht bewaltigt sei, ergebe sich auch\naus dem vom Klager vorgelegten Fahreignungsgutachten vom 8.11.2004, welches\nvon einer Suchtproblematik ausgehe und von grundlegenden Personlichkeits- und\nEinstellungsmangeln spreche. Aufgrund der danach bestehenden konkreten\nWiederholungsgefahr uberwiege das offentliche Interesse an einer Ausweisung\ndes Klagers. Mit weiterem Telefaxschreiben an das Gericht vom 4.7.2005 wird\nvorgetragen, das Ermessen werde weiter aktualisiert. Die Ausfuhrungen im\nSchriftsatz vom 8.6.2005 stellten die Ausweisungsverfugung erganzende\nErmessenserwagungen dar. Im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung sei der\nBeklagte weiterhin der Ansicht, dass beim Klager wegen der Drogenvorgeschichte\neine Wiederholungsgefahr bestehe, weil er eine Therapie benotige und weil\nbisher keine Therapie durchgefuhrt worden sei. Daran andere sich durch die\nHaaranalyse, mit der der Klager seine Drogenabstinenz wahrend der letzten 5\nbis 6 Monate nachweisen konne, nichts. Auch die positiven Stellungnahmen des\nBurgermeisters der Stadt M. und des Polizeihauptkommissars K. zur positiven\nEntwicklung des Klagers und zu seinem sozialen Einsatz bei der Integration von\nvorwiegend turkischstammigen Jugendlichen anderten an der Bewertung nichts.\nBei ehemaligen Heroinabhangigen sei mit einer sehr hohen Ruckfallquote, selbst\nbei Therapierten, auszugehen. Der Klager habe noch nicht einmal eine Therapie\nbegonnen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Im Eilverfahren hat die Kammer dem Aussetzungsantrag des Klagers mit\nBeschluss vom 5.11.2003, rechtskraftig seit dem 3.12.2003, stattgegeben; zur\nBegrundung wurde ausgefuhrt, ein besonderes Vollzugsinteresse liege nicht vor.\nEs sei nicht zu erwarten, dass der Klager bis zur Entscheidung in der\nHauptsache weitere erhebliche Straftaten begehen werde. \n--- \n| 18 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung vom 14.6.2005 wurde Polizeihauptmeister K.\nvom ortlichen Polizeiposten in M. zur Entwicklung des Klagers angehort. Er gab\nan, er habe den Klager auch schon vor seiner Haft gekannt. Nach Verbußung\nseiner Jugendstrafe habe der Klager erfolgreich mit dem ortlichen\nPolizeiposten bei der Integration vorwiegend turkischstammiger Jugendlicher\nzusammengearbeitet. Seit dem Jahr 2004 sei der Klager außerdem in der\nVorstandschaft des Alternativen Jugendzentrums in M. tatig. Er habe sich als\nfreundlicher und jederzeit verlasslicher Gesprachspartner bewahrt. Seit seiner\nHaftentlassung seien keinerlei negative Erkenntnisse uber den Klager bekannt\ngeworden. Seine Entwicklung sei sehr positiv. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Beteiligten schlossen in der mundlichen Verhandlung im Hinblick auf die\nEntwicklung des Klagers den aus der Gerichtsaktenseite 110 ersichtlichen\nVergleich, der vom Beklagten am 21.6.2005 widerrufen wurde. Die Beteiligten\nhaben auf Durchfuhrung einer weiteren mundlichen Verhandlung verzichtet. \n--- \n| 20 \n--- \n| Dem Gericht haben die einschlagigen Auslanderakten des Landratsamts ... (1\nBand) und des Regierungsprasidiums T. - Bezirksstelle fur Asyl - (2 Bande)\nsowie die Strafakte des Amtsgerichts U. im Verfahren - ... -vorgelegen.\nBezuglich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der vom\nKlager vorgelegten Unterlagen sowie auf die Ausfuhrungen der Beteiligten in\nihren Schriftsatzen verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Das Gericht kann mit Einverstandnis der Beteiligten ohne weitere mundliche\nVerhandlung entscheiden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die im Bescheid vom 24.3.2003 verfugte Ausweisung und die\nAbschiebungsandrohung sind rechtswidrig und verletzen den Klager daher in\nseinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). \n--- \n| 24 \n--- \n| I. Die gegenwartige Rechtsgrundlage fur die Ausweisung des Klagers ist § 55\nAbs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in Verbindung mit Art. 14 ARB 1/80. Maßgeblich\nist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl.\nEUGH, Urteil vom 11.11.2004 - C-467/02 - Cetinkaya). \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Behorde hat bei der Ausweisung des Klagers die sich fur ihn aus dem\nAssoziationsratsbeschluss 1/80 vom 19.9.1980 in materiell- und\nverfahrensrechtlicher Hinsicht ergebenden Schutzwirkungen zu beachten. Der\nKlager ist turkischer Staatsangehoriger und kann sich auf ein gesetzliches\nAufenthaltsrecht nach dem Art. 7 ARB 1/80 berufen, mit dem ihm ein besonderer\nAusweisungsschutz zukommt. Gemaß Art. 7 S. 1, 2. Gedankenstrich ARB 1/80 hat\nder Familienangehorige eines dem regularen Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaats\nangehorenden turkischen Arbeitnehmers nach funfjahrigem ordnungsgemaßen\nWohnsitz bei diesem ein Recht auf freien Zugang zur Beschaftigung im\nAufnahmemitgliedsstaat erworben. Daraus folgt nicht nur, dass die Betroffenen\nhinsichtlich der Beschaftigung ein individuelles Recht aus dem ARB 1/80\nherleiten konnen, sondern die praktische Wirksamkeit dieses Rechts setzt\naußerdem zwangslaufig die Existenz eines entsprechenden Aufenthaltsrechts\nvoraus, das ebenfalls auf dem Gemeinschaftsrecht beruht und vom Fortbestehen\nder Voraussetzungen fur den Zugang zu diesen Rechten unabhangig ist. Art. 7\nARB 1/80 gewahrt dem Familienangehorigen somit ein unmittelbar aus dem\nGemeinschaftsrecht abgeleitetes und der Disposition des jeweiligen\nMitgliedstaates weitgehend entzogenes Aufenthaltsrecht. Dieses Recht kann der\nKlager - hiervon gehen auch die Beteiligten aus - von seinem Vater ableiten,\nder seit den siebziger Jahren in der BRD arbeitet. Der Klager hat dieses Recht\nweder durch Erlangung der Volljahrigkeit noch durch Arbeitslosigkeit oder\nInhaftierung verloren (vgl. EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya). \n--- \n| 26 \n--- \n| 1\\. Bei Beachtung der assoziationsrechtlichen Rechtsstellung des Klagers\nerweist sich die Ausweisungsverfugung vom 24.3.2003 als bereits formell\nrechtswidrig. \n--- \n| 27 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des EUGH gelten die Rechtsschutzgarantien der\nArtikel 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG auch fur turkische Staatsangehorige,\ndenen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80 zukommt (vgl. EUGH,\nUrteil vom 2.6.2005 - C-136/03 -Dorr/Ünal). Dem gegen die Anwendbarkeit der\nRichtlinie vorgebrachten Einwand des Regierungsprasidiums Tubingen -\nBezirksstelle fur Asyl -, dass die Bestimmung wegen der Richtlinie 2004/38/EG\ndes Europaischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 uberholt und daher\nnicht anzuwenden sei, vermag das Gericht wegen der anders lautenden\nÜbergangsregelungen in Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG nicht zu\nfolgen. Nach diesen Regelungen wird die Richtlinie 64/221/EWG erst zum\n30.4.2006 und nur mit Wirkung fur die Zukunft aufgehoben. \n--- \n| 28 \n--- \n| Nach Art. 9 der danach im vorliegenden Fall anzuwendenden Richtlinie\n64/221/EWG trifft die Verwaltungsbehorde die Entscheidung uber die Entfernung\neines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in\ndringenden Fallen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zustandigen Stelle\ndes Aufnahmelandes, vor der sich der Betroffene entsprechend den\ninnerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstutzen oder vertreten\nlassen kann, sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur\ndie Gesetzmaßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende\nWirkung haben. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche fur\ndie Entscheidung uber die Verlangerung der Aufenthaltserlaubnis oder uber die\nEntfernung aus dem Hoheitsgebiet zustandig ist. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die - vorherige - Einschaltung einer zustandigen Stelle war hier\nerforderlich. Das hier nach nationalem Recht gegen die Ausweisungsverfugung\ngegebene Rechtsmittel der Anfechtungsklage betrifft nach §§ 42 Abs. 2 und 113\nAbs. 1 Satz 1 VwGO „nur die Gesetzmaßigkeit der Entscheidung" (a.) Ein\n„dringender Fall" im Sinne der Richtlinie lag beim Klager nicht vor (b.). Der\ndanach gegebene Verfahrensfehler wurde auch nicht nachtraglich geheilt (c.). \n--- \n| 30 \n--- \n| a.) Das nach nationalem Recht gegen die Ausweisungsverfugung gegebene\nRechtsmittel betrifft nach §§ 42 Abs. 2 und 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO „nur die\nGesetzmaßigkeit der Entscheidung", so dass die - vorherige - Einschaltung\neiner unabhangigen Stelle erforderlich ist. Auszulegen war der von der\nRichtlinie 64/221/EWG verwendete unbestimmte Rechtsbegriff „Gesetzmaßigkeit"\nder Entscheidung. Hierfur war zu ermitteln, welchen Inhalt die von der\nRichtlinie vorgesehene Überprufung durch die unabhangige Stelle haben soll.\nDer EUGH hat dazu im Urteil vom 2.6.2005 - C-136/03 - Dorr/Ünal ausgefuhrt: \n--- \n| 31 \n--- \n| „... Es ist daran zu erinnern, dass das Eingreifen einer solchen Stelle dem\nBetroffenen ermoglichen muss, eine erschopfende Prufung aller Tatsachen und\nUmstande einschließlich der Zweckmaßigkeit der beabsichtigten Maßnahme zu\nerwirken, ehe die Entscheidung endgultig getroffen wird (Urteile vom 22. Mai\n1980 in der Rechtssache 131/79, Santillo, Slg. 1980, 1585, Randnr. 12, sowie\nvom 18. Mai 1982 in den Rechtssachen 115/81 und 116/81, Adoui und Cornuaille,\nSlg. 1982, 1665, Randnr. 15)." \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach diesen eindeutigen Ausfuhrungen kann davon ausgegangen werden, dass\ndie gerichtliche Entscheidung uber den Rechtsbehelf immer dann „nur die\nGesetzmaßigkeit" der Entscheidung betrifft, wenn sie in materieller Hinsicht\nhinter dem vom EUGH in diesem Zusammenhang geforderten umfassenden\nPrufprogramm zuruckbleibt. Dies ist bei den nationalen deutschen Regelungen\nder Fall (vgl. EUGH, Urteil vom 29.4.2004 - C-482/01 - Orfanopoulos/Oliveri,\nAbsatze 109 ff.). Gegen die Ausweisung durch das Regierungsprasidium Tubingen\n- Bezirksstelle fur Asyl - kann der Betroffene nach § 42 Abs. 1 VwGO nur eine\nAnfechtungsklage mit dem Ziel der Aufhebung der Verfugung erheben. Ein\nVorverfahren ist nach § 6a AGVwGO Bad.-Wurtt. ausgeschlossen. Der vom\nVerwaltungsgericht bei der Entscheidung uber die Anfechtungsklage nach § 42\nVwGO anzulegende Prufungsmaßstab ergibt sich bei einer - hier allein moglichen\n- Ermessensentscheidung (vgl. EUGH, Urteil vom 11.11.2004 - C 467/02 -\nCetinkaya) aus den §§ 113 Abs. 1 Satz 1 und 114 Satz 1 VwGO. Danach unterliegt\ndie Ausweisungsverfugung nur dann der Aufhebung, wenn der Klager durch den\nVerwaltungsakt in seinen Rechten verletzt wird. Dies ist der Fall, wenn die\ntatbestandsmaßigen gesetzlichen Voraussetzungen fur den Erlass einer\nAusweisungsverfugung nicht gegeben sind, wenn die gesetzlichen Grenzen des\nErmessens uberschritten sind oder wenn von dem Ermessen in einer dem Zweck der\nErmachtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Dieses auf die\nÜberprufung der Voraussetzungen des gesetzlichen Ausweisungstatbestands, der\ngesetzlichen Ermessensgrenzen und der Einhaltung des gesetzlichen Zwecks der\nErmachtigung beschrankte Prufprogramm bleibt ganz erheblich hinter dem vom\nEUGH im Urteil vom 2.6.2005 - C-136/03 - Dorr/Ünal geforderten umfassenden\nPrufprogramm zuruck. Dieses Ergebnis bestatigt im ubrigen der Umstand, dass\nnach nationalem Recht die vorgelagerte Ausubung des Entschließungsermessens\nvom Gericht nicht uberpruft werden kann. Die Ausweisung turkischer\nStaatsangehoriger mit einer Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 darf nur aus\nspezialpraventiven Grunden und nur im Ermessensweg erfolgen (vgl. EUGH, Urteil\nvom 11.11.2004 - C 467/02 - Cetinkaya). Daher ist es fur die Frage, ob der\nPrufungsumfang umfassend ist, von zentraler Bedeutung, ob die vorgelagerte\nAusubung des Entschließungsermessens vom Gericht uberpruft werden darf oder\nnicht. Also ob das Gericht seiner Prufung auch zugrunde legen darf, ob die\nAusweisungsentscheidung nach seiner Einschatzung unter Beachtung aller\nintegrations- und sicherheitspolitischen sowie personlichen Belange im\nEinzelfall zweckmaßig erscheint oder ob sie untunlich ist. Eine solchermaßen\nweite Zweckmaßigkeitsuberprufung nach nationalem Recht der Exekutive\nvorbehalten. Eine Kontrolle ist durch das Gericht nach den §§ 113 Abs. 1 Satz\n1, 114 Satz 1 VwGO nicht vorgesehen. Danach ist bei dem nach nationalem Recht\ngegen die Ausweisungsverfugung gegebenen Rechtsmittel im Sinne des Art. 9 der\nRichtlinie 64/221/EWG die Überprufung auf die „Gesetzmaßigkeit" der\nEntscheidung beschrankt. \n--- \n| 33 \n--- \n| b.) Von der danach erforderlichen - vorherigen - Einschaltung einer\nzustandigen Stelle konnte im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise\nabgesehen werden. Die - vorherige - Einschaltung einer „zustandigen Stelle"\nkann nur „in dringenden Fallen" unterbleiben (vgl. Art 9 Abs. 1 der Richtlinie\n64/221/EWG). Ein dringender Fall lag beim Klager zum insofern maßgeblichen\nZeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfugung am 24.3.2003 nicht vor. Zur\nBegrundung kann auf die den Beteiligten bekannten Ausfuhrungen im Eilbeschluss\nvom 5.11.2003 im Verfahren - 4 K 744/03 - verwiesen werden, wonach ein\nbesonderes offentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der\nAusweisungsentscheidung beim Klager nicht festgestellt werden konnte. Wegen\ndes gleichen Prufungsmaßstabs rechtfertigt die Annahme des Fehlens eines\ngegenwartigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses an der Ausweisung\ngrundsatzlich die gleichzeitige Annahme des Fehlens eines „dringenden Falls"\n(vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 14.6.2005 - 4 K 17/05 -). Das Fehlen eines\nbesonderen Vollzugsinteresses zum Zeitpunkt des Erlasses des Eilbeschlusses am\n5.11.2003 indiziert zusammen mit der Entwicklung des Klagers und mit der Dauer\ndes bereits am 1.3.2002 eingeleiteten Ausweisungsverfahrens, dass im Fall des\nKlagers auch zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfugung kein\n„dringender Fall" vorlag. Danach war die - vorherige - Einschaltung einer\n„zustandigen Stelle" erforderlich und das Absehen von der - vorherigen -\nEinschaltung einer „zustandigen Stelle" stellt demnach einen Verfahrensfehler\ndar. \n--- \n| 34 \n--- \n| c.) Der Verfahrensfehler ist auch beachtlich und fuhrt daher zur\nRechtswidrigkeit der Ausweisungsentscheidung. Eine nachtragliche Heilung kommt\nnicht in Betracht (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG Bad.-Wurtt.). Weder wurde die\nfehlende Beteiligung der unabhangigen Stelle durch eine behordliche\nEntscheidung nachgeholt noch kann das gegen die Ausweisungsentscheidung\ndurchgefuhrte Klagverfahren eine Heilung bewirken. \n--- \n| 35 \n--- \n| Das Unterlassen der - vorherigen - Einschaltung einer unabhangigen Stelle\nfuhrt damit zu einem Verstoß gegen die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie\n64/221/EWG festgelegten Rechtsschutzgarantien und damit zur formellen\nRechtswidrigkeit der Ausweisungsverfugung. \n--- \n| 36 \n--- \n| 2\\. Die Ausweisungsentscheidung ist aber auch in materiell-rechtlicher\nHinsicht rechtswidrig. \n--- \n| 37 \n--- \n| Dabei sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 2\nAufenthG erfullt, nachdem durch die Straftaten nicht nur vereinzelte oder\ngeringfugige Verstoße gegen die Rechtsordnung vorliegen. Das\nAusweisungsermessen ist danach eroffnet. \n--- \n| 38 \n--- \n| Der Klager kann sich - wie oben ausgefuhrt - als turkischer\nStaatsangehoriger auf ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen. Dies hat\nzur Folge, dass zu seinen Gunsten von veranderten gemeinschaftsrechtlichen\nAnforderungen (vgl. hierzu: EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-482/01 -\nOrfanopoulos/Oliveri) an eine Ausweisung auszugehen ist. Zwar bezieht sich\ndiese Entscheidung des EuGH auf freizugigkeitsberechtigte Unionsburger, sie\nist jedoch hinsichtlich ihrer materiellen Grundsatze auf turkische\nStaatsangehorige zu ubertragen, die ein assoziationsrechtliches\nAufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen. Der Assoziationsratsbeschluss Nr.\n1/80 beruht auf dem „Abkommen zur Grundung einer Assoziation zwischen der EWG\nund der Turkei" aus dem Jahr 1963, das der EuGH als integrierenden Bestandteil\nder Gemeinschaftsordnung ansieht. Die Gleichstellung turkischer\nStaatsangehoriger mit EU-Angehorigen ergibt sich zum einen aus dem Zweck des\nARB 1/80 sowie aus der Tatsache, dass der Vorbehalt in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80\nder Regelung in Art. 39 Abs. 3 EG entspricht. Daher ist abzuleiten, dass die\nim Rahmen der Art. 39 ff EG geltenden Grundsatze so weit wie moglich auf die\nturkischen Arbeitnehmer, welche die im ARB 1/80 eingeraumten Rechte besitzen,\nubertragen werden sollen (EuGH, Urteil vom 10.2.2000, C-340/97, Nazli, und\nUrteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya). Aus dieser Gleichstellung\nkombiniert mit der Entscheidung des EuGH vom 29.4.2004 (Orfanopoulos/Oliveri)\nergeben sich fur turkische Staatsangehorige, die die Rechte aus dem ARB 1/80\nbesitzen, mehrere rechtliche Folgerungen (vgl. auch: BVerwG, Urteile vom\n3.8.2004 - BVerwG 1 C 30.02 - und - BVerwG 1 C 29.02 -): \n--- \n| 39 \n--- \n| a.) Maßgeblicher Zeitpunkt fur die Beurteilung der Rechtmaßigkeit der\nAusweisungsverfugung ist nicht - wie bisher - grundsatzlich der Erlass des\nWiderspruchbescheids. Vielmehr sind fur turkische Staatsangehorige, die durch\ndas Assoziationsrecht privilegiert sind, tatsachliche und rechtliche\nÄnderungen bis zur letzten mundlichen Verhandlung vor Gericht zu\nberucksichtigen, da nach den europarechtlichen Vorgaben uber die Ausweisung\nanhand einer aktuellen Gefahrenprognose entschieden werden muss (EuGH, Urteil\nvom 11.11.2004 - C-467/02 - Cetinkaya; BVerwG, Urteil vom 3.8.2004, - BVerwG 1\nC 29.02 -). In allen bis zum 31.1.2005 anhangig gewordenen\nVerwaltungsstreitverfahren von nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigten\nturkischen Staatsangehorigen, die - wie hier - im Wege einer Ist- oder\nRegelausweisung ausgewiesen worden sind, ist der Auslanderbehorde mit\nRucksicht auf die Rechtsprechungsanderung auch Gelegenheit zu geben, eine\ndanach erforderliche Ermessensentscheidung nachzuholen oder die\nErmessensentscheidung unter Berucksichtigung neuer Tatsachen in\ngemeinschaftskonformer Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO zu aktualisieren. \n--- \n| 40 \n--- \n| b.) Privilegierte turkische Staatsangehorige durfen nur nach einer\nindividuellen Entscheidung der zustandigen Behorde ausgewiesen werden, was zur\nFolge hat, dass die Tatbestande der zwingenden Ausweisung und einer\nRegelausweisung als Rechtsgrundlagen ausscheiden und der durch den ARB 1/80\nprivilegierte turkische Staatsangehorige nach den einschlagigen\ngemeinschaftlichen Grundsatzen nur aufgrund einer auslanderrechtlichen\nErmessensentscheidung ausgewiesen werden kann. \n--- \n| 41 \n--- \n| c.) Erforderlich fur eine solche Ausweisung ist eine einzelfallbezogene\nPrufung, die vom personlichen Verhalten des privilegierten turkischen\nStaatsangehorigen ausgeht. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose hat sich\nauf spezialpraventive Gesichtspunkte zu beschranken und darf sich nicht allein\nan einer strafgerichtlichen Verurteilung orientieren. Daruber hinaus hangt die\nRechtmaßigkeit der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten\nturkischen Staatsangehorigen davon ab, ob das offentliche Interesse am Schutz\nder offentlichen Ordnung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, der im Sinne\ndes Art. 39 Abs. 3 EG auszulegen ist, das private Interesse des turkischen\nStaatsangehorigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich uberwiegt. Dem\ngemeinschaftlichen Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit kommt hierbei besondere\nBedeutung zu. \n--- \n| 42 \n--- \n| Damit setzt die Ausweisung eines assoziationsrechtlich privilegierten\nturkischen Staatsangehorigen das Vorliegen einer konkreten Wiederholungsgefahr\nim maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts voraus. Dieses\nungeschriebene Tatbestandsmerkmal des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ist nur erfullt,\nwenn eine Prognoseentscheidung ergibt, dass der Betroffene durch sein\nVerhalten die offentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit tatsachlich und\nschwerwiegend gefahrdet (EuGH, Urteil vom 11.11.2004 - C-467/02 - Cetinkaya,\nAbsatze 36 ff.). Dies ist dann der Fall, wenn beim Betroffenen weitere schwere\nStraftaten zu erwarten sind, die im Hinblick auf das berechtigte Interesse des\nMitgliedstaates am Schutz der offentlichen Sicherheit nicht mehr hinnehmbar\nsind und die auch bei Berucksichtigung der personlichen Belange des\nBetroffenen seine Entfernung aus dem Mitgliedstaat rechtfertigen. \n--- \n| 43 \n--- \n| Die gerichtliche Gefahrenprognose ergibt, dass beim Klager gegenwartig\nkeine qualifizierte Wiederholungsgefahr besteht. Die von der Behorde erkannte,\nvom Klager weiterhin ausgehende theoretische Gefahr, reicht hierfur nicht aus.\nSie beschrankt sich auf die allgemeine Ruckfallgefahr, die bei jedem ehemals\nDrogensuchtigen besteht und die auch durch Entgiftung und Entwohnung nicht\nvollig beseitigt wird. Dabei stellt die Moglichkeit eines Ruckfalls in den\nDrogenkonsum lediglich einen Teilaspekt der notwendigen Gesamtwurdigung dar\nund reicht fur sich genommen zur Begrundung der erforderlichen qualifizierten\nWiederholungsgefahr nicht aus. Insofern misst der Beklagte dem Ergebnis der\nfahrerlaubnisrechtlich veranlassten Untersuchung des Klagers durch eine\nmedizinisch-psychologische Untersuchungsstelle zu Unrecht eine entscheidende\nBedeutung bei. Ausschlaggebend fur die auslanderpolizeirechtliche\nGefahrenprognose ist nicht dieser einzelne Aspekt, sondern der Gesamteindruck,\nbei dem nicht nur die begangenen Straftaten sondern auch die personliche\nEntwicklung, das Verhalten nach Bestrafungen und die Einschatzung anderer\nbefasster Stellen zu beachten und zu bewerten sind. \n--- \n| 44 \n--- \n| Wird auf den maßgeblichen Gesamteindruck abgestellt, halt die\nGefahrenprognose des Beklagten der gerichtlichen Überprufung nicht Stand. Bei\nder Gesamtwurdigung sind folgende Punkte zu berucksichtigen: \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Straftaten wurden im Zeitraum Mitte 1999 bis November 2000 begangen.\nSie liegen 4,5 Jahre zuruck und wurden wegen Retardierungen der\nPersonlichkeitsentwicklung nach Jugendstrafrecht abgeurteilt. Alle\nabgeurteilte Taten liegen vor der ersten Verurteilung am 5.12.2000. Der Klager\nlebt seit Februar 2002 drogenabstinent. Dies ist durch die Ergebnisse\nmehrfacher unangekundigter Urinkontrollen, die in der Haftzeit, durch den\nBewahrungshelfer und durch das medizinisch-psychologische Institut beim TÜV\nerfolgten, sowie durch das Ergebnis der bei ihm durchgefuhrten Haaranalyse\nnachgewiesen. Der Klager hat damit seit 3,5 Jahren keine illegalen Drogen mehr\nkonsumiert. Eine glaubhafte Änderung der Einstellungen des Klagers ist\nmehrfach dokumentiert. Nach dem Bericht des Leiters der Justizvollzugsanstalt\nR. vom 6.8.2003 war beim Klager von Beginn an die Absicht erkennbar, sich\neiner Drogentherapie zu unterziehen. Dazu nahm er Kontakt zur Drogenberatung\nauf, nahm an einer Motivationsgruppe teil und hielt Kontakt zu einer\nTherapieeinrichtung. Samtliche Urinkontrollen in der Haftzeit sind negativ\ngewesen. Eine gunstige Sozialprognose wurde dem Klager auch im\nBewahrungsbeschluss des Amtsgerichts R. vom 20.8.2003 gestellt. Dabei wurde\ndem Klager seine ordentliches Verhalten im Vollzug zugute gehalten und der\nUmstand, dass samtliche Urinkontrollen negativ gewesen sind. Die von Anfang an\nvorhandene Absicht, an einer Drogenlangzeittherapie teilzunehmen, sei nur an\nder fehlenden Kostenzusage gescheitert, was der Klager nicht zu vertreten\nhabe. Die Bemuhungen des Klagers um eine Drogentherapie sind auch durch die\nBescheinigung der Psychosozialen Beratungsstelle der Caritas ... vom 14.8.2003\nbelegt. Dass der Klager seine Abkehr vom fruheren negativen Verhalten nach der\nHaftzeit beibehalten hat, bestatigen die von ihm vorgelegten Bescheinigungen\nuber seine Versuche eine Lehrstelle zu finden und - bezuglich seines sozialen\nEngagements bei der Integration vorwiegend turkischstammiger Jugendlicher -\ndas Bestatigungsschreiben des Burgermeisters von M. vom 8.6.2005 und die\nAngaben von Polizeihauptmeister K. in der mundlichen Verhandlung am 14.6.2005.\nDer Eindruck, den der Klager in der mundlichen Verhandlung gemacht hat, war\npositiv. Auch aufgrund dieses Eindrucks nimmt das Gericht dem Klager ab, dass\ner seine Fehler eingesehen und ernsthaft bereut hat und dass er weiter\nentschlossen und in der Lage ist, in Zukunft ein straf- und drogenfreies Leben\nzu fuhren. Der Klager ist nach dem Eindruck des Gerichts auch in seiner\nPersonlichkeitsentwicklung gefertigt und durchaus selbstkritisch. Ihm ist\nklar, dass er zur endgultigen Bereinigung seiner Drogenproblematik auf eine\nLangzeitdrogentherapie angewiesen ist. Die Absicht, diese Therapie\ndurchzufuhren, ist bei ihm vorhanden. \n--- \n| 46 \n--- \n| Danach gibt es beim Klager eine insgesamt positive Entwicklung. Wird sie\ngesehen und in die Prognoseentscheidung eingestellt, erscheint die allein auf\neine allgemeine Ruckfallgefahr und auf die nach Jugendstrafrecht abgeurteilten\nund 4,5 Jahre zuruckliegenden Betaubungsmittelstraftaten gestutzte\nGefahrenprognose der Behorde in der Wahrnehmung luckenhaft und im Ergebnis\nverfehlt. Eine gegenwartige konkrete Gefahr, dass der Klager in absehbarer\nZeit schwere Straftaten begehen und dadurch die offentliche Sicherheit der\nBundesrepublik Deutschland erheblich storen wird, ist fur das Gericht\ngegenwartig auch nicht im Ansatz erkennbar. Eine qualifizierte\nWiederholungsgefahr im Sinne des Art. 14 ARB 1/80 besteht daher beim Klager,\nder weiß, dass er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen darf, nicht. \n--- \n| 47 \n--- \n| Damit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 2\nAufenthG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 fur die Ausweisung des\nassoziationsrechtlich privilegierten turkischen Staatsburgers gegenwartig\nnicht vor. Die Ausweisungsentscheidung ist daher rechtswidrig, ohne dass es\nnoch darauf ankame, ob die Bezirksstelle die Ausweisung in wirksamer Weise auf\neine Ermessensentscheidung gestutzt und das Ermessen dabei auch bezuglich der\nGefahrenprognose fehlerfrei ausgeubt hat. Die Ausweisungsentscheidung war in\nder Folge aufzuheben. \n--- \n| 48 \n--- \n| II. Die Abschiebungsandrohung unterliegt ebenfalls der Aufhebung. Sie ist\nrechtswidrig weil nach der Aufhebung der Ausweisungsentscheidung beim Klager\nkeine vollziehbare Ausreisepflicht besteht. Eine Abschiebungsandrohung durfte\ndaher nicht ergehen (vgl. § 59 AufenthG (§ 50 AuslG). \n--- \n| 49 \n--- \n| Der Klage war danach insgesamt stattzugeben. \n--- \n| 50 \n--- \n| Der Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens, weil er unterliegt (vgl. §\n154 Abs. 1 VwGO). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Das Gericht kann mit Einverstandnis der Beteiligten ohne weitere mundliche\nVerhandlung entscheiden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die im Bescheid vom 24.3.2003 verfugte Ausweisung und die\nAbschiebungsandrohung sind rechtswidrig und verletzen den Klager daher in\nseinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). \n--- \n| 24 \n--- \n| I. Die gegenwartige Rechtsgrundlage fur die Ausweisung des Klagers ist § 55\nAbs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in Verbindung mit Art. 14 ARB 1/80. Maßgeblich\nist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl.\nEUGH, Urteil vom 11.11.2004 - C-467/02 - Cetinkaya). \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Behorde hat bei der Ausweisung des Klagers die sich fur ihn aus dem\nAssoziationsratsbeschluss 1/80 vom 19.9.1980 in materiell- und\nverfahrensrechtlicher Hinsicht ergebenden Schutzwirkungen zu beachten. Der\nKlager ist turkischer Staatsangehoriger und kann sich auf ein gesetzliches\nAufenthaltsrecht nach dem Art. 7 ARB 1/80 berufen, mit dem ihm ein besonderer\nAusweisungsschutz zukommt. Gemaß Art. 7 S. 1, 2. Gedankenstrich ARB 1/80 hat\nder Familienangehorige eines dem regularen Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaats\nangehorenden turkischen Arbeitnehmers nach funfjahrigem ordnungsgemaßen\nWohnsitz bei diesem ein Recht auf freien Zugang zur Beschaftigung im\nAufnahmemitgliedsstaat erworben. Daraus folgt nicht nur, dass die Betroffenen\nhinsichtlich der Beschaftigung ein individuelles Recht aus dem ARB 1/80\nherleiten konnen, sondern die praktische Wirksamkeit dieses Rechts setzt\naußerdem zwangslaufig die Existenz eines entsprechenden Aufenthaltsrechts\nvoraus, das ebenfalls auf dem Gemeinschaftsrecht beruht und vom Fortbestehen\nder Voraussetzungen fur den Zugang zu diesen Rechten unabhangig ist. Art. 7\nARB 1/80 gewahrt dem Familienangehorigen somit ein unmittelbar aus dem\nGemeinschaftsrecht abgeleitetes und der Disposition des jeweiligen\nMitgliedstaates weitgehend entzogenes Aufenthaltsrecht. Dieses Recht kann der\nKlager - hiervon gehen auch die Beteiligten aus - von seinem Vater ableiten,\nder seit den siebziger Jahren in der BRD arbeitet. Der Klager hat dieses Recht\nweder durch Erlangung der Volljahrigkeit noch durch Arbeitslosigkeit oder\nInhaftierung verloren (vgl. EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya). \n--- \n| 26 \n--- \n| 1\\. Bei Beachtung der assoziationsrechtlichen Rechtsstellung des Klagers\nerweist sich die Ausweisungsverfugung vom 24.3.2003 als bereits formell\nrechtswidrig. \n--- \n| 27 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des EUGH gelten die Rechtsschutzgarantien der\nArtikel 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG auch fur turkische Staatsangehorige,\ndenen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80 zukommt (vgl. EUGH,\nUrteil vom 2.6.2005 - C-136/03 -Dorr/Ünal). Dem gegen die Anwendbarkeit der\nRichtlinie vorgebrachten Einwand des Regierungsprasidiums Tubingen -\nBezirksstelle fur Asyl -, dass die Bestimmung wegen der Richtlinie 2004/38/EG\ndes Europaischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 uberholt und daher\nnicht anzuwenden sei, vermag das Gericht wegen der anders lautenden\nÜbergangsregelungen in Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG nicht zu\nfolgen. Nach diesen Regelungen wird die Richtlinie 64/221/EWG erst zum\n30.4.2006 und nur mit Wirkung fur die Zukunft aufgehoben. \n--- \n| 28 \n--- \n| Nach Art. 9 der danach im vorliegenden Fall anzuwendenden Richtlinie\n64/221/EWG trifft die Verwaltungsbehorde die Entscheidung uber die Entfernung\neines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in\ndringenden Fallen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zustandigen Stelle\ndes Aufnahmelandes, vor der sich der Betroffene entsprechend den\ninnerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstutzen oder vertreten\nlassen kann, sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur\ndie Gesetzmaßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende\nWirkung haben. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche fur\ndie Entscheidung uber die Verlangerung der Aufenthaltserlaubnis oder uber die\nEntfernung aus dem Hoheitsgebiet zustandig ist. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die - vorherige - Einschaltung einer zustandigen Stelle war hier\nerforderlich. Das hier nach nationalem Recht gegen die Ausweisungsverfugung\ngegebene Rechtsmittel der Anfechtungsklage betrifft nach §§ 42 Abs. 2 und 113\nAbs. 1 Satz 1 VwGO „nur die Gesetzmaßigkeit der Entscheidung" (a.) Ein\n„dringender Fall" im Sinne der Richtlinie lag beim Klager nicht vor (b.). Der\ndanach gegebene Verfahrensfehler wurde auch nicht nachtraglich geheilt (c.). \n--- \n| 30 \n--- \n| a.) Das nach nationalem Recht gegen die Ausweisungsverfugung gegebene\nRechtsmittel betrifft nach §§ 42 Abs. 2 und 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO „nur die\nGesetzmaßigkeit der Entscheidung", so dass die - vorherige - Einschaltung\neiner unabhangigen Stelle erforderlich ist. Auszulegen war der von der\nRichtlinie 64/221/EWG verwendete unbestimmte Rechtsbegriff „Gesetzmaßigkeit"\nder Entscheidung. Hierfur war zu ermitteln, welchen Inhalt die von der\nRichtlinie vorgesehene Überprufung durch die unabhangige Stelle haben soll.\nDer EUGH hat dazu im Urteil vom 2.6.2005 - C-136/03 - Dorr/Ünal ausgefuhrt: \n--- \n| 31 \n--- \n| „... Es ist daran zu erinnern, dass das Eingreifen einer solchen Stelle dem\nBetroffenen ermoglichen muss, eine erschopfende Prufung aller Tatsachen und\nUmstande einschließlich der Zweckmaßigkeit der beabsichtigten Maßnahme zu\nerwirken, ehe die Entscheidung endgultig getroffen wird (Urteile vom 22. Mai\n1980 in der Rechtssache 131/79, Santillo, Slg. 1980, 1585, Randnr. 12, sowie\nvom 18. Mai 1982 in den Rechtssachen 115/81 und 116/81, Adoui und Cornuaille,\nSlg. 1982, 1665, Randnr. 15)." \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach diesen eindeutigen Ausfuhrungen kann davon ausgegangen werden, dass\ndie gerichtliche Entscheidung uber den Rechtsbehelf immer dann „nur die\nGesetzmaßigkeit" der Entscheidung betrifft, wenn sie in materieller Hinsicht\nhinter dem vom EUGH in diesem Zusammenhang geforderten umfassenden\nPrufprogramm zuruckbleibt. Dies ist bei den nationalen deutschen Regelungen\nder Fall (vgl. EUGH, Urteil vom 29.4.2004 - C-482/01 - Orfanopoulos/Oliveri,\nAbsatze 109 ff.). Gegen die Ausweisung durch das Regierungsprasidium Tubingen\n- Bezirksstelle fur Asyl - kann der Betroffene nach § 42 Abs. 1 VwGO nur eine\nAnfechtungsklage mit dem Ziel der Aufhebung der Verfugung erheben. Ein\nVorverfahren ist nach § 6a AGVwGO Bad.-Wurtt. ausgeschlossen. Der vom\nVerwaltungsgericht bei der Entscheidung uber die Anfechtungsklage nach § 42\nVwGO anzulegende Prufungsmaßstab ergibt sich bei einer - hier allein moglichen\n- Ermessensentscheidung (vgl. EUGH, Urteil vom 11.11.2004 - C 467/02 -\nCetinkaya) aus den §§ 113 Abs. 1 Satz 1 und 114 Satz 1 VwGO. Danach unterliegt\ndie Ausweisungsverfugung nur dann der Aufhebung, wenn der Klager durch den\nVerwaltungsakt in seinen Rechten verletzt wird. Dies ist der Fall, wenn die\ntatbestandsmaßigen gesetzlichen Voraussetzungen fur den Erlass einer\nAusweisungsverfugung nicht gegeben sind, wenn die gesetzlichen Grenzen des\nErmessens uberschritten sind oder wenn von dem Ermessen in einer dem Zweck der\nErmachtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Dieses auf die\nÜberprufung der Voraussetzungen des gesetzlichen Ausweisungstatbestands, der\ngesetzlichen Ermessensgrenzen und der Einhaltung des gesetzlichen Zwecks der\nErmachtigung beschrankte Prufprogramm bleibt ganz erheblich hinter dem vom\nEUGH im Urteil vom 2.6.2005 - C-136/03 - Dorr/Ünal geforderten umfassenden\nPrufprogramm zuruck. Dieses Ergebnis bestatigt im ubrigen der Umstand, dass\nnach nationalem Recht die vorgelagerte Ausubung des Entschließungsermessens\nvom Gericht nicht uberpruft werden kann. Die Ausweisung turkischer\nStaatsangehoriger mit einer Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 darf nur aus\nspezialpraventiven Grunden und nur im Ermessensweg erfolgen (vgl. EUGH, Urteil\nvom 11.11.2004 - C 467/02 - Cetinkaya). Daher ist es fur die Frage, ob der\nPrufungsumfang umfassend ist, von zentraler Bedeutung, ob die vorgelagerte\nAusubung des Entschließungsermessens vom Gericht uberpruft werden darf oder\nnicht. Also ob das Gericht seiner Prufung auch zugrunde legen darf, ob die\nAusweisungsentscheidung nach seiner Einschatzung unter Beachtung aller\nintegrations- und sicherheitspolitischen sowie personlichen Belange im\nEinzelfall zweckmaßig erscheint oder ob sie untunlich ist. Eine solchermaßen\nweite Zweckmaßigkeitsuberprufung nach nationalem Recht der Exekutive\nvorbehalten. Eine Kontrolle ist durch das Gericht nach den §§ 113 Abs. 1 Satz\n1, 114 Satz 1 VwGO nicht vorgesehen. Danach ist bei dem nach nationalem Recht\ngegen die Ausweisungsverfugung gegebenen Rechtsmittel im Sinne des Art. 9 der\nRichtlinie 64/221/EWG die Überprufung auf die „Gesetzmaßigkeit" der\nEntscheidung beschrankt. \n--- \n| 33 \n--- \n| b.) Von der danach erforderlichen - vorherigen - Einschaltung einer\nzustandigen Stelle konnte im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise\nabgesehen werden. Die - vorherige - Einschaltung einer „zustandigen Stelle"\nkann nur „in dringenden Fallen" unterbleiben (vgl. Art 9 Abs. 1 der Richtlinie\n64/221/EWG). Ein dringender Fall lag beim Klager zum insofern maßgeblichen\nZeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfugung am 24.3.2003 nicht vor. Zur\nBegrundung kann auf die den Beteiligten bekannten Ausfuhrungen im Eilbeschluss\nvom 5.11.2003 im Verfahren - 4 K 744/03 - verwiesen werden, wonach ein\nbesonderes offentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der\nAusweisungsentscheidung beim Klager nicht festgestellt werden konnte. Wegen\ndes gleichen Prufungsmaßstabs rechtfertigt die Annahme des Fehlens eines\ngegenwartigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses an der Ausweisung\ngrundsatzlich die gleichzeitige Annahme des Fehlens eines „dringenden Falls"\n(vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 14.6.2005 - 4 K 17/05 -). Das Fehlen eines\nbesonderen Vollzugsinteresses zum Zeitpunkt des Erlasses des Eilbeschlusses am\n5.11.2003 indiziert zusammen mit der Entwicklung des Klagers und mit der Dauer\ndes bereits am 1.3.2002 eingeleiteten Ausweisungsverfahrens, dass im Fall des\nKlagers auch zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfugung kein\n„dringender Fall" vorlag. Danach war die - vorherige - Einschaltung einer\n„zustandigen Stelle" erforderlich und das Absehen von der - vorherigen -\nEinschaltung einer „zustandigen Stelle" stellt demnach einen Verfahrensfehler\ndar. \n--- \n| 34 \n--- \n| c.) Der Verfahrensfehler ist auch beachtlich und fuhrt daher zur\nRechtswidrigkeit der Ausweisungsentscheidung. Eine nachtragliche Heilung kommt\nnicht in Betracht (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG Bad.-Wurtt.). Weder wurde die\nfehlende Beteiligung der unabhangigen Stelle durch eine behordliche\nEntscheidung nachgeholt noch kann das gegen die Ausweisungsentscheidung\ndurchgefuhrte Klagverfahren eine Heilung bewirken. \n--- \n| 35 \n--- \n| Das Unterlassen der - vorherigen - Einschaltung einer unabhangigen Stelle\nfuhrt damit zu einem Verstoß gegen die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie\n64/221/EWG festgelegten Rechtsschutzgarantien und damit zur formellen\nRechtswidrigkeit der Ausweisungsverfugung. \n--- \n| 36 \n--- \n| 2\\. Die Ausweisungsentscheidung ist aber auch in materiell-rechtlicher\nHinsicht rechtswidrig. \n--- \n| 37 \n--- \n| Dabei sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 2\nAufenthG erfullt, nachdem durch die Straftaten nicht nur vereinzelte oder\ngeringfugige Verstoße gegen die Rechtsordnung vorliegen. Das\nAusweisungsermessen ist danach eroffnet. \n--- \n| 38 \n--- \n| Der Klager kann sich - wie oben ausgefuhrt - als turkischer\nStaatsangehoriger auf ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen. Dies hat\nzur Folge, dass zu seinen Gunsten von veranderten gemeinschaftsrechtlichen\nAnforderungen (vgl. hierzu: EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-482/01 -\nOrfanopoulos/Oliveri) an eine Ausweisung auszugehen ist. Zwar bezieht sich\ndiese Entscheidung des EuGH auf freizugigkeitsberechtigte Unionsburger, sie\nist jedoch hinsichtlich ihrer materiellen Grundsatze auf turkische\nStaatsangehorige zu ubertragen, die ein assoziationsrechtliches\nAufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen. Der Assoziationsratsbeschluss Nr.\n1/80 beruht auf dem „Abkommen zur Grundung einer Assoziation zwischen der EWG\nund der Turkei" aus dem Jahr 1963, das der EuGH als integrierenden Bestandteil\nder Gemeinschaftsordnung ansieht. Die Gleichstellung turkischer\nStaatsangehoriger mit EU-Angehorigen ergibt sich zum einen aus dem Zweck des\nARB 1/80 sowie aus der Tatsache, dass der Vorbehalt in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80\nder Regelung in Art. 39 Abs. 3 EG entspricht. Daher ist abzuleiten, dass die\nim Rahmen der Art. 39 ff EG geltenden Grundsatze so weit wie moglich auf die\nturkischen Arbeitnehmer, welche die im ARB 1/80 eingeraumten Rechte besitzen,\nubertragen werden sollen (EuGH, Urteil vom 10.2.2000, C-340/97, Nazli, und\nUrteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya). Aus dieser Gleichstellung\nkombiniert mit der Entscheidung des EuGH vom 29.4.2004 (Orfanopoulos/Oliveri)\nergeben sich fur turkische Staatsangehorige, die die Rechte aus dem ARB 1/80\nbesitzen, mehrere rechtliche Folgerungen (vgl. auch: BVerwG, Urteile vom\n3.8.2004 - BVerwG 1 C 30.02 - und - BVerwG 1 C 29.02 -): \n--- \n| 39 \n--- \n| a.) Maßgeblicher Zeitpunkt fur die Beurteilung der Rechtmaßigkeit der\nAusweisungsverfugung ist nicht - wie bisher - grundsatzlich der Erlass des\nWiderspruchbescheids. Vielmehr sind fur turkische Staatsangehorige, die durch\ndas Assoziationsrecht privilegiert sind, tatsachliche und rechtliche\nÄnderungen bis zur letzten mundlichen Verhandlung vor Gericht zu\nberucksichtigen, da nach den europarechtlichen Vorgaben uber die Ausweisung\nanhand einer aktuellen Gefahrenprognose entschieden werden muss (EuGH, Urteil\nvom 11.11.2004 - C-467/02 - Cetinkaya; BVerwG, Urteil vom 3.8.2004, - BVerwG 1\nC 29.02 -). In allen bis zum 31.1.2005 anhangig gewordenen\nVerwaltungsstreitverfahren von nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigten\nturkischen Staatsangehorigen, die - wie hier - im Wege einer Ist- oder\nRegelausweisung ausgewiesen worden sind, ist der Auslanderbehorde mit\nRucksicht auf die Rechtsprechungsanderung auch Gelegenheit zu geben, eine\ndanach erforderliche Ermessensentscheidung nachzuholen oder die\nErmessensentscheidung unter Berucksichtigung neuer Tatsachen in\ngemeinschaftskonformer Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO zu aktualisieren. \n--- \n| 40 \n--- \n| b.) Privilegierte turkische Staatsangehorige durfen nur nach einer\nindividuellen Entscheidung der zustandigen Behorde ausgewiesen werden, was zur\nFolge hat, dass die Tatbestande der zwingenden Ausweisung und einer\nRegelausweisung als Rechtsgrundlagen ausscheiden und der durch den ARB 1/80\nprivilegierte turkische Staatsangehorige nach den einschlagigen\ngemeinschaftlichen Grundsatzen nur aufgrund einer auslanderrechtlichen\nErmessensentscheidung ausgewiesen werden kann. \n--- \n| 41 \n--- \n| c.) Erforderlich fur eine solche Ausweisung ist eine einzelfallbezogene\nPrufung, die vom personlichen Verhalten des privilegierten turkischen\nStaatsangehorigen ausgeht. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose hat sich\nauf spezialpraventive Gesichtspunkte zu beschranken und darf sich nicht allein\nan einer strafgerichtlichen Verurteilung orientieren. Daruber hinaus hangt die\nRechtmaßigkeit der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten\nturkischen Staatsangehorigen davon ab, ob das offentliche Interesse am Schutz\nder offentlichen Ordnung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, der im Sinne\ndes Art. 39 Abs. 3 EG auszulegen ist, das private Interesse des turkischen\nStaatsangehorigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich uberwiegt. Dem\ngemeinschaftlichen Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit kommt hierbei besondere\nBedeutung zu. \n--- \n| 42 \n--- \n| Damit setzt die Ausweisung eines assoziationsrechtlich privilegierten\nturkischen Staatsangehorigen das Vorliegen einer konkreten Wiederholungsgefahr\nim maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts voraus. Dieses\nungeschriebene Tatbestandsmerkmal des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ist nur erfullt,\nwenn eine Prognoseentscheidung ergibt, dass der Betroffene durch sein\nVerhalten die offentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit tatsachlich und\nschwerwiegend gefahrdet (EuGH, Urteil vom 11.11.2004 - C-467/02 - Cetinkaya,\nAbsatze 36 ff.). Dies ist dann der Fall, wenn beim Betroffenen weitere schwere\nStraftaten zu erwarten sind, die im Hinblick auf das berechtigte Interesse des\nMitgliedstaates am Schutz der offentlichen Sicherheit nicht mehr hinnehmbar\nsind und die auch bei Berucksichtigung der personlichen Belange des\nBetroffenen seine Entfernung aus dem Mitgliedstaat rechtfertigen. \n--- \n| 43 \n--- \n| Die gerichtliche Gefahrenprognose ergibt, dass beim Klager gegenwartig\nkeine qualifizierte Wiederholungsgefahr besteht. Die von der Behorde erkannte,\nvom Klager weiterhin ausgehende theoretische Gefahr, reicht hierfur nicht aus.\nSie beschrankt sich auf die allgemeine Ruckfallgefahr, die bei jedem ehemals\nDrogensuchtigen besteht und die auch durch Entgiftung und Entwohnung nicht\nvollig beseitigt wird. Dabei stellt die Moglichkeit eines Ruckfalls in den\nDrogenkonsum lediglich einen Teilaspekt der notwendigen Gesamtwurdigung dar\nund reicht fur sich genommen zur Begrundung der erforderlichen qualifizierten\nWiederholungsgefahr nicht aus. Insofern misst der Beklagte dem Ergebnis der\nfahrerlaubnisrechtlich veranlassten Untersuchung des Klagers durch eine\nmedizinisch-psychologische Untersuchungsstelle zu Unrecht eine entscheidende\nBedeutung bei. Ausschlaggebend fur die auslanderpolizeirechtliche\nGefahrenprognose ist nicht dieser einzelne Aspekt, sondern der Gesamteindruck,\nbei dem nicht nur die begangenen Straftaten sondern auch die personliche\nEntwicklung, das Verhalten nach Bestrafungen und die Einschatzung anderer\nbefasster Stellen zu beachten und zu bewerten sind. \n--- \n| 44 \n--- \n| Wird auf den maßgeblichen Gesamteindruck abgestellt, halt die\nGefahrenprognose des Beklagten der gerichtlichen Überprufung nicht Stand. Bei\nder Gesamtwurdigung sind folgende Punkte zu berucksichtigen: \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Straftaten wurden im Zeitraum Mitte 1999 bis November 2000 begangen.\nSie liegen 4,5 Jahre zuruck und wurden wegen Retardierungen der\nPersonlichkeitsentwicklung nach Jugendstrafrecht abgeurteilt. Alle\nabgeurteilte Taten liegen vor der ersten Verurteilung am 5.12.2000. Der Klager\nlebt seit Februar 2002 drogenabstinent. Dies ist durch die Ergebnisse\nmehrfacher unangekundigter Urinkontrollen, die in der Haftzeit, durch den\nBewahrungshelfer und durch das medizinisch-psychologische Institut beim TÜV\nerfolgten, sowie durch das Ergebnis der bei ihm durchgefuhrten Haaranalyse\nnachgewiesen. Der Klager hat damit seit 3,5 Jahren keine illegalen Drogen mehr\nkonsumiert. Eine glaubhafte Änderung der Einstellungen des Klagers ist\nmehrfach dokumentiert. Nach dem Bericht des Leiters der Justizvollzugsanstalt\nR. vom 6.8.2003 war beim Klager von Beginn an die Absicht erkennbar, sich\neiner Drogentherapie zu unterziehen. Dazu nahm er Kontakt zur Drogenberatung\nauf, nahm an einer Motivationsgruppe teil und hielt Kontakt zu einer\nTherapieeinrichtung. Samtliche Urinkontrollen in der Haftzeit sind negativ\ngewesen. Eine gunstige Sozialprognose wurde dem Klager auch im\nBewahrungsbeschluss des Amtsgerichts R. vom 20.8.2003 gestellt. Dabei wurde\ndem Klager seine ordentliches Verhalten im Vollzug zugute gehalten und der\nUmstand, dass samtliche Urinkontrollen negativ gewesen sind. Die von Anfang an\nvorhandene Absicht, an einer Drogenlangzeittherapie teilzunehmen, sei nur an\nder fehlenden Kostenzusage gescheitert, was der Klager nicht zu vertreten\nhabe. Die Bemuhungen des Klagers um eine Drogentherapie sind auch durch die\nBescheinigung der Psychosozialen Beratungsstelle der Caritas ... vom 14.8.2003\nbelegt. Dass der Klager seine Abkehr vom fruheren negativen Verhalten nach der\nHaftzeit beibehalten hat, bestatigen die von ihm vorgelegten Bescheinigungen\nuber seine Versuche eine Lehrstelle zu finden und - bezuglich seines sozialen\nEngagements bei der Integration vorwiegend turkischstammiger Jugendlicher -\ndas Bestatigungsschreiben des Burgermeisters von M. vom 8.6.2005 und die\nAngaben von Polizeihauptmeister K. in der mundlichen Verhandlung am 14.6.2005.\nDer Eindruck, den der Klager in der mundlichen Verhandlung gemacht hat, war\npositiv. Auch aufgrund dieses Eindrucks nimmt das Gericht dem Klager ab, dass\ner seine Fehler eingesehen und ernsthaft bereut hat und dass er weiter\nentschlossen und in der Lage ist, in Zukunft ein straf- und drogenfreies Leben\nzu fuhren. Der Klager ist nach dem Eindruck des Gerichts auch in seiner\nPersonlichkeitsentwicklung gefertigt und durchaus selbstkritisch. Ihm ist\nklar, dass er zur endgultigen Bereinigung seiner Drogenproblematik auf eine\nLangzeitdrogentherapie angewiesen ist. Die Absicht, diese Therapie\ndurchzufuhren, ist bei ihm vorhanden. \n--- \n| 46 \n--- \n| Danach gibt es beim Klager eine insgesamt positive Entwicklung. Wird sie\ngesehen und in die Prognoseentscheidung eingestellt, erscheint die allein auf\neine allgemeine Ruckfallgefahr und auf die nach Jugendstrafrecht abgeurteilten\nund 4,5 Jahre zuruckliegenden Betaubungsmittelstraftaten gestutzte\nGefahrenprognose der Behorde in der Wahrnehmung luckenhaft und im Ergebnis\nverfehlt. Eine gegenwartige konkrete Gefahr, dass der Klager in absehbarer\nZeit schwere Straftaten begehen und dadurch die offentliche Sicherheit der\nBundesrepublik Deutschland erheblich storen wird, ist fur das Gericht\ngegenwartig auch nicht im Ansatz erkennbar. Eine qualifizierte\nWiederholungsgefahr im Sinne des Art. 14 ARB 1/80 besteht daher beim Klager,\nder weiß, dass er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen darf, nicht. \n--- \n| 47 \n--- \n| Damit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 2\nAufenthG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 fur die Ausweisung des\nassoziationsrechtlich privilegierten turkischen Staatsburgers gegenwartig\nnicht vor. Die Ausweisungsentscheidung ist daher rechtswidrig, ohne dass es\nnoch darauf ankame, ob die Bezirksstelle die Ausweisung in wirksamer Weise auf\neine Ermessensentscheidung gestutzt und das Ermessen dabei auch bezuglich der\nGefahrenprognose fehlerfrei ausgeubt hat. Die Ausweisungsentscheidung war in\nder Folge aufzuheben. \n--- \n| 48 \n--- \n| II. Die Abschiebungsandrohung unterliegt ebenfalls der Aufhebung. Sie ist\nrechtswidrig weil nach der Aufhebung der Ausweisungsentscheidung beim Klager\nkeine vollziehbare Ausreisepflicht besteht. Eine Abschiebungsandrohung durfte\ndaher nicht ergehen (vgl. § 59 AufenthG (§ 50 AuslG). \n--- \n| 49 \n--- \n| Der Klage war danach insgesamt stattzugeben. \n--- \n| 50 \n--- \n| Der Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens, weil er unterliegt (vgl. §\n154 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n
141,326
vg-stuttgart-2005-09-15-11-k-238204
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
11 K 2382/04
2005-09-15
2019-01-08 18:44:24
2019-01-17 12:01:29
Urteil
## Tenor\n\nDer Bescheid der Beklagten vom 29. Dezember 2003 und der Widerspruchsbescheid\nder Beklagten vom 12. Mai 2004 werden aufgehoben.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten uber die Hundesteuerpflicht des Klagers fur einen\nvon diesem im Rahmen seiner Nebenerwerbslandwirtschaft gehaltenen Hund. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager ist Eigentumer eines nunmehr ca. 2-jahrigen Schafer-/Sennerhund-\nMischlings. Gestutzt auf ihre Satzung uber die Erhebung der Hundesteuer in\nKirchheim unter Teck i. d. F. v. 14.11.2001 (- HStS -) setzte die Beklagte mit\nBescheid vom 29.12.2003 fur dieses Tier fur das Steuerjahr 2004 Hundesteuer i.\nH. v. EUR 96,00 fest. Hiergegen legte der Klager am 07.01.2004 Widerspruch\nein. Zur Begrundung fuhrte er aus, gemaß § 1 Abs. 2 HStS unterliege nur das\nHalten von Hunden einer Steuerpflicht, soweit dieses nicht ausschließlich der\nErzielung von Einnahmen diene. Gerade dies sei aber der Fall. Er betreibe in\nNebenerwerbslandwirtschaft einen Aussiedlerhof im Außenbereich. Er\nbewirtschafte dort 32 Hektar Nutzflache und halte 300 Legehennen, deren Eier\ndirekt ab Hof verkauft wurden. Daneben gehe er einer Vollzeiterwerbstatigkeit\nbei der Firma B. nach. Aufgrund der Große des landwirtschaftlichen Betriebs\ntrage dieser aber in erheblichem Maß zum Lebensunterhalt der Familie bei. Der\nnun zur Hundesteuer veranlagte Wachhund werde im Hofbereich in einem Zwinger\ngehalten, der Nachts einen Zugang zum Innern samtlicher Wirtschaftsgebaude\nhabe. Nur so konne tagsuber und in der Nacht die Sicherung der Hofstelle und\ndie Sicherung der Gebaude gewahrleistet werden. Der Hund habe damit\nausschließlich die Funktion eines Wachhundes fur den landwirtschaftlichen\nBetrieb. Auch das Finanzamt anerkenne die Kosten fur Hundefutter sowie\nTierarzt als Betriebsausgabe. Der Wachhund sei auch aufgrund der konkreten\nraumlichen Situation von Noten, da sich das Betriebsgelande im Außenbereich\nbefinde und ohne eine Sicherung der landwirtschaftliche Betrieb kaum moglich\nware. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2004, zugestellt am 13.05.2004, wies die\nBeklagte den Widerspruch des Klagers zuruck. Zur Begrundung ist ausgefuhrt,\ngemaß § 1 Abs. 2 HStS unterliege das Halten von Hunden der Steuerpflicht,\nsoweit dies nicht ausschließlich die Einnahmeerzielung unterstutze. Dies sei\nnur dann der Fall, wenn die Hundehaltung Inhalt einer Tatigkeit zur Erzielung\nvon Einkunften sei. Als wesentliches Merkmal komme es auf eine dauerhaft\nangelegte Betatigung, die ausschließlich Erwerbszwecken diene, an. Es reiche\ndaher zur Steuerfreiheit nach dieser Vorschrift nicht aus, wenn die\nHundehaltung im Rahmen eines Nebenerwerbsbetriebes erfolge. Bei einem\nlandwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb konne nicht von der\nAusschließlichkeit der Einnahmeerzielung ausgegangen werden, da durch den\nSteuergegenstand keine erheblichen Einnahmen erzielt wurden. Im konkreten Fall\ndes Klagers ergebe sich aus den vorgelegten Einkommenssteuerbescheiden, dass\nim Jahre 2002 ein negatives Einkommen i. H. v. EUR 1.666,00 aus der\nNebenerwerbslandwirtschaft sowie ein positives Einkommen von beinahe 40.000,00\nEUR aus nichtselbstandiger Arbeit erzielt worden sei. Auch ergebe sich aus\neinem aktualisierten Bescheid der Seuchenkasse, dass lediglich noch 160 Huhner\nim Betrieb des Klagers gehalten wurden, weshalb nicht von einer\nausschließlichen Einnahmeerzielung ausgegangen werden konne. Dasselbe gelte\nmit Blick auf die nachgewiesenen landwirtschaftlichen Flachen von insgesamt 32\nHektar, woraus auch nicht geschlossen werden konne, dass die satzungsmaßigen\nVoraussetzungen fur die ausschließliche Einnahmeerzielung vorliegen wurden.\nEine Steuerfreiheit des vom Klager gehaltenen Hundes unter dem Blickwinkel\nseiner Eigenschaft als „Wachhund", sehe die Satzung im ubrigen nicht vor. \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Klager hat am 11.06.2004 das Verwaltungsgericht angerufen. Zur\nBegrundung fuhrt er aus, sein Hund unterliege gemaß § 1 Abs. 2 HStS nicht der\nSteuerpflicht. Die vom Klager ausgeubte Nebenerwerbslandwirtschaft trage nicht\nunerheblich zum Unterhalt der Familie bei. Dies ergebe sich aus dem Bescheid\ndes Finanzamts vom 29.08.2003 uber zu leistende Vorauszahlungen auf die\nEinkommenssteuer, worin positive Einkunfte aus Land- und Forstwirtschaft\naufgefuhrt seien, so dass von einer fortbestehenden Einnahmeerzielungsabsicht\nhinsichtlich der nebenbetrieblichen landwirtschaftlichen Tatigkeit auszugehen\nsei. Dieser landwirtschaftliche Betrieb im Außenbereich konne auch nicht ohne\nBewachung gefuhrt werden. Allein der Umstand, dass der Klager „nur" einen\nNebenerwerbsbetrieb fuhre, konne nicht gefolgert werden, dass der\nstreitgegenstandliche Hund auch zu anderen Zwecken als zur Einnahmeerzielung\ngehalten werde. Gerade in dem Zeitraum, in dem der Klager personlich einer\nnichtselbstandigen Tatigkeit nachgehe, werde der Hund zur Bewachung benotigt.\nDie Ausschließlichkeit der Hundehaltung zum Zwecke der Einnahmeerzielung werde\nauch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Hund auch in der einsatzfreien\nZeit betreut werden musse. Dies geschehe ausschließlich in dem dafur\nvorhandenen Zwinger. Es lagen keinerlei objektive Umstande vor, die die\nVermutung widerlegten, der streitgegenstandliche Hund werde im Betrieb des\nKlagers zum Zwecke der Einnahmeerzielung gehalten. Allein das Argument, es\nhandele sich lediglich um einen Nebenerwerbsbetrieb, genuge insoweit nicht.\nSolches konne nur dann angenommen werden, wenn der Einsatz eines ansonsten\naußerhalb des Nebenerwerbsbetriebes gehaltenen Hundes innerhalb dieses\nBetriebes lediglich von untergeordneter Bedeutung ware. Dies sei hier nicht\nder Fall. Die Tierhaltung - konkret hier die Huhnerhaltung - konne trotz ihres\nCharakters als Nebenerwerbslandwirtschaft nicht zeitlich beschrankt betrieben\nwerden. Auch die Nebenerwerbslandwirtschaft werde 24 Stunden taglich betrieben\nund musse daher auch 24 Stunden taglich von dem gehaltenen Hund bewacht\nwerden. Schließlich wurde auch das Finanzamt Kirchheim/Teck samtliche durch\ndie Haltung des Hundes verursachten Kosten wie Tierfutter und Tierarzt im\nRahmen der Einkommensbesteuerung seit langem als Werbungskosten anerkennen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 6 \n--- \n| den Bescheid der Beklagten vom 29.12.2003 und den Widerspruchsbescheid der\nBeklagten vom 12.05.2004 aufzuheben. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Zur Begrundung verweist sie auf die angefochtenen Bescheide. \n--- \n| 10 \n--- \n| Im Rahmen der mundlichen Verhandlung erlauterte der Klager auf Nachfrage\ndes Gerichts, er halte in seinem Betrieb stets zwischen 200 bis 300 Huhner;\ndie genaue Zahl sei schwankend. Daneben betreibe er auf 32 Hektar Flache\nAckerbau. Der Betrieb verfuge uber zwei Traktoren von 65 bzw. 115 kW. Neben\nder Nebenerwerbslandwirtschaft gehe er 35 Stunden pro Woche einer\nunselbstandigen Vollzeiterwerbstatigkeit bei der Firma B. als Elektroniker\nnach. Bei dem landwirtschaftlichen Hof handele es sich um den Hof der\nSchwiegereltern, den er nach dem Tod des Schwiegervaters nun fuhre. Sein\neigener Sohn, 16 Jahre, helfe dabei mit. Die Tierhaltung in der\nNebenerwerbslandwirtschaft diene allein der Eiervermarktung. Nur gelegentlich\nveraußerten sie auch Suppenhuhner. Es wurden etwa 130 Eier pro Tag erzeugt,\ndie alle zu einem Preis von 0,16 Cent pro Ei direkt ab Hof vermarktet wurden.\nDer Hof sei ein so genannter Aussiedlerhof und liege isoliert, etwa 500 m vom\nWaldrand entfernt. Der im Zwinger im Hofbereich gehaltene Hund habe einen\ndirekten Zugang zu den Stallungen. Überwiegend halte er sich direkt im Zwinger\nauf, daneben gebe es aber auch noch eine eingezaunte Wiese, die der Hund zum\nFreilauf nutze. Spaziergange mit dem Hund in der Natur wurden keine\ndurchgefuhrt. Im Zwinger befinde sich auch die Hundehutte. Der Hund schlafe\naber meist draußen. In der Vergangenheit habe der Hund schon einmal einen\nFuchs gestellt. Der Fuchs sei bereits in ein Nebengebaude eingedrungen\ngewesen, habe die Begegnung aber nicht uberlebt. Die Einnahmen aus der\nLandwirtschaft seien schwankend. In den Kalenderjahren 2002 und 2003 habe er -\nwetterbedingt - Verluste gemacht. Das Kalenderjahr 2004 habe einen Gewinn\ngebracht. Das laufende Kalenderjahr sei - wiederum witterungsbedingt - eher\nschlecht gelaufen. Betrachte man allerdings allein die Huhnerhaltung isoliert,\nso mache die in jedem Jahr Gewinne. Die Schwankungen und die Verluste stammten\naus dem Ackerbau. \n--- \n| 11 \n--- \n| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten\nSchriftsatze, die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der\nBeklagten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. Der angefochtene Hundesteuerbescheid\nsowie der ihn bestatigende Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und\nverletzen den Klager in seinen Rechten. Sie mussten vom Gericht daher\naufgehoben werden ( § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). \n--- \n| 13 \n--- \n| Als Rechtsgrundlage fur die von der Beklagten angenommenen Steuerpflicht\nkommt vorliegend - wie von den Beteiligten zutreffend erkannt - allein § 1\nAbs. 2 der Satzung der Beklagten uber die Erhebung der Hundesteuer i.d.F. v.\n14.11.2001 in Betracht, die keinen formellen oder insoweit materiell-\nrechtlichen Bedenken begegnet. \n--- \n| 14 \n--- \n| Danach unterliegt der Hundesteuer das Halten von Hunden durch naturliche\nPersonen im Stadtgebiet, soweit es nicht ausschließlich der Erzielung von\nEinnahmen dient. \n--- \n| 15 \n--- \n| Diese tatbestandsmaßigen Voraussetzungen fur eine Steuererhebung im Falle\ndes Klagers sind aber nicht erfullt. Denn entgegen der Ansicht der Beklagten\ndient das Halten des Hundes durch den Klager hier ausschließlich der\nEinnahmeerzielung. \n--- \n| 16 \n--- \n| Zu diesem Tatbestandsmerkmal hat der VGH Ba.-Wu. mit Urteil vom 16.12.2002\n(- 2 S 2113/00 -; BWGZ 2003, 257 = VBlBW 2003, 288) ausgefuhrt: \n--- \n| 17 \n--- \n| „Mit dem Abstellen auf das (dann steuerfreie) Halten eines Hundes, wenn es\nausschließlich der Erzielung von Einnahmen dient, tragt die Satzung der\nErmachtigung in § 6 Abs. 3 KAG Rechnung und ferner dem Umstand, dass die\nHundesteuer als ortliche Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2 a GG gilt.\nWie der Senat in seinem Urteil vom 29.11.1989 - 2 S 1709/89 - festgestellt\nhat, erfasst die Hundesteuer als Aufwandsteuer eine wirtschaftliche\nLeistungsfahigkeit, die sich in der Verwendung von Einkommen(steilen) fur\nVerbrauchsguter oder Dienstleistungen im Bereich der personlichen\nLebensfuhrung außert. Dass es sich dabei um das Erfassen einer "besonderen"\nLeistungsfahigkeit handeln muss, wie der Senat in dieser Entscheidung geaußert\nhat, ist verfassungsrechtlich nicht gefordert (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom\n6.12.1983, BVerfGE 65, 325 , 347). Mit der Aufwandsteuer erfasst wird\ndementsprechend die wirtschaftliche Leistungsfahigkeit, die sich in der\nVerwendung von Einkommen fur den personlichen Lebensbedarf außert (so BVerwG,\nUrteil vom 27.9.2000, NVwZ 2001, 439 ; Urteil vom 12.4.2000, NVwZ 2001, 440 ).\nIst demnach maßgeblich abzustellen auf die Einkommensverwendung zum\npersonlichen Lebensbedarf, ist der Aufwandsbesteuerung nicht zuganglich die\nVerwendung von Einkommen, die nicht Ausdruck der in ihr fur den personlichen\nLebensbedarf sichtbaren Leistungsfahigkeit ist (st. Rspr. der\nVerwaltungsgericht, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26.9.2001, NVwZ 2002, 728 ).\nDem tragt die Satzung der Beklagten hier hinreichend Rechnung. \n--- \n| 18 \n--- \n| Das Erzielen von Einnahmen setzt - ausgehend vom Wortverstandnis - voraus,\ndass der Hund beruflich oder gewerblich genutzt wird, d.h. sein Halten zu\nberuflichen oder gewerblichen, namentlich erwerbswirtschaftlichen Zwecken." \n--- \n| 19 \n--- \n| Dem schließt sich der Einzelrichter an. Entgegen der Ansicht der Beklagten\nkommt es insoweit also nicht in erster Linie darauf an, ob die\nerwerbswirtschaftliche Tatigkeit gerade im maßgeblichen Steuerveranlagungsjahr\nzu positiven Einkunften fuhrt. Solches hangt von einer Vielzahl von Faktoren\nab, wie vorliegend etwa von Witterungseinflussen im extrem heißen Sommer 2003\nbzw. im sehr nassen Sommer 2005 oder aber auch von in einem bestimmten\nVeranlagungsjahr getatigten Investitionen bzw. vorzunehmenden Abschreibungen.\nVielmehr genugt es (zunachst), dass uberhaupt eine erwerbswirtschaftliche\nTatigkeit feststellbar ist, in Abgrenzung zu einem reinen Hobby, in der\nSprache des Einkommensteuerrechts also eine „Gewinnerzielungsabsicht"\nvorliegt. \n--- \n| 20 \n--- \n| Dass dies hier der Fall ist, die Hundehaltung demnach grundsatzlich der\nEinnahmeerzielung dient, kann nicht ernsthaft zweifelhaft sein. Die vom Klager\nunstrittig betriebene Nebenerwerbslandwirtschaft geht in ihrer Art und Große\nweit uber ein hobbymaßiges „sich gartnerisch betatigen" hinaus.\nDementsprechend wird sie auch Jahr fur Jahr vom zustandigen Finanzamt im\nRahmen der Einkommensteuerfestsetzung - positiv oder negativ - berucksichtigt. \n--- \n| 21 \n--- \n| Weiter stellt auch die Beklagte die objektive Eignung der Hundehaltung im\nRahmen dieser vom Klager betriebenen Nebenerwerbslandwirtschaft nicht in Frage\nund auch nicht, dass das Halten des Hundes auch tatsachlich in diesem Rahmen\nerfolgt. Soweit sie mit Blick auf die „nur" als Nebenerwerb ausgeubte\nTatigkeit des Klagers die Steuerfreiheit gleichwohl verneinen mochte, geht es\nin Wahrheit um des Tatbestandsmerkmal der „Ausschließlichkeit" in § 1 Abs. 2\nHStS, ob also das Halten des Hundes hier "ausschließlich" der Erzielung von\nEinnahmen dient. Insoweit kommt dem Umstand, dass es sich hier „nur" um\nNebenerwerbslandwirtschaft handelt, also tatsachlich Bedeutung zu. Bei der\nBerucksichtigung der Hundehaltung im Rahmen einer solchen\nNebenerwerbslandwirtschaft hat die Behorde das Merkmal der\n„Ausschließlichkeit" namlich besonders sorgfaltig zu prufen. Je kleiner der\nNebenerwerbsbetrieb nach Struktur und Große ist, umso eher bestehen Zweifel\ndahingehend, ob eine Hundehaltung ausschließlich diesem Zweck und nicht doch\n(auch) der personlichen Lebensfuhrung dient. \n--- \n| 22 \n--- \n| Zu diesem Tatbestandsmerkmal fuhrt der VGH (a.a.O.) aus: \n--- \n| 23 \n--- \n| „Die hier gegebene Fragestellung folgt nicht in erster Linie aus dem\nrechtlichen Ansatz, sondern ist bedingt durch eine faktische Weite der\nTatbestandsgrundlagen, die sich durch den Gegenstand der Steuer und dem in ihm\nzum Ausdruck kommenden Bezug zu einer "personlichen" Lebensfuhrung ergeben.\nSie kann nach den Grundsatzen geklart werden, die der Senat - wenn auch in\nanderem Zusammenhang - fur die Abgrenzung aufwandsteuerlich maßgebender\nTatbestand von "reiner Einnahmeerzielung" als der Aufwandbesteuerung nicht\neroffnetem Tatbestand dargestellt hat. So wird die Moglichkeit der\n"Eigennutzung", auch wenn sie objektiv gegeben ist, nicht von vornherein die\nausschließliche Einnahmeerzielung ausschließen (so zur "reinen Kapitalanlage"\nbei der Zweitwohnungssteuer BVerwG, Urteile vom 10.10.1995, DVBl. 1996, 374 =\nBVerwGE 99, 303 ; Urteil vom 6.12.1996, NVwZ 1998, 178 ; Urteil vom 30.6.1999,\nBVerwGE 109, 188 und Urteil vom 26.9.2001, aaO; ferner das Urteil des Senats\nvom 23.4.1998, VBlBW 1998, 474 ). Auch wird im Rahmen der "Ausschließlichkeit"\nder Einnahmeerzielung zu berucksichtigen sein, ob durch den Steuergegenstand\nerhebliche Einnahmen erzielt werden (dazu BVerwG, Urteil vom 10.10.1995, aaO;\nferner das Urteil des Senats vom 14.1.1999 - 2 S 303/98 - n.v.). Auszugehen\nist dabei davon, dass eine Vermutung dafur spricht, der Steuertatbestand sei\nerfullt. Der Betroffene darf indes Umstande vortragen, die diese Vermutung\nerschuttern (BVerwG, Urteile vom 10.10.1995, vom 6.12.1996, vom 30.6.1999 und\nvom 26.9.2001, jeweils aaO; BVerfG, Beschluss vom 29.6.1995, NVwZ 1996, 57 ).\nDabei kommt es auf objektive Umstande an, die zur Begrundung, die Vermutung\nsei widerlegt, anzufuhren sind (BVerwG, Urteile vom 10.10.1995, 6.12.1996,\n30.6.1999 und 26.9.2001, jeweils aaO; ebenso das Urteil des Senats vom\n14.1.1999 - 2 S 303/98 - n.v.). Bleiben solche Umstande "unaufklarbar", dann\ntreffen die Folgen dieser "Beweislosigkeit" den Steuerpflichtigen (dazu der\nSenat im Urteil vom 5.4.1998 - 2 S 2874/87 -; vgl. auch Urteil vom 27.4.1993,\nVBlBW 1993, 436 ). Diese allein mit Blick auf den Einzelfall einzubeziehenden\nGesichtspunkte gelten auch fur die in Rede stehende Aufwandbesteuerung im\nFalle der Hundehaltung. \n--- \n| 24 \n--- \n| Dementsprechend sind - ausgehend von der genannten Vermutungsregel\n-samtliche Umstande zu berucksichtigen, mithin auch personliche, soweit sie\nsich als objektivierbar erweisen, etwa weil sie sich in einer außerlich\nfeststellbaren Art und Weise der Hundehaltung zeigen. So kann etwa durchaus\nfur die Zuordnung zum personlichen Lebensbereich - und damit die\nausschließliche Einnahmeerzielung ausschließend - von Bedeutung sein, dass ein\nHund im Wohnhaus gehalten wird, fur die Kinder einer Familie angeschafft\nworden ist oder ersichtlich anderen Zwecken dient, wie etwa der Jagd oder der\nBegleitung zum Personenschutz. Eine demnach festzustellende "private" Nutzung\nist aber bei der Frage, ob es um eine Hundehaltung "ausschließlich zur\nErzielung von Einnahmen" geht, jedenfalls dann nicht zu Lasten des Betroffenen\nals ausschlaggebend zu behandeln, wenn die Moglichkeit der privaten Nutzung\nvon vollig untergeordneter Bedeutung gegenuber einem ganz uberwiegenden\nbetrieblichen Zweck ist (vgl. dazu BFH, Urteil vom 10.9.1990, BFH/NV 1991, 234\n). Von einer solchen lediglich vollig am Rande liegenden Bedeutung kann etwa\nausgegangen werden bei dem fur die Betreuung des Hundes unabdingbaren\nAufwand." \n--- \n| 25 \n--- \n| Auch diesen Erwagungen schließt sich der Einzelrichter an. Bei Anlegen\ndieser Maßstabe dient die Hundehaltung des Klagers hier noch ausschließlich\nder Einnahmeerzielung im Sinne von § 1 Abs. 2 HStS. Sein Vorbringen, der im\nZwinger im Hofbereich gehaltene Hund habe einen direkten Zugang zu den\nStallungen, uberwiegend halte der Hund sich direkt im Zwinger auf, daneben\ngebe es aber auch noch eine eingezaunte Wiese, die er zum Freilauf nutze,\nweshalb Spaziergange mit dem Hund in der Natur keine durchgefuhrt wurden; im\nZwinger befinde sich auch die Hundehutte, der Hund schlafe aber meist draußen,\nist von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden. Anhaltspunkte dafur,\ndass der Klager oder seine Familienangehorigen den Hund zu anderen, namentlich\nFreizeitzwecken benutzen, sind nicht erkennbar geworden und werden von der\nBeklagten auch nicht geltend gemacht. Auch aus sonstigen tatsachlichen\nUmstanden lasst sich im Falle des Klagers nicht herleiten, er halte den Hund\nin erster Linie zu personlichen Zwecken. Nichts anderes gilt im Hinblick\ndarauf, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb, noch dazu ein im Nebenerwerb\ngefuhrter, nicht bereits von sich aus auf Hundehaltung angewiesen ist. Denn\ndie hier ausgeubte Tierhaltung außerhalb des im Zusammenhang bebauten\nOrtsteils lasst jedenfalls die Entscheidung, zu ihrem Schutz und damit\nbetriebsbedingt einen Hund zu halten, auch ohne weiteres nachvollziehbar\nerscheinen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. Der angefochtene Hundesteuerbescheid\nsowie der ihn bestatigende Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und\nverletzen den Klager in seinen Rechten. Sie mussten vom Gericht daher\naufgehoben werden ( § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). \n--- \n| 13 \n--- \n| Als Rechtsgrundlage fur die von der Beklagten angenommenen Steuerpflicht\nkommt vorliegend - wie von den Beteiligten zutreffend erkannt - allein § 1\nAbs. 2 der Satzung der Beklagten uber die Erhebung der Hundesteuer i.d.F. v.\n14.11.2001 in Betracht, die keinen formellen oder insoweit materiell-\nrechtlichen Bedenken begegnet. \n--- \n| 14 \n--- \n| Danach unterliegt der Hundesteuer das Halten von Hunden durch naturliche\nPersonen im Stadtgebiet, soweit es nicht ausschließlich der Erzielung von\nEinnahmen dient. \n--- \n| 15 \n--- \n| Diese tatbestandsmaßigen Voraussetzungen fur eine Steuererhebung im Falle\ndes Klagers sind aber nicht erfullt. Denn entgegen der Ansicht der Beklagten\ndient das Halten des Hundes durch den Klager hier ausschließlich der\nEinnahmeerzielung. \n--- \n| 16 \n--- \n| Zu diesem Tatbestandsmerkmal hat der VGH Ba.-Wu. mit Urteil vom 16.12.2002\n(- 2 S 2113/00 -; BWGZ 2003, 257 = VBlBW 2003, 288) ausgefuhrt: \n--- \n| 17 \n--- \n| „Mit dem Abstellen auf das (dann steuerfreie) Halten eines Hundes, wenn es\nausschließlich der Erzielung von Einnahmen dient, tragt die Satzung der\nErmachtigung in § 6 Abs. 3 KAG Rechnung und ferner dem Umstand, dass die\nHundesteuer als ortliche Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2 a GG gilt.\nWie der Senat in seinem Urteil vom 29.11.1989 - 2 S 1709/89 - festgestellt\nhat, erfasst die Hundesteuer als Aufwandsteuer eine wirtschaftliche\nLeistungsfahigkeit, die sich in der Verwendung von Einkommen(steilen) fur\nVerbrauchsguter oder Dienstleistungen im Bereich der personlichen\nLebensfuhrung außert. Dass es sich dabei um das Erfassen einer "besonderen"\nLeistungsfahigkeit handeln muss, wie der Senat in dieser Entscheidung geaußert\nhat, ist verfassungsrechtlich nicht gefordert (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom\n6.12.1983, BVerfGE 65, 325 , 347). Mit der Aufwandsteuer erfasst wird\ndementsprechend die wirtschaftliche Leistungsfahigkeit, die sich in der\nVerwendung von Einkommen fur den personlichen Lebensbedarf außert (so BVerwG,\nUrteil vom 27.9.2000, NVwZ 2001, 439 ; Urteil vom 12.4.2000, NVwZ 2001, 440 ).\nIst demnach maßgeblich abzustellen auf die Einkommensverwendung zum\npersonlichen Lebensbedarf, ist der Aufwandsbesteuerung nicht zuganglich die\nVerwendung von Einkommen, die nicht Ausdruck der in ihr fur den personlichen\nLebensbedarf sichtbaren Leistungsfahigkeit ist (st. Rspr. der\nVerwaltungsgericht, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26.9.2001, NVwZ 2002, 728 ).\nDem tragt die Satzung der Beklagten hier hinreichend Rechnung. \n--- \n| 18 \n--- \n| Das Erzielen von Einnahmen setzt - ausgehend vom Wortverstandnis - voraus,\ndass der Hund beruflich oder gewerblich genutzt wird, d.h. sein Halten zu\nberuflichen oder gewerblichen, namentlich erwerbswirtschaftlichen Zwecken." \n--- \n| 19 \n--- \n| Dem schließt sich der Einzelrichter an. Entgegen der Ansicht der Beklagten\nkommt es insoweit also nicht in erster Linie darauf an, ob die\nerwerbswirtschaftliche Tatigkeit gerade im maßgeblichen Steuerveranlagungsjahr\nzu positiven Einkunften fuhrt. Solches hangt von einer Vielzahl von Faktoren\nab, wie vorliegend etwa von Witterungseinflussen im extrem heißen Sommer 2003\nbzw. im sehr nassen Sommer 2005 oder aber auch von in einem bestimmten\nVeranlagungsjahr getatigten Investitionen bzw. vorzunehmenden Abschreibungen.\nVielmehr genugt es (zunachst), dass uberhaupt eine erwerbswirtschaftliche\nTatigkeit feststellbar ist, in Abgrenzung zu einem reinen Hobby, in der\nSprache des Einkommensteuerrechts also eine „Gewinnerzielungsabsicht"\nvorliegt. \n--- \n| 20 \n--- \n| Dass dies hier der Fall ist, die Hundehaltung demnach grundsatzlich der\nEinnahmeerzielung dient, kann nicht ernsthaft zweifelhaft sein. Die vom Klager\nunstrittig betriebene Nebenerwerbslandwirtschaft geht in ihrer Art und Große\nweit uber ein hobbymaßiges „sich gartnerisch betatigen" hinaus.\nDementsprechend wird sie auch Jahr fur Jahr vom zustandigen Finanzamt im\nRahmen der Einkommensteuerfestsetzung - positiv oder negativ - berucksichtigt. \n--- \n| 21 \n--- \n| Weiter stellt auch die Beklagte die objektive Eignung der Hundehaltung im\nRahmen dieser vom Klager betriebenen Nebenerwerbslandwirtschaft nicht in Frage\nund auch nicht, dass das Halten des Hundes auch tatsachlich in diesem Rahmen\nerfolgt. Soweit sie mit Blick auf die „nur" als Nebenerwerb ausgeubte\nTatigkeit des Klagers die Steuerfreiheit gleichwohl verneinen mochte, geht es\nin Wahrheit um des Tatbestandsmerkmal der „Ausschließlichkeit" in § 1 Abs. 2\nHStS, ob also das Halten des Hundes hier "ausschließlich" der Erzielung von\nEinnahmen dient. Insoweit kommt dem Umstand, dass es sich hier „nur" um\nNebenerwerbslandwirtschaft handelt, also tatsachlich Bedeutung zu. Bei der\nBerucksichtigung der Hundehaltung im Rahmen einer solchen\nNebenerwerbslandwirtschaft hat die Behorde das Merkmal der\n„Ausschließlichkeit" namlich besonders sorgfaltig zu prufen. Je kleiner der\nNebenerwerbsbetrieb nach Struktur und Große ist, umso eher bestehen Zweifel\ndahingehend, ob eine Hundehaltung ausschließlich diesem Zweck und nicht doch\n(auch) der personlichen Lebensfuhrung dient. \n--- \n| 22 \n--- \n| Zu diesem Tatbestandsmerkmal fuhrt der VGH (a.a.O.) aus: \n--- \n| 23 \n--- \n| „Die hier gegebene Fragestellung folgt nicht in erster Linie aus dem\nrechtlichen Ansatz, sondern ist bedingt durch eine faktische Weite der\nTatbestandsgrundlagen, die sich durch den Gegenstand der Steuer und dem in ihm\nzum Ausdruck kommenden Bezug zu einer "personlichen" Lebensfuhrung ergeben.\nSie kann nach den Grundsatzen geklart werden, die der Senat - wenn auch in\nanderem Zusammenhang - fur die Abgrenzung aufwandsteuerlich maßgebender\nTatbestand von "reiner Einnahmeerzielung" als der Aufwandbesteuerung nicht\neroffnetem Tatbestand dargestellt hat. So wird die Moglichkeit der\n"Eigennutzung", auch wenn sie objektiv gegeben ist, nicht von vornherein die\nausschließliche Einnahmeerzielung ausschließen (so zur "reinen Kapitalanlage"\nbei der Zweitwohnungssteuer BVerwG, Urteile vom 10.10.1995, DVBl. 1996, 374 =\nBVerwGE 99, 303 ; Urteil vom 6.12.1996, NVwZ 1998, 178 ; Urteil vom 30.6.1999,\nBVerwGE 109, 188 und Urteil vom 26.9.2001, aaO; ferner das Urteil des Senats\nvom 23.4.1998, VBlBW 1998, 474 ). Auch wird im Rahmen der "Ausschließlichkeit"\nder Einnahmeerzielung zu berucksichtigen sein, ob durch den Steuergegenstand\nerhebliche Einnahmen erzielt werden (dazu BVerwG, Urteil vom 10.10.1995, aaO;\nferner das Urteil des Senats vom 14.1.1999 - 2 S 303/98 - n.v.). Auszugehen\nist dabei davon, dass eine Vermutung dafur spricht, der Steuertatbestand sei\nerfullt. Der Betroffene darf indes Umstande vortragen, die diese Vermutung\nerschuttern (BVerwG, Urteile vom 10.10.1995, vom 6.12.1996, vom 30.6.1999 und\nvom 26.9.2001, jeweils aaO; BVerfG, Beschluss vom 29.6.1995, NVwZ 1996, 57 ).\nDabei kommt es auf objektive Umstande an, die zur Begrundung, die Vermutung\nsei widerlegt, anzufuhren sind (BVerwG, Urteile vom 10.10.1995, 6.12.1996,\n30.6.1999 und 26.9.2001, jeweils aaO; ebenso das Urteil des Senats vom\n14.1.1999 - 2 S 303/98 - n.v.). Bleiben solche Umstande "unaufklarbar", dann\ntreffen die Folgen dieser "Beweislosigkeit" den Steuerpflichtigen (dazu der\nSenat im Urteil vom 5.4.1998 - 2 S 2874/87 -; vgl. auch Urteil vom 27.4.1993,\nVBlBW 1993, 436 ). Diese allein mit Blick auf den Einzelfall einzubeziehenden\nGesichtspunkte gelten auch fur die in Rede stehende Aufwandbesteuerung im\nFalle der Hundehaltung. \n--- \n| 24 \n--- \n| Dementsprechend sind - ausgehend von der genannten Vermutungsregel\n-samtliche Umstande zu berucksichtigen, mithin auch personliche, soweit sie\nsich als objektivierbar erweisen, etwa weil sie sich in einer außerlich\nfeststellbaren Art und Weise der Hundehaltung zeigen. So kann etwa durchaus\nfur die Zuordnung zum personlichen Lebensbereich - und damit die\nausschließliche Einnahmeerzielung ausschließend - von Bedeutung sein, dass ein\nHund im Wohnhaus gehalten wird, fur die Kinder einer Familie angeschafft\nworden ist oder ersichtlich anderen Zwecken dient, wie etwa der Jagd oder der\nBegleitung zum Personenschutz. Eine demnach festzustellende "private" Nutzung\nist aber bei der Frage, ob es um eine Hundehaltung "ausschließlich zur\nErzielung von Einnahmen" geht, jedenfalls dann nicht zu Lasten des Betroffenen\nals ausschlaggebend zu behandeln, wenn die Moglichkeit der privaten Nutzung\nvon vollig untergeordneter Bedeutung gegenuber einem ganz uberwiegenden\nbetrieblichen Zweck ist (vgl. dazu BFH, Urteil vom 10.9.1990, BFH/NV 1991, 234\n). Von einer solchen lediglich vollig am Rande liegenden Bedeutung kann etwa\nausgegangen werden bei dem fur die Betreuung des Hundes unabdingbaren\nAufwand." \n--- \n| 25 \n--- \n| Auch diesen Erwagungen schließt sich der Einzelrichter an. Bei Anlegen\ndieser Maßstabe dient die Hundehaltung des Klagers hier noch ausschließlich\nder Einnahmeerzielung im Sinne von § 1 Abs. 2 HStS. Sein Vorbringen, der im\nZwinger im Hofbereich gehaltene Hund habe einen direkten Zugang zu den\nStallungen, uberwiegend halte der Hund sich direkt im Zwinger auf, daneben\ngebe es aber auch noch eine eingezaunte Wiese, die er zum Freilauf nutze,\nweshalb Spaziergange mit dem Hund in der Natur keine durchgefuhrt wurden; im\nZwinger befinde sich auch die Hundehutte, der Hund schlafe aber meist draußen,\nist von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden. Anhaltspunkte dafur,\ndass der Klager oder seine Familienangehorigen den Hund zu anderen, namentlich\nFreizeitzwecken benutzen, sind nicht erkennbar geworden und werden von der\nBeklagten auch nicht geltend gemacht. Auch aus sonstigen tatsachlichen\nUmstanden lasst sich im Falle des Klagers nicht herleiten, er halte den Hund\nin erster Linie zu personlichen Zwecken. Nichts anderes gilt im Hinblick\ndarauf, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb, noch dazu ein im Nebenerwerb\ngefuhrter, nicht bereits von sich aus auf Hundehaltung angewiesen ist. Denn\ndie hier ausgeubte Tierhaltung außerhalb des im Zusammenhang bebauten\nOrtsteils lasst jedenfalls die Entscheidung, zu ihrem Schutz und damit\nbetriebsbedingt einen Hund zu halten, auch ohne weiteres nachvollziehbar\nerscheinen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n---\n\n
141,369
sg-reutlingen-2005-10-20-s-10-kr-330003
153
Sozialgericht Reutlingen
sg-reutlingen
Reutlingen
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
S 10 KR 3300/03
2005-10-20
2019-01-08 19:27:52
2019-01-17 12:01:32
Urteil
## Tenor\n\n> > 1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n> > 2\\. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten daruber, ob der Klager im Zeitraum vom 01.07.1991\nbis 31.12.1997 (mit Unterbrechungen) im elterlichen Betrieb\nsozialversicherungspflichtig beschaftigt war. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beklagte war im Zeitraum Juli 1991 bis einschließlich Dezember 1997 die\nzustandige Einzugsstelle hinsichtlich der Sozialversicherungsbeitrage fur den\nKlager. Die zustandige Einzugsstelle fur den anschließenden Zeitraum, die ...\nBKK, vertrat in einem Schreiben vom 28.02.2002 an die Firma ... in ... die\nAuffassung, der Klager sei zwar vom 01.07.1991 bis 31.05.2001 bei seinem Vater\nim Schuhhaus ... beschaftigt gewesen, es habe jedoch keine\nVersicherungspflicht festgestellt werden konnen. Hierfur sprachen folgende\nUmstande: keine arbeitsvertragliche Vereinbarung, keine Eingliederung in den\nBetrieb wie eine fremde Arbeitskraft, keine Bindung an die Weisungen des\nBetriebsinhabers uber die Ausfuhrungen der Arbeit, freie Bestimmbarkeit der\nTatigkeit, Mitarbeit durch gleichberechtigtes Nebeneinander zum\nBetriebsinhaber gepragt, kein vereinbarter Urlaubsanspruch und keine\nKundigungsfrist, Beteiligung des mitarbeitenden Familienangehorigen am Betrieb\nund Übernahme etwaiger Burgschaften und Sicherheiten am Betrieb. Eine\nErstattung der fur den Gesamtzeitraum geleisteten Beitrage sei nur uber die\nzustandigen Stellen moglich (Arbeitsamt und Rentenversicherungstrager). Die\nBeitrage zur Kranken- und Pflegeversicherung wurden fur die Zeit vom\n01.01.1998 bis 31.05.2001 in freiwillige Beitrage umgewandelt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Auf Anforderung der Beklagten ubersandte die ... BKK als fur ihre\nBeurteilung wesentliche Unterlage das Schreiben des ..., Geschaftsleiter der\nFirma ..., vom 02.08.2002. Hiernach gehe aus den ubersandten Unterlagen\nhervor, dass der Klager alleinvertretungsberechtigt sei. Er sei dem Wohle des\nganzen Unternehmens verantwortlich und erhalte Gewinnausschuttung. Es bestehe\nein Beschaftigungsverhaltnis zwischen Angehorigen. Der Klager konne durch\nseine vertragliche Beziehung zu der Firma und aufgrund von familienhaften\nRucksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander Zeit, Dauer, Umfang\nund Ort seiner Tatigkeit im wesentlichen frei bestimmen. Somit stehe er nicht\nin einem abhangigen Beschaftigungsverhaltnis im Sinne der Sozialversicherung.\nVon der Firma ... wurden der Beklagten mehrere Unterlagen ubersandt. Mit\nSchreiben vom 13.12.2002 wird seitens des Schuhhauses ... in ... (unleserliche\nUnterschrift) bestatigt, dass der Sohn des Ausstellers des Schreibens (d.h.\nder Klager) von Beginn an (01.07.1991) zu seinem offiziellen Gehalt Tantiemen\nin Hohe von DM 500,- erhalten habe. Diese Tantiemen seien nicht ausbezahlt,\nsondern monatlich uber den Warenbestand angerechnet worden. Nach dem\nKontennachweis zur Bilanz vom 31.12.1992, ..., ..., Schuhhaus ..., wurden zwei\nDarlehen an den Klager als kurzfristige Verbindlichkeiten angegeben (in Hohe\nvon DM 6.113,33 sowie in Hohe von DM 34.440,22). Ferner wurde der Antrag des\nKlagers des weiteren an das Arbeitsamt ... auf Forderung der Teilnahme an\neiner beruflichen Bildungsmaßnahme vom 31.03.1992 und die in diesem\nZusammenhang ausgestellte Arbeitsbescheinigung vorgelegt. Im Schreiben des\nKlagers vom 15.03.1992 an seinen Vater bat dieser um Freistellung an den\nUnterrichtstagen wegen der Fortbildung zum Handelsfachwirt. Dieser bestatigte\nam 01.04.1992, dass in der Zeit vom 01.07.1991 bis laufend fur den Klager\nArbeitnehmerbeitrage zur Bundesanstalt fur Arbeit in ...entrichtet wurden. Mit\nDatum vom 30.04.2002 gab der Klager an, die ab 01.07.1991 im Betrieb seiner\nEltern ausgeubte Tatigkeit als Geschaftsfuhrer (Einkauf/Verkauf) werde ohne\narbeitsvertragliche Vereinbarung ausgeubt. Eine Eingliederung in den Betrieb\nwie eine fremde Arbeitskraft erfolge nicht. Ohne die Mitarbeit musste eine\nandere Arbeitskraft eingestellt werden. An Weisungen des Betriebsinhabers uber\ndie Ausfuhrung der Arbeit sei er nicht gebunden. Er konne seine Tatigkeit frei\nbestimmen und gestalten, wirke bei der Fuhrung des Betriebes - z. B. aufgrund\nbestimmter Fachkenntnisse - mit und die Mitarbeit sei - aufgrund\nfamilienhafter Rucksichtnahmen - durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander\nzum Betriebsinhaber gepragt. Ein Urlaubsanspruch oder eine Kundigungsfrist sei\nnicht vereinbart. Bei Arbeitsunfahigkeit werde das Arbeitsentgelt mindestens 6\nWochen fortgezahlt. Das Arbeitsentgelt entspreche nicht dem tarifublichen bzw.\ndem ortsublichen Gehalt; die wirtschaftliche Ertragslage sei vom Geschaft\nabhangig. Das Arbeitsentgelt werde regelmaßig auf ein privates Bank-Girokonto\nuberwiesen, fur das er verfugungsberechtigt sei. Sonstige Bezuge wurden in\nForm von Tantiemen gewahrt. Von dem Arbeitsentgelt wurde Lohnsteuer entrichtet\nwerden und es werde als Betriebsausgabe gebucht. Der Klager sei an dem Betrieb\ndurch Warenbestande in Hohe von DM 20.000,- beteiligt. Er habe dem Betrieb\nkeine Darlehen gewahrt oder fur diesen Burgschaften/Sicherheiten ubernommen.\nDie Mutter des Klagers erklarte ferner im Schreiben vom 18.04.2002, der Klager\nsei von den Beschrankungen des § 181 BGB befreit, arbeite stets weisungsfrei\nund habe Alleinvertretungsvollmacht. Seine fachlichen Kenntnisse hatten\nmaßgeblichen Einfluss bei Gesellschafterversammlungen und seine Tatigkeit sei\naufgrund von familienhaften Rucksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes\nNebeneinander zu anderen Gesellschaftern gepragt. Er konne die Gesellschaft\nallein vertreten und sei unter gewissen Voraussetzungen am Gewinn oder Verlust\nbeteiligt. Nach dem vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister des\nAmtsgerichts ... ging die Firma am ... auf den Vater des Klagers, ..., am ...\nauf die Mutter des Klagers, ..., und am ... auf den Klager als\nGeschaftsinhaber uber. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Beklagte beurteilte im Schreiben vom 17.02.2003 an die BfA Berlin das\nArbeitsverhaltnis des Klagers vom 01.07.1991 bis 31.12.1997 als abhangiges\nBeschaftigungsverhaltnis. Nach den an die Krankenkasse abzugebenden Meldungen\nsei der Klager als Einzelhandelskaufmann angestellt mit einem entsprechenden\ntariflichen/ortsublichen Gehalt. Selbst wenn der Klager seine Tatigkeit als\nGeschaftsfuhrer ausgeubt hatte, ware er nach den tatsachlichen Verhaltnissen\nan eine Arbeitszeit, namlich an die Öffnungszeiten des Schuhhauses gebunden\ngewesen. Des weiteren sei dem Klager im Jahr 1992 eine berufliche\nWeiterbildungsmaßnahme durch das Arbeitsamt bewilligt worden (Maßnahme von\n1992 bis Mitte 1993). In dem hierzu gestellten Antrag sei klar zum Ausdruck\ngebracht worden, dass der Klager als abhangig Beschaftigter im elterlichen\nBetrieb tatig gewesen sei. Um den im Rahmen der theoretischen Ausbildung\nstattfindenden Blockunterricht besuchen zu konnen, habe der Klager seinen\nVater um Freistellung von der Arbeit bitten mussen. Die eventuelle Beteiligung\nan den Warenbestanden sei fur die Beurteilung des Versicherungsverhaltnisses\nunerheblich. Des weiteren habe der Klager, da seine Eltern Alleineigentumer\ndes Schuhhauses gewesen seien, keinem Unternehmerrisiko unterlegen. Im\nHinblick auf diese Beurteilung lehnte die BfA mit Bescheid von Anfang des\nJahres 2003 (genaues Datum unleserlich) den dort eingegangenen Antrag des\nKlagers vom ... auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Pflichtbeitrage fur die\nZeit vom 01.07.1991 bis Dezember 1997 ab. Hiergegen erhob der Klager am ...\nWiderspruch. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom ... teilte die Beklagte dem Klager mit, die\nversicherungsrechtliche Prufung des in der Zeit vom 01.07.1991 bis 31.12.1997\nbei der Firma Schuhhaus ... bestehenden Arbeitsverhaltnisses habe ergeben,\ndass die Tatigkeit im Rahmen eines abhangigen Beschaftigungsverhaltnisses\nausgeubt worden sei. Die im Schreiben an die BfA vom 17.02.2003 angegebenen\nGrunde wurden erneut aufgefuhrt. Ferner wurde auf die Verjahrung der Beitrage\nbezuglich der Mitgliedschaft bei der Beklagten hingewiesen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Seinen hiergegen erhobenen Widerspruch vom ... begrundete der Klager\ninsbesondere durch Vorlage seines an die Firma ... gerichteten Schreibens vom\n28.04.2003. Hierin wird ausgefuhrt, er sei an der Firma beteiligt gewesen\n(Warenbestande im Umfang von 20.000,- DM). Ferner habe ein Unternehmerrisiko\nvorgelegen, da die Warenbestande der Firma zur Verfugung gestellt worden\nseien. Arbeitszeiten seien die Öffnungszeiten gewesen (Buroarbeiten:\nWarenwirtschaft, samtliche Vorarbeiten fur die monatliche Buchhaltung mit\nKassenabrechnung, Mitarbeiterprufung der Monatsabschlusse sowie der\nJahresbilanz). Die Inventur sei nach Geschaftsschluss erfolgt. Daneben sei\ndurchzufuhren gewesen die Lohnabrechnung der Mitarbeiter, der komplette\nEinkauf und die Disposition aller Schuhwaren auf Regionalmessen und\ninternationalen Messen, Teilnahme an verschiedenen Tagungen und jahrlichen\nGeneralversammlungen der Schuheinkaufsgenossenschaft, etc. Durch Ausbildung\neigener Auszubildender sowie der Mitarbeit im Prufungsausschuss bei der IHK\n... sei Mehrarbeit und Vorbereitungszeit außerhalb der Geschaftszeit\nangefallen. Arbeitszeit sei auch die Planung und Ausfuhrung samtlicher\nSonderverkaufe gewesen. Hinsichtlich der von der Beklagten verneinten\nWeisungsfreiheit sei richtig zu stellen, dass er Inhaber der\nAusbildereignungsprufung fur das Ausbilden von Auszubildenden sei. Zu diesem\nPunkt legte der Klager verschiedene Unterlagen (Änderungsvereinbarung zum\nBerufsausbildungsvertrag, Ausbildungsverlauf, Abmahnung, Abmeldung zur\nAbschlussprufung mit Darstellung des betrieblichen Ausbildungsganges\neinschließlich Beurteilung, fristlose Kundigung eines\nAusbildungsverhaltnisses, etc.) vor. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom ... wurde der Widerspruch zuruckgewiesen.\nAusweislich des Handelsregisterauszuges sei der Klager erst im Jahr 2001\nInhaber der Einzelfirma geworden, mithin erst auch ab diesem Zeitpunkt ein\neigenes Unternehmerrisiko auf ihn ubergegangen. Gegen eine selbstandige\nTatigkeit bzw. familiare Mithilfe spreche nach der Selbstauskunft des Klagers,\ndass ohne dessen Mitarbeit eine andere Arbeitskraft hatte eingestellt werden\nmussen, der Klager Anspruch auf Fortzahlung im Krankheitsfalle gehabt habe und\ner regelmaßig am Monatsende ein Arbeitsentgelt erhalten habe, von dem er\nLohnsteuer entrichtet habe und das als Betriebsausgabe gebucht worden sei. Das\nArbeitsentgelt des Klagers habe sich an den entsprechenden Tarifgehaltern\norientiert und sei - analog wie bei einem familienfremden Arbeitnehmer - mit\nzunehmendem Alter und zunehmender Berufserfahrung (von monatlich DM 2.816,- im\nJahr 1991 bis monatlich durchschn. ca. DM 4.077,00 in den Jahren 1995 - 1997)\ngestiegen. Es konne dahingestellt bleiben, ob der Klager im Zeitraum vom\n01.07.1991 bis 31.12.1997 (also im Alter zwischen dem 23. und 29. Lebensjahr)\ntatsachlich in seiner Tatigkeit im wesentlichen habe frei walten und schalten\nkonnen und insbesondere Ort, Zeit und Dauer seiner Arbeitsleistung habe selbst\nbestimmen konnen, da dies im Rahmen der Gesamtbetrachtung weniger Gewicht\nhabe. Aufgrund der Gesamtumstande werde davon ausgegangen, dass der Klager im\ngenannten Zeitraum im wesentlichen in den elterlichen Betrieb eingegliedert\nund weisungsgebunden gewesen sei. Hierbei habe auch Berucksichtigung gefunden,\ndass die Tatigkeit des Klagers uber Jahre als abhangige Beschaftigung seitens\ndes Schuhhauses ... gemeldet worden sei. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Am ... hat ... vom der Firma ... ohne Vorlage einer Vollmacht fur den\nKlager Klage erhoben. Mit Schreiben vom 11.05.2005 hat der Klager mitgeteilt,\ner habe diese Firma seinerzeit mit der Klageerhebung beauftragt. Zur\nBegrundung seiner Klage fuhrt der Klager aus, es handele sich im vorliegenden\nFall um einen typischen Familienbetrieb, in welchem er schließlich im Jahr\n2001 auch formal in die Stellung des Alleininhabers eingeruckt sei. Es liege\nauf der Hand und entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass seine Tatigkeit\nim elterlichen Betrieb von Anfang an auf die spatere Übernahme des\nUnternehmens ausgerichtet und demzufolge nicht von personlicher Abhangigkeit\nund Weisungsgebundenheit, sondern vielmehr von familiarer Rucksichtnahme und\nFursorge gepragt gewesen sei. Die von der Beklagten angefuhrten Gesichtspunkte\nseien im wesentlichen formaler Natur; insbesondere gelte dies fur die\nvereinbarten Modalitaten der Gehaltszahlung, fur die rechtliche Grunde\nmaßgeblich gewesen seien. Seine Stellung im Betrieb sei demgegenuber wegen der\nweisungsfreien Tatigkeit vergleichbar mit der eines Firmeninhabers gewesen und\nuber das hinausgegangen, was noch als "Dienst hoherer Art" im Rahmen einer\nabhangigen Beschaftigung angesehen werden konnte. Ferner habe er ein\nerhebliches Unternehmerrisiko getragen, indem er dem Unternehmen Warenbestande\nin einer Großenordnung von EUR 10.000,- zur Verfugung gestellt habe. Des\nweiteren habe er eine Vielzahl von Aufgaben auch außerhalb der Geschaftsraume\nund außerhalb der Ladenoffnungszeiten erledigt, so wie er dies fur richtig\ngehalten habe. Als kunftiger Betriebsinhaber habe er erheblich mehr\nArbeitszeit investiert, als dies einer tariflichen Entlohnung entsprechen\nwurde. Im Vergleich zum tatsachlichen Arbeitseinsatz sei die Vergutung in der\nTat "untertariflich" gewesen. Auf diesem Hintergrund komme dem Umstand, dass\ndie Firma Schuhhaus ... ihn uber Jahre hinweg als abhangig Beschaftigten\ngefuhrt habe, keine eigenstandige Bedeutung zu. Entscheidend seien die\ntatsachlichen Verhaltnisse, die in jeder Hinsicht fur einen Familienbetrieb\ntypisch seien. Der Klager hat dem Gericht mehrere Unterlagen vorgelegt. Mit\nSchreiben vom 28.02.2003 wurde von ... von der Firma ... (Steuer, Finanzen,\nRecht) angegeben, der Klager sei im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der\nKanzlei und dem Schuhhaus ... ausschließlicher und standiger Ansprechpartner\ngewesen. Die neue Konzeption fur das Unternehmen und das daran anschließende\nSanierungs- und Konsolidierungsprogramm sei gemeinsam mit dem Klager\nerarbeitet worden. Der Klager habe samtliche Geschafte eigenverantwortlich und\nvollig selbstandig abgewickelt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Datum vom 06.03.2003 bestatigen ... und ... von der Kreissparkasse ...,\ndass der Klager die Kreditverhandlungen fur die Firma Schuhhaus ... in den\nletzten Jahren mit ihnen gefuhrt habe. Er sei in allen Kreditangelegenheiten\nihr Ansprechpartner gewesen. Nach ihrer Einschatzung seien samtliche\nEntscheidungen durch ihn allein verantwortlich getroffen worden. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Seitens der Kreissparkasse ... ist mit Schreiben vom 14.10.2005 mitgeteilt\nworden, der Klager habe die dortigen Kreditverhandlungen seit 1991 gefuhrt. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom ... in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom ... zu verurteilen, festzustellen, dass er in der\nZeit vom 01.07.1991 bis 31.12.1997 nicht versicherungspflichtig in der Firma\nSchuhhaus ... in ... beschaftigt war. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beigeladene zu Ziff. 1 schließt sich dem Antrag des Bevollmachtigten\ndes Klagers an. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Zum Verfahren sind die Bundesversicherungsanstalt (BfA) und die\nBundesagentur fur Arbeit mit Beschluss vom 25.10.2004 sowie Frau ... mit\nBeschluss vom 30.09.2005 beigeladen worden. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung vom 20.10.2005 ist der Klager angehort\nworden. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Wegen der Einzelheiten wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug\ngenommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, insbesondere ist von einer fristgemaßen\nKlageerhebung ausgehen. Zwar ist von ..., der die Klage eingereicht hat, keine\nVollmacht vorgelegt worden. Der Klager hat jedoch mit Schreiben vom 11.05.2005\nmitgeteilt, er habe seinerzeit die Firma ... (und daher auch ... von der\nGeschaftsleitung) mit der Klageerhebung beauftragt. In diesem Schreiben ist\nsinngemaß eine Vollmachtserteilung zu sehen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Klage ist jedoch nicht begrundet. Die Beklagte hat zutreffend\nfestgestellt, dass der Klager in der Zeit vom 01.07.1991 bis 31.12.1997 im\nelterlichen Betrieb eine versicherungspflichtige Beschaftigung ausgeubt hat. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Nach § 28 h Abs. 2 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV)\nentscheidet die Krankenkasse als Einzugsstelle uber die Versicherungspflicht\nund Beitragshohe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach\ndem Recht der Arbeitsforderung. Die Versicherungs- und Beitragspflicht richtet\nsich in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung nach besonderen\nBestimmungen (§§ 24, Abs. 1, 25 Abs. 1 S. 1 SGB III fur die\nArbeitslosenversicherung, § 5 Abs. 1 Nr. 5 SGB V fur die Krankenversicherung,\n§ 1 Nr. 1 SGB VI fur die Rentenversicherung und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI fur\ndie Soziale Pflegeversicherung). Voraussetzung hiernach ist fur die\nVersicherungs- und Beitragspflicht in der im vorliegenden Verfahren einzig\ndenkbaren Alternative jeweils eine abhangige Beschaftigung gegen Entgelt im\nSinne des § 7 SGB VI. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Gemaß § 7 Abs. 1 SGB IV in der seit 01.07.1977 geltenden Fassung ist\nBeschaftigung die nicht selbstandige Arbeit, insbesondere in einem\nArbeitsverhaltnis. Am Kern dieser Regelung anderten sich durch die zunachst\nmit Wirkung ab 01.01.1998 vorgenommenen Erganzungen (§ 7 Abs. 1a und 1b) und\ndie folgenden Erganzungen nichts. Eine weitere Änderung wurde, allerdings erst\nmit Wirkung ab 01.01.1999, durch Gesetz vom 19.12.1997 (BGBl. I S. 3843)\neingefuhrt, in dem namentlich ein als Vermutung formulierter - mittlerweile\nwieder eliminierter - Tatbestand hinzugefugt und damit als Auslegungsregel\nbestimmt wurde, dass (gem. § 7 Abs. 4 SGB IV) bei Personen (außer bestimmten\nHandelsvertretern), die erwerbsmaßig tatig sind und im Zusammenhang mit ihrer\nTatigkeit mit Ausnahme von Familienangehorigen keinen versicherungspflichtigen\nArbeitnehmer beschaftigen, regelmaßig und im Wesentlichen nur fur einen\nAuftraggeber tatig sind, fur Beschaftigte typische Arbeitsleistungen\nerbringen, insbesondere Weisungen des Auftraggebers unterliegen, und in die\nArbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert sind oder nicht aufgrund\nunternehmerischer Tatigkeit am Markt auftreten, vermutet wird, dass sie gegen\nArbeitsentgelt beschaftigt sind, wenn mindestens zwei der genannten Merkmale\nvorliegen. Mittels einer zusatzlichen, durch Artikel 1 Nr. 1a des Gesetzes zur\nForderung der Selbstandigkeit vom 20.12.1999 (BGBl. I 2000 S. 2), ebenfalls ab\n01.01.1999 geltenden Änderung, wurden in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV als\n"Anhaltspunkte fur eine Beschaftigung" ..."eine Tatigkeit nach Weisungen und\neine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers" aufgenommen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach der Begrundung zum Entwurf eines SGB IV stellt die Vorschrift des § 7\nAbs. 1 SGB IV klar, dass eine Beschaftigung dann vorliegt, wenn eine Arbeit\nunselbstandig, d.h. mit dem Weisungsrecht eines Arbeitgebers ausgeubt wird.\nDaruber hinaus bestimmt sie, dass eine Beschaftigung stets dann anzunehmen\nist, wenn nach arbeitsrechtlichen Grundsatzen ein Arbeitsverhaltnis besteht.\nDabei kommt es nicht darauf an, ob ein wirksamer Arbeitsvertrag geschlossen\nworden ist oder ob es sich um ein so genanntes faktisches Arbeitsverhaltnis\nhandelt. Wie nach bisherigem Recht (d.h. vor dem SGB IV) ist jedoch das\nVorliegen eines Arbeitsverhaltnisses mit dem Beschaftigungsverhaltnis nicht\nvollkommen identisch; eine Beschaftigung im Sinne der Sozialversicherung kann\nauch bei arbeitnehmerahnlichen Tatigkeiten vorliegen (vgl. zu diesen\nGrundsatzen Urteil des BSG vom 10.08.2000 in SozR 3-2400, § 7 SGB IV Nr. 15). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Nach der standigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), welcher\nsich auch die Kammer zur Auslegung der Definition des § 7 Abs. 1 SGB IV\nanschließt, setzt eine Beschaftigung vor allem voraus, dass der Arbeitnehmer\nvom Arbeitgeber personlich abhangig ist. Dies ist der Fall bei einer\nBetatigung in einem fremden Betrieb, wenn der Betroffene in den Betrieb\neingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausfuhrung\numfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Insgesamt kann von\neiner Beschaftigung stets gesprochen werden, wenn der Arbeitende in einem\nArbeitsorganismus tatig werden oder wenigstens "funktionsgerecht dienen" muss\n(etwa als leitender Mitarbeiter bei Diensten hoherer Art, vgl. Urteil des BSG\nvom 25.01.2001, SV 2100 S. 329). Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSGE 51\nS. 164, 167) zeigt sich die personliche Abhangigkeit an der Einordnung in das\nauf Rechnung eines anderen gehenden, mithin fremden Unternehmens, wobei z.B.\nzur Beurteilung des Weisungsrechts die tatsachliche Qualitat der rechtlichen\nBeziehungen bei objektiver Betrachtung maßgebend ist. In einem\nArbeitsverhaltnis steht, wer seine Arbeitskraft aus freier Entschließung\nberufsmaßig in den Dienst eines anderen stellt, sie also in unselbstandiger\nStellung und in wirtschaftlicher Abhangigkeit verwertet. Hierbei ist die\ntatsachliche Gestaltung der Verhaltnisse und die Art der Tatigkeit\nentscheidend (vgl. BSGE 8 S. 278, 282; 24 S. 29). Zu den typischen Merkmalen\nabhangiger Beschaftigung gehort uberdies in der Regel die Verpflichtung, seine\nArbeitsleistung personlich zu erbringen (BSG SozR Nr. 27 und Nr. 36 zu § 165\nRVO), wenngleich es Beschaftigungsverhaltnisse gibt, bei denen es nicht\nunbedingt auf die personliche Arbeitsleistung ankommt, sondern eine Vertretung\ndurch Dritte moglich und sogar ublich ist. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Demgegenuber ist derjenige selbstandig erwerbstatig, bei dem objektive\nMerkmale fremdbestimmter Tatigkeit nach dem Gesamtbild der Verrichtungen\nfehlen. Die selbstandige Tatigkeit wird vornehmlich durch das eigene\nUnternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigener Betriebsstatte, die\nVerfugungsmoglichkeit uber die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen\nfrei gestaltete Tatigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhangig\nbeschaftigt oder selbstandig tatig ist, hangt davon ab, welche Merkmale\nuberwiegen (vgl. Urteil des BSG vom 17.05.2001, B 12 KR 34/00 R). In seiner\nEntscheidung vom 28.01.1999 (BSGE 83 S. 246 ff.) hat das Bundessozialgericht\nferner betont, dass ein Arbeitsverhaltnis (nur) dann anzunehmen sei, wenn die\nbetroffenen Personen innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens ihre\nArbeitsleistung verfugbar halten mussten. Selbstandig Erwerbstatige\nunterscheiden sich von den Beschaftigten insbesondere dadurch, dass sie ein\nunternehmerisches Risiko tragen, indem sie eigenes Kapital mit der Gefahr des\nVerlustes einsetzen und der Erfolg des Einsatzes ihrer Kapitalien oder\nsonstiger sachlicher oder personlicher Mittel ungewiss ist (BSG SozR 3-2400 §\n7 Nr. 13) und dadurch , dass sie in der Regel uber eigene Betriebsstatten\nverfugen, wo sie uber den Einsatz der eigenen Arbeitskraft und sonstiger\nProduktionsmittel frei entscheiden, also ihre Tatigkeit nach ihren\nBedurfnissen gestalten konnen (BSGE 45 S. 199). Als weiteres Indiz fur die\nBewertung einer Tatigkeit kommt in Betracht, ob in dem jeweiligen\nTatigkeitsbereich ein Beschaftigungsverhaltnis oder der Abschluss eines\nVertrages uber eine selbstandige Dienstleistung allgemein ublich und sachlich\nberechtigt ist (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 36). Auch die steuerrechtliche\nBehandlung der erzielten Einkunfte ist zu wurdigen. Zwar ist die\nVersicherungspflicht ausschließlich nach Sozialversicherungsrecht ohne\nrechtliche Bindung an die Verwaltungsakte der Finanzbehorden und die\nEntscheidung der Finanzgerichte zu beurteilen (vgl. Kassler Kommentar zum\nSozialversicherungsrecht, Bd. 1, Stand Dezember 2004, § 7 SGB IV, RdNr. 79)\nunter Hinweis auf BSG-Rechtsprechung) und der Sozialversicherungstrager oder\ndas Gericht der Sozialgerichtsbarkeit ist nicht der selbstandigen Prufung im\nEinzelfall enthoben, ob ein Beschaftigungsverhaltnis oder eine selbstandige\nTatigkeit vorliegt. Dennoch stellt die steuerrechtliche Behandlung einen\nwichtigen Anhaltspunkt fur die versicherungsrechtliche Beurteilung einer\nTatigkeit dar (vgl. z.B. BSG SozR Nr. 8 und 34 zu § 165 RVO), indem\nLohnsteuerpflicht fur das Vorliegen eines Beschaftigungsverhaltnisses spricht,\nwahrend eine Veranlagung zur Einkommenssteuer- und Gewerbesteuerpflicht auf\neine selbstandige Tatigkeit hindeutet. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Das Bundesverfassungsgericht hat einen Verstoß des § 7 SGB IV gegen das\nverfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot verneint und die Kennzeichnung einer\nBeschaftigung nach den in Rechtsprechung und Literatur festgelegten Merkmalen\nsowie dem Gesamtbild des Sachverhalts im Einzelfall gebilligt\n(Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des I. Senats vom 20.05.1996, SozR\n3-2400, § 7 Nr. 11). Nach diesen Grundsatzen ist auch bei einem\nBeschaftigungsverhaltnis zwischen Eheleuten oder Verwandten die\nArbeitnehmereigenschaft zu prufen und auszuschließen, dass der Verwandte oder\nder Ehegatte Mitunternehmer ist. Des weiteren erfordert eine Beschaftigung\nunter Verwandten oder Ehegatten die Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe.\nDer Annahme eines (entgeltlichen) Beschaftigungsverhaltnisses steht\ngrundsatzlich nicht entgegen, dass die Abhangigkeit unter Ehegatten im\nallgemeinen weniger stark ausgepragt und das Weisungsrecht moglicherweise mit\ngewissen Einschrankungen ausgeubt wird (vgl. fur das\nEhegattenarbeitsverhaltnis: BSG-Urteil vom 30.01.1990 - 11 RAr 47/88). Bei\nengen personlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten hangt die Abgrenzung\nzwischen einem abhangigen Beschaftigungsverhaltnis und familienhafter bzw.\nfreundschaftlicher Mitarbeit von allen Umstanden des Einzelfalles ab, wobei\ndas Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berucksichtigung der\nVerkehrsanschauung maßgebend ist. Auch wenn vielfach auf die familiare oder\npersonliche Beziehung Rucksicht genommen wird, kann auf gewisse\nMindestanforderungen an ein entgeltliches Beschaftigungsverhaltnis nicht\nverzichtet werden, da ein solches ansonsten in einer dem Gesetz nicht mehr\nentsprechenden Weise lediglich rechtsmissbrauchlich fingiert oder verneint\nwerden konnte. Neben der Eingliederung in den Betrieb und einem, ggf.\nabgeschwachten Weisungsrecht ist daher erforderlich, dass der Beschaftigte ein\nEntgelt erhalt, das einen angemessenen Gegenwert fur die geleistete Arbeit\ndarstellt, mithin uber einen freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine\nAnerkennung fur Gefalligkeiten hinausgeht (vgl. Urteil des Hessischen\nLandessozialgerichts vom 27.04.2004, Az. L 1 KR 1114/00). Weitere\nAbgrenzungskriterien sind, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen\nworden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuer unterliegt, als\nBetriebsausgabe verbucht und dem Arbeitenden zur freien Verfugung ausgezahlt\nwird und schließlich, ob dieser eine fremde Arbeitskraft ersetzt (vgl. Urteil\ndes LSG Berlin vom 31.03.2004 L 9 KR 8/02 unter Hinweis auf die Rechtsprechung\ndes Bundessozialgerichts). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Zwar hat die Beklagte jahrelang Beitrage entgegengenommen. Das schließt\njedoch nach der standigen Rechtsprechung (unter bestimmten Voraussetzungen)\neine Überprufung der versicherungspflichtigen Beschaftigung nicht aus (vgl.\nUrteil des BSG vom 30.01.1990, Az. 11 RAr 47/88). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| In der vorzunehmenden Gesamtabwagung sprechen hier uberwiegend die\nGesichtspunkte fur eine abhangige Beschaftigung des Klagers im elterlichen\nBetrieb. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Zum einen erhielt er monatliche, im wesentlichen gleichbleibende\nLohnbezuge, die nach den vom Klager nicht in Zweifel gezogenen Ausfuhrungen im\nangefochtenen Widerspruchsbescheid nach dem Tarifvertrag uber Gehalter, Lohne,\nAusbildungsvergutungen und Sozialzulagen fur die Arbeitnehmer/innen- und\nAuszubildenden des Einzelhandels im Baden-Wurttemberg vom 26.05.1992 und\n09.06.1993 Gehaltern nach der Gruppe IV (Tatigkeiten, die selbstandig mit\nentsprechender Verantwortung fur den Tatigkeitsbereich ausgeubt werden, z.B.\nVerkaufsstellenleiter/-innen außerhalb des Lebensmitteleinzelhandels, denen\nmehr als 4 Verkaufskrafte unterstellt sind) weitgehend entsprochen haben. Er\nwar insoweit keinem finanziellen Risiko (Unternehmerrisiko) ausgesetzt. Die\nentsprechenden Zahlungen erfolgten des weiteren auf ein privates\nBank-/Girokonto, fur das der Klager verfugungsberechtigt war. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Zum anderen unterlag der Klager wahrend seiner Tatigkeit auch dem\nWeisungsrecht, dass zunachst von seinem Vater als Inhaber der Einzelfirma,\nseit 1994 von seiner Mutter, der Beigeladenen zu Ziff. 1, ausgeubt wurde.\nSeine Aufgaben als Angestellter entsprachen den typischen Aufgaben eines\nArbeitnehmers. Zu seinen Aufgaben zahlten insbesondere die Buchhaltung, der\nEinkauf (einschließlich Messebesuch) und die Ausbildung von Auszubildenden.\nFerner konnte er Kundigungen und Abmahnungen aussprechen. Zwar werden\nderartige Aufgaben gerade auch in kleineren Betrieben, in denen der Inhaber\nmitarbeitet, ebenfalls von diesem verrichtet. In großeren Betrieben werden sie\njedoch Angestellten ubertragen, die sie entsprechend den ihnen ubertragenen\nKompetenzen ausuben. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Klager hat sowohl im Ladengeschaft als auch außerhalb der\nGeschaftsraume eine Vielzahl von Tatigkeiten fur das Unternehmen verrichtet.\nAls Arbeitsstunden hat er pro Woche 50 - 60 angegeben. Infolgedessen ist davon\nauszugehen, dass durch seine Tatigkeit die Einstellung einer fremden\nArbeitskraft eingespart wurde. Die Hohe des bezogenen Arbeitsentgelts ist\nferner als leistungsgerechtes Entgelt zu bewerten. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Zwar hat der Klager nach seinem Vortrag eigenverantwortlich in\ngleichberechtigter Absprache mit dem jeweiligen Firmeninhaber seine Arbeiten\nausgefuhrt. Diese eigenverantwortliche Ausfuhrung gewisser Arbeiten, etwa die\nDurchfuhrung von Kreditverhandlungen mit dem betreffenden Geldinstitut, ist\njedoch kein Anzeichen dafur, dass dem Firmeninhaber diesbezuglich kein\nWeisungsrecht zugekommen ware. Aufgrund seiner Ausbildung zum\nEinzelhandelskaufmann und auch aufgrund der beabsichtigten spateren Übernahme\ndes Unternehmens ist es nachvollziehbar, dass der Klager mit derartigen\nAufgaben betraut wurde. Letztendlich hat jedoch der Inhaber des Betriebes auch\ndie Verantwortung fur die kaufmannische Leitung getragen. Allein durch den\nUmstand, dass der Klager Verhandlungen mit Lieferanten und Kunden gefuhrt hat,\ndas einzustellende Personal ausgesucht bzw. die Ausbildung uberwacht hat,\nlasst sich eine abhangige Beschaftigung weder verneinen noch bejahen (vgl.\nUrteil des BSG vom 30.01.1990 Az.: 11 RAr 47/88). Auch das vom Klager in das\nUnternehmen eingebrachte Kapital in Form von Warenbestanden uber EUR 10.000,-\nschließt nicht als solches die Annahme eines abhangigen\nBeschaftigungsverhaltnisses aus. Insbesondere handelte es sich hierbei nicht\num Kapital, das der Klager selbst eingebracht hat, sondern um erhaltene\nGewinnausschuttungen. Zwar nimmt der Klager insoweit am Risiko des\nUnternehmens teil. Die Kapitalgewahrung stellt jedoch lediglich ein Indiz dar,\ndas fur die Einordnung der Tatigkeit als Selbstandiger spricht und ist in die\nallgemeine Abwagung mit einzubeziehen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Demgegenuber spricht neben dem Bezug von leistungsgerechtem Entgelt, dem\n(unter Verwandten modifizierten) Weisungsrecht des Firmeninhabers, dem\nAnspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfahigkeit (nach den Angaben des\nKlagers im "Feststellungsbogen") fur die Annahme eines abhangigen\nBeschaftigungsverhaltnisses auch der Umstand, dass der Klager fur seine\nTatigkeit einen zu versteuernden und sozialversicherungspflichtig gefuhrten\nLohn erhielt, der uber die gesamte Dauer seines Beschaftigungsverhaltnisses\nals Betriebsausgabe verbucht wurde. Des weiteren spricht hierfur, dass das\nUnternehmen in der Rechtsform einer Einzelfirma gefuhrt wurde, und erst im\nJahr 2001 eine Umstrukturierung erfolgte, wodurch der Klager Inhaber der\nEinzelfirma wurde. Bei entsprechendem Willen der Mutter des Klagers, der\nBeigeladenen zu Ziff. 1 oder seinem Vater, ihn bereits zu einem fruheren\nZeitpunkt in die Unternehmensleitung aufzunehmen, hatte dies durch die\nGrundung einer entsprechenden Personengesellschaft dokumentiert werden konnen.\nDa dies nicht geschehen ist, besteht Grund zu der Annahme, dass sich der\nKlager - moglicherweise auch aufgrund seines jugendlichen Alters, bei Beginn\nder Tatigkeit - zunachst in das Unternehmen einarbeiten sollte, wobei fur\neinen spateren Zeitpunkt die Übernahme des Unternehmens geplant war. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Ferner spricht gegen die Annahme einer selbstandigen Tatigkeit, dass dem\nKlager 1992 eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme durch das Arbeitsamt (von\n1992 bis Mitte 1993) bewilligt wurde und er hierzu Unterlagen vorlegte, wonach\neine abhangige Beschaftigung im elterlichen Betrieb bestand. Der Klager\nerhielt daher zu Lasten der Solidargemeinschaft eine Fortbildung zum\nHandelsfachwirt. Voraussetzung hierfur war, dass er - als abhangig\nBeschaftigter - beitragspflichtig zur Arbeitslosenversicherung war. Das\nKlageziel des Klagers, fur den streitgegenstandlichen Zeitraum als\nSelbstandiger beurteilt zu werden (d.h. auch fur die Zeit vor der Fortbildung\nund im Fortbildungszeitraum) steht hierzu im Widerspruch. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Unter Wurdigung der insgesamt vorliegenden Umstande ist im\nstreitgegenstandlichen Zeitraum von einem abhangigen Beschaftigungsverhaltnis\ndes Klagers auszugehen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Klage war daher abzuweisen. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, insbesondere ist von einer fristgemaßen\nKlageerhebung ausgehen. Zwar ist von ..., der die Klage eingereicht hat, keine\nVollmacht vorgelegt worden. Der Klager hat jedoch mit Schreiben vom 11.05.2005\nmitgeteilt, er habe seinerzeit die Firma ... (und daher auch ... von der\nGeschaftsleitung) mit der Klageerhebung beauftragt. In diesem Schreiben ist\nsinngemaß eine Vollmachtserteilung zu sehen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Klage ist jedoch nicht begrundet. Die Beklagte hat zutreffend\nfestgestellt, dass der Klager in der Zeit vom 01.07.1991 bis 31.12.1997 im\nelterlichen Betrieb eine versicherungspflichtige Beschaftigung ausgeubt hat. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Nach § 28 h Abs. 2 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV)\nentscheidet die Krankenkasse als Einzugsstelle uber die Versicherungspflicht\nund Beitragshohe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach\ndem Recht der Arbeitsforderung. Die Versicherungs- und Beitragspflicht richtet\nsich in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung nach besonderen\nBestimmungen (§§ 24, Abs. 1, 25 Abs. 1 S. 1 SGB III fur die\nArbeitslosenversicherung, § 5 Abs. 1 Nr. 5 SGB V fur die Krankenversicherung,\n§ 1 Nr. 1 SGB VI fur die Rentenversicherung und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI fur\ndie Soziale Pflegeversicherung). Voraussetzung hiernach ist fur die\nVersicherungs- und Beitragspflicht in der im vorliegenden Verfahren einzig\ndenkbaren Alternative jeweils eine abhangige Beschaftigung gegen Entgelt im\nSinne des § 7 SGB VI. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Gemaß § 7 Abs. 1 SGB IV in der seit 01.07.1977 geltenden Fassung ist\nBeschaftigung die nicht selbstandige Arbeit, insbesondere in einem\nArbeitsverhaltnis. Am Kern dieser Regelung anderten sich durch die zunachst\nmit Wirkung ab 01.01.1998 vorgenommenen Erganzungen (§ 7 Abs. 1a und 1b) und\ndie folgenden Erganzungen nichts. Eine weitere Änderung wurde, allerdings erst\nmit Wirkung ab 01.01.1999, durch Gesetz vom 19.12.1997 (BGBl. I S. 3843)\neingefuhrt, in dem namentlich ein als Vermutung formulierter - mittlerweile\nwieder eliminierter - Tatbestand hinzugefugt und damit als Auslegungsregel\nbestimmt wurde, dass (gem. § 7 Abs. 4 SGB IV) bei Personen (außer bestimmten\nHandelsvertretern), die erwerbsmaßig tatig sind und im Zusammenhang mit ihrer\nTatigkeit mit Ausnahme von Familienangehorigen keinen versicherungspflichtigen\nArbeitnehmer beschaftigen, regelmaßig und im Wesentlichen nur fur einen\nAuftraggeber tatig sind, fur Beschaftigte typische Arbeitsleistungen\nerbringen, insbesondere Weisungen des Auftraggebers unterliegen, und in die\nArbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert sind oder nicht aufgrund\nunternehmerischer Tatigkeit am Markt auftreten, vermutet wird, dass sie gegen\nArbeitsentgelt beschaftigt sind, wenn mindestens zwei der genannten Merkmale\nvorliegen. Mittels einer zusatzlichen, durch Artikel 1 Nr. 1a des Gesetzes zur\nForderung der Selbstandigkeit vom 20.12.1999 (BGBl. I 2000 S. 2), ebenfalls ab\n01.01.1999 geltenden Änderung, wurden in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV als\n"Anhaltspunkte fur eine Beschaftigung" ..."eine Tatigkeit nach Weisungen und\neine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers" aufgenommen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach der Begrundung zum Entwurf eines SGB IV stellt die Vorschrift des § 7\nAbs. 1 SGB IV klar, dass eine Beschaftigung dann vorliegt, wenn eine Arbeit\nunselbstandig, d.h. mit dem Weisungsrecht eines Arbeitgebers ausgeubt wird.\nDaruber hinaus bestimmt sie, dass eine Beschaftigung stets dann anzunehmen\nist, wenn nach arbeitsrechtlichen Grundsatzen ein Arbeitsverhaltnis besteht.\nDabei kommt es nicht darauf an, ob ein wirksamer Arbeitsvertrag geschlossen\nworden ist oder ob es sich um ein so genanntes faktisches Arbeitsverhaltnis\nhandelt. Wie nach bisherigem Recht (d.h. vor dem SGB IV) ist jedoch das\nVorliegen eines Arbeitsverhaltnisses mit dem Beschaftigungsverhaltnis nicht\nvollkommen identisch; eine Beschaftigung im Sinne der Sozialversicherung kann\nauch bei arbeitnehmerahnlichen Tatigkeiten vorliegen (vgl. zu diesen\nGrundsatzen Urteil des BSG vom 10.08.2000 in SozR 3-2400, § 7 SGB IV Nr. 15). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Nach der standigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), welcher\nsich auch die Kammer zur Auslegung der Definition des § 7 Abs. 1 SGB IV\nanschließt, setzt eine Beschaftigung vor allem voraus, dass der Arbeitnehmer\nvom Arbeitgeber personlich abhangig ist. Dies ist der Fall bei einer\nBetatigung in einem fremden Betrieb, wenn der Betroffene in den Betrieb\neingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausfuhrung\numfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Insgesamt kann von\neiner Beschaftigung stets gesprochen werden, wenn der Arbeitende in einem\nArbeitsorganismus tatig werden oder wenigstens "funktionsgerecht dienen" muss\n(etwa als leitender Mitarbeiter bei Diensten hoherer Art, vgl. Urteil des BSG\nvom 25.01.2001, SV 2100 S. 329). Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSGE 51\nS. 164, 167) zeigt sich die personliche Abhangigkeit an der Einordnung in das\nauf Rechnung eines anderen gehenden, mithin fremden Unternehmens, wobei z.B.\nzur Beurteilung des Weisungsrechts die tatsachliche Qualitat der rechtlichen\nBeziehungen bei objektiver Betrachtung maßgebend ist. In einem\nArbeitsverhaltnis steht, wer seine Arbeitskraft aus freier Entschließung\nberufsmaßig in den Dienst eines anderen stellt, sie also in unselbstandiger\nStellung und in wirtschaftlicher Abhangigkeit verwertet. Hierbei ist die\ntatsachliche Gestaltung der Verhaltnisse und die Art der Tatigkeit\nentscheidend (vgl. BSGE 8 S. 278, 282; 24 S. 29). Zu den typischen Merkmalen\nabhangiger Beschaftigung gehort uberdies in der Regel die Verpflichtung, seine\nArbeitsleistung personlich zu erbringen (BSG SozR Nr. 27 und Nr. 36 zu § 165\nRVO), wenngleich es Beschaftigungsverhaltnisse gibt, bei denen es nicht\nunbedingt auf die personliche Arbeitsleistung ankommt, sondern eine Vertretung\ndurch Dritte moglich und sogar ublich ist. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Demgegenuber ist derjenige selbstandig erwerbstatig, bei dem objektive\nMerkmale fremdbestimmter Tatigkeit nach dem Gesamtbild der Verrichtungen\nfehlen. Die selbstandige Tatigkeit wird vornehmlich durch das eigene\nUnternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigener Betriebsstatte, die\nVerfugungsmoglichkeit uber die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen\nfrei gestaltete Tatigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhangig\nbeschaftigt oder selbstandig tatig ist, hangt davon ab, welche Merkmale\nuberwiegen (vgl. Urteil des BSG vom 17.05.2001, B 12 KR 34/00 R). In seiner\nEntscheidung vom 28.01.1999 (BSGE 83 S. 246 ff.) hat das Bundessozialgericht\nferner betont, dass ein Arbeitsverhaltnis (nur) dann anzunehmen sei, wenn die\nbetroffenen Personen innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens ihre\nArbeitsleistung verfugbar halten mussten. Selbstandig Erwerbstatige\nunterscheiden sich von den Beschaftigten insbesondere dadurch, dass sie ein\nunternehmerisches Risiko tragen, indem sie eigenes Kapital mit der Gefahr des\nVerlustes einsetzen und der Erfolg des Einsatzes ihrer Kapitalien oder\nsonstiger sachlicher oder personlicher Mittel ungewiss ist (BSG SozR 3-2400 §\n7 Nr. 13) und dadurch , dass sie in der Regel uber eigene Betriebsstatten\nverfugen, wo sie uber den Einsatz der eigenen Arbeitskraft und sonstiger\nProduktionsmittel frei entscheiden, also ihre Tatigkeit nach ihren\nBedurfnissen gestalten konnen (BSGE 45 S. 199). Als weiteres Indiz fur die\nBewertung einer Tatigkeit kommt in Betracht, ob in dem jeweiligen\nTatigkeitsbereich ein Beschaftigungsverhaltnis oder der Abschluss eines\nVertrages uber eine selbstandige Dienstleistung allgemein ublich und sachlich\nberechtigt ist (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 36). Auch die steuerrechtliche\nBehandlung der erzielten Einkunfte ist zu wurdigen. Zwar ist die\nVersicherungspflicht ausschließlich nach Sozialversicherungsrecht ohne\nrechtliche Bindung an die Verwaltungsakte der Finanzbehorden und die\nEntscheidung der Finanzgerichte zu beurteilen (vgl. Kassler Kommentar zum\nSozialversicherungsrecht, Bd. 1, Stand Dezember 2004, § 7 SGB IV, RdNr. 79)\nunter Hinweis auf BSG-Rechtsprechung) und der Sozialversicherungstrager oder\ndas Gericht der Sozialgerichtsbarkeit ist nicht der selbstandigen Prufung im\nEinzelfall enthoben, ob ein Beschaftigungsverhaltnis oder eine selbstandige\nTatigkeit vorliegt. Dennoch stellt die steuerrechtliche Behandlung einen\nwichtigen Anhaltspunkt fur die versicherungsrechtliche Beurteilung einer\nTatigkeit dar (vgl. z.B. BSG SozR Nr. 8 und 34 zu § 165 RVO), indem\nLohnsteuerpflicht fur das Vorliegen eines Beschaftigungsverhaltnisses spricht,\nwahrend eine Veranlagung zur Einkommenssteuer- und Gewerbesteuerpflicht auf\neine selbstandige Tatigkeit hindeutet. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Das Bundesverfassungsgericht hat einen Verstoß des § 7 SGB IV gegen das\nverfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot verneint und die Kennzeichnung einer\nBeschaftigung nach den in Rechtsprechung und Literatur festgelegten Merkmalen\nsowie dem Gesamtbild des Sachverhalts im Einzelfall gebilligt\n(Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des I. Senats vom 20.05.1996, SozR\n3-2400, § 7 Nr. 11). Nach diesen Grundsatzen ist auch bei einem\nBeschaftigungsverhaltnis zwischen Eheleuten oder Verwandten die\nArbeitnehmereigenschaft zu prufen und auszuschließen, dass der Verwandte oder\nder Ehegatte Mitunternehmer ist. Des weiteren erfordert eine Beschaftigung\nunter Verwandten oder Ehegatten die Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe.\nDer Annahme eines (entgeltlichen) Beschaftigungsverhaltnisses steht\ngrundsatzlich nicht entgegen, dass die Abhangigkeit unter Ehegatten im\nallgemeinen weniger stark ausgepragt und das Weisungsrecht moglicherweise mit\ngewissen Einschrankungen ausgeubt wird (vgl. fur das\nEhegattenarbeitsverhaltnis: BSG-Urteil vom 30.01.1990 - 11 RAr 47/88). Bei\nengen personlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten hangt die Abgrenzung\nzwischen einem abhangigen Beschaftigungsverhaltnis und familienhafter bzw.\nfreundschaftlicher Mitarbeit von allen Umstanden des Einzelfalles ab, wobei\ndas Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berucksichtigung der\nVerkehrsanschauung maßgebend ist. Auch wenn vielfach auf die familiare oder\npersonliche Beziehung Rucksicht genommen wird, kann auf gewisse\nMindestanforderungen an ein entgeltliches Beschaftigungsverhaltnis nicht\nverzichtet werden, da ein solches ansonsten in einer dem Gesetz nicht mehr\nentsprechenden Weise lediglich rechtsmissbrauchlich fingiert oder verneint\nwerden konnte. Neben der Eingliederung in den Betrieb und einem, ggf.\nabgeschwachten Weisungsrecht ist daher erforderlich, dass der Beschaftigte ein\nEntgelt erhalt, das einen angemessenen Gegenwert fur die geleistete Arbeit\ndarstellt, mithin uber einen freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine\nAnerkennung fur Gefalligkeiten hinausgeht (vgl. Urteil des Hessischen\nLandessozialgerichts vom 27.04.2004, Az. L 1 KR 1114/00). Weitere\nAbgrenzungskriterien sind, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen\nworden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuer unterliegt, als\nBetriebsausgabe verbucht und dem Arbeitenden zur freien Verfugung ausgezahlt\nwird und schließlich, ob dieser eine fremde Arbeitskraft ersetzt (vgl. Urteil\ndes LSG Berlin vom 31.03.2004 L 9 KR 8/02 unter Hinweis auf die Rechtsprechung\ndes Bundessozialgerichts). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Zwar hat die Beklagte jahrelang Beitrage entgegengenommen. Das schließt\njedoch nach der standigen Rechtsprechung (unter bestimmten Voraussetzungen)\neine Überprufung der versicherungspflichtigen Beschaftigung nicht aus (vgl.\nUrteil des BSG vom 30.01.1990, Az. 11 RAr 47/88). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| In der vorzunehmenden Gesamtabwagung sprechen hier uberwiegend die\nGesichtspunkte fur eine abhangige Beschaftigung des Klagers im elterlichen\nBetrieb. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Zum einen erhielt er monatliche, im wesentlichen gleichbleibende\nLohnbezuge, die nach den vom Klager nicht in Zweifel gezogenen Ausfuhrungen im\nangefochtenen Widerspruchsbescheid nach dem Tarifvertrag uber Gehalter, Lohne,\nAusbildungsvergutungen und Sozialzulagen fur die Arbeitnehmer/innen- und\nAuszubildenden des Einzelhandels im Baden-Wurttemberg vom 26.05.1992 und\n09.06.1993 Gehaltern nach der Gruppe IV (Tatigkeiten, die selbstandig mit\nentsprechender Verantwortung fur den Tatigkeitsbereich ausgeubt werden, z.B.\nVerkaufsstellenleiter/-innen außerhalb des Lebensmitteleinzelhandels, denen\nmehr als 4 Verkaufskrafte unterstellt sind) weitgehend entsprochen haben. Er\nwar insoweit keinem finanziellen Risiko (Unternehmerrisiko) ausgesetzt. Die\nentsprechenden Zahlungen erfolgten des weiteren auf ein privates\nBank-/Girokonto, fur das der Klager verfugungsberechtigt war. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Zum anderen unterlag der Klager wahrend seiner Tatigkeit auch dem\nWeisungsrecht, dass zunachst von seinem Vater als Inhaber der Einzelfirma,\nseit 1994 von seiner Mutter, der Beigeladenen zu Ziff. 1, ausgeubt wurde.\nSeine Aufgaben als Angestellter entsprachen den typischen Aufgaben eines\nArbeitnehmers. Zu seinen Aufgaben zahlten insbesondere die Buchhaltung, der\nEinkauf (einschließlich Messebesuch) und die Ausbildung von Auszubildenden.\nFerner konnte er Kundigungen und Abmahnungen aussprechen. Zwar werden\nderartige Aufgaben gerade auch in kleineren Betrieben, in denen der Inhaber\nmitarbeitet, ebenfalls von diesem verrichtet. In großeren Betrieben werden sie\njedoch Angestellten ubertragen, die sie entsprechend den ihnen ubertragenen\nKompetenzen ausuben. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Klager hat sowohl im Ladengeschaft als auch außerhalb der\nGeschaftsraume eine Vielzahl von Tatigkeiten fur das Unternehmen verrichtet.\nAls Arbeitsstunden hat er pro Woche 50 - 60 angegeben. Infolgedessen ist davon\nauszugehen, dass durch seine Tatigkeit die Einstellung einer fremden\nArbeitskraft eingespart wurde. Die Hohe des bezogenen Arbeitsentgelts ist\nferner als leistungsgerechtes Entgelt zu bewerten. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Zwar hat der Klager nach seinem Vortrag eigenverantwortlich in\ngleichberechtigter Absprache mit dem jeweiligen Firmeninhaber seine Arbeiten\nausgefuhrt. Diese eigenverantwortliche Ausfuhrung gewisser Arbeiten, etwa die\nDurchfuhrung von Kreditverhandlungen mit dem betreffenden Geldinstitut, ist\njedoch kein Anzeichen dafur, dass dem Firmeninhaber diesbezuglich kein\nWeisungsrecht zugekommen ware. Aufgrund seiner Ausbildung zum\nEinzelhandelskaufmann und auch aufgrund der beabsichtigten spateren Übernahme\ndes Unternehmens ist es nachvollziehbar, dass der Klager mit derartigen\nAufgaben betraut wurde. Letztendlich hat jedoch der Inhaber des Betriebes auch\ndie Verantwortung fur die kaufmannische Leitung getragen. Allein durch den\nUmstand, dass der Klager Verhandlungen mit Lieferanten und Kunden gefuhrt hat,\ndas einzustellende Personal ausgesucht bzw. die Ausbildung uberwacht hat,\nlasst sich eine abhangige Beschaftigung weder verneinen noch bejahen (vgl.\nUrteil des BSG vom 30.01.1990 Az.: 11 RAr 47/88). Auch das vom Klager in das\nUnternehmen eingebrachte Kapital in Form von Warenbestanden uber EUR 10.000,-\nschließt nicht als solches die Annahme eines abhangigen\nBeschaftigungsverhaltnisses aus. Insbesondere handelte es sich hierbei nicht\num Kapital, das der Klager selbst eingebracht hat, sondern um erhaltene\nGewinnausschuttungen. Zwar nimmt der Klager insoweit am Risiko des\nUnternehmens teil. Die Kapitalgewahrung stellt jedoch lediglich ein Indiz dar,\ndas fur die Einordnung der Tatigkeit als Selbstandiger spricht und ist in die\nallgemeine Abwagung mit einzubeziehen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Demgegenuber spricht neben dem Bezug von leistungsgerechtem Entgelt, dem\n(unter Verwandten modifizierten) Weisungsrecht des Firmeninhabers, dem\nAnspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfahigkeit (nach den Angaben des\nKlagers im "Feststellungsbogen") fur die Annahme eines abhangigen\nBeschaftigungsverhaltnisses auch der Umstand, dass der Klager fur seine\nTatigkeit einen zu versteuernden und sozialversicherungspflichtig gefuhrten\nLohn erhielt, der uber die gesamte Dauer seines Beschaftigungsverhaltnisses\nals Betriebsausgabe verbucht wurde. Des weiteren spricht hierfur, dass das\nUnternehmen in der Rechtsform einer Einzelfirma gefuhrt wurde, und erst im\nJahr 2001 eine Umstrukturierung erfolgte, wodurch der Klager Inhaber der\nEinzelfirma wurde. Bei entsprechendem Willen der Mutter des Klagers, der\nBeigeladenen zu Ziff. 1 oder seinem Vater, ihn bereits zu einem fruheren\nZeitpunkt in die Unternehmensleitung aufzunehmen, hatte dies durch die\nGrundung einer entsprechenden Personengesellschaft dokumentiert werden konnen.\nDa dies nicht geschehen ist, besteht Grund zu der Annahme, dass sich der\nKlager - moglicherweise auch aufgrund seines jugendlichen Alters, bei Beginn\nder Tatigkeit - zunachst in das Unternehmen einarbeiten sollte, wobei fur\neinen spateren Zeitpunkt die Übernahme des Unternehmens geplant war. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Ferner spricht gegen die Annahme einer selbstandigen Tatigkeit, dass dem\nKlager 1992 eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme durch das Arbeitsamt (von\n1992 bis Mitte 1993) bewilligt wurde und er hierzu Unterlagen vorlegte, wonach\neine abhangige Beschaftigung im elterlichen Betrieb bestand. Der Klager\nerhielt daher zu Lasten der Solidargemeinschaft eine Fortbildung zum\nHandelsfachwirt. Voraussetzung hierfur war, dass er - als abhangig\nBeschaftigter - beitragspflichtig zur Arbeitslosenversicherung war. Das\nKlageziel des Klagers, fur den streitgegenstandlichen Zeitraum als\nSelbstandiger beurteilt zu werden (d.h. auch fur die Zeit vor der Fortbildung\nund im Fortbildungszeitraum) steht hierzu im Widerspruch. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Unter Wurdigung der insgesamt vorliegenden Umstande ist im\nstreitgegenstandlichen Zeitraum von einem abhangigen Beschaftigungsverhaltnis\ndes Klagers auszugehen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Klage war daher abzuweisen. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n---\n\n
141,459
olgkarl-2005-11-11-14-u-17305
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
14 U 173/05
2005-11-11
2019-01-08 19:28:51
2019-02-12 12:20:56
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 2.\nZivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 05.08.2005 - 2 O 276/05 -\nabgeandert:\n\na) Der Beklagten wird im Wege der einstweiligen Verfugung auferlegt, auf der\nTitelseite der nachsten fur den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der\nZeitschrift „N. W." in der linken Randspalte mit gleicher Schrifttype, wie sie\nverwendet wurde fur die in Heft 25/05 erschienene Erstmitteilung „Exclusiv -\nH. E. B. - Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an" unter gegenuber dem Fließtext\nerfolgender Hervorhebung des Wortes „Gegendarstellung" als Überschrift sowie\nder Worter „H. E. B." und „Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an" \\- ohne\nEinschaltungen und Weglassungen - folgende Gegendarstellung abzudrucken, wobei\ndie Schriftgroße des Fließtextes gegenuber der der Erstmitteilung - lediglich\n- in der Weise reduziert sein darf, daß der Abdruck nicht weniger als 150 %\nder Flache der Erstmitteilung einnimmt:\n\n> > > **Gegendarstellung**\n\nAuf der Titelseite von „N. W." Nr. 25 vom 18.06.2005 schreiben Sie uber mich:\n\n> > > **„ EXCLUSIV** \n>>> --- \n>>> **H. E. B.** \n>>> **Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an "** \n \nund bilden dazu eine Frau ab.\n\nHierzu stelle ich fest:\n\n**Weder war die abgebildete Frau meine Geliebte noch habe ich gegen uber\ndieser Frau eine Gewalttat verubt.**\n\nKoln, 20. Juni 2005\n\nH. E. B.\n\nb) Im ubrigen wird der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfugung\nzuruckgewiesen.\n\n2\\. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zuruckgewiesen.\n\n3\\. Die Beklagte tragt die Kosten beider Rechtszuge.\n\n4\\. Der Streitwert der Berufung wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Der (Verfugungs-) Klager ist Fernsehmoderator. Auf der Titelseite von Heft\nNr. 25/05 der von der (Verfugungs-) Beklagten herausgegebenen Zeitschrift „N.\nW." wurde mit den Worten \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| \n--- \n| **„ EXKLUSIV** \n--- \n| **H. E. B.** \n--- \n| **Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an "** \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| \\- und unterlegt mit einem Bild des Klagers und dem einer Frau - auf einen\nim Inneren des Heftes veroffentlichten Artikel mit der Überschrift „H. E. B.\nhatte mich fast erwurgt" hingewiesen. Der Klager hat deshalb beantragt, die\nBeklagte im Wege der einstweiligen Verfugung zum Abdruck einer\nGegendarstellung zu verpflichten. Die Beklagte ist diesem Antrag\nentgegengetreten. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Wegen des vom Klager verfolgten Anspruchs und des zugrunde liegenden\nSachverhalts im einzelnen, wegen des Vorbringens der Parteien sowie wegen der\ngestellten Antrage wird auf Tatbestand und Entscheidungsgrunde des\nangefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 ZPO). \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Das Landgericht hat dem Antrag des Klagers entsprechend der Beklagten \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| „auferlegt, in dem gleichen Teil der Zeitung ‚N. W.\', in der der Artikel ‚H.\nE. B. Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an\' erschienen ist, mit gleicher\nSchrift und unter Hervorhebung des Wortes "Gegendarstellung" als Überschrift\ndurch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgroße der Worte ‚H.\nE. B.\' sowie den Fließtext durch entsprechende Anordnung und Schriftgroße der\nWorte "Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an" in der nachsten fur den Druck\nnoch nicht abgeschlossenen Nummer ohne Einschaltung und Weglassungen die\nfolgende Gegendarstellung zu veroffentlichen: \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| **Gegendarstellung** \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Auf der Titelseite von ‚N. W.\' Nr. 25 vom 18.06.2005 schreiben Sie \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| uber mich: \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| \n--- \n| **"EXKLUSIV** \n--- \n| **H. E. B.** \n--- \n| **Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an"** \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| und bilden dazu eine Frau ab. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Hierzu stelle ich fest: \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| **Weder war die abgebildete Frau meine Geliebte noch habe ich gegen uber\ndieser Frau eine Gewalttat verubt.** \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Koln, 20. Juni 2005 \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| H. E. B." \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Zuruckweisung des\nVerfugungsantrags weiter. Sie ist der Auffassung, ein Anspruch auf Abdruck der\nverlangten Gegendarstellung bestehe nicht, weil deren Inhalt zum einen\noffensichtlich unwahr und zum anderen irrefuhrend sei. Zudem bestehe aufgrund\ndes Tenors des angefochtenen Urteils Unklarheit daruber, ob die\nGegendarstellung auf der Titelseite oder aber im Inneren des Heftes\nabzudrucken sei. Weiter beanstandet sie, daß die Gegendarstellung, ware sie\nauf der Titelseite abzudrucken, aufgrund ihrer Lange ein Vielfaches an Flache\ngegenuber der nur kurzen Ankundigung auf der Titelseite einnahme. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Klager verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt die \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Zuruckweisung der Berufung. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Er tragt vor die Staatsanwaltschaft habe zwischenzeitlich das gegen den\nKlager gerichtete Strafverfahren wegen Korperverletzung mangels Tatverdachts\neingestellt und das aufgrund einer Anzeige des Klagers gegen das angebliche\nOpfer des Klagers eingeleitete Verfahren wiederaufgenommen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden\nInstanzen gewechselten Schriftsatze samt Anlagen Bezug genommen. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die zulassige Berufung fuhrt zu einem Teilerfolg in der Sache. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| 1\\. Das Rechtsmittel ist unbegrundet, soweit sich die Beklagte dagegen\nwendet, daß dem Klager mit dem angefochtenen Urteil ein\nGegendarstellungsanspruch mit dem beantragten **Inhalt** zugebilligt wurde.\nDie diesbezuglichen Voraussetzungen gemaß § 11 bad.-wurtt. LPG hat das\nLandgericht zutreffend bejaht. Zu Unrecht meint die Beklagte, eine\nVeroffentlichung der geforderten Gegendarstellung sei wegen offensichtlicher\nUnwahrheit und weil sie irrefuhrend sei unzulassig. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| a) Wegen des formellen Charakters des Gegendarstellungsrechts setzt der\nAnspruch auf Gegendarstellung weder den Nachweis der Unwahrheit der\nErstmitteilung noch den der Wahrheit der Gegendarstellung voraus (vgl. BVerfGE\n97, S. 125 ff., 147 f.; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und\nBildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rdn. 11.127 m.w.N.). Eine Pflicht zur\nVeroffentlichung einer Gegendarstellung besteht freilich - wie das Landgericht\nrichtig ausgefuhrt hat - dann nicht, wenn sie offenkundig unwahr ist, d.h.\n„offensichtlich den Stempel der Luge tragt" oder offensichtliche oder\ngerichtsbekannte Unwahrheiten enthalt (Seitz/Schmidt/Schoener, Der\nGegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rdn. 245, m.w.N. in Fn. 233).\nIndessen sind an die Glaubhaftmachung einer offenkundigen Unrichtigkeit\nstrenge Anforderungen zu stellen, wobei die Darlegungs- und\nGlaubhaftmachungslast fur das Vorliegen der offenkundigen Unwahrheit bei der\nBeklagten als der Anspruchsverpflichteten liegt (Seitz/Schmidt/Schoener,\na.a.O. Rdn. 260, m.w.N.). Davon, daß die Beklagte diesen Anforderungen genugt\nhatte, kann indessen keine Rede sein: \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Zur Glaubhaftmachung ihrer Behauptung, wonach die „beanstandete\nBerichterstattung" \\- womit erkennbar auch die inkriminierte Äußerung umfasst\nsein sollte - der Wahrheit entspricht, hat die Beklagte auf Seite 3 ihrer\nSchutzschrift vom 21.06.2005 (2 AR 43/05 LG Offenburg) auf eine als Anlage AG\n5 bezeichnete aber als Anlage AG 6 vorgelegte „Erklarung" einer Frau M. H.-S.\n(bei der es sich um die neben dem inkriminierten Text abgebildete Frau handeln\nsoll) bezogen. Darin fuhrt sie naher aus, daß ihr die Bedeutung einer\neidesstattlichen Versicherung bekannt sei. Weiter erklart sie: \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| „Im Bewusstsein des Vorstehenden erklarte ich, daß die nachfolgenden, von\nmir geaußerten Tatsachen wahr sind. Dies versichere ich an Eides statt. Ich\nerklare mich bereit, diese Behauptungen auch an Eides statt zur Vorlage bei\nStellen zu versichern, die zur Abnahme einer Versicherung an Eides statt\nzustandig sind. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Berlin, den 13.06.2005 \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| M. H.-S." \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Dem hat der Antragsteller seine eigenen eidesstattlichen Versicherungen vom\n12.07.2005 und - umfassender - vom 21.08.2005 entgegengestellt, wonach die\nneben dem inkriminierten Text abgebildete Frau nicht seine Geliebte gewesen\nsei und er ihr gegenuber keine Gewalttat begangen - sie insbesondere nicht\ngewurgt - habe. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Abgesehen davon, daß der eidesstattlichen Versicherung der Frau H.-S. nicht\nzu entnehmen ist, auf welchen Text sie sich bezieht, sind keinerlei Umstande\nerkennbar, die es rechtfertigen konnten, ihrer Versicherung ein hoheres\nGewicht als der des Klagers beizulegen; erst recht ist sie nicht geeignet, die\nBehauptung des Klagers als „offenkundige Unrichtigkeit" zu qualifizieren. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| b) Die Beklagte hat nicht glaubhaft gemacht, daß der Klager der Frau H.-S.\nam 14.05. und am 17.05.2005 SMS-Botschaften mit auf emotionale Verbundenheit\ndeutendem Inhalt hat zukommen lassen. Die eidesstattliche Versicherung der\nRedakteurin P. C. vom 12.08.2005 besagt lediglich, daß Frau H.-S. der\nJournalistin ihr Mobilfunkgerat mit den gespeicherten Nachrichten gezeigt\nhabe, und ist schon deshalb nicht geeignet, den Vortrag der Beklagten\nglaubhaft zu machen, wonach Absender der Nachrichten der Klager gewesen sei.\nDaruber hinaus hat der Klager mit eidesstattlicher Versicherung vom 21.08.2005\nin Abrede gestellt, die genannten Botschaften geschrieben zu haben. Damit ist\nnicht glaubhaft gemacht, daß die vom Klager verlangte Gegendarstellung beim\nLeser mit der Wahrheit nicht im Einklang stehende Schlussfolgerungen\nhervorzurufen geeignet ist. Sie ist daher nicht als irrefuhrend unzulassig\n(vgl. hierzu Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rdn. 223 und 261 ff. - jeweils\nm.w.N.). Hieran hat sich durch die in der mundlichen Berufungsverhandlung vom\n28.10.2005 seitens des Beklagten-Vertreters erfolgte Vorlage der Kopie des an\neinen Berliner Rechtsanwalt gerichteten Schreibens einer Frau M. J. vom\n06.09.2005 nichts geandert. In diesem Schreiben erklart Frau J. zwar an Eides\nstatt, Frau H.-S. habe „seit letztem Jahr Pfingsten "engen Kontakt" mit dem\nKlager gehabt" und von diesem in der Nacht vom 17. zum 18.05.2005 gegen 02.00\nUhr einen Anruf erhalten. Dafur, daß diese eidesstattliche Versicherung denen\ndes Klagers vom 12.07. und vom 21.08.2005 vorzuziehen und dazu geeignet sei,\nden Inhalt der beantragten Gegendarstellung als offenkundig unrichtig oder\nirrefuhrend erscheinen zu lassen, ist nichts erkennbar. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| 2\\. Entgegen der Auffassung der Beklagten lasst das angefochtene Urteil\nkeine Zweifel offen, daß die Gegendarstellung auf dem **Titelblatt** und nicht\nim Inneren des Heftes zu veroffentlichen ist. Etwaige sich aus der\nFormulierung des Tenors ergebende Unklarheiten werden jedenfalls durch die im\nersten Satz von Abschnitt II 2 des landgerichtlichen Urteils (LGU 8)\nenthaltene Formulierung beseitigt, wonach die Gegendarstellung auf der\nTitelseite zu erscheinen hat. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Diese Anordnung ist grundsatzlich nicht zu beanstanden: \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die auf der Titelseite von Heft 24/05 der „N. W." erschienene Erstmitteilung\nstellt sich nicht etwa als bloße Ankundigung einer im Heftinneren plazierten\ndas Personlichkeitsrecht des Klagers beeintrachtigenden Äußerung dar. Vielmehr\ngreift sie selbst in das Personlichkeitsrecht des Klagers ein, weil der\napodiktischen Formulierung „H. E. B. - Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an"\nschon fur sich allein der Aussagewert zukommt, der Klager sei gegenuber seiner\nGeliebten gewalttatig geworden. Da Leserkreis und Aufmerksamkeitswert der\nGegendarstellung dem der Erstmitteilung nach Moglichkeit entsprechen mussen\n(vgl. BVerfGE 97, S. 125 ff., 152), ist die Entgegnung aus Grunden der\nWaffengleichheit ebenfalls auf der Titelseite zu bringen. Dies ist in\nRechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt (vgl. nur die zahlreichen\nNachweise bei Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rdn. 593 [dort Fn. 623] und bei\nWenzel/Burkhardt, a.a.O., Rdn. 11.188). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 3\\. Erfolg hat die Berufung jedoch, soweit sie sich dagegen wendet, daß die\nGegendarstellung „mit gleicher Schrift" wie die Erstmitteilung zu\nveroffentlichen ist. Diese im Tenor des angefochtenen Urteils enthaltene\nFormulierung besagt, daß die Gegendarstellung in gleicher Schrifttype und\ngleicher Schriftgroße wie die Erstmitteilung zu erscheinen hat. Dadurch wurde\nfreilich ein Mehrfaches der Flache der Erstmitteilung und nahezu 1/3 der\nFlache der Titelseite in Anspruch genommen, was deren typisches\nErscheinungsbild in starkem Maße verandern wurde. Den Belangen der\nPressefreiheit, zu der auch die die Prasentation des Presseprodukts\nbetreffende Gestaltungsfreiheit gehort, ist indessen nur dann Rechnung\ngetragen, wenn „die Titelseite durch Umfang und Aufmachung der\nGegendarstellung nicht ihre Funktion verliert, eine Identifizierung des\nBlattes zu ermoglichen, die als besonders wichtig erachteten Mitteilungen\naufzunehmen und das Interesse des Publikums zu erregen" (BVerfGE 97, S. 125\nff., 151). Der Klager hat daher eine gewisse Reduzierung der Schriftgroße\nhinzunehmen (Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rdn. 424 [Seite 193]), was\nallerdings auf der anderen Seite nicht zu einer Entwertung der\nGegendarstellung fuhren darf. Nach Auffassung des Senats wird den Interessen\nbeider Parteien durch eine Anordnung dahingehend Rechnung getragen, daß die\nGegendarstellung - wie die Erstmitteilung - in der linken Randspalte der\nTitelseite abgedruckt wird und zwar mit einer der Erstmitteilung gegenuber -\nlediglich - in der Weise reduzierten Schriftgroße, daß der Abdruck nicht\nweniger als 150 % der Flache der Erstmitteilung einnimmt. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Dementsprechend war das angefochtene Urteil unter Zuruckweisung der\nweitergehenden Berufung abzuandern. Da der Klager lediglich zu einem\ngeringfugigen Teil unterlegen ist, waren die Kosten beider Instanzen der\nBeklagten aufzuerlegen (§§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO). Das Urteil ist\nrechtskraftig (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO), so daß es keines Anspruchs uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit bedarf. \n--- \n---\n\n
141,623
ag-reutlingen-2005-12-14-13-c-196305
81
Amtsgericht Reutlingen
ag-reutlingen
Reutlingen
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
13 C 1963/05
2005-12-14
2019-01-08 22:10:49
2019-01-17 12:01:48
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| (aus Wohnungswirtschaft und Mietrecht WuM) \n--- \n| 2 \n--- \n| Die klagende Vermieterin nimmt den beklagten Mieter auf Entfernung einer\nParabolantenne in Anspruch. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Beklagte hat auf dem Balkon der von der Klagerin angemieteten Wohnung\nzu einem nicht naher bekannten Zeitpunkt ohne Einwilligung oder Genehmigung\nder Klagerin eine Parabolantenne installiert. Die Installation erfolgte\ndergestalt, dass sich der gesamte Spiegel der Parabolantenne oberhalb der\nBalkonbrustung befindet. Sofern ein genereller Anspruch auf eine\nParabolantenne besteht, verfahrt die Klagerin fur ihren gesamten\nWohnungsbestand im Interesse der Gleichbehandlung aller ihrer Mitglieder\ndergestalt, dass primar der Parabolspiegel auf das Dach zusetzen ist. Sofern\nzur Wohnung ein Balkon gehort, kann die Antenne dort aufgestellt werden,\nsofern der Spiegel zu nicht mehr als der Halfte hinter der Balkonbrustung zu\nsehen ist. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klagerin ist der Ansicht, dass der Beklagte zur Entfernung der\nParabolantenne verpflichtet ist, da die Installation weder genehmigt ist noch\nnach den Richtlinien der Klagerin genehmigungsfahig sei, weil der Spiegel im\nvollen Umfang zu sehen ist. Daruber hinaus stehe dem Beklagten als in der\nBundesrepublik aufgewachsenem Deutschen, der zum moslemischen Glauben\nkonvertiert ist, kein Anspruch auf Aufstellung einer Parabolantenne zu, da der\nBeklagte seinen Glauben in den hierzulande frei zuganglichen moslemischen\nInstitutionen praktizieren konne. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Beklagte behauptet, dass er auf die Antenne angewiesen sei, um\narabische Sender empfangen und seinen Glauben praktizieren zu konnen. Auch\nhabe er die Parabolantenne nicht angebracht, sondern aufgestellt. Ein\nVersetzen der Antenne komme nicht in Betracht, da bei einem Tiefersetzen kein\nEmpfang mehr moglich sei. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 6 \n--- \n| Der Klagerin steht der geltendgemachte Anspruch auf Entfernung der\nParabolantenne zu. Die Installation der Parabolantenne entspricht vorliegend\nnicht dem vertragsgemaßen Gebrauch der Mietsache. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Zwar kommt der Abwagung des Interesses des Mieters am Zugang zu allgemeinen\nInformationsquellen gegenuber den Eigentumerinteressen ein hoher Stellenwert\nzu. Vorliegend ist ein das Vermieterinteresse ubersteigendes\nInformationsinteresse des Beklagten jedoch nicht ersichtlich. Der Beklagte ist\nDeutscher und in der Bundesrepublik aufgewachsen. Auch wenn er zum\nmoslemischen Glauben konvertiert ist, so kann er seinen Glauben in\nmoslemischen Zentren vor Ort ausuben und sich im ubrigen aus allgemein\nzuganglichen Quellen ungehindert uber seinen Glauben unterrichten. Eine\nParabolantenne zum Empfang auslandischer Programme ist hierfur nicht\nerforderlich. Im ubrigen hat der Beklagte in der mundlichen Verhandlung\nerklart, dass er kein Arabisch spricht, so dass er entsprechende Programme\nauch nicht nutzen konnte. Dass er uber das vorhandene Breitbandkabel keine\nausreichenden Programme empfangen konnte, um sein Informationsinteresse am\nmoslemischen Glauben zu befriedigen, behauptet auch der Beklagte nicht. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Beklagte war daher antragsgemaß zur Entfernung der Parabolantenne zu\nverurteilen. Im ubrigen entspricht auch die konkrete Anbringung oder\nAufstellung der Parabolantenne nicht den Genehmigungsrichtlinien der Klagerin,\nda der Spiegel im vollen Umfang oberhalb der Balkonbrustung zu sehen ist,\nweshalb die Parabolantenne selbst dann zu entfernen ware, wenn dem Beklagten\nein entsprechendes Informationsinteresse zustunde. \n--- \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 6 \n--- \n| Der Klagerin steht der geltendgemachte Anspruch auf Entfernung der\nParabolantenne zu. Die Installation der Parabolantenne entspricht vorliegend\nnicht dem vertragsgemaßen Gebrauch der Mietsache. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Zwar kommt der Abwagung des Interesses des Mieters am Zugang zu allgemeinen\nInformationsquellen gegenuber den Eigentumerinteressen ein hoher Stellenwert\nzu. Vorliegend ist ein das Vermieterinteresse ubersteigendes\nInformationsinteresse des Beklagten jedoch nicht ersichtlich. Der Beklagte ist\nDeutscher und in der Bundesrepublik aufgewachsen. Auch wenn er zum\nmoslemischen Glauben konvertiert ist, so kann er seinen Glauben in\nmoslemischen Zentren vor Ort ausuben und sich im ubrigen aus allgemein\nzuganglichen Quellen ungehindert uber seinen Glauben unterrichten. Eine\nParabolantenne zum Empfang auslandischer Programme ist hierfur nicht\nerforderlich. Im ubrigen hat der Beklagte in der mundlichen Verhandlung\nerklart, dass er kein Arabisch spricht, so dass er entsprechende Programme\nauch nicht nutzen konnte. Dass er uber das vorhandene Breitbandkabel keine\nausreichenden Programme empfangen konnte, um sein Informationsinteresse am\nmoslemischen Glauben zu befriedigen, behauptet auch der Beklagte nicht. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Beklagte war daher antragsgemaß zur Entfernung der Parabolantenne zu\nverurteilen. Im ubrigen entspricht auch die konkrete Anbringung oder\nAufstellung der Parabolantenne nicht den Genehmigungsrichtlinien der Klagerin,\nda der Spiegel im vollen Umfang oberhalb der Balkonbrustung zu sehen ist,\nweshalb die Parabolantenne selbst dann zu entfernen ware, wenn dem Beklagten\nein entsprechendes Informationsinteresse zustunde. \n--- \n--- \n---\n\n
141,928
lg-stuttgart-2006-06-07-19-t-3306
142
Landgericht Stuttgart
lg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
19 T 33/06
2006-06-07
2019-01-08 22:44:04
2019-01-17 12:02:07
Beschluss
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| (aus Wohnungswirtschaft und Mietrecht WuM) \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klager begehrten von den Beklagten mit ihrer Klage vom 2.11.2005 die\nRaumung und Herausgabe der durch Mietvertrag vom 17.3.2004 uberlassenen\nDachgeschosswohnung. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schreiben vom 16.11.2004 forderte die Hausverwaltung die Beklagten auf,\ndie Hausordnung einzuhalten und den Hausfrieden sowie die Ruhe nicht weiter zu\nstoren. Mit Schreiben vom 18.10.2005 verlangte der Prozessbevollmachtigte der\nKlager von den Beklagten, den Larm abzustellen, schreiende\nAuseinandersetzungen zu vermeiden und die Hausordnung einzuhalten und bis zum\n25.10.2005 die kunftige Einhaltung der Hausordnung zu bestatigen. Nachdem dies\nnicht erfolgte, kundigte der Prozessbevollmachtigte der Klager mit Schreiben\nvom 31.10.2005 das Mietverhaltnis fristlos. Die Kundigung hat er darauf\ngestutzt, dass die Beklagten seit November 2004 den Hausfrieden durch standige\nLarmentwicklung storen wurden. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung vom 29.11.2005 erklarten die Parteien den\nRechtsstreit in der Hauptsache ubereinstimmend fur erledigt, nachdem die\nBeklagten die Wohnanlage am 28.11. 2005 geraumt an die Klager herausgegeben\nhatten. Die Parteien stellen wechselseitige Kostenantrage. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt hat die Kosten den Klagern\nauferlegt, da sie ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses in dem\nRechtsstreit aller Voraussicht nach unterlegen waren. Denn die Kundigung sei\ngemaß § 569 Abs. 4 BGB formell unwirksam. Die behaupteten Larmbelastigungen\ndurch die Beklagten wurden in dem Kundigungsschreiben nicht nachvollziehbar\nkonkretisiert. Diesem sei nicht zu entnehmen, wann die Beklagten fur welchen\nZeitraum welchen Larm verursacht sowie wann und durch welches Verhalten die\nBeklagten nach Erhalt einer Abmahnung die behaupteten vertragswidrigen\nLarmbelastigungen fortgesetzt haben sollten. Die den Beklagten vorgeworfene\nVielzahl unterschiedlicher Larmbelastigungen mache gerade die Angabe des\nkonkret abgrenzbaren Kundigungssachverhaltes erforderlich, um ihnen uberhaupt\neine wirksame Rechtsverteidigung zu ermoglichen. Auch das bloße Unterlassen\nder verlangten Erklarung, den Larm abzustellen und die Hausordnung\neinzuhalten, stelle kein kundigungsrelevantes Verhalten dar, da die Beklagten\nzur Abgabe einer solchen Erklarung mietvertraglich nicht verpflichtet seien.\nIm Übrigen beinhalteten die Schreiben vom 16.11.2004 und 18.11.2005 keine\nwirksame Abmahnung im Sinne des § 543 Abs. 3 BGB, die grundsatzlich einer\naußerordentlichen Kundigung vorangehen musse, da in diesen beiden Schreiben\ndie behaupteten Vertragsverletzungen nicht hinreichend konkret umschrieben\nworden seien. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 6 \n--- \n| Die sofortige Beschwerde der Klager ist zulassig, aber unbegrundet. Der\nBeschluss des AG Stuttgart-Bad Cannstatt uber die Kostenentscheidung gem. §\n91a ZPO ist zutreffend. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Raumungsklage der Klager war unschlussig. Die fristlose Kundigung vom\n31.10.2005, auf welche die Klage gestutzt war, war aus formellen Grunden\n(unzureichend angegebene Kundigungsgrunde) unwirksam. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Bei einer fristlosen Kundigung eines Wohnraummietverhaltnisses (§§ 543 Abs.\n1, 569 Abs. 2 BGB) ist der zur Kundigung fuhrende wichtige Grund im\nKundigungsschreiben anzugeben (§ 569 Abs. 4 BGB), was zu den\nWirksamkeitsvoraussetzungen der Kundigung gehort (Schmidt-Futterer/Blank,\nMietrecht, 8. Aufl. 2003, § 569 BGB Rn. 74). Die mit dem\nMietrechtsreformgesetz neu eingefuhrte Vorschrift ahnelt der fur die\nordentliche Kundigung gultigen rechtsahnlichen Vorschrift des § 573 Abs. 3 S.1\nBGB. Die Angaben im Kundigungsschreiben mussen substantiiert sein, d.h. nach\nArt, Zeitpunkt und Dauer der Storung (hier: der Larmerzeugung) konkretisiert\n(LG Hamburg WuM 1977, 30; LG Bonn WuM 1992, 18; Schmidt-Futterer/Blank a.a.O.\nRn. 73 speziell fur Larmstorungen). Denn die Anordnung einer\nBegrundungspflicht ergibt nur dann einen vernunftigen Sinn, wenn der\nKundigungsempfanger auf Grund der Angaben im Kundigungsschreiben Klarheit uber\nseine Rechtsposition und die Moglichkeiten einer Rechtsverteidigung erhalt (so\nBVerfG WuM 1989, 483; ZMR 1994, 252 [= WuM 1995, 142] zu der rechtsahnlichen\nVorschrift des § 564b Abs. 3 BGB a.F. (§ 573 Abs. 3 BGB n.F.); Schmidt-\nFutterer/Blank a.a.O. Rn. 71; Lammel, Wohnraummietrecht, § 569 BGB Rn. 54).\nWird wegen mehrerer Grunde gekundigt, so mussen alle Grunde angegeben werden\n(Schmidt-Futterer/Blank a.a.O. Rn. 70). Eine solch prazise Angabe ist selbst\ndann erforderlich, wenn die Kundigungsgrunde - wie hier von den Klagern\nbehauptet - schon vor Ausspruch der Kundigung dem Gekundigten (hier: Mieter)\nanderweitig bekannt waren, z.B. weil sie ihm mundlich oder schriftlich\nmitgeteilt wurden (BayObLG RE 14.7.1981 WuM 1981, 200; LG Gießen WuM 1990,\n301; LG Detmold WuM 1990, 301; Schmidt-Futterer/Blank a.a.O. § 573 BGB Rn.\n246). \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Unrichtig ist die Meinung der Klager, wegen der Vielzahl von\nLarmbelastigungen (hier: ca. 80 bis 100 Verstoße) sei es unmoglich bzw.\nunzumutbar, einzelne Vorfalle konkret im Kundigungsschreiben aufzufuhren. Auch\nbei einer auf eine Vielzahl einzelner Vertragsverletzungen gestutzten\nKundigung mussen die einzelnen Vertragsverletzungen substantiiert dargelegt\nwerden (vgl. LG Berlin WuM 2003, 208ff). Wird wegen einer haufigen\nLarmbelastigung gekundigt, so genugt es nicht, wenn der Vermieter lediglich\ndarlegt, dass der Mieter "standig ruhestorenden Larm" verursacht habe.\nVielmehr ist in einem solchen Fall zu verlangen, dass Art, Zeitpunkt und\njeweilige Dauer einzelner Larmstorungen hinreichend genau beschrieben werden.\nZumindest muss der Vermieter einen abgrenzbaren Zeitraum darlegen (z.B.: "in\nder Zeit von … bis … ca. dreimal wochentlich"); vgl. insgesamt Schmidt-\nFutterer/Blank, a.a.O., § 543 BGB Rn. 219: § 569 BGB Rn. 73. Im ubrigen hatte\nstatt der Angabe aller Vorfalle die Angabe einer solchen Auswahl von schwerer\nwiegenden Vorfallen genugt, dass daraus insgesamt eine solche Anzahl bzw.\nIntensitat schwerwiegender Verstoße gegen die Hausordnung abzuleiten ist, dass\nsich daraus die Unzumutbarkeit des weiteren Verbleibs des Gekundigten in der\nMietwohnung bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhaltnisses (vgl. § 569\nAbs. 2 BGB) ergibt. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Diesen Maßstaben wurde das Kundigungsschreiben nicht gerecht. Die Klager\nhaben zwar Konkretisierungen der Larmverursachung im Kundigungsschreiben vom\n31.10.2005 angegeben - Turenknallen, Geschrei, Herumtrampeln, schreiende\nAuseinandersetzungen -; diese bezeichnen jedoch nur verschiedene Arten der\nLarmerzeugung, jedoch nicht einzelne, identifizierbare Vorfalle, die durch\neine Beweisaufnahme geklart werden konnten, zumal Angaben uber die jeweilige\nLarmintensitat, Zeitpunkt und Dauer der Vorfalle fehlen. Die Zeitangabe "seit\neinem Jahr … standig … auf den ganzen Tag und in der Nacht verteilt" reicht\ndiesbezuglich nicht aus. Dementsprechend ist auch bei dem vergleichbaren Fall\neiner Unterlassungsklage anerkannt, dass in der Klagebegrundung einzelne\nStorfalle nach Zeitpunkt, Dauer, Haufigkeit, Art und Intensitat (der\nLarmerzeugung) genau zu beschreiben sind (LG Berlin GE 1992, 675; Sternel PiG\n31, 87). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Bei einer auf Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag gestutzten\nfristlosen Kundigung ist zudem eine Kundigung grundsatzlich erst nach\nerfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach\nerfolgloser Abmahnung zulassig (§ 543 Abs. 3 BGB). Ist der Kundigung eine\nAbmahnung vorausgegangen, so muss sich aus dem Kundigungsschreiben ergeben,\ndass der Gekundigte nach dem Zugang der Abmahnung eine weitere, gleiche oder\ngleichartige Vertragsverletzung (hier: Larmstorung) begangen hat (Schmidt-\nFutterer/Blank a.a.O. § 569 BGB Rn. 72). Auch bezuglich dieser Anforderungen\nergibt sich im vorliegenden Falle aus dem maßgeblichen Kundigungsschreiben\nnichts. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung einer Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO) liegen\nnicht vor. \n--- \n--- \n--- \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 6 \n--- \n| Die sofortige Beschwerde der Klager ist zulassig, aber unbegrundet. Der\nBeschluss des AG Stuttgart-Bad Cannstatt uber die Kostenentscheidung gem. §\n91a ZPO ist zutreffend. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Raumungsklage der Klager war unschlussig. Die fristlose Kundigung vom\n31.10.2005, auf welche die Klage gestutzt war, war aus formellen Grunden\n(unzureichend angegebene Kundigungsgrunde) unwirksam. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Bei einer fristlosen Kundigung eines Wohnraummietverhaltnisses (§§ 543 Abs.\n1, 569 Abs. 2 BGB) ist der zur Kundigung fuhrende wichtige Grund im\nKundigungsschreiben anzugeben (§ 569 Abs. 4 BGB), was zu den\nWirksamkeitsvoraussetzungen der Kundigung gehort (Schmidt-Futterer/Blank,\nMietrecht, 8. Aufl. 2003, § 569 BGB Rn. 74). Die mit dem\nMietrechtsreformgesetz neu eingefuhrte Vorschrift ahnelt der fur die\nordentliche Kundigung gultigen rechtsahnlichen Vorschrift des § 573 Abs. 3 S.1\nBGB. Die Angaben im Kundigungsschreiben mussen substantiiert sein, d.h. nach\nArt, Zeitpunkt und Dauer der Storung (hier: der Larmerzeugung) konkretisiert\n(LG Hamburg WuM 1977, 30; LG Bonn WuM 1992, 18; Schmidt-Futterer/Blank a.a.O.\nRn. 73 speziell fur Larmstorungen). Denn die Anordnung einer\nBegrundungspflicht ergibt nur dann einen vernunftigen Sinn, wenn der\nKundigungsempfanger auf Grund der Angaben im Kundigungsschreiben Klarheit uber\nseine Rechtsposition und die Moglichkeiten einer Rechtsverteidigung erhalt (so\nBVerfG WuM 1989, 483; ZMR 1994, 252 [= WuM 1995, 142] zu der rechtsahnlichen\nVorschrift des § 564b Abs. 3 BGB a.F. (§ 573 Abs. 3 BGB n.F.); Schmidt-\nFutterer/Blank a.a.O. Rn. 71; Lammel, Wohnraummietrecht, § 569 BGB Rn. 54).\nWird wegen mehrerer Grunde gekundigt, so mussen alle Grunde angegeben werden\n(Schmidt-Futterer/Blank a.a.O. Rn. 70). Eine solch prazise Angabe ist selbst\ndann erforderlich, wenn die Kundigungsgrunde - wie hier von den Klagern\nbehauptet - schon vor Ausspruch der Kundigung dem Gekundigten (hier: Mieter)\nanderweitig bekannt waren, z.B. weil sie ihm mundlich oder schriftlich\nmitgeteilt wurden (BayObLG RE 14.7.1981 WuM 1981, 200; LG Gießen WuM 1990,\n301; LG Detmold WuM 1990, 301; Schmidt-Futterer/Blank a.a.O. § 573 BGB Rn.\n246). \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Unrichtig ist die Meinung der Klager, wegen der Vielzahl von\nLarmbelastigungen (hier: ca. 80 bis 100 Verstoße) sei es unmoglich bzw.\nunzumutbar, einzelne Vorfalle konkret im Kundigungsschreiben aufzufuhren. Auch\nbei einer auf eine Vielzahl einzelner Vertragsverletzungen gestutzten\nKundigung mussen die einzelnen Vertragsverletzungen substantiiert dargelegt\nwerden (vgl. LG Berlin WuM 2003, 208ff). Wird wegen einer haufigen\nLarmbelastigung gekundigt, so genugt es nicht, wenn der Vermieter lediglich\ndarlegt, dass der Mieter "standig ruhestorenden Larm" verursacht habe.\nVielmehr ist in einem solchen Fall zu verlangen, dass Art, Zeitpunkt und\njeweilige Dauer einzelner Larmstorungen hinreichend genau beschrieben werden.\nZumindest muss der Vermieter einen abgrenzbaren Zeitraum darlegen (z.B.: "in\nder Zeit von … bis … ca. dreimal wochentlich"); vgl. insgesamt Schmidt-\nFutterer/Blank, a.a.O., § 543 BGB Rn. 219: § 569 BGB Rn. 73. Im ubrigen hatte\nstatt der Angabe aller Vorfalle die Angabe einer solchen Auswahl von schwerer\nwiegenden Vorfallen genugt, dass daraus insgesamt eine solche Anzahl bzw.\nIntensitat schwerwiegender Verstoße gegen die Hausordnung abzuleiten ist, dass\nsich daraus die Unzumutbarkeit des weiteren Verbleibs des Gekundigten in der\nMietwohnung bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhaltnisses (vgl. § 569\nAbs. 2 BGB) ergibt. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Diesen Maßstaben wurde das Kundigungsschreiben nicht gerecht. Die Klager\nhaben zwar Konkretisierungen der Larmverursachung im Kundigungsschreiben vom\n31.10.2005 angegeben - Turenknallen, Geschrei, Herumtrampeln, schreiende\nAuseinandersetzungen -; diese bezeichnen jedoch nur verschiedene Arten der\nLarmerzeugung, jedoch nicht einzelne, identifizierbare Vorfalle, die durch\neine Beweisaufnahme geklart werden konnten, zumal Angaben uber die jeweilige\nLarmintensitat, Zeitpunkt und Dauer der Vorfalle fehlen. Die Zeitangabe "seit\neinem Jahr … standig … auf den ganzen Tag und in der Nacht verteilt" reicht\ndiesbezuglich nicht aus. Dementsprechend ist auch bei dem vergleichbaren Fall\neiner Unterlassungsklage anerkannt, dass in der Klagebegrundung einzelne\nStorfalle nach Zeitpunkt, Dauer, Haufigkeit, Art und Intensitat (der\nLarmerzeugung) genau zu beschreiben sind (LG Berlin GE 1992, 675; Sternel PiG\n31, 87). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Bei einer auf Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag gestutzten\nfristlosen Kundigung ist zudem eine Kundigung grundsatzlich erst nach\nerfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach\nerfolgloser Abmahnung zulassig (§ 543 Abs. 3 BGB). Ist der Kundigung eine\nAbmahnung vorausgegangen, so muss sich aus dem Kundigungsschreiben ergeben,\ndass der Gekundigte nach dem Zugang der Abmahnung eine weitere, gleiche oder\ngleichartige Vertragsverletzung (hier: Larmstorung) begangen hat (Schmidt-\nFutterer/Blank a.a.O. § 569 BGB Rn. 72). Auch bezuglich dieser Anforderungen\nergibt sich im vorliegenden Falle aus dem maßgeblichen Kundigungsschreiben\nnichts. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung einer Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO) liegen\nnicht vor. \n--- \n--- \n--- \n--- \n---\n\n
142,106
lsgbw-2006-07-19-l-7-al-143305
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 7 AL 1433/05
2006-07-19
2019-01-08 23:41:34
2019-01-17 12:02:19
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24.\nJanuar 2005 aufgehoben.\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszugen nicht zu erstatten.\n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten um die Gewahrung von Insolvenzgeld. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der am ... 1948 geborene Klager war bis Ende 1989 als Verkaufsleiter der\nfruheren Einzelfirma G. beschaftigt. Im Januar 1990 grundete er gemeinsam mit\ndrei weiteren Personen, darunter zwei bisherigen Arbeitskollegen, die G.\nStahlbau GmbH, die den Geschaftsbetrieb der Einzelfirma G. mit rund 45\nBeschaftigten fortsetzte. Nach Ausscheiden eines Gesellschafters hielten der\nKlager als kaufmannischer Leiter sowie die genannten Arbeitskollegen, der\nProduktionsleiter R. und der technische Leiter Z. der fruheren Einzelfirma,\nvon dem Stammkapital der GmbH in Hohe von 90.000,- DM je ein Drittel. Gemaß §\n10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 23. Oktober 1990 bedurften\nGesellschafterbeschlusse betreffend die Änderung des Gesellschaftsvertrages,\nden Abschluss von Beherrschungs- oder Gewinnabfuhrungsvertragen oder sonstigen\nUnternehmensvertragen und betreffend Umwandlungen und Verschmelzungen der\nZustimmung von 75 % aller nach dem Gesellschaftsvertrag vorhandenen Stimmen.\nIm Übrigen waren Gesellschafterbeschlusse nach dieser Bestimmung mit Mehrheit\nder abgegebenen Stimmen zu fassen, soweit nicht das Gesetz oder der\nGesellschaftsvertrag eine großere Mehrheit vorsahen. Im Marz 1990 wurden die\nGesellschafter zu Geschaftsfuhrern der GmbH bestellt. Im Rahmen ihrer\nGeschaftsfuhrertatigkeit waren sie jeweils alleinvertretungsberechtigt und vom\nSelbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit. Unter Beibehaltung ihrer\nbisherigen Arbeitszeiten und Tatigkeiten leitete der Klager den kaufmannischen\nBereich, Herr R. die Produktion und Herr Z. den technischen Bereich.\nUnternehmerische Entscheidungen trafen die Gesellschafter/Geschaftsfuhrer\ngemeinschaftlich wahrend der Arbeitszeit im Betrieb.\nSozialversicherungsbeitrage wurden fur die Geschaftsfuhrer nicht abgefuhrt,\nnachdem die AOK U. mit Bescheid vom 26. April 1990 das Vorliegen\nsozialversicherungspflichtiger Beschaftigungsverhaltnisse verneint hatte. Die\nTatigkeit als Geschaftsfuhrer ubte der Klager bis zur Eroffnung des\nInsolvenzverfahrens uber die Fa. G. Stahlbau GmbH (Beschluss des Amtsgerichts\nUlm - Insolvenzgericht - vom 1. Dezember 2003) aus. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 9. Januar 2004 beantragte der Klager unter Bezugnahme auf die Eroffnung\ndes Insolvenzverfahrens uber das Vermogen der Fa. G. Stahlbau GmbH bei der\nBeklagten Insolvenzgeld fur ausstehenden Arbeitslohn aus der Zeit vom\nSeptember bis November 2003. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid vom 21. Januar 2004 lehnte die Beklagte die Gewahrung von\nInsolvenzgeld ab mit der Begrundung, Anspruch auf Insolvenzgeld nach § 183 des\nDritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) hatten nur Arbeitnehmer. Der Klager\nsei jedoch kein Arbeitnehmer. Entscheidend fur diese Beurteilung sei das\nGesamtbild der Tatigkeit. Hierbei sei wesentlich, ob der außere Rahmen der\nTatigkeit auch tatsachlich durch einseitige Weisungen der Gesellschafter hatte\ngeregelt werden konnen. Mit 33 % Kapitalbeteiligung habe der Klager ein nicht\nunerhebliches Unternehmerrisiko getragen, so dass er seine Tatigkeit nicht fur\nein fremdes, sondern im eigenen Unternehmen ausgeubt habe. Auch habe er nach\nden Angaben im Fragebogen zum Insolvenzgeldantrag eine Sperrminoritat bei je\n33,33 % Gesellschaftsanteilen gehabt. Es habe somit auch ein fur ein\nArbeitnehmer-/Arbeitgeberverhaltnis typischer Interessengegensatz gefehlt. Ein\nsolcher sei kaum denkbar, wenn die Geschaftsfuhrer zugleich die alleinigen\nGesellschafter seien. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte\ndurch Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2004 zuruck. Zur Begrundung wurde im\nWesentlichen ausgefuhrt, der Klager habe wahrend seiner Tatigkeit keine\nBeitrage zur Arbeitslosenversicherung entrichtet. Nachdem der Klager sich\nnicht gegen die Entscheidung der AOK gewandt habe, musse angenommen werden,\ndass er seinerzeit die Entscheidung und die Begrundung als zutreffend\nangesehen habe und die jetzigen Darlegungen allein von der Absicht getragen\nseien, Insolvenzgeld zu erhalten. \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 30. August 2004 hat der Klager zum Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben\nund sein Begehren weiterverfolgt. Er hat vorgetragen, es sei unzutreffend,\nwenn die Beklagte davon ausgehe, er besitze nach den Angaben im Fragebogen zum\nInsolvenzgeldantrag bei 33,33 % Gesellschaftsanteilen eine Sperrminoritat. Im\nFragebogen heiße es unter 1.9 lediglich, dass ein Stimmrecht von 33,33 %\ngegeben sei. Die Satzung der ehemaligen Arbeitgeberin enthalte keine\nRegelungen uber irgendwelche Sperrminoritaten. Auch die Frage, ob er durch\nSonderrechte Gesellschafterbeschlusse herbeifuhren oder verhindern konne, sei\nverneint worden. Er habe weder faktisch noch rechtlich Weisungs- oder\nDirektionsrechte ausgeubt oder sich als alleiniger Gesellschafter geriert.\nBereits vor seiner Bestellung als Geschaftsfuhrer und vor seiner Stellung als\nGesellschafter sei er viele Jahre Angestellter des Unternehmens gewesen. Er\nhabe seine Arbeitszeit nicht frei bestimmen konnen. Zeit, Dauer und Ort der\nArbeitsleistung seien sowohl im Geschaftsfuhreranstellungsvertrag als auch\ndurch die Gesellschafterversammlung geregelt worden. Die Arbeit habe im\nBetrieb erbracht werden mussen. Urlaub habe er wie jeder andere Arbeitnehmer\nauch abstimmen mussen. Die Dauer des Urlaubs sei im Anstellungsvertrag\ngeregelt. Er habe seine ganze Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfugung\nstellen mussen, entgeltliche oder unentgeltliche Nebentatigkeiten seien\nuntersagt gewesen und hatten der Zustimmung der Gesellschaft bedurft. Gemaß §\n6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages seien die Geschaftsfuhrer, unbeschadet\nihrer Vertretungsmacht nach außen, nur gemeinschaftlich zur Geschaftsfuhrung\nbefugt gewesen. Maßnahmen hatten sie mit einfacher Mehrheit beschlossen, die\ner, der Klager, allein nicht gehabt habe. Wichtige Geschafte hatten der\nvorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurft, so vor allem\nGeschafte, die uber den gewohnlichen Geschaftsbetrieb hinausgegangen seien.\nGesellschafterbeschlusse hatten allerdings mit einer Mehrheit von 2/3 der\nStimmen durchgesetzt werden konnen, so dass eine Sperrminoritat nicht\nbestanden habe. Die Gesellschafterversammlung habe dieses Recht auch\nwahrgenommen. Über die unternehmerischen Geschicke habe er nie allein\nentschieden, sondern ausschließlich und immer mit den anderen beiden\nGesellschaftern/Geschaftsfuhrern. Es sei auch nicht wesentlich, ob er Beitrage\nzur Arbeitslosenversicherung einbezahlt habe oder nicht, das Leistungsrecht\nsei vom Beitragsrecht abgekoppelt. Der Geschaftsfuhrer einer GmbH sei weder\nwegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhangigen Beschaftigung\nausgeschlossen, weil er gegenuber Arbeitnehmern und der GmbH\nArbeitgeberfunktion ausube; maßgebend sei vielmehr vor allem die Bindung des\nGeschaftsfuhrers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der\nGesellschafter. Bei fremden Geschaftsfuhrern habe das Bundessozialgericht\n(BSG) deshalb regelmaßig eine abhangige Beschaftigung angenommen, es sei denn,\nes lagen besondere Umstande vor, die eine Weisungsgebundenheit gegenuber den\nGesellschaftern im Einzelfall aufheben wurden. Die Gesellschafter hatten die\nwesentlichen betrieblichen und unternehmerischen Sachentscheidungen taglich\ngemeinsam getroffen. Die Entscheidung der Beklagten konne schon deshalb nicht\nrichtig sein, da sie auch bei den anderen beiden Geschaftsfuhrern die\nInsolvenzgeldantrage unter Hinweis darauf, dass der jeweilige Antragsteller\nnicht weisungsgebunden tatig gewesen sei, abgelehnt habe. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Urteil vom 24. Januar 2005 hat das SG den Bescheid vom 21. Januar 2004\nin der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004 aufgehoben und die\nBeklagte verurteilt, dem Klager fur die Monate September bis November 2003\nInsolvenzgeld zu gewahren. Zur Begrundung hat das SG im Wesentlichen\nausgefuhrt, bei Geschaftsfuhrern, die zugleich Gesellschafter seien, jedoch\nweder uber die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch uber eine so genannte\nSperrminoritat verfugten, musse fur den Regelfall von einer abhangigen\nBeschaftigung ausgegangen werden. Aus der Identitat von Gesellschaftern\neinerseits und Geschaftsfuhrern andererseits konne nicht der Schluss gezogen\nwerden, der Klager sei im "eigenen" Unternehmen tatig gewesen. Besondere\nUmstande, die darauf schließen ließen, dass der Klager eine beherrschende\nStellung in der Fa. G. Stahlbau GmbH innegehabt habe, lagen nicht vor, nachdem\ner nur gleichberechtigt mit den beiden ubrigen\nGesellschaftern/Geschaftsfuhrern die Geschicke der Firma habe leiten konnen\nund an Beschlusse der Gesellschafterversammlung, die er nicht allein habe\nverhindern konnen, gebunden gewesen sei. Bei einem Triumvirat\ngleichberechtigter Gesellschafter/Geschaftsfuhrer lagen deshalb keine\nAnhaltspunkte dafur vor, dass einer der Gesellschafter/Geschaftsfuhrer die\nallein bestimmende Person des Unternehmens gewesen sei. Diese Entscheidung\nwurde der Beklagten am 15. Marz 2005 zugestellt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 11. April 2005 hat die Beklagte Berufung eingelegt. Zur Begrundung hat\nsie im Wesentlichen die Ausfuhrungen aus den angegriffenen Bescheiden\nwiederholt. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24. Januar 2005 aufzuheben und die\nKlage \n--- \n| 10 \n--- \n| abzuweisen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Klager nimmt zur Begrundung im Wesentlichen Bezug auf sein\nerstinstanzliches Vorbringen sowie das angegriffene Urteil und tragt erganzend\nvor, der von der Beklagten angenommene Interessengegensatz zwischen\nArbeitgebern und Arbeitnehmern bestehe unter den heutigen wirtschaftlichen\nBedingungen nicht mehr. Die Beklagte verkenne, dass die Funktion der\nGesellschafterversammlung, die in diesen Fallen Arbeitgeberfunktionen ausube\nund die der angestellten GmbH-Gesellschafter unterschiedlich seien. Die\nGeschaftsfuhrer seien zwar jeweils alleinvertretungsbefugt und vom\nSelbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreit gewesen. Wesentlich sei\njedoch, dass die G. GmbH bei samtlichen Angelegenheiten, die den\nGeschaftsfuhreranstellungsvertrag mit dem Klager betroffen hatten, nicht durch\ndiesen als Alleingesellschafter oder Alleingeschaftsfuhrer vertreten worden\nsei, sondern durch die Gesellschafter. Auch seien nur die Gesellschafter zur\nGeltendmachung von Ersatzanspruchen gegen die Geschaftsfuhrer berechtigt\ngewesen. Der Klager sei - wie die beiden Mitgesellschafter auch - nur\nMinderheitsgesellschafter und damit nicht in der Lage gewesen,\nArbeitgeberfunktionen auszuuben. Dem widerspreche auch nicht, dass der Klager\ndie seinerzeit offenbar falsch festgestellte Versicherungsfreiheit nicht\nbeanstandet habe. Der Klager habe damals auf die Richtigkeit der Angaben der\nentsprechenden Stellen vertraut. Er habe sich anderweitig versichert, so dass\nihm insoweit auch kein Nachteil entstanden sei. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die beiden anderen Geschaftsfuhrer/Gesellschafter der Fa. G. Stahlbau GmbH\nhaben bei der Beklagten ebenfalls die Gewahrung von Insolvenzgeld beantragt\nund gegen die Ablehnung Klage vor dem SG erhoben. Das Verfahren des\nGeschaftsfuhrers/Gesellschafters Z. ruht vor dem SG; der Klage des\nGeschaftsfuhrers/Gesellschafters R. auf Bewilligung von Insolvenzgeld (fur die\nMonate September und Oktober 2003) hat das SG durch Urteil vom 24. Marz 2005\n(S AL 2585/04) stattgegeben. Auf die dagegen erhobene Berufung hat das\nLandessozialgericht Baden-Wurttemberg - LSG - durch Urteil vom 30. November\n2005 (L 3 AL 1416/05) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.\nÜber die dagegen eingelegte Revision zum BSG ist noch nicht entschieden (B 11a\nAL 5/06 R). \n--- \n| 15 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf die Prozessakten, die Leistungsakten der Beklagten sowie\ndie Akten des SG verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Senat kann im Einverstandnis der Beteiligten ohne mundliche Verhandlung\nentscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Berufung der Beklagten ist zulassig und begrundet. Zu Unrecht hat das SG\nhat den Bescheid vom 21. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids\nvom 30. Juli 2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Klager fur die\nMonate September bis November 2003 Insolvenzgeld zu gewahren. Entgegen der\nAuffassung des SG hat der Klager keinen Anspruch auf die erstrebte Leistung;\ndie ablehnenden Bescheide der Beklagten sind daher nicht zu beanstanden. \n--- \n| 18 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur das Leistungsbegehren des Klagers ist § 183 Abs. l Satz\nl Nr. l SGB III. Nach dieser Vorschrift haben Arbeitnehmer Anspruch auf\nInsolvenzgeld, wenn sie bei Eroffnung des Insolvenzverfahrens uber das\nVermogen des Arbeitgebers (Insolvenzereignis) fur die vorausgegangenen drei\nMonate des Arbeitsverhaltnisses noch Anspruch auf Arbeitsentgelt haben. An der\nArbeitnehmereigenschaft des Klagers fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. \n--- \n| 19 \n--- \n| Im Parallelverfahren hat der 3. Senat des LSG im Urteil vom 30. November\n2005 (L 3 AL 1416/05) hierzu Folgendes ausgefuhrt: \n--- \n| 20 \n--- \n| „Arbeitnehmer ist, wer von einem Arbeitgeber personlich abhangig ist.\nErforderlich ist insbesondere eine Eingliederung in den Betrieb und die\nUnterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausfuhrung\numfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.2003 -\nB 11 AL 25/02 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr. l m. w. N.). Das Weisungsrecht kann\nallerdings besonders bei Diensten hoherer Art erheblich eingeschrankt und zur\n"funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert" sein. Es\ndarf aber nicht vollstandig entfallen. Kennzeichnend fur eine selbstandige\nTatigkeit ist demgegenuber das eigene Unternehmerrisiko, die\nVerfugungsmoglichkeit uber die eigene Arbeitskraft und die Moglichkeit, frei\nuber Arbeitsort und Arbeitszeit zu verfugen. Zu beurteilen ist die Frage der\nArbeitnehmereigenschaft nach den Umstanden des Einzelfalls. Dabei steht die\nvertragliche Ausgestaltung der Tatigkeit im Vordergrund. Diese tritt\nallerdings zuruck, wenn die tatsachlichen Verhaltnisse entscheidend von ihr\nabweichen. In Zweifelsfallen kommt es darauf an, ob die fur eine abhangige\nBeschaftigung oder die fur eine selbststandige Tatigkeit sprechenden Merkmale\nuberwiegen (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R -, zitiert nach\njuris). \n--- \n| 21 \n--- \n| Nichts anderes gilt fur die Beurteilung, ob der Geschaftsfuhrer einer GmbH\nabhangig beschaftigt ist oder nicht. Denn er ist weder wegen seiner\nOrganstellung noch deshalb von einer abhangigen Beschaftigung ausgeschlossen,\nweil er gegenuber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausubt;\nmaßgebend ist vielmehr vor allem die Bindung des Geschaftsfuhrers an das\nwillensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter. Ebenso\nwie nicht am Gesellschaftskapital beteiligte Geschaftsfuhrer sind dabei\nGeschaftsfuhrer, die zwar zugleich Gesellschafter sind, jedoch weder uber die\nMehrheit der Gesellschaftsanteile noch uber eine so genannte Sperrminoritat\nverfugen, fur den Regelfall als abhangig Beschaftigte anzusehen. Eine\nabweichende Beurteilung kommt nur dann in Betracht, wenn besondere Umstande\nden Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (vgl. BSG,\nUrteil vom 06.03.2003, a. a. O.). \n--- \n| 22 \n--- \n| In Anwendung dieser Grundsatze ist die Tatigkeit des Klagers als\nGeschaftsfuhrer der G. Stahlbau GmbH nicht als abhangige Beschaftigung\nanzusehen. Zwar sind vorliegend die Voraussetzungen erfullt, unter denen nach\nder Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 06.03.2003, a. a.\nO.) fur den Regelfall von einer abhangigen Beschaftigung auszugehen ist. Denn\nder Klager verfugte nur uber ein Drittel der Gesellschaftsanteile der G.\nStahlbau GmbH, ohne dass ihm eine hier erhebliche Sperrminoritat zustand.\nInsbesondere kommt dem Umstand, dass Gesellschafterbeschlusse betreffend die\nÄnderung des Gesellschaftsvertrages, Umwandlungen und Verschmelzungen sowie\nden Abschluss von Beherrschungs- oder Gewinnabfuhrungsvertragen bzw. sonstigen\nUnternehmensvertragen der Zustimmung von 75 v. H. aller nach dem\nGesellschaftsvertrag vorhandener Stimmen bedurfte (§ 10 Abs. 2 Satz l des\nGesellschaftsvertrages), insoweit keine Bedeutung zu (vgl. Niesel, SGB III, 3.\nAufl. 2005, RdNr. 18 zu § 25). Auch konnte der Klager Weisungen der anderen\nGesellschafter nicht deshalb faktisch verhindern, weil die\nGesellschafterversammlung nur beschlussfahig war, wenn mindestens 50 v. H. des\nStammkapitals vertreten war. Wurde diese Mehrheit namlich nicht erreicht, so\nwar unverzuglich eine neue Gesellschafterversammlung mit der gleichen\nTagesordnung einzuberufen. Diese Gesellschafterversammlung war dann ohne\nRucksicht auf das vertretene Stammkapital beschlussfahig (§ 9 Abs. 3 des\nGesellschaftsvertrages). \n--- \n| 23 \n--- \n| Indes rechtfertigen nach Auffassung des Senats besondere Umstande den\nSchluss fehlender Weisungsgebundenheit des Klagers und damit die Annahme eines\nvom Regelfall abweichenden atypischen Sachverhalts. Denn anders als in dem der\nzitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 06.03.2003 (a. a. O.) zu\nGrunde liegenden Fall war der Klager nicht als einziger von mehreren\n(Minderheits-) Gesellschaftern auch Geschaftsfuhrer der GmbH. Vielmehr waren\nder Klager sowie seine beiden Mitgesellschafter bis zum Eintritt des Klagers\nin den Ruhestand samtlich zugleich alleinige Geschaftsfuhrer der Gesellschaft,\nso dass ihnen in ihrer Eigenschaft als Geschaftsfuhrer dieselben Personen als\nGesellschafter gegenuberstanden. Bei Vorliegen einer solchen Fallgestaltung\nist aber in der Regel - und so auch hier - fur Weisungen der Gesellschafter\ngegenuber den Geschaftsfuhrern und damit fur eine Arbeitnehmereigenschaft\nderselben kein Raum. Insbesondere ist namlich angesichts der in Rede stehenden\nPersonenidentitat ein fur ein Arbeitnehmer-Arbeitgeberverhaltnis - und damit\nfur eine weisungsgebundene Tatigkeit der Gesellschafter/Geschaftsfuhrer -\ntypischer Interessengegensatz kaum denkbar (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1982 -\n12 RK 45/80 -, SozSich 1983, RsprNr. 3750). Der Einwand des Klagers, der\ngenannte Gegensatz bestehe unter den heutigen wirtschaftlichen Bedingungen\nnicht mehr, greift im Ergebnis nicht durch. Denn der Klager ubersieht, dass\nauch ein dem Grunde nach gleich gelagertes Interesse von Arbeitnehmer und\nArbeitgeber am externen Unternehmenserfolg, insbesondere im Falle von\nUmstrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen, betriebsintern zu erheblichen\nInteressengegensatzen zwischen den genannten Beteiligten zu fuhren vermag.\nDerartiges ist aber bei der vorliegenden Fallgestaltung regelmaßig\nauszuschließen. Demgemaß legt eine solche Identitat von Gesellschaftern und\nGeschaftsfuhrern auch den Schluss nahe, dass die Geschaftsfuhrer im „eigenen"\nUnternehmen tatig sind (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1982, a.a.O.). Dies wird\nhier im ubrigen auch dadurch bestatigt, dass der Klager und seine\nMitgesellschafter/-geschaftsfuhrer die ein Vorliegen\nsozialversicherungspflichtiger Beschaftigungsverhaltnisse verneinende\nEntscheidung der AOK Ulm vom 26.04.1990 uber einen Zeitraum von mehr als 13\nJahren akzeptiert haben und daher fur sie auch keine\nSozialversicherungsbeitrage abgefuhrt wurden. Hinzu kommt schließlich, dass im\nGeschaftsfuhrervertrag keine festen Arbeitszeiten geregelt waren und die\nGeschaftsfuhrer, alleinvertretungsberechtigt sowie von den Beschrankungen des\n§ 181 BGB befreit, jeweils abgegrenzte Betriebsbereiche - der Klager den\nBereich der Produktion - leiteten. Daraus, dass der Klager als Geschaftsfuhrer\nnach § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 des Geschaftsfuhrervertrages i. V. m. § 6 Abs.\n3 des Gesellschaftsvertrages sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in der\nSache verpflichtet war, Anweisungen der Gesellschafterversammlung auszufuhren\nsowie bei bestimmten Geschaften die Zustimmung der Gesellschafterversammlung\neinzuholen und dass die Gesellschafter/Geschaftsfuhrer entsprechende\nEntscheidungen - in der Regel wahrend der Arbeitszeit im Betrieb - auch\neinvernehmlich getroffen haben, ergibt sich nichts anderes. Denn unter\nBerucksichtigung der Personenidentitat zwischen der Gesamtheit der\nGesellschafter einerseits und der Geschaftsfuhrer andererseits lasst sich aus\nder einvernehmlichen Entscheidungsfindung der Gesellschafter/Geschaftsfuhrer -\nim Unterschied zu dem vom Bundessozialgericht mit Urteil vom 06.03.2003 (a. a.\nO.) entschiedenen Fall - keine Weisungsgebundenheit der Geschaftsfuhrer\nableiten. Mangels Weisungsunterworfenheit verlieren die fur eine\nArbeitnehmereigenschaft des Klagers sprechenden Umstande - feste Monatsbezuge,\nLohnfortzahlung im Krankheitsfall, Weihnachtsgratifikation, Jahresurlaub,\nUrlaubsgeld, Stellung eines Dienstfahrzeuges und Spesen (§§ 3 bis 5 des\nGeschaftsfuhrervertrages vom 01.02.1990 sowie die §§ 1 und 2 des Nachtrages\nvom 23.10.1990; vgl. BSG, Urteil vom 14.12.1999, a. a. 0.) - an Bedeutung\n(vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1982, a. a. O.). Schließlich kommt dem Umstand,\ndass der Klager seine ganze Arbeitskraft sowie alle seine fachlichen\nKenntnisse und Erfahrungen ausschließlich der Gesellschaft zu widmen hatte\n(vgl. § 1 Abs. 4 Satz 1 des Geschaftsfuhrervertrages vom 01.03.1990) keine\nhier ausschlaggebende Bedeutung zu." \n--- \n| 24 \n--- \n| Der erkennende Senat teilt diese Auffassung hinsichtlich der Begrundung und\ndes Ergebnisses und nimmt fur das vorliegende, vollstandig parallel gelagerte\nVerfahren hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Erganzend - und die\ngenannte Rechtsauffassung bestatigend - ist (lediglich) darauf hinzuweisen,\ndass der Klager und die beiden anderen Gesellschafter/Geschaftsfuhrer nach §\n10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 23. Oktober 1990 immerhin in\nbestimmten, unternehmerisch besonders bedeutsamen Fallen (Abschluss von\nBeherrschungs-, Gewinnabfuhrungs- oder sonstigen Unternehmensvertragen,\nUmwandlungen und Verschmelzungen) uber eine Sperrminoritat verfugten, indem\nÄnderungen dieser Art der Zustimmung von 75 % aller nach dem\nGesellschaftsvertrag vorhandenen Stimmen bedurften. Zwar schließt (allein)\neine solche Sperrminoritat, die sich auf die Festlegung der\nUnternehmenspolitik, die Änderung des Gesellschaftsvertrages und die Auflosung\nder Gesellschaft beschrankt, nach der vom 3. Senat zitierten Meinung (Niesel,\nSGB III, a.a.O. m.w.N.) die Annahme eines versicherungspflichtigen\nBeschaftigungsverhaltnisses nicht aus. Bei einer Gesamtbetrachtung der\nvorliegenden Konstellation einer GmbH, in der alle Gesellschafter zugleich\nalleinige Geschaftsfuhrer der Gesellschaft waren, tragt diese vertragliche\nGestaltung jedoch zu einer Machtstellung des einzelnen\nGesellschafters/Geschaftsfuhrers bei, die seiner Einstufung (zugleich) als\nabhangig Beschaftigter im Sinne der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.)\nentgegensteht. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Revision ist wegen grundsatzlicher Bedeutung zuzulassen. Denn die im\nParallelverfahren als grundsatzlich bedeutsam angesehene Frage des\nregelmaßigen Ausschlusses der Arbeitnehmereigenschaft von Geschaftsfuhrern\neiner GmbH, die samtlich zugleich alleinige Gesellschafter dieser Gesellschaft\nsind, ist zumal angesichts des Umstandes, dass uber die - zugelassene -\nRevision noch nicht entschieden worden ist, noch nicht beantwortet (§ 160 Abs.\n2 Nr. l SGG). \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Senat kann im Einverstandnis der Beteiligten ohne mundliche Verhandlung\nentscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Berufung der Beklagten ist zulassig und begrundet. Zu Unrecht hat das SG\nhat den Bescheid vom 21. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids\nvom 30. Juli 2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Klager fur die\nMonate September bis November 2003 Insolvenzgeld zu gewahren. Entgegen der\nAuffassung des SG hat der Klager keinen Anspruch auf die erstrebte Leistung;\ndie ablehnenden Bescheide der Beklagten sind daher nicht zu beanstanden. \n--- \n| 18 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur das Leistungsbegehren des Klagers ist § 183 Abs. l Satz\nl Nr. l SGB III. Nach dieser Vorschrift haben Arbeitnehmer Anspruch auf\nInsolvenzgeld, wenn sie bei Eroffnung des Insolvenzverfahrens uber das\nVermogen des Arbeitgebers (Insolvenzereignis) fur die vorausgegangenen drei\nMonate des Arbeitsverhaltnisses noch Anspruch auf Arbeitsentgelt haben. An der\nArbeitnehmereigenschaft des Klagers fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. \n--- \n| 19 \n--- \n| Im Parallelverfahren hat der 3. Senat des LSG im Urteil vom 30. November\n2005 (L 3 AL 1416/05) hierzu Folgendes ausgefuhrt: \n--- \n| 20 \n--- \n| „Arbeitnehmer ist, wer von einem Arbeitgeber personlich abhangig ist.\nErforderlich ist insbesondere eine Eingliederung in den Betrieb und die\nUnterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausfuhrung\numfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.2003 -\nB 11 AL 25/02 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr. l m. w. N.). Das Weisungsrecht kann\nallerdings besonders bei Diensten hoherer Art erheblich eingeschrankt und zur\n"funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert" sein. Es\ndarf aber nicht vollstandig entfallen. Kennzeichnend fur eine selbstandige\nTatigkeit ist demgegenuber das eigene Unternehmerrisiko, die\nVerfugungsmoglichkeit uber die eigene Arbeitskraft und die Moglichkeit, frei\nuber Arbeitsort und Arbeitszeit zu verfugen. Zu beurteilen ist die Frage der\nArbeitnehmereigenschaft nach den Umstanden des Einzelfalls. Dabei steht die\nvertragliche Ausgestaltung der Tatigkeit im Vordergrund. Diese tritt\nallerdings zuruck, wenn die tatsachlichen Verhaltnisse entscheidend von ihr\nabweichen. In Zweifelsfallen kommt es darauf an, ob die fur eine abhangige\nBeschaftigung oder die fur eine selbststandige Tatigkeit sprechenden Merkmale\nuberwiegen (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R -, zitiert nach\njuris). \n--- \n| 21 \n--- \n| Nichts anderes gilt fur die Beurteilung, ob der Geschaftsfuhrer einer GmbH\nabhangig beschaftigt ist oder nicht. Denn er ist weder wegen seiner\nOrganstellung noch deshalb von einer abhangigen Beschaftigung ausgeschlossen,\nweil er gegenuber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausubt;\nmaßgebend ist vielmehr vor allem die Bindung des Geschaftsfuhrers an das\nwillensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter. Ebenso\nwie nicht am Gesellschaftskapital beteiligte Geschaftsfuhrer sind dabei\nGeschaftsfuhrer, die zwar zugleich Gesellschafter sind, jedoch weder uber die\nMehrheit der Gesellschaftsanteile noch uber eine so genannte Sperrminoritat\nverfugen, fur den Regelfall als abhangig Beschaftigte anzusehen. Eine\nabweichende Beurteilung kommt nur dann in Betracht, wenn besondere Umstande\nden Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (vgl. BSG,\nUrteil vom 06.03.2003, a. a. O.). \n--- \n| 22 \n--- \n| In Anwendung dieser Grundsatze ist die Tatigkeit des Klagers als\nGeschaftsfuhrer der G. Stahlbau GmbH nicht als abhangige Beschaftigung\nanzusehen. Zwar sind vorliegend die Voraussetzungen erfullt, unter denen nach\nder Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 06.03.2003, a. a.\nO.) fur den Regelfall von einer abhangigen Beschaftigung auszugehen ist. Denn\nder Klager verfugte nur uber ein Drittel der Gesellschaftsanteile der G.\nStahlbau GmbH, ohne dass ihm eine hier erhebliche Sperrminoritat zustand.\nInsbesondere kommt dem Umstand, dass Gesellschafterbeschlusse betreffend die\nÄnderung des Gesellschaftsvertrages, Umwandlungen und Verschmelzungen sowie\nden Abschluss von Beherrschungs- oder Gewinnabfuhrungsvertragen bzw. sonstigen\nUnternehmensvertragen der Zustimmung von 75 v. H. aller nach dem\nGesellschaftsvertrag vorhandener Stimmen bedurfte (§ 10 Abs. 2 Satz l des\nGesellschaftsvertrages), insoweit keine Bedeutung zu (vgl. Niesel, SGB III, 3.\nAufl. 2005, RdNr. 18 zu § 25). Auch konnte der Klager Weisungen der anderen\nGesellschafter nicht deshalb faktisch verhindern, weil die\nGesellschafterversammlung nur beschlussfahig war, wenn mindestens 50 v. H. des\nStammkapitals vertreten war. Wurde diese Mehrheit namlich nicht erreicht, so\nwar unverzuglich eine neue Gesellschafterversammlung mit der gleichen\nTagesordnung einzuberufen. Diese Gesellschafterversammlung war dann ohne\nRucksicht auf das vertretene Stammkapital beschlussfahig (§ 9 Abs. 3 des\nGesellschaftsvertrages). \n--- \n| 23 \n--- \n| Indes rechtfertigen nach Auffassung des Senats besondere Umstande den\nSchluss fehlender Weisungsgebundenheit des Klagers und damit die Annahme eines\nvom Regelfall abweichenden atypischen Sachverhalts. Denn anders als in dem der\nzitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 06.03.2003 (a. a. O.) zu\nGrunde liegenden Fall war der Klager nicht als einziger von mehreren\n(Minderheits-) Gesellschaftern auch Geschaftsfuhrer der GmbH. Vielmehr waren\nder Klager sowie seine beiden Mitgesellschafter bis zum Eintritt des Klagers\nin den Ruhestand samtlich zugleich alleinige Geschaftsfuhrer der Gesellschaft,\nso dass ihnen in ihrer Eigenschaft als Geschaftsfuhrer dieselben Personen als\nGesellschafter gegenuberstanden. Bei Vorliegen einer solchen Fallgestaltung\nist aber in der Regel - und so auch hier - fur Weisungen der Gesellschafter\ngegenuber den Geschaftsfuhrern und damit fur eine Arbeitnehmereigenschaft\nderselben kein Raum. Insbesondere ist namlich angesichts der in Rede stehenden\nPersonenidentitat ein fur ein Arbeitnehmer-Arbeitgeberverhaltnis - und damit\nfur eine weisungsgebundene Tatigkeit der Gesellschafter/Geschaftsfuhrer -\ntypischer Interessengegensatz kaum denkbar (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1982 -\n12 RK 45/80 -, SozSich 1983, RsprNr. 3750). Der Einwand des Klagers, der\ngenannte Gegensatz bestehe unter den heutigen wirtschaftlichen Bedingungen\nnicht mehr, greift im Ergebnis nicht durch. Denn der Klager ubersieht, dass\nauch ein dem Grunde nach gleich gelagertes Interesse von Arbeitnehmer und\nArbeitgeber am externen Unternehmenserfolg, insbesondere im Falle von\nUmstrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen, betriebsintern zu erheblichen\nInteressengegensatzen zwischen den genannten Beteiligten zu fuhren vermag.\nDerartiges ist aber bei der vorliegenden Fallgestaltung regelmaßig\nauszuschließen. Demgemaß legt eine solche Identitat von Gesellschaftern und\nGeschaftsfuhrern auch den Schluss nahe, dass die Geschaftsfuhrer im „eigenen"\nUnternehmen tatig sind (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1982, a.a.O.). Dies wird\nhier im ubrigen auch dadurch bestatigt, dass der Klager und seine\nMitgesellschafter/-geschaftsfuhrer die ein Vorliegen\nsozialversicherungspflichtiger Beschaftigungsverhaltnisse verneinende\nEntscheidung der AOK Ulm vom 26.04.1990 uber einen Zeitraum von mehr als 13\nJahren akzeptiert haben und daher fur sie auch keine\nSozialversicherungsbeitrage abgefuhrt wurden. Hinzu kommt schließlich, dass im\nGeschaftsfuhrervertrag keine festen Arbeitszeiten geregelt waren und die\nGeschaftsfuhrer, alleinvertretungsberechtigt sowie von den Beschrankungen des\n§ 181 BGB befreit, jeweils abgegrenzte Betriebsbereiche - der Klager den\nBereich der Produktion - leiteten. Daraus, dass der Klager als Geschaftsfuhrer\nnach § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 des Geschaftsfuhrervertrages i. V. m. § 6 Abs.\n3 des Gesellschaftsvertrages sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in der\nSache verpflichtet war, Anweisungen der Gesellschafterversammlung auszufuhren\nsowie bei bestimmten Geschaften die Zustimmung der Gesellschafterversammlung\neinzuholen und dass die Gesellschafter/Geschaftsfuhrer entsprechende\nEntscheidungen - in der Regel wahrend der Arbeitszeit im Betrieb - auch\neinvernehmlich getroffen haben, ergibt sich nichts anderes. Denn unter\nBerucksichtigung der Personenidentitat zwischen der Gesamtheit der\nGesellschafter einerseits und der Geschaftsfuhrer andererseits lasst sich aus\nder einvernehmlichen Entscheidungsfindung der Gesellschafter/Geschaftsfuhrer -\nim Unterschied zu dem vom Bundessozialgericht mit Urteil vom 06.03.2003 (a. a.\nO.) entschiedenen Fall - keine Weisungsgebundenheit der Geschaftsfuhrer\nableiten. Mangels Weisungsunterworfenheit verlieren die fur eine\nArbeitnehmereigenschaft des Klagers sprechenden Umstande - feste Monatsbezuge,\nLohnfortzahlung im Krankheitsfall, Weihnachtsgratifikation, Jahresurlaub,\nUrlaubsgeld, Stellung eines Dienstfahrzeuges und Spesen (§§ 3 bis 5 des\nGeschaftsfuhrervertrages vom 01.02.1990 sowie die §§ 1 und 2 des Nachtrages\nvom 23.10.1990; vgl. BSG, Urteil vom 14.12.1999, a. a. 0.) - an Bedeutung\n(vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1982, a. a. O.). Schließlich kommt dem Umstand,\ndass der Klager seine ganze Arbeitskraft sowie alle seine fachlichen\nKenntnisse und Erfahrungen ausschließlich der Gesellschaft zu widmen hatte\n(vgl. § 1 Abs. 4 Satz 1 des Geschaftsfuhrervertrages vom 01.03.1990) keine\nhier ausschlaggebende Bedeutung zu." \n--- \n| 24 \n--- \n| Der erkennende Senat teilt diese Auffassung hinsichtlich der Begrundung und\ndes Ergebnisses und nimmt fur das vorliegende, vollstandig parallel gelagerte\nVerfahren hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Erganzend - und die\ngenannte Rechtsauffassung bestatigend - ist (lediglich) darauf hinzuweisen,\ndass der Klager und die beiden anderen Gesellschafter/Geschaftsfuhrer nach §\n10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 23. Oktober 1990 immerhin in\nbestimmten, unternehmerisch besonders bedeutsamen Fallen (Abschluss von\nBeherrschungs-, Gewinnabfuhrungs- oder sonstigen Unternehmensvertragen,\nUmwandlungen und Verschmelzungen) uber eine Sperrminoritat verfugten, indem\nÄnderungen dieser Art der Zustimmung von 75 % aller nach dem\nGesellschaftsvertrag vorhandenen Stimmen bedurften. Zwar schließt (allein)\neine solche Sperrminoritat, die sich auf die Festlegung der\nUnternehmenspolitik, die Änderung des Gesellschaftsvertrages und die Auflosung\nder Gesellschaft beschrankt, nach der vom 3. Senat zitierten Meinung (Niesel,\nSGB III, a.a.O. m.w.N.) die Annahme eines versicherungspflichtigen\nBeschaftigungsverhaltnisses nicht aus. Bei einer Gesamtbetrachtung der\nvorliegenden Konstellation einer GmbH, in der alle Gesellschafter zugleich\nalleinige Geschaftsfuhrer der Gesellschaft waren, tragt diese vertragliche\nGestaltung jedoch zu einer Machtstellung des einzelnen\nGesellschafters/Geschaftsfuhrers bei, die seiner Einstufung (zugleich) als\nabhangig Beschaftigter im Sinne der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.)\nentgegensteht. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Revision ist wegen grundsatzlicher Bedeutung zuzulassen. Denn die im\nParallelverfahren als grundsatzlich bedeutsam angesehene Frage des\nregelmaßigen Ausschlusses der Arbeitnehmereigenschaft von Geschaftsfuhrern\neiner GmbH, die samtlich zugleich alleinige Gesellschafter dieser Gesellschaft\nsind, ist zumal angesichts des Umstandes, dass uber die - zugelassene -\nRevision noch nicht entschieden worden ist, noch nicht beantwortet (§ 160 Abs.\n2 Nr. l SGG). \n---\n\n
142,455
lsgbw-2006-09-21-l-7-so-544105
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 7 SO 5441/05
2006-09-21
2019-01-09 08:13:58
2019-01-17 12:02:36
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts\nMannheim vom 28. November 2005 wird zuruckgewiesen.\n\nDer Beklagte hat dem Klager seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten im Streit ist die Gewahrung von Krankenhilfe bzw.\nHilfe zur Gesundheit. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der am ... 1957 geborene Klager beantragte am 26. Februar 2004 (unter\nAnderem) die Gewahrung von Krankenhilfe nach § 37 Bundessozialhilfegesetz\n<BSHG> und von Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt. Im Antragsformular\nist in Rubrik 11 (in Haushaltsgemeinschaft lebende Angehorige/Personen)\neingetragen, der Antragsteller lebe in Haushaltsgemeinschaft mit der\nLebensgefahrtin, der am 8. Juni 1945 geborenen Frau P., zusammen. Unter Rubrik\n14 (Wohnverhaltnisse des Antragstellers) ist handschriftlich erganzt, dieser\nlebe im eigenen Haus der Lebensgefahrtin; Mietkosten entstunden nicht. Der\nAntragsteller sei auch nicht krankenversichert. Er habe Schulden in Hohe von\n40.000,- Euro, Frau P. in Hohe von 10.000,- Euro. Der Antrag tragt die\nhandschriftliche Unterschrift des Klagers sowie unter „Unterschrift des\nEhegatten" die von Frau P. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 31. Marz 2004 lehnte das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis\nden Antrag ab mit der Begrundung, Frau P. besitze lastenfreies Grundvermogen\nin Form eines Zweifamilienhauses mit einem Verkehrswert von ca. 281.000,-\nEuro. Daruber hinaus bestehe ein monatliches Einkommen von 568,45 Euro\nzuzuglich Mieteinnahmen in Hohe von ca. 240,- Euro. Damit sei eine\nHilfebedurftigkeit beider Personen nicht gegeben. \n--- \n| 4 \n--- \n| Hiergegen legte die Betreuerin des Klagers am 30. April 2004 Widerspruch\nein, mit dem sie sich insbesondere gegen die Ablehnung der Hilfe in besonderen\nLebenslagen und der Krankenhilfe wandte. Zur Begrundung wurde vorgebracht,\nFrau P. sei nicht in der Lage und auch nicht willens, dem Klager\nwirtschaftlich beizustehen; diese werde ihr Haus nie verkaufen, um fur die\nGesundheitskosten des Klagers aufzukommen. Sie lasse ihn nur mietfrei wohnen,\nwas sie nichts koste. Allerdings musse sich der Klager, dessen Rente mit ca.\n387,- Euro doppelt so hoch sei wie die Arbeitslosenunterstutzung von Frau P.,\nan den Nebenkosten beteiligen. Er zahle zum Beispiel die Hausratversicherung,\nseit Kurzem auch die Abschlage fur Strom - da Frau P. hierzu seit einem Jahr\nnicht mehr in der Lage gewesen sei - und beteilige sich am Kauf von Heizol,\nsofern er Geld habe. Der Klager erspare also lediglich die Aufwendungen fur\nMiete, erbringe aber im Rahmen seiner Moglichkeiten eine wirtschaftliche\nGegenleistung fur die Beherbergung durch Frau P.. Eine eheahnliche\nLebensgemeinschaft in dem Sinne, dass Frau P. fur den Klager einstehe, bestehe\nnicht. Frau P. ware damit in jeder Hinsicht uberfordert. Der Klager schlafe\nnoch immer auf der Couch im Wohnzimmer. Er beziehe lediglich eine\nErwerbsunfahigkeitsrente in Hohe von 387,07 Euro. Im Übrigen musste Frau P.,\nwenn sie das Haus verkaufe, ihre Geschwister ausbezahlen. Sie habe erklart,\ndies auf keinen Fall tun zu wollen. In einem beigefugten Gesprachsvermerk vom\n29. April 2004 gab Frau P. an, der Klager musse sich an den Kosten beteiligen,\nda er bei ihr wohne und sie so wenig Geld habe. Der Klager wohne bei ihr, seit\nihre Tochter, mit welcher der Klager ein gemeinsames Kind habe, vor ca. drei\nJahren ausgezogen sei. Er schlafe schon die ganze Zeit auf der Couch im\nWohnzimmer. Sie sei nicht bereit, ihr Haus zu verkaufen, um fur die Arztkosten\ndes Klagers aufzukommen. Es ware schade, wenn der Klager ausziehen musse, da\nsie gut miteinander auskamen und sie dann ganz alleine ware. \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 26. Juni 2004 fuhrten Mitarbeiter des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis\neinen unangemeldeten Hausbesuch beim Klager und Frau P. durch. Im hieruber\ngefertigten Bericht wird unter Anderem ausgefuhrt, die Wohnung werde vom\nKlager und Frau P. bewohnt, die Wohnung im Obergeschoss sei an eine andere\nPerson vermietet. Im Schlafzimmer der Wohnung befinde sich ein Doppelbett. Der\nKlager habe angegeben, er schlafe im Wohnzimmer. Dort stehe aber nur eine\nCouch. Auf Frage, wo sich seine Kleidungsstucke befinden, habe er angegeben,\ndiese seien im Kleiderschrank im Schlafzimmer. Die Angabe, der Klager schlafe\nim Wohnzimmer, sei wenig glaubwurdig. Der Klager habe im Hilfeantrag Frau P.\nals seine Lebensgefahrtin angegeben. Es musse aber gepruft werden, ob\nKrankenhilfe nach § 37 BSHG im Rahmen der erweiterten Hilfe nach § 29 BSHG zu\nleisten sei. \n--- \n| 6 \n--- \n| Unter dem 1. Juli 2004 teilte das Burgermeisteramt der Gemeinde E.-N. auf\nAnfrage des Beklagten mit, im Grundbuch sei eine Sicherungshypothek fur\nGleichstellungsgeld eingetragen. Im Falle eines Hausverkaufs musse Frau P.\nnach den Regelungen in einem Vermachtniserfullungsvertrag des Notariats\nHeidelberg an vier Personen jeweils 50.000,- DM zahlen. Erganzend teilte der\nGutachterausschuss der Gemeinde E.-N. mit Schreiben vom 30. August 2004 und\n28. September 2004 mit, der Bodenrichtwert fur das Grundstuck der Frau P.\nbetrage 295,- Euro pro qm, insgesamt sei von einem Sachwert (Bodenwert und\nGebaudewert) von 235.391,- Euro auszugehen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 6. August 2004 wurde\ndem Klager Krankenhilfe nach §§ 37, 38 BSHG als erweiterte Hilfe gemaß § 29\nBSHG in der Zeit vom 26. Februar bis 31. Dezember 2004 bewilligt. Die\nEntscheidung uber die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt wurde\nzuruckgestellt. Mit Schreiben vom 17. November 2004 teilte die Betreuerin des\nKlagers mit, sie stimme mit der Auffassung des Beklagten uberein, dass kein\nAnspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bestehe, allerdings gehe sie\ndavon aus, dass Krankenhilfe beansprucht werden konne. \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Antrag vom 29. November 2004 beantragte die Betreuerin des Klagers die\nWeitergewahrung der Leistungen zur Hilfe bei Krankheit uber den 31. Dezember\n2004 hinaus und fuhrte aus, der Klager erhalte weiterhin nur 387,06 Euro Rente\nwegen Erwerbsminderung. Offen sei immer noch die Entscheidung uber den\nAnspruch auf Leistungen nach §§ 37, 38 BSHG ohne Vorbehalt. Da sich Frau P.\nvon Anfang an geweigert habe, ihr Vermogen fur den Klager einzusetzen, liege\neine eheahnliche Gemeinschaft nicht vor. Dass Frau P. oft fur den Klager koche\nund wasche, diesen zum Einkaufen begleite usw. hange damit zusammen, dass der\nKlager schwerstbehindert und stark sehbehindert sei und daher schon im\nHaushalt, erst Recht aber bei Behordengangen oder beim Lesen der Post auf\nHilfe angewiesen sei. Ungeachtet dessen gehe Frau P. jeden Monat eine Woche\nlang von zu Hause fort und sei in dieser Zeit fur den Klager nicht erreichbar.\nDieser sei dann auf die Unterstutzung eines Bekannten angewiesen, der dafur\nfast taglich vorbei komme; so sei Frau P. Mitte September 2004 fur funfeinhalb\nWochen bei ihrer Tochter in Mannheim gewesen, der Klager habe nicht gewusst,\nwann sie wieder komme. In den Zeitraum der Abwesenheit sei sowohl der\nGeburtstag des Klagers als auch der von Frau P. gefallen. Von einer inneren\nBindung, die ein Einstehen fureinander begrunde, konne damit nicht gesprochen\nwerden. Frau P. sei es vollig gleichgultig, wie der Klager in dieser Zeit\nzurechtkomme, sie fuhle sich fur ihn nicht verantwortlich. \n--- \n| 9 \n--- \n| Im Hinblick auf die Zustandigkeit fur die Weiterbewilligung von Leistungen\nder Krankenhilfe holte das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis bei der LVA Baden-\nWurttemberg ein Gutachten zur Erwerbsfahigkeit des Klagers ein; im Gutachten\nvom 18. November 2004 wird hierzu ausgefuhrt, der Klager sei erwerbsunfahig,\ndie Erwerbsfahigkeit konne auf Dauer nicht wieder hergestellt werden. \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 11. April 2005 wurde\ndem Klager Hilfe zur Gesundheit ab dem 1. Januar 2005 - wiederum - als\nerweiterte Hilfe nach § 19 Abs. 5 Zwolftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)\nbewilligt. \n--- \n| 11 \n--- \n| Durch Widerspruchsbescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 21.\nApril 2005 wurde der Widerspruch der Betreuerin des Klagers zuruckgewiesen,\nsoweit diesem nicht durch die Weiterbewilligung von Krankenhilfe in Form der\nerweiterten Hilfe abgeholfen worden war. Zur Begrundung wurde ausgefuhrt, der\nWiderspruch sei nur hinsichtlich der Bewilligung von Leistungen der\nKrankenhilfe als Aufwendungsersatz begrundet. Der Bescheid vom 31. Marz 2004\nsei daher mit den Bescheiden vom 6. August 2004 und vom 11. April 2005\naufgehoben worden, soweit er dem entgegen gestanden habe. Im Übrigen sei der\nWiderspruch gegen diesen Bescheid jedoch unbegrundet, da der Klager nach wie\nvor keine Krankenhilfe bzw. Hilfe zur Gesundheit als Beihilfe beanspruchen\nkonne. Der Klager habe im streitbefangenen Zeitraum vom 26. Februar 2004 bis\nzum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides keinen Anspruch, da er\nin dieser Zeit mit Frau P. in eheahnlicher Lebensgemeinschaft gelebt habe und\ndiese uber verwertbares Vermogen verfuge. Krankenhilfe sei eine Form der Hilfe\nin besonderen Lebenslagen nach § 27 Abs. l BSHG bzw. § 48 SGB XII. Die\nGewahrung von Leistungen nach diesen Bestimmungen stehe unter dem Vorbehalt\ndes § 28 BSHG bzw. § 19 Abs. 3 SGB XII. Voraussetzung sei danach, dass es dem\nHilfesuchenden nicht zuzumuten sei, die erforderlichen Mittel aus eigenem\nEinkommen und Vermogen aufzubringen. Nach § 122 Satz l BSHG bzw. § 20 SGB XII\ndurften Personen, die in eheahnlicher Lebensgemeinschaft lebten, hinsichtlich\nder Voraussetzungen sowie des Umfanges der Sozialhilfe nicht besser gestellt\nwerden als Ehegatten. Die Indizien sprachen im vorliegenden Fall dafur, dass\nzwischen dem Klager und Frau P. eine eheahnliche Lebensgemeinschaft, also eine\ndurch innere Bindungen gekennzeichnete Verantwortungs- und\nEinstehensgemeinschaft bestehe. Zunachst habe der Klager mit seinen Angaben in\nder Antragstellung kenntlich gemacht, dass eine solche Gemeinschaft bestehe.\nDes Weiteren sei bei dem Hausbesuch am 26. Juni 2004 festgestellt worden, dass\ndie tatsachlichen Verhaltnisse fur das Vorliegen einer eheahnlichen\nLebensgemeinschaft sprachen. Das Schlaf- und Wohnzimmer werde offensichtlich\ngemeinsam genutzt. Auf innere Bindungen konne auch deshalb geschlossen werden,\nda Frau P. den Klager mietfrei bei sich wohnen lasse, obwohl sie selbst nur\nuber geringes Einkommen verfuge. Auf der anderen Seite habe der Klager die\nStromschulden der Frau P. ubernommen, so dass von einem gemeinsamen\nWirtschaften ausgegangen werden konne. Dafur spreche auch, dass Frau P. fur\nden Klager koche und wasche und ihm beim Einkaufen und bei Behordengangen\nhelfe. Des Weiteren lebe der Klager seit elf Jahren im Haus der Frau P., davon\nmittlerweile dreieinhalb Jahre mit dieser in einer Wohnung. Nach den\nAuskunften des Gutachterausschusses der Gemeinde E. betrage der Wert ihres\nHausgrundstuckes 235.000,- Euro. Bei der Große des Hauses und dessen Wert\nkonne dieses auch nicht als angemessenes Hausgrundstuck im Sinne von § 88 Abs.\n2 Nr. 7 BSHG betrachtet werden. Das Grundstuck musse daher verwertet werden.\nEs sei auch verwertbar, da in jedem Fall von einem Überschuss von ca.\n132.000,- Euro auszugehen sei (235.000,- Euro Wert - 102.258,- Euro\nGleichstellungsgeld fur die vier Geschwister der Frau P.). Durch die\nVerwertung werde auch die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung\nnicht besonders erschwert. Derzeit erhalte Frau P. von der LVA Baden-\nWurttemberg eine Rente in Hohe von 255,60 Euro, daruber hinaus habe sie\nMieteinnahmen in Hohe von 243,- Euro aus der vermieteten Wohnung im selben\nHaus und wohne selbst mietfrei im eigenen Haus. Sie bestreite mithin ihren\nLebensunterhalt uberwiegend aus Einkommen, nicht aus Vermogen. Frau P. habe\nzudem nach der Auskunft der LVA Baden-Wurttemberg eine Rente von 560,- Euro\nbis 590,- Euro im Monat zu erwarten. Mithin sei auch in Zukunft nicht davon\nauszugehen, dass sie auf das Hausgrundstuck zur Aufrechterhaltung einer\nangemessenen Altersversorgung angewiesen sei. \n--- \n| 12 \n--- \n| Am 23. Mai 2005 hat die Betreuerin des Klagers Klage vor dem Sozialgericht\nMannheim (SG) erhoben und im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt.\nEine eheahnliche Gemeinschaft bestehe nicht. Der Klager sei zu 100 %\nschwerbehindert, uberwiegend erbringe Frau P. die erforderliche Pflegeleistung\nohne Entgelt. Der Klager sei der Vater von Frau P.s Enkel. Fur Frau P. sei es\nwichtig, dass der kleine Enkel, der bei ihrer labilen Tochter und deren\nalkoholabhangigem neuen Lebensgefahrten lebe, Vater und Oma regelmaßig\nbesuchen konne. Daher verbringe der Enkel einen großen Teil seiner Ferien und\nzwei Wochen im Monat bei ihr und habe sowohl zu ihr als auch zu dem Vater, dem\nKlager, eine enge Beziehung. Frau P. ermogliche dem Klager das Wohnen bei ihr,\nda er in dem Haus lange Jahre mit ihrer Tochter gewohnt habe. Dass Frau P. den\nHaushalt fuhre, habe ausschließlich mit der Hilflosigkeit des Klagers zu tun,\nder ohne ihre Hilfe wohl nur in einem teuren Pflegeheim unterzubringen ware.\nZudem kummere sich Frau P. gerne um andere, konne schlecht alleine sein und\numsorge auch die jetzigen Mieter mutterlich. Dafur wurden diese dann\nGelegenheitsdienste erbringen wie Getranke holen, Rasen mahen und sonstige\nGartenhilfe. Der Klager seinerseits habe die Eigenart, andere stark zu\nvereinnahmen und hartnackig Fursorge einzufordern. All dies spreche jedoch in\nkeiner Weise fur eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne\neiner eheahnlichen Lebensgemeinschaft. Es sei nicht zutreffend, dass der\nKlager die Stromkosten der Frau P. bezahlt habe, vielmehr habe er den\nAnschluss auf seinen Namen angemeldet, weil Frau P. aufgrund ihrer bestehenden\nSchulden keinen Anschluss mehr bekommen habe. Diese habe damals dringend einen\nUntermieter gebraucht, der fur den Stromanschluss sorgen konnte. Soweit sich\nder Beklagte auf die Angaben des Klagers bei der Antragstellung am 26. Februar\n2005 berufe, sei darauf hinzuweisen, dass dieser Antrag im Rathaus der\nGemeinde E. mit Hilfe der Sachbearbeiterin ausgefullt worden sei. Sowohl der\nKlager wie auch Frau P. brauchten grundsatzlich Unterstutzung beim Ausfullen\nvon Formularen. Aus diesem Grund sei mittlerweile fur Frau P. eine Betreuung\ndurch das Vormundschaftsgericht Heidelberg eingerichtet worden. Die Tragweite\nder Formulierung „Lebensgefahrte bzw. eheahnliche Gemeinschaft" sei weder dem\nAntragsteller noch Frau P. bekannt gewesen; zu diesem Zeitpunkt habe die\nBetreuung noch nicht bestanden, der Klager habe daher allein handeln mussen.\nAls die Betreuerin dann Mitte Marz die Angabe, Frau P. sei Haushaltsvorstand,\nhabe andern wollen, sei dies verweigert worden. Eine Antragstellung fur den\nKlager als Einzelperson sei ebenfalls verweigert worden. Der Beklagte habe\nauch schon gleich nach dem Auszug der Lebensgefahrtin des Klagers - dies musse\nca. Anfang 2000 gewesen sein - eine eheahnliche Gemeinschaft zwischen Frau P.\nund dem Klager angenommen. Der Klager habe damals weiterhin das obere\nStockwerk, in dem er schon sieben Jahre mit der Tochter von Frau P. und dem\ngemeinsamen kleinen Sohn gewohnt habe, beziehen wollen. Dafur habe er Miete\nbezahlen sollen und daher einen Mietzuschuss gebraucht. Dann sei ein\nHausbesuch durch Mitarbeiter des Beklagten erfolgt. Damals sei die Wohnung\nnoch nicht eingerichtet gewesen, daher hatten die Mitarbeiter behauptet, der\nKlager wohne nicht dort, sondern unten bei der „Schwiegermutter" im\ngemeinsamen Haushalt. Schon damals sei eine eheahnliche Gemeinschaft\nunterstellt worden. Der Klager habe die Wohnung dann mangels Mietzuschuss\nnicht beziehen konnen, und Frau P. sei gezwungen gewesen, diese anderweitig zu\nvermieten. \n--- \n| 13 \n--- \n| Im Erorterungstermin vom 25. November 2005 hat das SG den Klager gehort\nsowie Frau P. als Zeugin vernommen. Wegen des Inhalts wird auf die hieruber\ngefertigte Niederschrift (Bl. 25 ff. der Klageakte des SG) verwiesen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Mit Gerichtsbescheid vom 28. November 2005 hat das SG den Beklagten\nverurteilt, dem Klager ab Antragstellung Hilfen zur Gesundheit nach §§ 27 ff.\nBSHG, 47 ff. SGB XII als Beihilfe in gesetzlicher Hohe ohne Berucksichtigung\ndes Einkommens und Vermogens von Frau P. zu gewahren, und die Bescheide vom\n31. Marz 2004, 6. August 2004 und 11. April 2005 sowie den\nWiderspruchsbescheid vom 21. April 2005 aufgehoben, soweit sie dem\nentgegenstehen. Zur Begrundung hat das SG ausgefuhrt, der Klager habe Anspruch\nauf Gewahrung von Hilfen zur Gesundheit als Beihilfe ohne Berucksichtigung des\nVermogens von Frau P. Der Anspruch auf die Gewahrung von Hilfen bei Krankheit\nergebe sich ab der Antragstellung am 26. Februar bis zum 31. Dezember 2004 aus\nden Bestimmungen der §§ 27 ff. BSHG, ab dem 01. Januar 2005 folge der Anspruch\nauf Hilfen zur Gesundheit aus §§ 47 ff. SGB XII. Der Beklagte sei zu Unrecht\ndavon ausgegangen, dass der Klager diese Leistungen nicht beanspruche konne,\nweil er mit der Zeugin P. in eheahnlicher Gemeinschaft lebe und die\nHilfegewahrung deswegen nicht ohne eine Berucksichtigung des Einkommens und\nVermogens dieser Zeugin erfolgen konne. Das Gericht habe sich nicht\nzweifelsfrei davon uberzeugen konnen, dass zwischen dem Klager und der Zeugin\nP. eine eheahnliche Gemeinschaft bestehe. Zwar habe der Klager im\nLeistungsantrag angegeben, mit der Zeugin in eheahnlicher Gemeinschaft zu\nleben. Hierin konne jedoch keine prozessuale Erklarung im Sinne eines\nEingestandnisses des Vorliegens einer eheahnlichen Gemeinschaft gesehen\nwerden. Zum einen bestunden diesbezuglich bereits deshalb Zweifel, da der\nKlager unwidersprochen habe vortragen lassen, der Antrag sei mit Hilfe der\nSachbearbeiterin der Gemeinde ausgefullt worden, diese habe das Ankreuzen\ndieses Punktes vorgegeben. Doch auch abgesehen davon sei nicht davon\nauszugehen, dass der Klager diesen Begriff im technischen Sinne gemaß den\nRegelungen des BSHG bzw. des SGB XII gebraucht habe, da dieser als Laie\nnaturgemaß die rechtliche Bedeutung des Begriffes eheahnliche Gemeinschaft\nnicht einschatzen konne. Allein die Angabe im Antrag begrunde fur das Gericht\ndaher nicht den Beweis des Vorliegens einer eheahnlichen Gemeinschaft. Auch\naufgrund der im Termin zur Erorterung und Beweisaufnahme vom 25. November 2005\nerhobenen tatsachlichen Umstande habe das Gericht sich nicht zweifelsfrei\ndavon uberzeugen konnen, dass eine eheahnliche Gemeinschaft gegeben sei. Zwar\nsprachen die Angaben des Klagers und der Zeugin Frau P. zunachst fur das\nVorliegen einer solchen eheahnlichen Gemeinschaft. Insbesondere habe der\nKlager angegeben, er zahle Nebenkosten wie Wasser und Abwasser sowie Strom,\nweil er keine Miete zahle. Zudem habe der Klager Angaben zu den\nEinkommensverhaltnissen von Frau P. machen konnen und angegeben, er wurde der\nZeugin P. in einer Notsituation durchaus helfend unter die Arme greifen. Die\nZeugin P. habe zunachst darauf beharrt, sie konne den Klager nicht mehr\nalleine lassen, da er so hilfebedurftig sei und tue dies daher auch nicht\nmehr; sie befinde sich nahezu standig in seiner Reichweite, außer wenn sie\nBesorgungen zu erledigen habe. Gleichwohl sei nach der Überzeugung des\nGerichts das Vorliegen einer eheahnlichen Gemeinschaft im vorliegenden Falle\nnicht bewiesen. Zum einen habe die Betreuerin des Klagers uberzeugend\nangegeben, aufgrund ihrer Betreuereigenschaft ubersehen zu konnen, ob sich der\nKlager tatsachlich an den Nebenkosten beteilige. Außer der Tatsache, dass er\nden Strom bezahle und einmal auch Öl gekauft habe, trage der Klager keine\nNebenkosten. Dies ergebe sich aus den Kontoauszugen des Klagers, die uber\nihren Tisch liefen. Dass der Klager den Stromanschluss ubernommen habe, beruhe\nauf ihrem Einschreiten, da ansonsten in der Wohnung kein Strom mehr vorhanden\ngewesen ware; es beruhe also nicht auf der Entscheidung des Klagers, dass\ndieser den Strom bezahle. Ein gemeinsames Wirtschaften lasse sich auch aus den\nAngaben des Klagers nicht zweifelsfrei feststellen, der angegeben habe, zwar\nkaufe die Zeugin P. fur ihn ein, jeder habe jedoch einen eigenen Geldbeutel,\nund er gebe ihr Geld fur die Einkaufe, die sie fur ihn tatige. Zudem habe er\nangegeben, die Zeugin sei seine Bekannte, eine korperliche Beziehung liege\nnicht vor. Ein normaler Tag laufe so ab, dass er nach dem Fruhstuck alleine\nsei, wahrend sie ihre Dinge erledige und dann nicht da sei. Nach dem\nMittagessen gehe die Zeugin P. wiederum zu einer Freundin und komme dann erst\nabends zuruck. Er selbst schlafe im Wohnzimmer, wahrend die Zeugin P. im\nSchlafzimmer nachtige. Teilweise sei die Zeugin P. auch zwei bis drei Tage bei\nihrer Tochter, nicht regelmaßig, aber ab und zu. Man lebe uberwiegend in\nseinen Mobeln, da diese moderner seien als die Mobel, die die Zeugin P. gehabt\nhabe. Das Schlafzimmer bestehe jedoch aus Mobeln der Zeugin P. Außer dass man\ngemeinsam die Mahlzeiten einnehme, werde die Freizeit getrennt verbracht.\nDiese Angaben belegten, dass auf der personlichen Ebene doch eine deutliche\nDistanzierung gegeben sei. Insbesondere werde die Freizeit in der Regel nicht\ngemeinsam, sondern getrennt verbracht, zudem verlasse die Zeugin P. den Klager\nauch immer wieder tageweise, ohne sich dann um diesen zu kummern. \n--- \n| 15 \n--- \n| Hierzu zunachst im Gegensatz habe zwar die Aussage der Zeugin P. gestanden,\nwonach der Klager so hilfebedurftig sei, dass sie ihn nicht mehr alleine\nlassen konne. Es sei nicht oft, dass sie bei ihrer Tochter sei, da sie den\nKlager nicht alleine lassen konne und auch nachts noch nach ihm sehen musse.\nDies alles mache sie ihrem Enkel zuliebe, damit dieser seinen Vater sehen\nkonne. Auch die Freizeit werde gemeinsam verbracht; so lese sie dem Klager\nBucher vor und helfe ihm auch ansonsten. Auf konkrete Nachfrage habe die\nZeugin jedoch eingeraumt, dass sie zumindest dann, als ihre Tochter ein\nweiteres Kind geboren hatte, funf Wochen von zu Hause weg gewesen sei und in\ndieser Zeit auch nicht nach dem Klager gesehen habe. Daruber hinaus sei sie\nalle ein bis zwei Monate auch einmal ein bis zwei Wochen weg gewesen. Im Jahr\n2004 sei der Klager an seinem Geburtstag und auch am Geburtstag der Zeugin P.\nalleine gewesen, im Jahr 2005 sei sie bei diesen Anlassen allerdings beim\nKlager geblieben. Es komme immer wieder vor, dass die Zeugin ein paar Tage weg\nsei zu ihrer Tochter. Auf die Nachfrage, wie lange dies dann sei, habe sie\nangegeben, das hange davon ab, wie es sich ergebe. Wenn es spat werde abends,\nbleibe sie auch uber Nacht bei ihrer Tochter. Schließlich habe ihre Tochter\nein Recht auf sie. Der Klager sei dann alleine, sie kummere sich dann nicht um\nihn. Zunachst habe die Zeugin P. auch angegeben, keine Freunde zu haben, mit\ndenen sie sich treffe. Auf konkrete Nachfrage habe sie jedoch erklart, sie\nhabe neuerdings wieder eine Bekannte, auch vorher habe sie schon eine Freundin\ngehabt, mit der sie sich treffe. Sie sei auch nicht nur zum Zeitpunkt der\nGeburt ihres zweiten Enkels einmal funf Wochen nicht beim Klager gewesen,\nsondern auch danach noch einmal funfeinhalb Wochen, als sie krank gewesen sei.\nInsgesamt habe sich fur das Gericht das Bild einer Zeugin ergeben, die\nerheblich verwirrt gewesen sei und sich nicht eindeutig zu den Umstanden habe\naußern konnen. Auf Nachfrage habe sie teilweise genau das Gegenteil dessen\nangegeben, was sie zuvor selbst gesagt habe; so widerspreche z. B. ihre\nAngabe, keinerlei Freunde zu haben, den Angaben, die sie sie sodann auf\nNachfrage gemacht habe und die auch der Klager mit seinen Angaben bestatigt\nhabe. Des Weiteren habe sie einerseits angegeben, die komplette Freizeit mit\ndem Klager zu verbringen und diesen quasi nie alleine zu lassen. Dagegen habe\nder Klager berichtet, die Freizeit werde getrennt verbracht und die Zeugin sei\ndurchaus immer wieder weg. Letzteres habe auch die Betreuerin des Klagers\nbestatigt, die von zumindest drei Vorfallen im Jahr 2004 berichtet habe, in\nwelchen sich der Klager daruber beschwert habe, dass die Zeugin mehrere Wochen\nnicht da gewesen sei. Dies beeintrachtige die Glaubhaftigkeit der Aussage der\nZeugin P. doch erheblich. Doch auch unter Zugrundelegung ihrer Angaben habe\nsich das Gericht nicht vom Vorliegen einer eheahnlichen Lebensgemeinschaft\nvollstandig uberzeugen konnen. So habe die Zeugin P. auf die Frage, weshalb\nsie sich dem Klager so verpflichtet fuhle, angegeben, sie tue dies alles nur\nfur ihren Enkel. Dieser solle seinen Vater sehen konnen, was nur moglich sei,\nwenn dieser bei ihr wohne. Hieraus lasse sich ein Einstehen fur den Anderen\naufgrund der Person des Anderen nicht klar entnehmen. Vielmehr verfolge die\nZeugin P., wenn ihre Angaben zutrafen, mit der Pflege des Klagers in erster\nLinie die von ihr angenommenen Interessen ihres Enkels. Obwohl sich mithin\ninsgesamt kein klares Bild von den tatsachlich vorliegenden Umstanden ergebe,\nsei nicht anzunehmen, dass der Klager der Zeugin P. oder diese dem Klager\njeweils aufgrund ihrer eigenen Person wichtig ware und deren Zusammenleben auf\ninneren Bindungen beruhe. Vielmehr spreche alles dafur, ein gemeinsames Wohnen\nanzunehmen, das sich aufgrund widriger Umstande einfach so ergeben habe und\nnicht auf tieferen inneren Bindungen der Beteiligten zueinander beruhe. Es\nhabe weder eindeutig das Bestehen noch das Nichtbestehen einer eheahnlichen\nLebensgemeinschaft zwischen dem Klager und der Zeugin P. sicher nachgewiesen\nwerden konnen. Dies gehe zu Lasten des beweisbelasteten Beklagten. \n--- \n| 16 \n--- \n| Da die Voraussetzungen fur das Vorliegen einer eheahnlichen\nLebensgemeinschaft nicht nachweisbar seien, habe das Einkommen und Vermogen\nder Zeugin im Rahmen der Bedurftigkeit des Klagers gemaß §§ 27 ff. BSHG, §§ 19\nAbs. 3, 47 ff. SGB XII unberucksichtigt zu bleiben. Da der Klager - unstreitig\n- die weiteren Voraussetzungen der §§ 27 ff. BSHG, 47 ff. SGB XII erfulle,\nstunden ihm Leistungen der Hilfe zur Gesundheit in gesetzlicher Hohe ohne die\nBerucksichtigung des Einkommens und Vermogens der Zeugin P. ab dem Zeitpunkt\nder Antragstellung zu. \n--- \n| 17 \n--- \n| Gegen den ihm am 8. Dezember 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der\nBeklagte am 22. Dezember 2005 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt und\nzur Begrundung vorgebracht, das SG habe die fur und gegen das Vorliegen einer\neheahnlichen Gemeinschaft vorliegenden Indizien unrichtig gewurdigt und daher\ndas Vorliegen einer solchen Gemeinschaft zu Unrecht verneint. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 19 \n--- \n| den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 28. November 2005\naufzuheben und die Klage abzuweisen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 21 \n--- \n| die Berufung des Beklagten zuruckzuweisen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Er halt das angegriffene Urteil fur zutreffend. \n--- \n| 23 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Verwaltungsakte des Beklagten, die\nKlageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 24 \n--- \n| Der Senat konnte trotz des wegen Erkrankung des Prozessbevollmachtigten des\nKlagers gestellten Verlegungsantrages zur Sache verhandeln und entscheiden;\ndie anwesenden Beteiligten waren mit der Durchfuhrung der mundlichen\nVerhandlung einverstanden. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG\n-) eingelegte Berufung ist zulassig; insbesondere ist sie statthaft, weil die\nBerufung laufende Leistungen fur mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz\n2 SGG). Die Berufung ist unbegrundet. \n--- \n| 27 \n--- \n| Fur die am 28. April 2005 beim SG erhobene Klage sind nach § 51 Abs. 1 Nr.\n6a SGG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zustandig, auch soweit sich der\ngeltend gemachte Anspruch fur die Zeit bis zum 31. Dezember 2004 nach den\nzwischenzeitlich außer Kraft getretenen Bestimmungen des BSHG beurteilt. Die\nseit dem 1. Januar 2005 bestehende Zustandigkeit der Sozialgerichte fur\nStreitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe gilt auch fur solche\nVerfahren, die ihre Rechtsgrundlage in Leistungsgesetzen haben, die mit\nInkrafttreten SGB XII am 1. Januar 2005 außer Kraft getreten sind, wie das\nBSHG. Die Entscheidung uber Leistungszeitraume vor dem 1. Januar 2005 liegt\nfur Klagen, die nach dem 1. Januar 2005 erhoben werden, bei den\nSozialgerichten (vgl. hierzu Bundessozialgericht <BSG>, Beschluss vom 13.\nOktober 2005 - B 9b SF 4/05 R -, SozR 4-1500 § 151 Nr. 1). Außerdem ist der\nSenat nach § 17a Abs. 5 GVG an die Bejahung des Rechtswegs durch das SG\ngebunden. \n--- \n| 28 \n--- \n| Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Klager seit dem Zeitpunkt\nder Antragstellung (26. Februar 2004) ein Anspruch auf die begehrten\nLeistungen zusteht. Zur Klarstellung ist allerdings darauf hinzuweisen, dass\nder streitbefangene Anspruchszeitraum vorliegend nicht begrenzt wird durch den\nZeitpunkt der letzten Behordenentscheidung, sondern bis zur letzten\ntatrichterlichen Entscheidung, also der des erkennenden Senats reicht. \n--- \n| 29 \n--- \n| Nach der standigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG)\nzum BSHG kann der Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe grundsatzlich nur in\ndem zeitlichen Umfang in zulassiger Weise zum Gegenstand der\nverwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemacht werden, in dem der Trager der\nSozialhilfe den Hilfefall geregelt hat. Das ist regelmaßig der Zeitraum bis\nzur letzten Verwaltungsentscheidung, also bis zum Erlass des\nWiderspruchsbescheides (vgl. BVerwGE 25, 307, 308 f.; 39, 261, 264 ff), und\ngilt grundsatzlich auch fur (wiederkehrende) Leistungen der\nEingliederungshilfe (BVerwG, Urteile vom 16. Januar 1986 - BVerwG 5 C 36.84 -,\nBuchholz 436.0 § 39 BSHG Nr. 5 und vom 30. April 1992 - BVerwG 5 C 1.88 -,\nBuchholz 436.0 § 40 BSHG Nr. 12). Aus dieser zeitlichen Begrenzung des\nsozialhilferechtlichen Streitgegenstandes folgt, dass fur die gerichtliche\nÜberprufung ablehnender Leistungsbescheide in der Regel die Sach- und\nRechtslage im Zeitpunkt der letzten Behordenentscheidung maßgeblich ist (s.\netwa BVerwGE 90, 160, 162; 96, 152, 154). Diese zeitliche Fixierung gilt\njedoch nicht uneingeschrankt. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der\nGegenstand der gerichtlichen Nachprufung durch die Zeit bis zum Erlass des\nletzten Behordenbescheides begrenzt ist, besteht dann, wenn die Behorde den\nHilfefall statt fur den dem Bescheid nachstliegenden Zeitraum fur einen\nlangeren Zeitraum geregelt hat (vgl. BVerwGE 39, 261, 265; 89, 81, 85; s.\nferner Urteile vom 16. Januar 1986 und 30. April 1992, a.a.O. S. 11 f. und S.\n4 f.). Ebenso wie sich eine Leistungsbewilligung uber einen langeren Zeitraum\n(uber den Erlass des Widerspruchsbescheides hinaus) erstrecken kann, kann auch\ndie Ablehnung einer solchen Bewilligung einen langeren Zeitabschnitt erfassen.\nDer die Bewilligung oder Ablehnung betreffende Regelungszeitraum braucht nicht\nausdrucklich benannt zu sein, sondern kann sich aus dem maßgeblichen Bescheid\nauch durch Auslegung ergeben (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 8. Juni 1995 -\nBVerwG 5 C 30.93 -). Hat der Sozialhilfetrager Hilfeleistungen fur einen in\ndie Zukunft hineinreichenden, uber den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung\nhinausgehenden Zeitraum abgelehnt (oder eingestellt), so ist die gerichtliche\nÜberprufung der Rechtmaßigkeit dieser Maßnahme nicht auf die Beurteilung der\nSach- und Rechtslage beschrankt, wie sie bis zum Erlass des\nWiderspruchsbescheides bestanden hat. Es ist vielmehr auch die weitere\nEntwicklung in die Prufung einzubeziehen (BVerwGE 99, 149; vgl. auch Urteil\nvom 8. Juni 1995, a.a.O.). Denn fur die gerichtliche Verpflichtung zur\nHilfegewahrung kann die Sach- und Rechtslage im gesamten Regelungszeitraum\nmaßgeblich sein, gegebenenfalls begrenzt durch den Zeitpunkt der (letzten)\ntatrichterlichen Entscheidung, wenn der Regelungszeitraum daruber\nhinausreicht. \n--- \n| 30 \n--- \n| Hiervon ausgehend ist vorliegend der Zeitraum von der Antragstellung bis\nzur Entscheidung des erkennenden Senats streitbefangen. Das Landratsamt Rhein-\nNeckar-Kreis wollte in den angegriffenen Bescheiden ersichtlich den Anspruch\nauf Gewahrung auf Bewilligung von Hilfe zur Krankheit uber den Zeitpunkt des\nWiderspruchsbescheids hinaus regeln, indem es die Ablehnung tragend auf\nLebensumstande des Klagers - Zusammenleben mit der Zeugin P. - gestutzt hat,\ndie bis zum heutigen Tag in unveranderter Form fortdauern. \n--- \n| 31 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten besteht Streit daruber, ob zwischen dem Klager und\nFrau P. eine eheahnliche Gemeinschaft i.S.v. § 122 BSHG bzw. - unter Geltung\ndes SGB XII - i. S. v. § 20 SGB XII besteht. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG sind\nbei nicht getrennt lebenden Ehegatten bei der Berechnung des Hilfenanspruchs\ndas Einkommen und Vermogen beider Ehegatten zu berucksichtigen. § 122 Satz 1\nBSHG und - wortgleich - § 20 Satz 1 SGB XII bestimmen, dass Personen, die in\neheahnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen und des\nUmfangs der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden durfen als Ehegatten. Bei\nVorliegen einer solchen Gemeinschaft werden die Partner sozialhilferechtlich\nwie nicht getrennt lebende Ehegatten behandelt mit der Folge der Anwendung des\n§ 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG bzw. des § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB XII fur die Hilfe zum\nLebensunterhalt und des - hier relevanten - § 19 Abs. 3 SGB XII fur die Hilfen\nnach dem funften bis neunten Kapitel. \n--- \n| 32 \n--- \n| Obwohl sich der Begriff zwischenzeitlich in einer Vielzahl von Gesetzen -\ndarunter in den zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Sozialleistungsgesetzen\n- findet, existiert nach wie vor keine durchgangige gesetzliche Definition des\nBegriffs der eheahnlichen Gemeinschaft (vgl. dazu bereits Urteil des Senats\nvom 14. November 2005 - L 7 SO 3743/05 -). Nach der Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts (Urteil vom 17. November 1992 - 1 WvL 8/87 - BVerfGE\n87, 234; vgl. auch Kammerbeschluss vom 2. September 2004 - 1 BvR 1962/04 -,\nNVwZ 2005, 1178), liegt eine eheahnliche Gemeinschaft nur vor, wenn sie als\nauf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau uber\neine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht und sich im Sinne\neiner Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft durch innere Bindungen\nauszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner - auch in den Not-\nund Wechselfallen des Lebens - fureinander begrundet und daneben keine weitere\nLebensgemeinschaft gleicher Art zulasst. Nur wenn sich die Partner einer\nGemeinschaft so sehr fureinander verantwortlich fuhlen, dass sie zunachst den\ngemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr personliches\nEinkommen zur Befriedigung eigener Bedurfnisse verwenden, ist ihre Lage mit\nderjenigen nicht getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die Anrechnung\nvon Einkommen und Vermogen vergleichbar (vgl. BVerfGE 87, 234, 265; vgl. auch\nBeschlusse des Senats vom 12. Januar 2006 - L 7 AS 5535/05 ER-B - und vom 31.\nJanuar 2006 - L 7 AS 108/06 ER-B -). An Hinweistatsachen fur das Vorliegen\neiner eheahnlichen Gemeinschaft kommen neben der langen Dauer und Intensitat\ndes Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehorigen im gemeinsamen\nHaushalt, sowie die Befugnis, uber Einkommens- und Vermogensgegenstande des\nanderen Partners zu verfugen, in Betracht. \n--- \n| 33 \n--- \n| Dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf\ndie Regelung des § 122 Satz 1 BSHG mit Urteil vom 17. Mai 1995 - 5 C 16.93 -\n(BVerwGE 98, 195, 199 f.; vgl. auch Beschluss vom 24. Juni 1999 - 5 B 114/98 -\n<juris>; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 15; SozR 3-4300 § 144 Nr. 10; Debus, SGb\n2006, 82, 84 f.).) angeschlossen; das sicher gewichtigste Indiz stellt danach\neine lange Dauer des Zusammenlebens bei Beginn des streitgegenstandlichen\nZeitraums dar. Bei Zusammenfall des Beginns des Zusammenlebens mit dem Beginn\ndes Leistungszeitraums kommen als Hinweistatsachen Dauer und Intensitat der\nBekanntschaft zwischen den Partnern vor der Begrundung ihrer Wohngemeinschaft,\nder Anlass fur das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation der Partner\nwahrend der streitgegenstandlichen Zeit und die - nach außen erkennbare -\nIntensitat der gelebten Gemeinschaft in Betracht. Gegebenenfalls kann auch ein\nlanges Fortdauern der Gemeinschaft uber den streitgegenstandlichen Zeitraum\nhinaus Berucksichtigung finden. Zu einer auf Dauer angelegten\nLebensgemeinschaft gehort grundsatzlich auch die Wohngemeinschaft. Zur\nBejahung einer eheahnlichen Gemeinschaft reicht allerdings eine bloße\nWohngemeinschaft ebenso wenig aus (so bereits BSGE 63, 120, 123 = SozR 4100 §\n138 Nr. 17) wie eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft. \n--- \n| 34 \n--- \n| Da es sich bei den genannten Voraussetzungen zum großen Teil um innere\nTatsachen handelt, die dem Beweis kaum zuganglich sind, bedarf es außerer\nHinweistatsachen, wobei das durch eine Gesamtwurdigung zu findende Bild der\nfur den streitgegenstandlichen Zeitraum feststellbaren Indiztatsachen\nentscheidend ist (vgl. BVerwGE 98, 195, 201; Senatsbeschlusse vom 12. und 31.\nJanuar 2006 a.a.O.). An die Ernsthaftigkeit einer „nichtehelichen\nLebensgemeinschaft" im Sinne einer eheahnlichen Gemeinschaft sind strenge\nAnforderungen zu stellen (vgl. BSGE 90, 90, 99; Senatsbeschlusse vom 12. und\n31. Januar 2006 a.a.O.; Munder in LPK-SGB XII, 7. Aufl., § 20 Rdnr. 23;\nBrandts in Niesel, SGB III, 2. Aufl., § 194 Rdnr. 25). \n--- \n| 35 \n--- \n| Der Gesetzgeber hat zwischenzeitlich - allerdings nur fur den Bereich des\nSozialgesetzbuchs Zweites Buch <SGB II> \\- diese Rechtsprechung aufgegriffen,\nindem er im Rahmen des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung fur\nArbeitssuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706 ff), welches mit Wirkung vom 1.\nAugust 2006 in Kraft getreten ist, unter Anderem § 7 Abs. 2 SGB II in der\nWeise geandert hat, dass in einem nunmehr eingefugten Absatz 3 a an das\nVorliegen bestimmter Hinweistatsachen (Zusammenleben langer als 1 Jahr oder\nmit einem gemeinsamen Kind, Versorgung von Kindern oder Angehorigen im\nHaushalt oder Befugnis, uber Einkommen oder Vermogen des anderen zu verfugen)\ndie normative Vermutung eines wechselseitigen Willens der Partner geknupft\nwird, Verantwortung fureinander zu tragen und fureinander einzustehen (vgl.\nzur Neuregelung, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. August 2006 - L 9\nAS 349/06 ER - juris). Fur den vorliegend einschlagigen Leistungsbereich des\nSGB XII bleibt es allerdings fur das Vorliegen einer eheahnlichen Gemeinschaft\n- bis auf Weiteres - bei der Anwendung der oben genannten Kriterien. \n--- \n| 36 \n--- \n| Beweisbelastet fur das Vorliegen einer eheahnlichen Gemeinschaft in diesem\nSinne ist sowohl im Anwendungsbereich des BSHG (vgl. dazu\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 20. September 1990 - 6\nS 1537/90 -) als auch unter Geltung des SGB XII der Sozialhilfetrager. Eine\nhiervon abweichende Beweislastverteilung folgt weder aus § 16 BSHG noch aus\nder Anwendung der Bestimmung des § 36 SGB XII. Letztgenannte Vorschrift findet\nschon mit Blick auf ihren systematischen Standort im dritten Kapitel des SGB\nXII nur fur die Vorschriften uber die Hilfe zum Lebensunterhalt Anwendung,\nnicht aber fur die vorliegend streitige Gewahrung von Hilfe zur Gesundheit\nnach dem funften Kapitel des SGB XII. Zwar existiert mit § 43 Abs. 1 2.\nHalbsatz SGB XII lediglich im vierten Kapitel (Leistungen der Grundsicherung)\neine Vorschrift, die eine (entsprechende) Anwendung des § 36 SGB XII explizit\nausschließt. Aus dem Fehlen einer dem § 36 SGB XII vergleichbaren Vorschrift\nim funften bis neunten Kapitel ist indessen zu schließen, dass diese\nVorschrift fur Hilfen nach diesen Kapiteln nicht (entsprechend) anwendbar ist\n(ebenso H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII 17. Aufl., § 36\nRandnr. 4; Grube in Grube/Wachendorf, SGB XII, § 36 Randnr. 5). \n--- \n| 37 \n--- \n| Unabhangig davon findet die aus § 36 Satz 1 SGB XII folgende gesetzliche\nVermutung zugunsten des Tragers der Sozialhilfe im Verhaltnis der Partner\neiner eheahnlichen Gemeinschaft zueinander neben § 20 Satz 1 SGB XII keine\nAnwendung (ebenso zu § 16 BSHG im Verhaltnis zu § 122 BSHG, BVerwGE 39, 261,\n267 f.). Fur diesen Personenkreis enthalt die im zweiten Abschnitt des SGB XII\nangesiedelte Bestimmung des § 20 Satz 1 fur den Bereich der Hilfe zum\nLebensunterhalt - und fur die ubrigen im SGB XII vorgesehenen Hilfen (so\nBVerwGE 70, 278 fur das BSHG; zustimmend fur das SGB XII,\nSchellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII 17. Aufl., § 20 Randnr. 12) - eine\nabschließende Sonderregelung. Eine abweichende Beweislastverteilung folgt auch\nnicht aus § 20 Satz 2 SGB XII, welcher § 36 SGB XII - und damit die darin\nnormierte Vermutungsregelung - fur entsprechend anwendbar erklart. Danach wird\nzugunsten des Tragers der Sozialhilfe vermutet, dass leistungsfahige Personen\neine mit ihnen zusammenlebende, um Sozialhilfe nachsuchende Person\nunterstutzen. Mit diesem Inhalt fuhrt die Bestimmung, die ihr Vorbild in § 16\nBSHG hat, im Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt zu einer Ausweitung des\nNachranggrundsatzes (vgl. § 19 Abs. 1 SGB XII), indem sie den Gedanken der\nsog. Familiennotgemeinschaft, in welcher sich die Verwandten und\nVerschwagerten gegenseitig unterstutzen, auf alle Haushaltsgemeinschaften\nausdehnt. Die gesetzliche Vermutungsregelung greift allerdings nicht fur das\nVerhaltnis der Partner einer (moglichen) eheahnlichen Gemeinschaft zueinander\nein. Dies widersprache der Zweckrichtung des § 20 SGB XII, der - wie die\nVorgangerregelung des § 16 BSHG - Personen, die in eheahnlicher Gemeinschaft\nleben, hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs der Sozialhilfe\n(lediglich) nicht besser stellen will als Ehegatten (Hohm in\nSchellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., § 20 Randnr. 10). Mit Aufnahme des\nVerweises in § 20 Satz 2 SGB XII war nicht beabsichtigt, die eheahnliche\nLebensgemeinschaft ohne Weiteres der gesetzlichen Vermutung des § 36 Satz 1\nSGB XII anheimfallen zu lassen. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt\nsich, dass hiermit keine, wie auch immer geartete besonders enge Form\ngemeinschaftlichen Lebens gemeint ist; auf die Grunde, warum Personen\nzusammenleben, kommt es dabei nicht an (Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII §\n36 Randnr. 11). Demgegenuber geht es bei beim Begriff der eheahnlichen\nGemeinschaft darum, bloße Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften von den\nVerantwortungs- und Einstehensgemeinschaften nach den beschriebenen Kriterien\nabzugrenzen. Schon unter diesem Gesichtspunkt musste es fur den von § 20 SGB X\nerfassten Personenkreis als unbillig erscheinen, schon an das Vorliegen der\n(niedrigen) Anforderungen des § 36 Satz 1 SGB XII die Vermutung zu knupfen,\ndass gemeinsam gewirtschaftet wird und der bedurftige Partner vom anderen\nLeistungen aus dessen Einkommen und Vermogen erhalt. \n--- \n| 38 \n--- \n| Der Verweis auf § 36 SGB XII beruht vielmehr auf der wortgleichen Übernahme\ndes § 122 BSHG in das SGB XII; dem entsprechenden Verweis hatte das BVerwG die\nBedeutung zugemessen, dass die Verschwagerten des Partners einer eheahnlichen\nGemeinschaft ebenso zu behandeln sind wie die in § 16 BSHG genannten\nVerwandten und Verschwagerten des Hilfesuchenden (BVerwGE 39, 161, 267 f.).\nDementsprechend ordnet § 20 Satz 2 SGB XII an, dass auf das Verhaltnis der\nKinder oder anderer Verwandter des einkommensschwachen Partners zum\neinkommensstarken Partner die Vermutungsregelung des § 36 SGB XII anzuwenden\nist. Demgegenuber findet die Regelung des § 36 SGB XII auf die Partner einer\neheahnlichen Gemeinschaft untereinander keine Anwendung; Rechtsfolge von § 20\nSatz l SGB XII ist vielmehr in jedem Fall die Anwendung der\nBerucksichtigungsgebote des § 19 Abs. l Satz 2, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 SGB\nXII (vgl. Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, K § 20 Rdnr. 31 f.; Hohm in\nSchellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., § 20 Randnr. 13; Grube, in: Grube/\nWahrendorf, SGB XII, § 36 SGB XII Rdnr. 4 f.; a. A. Munder in LPK-SGB XII 7.\nAufl., § 20 Randnr. 19 f.). Es kommt folglich bei Vorliegen einer eheahnlichen\nGemeinschaft nicht darauf an, ob nach der Regelung des § 36 SGB XII Leistungen\ndes Partners erwartet werden konnten oder nicht. \n--- \n| 39 \n--- \n| Hiervon ausgehend lasst sich eine eheahnliche Lebensgemeinschaft zwischen\ndem Klager und der Zeugin P. im streitbefangenen Zeitraum nicht nur nicht\nfeststellen, was nach den beschriebenen Beweislastregeln bereits zu Lasten des\nBeklagten gehen wurde. Der Senat hat vielmehr die Überzeugung gewonnen, dass\nes sich beim Zusammenleben zwischen dem Klager und der Zeugin P. um keine\neheahnliche Gemeinschaft im beschriebenen Sinne handelt; dies lasst sich auch\nohne eine nochmalige Vernehmung der Zeugin, auf welche die Beteiligten\nverzichtet haben, feststellen. Zwischen beiden Personen besteht zwar seit ca.\nvier Jahren eine Wohn- und Haushaltsgemeinschaft, jedoch keine eheahnliche\nEinstehens- und Verantwortungsgemeinschaft. Es fehlt im Sinne der\nbeschriebenen Hinweistatsachen an inneren Bindungen, die ein gegenseitiges\nEinstehen der Partner fureinander ausmachen, also uber die Beziehungen in\neiner reinen Haushalts-, Zweck- oder Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Von\neiner (bloßen) Zweck- im Sinne einer Wohn- und Haushaltsgemeinschaft ist\nvorliegend auszugehen. Der Klager und die Zeugin P., die in einem „Quasi"\\-\nSchwiegermutter-Schwiegersohnverhaltnis standen, kennen sich seit Jahren schon\naus der Zeit, als der Klager uber ca. sieben Jahre mit der Tochter von Frau P.\nund dem gemeinsamen Sohn im selben Haus mit dieser zusammenlebte. Hieraus\nresultiert eine gewisse personliche Verbundenheit und Vertrautheit, die\nmitverantwortlich gewesen sein mag fur die Begrundung einer Hausgemeinschaft\nnach dem Auszug der damaligen Lebensgefahrtin des Klagers mit dem gemeinsamen\nKind aus der Wohnung. Diese Gemeinschaft stellt sich aber im Kern als bloße\nZweckgemeinschaft dar, basierend auf einem „Bundel" von Motiven, wie der\nSchwerbehinderung des Klagers und seines daraus folgenden Hilfebedurfnisses\neinerseits und andererseits dem Wunsch der Zeugin P., den Kontakt ihres\nEnkels, welcher bei ihrer labilen Tochter und deren alkoholabhangigem neuen\nLebensgefahrten lebt, zu seinem Vater und ihr als Großmutter\naufrechtzuerhalten. Hinzu kommen weitere Aspekte wie die erklarte Neigung der\nZeugin P., anderen zu helfen verbunden mit dem gleichzeitigen Widerwillen\ngegen das Alleinsein sowie finanzielle Erwagungen; der Klager bezieht eine\nErwerbsunfahigkeitsrente von ca. 387,- Euro sowie Blindengeld in Hohe von\n585,- Euro (davon 409,- Euro Landesblindengeld und aufstockende\nBundesblindenhilfe), die Zeugin P. verfugt derzeit uber eine Rente in Hohe von\n255,60 Euro sowie uber monatliche Mieteinnahmen in Hohe von 243,- Euro. Soweit\nersichtlich werden dieses Einkunfte jeweils primar fur die eigenen\npersonlichen Bedurfnisse verwendet, lediglich im Bereich der Bedurfnisse des\ntaglichen Lebens (Lebensmittel; Haushaltsstrom) findet in gewissem Umfang ein\ngemeinsames Wirtschaften statt. Hieraus resultiert indessen keine Einstehens-\nund Verantwortungsgemeinschaft im beschriebenen Sinne. Dem SG ist darin\nzuzustimmen, dass sich die Verbundenheit im Kern im gemeinsamen Wohnen und\nWirtschaften, verbunden mit dem gemeinsam gepflegten familiaren Kontakt\nerschopft, ohne dass daruber hinaus gehende innere Bindungen bestehen. Dafur,\ndass beide Personen bereit sind, auch in Not- und Wechselfallen fureinander\neinzustehen, fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Dies gilt sowohl fur\nden Bereich der personlichen, uber bloße Verwandtschaft hinausgehenden\nVerbundenheit als auch fur den Bereich des gegenseitigen finanziellen\nFureinandereinstehens. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus den vom\nBeklagten im Rahmen des erfolgten Hausbesuches zusammengetragenen\nAnhaltspunkten. Unter Zugrundelegung der bestehenden Beweislast reichen diese\nFeststellungen des Beklagten nicht aus, um eine engere, uber die bloße\nHaushaltsgemeinschaft hinaus gehende Verbundenheit zwischen beiden Personen\nschlussig zu belegen. \n--- \n| 40 \n--- \n| Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus den vom Beklagten tragend\nherangezogenen Erklarungen im Rahmen der Antragstellung vom 26. Februar 2004.\nDie Angaben des Klagers und der Frau P. in den Rubriken 11 (in\nHaushaltsgemeinschaft lebende Angehorige/Personen) und 14 (Wohnverhaltnisse\ndes Antragstellers) werden bereits dadurch relativiert, dass der Antrag -\nunstreitig - von einer Mitarbeiterin der Gemeinde E. ausgefullt wurde. Von\ndaher lasst sich nicht sicher feststellen, ob und inwieweit die\nhandschriftlichen Eintragungen („Lebensgefahrtin", „lebt im Haus der\nLebensgefahrtin") auf Erklarungen der unterschreibenden Personen zuruck gehen.\nAllein der Unterschrift des Klagers und der Frau P. unter dem Antrag kommt -\nschon mit Blick auf die Sehbehinderung des Klagers - nicht die Wirkung zu,\ndass sich beide damit notwendig den Inhalt der Eintragungen im Formular in\nvollem Umfang zu eigen gemacht haben (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 14.\nNovember 2005 - L 7 SO 3743/05 -). \n--- \n| 41 \n--- \n| Sind aber die Voraussetzungen fur das Vorliegen einer eheahnlichen\nGemeinschaft nicht bewiesen, ist der Zeugin P. der Einsatz ihres Einkommens\nund Vermogens zur Herstellung des Nachrangs der Sozialhilfe nicht zumutbar (§\n11 Abs. 1 Satz 2 BSHG, § 19 Abs. 3 SGB XII). Die ubrigen\nAnspruchsvoraussetzungen fur die Gewahrung von Leistungen der Krankenhilfe §§\n27 ff. BSHG - im Zeitraum 26. Februar bis 31. Dezember 2004 - bzw. der Hilfen\nzur Gesundheit aus §§ 47 ff. SGB XII - in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum\nTag der heutigen Entscheidung des Senats - sind ebenfalls erfullt.\nInsbesondere braucht sich der Klager die Leistungen der Blindenhilfe in Hohe\nvon 585,- Euro monatlich (vgl. § 72 Abs. 2 SGB XII), welche er seit 1. Oktober\n2004 bezieht, nicht auf die Hilfe zur Gesundheit anrechnen zu lassen. Dies\nfolgt unter Geltung des BSHG aus der Vorschrift des § 67 Abs. 5 BSHG und fur\nden Anspruchszeitraum ab dem 1. Januar 2005 aus § 72 Abs. 4 SGB XII, welcher\ndas Verhaltnis der Blindenhilfe zu sonstigen Leistungen innerhalb des SGB XII\nregelt. Danach sind neben der Blindenhilfe nach Satz 1 und gleichartigen\nLeistungen nach anderen Rechtsvorschriften i.S.v. Satz 3 - hierzu gehoren\nLeistungen nach den Landesblindengesetzen (Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII §\n72 Randnr. 9) - bestimmte Leistungen ausgeschlossen, wie z. B. Hilfe zur\nPflege wegen Blindheit (§§ 61, 63) und Taschengeld nach § 35 Abs. 2. Andere\nals die in § 72 Abs. 4 SGB XII genannten Leistungen sind indessen neben der\nBlindenhilfe (ungekurzt) zu gewahren; dazu gehort auch die Hilfe bei Krankheit\ngemaß § 48 SGB XII (Schlette in Hauck/Noftz, a.a.O. Randnr. 10; vgl. auch W.\nSchellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., § 72 Randnr. 33). Mit dieser\nRegelung enthalt das SGB XII ein in sich geschlossenes Leistungssystem, in\nwelchem Blindenhilfe und die sonstigen dem betroffenen Personenkreis\nzustehenden Leistungen aufeinander abgestimmt werden (vgl. Urteil des Senats\nvom 21. September 2006 - L 7 SO 5514/05 - und zur Vorgangervorschrift des § 67\nAbs. 5 BSHG, BVerwG, Urteil vom 8. Oktober 1969 - V C 57.69 -; BVerwGE 34,\n80-82; VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 6. April 2000 - 7 S 1967/98 -,\nESVGH 50, 309). \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160\nAbs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 24 \n--- \n| Der Senat konnte trotz des wegen Erkrankung des Prozessbevollmachtigten des\nKlagers gestellten Verlegungsantrages zur Sache verhandeln und entscheiden;\ndie anwesenden Beteiligten waren mit der Durchfuhrung der mundlichen\nVerhandlung einverstanden. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG\n-) eingelegte Berufung ist zulassig; insbesondere ist sie statthaft, weil die\nBerufung laufende Leistungen fur mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz\n2 SGG). Die Berufung ist unbegrundet. \n--- \n| 27 \n--- \n| Fur die am 28. April 2005 beim SG erhobene Klage sind nach § 51 Abs. 1 Nr.\n6a SGG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zustandig, auch soweit sich der\ngeltend gemachte Anspruch fur die Zeit bis zum 31. Dezember 2004 nach den\nzwischenzeitlich außer Kraft getretenen Bestimmungen des BSHG beurteilt. Die\nseit dem 1. Januar 2005 bestehende Zustandigkeit der Sozialgerichte fur\nStreitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe gilt auch fur solche\nVerfahren, die ihre Rechtsgrundlage in Leistungsgesetzen haben, die mit\nInkrafttreten SGB XII am 1. Januar 2005 außer Kraft getreten sind, wie das\nBSHG. Die Entscheidung uber Leistungszeitraume vor dem 1. Januar 2005 liegt\nfur Klagen, die nach dem 1. Januar 2005 erhoben werden, bei den\nSozialgerichten (vgl. hierzu Bundessozialgericht <BSG>, Beschluss vom 13.\nOktober 2005 - B 9b SF 4/05 R -, SozR 4-1500 § 151 Nr. 1). Außerdem ist der\nSenat nach § 17a Abs. 5 GVG an die Bejahung des Rechtswegs durch das SG\ngebunden. \n--- \n| 28 \n--- \n| Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Klager seit dem Zeitpunkt\nder Antragstellung (26. Februar 2004) ein Anspruch auf die begehrten\nLeistungen zusteht. Zur Klarstellung ist allerdings darauf hinzuweisen, dass\nder streitbefangene Anspruchszeitraum vorliegend nicht begrenzt wird durch den\nZeitpunkt der letzten Behordenentscheidung, sondern bis zur letzten\ntatrichterlichen Entscheidung, also der des erkennenden Senats reicht. \n--- \n| 29 \n--- \n| Nach der standigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG)\nzum BSHG kann der Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe grundsatzlich nur in\ndem zeitlichen Umfang in zulassiger Weise zum Gegenstand der\nverwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemacht werden, in dem der Trager der\nSozialhilfe den Hilfefall geregelt hat. Das ist regelmaßig der Zeitraum bis\nzur letzten Verwaltungsentscheidung, also bis zum Erlass des\nWiderspruchsbescheides (vgl. BVerwGE 25, 307, 308 f.; 39, 261, 264 ff), und\ngilt grundsatzlich auch fur (wiederkehrende) Leistungen der\nEingliederungshilfe (BVerwG, Urteile vom 16. Januar 1986 - BVerwG 5 C 36.84 -,\nBuchholz 436.0 § 39 BSHG Nr. 5 und vom 30. April 1992 - BVerwG 5 C 1.88 -,\nBuchholz 436.0 § 40 BSHG Nr. 12). Aus dieser zeitlichen Begrenzung des\nsozialhilferechtlichen Streitgegenstandes folgt, dass fur die gerichtliche\nÜberprufung ablehnender Leistungsbescheide in der Regel die Sach- und\nRechtslage im Zeitpunkt der letzten Behordenentscheidung maßgeblich ist (s.\netwa BVerwGE 90, 160, 162; 96, 152, 154). Diese zeitliche Fixierung gilt\njedoch nicht uneingeschrankt. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der\nGegenstand der gerichtlichen Nachprufung durch die Zeit bis zum Erlass des\nletzten Behordenbescheides begrenzt ist, besteht dann, wenn die Behorde den\nHilfefall statt fur den dem Bescheid nachstliegenden Zeitraum fur einen\nlangeren Zeitraum geregelt hat (vgl. BVerwGE 39, 261, 265; 89, 81, 85; s.\nferner Urteile vom 16. Januar 1986 und 30. April 1992, a.a.O. S. 11 f. und S.\n4 f.). Ebenso wie sich eine Leistungsbewilligung uber einen langeren Zeitraum\n(uber den Erlass des Widerspruchsbescheides hinaus) erstrecken kann, kann auch\ndie Ablehnung einer solchen Bewilligung einen langeren Zeitabschnitt erfassen.\nDer die Bewilligung oder Ablehnung betreffende Regelungszeitraum braucht nicht\nausdrucklich benannt zu sein, sondern kann sich aus dem maßgeblichen Bescheid\nauch durch Auslegung ergeben (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 8. Juni 1995 -\nBVerwG 5 C 30.93 -). Hat der Sozialhilfetrager Hilfeleistungen fur einen in\ndie Zukunft hineinreichenden, uber den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung\nhinausgehenden Zeitraum abgelehnt (oder eingestellt), so ist die gerichtliche\nÜberprufung der Rechtmaßigkeit dieser Maßnahme nicht auf die Beurteilung der\nSach- und Rechtslage beschrankt, wie sie bis zum Erlass des\nWiderspruchsbescheides bestanden hat. Es ist vielmehr auch die weitere\nEntwicklung in die Prufung einzubeziehen (BVerwGE 99, 149; vgl. auch Urteil\nvom 8. Juni 1995, a.a.O.). Denn fur die gerichtliche Verpflichtung zur\nHilfegewahrung kann die Sach- und Rechtslage im gesamten Regelungszeitraum\nmaßgeblich sein, gegebenenfalls begrenzt durch den Zeitpunkt der (letzten)\ntatrichterlichen Entscheidung, wenn der Regelungszeitraum daruber\nhinausreicht. \n--- \n| 30 \n--- \n| Hiervon ausgehend ist vorliegend der Zeitraum von der Antragstellung bis\nzur Entscheidung des erkennenden Senats streitbefangen. Das Landratsamt Rhein-\nNeckar-Kreis wollte in den angegriffenen Bescheiden ersichtlich den Anspruch\nauf Gewahrung auf Bewilligung von Hilfe zur Krankheit uber den Zeitpunkt des\nWiderspruchsbescheids hinaus regeln, indem es die Ablehnung tragend auf\nLebensumstande des Klagers - Zusammenleben mit der Zeugin P. - gestutzt hat,\ndie bis zum heutigen Tag in unveranderter Form fortdauern. \n--- \n| 31 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten besteht Streit daruber, ob zwischen dem Klager und\nFrau P. eine eheahnliche Gemeinschaft i.S.v. § 122 BSHG bzw. - unter Geltung\ndes SGB XII - i. S. v. § 20 SGB XII besteht. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG sind\nbei nicht getrennt lebenden Ehegatten bei der Berechnung des Hilfenanspruchs\ndas Einkommen und Vermogen beider Ehegatten zu berucksichtigen. § 122 Satz 1\nBSHG und - wortgleich - § 20 Satz 1 SGB XII bestimmen, dass Personen, die in\neheahnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen und des\nUmfangs der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden durfen als Ehegatten. Bei\nVorliegen einer solchen Gemeinschaft werden die Partner sozialhilferechtlich\nwie nicht getrennt lebende Ehegatten behandelt mit der Folge der Anwendung des\n§ 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG bzw. des § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB XII fur die Hilfe zum\nLebensunterhalt und des - hier relevanten - § 19 Abs. 3 SGB XII fur die Hilfen\nnach dem funften bis neunten Kapitel. \n--- \n| 32 \n--- \n| Obwohl sich der Begriff zwischenzeitlich in einer Vielzahl von Gesetzen -\ndarunter in den zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Sozialleistungsgesetzen\n- findet, existiert nach wie vor keine durchgangige gesetzliche Definition des\nBegriffs der eheahnlichen Gemeinschaft (vgl. dazu bereits Urteil des Senats\nvom 14. November 2005 - L 7 SO 3743/05 -). Nach der Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts (Urteil vom 17. November 1992 - 1 WvL 8/87 - BVerfGE\n87, 234; vgl. auch Kammerbeschluss vom 2. September 2004 - 1 BvR 1962/04 -,\nNVwZ 2005, 1178), liegt eine eheahnliche Gemeinschaft nur vor, wenn sie als\nauf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau uber\neine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht und sich im Sinne\neiner Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft durch innere Bindungen\nauszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner - auch in den Not-\nund Wechselfallen des Lebens - fureinander begrundet und daneben keine weitere\nLebensgemeinschaft gleicher Art zulasst. Nur wenn sich die Partner einer\nGemeinschaft so sehr fureinander verantwortlich fuhlen, dass sie zunachst den\ngemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr personliches\nEinkommen zur Befriedigung eigener Bedurfnisse verwenden, ist ihre Lage mit\nderjenigen nicht getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die Anrechnung\nvon Einkommen und Vermogen vergleichbar (vgl. BVerfGE 87, 234, 265; vgl. auch\nBeschlusse des Senats vom 12. Januar 2006 - L 7 AS 5535/05 ER-B - und vom 31.\nJanuar 2006 - L 7 AS 108/06 ER-B -). An Hinweistatsachen fur das Vorliegen\neiner eheahnlichen Gemeinschaft kommen neben der langen Dauer und Intensitat\ndes Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehorigen im gemeinsamen\nHaushalt, sowie die Befugnis, uber Einkommens- und Vermogensgegenstande des\nanderen Partners zu verfugen, in Betracht. \n--- \n| 33 \n--- \n| Dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf\ndie Regelung des § 122 Satz 1 BSHG mit Urteil vom 17. Mai 1995 - 5 C 16.93 -\n(BVerwGE 98, 195, 199 f.; vgl. auch Beschluss vom 24. Juni 1999 - 5 B 114/98 -\n<juris>; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 15; SozR 3-4300 § 144 Nr. 10; Debus, SGb\n2006, 82, 84 f.).) angeschlossen; das sicher gewichtigste Indiz stellt danach\neine lange Dauer des Zusammenlebens bei Beginn des streitgegenstandlichen\nZeitraums dar. Bei Zusammenfall des Beginns des Zusammenlebens mit dem Beginn\ndes Leistungszeitraums kommen als Hinweistatsachen Dauer und Intensitat der\nBekanntschaft zwischen den Partnern vor der Begrundung ihrer Wohngemeinschaft,\nder Anlass fur das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation der Partner\nwahrend der streitgegenstandlichen Zeit und die - nach außen erkennbare -\nIntensitat der gelebten Gemeinschaft in Betracht. Gegebenenfalls kann auch ein\nlanges Fortdauern der Gemeinschaft uber den streitgegenstandlichen Zeitraum\nhinaus Berucksichtigung finden. Zu einer auf Dauer angelegten\nLebensgemeinschaft gehort grundsatzlich auch die Wohngemeinschaft. Zur\nBejahung einer eheahnlichen Gemeinschaft reicht allerdings eine bloße\nWohngemeinschaft ebenso wenig aus (so bereits BSGE 63, 120, 123 = SozR 4100 §\n138 Nr. 17) wie eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft. \n--- \n| 34 \n--- \n| Da es sich bei den genannten Voraussetzungen zum großen Teil um innere\nTatsachen handelt, die dem Beweis kaum zuganglich sind, bedarf es außerer\nHinweistatsachen, wobei das durch eine Gesamtwurdigung zu findende Bild der\nfur den streitgegenstandlichen Zeitraum feststellbaren Indiztatsachen\nentscheidend ist (vgl. BVerwGE 98, 195, 201; Senatsbeschlusse vom 12. und 31.\nJanuar 2006 a.a.O.). An die Ernsthaftigkeit einer „nichtehelichen\nLebensgemeinschaft" im Sinne einer eheahnlichen Gemeinschaft sind strenge\nAnforderungen zu stellen (vgl. BSGE 90, 90, 99; Senatsbeschlusse vom 12. und\n31. Januar 2006 a.a.O.; Munder in LPK-SGB XII, 7. Aufl., § 20 Rdnr. 23;\nBrandts in Niesel, SGB III, 2. Aufl., § 194 Rdnr. 25). \n--- \n| 35 \n--- \n| Der Gesetzgeber hat zwischenzeitlich - allerdings nur fur den Bereich des\nSozialgesetzbuchs Zweites Buch <SGB II> \\- diese Rechtsprechung aufgegriffen,\nindem er im Rahmen des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung fur\nArbeitssuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706 ff), welches mit Wirkung vom 1.\nAugust 2006 in Kraft getreten ist, unter Anderem § 7 Abs. 2 SGB II in der\nWeise geandert hat, dass in einem nunmehr eingefugten Absatz 3 a an das\nVorliegen bestimmter Hinweistatsachen (Zusammenleben langer als 1 Jahr oder\nmit einem gemeinsamen Kind, Versorgung von Kindern oder Angehorigen im\nHaushalt oder Befugnis, uber Einkommen oder Vermogen des anderen zu verfugen)\ndie normative Vermutung eines wechselseitigen Willens der Partner geknupft\nwird, Verantwortung fureinander zu tragen und fureinander einzustehen (vgl.\nzur Neuregelung, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. August 2006 - L 9\nAS 349/06 ER - juris). Fur den vorliegend einschlagigen Leistungsbereich des\nSGB XII bleibt es allerdings fur das Vorliegen einer eheahnlichen Gemeinschaft\n- bis auf Weiteres - bei der Anwendung der oben genannten Kriterien. \n--- \n| 36 \n--- \n| Beweisbelastet fur das Vorliegen einer eheahnlichen Gemeinschaft in diesem\nSinne ist sowohl im Anwendungsbereich des BSHG (vgl. dazu\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 20. September 1990 - 6\nS 1537/90 -) als auch unter Geltung des SGB XII der Sozialhilfetrager. Eine\nhiervon abweichende Beweislastverteilung folgt weder aus § 16 BSHG noch aus\nder Anwendung der Bestimmung des § 36 SGB XII. Letztgenannte Vorschrift findet\nschon mit Blick auf ihren systematischen Standort im dritten Kapitel des SGB\nXII nur fur die Vorschriften uber die Hilfe zum Lebensunterhalt Anwendung,\nnicht aber fur die vorliegend streitige Gewahrung von Hilfe zur Gesundheit\nnach dem funften Kapitel des SGB XII. Zwar existiert mit § 43 Abs. 1 2.\nHalbsatz SGB XII lediglich im vierten Kapitel (Leistungen der Grundsicherung)\neine Vorschrift, die eine (entsprechende) Anwendung des § 36 SGB XII explizit\nausschließt. Aus dem Fehlen einer dem § 36 SGB XII vergleichbaren Vorschrift\nim funften bis neunten Kapitel ist indessen zu schließen, dass diese\nVorschrift fur Hilfen nach diesen Kapiteln nicht (entsprechend) anwendbar ist\n(ebenso H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII 17. Aufl., § 36\nRandnr. 4; Grube in Grube/Wachendorf, SGB XII, § 36 Randnr. 5). \n--- \n| 37 \n--- \n| Unabhangig davon findet die aus § 36 Satz 1 SGB XII folgende gesetzliche\nVermutung zugunsten des Tragers der Sozialhilfe im Verhaltnis der Partner\neiner eheahnlichen Gemeinschaft zueinander neben § 20 Satz 1 SGB XII keine\nAnwendung (ebenso zu § 16 BSHG im Verhaltnis zu § 122 BSHG, BVerwGE 39, 261,\n267 f.). Fur diesen Personenkreis enthalt die im zweiten Abschnitt des SGB XII\nangesiedelte Bestimmung des § 20 Satz 1 fur den Bereich der Hilfe zum\nLebensunterhalt - und fur die ubrigen im SGB XII vorgesehenen Hilfen (so\nBVerwGE 70, 278 fur das BSHG; zustimmend fur das SGB XII,\nSchellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII 17. Aufl., § 20 Randnr. 12) - eine\nabschließende Sonderregelung. Eine abweichende Beweislastverteilung folgt auch\nnicht aus § 20 Satz 2 SGB XII, welcher § 36 SGB XII - und damit die darin\nnormierte Vermutungsregelung - fur entsprechend anwendbar erklart. Danach wird\nzugunsten des Tragers der Sozialhilfe vermutet, dass leistungsfahige Personen\neine mit ihnen zusammenlebende, um Sozialhilfe nachsuchende Person\nunterstutzen. Mit diesem Inhalt fuhrt die Bestimmung, die ihr Vorbild in § 16\nBSHG hat, im Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt zu einer Ausweitung des\nNachranggrundsatzes (vgl. § 19 Abs. 1 SGB XII), indem sie den Gedanken der\nsog. Familiennotgemeinschaft, in welcher sich die Verwandten und\nVerschwagerten gegenseitig unterstutzen, auf alle Haushaltsgemeinschaften\nausdehnt. Die gesetzliche Vermutungsregelung greift allerdings nicht fur das\nVerhaltnis der Partner einer (moglichen) eheahnlichen Gemeinschaft zueinander\nein. Dies widersprache der Zweckrichtung des § 20 SGB XII, der - wie die\nVorgangerregelung des § 16 BSHG - Personen, die in eheahnlicher Gemeinschaft\nleben, hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs der Sozialhilfe\n(lediglich) nicht besser stellen will als Ehegatten (Hohm in\nSchellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., § 20 Randnr. 10). Mit Aufnahme des\nVerweises in § 20 Satz 2 SGB XII war nicht beabsichtigt, die eheahnliche\nLebensgemeinschaft ohne Weiteres der gesetzlichen Vermutung des § 36 Satz 1\nSGB XII anheimfallen zu lassen. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt\nsich, dass hiermit keine, wie auch immer geartete besonders enge Form\ngemeinschaftlichen Lebens gemeint ist; auf die Grunde, warum Personen\nzusammenleben, kommt es dabei nicht an (Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII §\n36 Randnr. 11). Demgegenuber geht es bei beim Begriff der eheahnlichen\nGemeinschaft darum, bloße Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften von den\nVerantwortungs- und Einstehensgemeinschaften nach den beschriebenen Kriterien\nabzugrenzen. Schon unter diesem Gesichtspunkt musste es fur den von § 20 SGB X\nerfassten Personenkreis als unbillig erscheinen, schon an das Vorliegen der\n(niedrigen) Anforderungen des § 36 Satz 1 SGB XII die Vermutung zu knupfen,\ndass gemeinsam gewirtschaftet wird und der bedurftige Partner vom anderen\nLeistungen aus dessen Einkommen und Vermogen erhalt. \n--- \n| 38 \n--- \n| Der Verweis auf § 36 SGB XII beruht vielmehr auf der wortgleichen Übernahme\ndes § 122 BSHG in das SGB XII; dem entsprechenden Verweis hatte das BVerwG die\nBedeutung zugemessen, dass die Verschwagerten des Partners einer eheahnlichen\nGemeinschaft ebenso zu behandeln sind wie die in § 16 BSHG genannten\nVerwandten und Verschwagerten des Hilfesuchenden (BVerwGE 39, 161, 267 f.).\nDementsprechend ordnet § 20 Satz 2 SGB XII an, dass auf das Verhaltnis der\nKinder oder anderer Verwandter des einkommensschwachen Partners zum\neinkommensstarken Partner die Vermutungsregelung des § 36 SGB XII anzuwenden\nist. Demgegenuber findet die Regelung des § 36 SGB XII auf die Partner einer\neheahnlichen Gemeinschaft untereinander keine Anwendung; Rechtsfolge von § 20\nSatz l SGB XII ist vielmehr in jedem Fall die Anwendung der\nBerucksichtigungsgebote des § 19 Abs. l Satz 2, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 SGB\nXII (vgl. Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, K § 20 Rdnr. 31 f.; Hohm in\nSchellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., § 20 Randnr. 13; Grube, in: Grube/\nWahrendorf, SGB XII, § 36 SGB XII Rdnr. 4 f.; a. A. Munder in LPK-SGB XII 7.\nAufl., § 20 Randnr. 19 f.). Es kommt folglich bei Vorliegen einer eheahnlichen\nGemeinschaft nicht darauf an, ob nach der Regelung des § 36 SGB XII Leistungen\ndes Partners erwartet werden konnten oder nicht. \n--- \n| 39 \n--- \n| Hiervon ausgehend lasst sich eine eheahnliche Lebensgemeinschaft zwischen\ndem Klager und der Zeugin P. im streitbefangenen Zeitraum nicht nur nicht\nfeststellen, was nach den beschriebenen Beweislastregeln bereits zu Lasten des\nBeklagten gehen wurde. Der Senat hat vielmehr die Überzeugung gewonnen, dass\nes sich beim Zusammenleben zwischen dem Klager und der Zeugin P. um keine\neheahnliche Gemeinschaft im beschriebenen Sinne handelt; dies lasst sich auch\nohne eine nochmalige Vernehmung der Zeugin, auf welche die Beteiligten\nverzichtet haben, feststellen. Zwischen beiden Personen besteht zwar seit ca.\nvier Jahren eine Wohn- und Haushaltsgemeinschaft, jedoch keine eheahnliche\nEinstehens- und Verantwortungsgemeinschaft. Es fehlt im Sinne der\nbeschriebenen Hinweistatsachen an inneren Bindungen, die ein gegenseitiges\nEinstehen der Partner fureinander ausmachen, also uber die Beziehungen in\neiner reinen Haushalts-, Zweck- oder Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Von\neiner (bloßen) Zweck- im Sinne einer Wohn- und Haushaltsgemeinschaft ist\nvorliegend auszugehen. Der Klager und die Zeugin P., die in einem „Quasi"\\-\nSchwiegermutter-Schwiegersohnverhaltnis standen, kennen sich seit Jahren schon\naus der Zeit, als der Klager uber ca. sieben Jahre mit der Tochter von Frau P.\nund dem gemeinsamen Sohn im selben Haus mit dieser zusammenlebte. Hieraus\nresultiert eine gewisse personliche Verbundenheit und Vertrautheit, die\nmitverantwortlich gewesen sein mag fur die Begrundung einer Hausgemeinschaft\nnach dem Auszug der damaligen Lebensgefahrtin des Klagers mit dem gemeinsamen\nKind aus der Wohnung. Diese Gemeinschaft stellt sich aber im Kern als bloße\nZweckgemeinschaft dar, basierend auf einem „Bundel" von Motiven, wie der\nSchwerbehinderung des Klagers und seines daraus folgenden Hilfebedurfnisses\neinerseits und andererseits dem Wunsch der Zeugin P., den Kontakt ihres\nEnkels, welcher bei ihrer labilen Tochter und deren alkoholabhangigem neuen\nLebensgefahrten lebt, zu seinem Vater und ihr als Großmutter\naufrechtzuerhalten. Hinzu kommen weitere Aspekte wie die erklarte Neigung der\nZeugin P., anderen zu helfen verbunden mit dem gleichzeitigen Widerwillen\ngegen das Alleinsein sowie finanzielle Erwagungen; der Klager bezieht eine\nErwerbsunfahigkeitsrente von ca. 387,- Euro sowie Blindengeld in Hohe von\n585,- Euro (davon 409,- Euro Landesblindengeld und aufstockende\nBundesblindenhilfe), die Zeugin P. verfugt derzeit uber eine Rente in Hohe von\n255,60 Euro sowie uber monatliche Mieteinnahmen in Hohe von 243,- Euro. Soweit\nersichtlich werden dieses Einkunfte jeweils primar fur die eigenen\npersonlichen Bedurfnisse verwendet, lediglich im Bereich der Bedurfnisse des\ntaglichen Lebens (Lebensmittel; Haushaltsstrom) findet in gewissem Umfang ein\ngemeinsames Wirtschaften statt. Hieraus resultiert indessen keine Einstehens-\nund Verantwortungsgemeinschaft im beschriebenen Sinne. Dem SG ist darin\nzuzustimmen, dass sich die Verbundenheit im Kern im gemeinsamen Wohnen und\nWirtschaften, verbunden mit dem gemeinsam gepflegten familiaren Kontakt\nerschopft, ohne dass daruber hinaus gehende innere Bindungen bestehen. Dafur,\ndass beide Personen bereit sind, auch in Not- und Wechselfallen fureinander\neinzustehen, fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Dies gilt sowohl fur\nden Bereich der personlichen, uber bloße Verwandtschaft hinausgehenden\nVerbundenheit als auch fur den Bereich des gegenseitigen finanziellen\nFureinandereinstehens. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus den vom\nBeklagten im Rahmen des erfolgten Hausbesuches zusammengetragenen\nAnhaltspunkten. Unter Zugrundelegung der bestehenden Beweislast reichen diese\nFeststellungen des Beklagten nicht aus, um eine engere, uber die bloße\nHaushaltsgemeinschaft hinaus gehende Verbundenheit zwischen beiden Personen\nschlussig zu belegen. \n--- \n| 40 \n--- \n| Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus den vom Beklagten tragend\nherangezogenen Erklarungen im Rahmen der Antragstellung vom 26. Februar 2004.\nDie Angaben des Klagers und der Frau P. in den Rubriken 11 (in\nHaushaltsgemeinschaft lebende Angehorige/Personen) und 14 (Wohnverhaltnisse\ndes Antragstellers) werden bereits dadurch relativiert, dass der Antrag -\nunstreitig - von einer Mitarbeiterin der Gemeinde E. ausgefullt wurde. Von\ndaher lasst sich nicht sicher feststellen, ob und inwieweit die\nhandschriftlichen Eintragungen („Lebensgefahrtin", „lebt im Haus der\nLebensgefahrtin") auf Erklarungen der unterschreibenden Personen zuruck gehen.\nAllein der Unterschrift des Klagers und der Frau P. unter dem Antrag kommt -\nschon mit Blick auf die Sehbehinderung des Klagers - nicht die Wirkung zu,\ndass sich beide damit notwendig den Inhalt der Eintragungen im Formular in\nvollem Umfang zu eigen gemacht haben (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 14.\nNovember 2005 - L 7 SO 3743/05 -). \n--- \n| 41 \n--- \n| Sind aber die Voraussetzungen fur das Vorliegen einer eheahnlichen\nGemeinschaft nicht bewiesen, ist der Zeugin P. der Einsatz ihres Einkommens\nund Vermogens zur Herstellung des Nachrangs der Sozialhilfe nicht zumutbar (§\n11 Abs. 1 Satz 2 BSHG, § 19 Abs. 3 SGB XII). Die ubrigen\nAnspruchsvoraussetzungen fur die Gewahrung von Leistungen der Krankenhilfe §§\n27 ff. BSHG - im Zeitraum 26. Februar bis 31. Dezember 2004 - bzw. der Hilfen\nzur Gesundheit aus §§ 47 ff. SGB XII - in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum\nTag der heutigen Entscheidung des Senats - sind ebenfalls erfullt.\nInsbesondere braucht sich der Klager die Leistungen der Blindenhilfe in Hohe\nvon 585,- Euro monatlich (vgl. § 72 Abs. 2 SGB XII), welche er seit 1. Oktober\n2004 bezieht, nicht auf die Hilfe zur Gesundheit anrechnen zu lassen. Dies\nfolgt unter Geltung des BSHG aus der Vorschrift des § 67 Abs. 5 BSHG und fur\nden Anspruchszeitraum ab dem 1. Januar 2005 aus § 72 Abs. 4 SGB XII, welcher\ndas Verhaltnis der Blindenhilfe zu sonstigen Leistungen innerhalb des SGB XII\nregelt. Danach sind neben der Blindenhilfe nach Satz 1 und gleichartigen\nLeistungen nach anderen Rechtsvorschriften i.S.v. Satz 3 - hierzu gehoren\nLeistungen nach den Landesblindengesetzen (Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII §\n72 Randnr. 9) - bestimmte Leistungen ausgeschlossen, wie z. B. Hilfe zur\nPflege wegen Blindheit (§§ 61, 63) und Taschengeld nach § 35 Abs. 2. Andere\nals die in § 72 Abs. 4 SGB XII genannten Leistungen sind indessen neben der\nBlindenhilfe (ungekurzt) zu gewahren; dazu gehort auch die Hilfe bei Krankheit\ngemaß § 48 SGB XII (Schlette in Hauck/Noftz, a.a.O. Randnr. 10; vgl. auch W.\nSchellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., § 72 Randnr. 33). Mit dieser\nRegelung enthalt das SGB XII ein in sich geschlossenes Leistungssystem, in\nwelchem Blindenhilfe und die sonstigen dem betroffenen Personenkreis\nzustehenden Leistungen aufeinander abgestimmt werden (vgl. Urteil des Senats\nvom 21. September 2006 - L 7 SO 5514/05 - und zur Vorgangervorschrift des § 67\nAbs. 5 BSHG, BVerwG, Urteil vom 8. Oktober 1969 - V C 57.69 -; BVerwGE 34,\n80-82; VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 6. April 2000 - 7 S 1967/98 -,\nESVGH 50, 309). \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160\nAbs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG). \n---\n\n
142,495
vghbw-2006-10-05-8-s-96705
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
8 S 967/05
2006-10-05
2019-01-09 08:14:22
2019-01-17 12:02:39
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Klager gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom\n30. September 2004 - 6 K 3342/03 - wird zuruckgewiesen.\n\nDie untereinander als Gesamtschuldner haftenden Klager 1 und 2 sowie der\nKlager 3 tragen die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Halfte.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des\nRegierungsprasidiums Karlsruhe vom 28.08.2003 zum Neu- und Ausbau der L 408 in\nLoßburg, Gemarkung 24-Hofe und Betzweiler-Walde. Das Plangebiet liegt etwa 8\nkm sudlich von Freudenstadt; es gehort zum sudlichen Teil der Gemeinde Loßburg\nsowie zu einem kleinen Teil zur Gemeinde Betzweiler. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die L 408 (neu) soll an die Stelle der vorhandenen L 408 treten, welche\nLoßburg, Peterzell und Freudenstadt untereinander und mit dem\nAutobahnanschluss Oberndorf der Autobahn A 81 (Stuttgart-Singen) verbindet.\nDie bestehende L 408 ist nur 4,5 bis 5,5 m breit. Sie ist fur den\nSchwerverkehr uber 3 t Gesamtgewicht gesperrt, weil sie zu schmal, zu wellig\nund ohne ausreichenden Unterbau ist. Der hier in Rede stehende Aus- und Neubau\nsoll auf einer Lange von etwa 6,5 km erfolgen. Von der insgesamt 9,7 km langen\nL 408 (neu) werden 3,8 km neu trassiert; im Übrigen bleibt es beim bisherigen\nVerlauf. Die planfestgestellte Trasse soll eine Fahrbahnbreite von 7 m mit\nseitlichen Banketten von 1,5 m erhalten. Sie ist fur einen auf das Jahr 2015\nprognostizierten Verkehr von 7199 Kfz taglich - darunter 963 Lkw - bei einer\nEntwurfsgeschwindigkeit von 80 km/h angelegt. Der landwirtschaftliche Verkehr\nzur Bewirtschaftung der Grundstucke im Planbereich erhalt eine parallele\nWegfuhrung teilweise unter Verwendung der fruheren L 408. Die Gesamtkosten\nsollen 9,37 Millionen Euro betragen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Ausbau der L 408 wird bereits seit 1970 von der Straßenbauverwaltung\nbetrieben. Schon fur das Planfeststellungsverfahren 1987 wurde eine\nVariantenuntersuchung von insgesamt acht Varianten mit Untervarianten\ndurchgefuhrt. Der Antrag der Straßenbauverwaltung auf Zulassung des Vorhabens\nauf der Grundlage der Variante 6 wurde von der Planfeststellungsbehorde mit\nBlick auf die Belange von Natur und Landschaft nicht weiter verfolgt; diese\nVariante wurde 1987 nur sudlich des jetzigen Bauabschnittsplans festgestellt\nund spater gebaut. In der Folgezeit wurden erneut verschiedene Varianten\nuntersucht (Umweltvertraglichkeitsstudie vom 10.10.1997 - UVS -). Die\nVarianten 1 bis 5 wurden vorweg ausgeschieden, weil sie weithin außerhalb der\nfestgelegten „relativ konfliktarmen Korridore" verlaufen. Abschließend\nuntersucht wurden die Varianten 6, 7, 7a, 7b, 7c sowie die von der Gemeinde\nLoßburg im Hinblick auf eine Ortsumfahrung des „Äußeren Vogelsberg"\neingebrachte Variante 8c/d (sog. Trasse des Ortschaftsrats) und schließlich\neine weitere von der Gemeinde Loßburg ausgearbeitete Variante 10 (insb.\nUntervariante 10 F 2, sog. Gemeindetrasse). Die Varianten 7 mit Untervarianten\nsind am - siedlungsnahen - Verlauf der bisherigen L 408 orientiert. Alle\nubrigen Varianten verlaufen siedlungsfern; sie sind von der L 408 (alt) mehr\noder weniger nach Osten hin abgeruckt. Nach dem Ergebnis der UVS stellt die -\nsiedlungsnachste - Variante 7 die „umweltvertraglichste" Losung dar. \n--- \n| 4 \n--- \n| Gleichwohl stellte die Straßenbauverwaltung im Jahre 2001 den Antrag, die\nUntervariante 7a planfestzustellen, bei der die Trasse im Unterschied zur\nVariante 7 nicht durch den Weiler „Äußerer Vogelsberg" fuhrt, sondern dieser\nwestlich umfahren wird. Hintergrund war die Überlegung, dass durch den Aus-\nund Neubau der L 408 die Verkehrsmenge erheblich zunehmen wird, so dass die\netwas ungunstigeren Auswirkungen der Variante 7a auf „Tiere und Pflanzen"\nhingenommen werden konnten. Die Variante 6 wurde in der UVS am schlechtesten\nbewertet, ebenso die Gemeindetrasse 10 F 2. Die siedlungsfernste Variante 8\nc/d (Trasse des Ortschaftsrats) wurde von der Straßenbauverwaltung uberwiegend\naus Kostengrunden nicht aufgegriffen (Notwendigkeit von Bruckenbauten). \n--- \n| 5 \n--- \n| Die beantragte Variante 7 a war Gegenstand einer ersten Offenlegung in der\nZeit vom 19.2.2001 bis einschließlich 19.3.2001 (offentliche Bekanntmachung im\nAmtsblatt der Gemeinde Loßburg vom 9.2.2001); der Erorterungstermin hierzu\nfand am 20./21.6.2001 statt. Auf der Grundlage der Erorterungsverhandlungen\nwurde die Trasse 7 a verandert; insbesondere soll der Weiler Trollenberg\nnunmehr westlich umfahren werden, um einen nicht ausgleichbaren Eingriff in\ndas Orts- und Landschaftsbild durch einen Einschnitt beim Dorfzentrum sowie\ndie Abtrennung zentraler dorflicher Einrichtungen (u.a. Burgerhaus) vom Rest\ndes Weilers zu vermeiden. Im entsprechenden Erganzungsverfahren wurden die\ngeanderten Planunterlagen nach vorheriger offentlicher Bekanntmachung in der\nZeit vom 30.09. bis 29.10.2002 erneut offengelegt; die weitere\nErorterungsverhandlung fand am 16.12.2002 statt. \n--- \n| 6 \n--- \n| Eine „Arbeitsgruppe UV-Bewertung, ehemalige Projektgruppe Verkehr, LNV\nArbeitskreis Freudenstadt" (Sprecher: Forstdirektor a.D. ...) legte im Juli\n2003 nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens eine\n„Umweltvertraglichkeitsbewertung" mit einer Variante „8 c optimiert"\n(Optimierung der im Rahmen der UVS ausgeschiedenen Variante 8 c) vor. Nach den\nVorstellungen der Arbeitsgruppe soll die Brucke uber den Obelsbach statt einer\nLange von 300 m („Ortschaftsratstrasse") nur noch eine solche von 100 m\naufweisen und die zweite Brucke am „Hinteren Stuhl" ganzlich entfallen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klager 1 und 2 sind Haupterwerbslandwirte. Zum Zeitpunkt des Erlasses\ndes Planfeststellungsbeschlusses (PFB) bewirtschafteten sie 19 ha eigene und\n27 ha zugepachtete Wiesenflachen. Außerdem verfugte der Betrieb uber 6 ha\neigenen Wald und 40 Milchkuhe. Durch das planfestgestellte Vorhaben werden vom\nFlst.Nr. ... (55.436 qm) 2.550 qm dauernd und 1.064 qm vorubergehend in\nAnspruch genommen. Die Klager haben im Planfeststellungsverfahren mit\nSchriftsatz vom 27.03.2001 und im Erorterungstermin Einwendungen erhoben.Der\nKlager 3 wurde erstmals durch die Umplanung im Erganzungsverfahren betroffen.\nSein Grundstuck Flst.Nr. .../1 wird mit 4.582 qm und das Grundstuck Flst.Nr.\n...2 mit 5.405 qm in Anspruch genommen. Mit Schriftsatz vom 08.11.2002 hat er\nEinwendungen erhoben. \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Beschluss vom 28.08.2003 stellte das Regierungsprasidium Karlsruhe den\nPlan zum Aus- und Neubau der L 408 (Amtstrasse) gemaß der beantragten Variante\n7 a fest. Die Variantenauswahl wird insbesondere mit Blick auf die fehlende\nVorzugswurdigkeit der im Planfeststellungsverfahren von den Klagern und von\nanderer Seite vor allem geforderten - siedlungsfernen - Gemeindetrasse 10 F 2\nim Einzelnen begrundet. Hinsichtlich der Klager 1 und 2 wird u.a. ausgefuhrt:\nDas Flst.Nr. ...7 bleibe nach wie vor direkt vom Hof aus zuganglich; die\nBewirtschaftung werde nicht beschrankt. Im Termin sei den Klagern zugesagt\nworden, dass die alte L 408 im sudwestlichen Eck ihres Grundstucks nur\nentsiegelt, aber nicht vollstandig renaturiert werde. Sie konnten also das\nalte Straßenstuck erwerben und fur das Befahren des westlichen\nGrundstucksrandes nutzen. Vom Grundstuck Flst.Nr. ... wurden durch die Trasse\nzwei kleine Teile abgetrennt, die jedoch beide uber die L 408 (alt) erreichbar\nseien. Im Zusammenhang mit der Erganzungsplanung sei den Klagern, die nach\nihren Angaben die L 408 jahrlich etwa 300 mal fur die jetzige Weideviehhaltung\nuberqueren mussten, ein kreuzungsfreier Übergang uber die neue L 408\nermoglicht worden. Dazu mussten die Klager zwar zusatzlich 2.225 qm Gelande\nabgeben. Insgesamt werde aber nur 4 % der Eigentumsflache in Anspruch genommen\noder 0,8 ha der 48 ha großen Gesamtflache. Samtliche Larmgrenzwerte wurden\neingehalten. Zu den Einwendungen des Klagers 3 heißt es im PFB: Im\nErorterungstermin sei es dem Klager vor allem darum gegangen, dass alle\nGrundstucksteile angebunden blieben, was seitens des Straßenbaulasttragers\nzugesagt worden sei. Auch habe sich der Klager 3 fur diejenige Losung\nausgesprochen, die seine Flachen am wenigsten beanspruche. Dies sei bei der\nfestgestellten Losung der Fall. Der Holzlagerplatz werde auf Kosten des\nStraßenbaulasttragers verlegt. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Planfeststellungsbeschluss wurde den Klagern am 18.09.2003 zugestellt. \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit der am 16.10.2003 erhobenen Klage haben die Klager in erster Instanz\nzuletzt beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| den Planfeststellungsbeschluss des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 22.\nAugust 2003 insoweit aufzuheben, als er die Baukilometer 0 + 200 bis 4 + 250\nbetrifft, \nbezuglich des Klagers 3 hilfsweise, das beklagte Land zu verpflichten, den\nPlanfeststellungsbeschluss vom 22. August 2003 hinsichtlich der Zufahrt vom\nGrundstuck Flst.Nr. .../1 auf die L 408 (neu) so zu andern, dass die Zufahrt\nmit Langholzwagen befahren werden kann. \n--- \n| 12 \n--- \n| Zur Begrundung haben die Klager u.a. ausgefuhrt: Sicherlich sei keiner der\nlandwirtschaftlichen Betriebe existenzgefahrdet. Dies sei schon deshalb nicht\nder Fall, weil es sich um große arrondierte Hofguter mit reichlich\nausgewogenem Flur- und Bauernwaldbesitz handle; hinzu kamen Pachtflachen\naußerhalb der eigenen Markung. Die gewahlte Trasse sei indes nicht\nlandschaftsgerecht. Die Beeintrachtigung des Siedlungsbereichs von 24-Hofe mit\neinzigartiger Landschaftsgliederung und einer einmaligen bauerlichen\nKulturlandschaft werde deutlich unterbewertet. Aufgrund der Siedlungsnahe\nentstunden Larmprobleme. Die Trasse beeintrachtige gerade die hofnahen Felder\nund Wiesen mit der Konsequenz der Betriebserschwernis. Sie mache die Anlegung\nvon Parallelwegen fur den landwirtschaftlichen Verkehr notwendig. Die\nvorgesehene parallele Wegfuhrung reiche fur den Verkehr zwischen den\nSiedlungspunkten im Gebiet 24-Hofe und fur einen Begegnungsverkehr mit dem\noffentlichen Nahverkehr aber nicht aus. Die von der Arbeitsgruppe UV-Bewertung\nvorgeschlagene optimierte Trasse 8 c/d vermeide alle diese Nachteile. Denn\ndiese Trasse verlaufe - mit Ausnahme der Umfahrung des Äußeren Vogelsberg -\nausschließlich im Wald und damit siedlungsfern. Die dadurch bedingte großere\nBeeintrachtigung von Waldflachen wiege im Unterschied zur Beeintrachtigung des\nLandschaftsbildes der freien Flur und den Bewirtschaftungserschwernissen fur\ndie Landwirtschaft bei Ausfuhrung der Amtstrasse 7 a nicht schwer, weil Wald\nim Schwarzwald „uberreich" vorhanden sei. Die optimierte Variante 8c/d drange\nsich daher auf, zumal als Vorzug der Amtstrasse 7 a nicht angefuhrt werden\nkonne, dass es sich - anders als bei den anderen Varianten - nur um einen\nAusbau der L 408 (alt) und nicht um einen Neubau handele; denn von 6,5 km\nwurden 3,8 km neu trassiert, im streitgegenstandlichen Abschnitt sogar fast\nkomplett. Die vormalige Variante 8 sei nur deshalb nicht weiter untersucht\nworden, weil die Straßenbauverwaltung insoweit eine absurde Trassenfuhrung mit\nzwei Brucken von insgesamt 530 m Lange, Baukosten von 10 bis 12 Millionen DM\nund einer Fuhrung uberwiegend im freien Gelande angenommen habe. Bei der\noptimierten Variante 8 c/d reiche eine kurze Brucke zur Überquerung des\nOdelsbaches aus; außerdem fuhre die Trasse fast ausschließlich durch den Wald\nbei einer Steigung von nicht mehr als 4,5 %. Die Annahme der\nStraßenbauverwaltung, die „optimierte" Variante wurde Mehrkosten von 3 bis 4\nMillionen Euro verursachen, entbehre der Grundlage. Speziell zur Situation der\nKlager 1 und 2 sei auszufuhren, dass die vorgesehene Überquerung der L 408\n(neu) zwar fur die Weideviehhaltung vorteilhaft sei, auf der anderen Seite\naber eine zusatzliche Inanspruchnahme ihres Grundeigentums erforderlich mache.\nDies sei ihnen nicht zuzumuten, weil durch eine hofferne Trasse im Wald\nBeeintrachtigungen insgesamt vermieden werden konnten. Hinzu komme, dass die\ndurch Zerschneidung entstehenden beiden kleinen Teilstucke des Grundstucks\nFlst.Nr. ... nicht selbstandig wirtschaftlich verwertbar seien. Zwar waren sie\nbei der Gemeindevariante auch grundstucksbetroffen, allerdings hoffern , so\ndass die eigentlichen Bewirtschaftungsflachen nicht durchschnitten und\nBeeintrachtigungen vermieden wurden. Außerdem stunde dann die alte Trasse in\nvollem Umfang - ohne Überbruckungen und ohne die Anlegung von Nebentrassen -\nfur den landwirtschaftlichen Verkehr zur Verfugung. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Beklagte hat beantragt, \n--- \n| 14 \n--- \n| die Klagen abzuweisen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Mit Urteil vom 30.09.2004 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klagen\nabgewiesen (6 K 3342/03). Zur Begrundung wird unter anderem ausgefuhrt: \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klager seien mit dem Vorbringen, die Trasse 8 c/d musse der\nplanfestgestellten Trasse vorgezogen werden, nicht prakludiert. Es reiche aus,\ndass die Klager im Erorterungsverfahren der Gemeindevariante 10 F den Vorzug\ngegeben hatten. Denn auch diese Trasse verlaufe siedlungsfern durch den Wald\nostlich von 24-Hofe und unterscheide sich nur im Detail von der nunmehr von\nden Klagern vorgeschlagenen Trasse 8 c/d optimiert. Eine siedlungsferne Trasse\nhabe das Regierungsprasidium zu Recht bereits im Wege der Grobanalyse\nausgeschlossen. Zwar konne die UV-Studie, die der siedlungsnahen Variante 7\nden Vorzug vor den anderen Varianten gegeben habe, nicht uneingeschrankt\nakzeptiert werden. Der Variantenvergleich leide daran, dass keine Gewichtung\nzwischen den 12 Untersuchungsparametern vorgenommen worden sei. Es gehe nicht\nan, die Kriterien „Erdmassenbewegungen" oder „verbleibender\nErdmassenuberschuss" ebenso zu gewichten, wie die Auswirkungen auf das\n„Landschaftsbild" oder die „Wohn- und Wohnumfeldfunktion". Außerdem habe der\nGutachter Dr. R. die Bewertung der Varianten nicht ohne inhaltliche Vorgabe\nvorgenommen. Denn er habe in der mundlichen Verhandlung eingeraumt, dass die\nStudie im Zusammenwirken mit dem Regierungsprasidium zustande gekommen sei.\nJedoch weise auch die von den Klagern vorgelegte UV-Bewertung des\nForstdirektors a.D. J. Mangel auf. So halte Herr J. etwa die okologischen\nNachteile der planfestgestellten Trasse fur wesentlich gewichtiger als die der\nAlternative 8 c/d optimiert, weil eine Streuobstwiese okologisch wertvoller\nsei als Wald. Dies konne jedoch auch anders bewertet werden, zumal der\nAugenschein ergeben habe, dass sowohl das Obelsbachtal als auch der\nHohenrucken, uber den die Trasse 8 c/d optimiert fuhren solle, keine monotonen\nFichtenkulturen darstellten, sondern einen reichhaltigen Pflanzenbewuchs\naufwiesen. Herr J. habe beim Augenschein selbst erklart, dass der Bereich der\nTrasse 8 c/d ein Erholungsbereich ersten Ranges sei. Gegen die UV-Bewertung\ndes Herrn J. spreche außerdem, dass die maßgeblichen Erhebungen im Jahr 1989\nvorgenommen worden seien. Die im Jahr 1989 gewonnenen Erkenntnisse konnten\njedoch nicht zur Grundlage einer Bewertung im Jahre 2003 gemacht werden. Die\nVariantenauswahl konne nicht beanstandet werden. Die Trasse 8 c/d „optimiert"\nsei gegenuber der planfestgestellten Trasse 7 a bei Abwagung aller\nmaßgeblichen offentlichen und privaten Belange nicht deutlich vorzugswurdig.\nDie von den Klagern geltend gemachten privaten Belange seien nicht derart\ngewichtig, dass deshalb eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses in\nBetracht kame, zumal die meisten Beeintrachtigungen durch Plananderung oder\n-erganzung entfallen seien. Der Klager 3 habe keinen Anspruch darauf, dass die\nim Planfeststellungsbeschluss vorgesehene Zufahrt so geandert werde, dass sie\nauch mit Langholzwagen befahren werden konne. Er habe in der mundlichen\nVerhandlung selbst erklart, dass die vorgesehene Zufahrt fur ihn praktisch\nwertlos sei. Den vorhandenen Lageplatz nordlich der planfestgestellten Trasse\nkonne er wie bisher nutzen. Der sudliche Holzlagerplatz werde nach dem\nPlanfeststellungsbeschluss auf Kosten des Vorhabentragers verlegt. \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Senat hat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts mit\nBeschluss vom 04.05.2005 - 8 S 2832/04 - wegen besonderer rechtlicher und\ntatsachlicher Schwierigkeiten zugelassen. Mit mehreren Verfugungen des\nVorsitzenden ist die Frist zur Begrundung der Berufung bis zuletzt zum\n17.11.2005 verlangert worden. Mit am 17.11.2005 eingegangenem Schriftsatz vom\n16.11.2005 beantragen die Klager, \n--- \n| 18 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. September 2004 - 6 K\n3342/03 - zu andern und den Planfeststellungsbeschluss des\nRegierungsprasidiums Karlsruhe vom 22. August 2003 insoweit aufzuheben, als er\ndie Baukilometer 0 + 200 bis 4 + 250 betrifft, \nhinsichtlich der Klager 1 und 2 hilfsweise, das beklagte Land zu verpflichten,\nden genannten Planfeststellungsbeschluss durch die Anordnung von Maßnahmen des\naktiven bzw. passiven Larmschutzes so zu erganzen, dass ein Nachtwert von 45\ndB(A) erreicht wird. \n--- \n| 19 \n--- \n| Zur Begrundung wird - erganzend - im Wesentlichen vorgetragen: Die UVS, auf\nderen Grundlage die planfestgestellte Variante 7 a ausgewahlt worden sei, sei\nwegen fehlender Gewichtung der Untersuchungsparameter „nicht belastbar". Es\ntreffe nicht zu, dass die Variante 7 a beim Belang „Forstwirtschaft" deutliche\nVorteile gegenuber der Variante 8 c/d biete. Denn die Variante 7 greife in\nhochwertige Mischwaldbestande ein, wahrend die Variante 8 c/d uber jungere und\nminderwertige Waldbestande fuhre. Die Alternativtrasse 8 c/d verursache auch\nkeine Kosten von 15,5 Millionen Euro, sondern sei in etwa gleich aufwandig wie\ndie Amtstrasse. Die Trasse 8 c/d nehme erheblich weniger private Flachen in\nAnspruch, weil verstarkt auf offentliche Flachen zugegriffen werden konne. Sie\nsei außerdem kurzer und gerader als die Amtstrasse sowie schonender fur die\nAnwohner (Larmaspekt), die Landwirtschaft und die einzigartige bauerliche\nKulturlandschaft. Daher drange sie sich auf, so dass der\nPlanfeststellungsbeschluss abwagungsfehlerhaft sei. Zudem sei\nverfahrensfehlerhaft auf eine projektbezogene Untersuchung der Alternativen\nverzichtet worden. \n--- \n| 20 \n--- \n| Speziell hinsichtlich der Klager 1 und 2 sei der Planfeststellungsbeschluss\nschon deshalb abwagungsfehlerhaft, weil im Text von einer kreuzungsfreien\nÜberfahrt fur den Viehbetrieb die Rede sei, wahrend nach den Planunterlagen\neine Unterfahrt vorgesehen sei. Ein verkehrssicherer Viehbetrieb sei dort\nnicht moglich. Auch konne nicht mit samtlichen landwirtschaftlichen Fahrzeugen\ndurchgefahren werden. Die Planung gefahrde die Existenz des\nlandwirtschaftlichen Betriebes der Klager 1 und 2. Die landwirtschaftliche\nBetriebsflache werde zerschnitten und der Viehbetrieb durch die Notwendigkeit\neiner Unterfahrung einschneidend erschwert. Auch entstunden hohere\nEnergiekosten. Wegen der - auch wirtschaftlich - schwierigen Verhaltnisse im\nHochschwarzwald konne eine Existenzgefahrdung auch nicht allein deshalb\nverneint werden, weil weniger als 5 % der Betriebsflache in Anspruch genommen\nwerde. Hinsichtlich des Klagers 3 bestehe infolge der Zerschneidung der\nWaldflachen erhohte Windbruchgefahr, welche den - neben dem\nlandwirtschaftlichen Betrieb bestehenden - waldbaulichen Betrieb existenziell\ngefahrde. Die wirtschaftlichen Nachteile, die dem Klager 3 aus der Verlegung\ndes Holzlagerplatzes entstunden, seien im Planfeststellungsbeschluss nicht\nberucksichtigt worden. \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 22 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Er erwidert: Bei der Variante 8 wurde entlang des Obelsbaches hochwertiger\nErholungswald und zugleich ein Biotop hochster Wertstufe in Anspruch genommen.\nDemgegenuber verlaufe die Amtstrasse weitgehend uber freie Flur und schneide\nden Wald nur „stuckweise" an. Soweit sie auf Waldbestande zugreife, seien\ndiese auch nicht hoherwertig als die von der Variante 8 c/d betroffenen. Die\nGefahr von Windbruch werde dadurch vermindert, dass ein „Waldmantelvorbau"\nvorgesehen sei. Demgegenuber solle die von den Klagern favorisierte Trasse 8\nc/d die Wiesen schonen und weitgehend Wald in Anspruch nehmen. Sie „schlitze"\nden Schluchtenwald des Obelsbaches der Lange nach „auf". Gerade diese Trasse\nhabe die Forstverwaltung abgelehnt, weil dort die Standfestigkeit der Baume\nbesonders gering sei und die Gefahr durch Windbruch daher besonders groß. Die\nqualitative Bewertung der Walder durch Herrn J. sei unhaltbar. Es sei nicht\nnachvollziehbar, wie ausgerechnet ein ehemaliger Forster einen Einschlag in\neinen außerordentlich wertvollen Erholungswald und zugleich ein Biotop\nhochster Qualitatsstufe als minderen Eingriff gegenuber intensiv gemahten\nWiesen vorschlagen konne. Auf eine genaue Ermittlung der Kosten komme es nicht\nan; im Planfeststellungsbeschluss sei die Alternativenprufung nicht auf diesen\nGesichtspunkt gestutzt worden. Im Übrigen stelle sich die Frage, ob die\nVariante 8 c/d uberhaupt Gegenstand gerichtlicher Prufung sein konne, nachdem\nsie im Planfeststellungsverfahren von keinem der Verfahrensbeteiligten\nvorgeschlagen worden sei. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Klager 1 und 2 konnten eine Existenzgefahrdung nicht geltend machen,\nweil sie insoweit prakludiert seien. Sie hatten diesen Gesichtspunkt im\nVerwaltungsverfahren nicht zur Sprache gebracht. Bei einem Verlust von 1,3 %\nder Gesamtgrunflache liege eine Existenzgefahrdung auch tatsachlich nicht vor.\nIm Übrigen spiele diese Frage auf der Ebene der Variantenuntersuchung ohnehin\nkeine Rolle. Ansonsten hatte beispielsweise im vorliegenden Fall fur alle 10\nVarianten mit Untervarianten eine komplette Flurstuckerhebung mit Befragung\naller Landwirte durchgefuhrt werden mussen. Die Frage der Existenzgefahrdung\nsei daher erst fur das beantragte konkrete Straßenbauvorhaben zu klaren.\nDasselbe gelte fur die Frage der Inanspruchnahme privater Flachen. Bei der\nBezeichnung „Überfuhrung der L 408" auf S. 33 des PFB unter der Textziffer\n3.5.4 handele es sich lediglich um einen Schreibfehler; die zeichnerische\nDarstellung einer Unterfuhrung in Plan 7.4 a sei hingegen richtig. Die\nUnterfuhrung sei 6 m breit mit jeweils 20 cm Seitenbord und damit fur die\nZwecke der Klager 1 und 2 ausreichend bemessen. Der Klager 3 habe keinen\nAnspruch darauf, dass die Gefahr des Windbruches auf seinen Grundstucken\ndadurch gebannt werde, dass andere ihm nicht gehorende Waldgrundstucke in\nGefahr gerieten. Gerade bei der von ihm bevorzugten Trasse 8 c/d sei diese\nGefahr - wie ausgefuhrt - besonders groß. Ausweislich des Protokolls der\nmundlichen Verhandlung habe der Klager 3 bestatigt, dass die alten Zufahrten\nwie bisher erhalten blieben und die neu eingezeichnete Zuwegung bei\nBaukilometer 1 + 885 direkt von der neuen Straße aus zum nordlichen Teil fur\nihn ohne Bedeutung sei. Der Klager 3 habe nicht dargelegt, weshalb sich das\nVorhaben fur ihn wirtschaftlich nachteilig auswirken sollte. Die einzige\nÄnderung bestehe darin, dass die beiden von der Planung betroffenen Flurstucke\njetzt aus zwei Teilen bestunden, wobei die beiden ostlichen Teile nur durch\nÜberqueren der L 408 zu erreichen seien. Weshalb bei einer Wiese, die zwei-\noder dreimal im Jahr gemaht werden musse, darin ein wirtschaftlicher Nachteil\nliege, habe der Klager 3 nicht dargetan. Alle Grundstucksteile des Klagers 3\nhatten eine Zufahrt vom offentlichen Wegenetz aus. Schließlich bezahle der\nStraßenbaulasttrager auch die notwendige Verlegung seines Holzplatzes. \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Senat hat in der mundlichen Verhandlung am 27. September 2006 Beweis\nerhoben durch Einnahme eines Augenscheins im Bereich der planfestgestellten\nund der von der Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Trasse der L 408 (neu); wegen\nder dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Sitzungsniederschrift\nverwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten\nSchriftsatze, die dem Senat vorliegenden Planakten und die Akte des\nVerwaltungsgerichts Karlsruhe Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 26 \n--- \n| Die Berufung der Klager ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und\nauch sonst zulassig. Dies gilt auch, soweit die Klager 1 und 2 erstmals im\nBerufungsverfahren beantragt haben, den Beklagten zu verpflichten, den\nPlanfeststellungsbeschluss um die Anordnung von Maßnahmen des aktiven oder\npassiven Larmschutzes zu erganzen. Dabei kann offen bleiben, ob diese\nVerpflichtungsantrage als „minus" bereits in den Antragen auf Aufhebung des\nPFB enthalten waren oder eine Klageerweiterung darstellen (vgl. dazu BVerwG,\nBeschl. vom 10.7.1995 - 4 B 94/95 -, NuR 1996, 287). Denn jedenfalls hat der\nBeklagte gemaß § 91 Abs. 1 VwGO in eine Klageerweiterung eingewilligt, weil er\nsich sachlich auf diesen Aspekt eingelassen hat, ohne der Klageanderung als\nsolcher zu widersprechen (§ 91 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Berufung ist jedoch nicht begrundet. Als mit enteignungsrechtlicher\nVorwirkung Betroffene (vgl. §§ 40 StrG, 75 Abs. 2 LVwVfG) haben die Klager\nAnspruch auf umfassende objektiv-rechtliche Überprufung der Planung;\nausgenommen hiervon sind nur Rechtsmangel, die fur die enteignende\nInanspruchnahme ihrer Grundstucke nicht kausal sind (vgl. BVerwG, Beschl. vom\n10.7.1995 - 4 B 94.95 -, a.a.O.; Urteil vom 28.2.1996 - 4 A 27.95 -, NVwZ\n1996, 1011; st. Rspr.). Danach weist der Planfeststellungsbeschluss keine\nRechtsmangel auf, die seine vollstandige oder teilweise Aufhebung, die\nFeststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit oder zumindest\nim Umfang der Hilfsantrage der Klager 1 und 2 seine Erganzung erfordern wurden\n(§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO, § 75 Abs. 1a Satz 2 LVwVfG): \n--- \n| 28 \n--- \n| 1\\. Es steht außer Streit, dass das Vorhaben, mit der L 408 (neu) eine -\nerstmals - durch den Schwerverkehr befahrbare und verkehrssichere Straße zu\nschaffen, gemessen an der Zielsetzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 StrG\n„vernunftigerweise geboten" ist (Planrechtfertigung) und daher auch im Sinne\ndes Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG dem Wohl der Allgemeinheit dient (vgl. BVerwG,\nUrt. vom 14.2.1975 - IV C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <B 42>; st. Rspr.). \n--- \n| 29 \n--- \n| 2\\. Verfahrensfehler, auf denen der Planfeststellungsbeschluss beruhen\nkonnte (vgl. BVerwG, Urt. vom 20.5.1998 - 11 C 3.97 - NVwZ 1999, 67), haben\ndie Klager weder dargelegt noch sind solche ersichtlich. \n--- \n| 30 \n--- \n| 3\\. Entgegen der Auffassung der Klager verstoßt der angefochtene\nPlanfeststellungsbeschluss auch nicht gegen das Abwagungsgebot (§ 37 Abs. 5\nSatz 1 StrG). \n--- \n| 31 \n--- \n| Die gerichtliche Kontrolle planerischer Abwagung hat sich nach standiger\nRechtsprechung (grundlegend BVerwG, Urt. vom 5.7.1974 - IV C 50.72 - BVerwGE\n45, 309) auf die Prufung zu beschranken, ob eine Abwagung uberhaupt\nstattgefunden hat, ob in sie an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage\nder Dinge in sie eingestellt werden musste (Abwagungsmaterial), ob die\nBedeutung der betroffenen offentlichen und privaten Belange richtig erkannt\nworden ist und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung beruhrten\noffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die\nzu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhaltnis steht. Sind\ndiese Anforderungen gewahrt, wird das Abwagungsgebot nicht dadurch verletzt,\ndass die Planungsbehorde bei der Abwagung der verschiedenen Belange dem einen\nden Vorzug einraumt und sich damit notwendigerweise fur die Zuruckstellung des\nanderen entscheidet. \n--- \n| 32 \n--- \n| Das Abwagungsgebot verpflichtet die Planungsbehorde nicht, die Entscheidung\nuber die Auswahl der Trasse bis zuletzt offen zu halten und alle von ihr zu\neinem bestimmten Zeitpunkt erwogenen Alternativen gleichermaßen detailliert\nund umfassend zu untersuchen. Vielmehr ist sie befugt, Alternativen, die ihr\nauf der Grundlage einer „Grobanalyse" als weniger geeignet erscheinen, schon\nin einem fruhen Verfahrensstadium auszuscheiden. Das Abwagungsmaterial muss in\ndiesem Stadium der planerischen Entscheidung „nach Lage der Dinge" nur so\ngenau und vollstandig sein, dass es jene Vorauswahl zulasst; dementsprechend\nmuss sich die nach Maßgabe des UVPG formalisierte eingehende\nUmweltvertraglichkeitsprufung auch nicht auf Trassenalternativen erstrecken,\nsondern kann sich - wie hier - auf die vom Vorhabentrager beantragte Variante\nbeschranken. In aller Regel bedarf es daher auf der Ebene der Variantenauswahl\nkeiner Detailprufung individueller Betroffenheiten und kleinraumiger\nVerhaltnisse, sondern genugt eine auf den großeren Raum bezogene\n„generalisierte" Ermittlung und Bewertung der betroffenen privaten und\noffentlichen Belange. Etwas anderes kann etwa dann gelten, wenn individuelle\nBeeintrachtigungen von erheblichem Gewicht wie die existentielle Gefahrdung\nlandwirtschaftlicher Betriebe offenkundig nur bei bestimmten Trassenvarianten\nbesonders relevant werden. Verfahrt die Planungsbehorde in dieser Weise, so\nhandelt sie nur dann abwagungsfehlerhaft, wenn sich herausstellt, dass die von\nihr verworfene Losung sich ihr hatte aufdrangen mussen (vgl. BVerwG, Urt. vom\n25.1.1996 - 4 C 5.95 - , BVerwGE 100, 238; Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18/99 -,\nBVerwGE 112, 140; Beschl. vom 26.6.1992 - 4 B 1-11/92 u.a., DVBl. 1992, 1435). \n--- \n| 33 \n--- \n| Gemessen daran ist weder die - von den Klagern in den Vordergrund ihrer\nKritik geruckte - Auswahl der planfestgestellten Trasse 7 a (3.1) noch diese\nfur sich genommen zu beanstanden (3.2). \n--- \n| 34 \n--- \n| 3.1 Der Planfeststellungsbeschluss ist im Rahmen der Abwagung der von dem\nVorhaben beruhrten offentlichen und privaten Belange ohne Rechtsfehler zu dem\nErgebnis gelangt, dass Trassenvarianten, die von der Siedlung „24-Hofe" und\nder vorhandenen Trasse nach Osten abgeruckt sind, sich nicht als eindeutig\nvorzugswurdige Alternativen aufdrangen. Das gilt insbesondere auch fur die von\nder Arbeitsgruppe UV-Bewertung entwickelte optimierte Trasse 8c/d. \n--- \n| 35 \n--- \n| 3.1.1 Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die\nKlager mit ihrem Vortrag, jedenfalls die von der Arbeitsgruppe UV-Bewertung\nentwickelte Trassenvariante sei eindeutig vorzugswurdig, nicht prakludiert\nsind. Aus Grunden effektiven Rechtsschutzes kann von einem Einwender nur\nerwartet werden, dass er seine eigene Rechtsbetroffenheit darlegt und gegen\ndie Planung sprechende Gesichtspunkte geltend macht, die sich einem Laien in\nseiner Lage von dessen eigenem Kenntnis- und Erfahrungshorizont her\nerschließen. Weitergehende Ausfuhrungen, die wissenschaftlich-technischen\nSachverstand erfordern, konnen hingegen grundsatzlich nicht verlangt werden\n(vgl. BVerwG, Urt. vom 3.3.2004 - 9 A 15/03 -, DVBl. 2004, 953). Danach ist\nder betroffene Eigentumer in der Regel nicht gehalten fristgerecht darzulegen,\nwelche Trassenverschiebungen zur Vermeidung einer Inanspruchnahme seines\nEigentums in Betracht kommen und wie die konkrete Ausgestaltung denkbarer\nAlternativen aussehen konnte. Es genugt, wenn er sich gegen eine\nInanspruchnahme seiner Grundstucke wendet und zu erkennen gibt, dass dies aus\nseiner Sicht durch eine andere Trassenfuhrung moglich ist. So liegt es hier.\nDie Klager haben im Verwaltungsverfahren fristgerecht geltend gemacht, dass\ndie Gemeindevariante 10 F 2 als eine vom Weiler 24-Hofe nach Osten abgeruckte,\ndurch den Wald fuhrende Trasse sachgerecht sei. Auch die nunmehr von den\nKlagern in den Vordergrund gestellte Variante der Arbeitsgruppe UV-Bewertung\nverlauft siedlungsfern ostlich von 24-Hofe durch den Wald. Sie unterscheidet\nsich nur im Detail von der Trasse 10 F 2 und kann daher ohne weiteres zum\nGegenstand des Vorbringens im gerichtlichen Verfahren gemacht werden. \n--- \n| 36 \n--- \n| Im Hinblick darauf kann offen bleiben, ob das Landesrecht fur\nPlanfeststellungsverfahren nach dem StrG uberhaupt einen Ausschluss nicht\nfristgerecht vorgebrachter Einwendungen im gerichtlichen Verfahren normiert.\nDaran konnten Zweifel bestehen. Zwar ist in § 73 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG\nbestimmt, dass mit Ablauf der Einwendungsfrist alle nicht auf besonderen\nprivatrechtlichen Titeln beruhenden Einwendungen ausgeschlossen sind, was sich\nohne Zweifel auch auf das gerichtliche Verfahren bezieht. In der spezielleren\nund spater in Kraft getretenen Vorschrift des § 37 Abs. 9 StrG ist jedoch\ngeregelt, dass im Planfeststellungsverfahren Einwendungen gegen den Plan nach\nAblauf der Einwendungsfrist ausgeschlossen sind. Daraus konnte nach\nallgemeinen Auslegungskriterien moglicherweise der Schluss gezogen werden,\ndass insoweit fur das gerichtliche Verfahren keine Praklusion gelten soll,\nauch wenn der Gesetzgeber mit der Novellierung des § 37 Abs. 9 StrG\nausweislich der Gesetzesmotive nicht etwa eine Einschrankung der Praklusion\ngegenuber der Regelung im LVwVfG, sondern im Gegenteil deren Erweiterung auch\nauf solche Einwendungen beabsichtigt hat, die auf privatrechtlichen Titeln\nberuhen (vgl. LTDrucks. 13/1227, S. 58). Dies alles bedarf hier jedoch keiner\nweiteren Erorterung. \n--- \n| 37 \n--- \n| 3.1.2 Nach den im Planfeststellungsbeschluss mitgeteilten Erwagungen hat\nsich die Planungsbehorde vor allem deshalb gegen eine nach Osten vom Weiler\n24-Hofe abgeruckte Trassenfuhrung entschieden, weil damit weitaus starkere\nEingriffe in Natur und Landschaft verbunden waren als bei der siedlungsnahen,\nan der L 408 (alt) orientierten Amtstrasse 7 a. Eine solche Alternative greife\nin erheblichem Umfang in einen weithin unberuhrten, wertvollen Erholungswald\nein. Die ostlich von 24-Hofe gelegenen Walder seien zudem empfindlicher\ngegenuber der mit einem Eingriff einher gehenden Gefahr des Windbruchs, weil\ndie Boden dort weniger tragfahig seien und die Taleinschnitte tiefer und\nsteiler als im Bereich von 24-Hofe. Wegen dieser fur den Straßenbau\nungunstigen Topografie wurden dort auch vermehrt Damme, Einschnitte und\nBruckenbauten (uber den Obelsbach) notwendig, um den verkehrlichen\nAnforderungen genugen zu konnen, was wiederum okologisch nachteilig sei. Diese\ngravierenden Nachteile wurden durch die Vorteile einer siedlungsfernen Trasse\nhinsichtlich der Belange der Landwirtschaft und des Larmschutzes bei weitem\nnicht aufgewogen. Zwar wurden hofnahe landwirtschaftlich genutzte Flachen\nzerschnitten, fur eine Existenzgefahrdung landwirtschaftlicher Betriebe sei\njedoch nichts ersichtlich. Außerdem wurden auch bei der Gemeindevariante\nvereinzelt hofnahe Flachen landwirtschaftlicher Betriebe zerschnitten. Im\nÜbrigen konne der landwirtschaftliche Binnenverkehr auch bei Realisierung der\nAmtstrasse erheblich leichter als bisher - namlich getrennt vom\nDurchgangsverkehr auf der bisherigen L 408 - erfolgen, die nicht zuruckgebaut\nwerde; zudem erhielten samtliche Grundstucke eine Zufahrt. Bei einer nach\nOsten abgeruckten Trasse ware 24-Hofe zwar weitgehend vom Verkehrslarm\nentlastet. Jedoch sei die Larmbelastung auch nach Realisierung der Amtstrasse\ntrotz hoheren Verkehrs insgesamt geringer als bisher, weil von den Siedlungen\nein großerer Abstand eingehalten werde als bislang von der L 408 (alt); die\nmaßgeblichen Grenzwerte fur Dorfgebiete wurden durchweg eingehalten, zum\ngroßen Teil wurden nicht einmal die Grenzwerte fur allgemeine Wohngebiete\nuberschritten. Schließlich habe eine weiter ostlich gelegene Trasse auch mit\nBlick auf das Landschaftsbild keine eindeutigen Vorteile, zumal eine Straße im\ndortigen unberuhrten Bereich einen Fremdkorper darstellte, wahrend die\nLandschaft im Bereich der Amtstrasse bereits durch die bisherige Landesstraße\n„vorbelastet" sei und außerdem die Einschnitte und Damme der L 408 (neu) von\nAussichtspunkten aus weithin nicht oder nur teilweise zu sehen seien. \n--- \n| 38 \n--- \n| 3.1.3 Der Senat ist mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass diese\nGrundentscheidung gegen eine siedlungsferne Trassenfuhrung ostlich von\n24-Weiler, fur die sich die Planfeststellungsbehorde auch auf die\nfachbehordliche Einschatzung berufen kann (vgl. Stellungnahme der\nForstdirektion Freiburg vom 7.3.2001, RP-Akte L 408/2, Heft 1, Bl. 171;\nBezirksstelle fur Naturschutz und Landschaftspflege Karlsruhe vom 10.4.2001, L\n408/2, Heft 1, Bl. 563; Landratsamt Freudenstadt, Naturschutzbehorde vom\n11.11.2002, L 408/2a, Heft 1, Bl. 321 sowie des Regierungsprasidiums\nKarlsruhe, Hohere Naturschutzbehorde, L 408/2a, Heft 1, Bl. 585), das\nAbwagungsgebot nicht verletzt. \n--- \n| 39 \n--- \n| Hierbei kommt es entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht darauf\nan, ob gegen eine solche Trassenfuhrung auch ein hoherer Kostenaufwand\nsprache; denn die Planfeststellungsbehorde, welche nach außen hin fur die\nabschließende Planungsentscheidung verantwortlich ist (vgl. BVerwG, Urt. vom\n27.10.2000 - 4 A 18/99 -, a.a.O.), hat die Variantenabwagung nicht maßgeblich\nauf diesen Gesichtspunkt gestutzt. Unerheblich ist auch, dass in der im\nAuftrag des Vorhabentragers - der Straßenbauverwaltung - von Dr. R. erstellten\nUmweltvertraglichkeitsstudie eine Gewichtung zwischen den verschiedenen fur\ndie Trassenbeurteilung herangezogenen Kriterien fehlt, wie das\nVerwaltungsgericht gerugt hat. Denn die Planfeststellungsbehorde hat die fur\ndie Trassenwahl maßgeblichen Gesichtspunkte eigenstandig bewertet und\ngewichtet und hierbei etwa den in der Umweltvertraglichkeitsstudie genannten\nKriterien der „Erforderlichen Erdmassenbewegungen" oder des „Verbleibenden\nErdmassenuberschusses" fur die Grobanalyse keine Bedeutung beigemessen. Wenn\ndie Klager gleichwohl meinen, jedenfalls die von der Arbeitsgruppe UV-\nBewertung vorgeschlagene Alternativtrasse 8 d optimiert. drange sich als\neindeutig vorzugswurdig auf, kann dieser Auffassung auch auf der Grundlage der\nwahrend des Augenscheins getroffenen Feststellungen und der eingehenden\nErorterung in mundlicher Verhandlung nicht gefolgt werden. \n--- \n| 40 \n--- \n| 3.1.3.1 Danach ist nicht erkennbar, dass der Eingriff in Natur und\nLandschaft bei dieser Variante erheblich geringer ware, als dies sonst bei den\nsiedlungsfernen Varianten ostlich von 24-Hofe der Fall ist. \n--- \n| 41 \n--- \n| Wie die Luftbildaufnahme der Straßenbauverwaltung vom 24.8.2004 (Unterlage\n7, Plan 1) mit den eingezeichneten Varianten 8 c/d optimiert. der\nArbeitsgruppe UV-Bewertung deutlich zeigt, fuhrte die Landesstraße uber weite\nStrecken mitten durch den Wald. Demgegenuber wird bei der Amtstrasse in\nerheblich geringerem Umfang und zudem eher in Randbereichen in den Wald\neingegriffen. Anlaßlich des Augenscheins wurde ubereinstimmend festgestellt,\ndass es sich - bis auf den Wald im Talgrund des Obelsbaches - um hochwertigen\nPlenterwald handelt, dem - ebenfalls unstreitig - mit den angelegten\nWanderwegen eine bedeutsame Erholungsfunktion zukommt. Ohne weiteres\nnachvollziehbar ist auch die Einschatzung der Planfeststellungsbehorde, dass\ndie Trennwirkung einer solchen langs durch den Wald gefuhrten Straße fur die\nTierwelt ganz erheblich ware und nicht mit derjenigen der dort bereits\nvorhandenen - zum Teil asphaltierten - Wege verglichen werden kann. Dasselbe\ngilt fur die Annahme, dass die „unruhige" Topografie in diesem Bereich\nvermehrt entweder Dammbauten oder in der Flache großere Eingriffe in den Wald\nmit den daraus folgenden okologischen Nachteilen notwendig mache (vgl. die\nentsprechenden Kennzeichnungen im o.g. Luftbild). Nach der - unwidersprochen\ngebliebenen - Einschatzung des Gutachters der Straßenbauverwaltung, Herrn Dr.\nR., wurde die Alternative 8 c/d optimiert aus den oben genannten Grunden den\ndoppelten Ausgleichsbedarf auslosen als die Amtstrasse. \n--- \n| 42 \n--- \n| 3.1.3.2 Der Umstand, dass die Alternativtrasse 8c/d uber weite Strecken\ndurch Gemeindewald fuhrt und daher weniger privates Grundeigentum in Anspruch\ngenommen werden musste als bei der planfestgestellten Trasse (vgl. Lageplan\n„Eigentumsverhaltnisse" der Straßenbauverwaltung, Unterlage 15, Plan 1;\nSchriftsatz RP Karlsruhe vom 15.9.2004, Bl. 289 der VG-Akte: Bei Variante 8 d\netwa weniger Privatflache auf rd. 360 m Lange allerdings bei mehr\nGrundstucksbetroffenen), zwingt nicht dazu, dieser den Vorzug zu geben. Das\nGrundeigentum der offentlichen Hand ist vielmehr nur nach Maßgabe der\nplanerischen Konzeption und unter Berucksichtigung der sonstigen offentlichen\nund privaten Belange vorrangig vor Privatflachen in Anspruch zu nehmen (vgl.\nBVerfG, Kammerbeschl. vom 9.6.1987 - 1 BvR 418/87 -, DVBl. 1987, 895; BVerwG,\nUrt. vom 6.6.2002 - 4 CN 6/01 -, NVwZ 2002, 1506). Hier musste sich der\nPlanfeststellungsbehorde eine Trassenfuhrung nach dem Vorschlag der\nArbeitsgruppe UV-Bewertung wegen der damit verbundenen schwerwiegenden\nEingriffe in den Wald nicht deshalb aufdrangen, weil dann in großerem Umfang\nauf Gemeindeeigentum zugegriffen werden konnte. \n--- \n| 43 \n--- \n| 3.1.3.3 Die planfestgestellte Trasse der L 408 (neu) hat auch keine derart\ngewichtigen Beeintrachtigungen fur die Siedlungs- und Landschaftsstruktur von\n24-Hofe zur Folge, dass allein eine siedlungsferne Trassenfuhrung durch den\nWald mit allen damit zusammen hangenden Nachteilen vertretbar erscheint. Das\nVorhaben kann weder auf der Amtstrasse noch auf der Alternativtrasse ohne eine\nBeeintrachtigung des Landschaftsbildes realisiert werden. Die Einschatzung der\nPlanfeststellungsbehorde und des Verwaltungsgerichts, dass das Gewicht dieser\nBeeintrachtigung nicht gravierend voneinander abweicht, deckt sich mit dem\nEindruck, den der Senat anlasslich der Einnahme des Augenscheins gewonnen hat.\nZu berucksichtigen ist allerdings, dass der Siedlungsbereich von 24-Hofe\nbereits durch die bestehende Landesstraße „vorbelastet" ist, wahrend die\nAlternativtrasse durch eine bislang weithin unberuhrte Landschaft fuhrte. Der\nSenat vermag auch keine massive Beeintrachtigung der Siedlungsstruktur zu\nerkennen. Teilweise verlauft die Amtstrasse weiter von den Siedlungen entfernt\nals die bestehende L 408; insbesondere wird durch die Westumfahrung von\nTrollenberg vermieden, dass der dortige Siedlungskern mit zentralen\nEinrichtungen durchschnitten wird. Zweifellos wurde 24-Hofe aufgewertet, wenn\ndort infolge einer Verlagerung der Landesstraße nach Osten nur noch\ninnerortlicher Verkehr stattfande. Die Planfeststellungsbehorde war jedoch\nnicht verpflichtet, diesen Vorteil durch die genannten schwerwiegenden\nBeeintrachtigungen fur Natur und Landschaft zu „erkaufen", zumal sich auch die\nLarmsituation insgesamt gesehen nicht etwa verschlechtert, sondern verbessert. \n--- \n| 44 \n--- \n| 3.1.3.4 Die Variantenabwagung ist auch nicht mit Blick auf die von den\nKlagern erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachte existentielle\nGefahrdung ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe zu beanstanden. \n--- \n| 45 \n--- \n| Auch insoweit kann dahinstehen, ob die §§ 37 Abs. 9 StrG, 73 Abs. 4 Satz 3\nLVwVfG den Ausschluss nicht fristgerecht vorgebrachter Einwendungen auch fur\ndas gerichtliche Verfahren normieren und ob die Klager danach mit ihrem\nVorbringen prakludiert sind. Denn ein Planfeststellungsbeschluss leidet nicht\nan einem Abwagungsfehler, wenn solche privaten Belange nicht berucksichtigt\nworden sind, die der Betroffene im Planfeststellungsverfahren nicht\nvorgetragen hat und die sich der planenden Behorde auch nicht aufdrangen\nmussten; sie sind dann nicht abwagungserheblich (vgl. BVerwG, Urt. vom\n13.9.1985 - 4 C 64/80 -, NVwZ 1986, 740; st. Rspr.). So liegt es hier. Die\nKlager haben eine existentielle Gefahrdung ihrer Betriebe im\nVerwaltungsverfahren nicht ansatzweise geltend gemacht. Da erstens der\nFlachenverlust deutlich unterhalb der von der Rechtsprechung bei etwa 5% der\nBetriebsflache angenommenen Bagatellgrenze liegt, den ein gesunder Betrieb\nnormalerweise verkraften kann, ohne in Existenznote zu geraten (vgl. Urteil\ndes Senats vom 26.5.2000 - 8 S 1525/99 - m.w.N.; VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom\n17.11.1995 - 5 S 334/95 -, VBlBW 1996, 265), zweitens samtliche Grundstucke\nnach wie vor ausreichend erschlossen sein werden - nach dem Ergebnis der\nmundlichen Verhandlung einschließlich der vom Klager 3 forstwirtschaftlich\ngenutzten Grundstucke - , drittens den Klagern 1 und 2 fur den Weidebetrieb\neigens eine Unterfuhrung zur Verfugung gestellt wird und schließlich viertens\ndas Landwirtschaftsamt in seinen Stellungnahmen die Gefahr einer\nexistentiellen Gefahrdung landwirtschaftlicher Betriebe nicht einmal\nangedeutet hat, kann trotz der mit der Zerschneidung hofnaher Flachen einher\ngehenden Erschwernisse keine Rede davon sein, dass sich der\nPlanfeststellungsbehorde eine existentielle Betriebsgefahrdung hatte\naufdrangen mussen. Ein deutliches Indiz hierfur ist im Übrigen auch der\nUmstand, dass die Klager selbst im erstinstanzlichen Verfahren eine solche\nGefahrdung noch ausdrucklich mit der - ohne weiteres nachvollziehbaren -\nBegrundung verneint haben, dass es sich um große arrondierte Hofguter handle,\ndenen die Beeintrachtigung der hofnahen Felder und Wiesen nichts anhaben konne\n(vgl. VG-Akte, Bl. 185). Der von den Klagern in der mundlichen Verhandlung\nbeantragten Einholung eines landwirtschaftlichen Gutachtens zur Frage der\nExistenzgefahrdung ihrer Hofe bedarf es somit bereits wegen fehlender\nErheblichkeit nicht (vgl. Eyermann/Schmidt, VwGO, 11. Aufl., § 86 Rn. 38).\nDavon abgesehen handelt es sich um einen Ausforschungsbeweisantrag, dem der\nSenat nicht nachzugehen braucht (vgl. Eyermann/Schmidt, a.a.O., § 86 Rn. 27).\nDenn die Klager haben keine in ihrer Sphare liegende Umstande dargelegt, die\neine existentielle Gefahrdung ihrer Betriebe trotz der oben genannten\ngegenlaufigen Anhaltspunkte auch nur entfernt als moglich erscheinen lassen\nkonnten. Nach allem kann auch offen bleiben, ob die Frage der\nExistenzgefahrdung landwirtschaftlicher Betriebe auf der Ebene des\nVariantenvergleichs uberhaupt relevant war. Dies durfte zweifelhaft sein, weil\nkonkrete Existenzgefahrdungen hinsichtlich bestimmter Varianten hier weder vom\nLandwirtschaftsamt geltend gemacht wurden noch sonst offen zutage lagen. Der\nBeklagte weist in diesem Zusammenhang auf die fehlende Moglichkeit hin,\nbezogen auf alle großraumig in Betracht kommenden Varianten (mit\nUntervarianten) eine komplette Flurstuckserhebung mit Befragung der Landwirte\ndurchzufuhren. Er macht ferner - unwidersprochen - geltend, dass hofnahe\nBetriebsflachen auch bei den siedlungsfernen Varianten zerschnitten wurden,\nwenngleich dies nicht im selben Ausmaß der Fall sein durfte als bei der\nAmtstrasse. \n--- \n| 46 \n--- \n| 3.1.3.5 Die sonstigen von den Klagern in der mundlichen Verhandlung noch\naufrecht erhaltenen Einwendungen gegen die Planung betreffen individuelle\nBetroffenheiten oder kleinraumige Verhaltnisse. Sie waren fur die auf der\nEbene der Variantenabwagung durchzufuhrende Grobanalyse irrelevant, weil sie\nentweder nicht offenkundig sind oder ihnen schon deshalb kein fur die\nVariantenauswahl ausschlaggebendes Gewicht zukommen kann, weil sie an sich bei\nallen Varianten auftreten konnten. \n--- \n| 47 \n--- \n| Das gilt einmal fur den aus Grunden des Larmschutzes erfolgenden etwa 350 m\nlangen und rund 40 m tiefen Einschnitt in den Wald beim Hof Lugen und die\ndamit verbundene Gefahr des Windbruchs. Abgesehen davon, dass dieser\nTeilaspekt von den Klagern nicht gerugt werden kann, weil er fur die\nInanspruchnahme ihrer Grundstucke nicht kausal ist, stellt ein solcher\nEingriff in den Wald und die Gefahr von Windbruch keine Besonderheit der\nAmtstrasse dar. Diese Nachteile waren im Gegenteil bei der von den Klagern als\nvorzugswurdig angesehenen Trassenfuhrung noch erheblich großer. Aus demselben\nGrund war es auch nicht geboten, bereits auf der Ebene der Variantenabwagung\ndie konkrete Beeintrachtigung gerade des vom Klager 3 forstwirtschaftlich\ngenutzten Waldes zu berucksichtigen. \n--- \n| 48 \n--- \n| Ohne Bedeutung fur die Variantenauswahl war auch die Frage, ob der\nWasserzufluss von der von den Klagern 1 und 2 fur ihr Vieh genutzten Quelle\ninfolge eines bei der Amtstrasse notwendig werdenden Straßeneinschnitts\nversiegen wird und in welcher Weise der Viehtrieb speziell der Klager 1 und 2\nbeeintrachtigt wird. Wie ausgefuhrt, setzt eine sachgerechte\nVariantenabwagung, die notwendig auf einen großeren Raum bezogen ist, keine\nderart individualisierte, auf die Verhaltnisse einzelner Grundstucke bezogene\nErmittlung des Sachverhalts voraus; sie ware hier mit Blick auf die Vielzahl\nder in Rede stehenden Varianten auch nicht moglich gewesen. Außerdem handelt\nes sich auch insoweit wiederum um Belange, die bei allen Varianten auftreten\nkonnen. Sie waren von der Planfeststellungsbehorde mithin erst bezogen auf die\nkonkret beantragte Trasse 7 a auf der Grundlage des Vorbringens der Klager 1\nund 2 zu wurdigen. \n--- \n| 49 \n--- \n| 3.2 Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Rechtmaßigkeit der Amtstrasse\nselbst. \n--- \n| 50 \n--- \n| Es ist weder dargelegt noch sonst erkennbar, dass die auf die beantragte und\nplanfestgestellte Trasse bezogene Umweltvertraglichkeitsprufung nicht den\ngesetzlichen Anforderungen genugt. Wie bereits das Verwaltungsgericht\nfestgestellt hat, gibt es auch keine Belange, welche das offentliche Interesse\nan der Herstellung einer verkehrstauglichen- und sicheren Landesstraße\nuberwiegen und die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses rechtfertigen\nkonnten. Ferner sind keine Mangel ersichtlich, die in einem erganzenden\nPlanfeststellungsverfahren behoben werden mussten (vgl. dazu BVerwG, Urt.\n21.3.1996 - 4 C 19/94 -, BVerwGE 100, 370; Urt. vom 9.6.2004 - 9 A 11/03 -,\nDVBl. 2004, 1546). Hinsichtlich der von den Klagern geltend gemachten\nexistentiellen Gefahrdung ihrer Betriebe gilt das oben Gesagte. Den\nWaldeinschnitt beim Hof L. konnen die Klager - wie bereits ausgefuhrt - nicht\nals Planungsfehler rugen, weil sich die Maßnahme nicht kausal auf ihre\nInanspruchnahme auswirkt. Im Übrigen ist die Entscheidung der\nPlanfeststellungsbehorde, diesen Eingriff in den Wald im Interesse eines\neffektiven Schutzes des Hofes L. vor Verkehrslarm hinzunehmen, von deren\nAbwagungsfreiheit gedeckt. Durch die beim Hof der Klager 1 und 2 (Bereich\nBuchenbronnen) vorgesehene Unterfuhrung wird eine unzumutbare Erschwerung des\nViehtriebs vom Hof auf die jenseits der L 408 (neu) gelegene Weide vermieden;\nin der mundlichen Verhandlung haben sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte\nergeben. Wenn die Klager 1 und 2 rugen, sie hatten keine unmittelbare Zufahrt\nzur neuen Landesstraße, sondern mussten nach der Unterfuhrung eine schmale und\nbis zu 15 % steile Rampe benutzen, ist dem entgegen zu halten, dass eine\ngroßzugigere Gestaltung von Unterfuhrung und Zufahrt auch eine hohere\nInanspruchnahme ihres Grundeigentums voraus setzte, wogegen sie sich ebenfalls\ngewandt haben. Hinsichtlich des von den Klagern 1 und 2 befurchteten\nVersiegens ihrer Quelle infolge der Straßenbaumaßnahmen ist erganzend\nauszufuhren, dass ihnen dann im Falle eines bestehenden Nutzungsrechts ein\nAnspruch auf Entschadigung zustunde, die wohl auch die Kosten eines notwendig\nwerdenden Anschlusses an die offentliche Wasserversorgung umfasste. Der Klager\n3 hat seine Ruge, er konne die Landesstraße nicht mehr mit Langholzwagen\nbefahren, in der mundlichen Verhandlung nicht mehr aufrecht erhalten.\nSchließlich vermag auch sein Einwand nicht durchzudringen, die\nStraßenbaumaßnahme erhohe die Gefahr, dass es in seinem Wald zu Schaden durch\nWindbruch komme. Die Planfeststellungsbehorde durfte die insoweit beruhrten\nBelange privater Waldbesitzer gegenuber den mit dem Vorhaben verfolgten\noffentlichen Interessen zuruck treten lassen, zumal zur Verhinderung solcher\nSchaden ein Waldmantelvorbau vorgesehen ist (vgl. Schriftsatz des RP Karlsruhe\nvom 5.12.2005 unter Hinweis auf den Landschaftspflegerischen Begleitplan). \n--- \n| 51 \n--- \n| 4\\. Die Klager 1 und 2 haben keinen Anspruch auf Verpflichtung des\nBeklagten, den PFB durch die Anordnung von Maßnahmen des aktiven oder passiven\nLarmschutzes so zu erganzen, dass ein Nachtwert von 45 dB(A) erreicht wird.\nDenn der hier maßgebliche Immissionsgrenzwert fur Dorfgebiete nach der\nVerkehrslarmschutzverordnung (16. BImSchV) betragt fur die Nacht 54 dB(A);\nselbst fur reine und allgemeine Wohngebiete betragt er mehr als 45 dB(A),\nnamlich 49 dB(A) nachts (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 und 3 der 16. BImSchV). Nach der\nSchalltechnischen Untersuchung des Buros Bender + Stahl vom Marz 2002 wird am\nWohnhaus ... der Klager 1 und 2 in der Nacht ein Immissionswert von 44,4 dB(A)\nim Erdgeschoss und von 46,1 dB(A) im 1. Obergeschoss erreicht (Ordner L\n408/2a, A-3, Anl. 13.1a), der mithin weit unterhalb des fur Dorfgebiete\nliegenden Grenzwerts liegt und selbst den fur reine Wohngebiete geltenden\nGrenzwert nahezu einhalt. \n--- \n| 52 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satze 1 und 2 VwGO, §\n100 ZPO; die Differenz zwischen den Verkehrswerten des in Anspruch genommenen\nGrundeigentums der Klager 1 und 2 (33.000,--EUR) und des Klagers 3 (50.000,--\nEUR) rechtfertigt angesichts des konkret geltend gemachten Interesses an den\nKlagen keine entsprechende Differenzierung bei der Kostenquote. \n--- \n| 53 \n--- \n| Grunde fur eine Zulassung der Revision gemaß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht\ngegeben. \n--- \n| 54 \n--- \n| **Beschluss** \n--- \n| 55 \n--- \n| Der Streitwert fur das Berufungsverfahren wird im Anschluss an die\nzutreffenden Berechnungen im Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts vom\n30.9.2004 gemaß § 52 Abs. 1 GKG auf 88.000,--EUR festgesetzt. \n--- \n| 56 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 26 \n--- \n| Die Berufung der Klager ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und\nauch sonst zulassig. Dies gilt auch, soweit die Klager 1 und 2 erstmals im\nBerufungsverfahren beantragt haben, den Beklagten zu verpflichten, den\nPlanfeststellungsbeschluss um die Anordnung von Maßnahmen des aktiven oder\npassiven Larmschutzes zu erganzen. Dabei kann offen bleiben, ob diese\nVerpflichtungsantrage als „minus" bereits in den Antragen auf Aufhebung des\nPFB enthalten waren oder eine Klageerweiterung darstellen (vgl. dazu BVerwG,\nBeschl. vom 10.7.1995 - 4 B 94/95 -, NuR 1996, 287). Denn jedenfalls hat der\nBeklagte gemaß § 91 Abs. 1 VwGO in eine Klageerweiterung eingewilligt, weil er\nsich sachlich auf diesen Aspekt eingelassen hat, ohne der Klageanderung als\nsolcher zu widersprechen (§ 91 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Berufung ist jedoch nicht begrundet. Als mit enteignungsrechtlicher\nVorwirkung Betroffene (vgl. §§ 40 StrG, 75 Abs. 2 LVwVfG) haben die Klager\nAnspruch auf umfassende objektiv-rechtliche Überprufung der Planung;\nausgenommen hiervon sind nur Rechtsmangel, die fur die enteignende\nInanspruchnahme ihrer Grundstucke nicht kausal sind (vgl. BVerwG, Beschl. vom\n10.7.1995 - 4 B 94.95 -, a.a.O.; Urteil vom 28.2.1996 - 4 A 27.95 -, NVwZ\n1996, 1011; st. Rspr.). Danach weist der Planfeststellungsbeschluss keine\nRechtsmangel auf, die seine vollstandige oder teilweise Aufhebung, die\nFeststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit oder zumindest\nim Umfang der Hilfsantrage der Klager 1 und 2 seine Erganzung erfordern wurden\n(§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO, § 75 Abs. 1a Satz 2 LVwVfG): \n--- \n| 28 \n--- \n| 1\\. Es steht außer Streit, dass das Vorhaben, mit der L 408 (neu) eine -\nerstmals - durch den Schwerverkehr befahrbare und verkehrssichere Straße zu\nschaffen, gemessen an der Zielsetzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 StrG\n„vernunftigerweise geboten" ist (Planrechtfertigung) und daher auch im Sinne\ndes Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG dem Wohl der Allgemeinheit dient (vgl. BVerwG,\nUrt. vom 14.2.1975 - IV C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <B 42>; st. Rspr.). \n--- \n| 29 \n--- \n| 2\\. Verfahrensfehler, auf denen der Planfeststellungsbeschluss beruhen\nkonnte (vgl. BVerwG, Urt. vom 20.5.1998 - 11 C 3.97 - NVwZ 1999, 67), haben\ndie Klager weder dargelegt noch sind solche ersichtlich. \n--- \n| 30 \n--- \n| 3\\. Entgegen der Auffassung der Klager verstoßt der angefochtene\nPlanfeststellungsbeschluss auch nicht gegen das Abwagungsgebot (§ 37 Abs. 5\nSatz 1 StrG). \n--- \n| 31 \n--- \n| Die gerichtliche Kontrolle planerischer Abwagung hat sich nach standiger\nRechtsprechung (grundlegend BVerwG, Urt. vom 5.7.1974 - IV C 50.72 - BVerwGE\n45, 309) auf die Prufung zu beschranken, ob eine Abwagung uberhaupt\nstattgefunden hat, ob in sie an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage\nder Dinge in sie eingestellt werden musste (Abwagungsmaterial), ob die\nBedeutung der betroffenen offentlichen und privaten Belange richtig erkannt\nworden ist und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung beruhrten\noffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die\nzu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhaltnis steht. Sind\ndiese Anforderungen gewahrt, wird das Abwagungsgebot nicht dadurch verletzt,\ndass die Planungsbehorde bei der Abwagung der verschiedenen Belange dem einen\nden Vorzug einraumt und sich damit notwendigerweise fur die Zuruckstellung des\nanderen entscheidet. \n--- \n| 32 \n--- \n| Das Abwagungsgebot verpflichtet die Planungsbehorde nicht, die Entscheidung\nuber die Auswahl der Trasse bis zuletzt offen zu halten und alle von ihr zu\neinem bestimmten Zeitpunkt erwogenen Alternativen gleichermaßen detailliert\nund umfassend zu untersuchen. Vielmehr ist sie befugt, Alternativen, die ihr\nauf der Grundlage einer „Grobanalyse" als weniger geeignet erscheinen, schon\nin einem fruhen Verfahrensstadium auszuscheiden. Das Abwagungsmaterial muss in\ndiesem Stadium der planerischen Entscheidung „nach Lage der Dinge" nur so\ngenau und vollstandig sein, dass es jene Vorauswahl zulasst; dementsprechend\nmuss sich die nach Maßgabe des UVPG formalisierte eingehende\nUmweltvertraglichkeitsprufung auch nicht auf Trassenalternativen erstrecken,\nsondern kann sich - wie hier - auf die vom Vorhabentrager beantragte Variante\nbeschranken. In aller Regel bedarf es daher auf der Ebene der Variantenauswahl\nkeiner Detailprufung individueller Betroffenheiten und kleinraumiger\nVerhaltnisse, sondern genugt eine auf den großeren Raum bezogene\n„generalisierte" Ermittlung und Bewertung der betroffenen privaten und\noffentlichen Belange. Etwas anderes kann etwa dann gelten, wenn individuelle\nBeeintrachtigungen von erheblichem Gewicht wie die existentielle Gefahrdung\nlandwirtschaftlicher Betriebe offenkundig nur bei bestimmten Trassenvarianten\nbesonders relevant werden. Verfahrt die Planungsbehorde in dieser Weise, so\nhandelt sie nur dann abwagungsfehlerhaft, wenn sich herausstellt, dass die von\nihr verworfene Losung sich ihr hatte aufdrangen mussen (vgl. BVerwG, Urt. vom\n25.1.1996 - 4 C 5.95 - , BVerwGE 100, 238; Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18/99 -,\nBVerwGE 112, 140; Beschl. vom 26.6.1992 - 4 B 1-11/92 u.a., DVBl. 1992, 1435). \n--- \n| 33 \n--- \n| Gemessen daran ist weder die - von den Klagern in den Vordergrund ihrer\nKritik geruckte - Auswahl der planfestgestellten Trasse 7 a (3.1) noch diese\nfur sich genommen zu beanstanden (3.2). \n--- \n| 34 \n--- \n| 3.1 Der Planfeststellungsbeschluss ist im Rahmen der Abwagung der von dem\nVorhaben beruhrten offentlichen und privaten Belange ohne Rechtsfehler zu dem\nErgebnis gelangt, dass Trassenvarianten, die von der Siedlung „24-Hofe" und\nder vorhandenen Trasse nach Osten abgeruckt sind, sich nicht als eindeutig\nvorzugswurdige Alternativen aufdrangen. Das gilt insbesondere auch fur die von\nder Arbeitsgruppe UV-Bewertung entwickelte optimierte Trasse 8c/d. \n--- \n| 35 \n--- \n| 3.1.1 Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die\nKlager mit ihrem Vortrag, jedenfalls die von der Arbeitsgruppe UV-Bewertung\nentwickelte Trassenvariante sei eindeutig vorzugswurdig, nicht prakludiert\nsind. Aus Grunden effektiven Rechtsschutzes kann von einem Einwender nur\nerwartet werden, dass er seine eigene Rechtsbetroffenheit darlegt und gegen\ndie Planung sprechende Gesichtspunkte geltend macht, die sich einem Laien in\nseiner Lage von dessen eigenem Kenntnis- und Erfahrungshorizont her\nerschließen. Weitergehende Ausfuhrungen, die wissenschaftlich-technischen\nSachverstand erfordern, konnen hingegen grundsatzlich nicht verlangt werden\n(vgl. BVerwG, Urt. vom 3.3.2004 - 9 A 15/03 -, DVBl. 2004, 953). Danach ist\nder betroffene Eigentumer in der Regel nicht gehalten fristgerecht darzulegen,\nwelche Trassenverschiebungen zur Vermeidung einer Inanspruchnahme seines\nEigentums in Betracht kommen und wie die konkrete Ausgestaltung denkbarer\nAlternativen aussehen konnte. Es genugt, wenn er sich gegen eine\nInanspruchnahme seiner Grundstucke wendet und zu erkennen gibt, dass dies aus\nseiner Sicht durch eine andere Trassenfuhrung moglich ist. So liegt es hier.\nDie Klager haben im Verwaltungsverfahren fristgerecht geltend gemacht, dass\ndie Gemeindevariante 10 F 2 als eine vom Weiler 24-Hofe nach Osten abgeruckte,\ndurch den Wald fuhrende Trasse sachgerecht sei. Auch die nunmehr von den\nKlagern in den Vordergrund gestellte Variante der Arbeitsgruppe UV-Bewertung\nverlauft siedlungsfern ostlich von 24-Hofe durch den Wald. Sie unterscheidet\nsich nur im Detail von der Trasse 10 F 2 und kann daher ohne weiteres zum\nGegenstand des Vorbringens im gerichtlichen Verfahren gemacht werden. \n--- \n| 36 \n--- \n| Im Hinblick darauf kann offen bleiben, ob das Landesrecht fur\nPlanfeststellungsverfahren nach dem StrG uberhaupt einen Ausschluss nicht\nfristgerecht vorgebrachter Einwendungen im gerichtlichen Verfahren normiert.\nDaran konnten Zweifel bestehen. Zwar ist in § 73 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG\nbestimmt, dass mit Ablauf der Einwendungsfrist alle nicht auf besonderen\nprivatrechtlichen Titeln beruhenden Einwendungen ausgeschlossen sind, was sich\nohne Zweifel auch auf das gerichtliche Verfahren bezieht. In der spezielleren\nund spater in Kraft getretenen Vorschrift des § 37 Abs. 9 StrG ist jedoch\ngeregelt, dass im Planfeststellungsverfahren Einwendungen gegen den Plan nach\nAblauf der Einwendungsfrist ausgeschlossen sind. Daraus konnte nach\nallgemeinen Auslegungskriterien moglicherweise der Schluss gezogen werden,\ndass insoweit fur das gerichtliche Verfahren keine Praklusion gelten soll,\nauch wenn der Gesetzgeber mit der Novellierung des § 37 Abs. 9 StrG\nausweislich der Gesetzesmotive nicht etwa eine Einschrankung der Praklusion\ngegenuber der Regelung im LVwVfG, sondern im Gegenteil deren Erweiterung auch\nauf solche Einwendungen beabsichtigt hat, die auf privatrechtlichen Titeln\nberuhen (vgl. LTDrucks. 13/1227, S. 58). Dies alles bedarf hier jedoch keiner\nweiteren Erorterung. \n--- \n| 37 \n--- \n| 3.1.2 Nach den im Planfeststellungsbeschluss mitgeteilten Erwagungen hat\nsich die Planungsbehorde vor allem deshalb gegen eine nach Osten vom Weiler\n24-Hofe abgeruckte Trassenfuhrung entschieden, weil damit weitaus starkere\nEingriffe in Natur und Landschaft verbunden waren als bei der siedlungsnahen,\nan der L 408 (alt) orientierten Amtstrasse 7 a. Eine solche Alternative greife\nin erheblichem Umfang in einen weithin unberuhrten, wertvollen Erholungswald\nein. Die ostlich von 24-Hofe gelegenen Walder seien zudem empfindlicher\ngegenuber der mit einem Eingriff einher gehenden Gefahr des Windbruchs, weil\ndie Boden dort weniger tragfahig seien und die Taleinschnitte tiefer und\nsteiler als im Bereich von 24-Hofe. Wegen dieser fur den Straßenbau\nungunstigen Topografie wurden dort auch vermehrt Damme, Einschnitte und\nBruckenbauten (uber den Obelsbach) notwendig, um den verkehrlichen\nAnforderungen genugen zu konnen, was wiederum okologisch nachteilig sei. Diese\ngravierenden Nachteile wurden durch die Vorteile einer siedlungsfernen Trasse\nhinsichtlich der Belange der Landwirtschaft und des Larmschutzes bei weitem\nnicht aufgewogen. Zwar wurden hofnahe landwirtschaftlich genutzte Flachen\nzerschnitten, fur eine Existenzgefahrdung landwirtschaftlicher Betriebe sei\njedoch nichts ersichtlich. Außerdem wurden auch bei der Gemeindevariante\nvereinzelt hofnahe Flachen landwirtschaftlicher Betriebe zerschnitten. Im\nÜbrigen konne der landwirtschaftliche Binnenverkehr auch bei Realisierung der\nAmtstrasse erheblich leichter als bisher - namlich getrennt vom\nDurchgangsverkehr auf der bisherigen L 408 - erfolgen, die nicht zuruckgebaut\nwerde; zudem erhielten samtliche Grundstucke eine Zufahrt. Bei einer nach\nOsten abgeruckten Trasse ware 24-Hofe zwar weitgehend vom Verkehrslarm\nentlastet. Jedoch sei die Larmbelastung auch nach Realisierung der Amtstrasse\ntrotz hoheren Verkehrs insgesamt geringer als bisher, weil von den Siedlungen\nein großerer Abstand eingehalten werde als bislang von der L 408 (alt); die\nmaßgeblichen Grenzwerte fur Dorfgebiete wurden durchweg eingehalten, zum\ngroßen Teil wurden nicht einmal die Grenzwerte fur allgemeine Wohngebiete\nuberschritten. Schließlich habe eine weiter ostlich gelegene Trasse auch mit\nBlick auf das Landschaftsbild keine eindeutigen Vorteile, zumal eine Straße im\ndortigen unberuhrten Bereich einen Fremdkorper darstellte, wahrend die\nLandschaft im Bereich der Amtstrasse bereits durch die bisherige Landesstraße\n„vorbelastet" sei und außerdem die Einschnitte und Damme der L 408 (neu) von\nAussichtspunkten aus weithin nicht oder nur teilweise zu sehen seien. \n--- \n| 38 \n--- \n| 3.1.3 Der Senat ist mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass diese\nGrundentscheidung gegen eine siedlungsferne Trassenfuhrung ostlich von\n24-Weiler, fur die sich die Planfeststellungsbehorde auch auf die\nfachbehordliche Einschatzung berufen kann (vgl. Stellungnahme der\nForstdirektion Freiburg vom 7.3.2001, RP-Akte L 408/2, Heft 1, Bl. 171;\nBezirksstelle fur Naturschutz und Landschaftspflege Karlsruhe vom 10.4.2001, L\n408/2, Heft 1, Bl. 563; Landratsamt Freudenstadt, Naturschutzbehorde vom\n11.11.2002, L 408/2a, Heft 1, Bl. 321 sowie des Regierungsprasidiums\nKarlsruhe, Hohere Naturschutzbehorde, L 408/2a, Heft 1, Bl. 585), das\nAbwagungsgebot nicht verletzt. \n--- \n| 39 \n--- \n| Hierbei kommt es entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht darauf\nan, ob gegen eine solche Trassenfuhrung auch ein hoherer Kostenaufwand\nsprache; denn die Planfeststellungsbehorde, welche nach außen hin fur die\nabschließende Planungsentscheidung verantwortlich ist (vgl. BVerwG, Urt. vom\n27.10.2000 - 4 A 18/99 -, a.a.O.), hat die Variantenabwagung nicht maßgeblich\nauf diesen Gesichtspunkt gestutzt. Unerheblich ist auch, dass in der im\nAuftrag des Vorhabentragers - der Straßenbauverwaltung - von Dr. R. erstellten\nUmweltvertraglichkeitsstudie eine Gewichtung zwischen den verschiedenen fur\ndie Trassenbeurteilung herangezogenen Kriterien fehlt, wie das\nVerwaltungsgericht gerugt hat. Denn die Planfeststellungsbehorde hat die fur\ndie Trassenwahl maßgeblichen Gesichtspunkte eigenstandig bewertet und\ngewichtet und hierbei etwa den in der Umweltvertraglichkeitsstudie genannten\nKriterien der „Erforderlichen Erdmassenbewegungen" oder des „Verbleibenden\nErdmassenuberschusses" fur die Grobanalyse keine Bedeutung beigemessen. Wenn\ndie Klager gleichwohl meinen, jedenfalls die von der Arbeitsgruppe UV-\nBewertung vorgeschlagene Alternativtrasse 8 d optimiert. drange sich als\neindeutig vorzugswurdig auf, kann dieser Auffassung auch auf der Grundlage der\nwahrend des Augenscheins getroffenen Feststellungen und der eingehenden\nErorterung in mundlicher Verhandlung nicht gefolgt werden. \n--- \n| 40 \n--- \n| 3.1.3.1 Danach ist nicht erkennbar, dass der Eingriff in Natur und\nLandschaft bei dieser Variante erheblich geringer ware, als dies sonst bei den\nsiedlungsfernen Varianten ostlich von 24-Hofe der Fall ist. \n--- \n| 41 \n--- \n| Wie die Luftbildaufnahme der Straßenbauverwaltung vom 24.8.2004 (Unterlage\n7, Plan 1) mit den eingezeichneten Varianten 8 c/d optimiert. der\nArbeitsgruppe UV-Bewertung deutlich zeigt, fuhrte die Landesstraße uber weite\nStrecken mitten durch den Wald. Demgegenuber wird bei der Amtstrasse in\nerheblich geringerem Umfang und zudem eher in Randbereichen in den Wald\neingegriffen. Anlaßlich des Augenscheins wurde ubereinstimmend festgestellt,\ndass es sich - bis auf den Wald im Talgrund des Obelsbaches - um hochwertigen\nPlenterwald handelt, dem - ebenfalls unstreitig - mit den angelegten\nWanderwegen eine bedeutsame Erholungsfunktion zukommt. Ohne weiteres\nnachvollziehbar ist auch die Einschatzung der Planfeststellungsbehorde, dass\ndie Trennwirkung einer solchen langs durch den Wald gefuhrten Straße fur die\nTierwelt ganz erheblich ware und nicht mit derjenigen der dort bereits\nvorhandenen - zum Teil asphaltierten - Wege verglichen werden kann. Dasselbe\ngilt fur die Annahme, dass die „unruhige" Topografie in diesem Bereich\nvermehrt entweder Dammbauten oder in der Flache großere Eingriffe in den Wald\nmit den daraus folgenden okologischen Nachteilen notwendig mache (vgl. die\nentsprechenden Kennzeichnungen im o.g. Luftbild). Nach der - unwidersprochen\ngebliebenen - Einschatzung des Gutachters der Straßenbauverwaltung, Herrn Dr.\nR., wurde die Alternative 8 c/d optimiert aus den oben genannten Grunden den\ndoppelten Ausgleichsbedarf auslosen als die Amtstrasse. \n--- \n| 42 \n--- \n| 3.1.3.2 Der Umstand, dass die Alternativtrasse 8c/d uber weite Strecken\ndurch Gemeindewald fuhrt und daher weniger privates Grundeigentum in Anspruch\ngenommen werden musste als bei der planfestgestellten Trasse (vgl. Lageplan\n„Eigentumsverhaltnisse" der Straßenbauverwaltung, Unterlage 15, Plan 1;\nSchriftsatz RP Karlsruhe vom 15.9.2004, Bl. 289 der VG-Akte: Bei Variante 8 d\netwa weniger Privatflache auf rd. 360 m Lange allerdings bei mehr\nGrundstucksbetroffenen), zwingt nicht dazu, dieser den Vorzug zu geben. Das\nGrundeigentum der offentlichen Hand ist vielmehr nur nach Maßgabe der\nplanerischen Konzeption und unter Berucksichtigung der sonstigen offentlichen\nund privaten Belange vorrangig vor Privatflachen in Anspruch zu nehmen (vgl.\nBVerfG, Kammerbeschl. vom 9.6.1987 - 1 BvR 418/87 -, DVBl. 1987, 895; BVerwG,\nUrt. vom 6.6.2002 - 4 CN 6/01 -, NVwZ 2002, 1506). Hier musste sich der\nPlanfeststellungsbehorde eine Trassenfuhrung nach dem Vorschlag der\nArbeitsgruppe UV-Bewertung wegen der damit verbundenen schwerwiegenden\nEingriffe in den Wald nicht deshalb aufdrangen, weil dann in großerem Umfang\nauf Gemeindeeigentum zugegriffen werden konnte. \n--- \n| 43 \n--- \n| 3.1.3.3 Die planfestgestellte Trasse der L 408 (neu) hat auch keine derart\ngewichtigen Beeintrachtigungen fur die Siedlungs- und Landschaftsstruktur von\n24-Hofe zur Folge, dass allein eine siedlungsferne Trassenfuhrung durch den\nWald mit allen damit zusammen hangenden Nachteilen vertretbar erscheint. Das\nVorhaben kann weder auf der Amtstrasse noch auf der Alternativtrasse ohne eine\nBeeintrachtigung des Landschaftsbildes realisiert werden. Die Einschatzung der\nPlanfeststellungsbehorde und des Verwaltungsgerichts, dass das Gewicht dieser\nBeeintrachtigung nicht gravierend voneinander abweicht, deckt sich mit dem\nEindruck, den der Senat anlasslich der Einnahme des Augenscheins gewonnen hat.\nZu berucksichtigen ist allerdings, dass der Siedlungsbereich von 24-Hofe\nbereits durch die bestehende Landesstraße „vorbelastet" ist, wahrend die\nAlternativtrasse durch eine bislang weithin unberuhrte Landschaft fuhrte. Der\nSenat vermag auch keine massive Beeintrachtigung der Siedlungsstruktur zu\nerkennen. Teilweise verlauft die Amtstrasse weiter von den Siedlungen entfernt\nals die bestehende L 408; insbesondere wird durch die Westumfahrung von\nTrollenberg vermieden, dass der dortige Siedlungskern mit zentralen\nEinrichtungen durchschnitten wird. Zweifellos wurde 24-Hofe aufgewertet, wenn\ndort infolge einer Verlagerung der Landesstraße nach Osten nur noch\ninnerortlicher Verkehr stattfande. Die Planfeststellungsbehorde war jedoch\nnicht verpflichtet, diesen Vorteil durch die genannten schwerwiegenden\nBeeintrachtigungen fur Natur und Landschaft zu „erkaufen", zumal sich auch die\nLarmsituation insgesamt gesehen nicht etwa verschlechtert, sondern verbessert. \n--- \n| 44 \n--- \n| 3.1.3.4 Die Variantenabwagung ist auch nicht mit Blick auf die von den\nKlagern erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachte existentielle\nGefahrdung ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe zu beanstanden. \n--- \n| 45 \n--- \n| Auch insoweit kann dahinstehen, ob die §§ 37 Abs. 9 StrG, 73 Abs. 4 Satz 3\nLVwVfG den Ausschluss nicht fristgerecht vorgebrachter Einwendungen auch fur\ndas gerichtliche Verfahren normieren und ob die Klager danach mit ihrem\nVorbringen prakludiert sind. Denn ein Planfeststellungsbeschluss leidet nicht\nan einem Abwagungsfehler, wenn solche privaten Belange nicht berucksichtigt\nworden sind, die der Betroffene im Planfeststellungsverfahren nicht\nvorgetragen hat und die sich der planenden Behorde auch nicht aufdrangen\nmussten; sie sind dann nicht abwagungserheblich (vgl. BVerwG, Urt. vom\n13.9.1985 - 4 C 64/80 -, NVwZ 1986, 740; st. Rspr.). So liegt es hier. Die\nKlager haben eine existentielle Gefahrdung ihrer Betriebe im\nVerwaltungsverfahren nicht ansatzweise geltend gemacht. Da erstens der\nFlachenverlust deutlich unterhalb der von der Rechtsprechung bei etwa 5% der\nBetriebsflache angenommenen Bagatellgrenze liegt, den ein gesunder Betrieb\nnormalerweise verkraften kann, ohne in Existenznote zu geraten (vgl. Urteil\ndes Senats vom 26.5.2000 - 8 S 1525/99 - m.w.N.; VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom\n17.11.1995 - 5 S 334/95 -, VBlBW 1996, 265), zweitens samtliche Grundstucke\nnach wie vor ausreichend erschlossen sein werden - nach dem Ergebnis der\nmundlichen Verhandlung einschließlich der vom Klager 3 forstwirtschaftlich\ngenutzten Grundstucke - , drittens den Klagern 1 und 2 fur den Weidebetrieb\neigens eine Unterfuhrung zur Verfugung gestellt wird und schließlich viertens\ndas Landwirtschaftsamt in seinen Stellungnahmen die Gefahr einer\nexistentiellen Gefahrdung landwirtschaftlicher Betriebe nicht einmal\nangedeutet hat, kann trotz der mit der Zerschneidung hofnaher Flachen einher\ngehenden Erschwernisse keine Rede davon sein, dass sich der\nPlanfeststellungsbehorde eine existentielle Betriebsgefahrdung hatte\naufdrangen mussen. Ein deutliches Indiz hierfur ist im Übrigen auch der\nUmstand, dass die Klager selbst im erstinstanzlichen Verfahren eine solche\nGefahrdung noch ausdrucklich mit der - ohne weiteres nachvollziehbaren -\nBegrundung verneint haben, dass es sich um große arrondierte Hofguter handle,\ndenen die Beeintrachtigung der hofnahen Felder und Wiesen nichts anhaben konne\n(vgl. VG-Akte, Bl. 185). Der von den Klagern in der mundlichen Verhandlung\nbeantragten Einholung eines landwirtschaftlichen Gutachtens zur Frage der\nExistenzgefahrdung ihrer Hofe bedarf es somit bereits wegen fehlender\nErheblichkeit nicht (vgl. Eyermann/Schmidt, VwGO, 11. Aufl., § 86 Rn. 38).\nDavon abgesehen handelt es sich um einen Ausforschungsbeweisantrag, dem der\nSenat nicht nachzugehen braucht (vgl. Eyermann/Schmidt, a.a.O., § 86 Rn. 27).\nDenn die Klager haben keine in ihrer Sphare liegende Umstande dargelegt, die\neine existentielle Gefahrdung ihrer Betriebe trotz der oben genannten\ngegenlaufigen Anhaltspunkte auch nur entfernt als moglich erscheinen lassen\nkonnten. Nach allem kann auch offen bleiben, ob die Frage der\nExistenzgefahrdung landwirtschaftlicher Betriebe auf der Ebene des\nVariantenvergleichs uberhaupt relevant war. Dies durfte zweifelhaft sein, weil\nkonkrete Existenzgefahrdungen hinsichtlich bestimmter Varianten hier weder vom\nLandwirtschaftsamt geltend gemacht wurden noch sonst offen zutage lagen. Der\nBeklagte weist in diesem Zusammenhang auf die fehlende Moglichkeit hin,\nbezogen auf alle großraumig in Betracht kommenden Varianten (mit\nUntervarianten) eine komplette Flurstuckserhebung mit Befragung der Landwirte\ndurchzufuhren. Er macht ferner - unwidersprochen - geltend, dass hofnahe\nBetriebsflachen auch bei den siedlungsfernen Varianten zerschnitten wurden,\nwenngleich dies nicht im selben Ausmaß der Fall sein durfte als bei der\nAmtstrasse. \n--- \n| 46 \n--- \n| 3.1.3.5 Die sonstigen von den Klagern in der mundlichen Verhandlung noch\naufrecht erhaltenen Einwendungen gegen die Planung betreffen individuelle\nBetroffenheiten oder kleinraumige Verhaltnisse. Sie waren fur die auf der\nEbene der Variantenabwagung durchzufuhrende Grobanalyse irrelevant, weil sie\nentweder nicht offenkundig sind oder ihnen schon deshalb kein fur die\nVariantenauswahl ausschlaggebendes Gewicht zukommen kann, weil sie an sich bei\nallen Varianten auftreten konnten. \n--- \n| 47 \n--- \n| Das gilt einmal fur den aus Grunden des Larmschutzes erfolgenden etwa 350 m\nlangen und rund 40 m tiefen Einschnitt in den Wald beim Hof Lugen und die\ndamit verbundene Gefahr des Windbruchs. Abgesehen davon, dass dieser\nTeilaspekt von den Klagern nicht gerugt werden kann, weil er fur die\nInanspruchnahme ihrer Grundstucke nicht kausal ist, stellt ein solcher\nEingriff in den Wald und die Gefahr von Windbruch keine Besonderheit der\nAmtstrasse dar. Diese Nachteile waren im Gegenteil bei der von den Klagern als\nvorzugswurdig angesehenen Trassenfuhrung noch erheblich großer. Aus demselben\nGrund war es auch nicht geboten, bereits auf der Ebene der Variantenabwagung\ndie konkrete Beeintrachtigung gerade des vom Klager 3 forstwirtschaftlich\ngenutzten Waldes zu berucksichtigen. \n--- \n| 48 \n--- \n| Ohne Bedeutung fur die Variantenauswahl war auch die Frage, ob der\nWasserzufluss von der von den Klagern 1 und 2 fur ihr Vieh genutzten Quelle\ninfolge eines bei der Amtstrasse notwendig werdenden Straßeneinschnitts\nversiegen wird und in welcher Weise der Viehtrieb speziell der Klager 1 und 2\nbeeintrachtigt wird. Wie ausgefuhrt, setzt eine sachgerechte\nVariantenabwagung, die notwendig auf einen großeren Raum bezogen ist, keine\nderart individualisierte, auf die Verhaltnisse einzelner Grundstucke bezogene\nErmittlung des Sachverhalts voraus; sie ware hier mit Blick auf die Vielzahl\nder in Rede stehenden Varianten auch nicht moglich gewesen. Außerdem handelt\nes sich auch insoweit wiederum um Belange, die bei allen Varianten auftreten\nkonnen. Sie waren von der Planfeststellungsbehorde mithin erst bezogen auf die\nkonkret beantragte Trasse 7 a auf der Grundlage des Vorbringens der Klager 1\nund 2 zu wurdigen. \n--- \n| 49 \n--- \n| 3.2 Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Rechtmaßigkeit der Amtstrasse\nselbst. \n--- \n| 50 \n--- \n| Es ist weder dargelegt noch sonst erkennbar, dass die auf die beantragte und\nplanfestgestellte Trasse bezogene Umweltvertraglichkeitsprufung nicht den\ngesetzlichen Anforderungen genugt. Wie bereits das Verwaltungsgericht\nfestgestellt hat, gibt es auch keine Belange, welche das offentliche Interesse\nan der Herstellung einer verkehrstauglichen- und sicheren Landesstraße\nuberwiegen und die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses rechtfertigen\nkonnten. Ferner sind keine Mangel ersichtlich, die in einem erganzenden\nPlanfeststellungsverfahren behoben werden mussten (vgl. dazu BVerwG, Urt.\n21.3.1996 - 4 C 19/94 -, BVerwGE 100, 370; Urt. vom 9.6.2004 - 9 A 11/03 -,\nDVBl. 2004, 1546). Hinsichtlich der von den Klagern geltend gemachten\nexistentiellen Gefahrdung ihrer Betriebe gilt das oben Gesagte. Den\nWaldeinschnitt beim Hof L. konnen die Klager - wie bereits ausgefuhrt - nicht\nals Planungsfehler rugen, weil sich die Maßnahme nicht kausal auf ihre\nInanspruchnahme auswirkt. Im Übrigen ist die Entscheidung der\nPlanfeststellungsbehorde, diesen Eingriff in den Wald im Interesse eines\neffektiven Schutzes des Hofes L. vor Verkehrslarm hinzunehmen, von deren\nAbwagungsfreiheit gedeckt. Durch die beim Hof der Klager 1 und 2 (Bereich\nBuchenbronnen) vorgesehene Unterfuhrung wird eine unzumutbare Erschwerung des\nViehtriebs vom Hof auf die jenseits der L 408 (neu) gelegene Weide vermieden;\nin der mundlichen Verhandlung haben sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte\nergeben. Wenn die Klager 1 und 2 rugen, sie hatten keine unmittelbare Zufahrt\nzur neuen Landesstraße, sondern mussten nach der Unterfuhrung eine schmale und\nbis zu 15 % steile Rampe benutzen, ist dem entgegen zu halten, dass eine\ngroßzugigere Gestaltung von Unterfuhrung und Zufahrt auch eine hohere\nInanspruchnahme ihres Grundeigentums voraus setzte, wogegen sie sich ebenfalls\ngewandt haben. Hinsichtlich des von den Klagern 1 und 2 befurchteten\nVersiegens ihrer Quelle infolge der Straßenbaumaßnahmen ist erganzend\nauszufuhren, dass ihnen dann im Falle eines bestehenden Nutzungsrechts ein\nAnspruch auf Entschadigung zustunde, die wohl auch die Kosten eines notwendig\nwerdenden Anschlusses an die offentliche Wasserversorgung umfasste. Der Klager\n3 hat seine Ruge, er konne die Landesstraße nicht mehr mit Langholzwagen\nbefahren, in der mundlichen Verhandlung nicht mehr aufrecht erhalten.\nSchließlich vermag auch sein Einwand nicht durchzudringen, die\nStraßenbaumaßnahme erhohe die Gefahr, dass es in seinem Wald zu Schaden durch\nWindbruch komme. Die Planfeststellungsbehorde durfte die insoweit beruhrten\nBelange privater Waldbesitzer gegenuber den mit dem Vorhaben verfolgten\noffentlichen Interessen zuruck treten lassen, zumal zur Verhinderung solcher\nSchaden ein Waldmantelvorbau vorgesehen ist (vgl. Schriftsatz des RP Karlsruhe\nvom 5.12.2005 unter Hinweis auf den Landschaftspflegerischen Begleitplan). \n--- \n| 51 \n--- \n| 4\\. Die Klager 1 und 2 haben keinen Anspruch auf Verpflichtung des\nBeklagten, den PFB durch die Anordnung von Maßnahmen des aktiven oder passiven\nLarmschutzes so zu erganzen, dass ein Nachtwert von 45 dB(A) erreicht wird.\nDenn der hier maßgebliche Immissionsgrenzwert fur Dorfgebiete nach der\nVerkehrslarmschutzverordnung (16. BImSchV) betragt fur die Nacht 54 dB(A);\nselbst fur reine und allgemeine Wohngebiete betragt er mehr als 45 dB(A),\nnamlich 49 dB(A) nachts (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 und 3 der 16. BImSchV). Nach der\nSchalltechnischen Untersuchung des Buros Bender + Stahl vom Marz 2002 wird am\nWohnhaus ... der Klager 1 und 2 in der Nacht ein Immissionswert von 44,4 dB(A)\nim Erdgeschoss und von 46,1 dB(A) im 1. Obergeschoss erreicht (Ordner L\n408/2a, A-3, Anl. 13.1a), der mithin weit unterhalb des fur Dorfgebiete\nliegenden Grenzwerts liegt und selbst den fur reine Wohngebiete geltenden\nGrenzwert nahezu einhalt. \n--- \n| 52 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satze 1 und 2 VwGO, §\n100 ZPO; die Differenz zwischen den Verkehrswerten des in Anspruch genommenen\nGrundeigentums der Klager 1 und 2 (33.000,--EUR) und des Klagers 3 (50.000,--\nEUR) rechtfertigt angesichts des konkret geltend gemachten Interesses an den\nKlagen keine entsprechende Differenzierung bei der Kostenquote. \n--- \n| 53 \n--- \n| Grunde fur eine Zulassung der Revision gemaß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht\ngegeben. \n--- \n| 54 \n--- \n| **Beschluss** \n--- \n| 55 \n--- \n| Der Streitwert fur das Berufungsverfahren wird im Anschluss an die\nzutreffenden Berechnungen im Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts vom\n30.9.2004 gemaß § 52 Abs. 1 GKG auf 88.000,--EUR festgesetzt. \n--- \n| 56 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
142,612
vghbw-2006-10-31-3-s-174805
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 S 1748/05
2006-10-31
2019-01-09 09:14:58
2019-01-17 12:02:46
Beschluss
## Tenor\n\nDie Erinnerung der Antragsteller gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des\nUrkundsbeamten der Geschaftsstelle vom 20. Juni 2006 - 3 S 1748/05 - wird\nzuruckgewiesen.\n\nDie Antragsteller tragen die Kosten des Erinnerungsverfahrens als\nGesamtschuldner.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die gemaß §§ 165, 151 VwGO statthafte und auch sonst zulassige Erinnerung\ngegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschaftsstelle\nvom 20.06.2005 ist nicht begrundet. \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 15.05.2006 haben die Antragsteller\nneben einer gemaß Nr. 1008 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (kunftig:\nVergutungsverzeichnis) erhohten Verfahrensgebuhr, der Auslagenpauschale nach\nNr. 7002 des Vergutungsverzeichnisses und der Umsatzsteuer eine Terminsgebuhr\ngeltend gemacht, als deren Entstehungsgrund sie Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 3\ndes Vergutungsverzeichnisses angegeben haben. Im Kostenfestsetzungsverfahren\nhaben sie insoweit naher ausgefuhrt, ihr Prozessbevollmachtigter, der das\nVerfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO bereits am 11.11.2005 fur erledigt erklart\nhatte, habe am 17.11.2005 ein Telefonat mit dem Prozessbevollmachtigten der\nAntragsgegnerin gefuhrt, das auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet\ngewesen sei. Insoweit sei der Ansatz einer Terminsgebuhr mit Blick auf Teil 3,\nVorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergutungsverzeichnisses gerechtfertigt. Die\nAntragsgegnerin hat die grundsatzliche Anwendbarkeit des Gebuhrentatbestandes\nfur das hiesige Verfahren nicht in Frage gestellt, aber ausgefuhrt, das\nbesagte Telefonat sei nicht auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet\ngewesen, denn das Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sei seitens der\nAntragsteller bereits am 11.11.2005 - und damit bereits sechs Tage fruher -\nfur erledigt erklart worden. Der Urkundsbeamte hat den Ansatz der\nTerminsgebuhr in seinem Beschluss vom 20.06.2006 nicht fur zulassig gehalten.\nDagegen richtet sich die am 30.06.2006 eingelegte Erinnerung der\nAntragsteller. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Erinnerung bleibt ohne Erfolg. Dem Prozessbevollmachtigten der\nAntragsteller steht eine Terminsgebuhr fur das Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO\nnicht zu. \n--- \n| 4 \n--- \n| Ein solcher Anspruch ergibt sich zunachst nicht aus Nr. 3104 des\nVergutungsverzeichnisses. Diese Vorschrift ist ersichtlich nur insoweit\neinschlagig, als sie den Satz der Gebuhr nach § 13 RVG mit 1,2 bezeichnet.\nSoweit die Norm auch einen Gebuhrentatbestand enthalt („Die Gebuhr entsteht\nauch…"), ist dieser im vorliegenden Fall nicht einschlagig. In Übereinstimmung\nmit der bisherigen Rechtslage tragt dieser Gebuhrentatbestand dem Anliegen\nRechnung, dass der Prozessbevollmachtigte, der in einem Verwaltungsprozess im\nHinblick auf den Grundsatz der Mundlichkeit erwarten kann, in der mundlichen\nVerhandlung seine Terminsgebuhr zu verdienen, keinen Gebuhrennachteil erleiden\nsoll, wenn entweder ubereinstimmend auf eine mundliche Verhandlung verzichtet\n(§ 101 Abs. 2 VwGO) oder ohne den Willen der Beteiligten eine Entscheidung\ndurch Gerichtsbescheid oder gemaß § 130 a VwGO getroffen wird (vgl. Muller-\nRabe, in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Muller-Rabe, RVG, 16. Aufl. 2004, VV\n3104 RdNr. 14; Keller, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl. 2005, VV Teil 3\nAbschnitt 1 RdNr. 45). In diesen Fallen wird die Terminsgebuhr erst durch den\nErlass der Entscheidung ausgelost (vgl. Muller-Rabe, a.a.O., RdNr. 17).\nUngeachtet dessen, dass der Fall der Entscheidung nach einer beidseitigen\nschriftlichen Erledigungserklarung den ubrigen dort aufgefuhrten Fallen nicht\ngleichgestellt ist und sich insoweit auch eine Rechtsanalogie verbietet (OLG\nKarlsruhe, Beschluss vom 29.09.2006 - 16 WF 115/06 -, juris), ist der\nTatbestand aus Nr. 3104 des Vergutungsverzeichnisses im vorliegenden Fall\njedenfalls auch deshalb nicht einschlagig, weil es allgemeiner, vom Senat\ngeteilter Meinung entspricht, dass dieser Gebuhrentatbestand nur dann\neingreift, wenn eine Entscheidung ergeht, die an sich aufgrund einer\nmundlichen Verhandlung zu ergehen hatte (vgl. Muller-Rabe, a.a.O, RdNr. 20\nm.w.N.). Dies ist in Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht der Fall. \n--- \n| 5 \n--- \n| Aber auch Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergutungsverzeichnisses\nrechtfertigt den Ansatz der Terminsgebuhr im vorliegenden Verfahren nicht.\nAllerdings ist den Antragstellern im Ansatz darin beizupflichten, dass ein auf\ndie Erledigung des Verfahrens gerichtetes Telefonat den genannten\nGebuhrentatbestand auch dann noch auslosen kann, wenn - wie es hier der Fall\nwar - die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache bereits erklart wurde\nund nur noch der Prozessgegner zu einer entsprechenden Erklarung bewegt werden\nsoll (Muller-Rabe, a.a.O., Vorb. 3 VV RdNr. 92; vgl. auch fur den Fall der\nAnregung der Klagerucknahme: OLG Koblenz, Beschluss vom 29.04.2005 - 14 W\n257/05 -, NJW 2005, 2162 <2163>). Dessen ungeachtet liegen die Voraussetzungen\ndes Teils 3, Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergutungsverzeichnisses hier nicht\nvor, da - wie der Urkundsbeamte der Geschaftsstelle zu Recht ausgefuhrt hat -\ndieser Gebuhrentatbestand dann nicht zum Tragen kommen kann, wenn fur das\nbetreffende Verfahren eine mundliche Verhandlung weder vorgeschrieben ist noch\neine solche in dem betreffenden Fall ausnahmsweise anberaumt wurde. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Richtigkeit eines solchen Verstandnisses von Teil 3, Vorbemerkung 3\nAbs. 3 des Vergutungsverzeichnisses ergibt sich neben den an einen „Termin"\nanknupfenden Wortlaut aus Sinn und Zweck dieses Gebuhrentatbestandes, seinem\nsystematischen Zusammenhang und aus seiner Entstehungsgeschichte. Die\nNeuordnung des anwaltlichen Gebuhrenrechts durch das am 01.07.2004 in Kraft\ngetretene Rechtsanwaltsvergutungsgesetz hat fur den hier betroffenen\nAnwendungsbereich der Terminsgebuhr - ungeachtet der inhaltlichen Übernahme\neiniger Bestimmungen der Bundesgebuhrenordnung fur Rechtsanwalte - zu\nÄnderungen der Rechtslage gegenuber der Verhandlungs- und Erorterungsgebuhr\nnach § 31 Abs. 1 Nrn. 1 und 4 BRAGO gefuhrt. Die Terminsgebuhr entsteht nach\nAbsatz 3 der Vorbemerkung 3 des Vergutungsverzeichnisses fur die Vertretung in\neinem Verhandlungs-, Erorterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die\nWahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverstandigen\nanberaumten Termins. Es kommt damit nicht mehr - wie bei der Verhandlungs- und\nErorterungsgebuhr - darauf an, ob in dem Termin Antrage gestellt werden oder\nob die Sache erortert wird (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 209). Anders als nach\nfruherem Recht ist ihr Anwendungsbereich auch auf die Mitwirkung an\nBesprechungen ohne Beteiligung des Gerichts erstreckt worden, die - hierauf\nheben die Antragsteller ab - auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens\ngerichtet sind, wobei dies allerdings fur Besprechungen (nur) mit dem\nAuftraggeber nicht gilt. Der Gesetzgeber hat mit dieser Ausweitung des\nAnwendungsbereichs fordern und honorieren wollen, dass der Anwalt nach seiner\nBestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmachtigten in jeder Phase des\nVerfahrens zu einer moglichst fruhen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden\nBeendigung des Verfahrens beitragen soll. Ihm soll nach neuem Recht eine nach\nfruherem Recht geubte Praxis, einen gerichtlichen Verhandlungstermin\nanzustreben, in dem ein ausgehandelter Vergleich nach "Erorterung der Sach-\nund Rechtslage" protokolliert wird, um eine Verhandlungs- bzw.\nErorterungsgebuhr auszulosen, erspart bleiben (vgl. BT-Drucks. a.a.O.). Konnte\ndaher nach fruherem Recht eine außerhalb eines gerichtlichen Termins gefuhrte\nAuseinandersetzung und Verhandlung der Parteien vor einem Vergleichsabschluss\neine Erorterungsgebuhr nicht auslosen (vgl. BGH, Beschluss vom 30.03.2004 - VI\nZB 81/03 -, NJW 2004, 2311), ist dies durch Absatz 3 der Vorbemerkung 3 des\nVergutungsverzeichnisses bewusst abweichend geregelt worden. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der mit der Rechtsanderung verfolgte Zweck der gebuhrenrechtlichen\nHonorierung moglichst fruhzeitiger Einigungsversuche auch ohne Zutun des\nGerichts liegt aber (nur) in der Gleichstellung des Bemuhens um\naußergerichtliche Einigung mit den Fallen der streitigen Erorterung vor\nGericht. Hierfur spricht auch der systematische Zusammenhang mit den ubrigen\nin Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 3 genannten Fallen, die eine Terminsgebuhr nur\nentstehen lassen, wenn eine Vertretung in einem Verhandlungs-, Erorterungs-\noder Beweisaufnahmetermin stattgefunden hat oder ein von einem gerichtlichen\nSachverstandigen anberaumter Termin wahrgenommen wurde. Auch Nr. 3104 des\nVergutungsverzeichnisses knupft - wie bereits ausgefuhrt - an Verfahren, die\ndurch mundliche Verhandlung entschieden werden, an. Die Terminsgebuhr nach\nTeil 3, Absatz 3 der Vorbemerkung 3 des Vergutungsverzeichnisses kann daher\nunter Berucksichtigung der systematischen und teleologischen Auslegung des\nTatbestandes nur in solchen Fallen anfallen, in denen die Terminsgebuhr bei\neiner vergleichenden Betrachtung auch im Falle der (regularen) Durchfuhrung\ndes Verfahrens entstanden ware. Im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO, das\nregelmaßig ohne eine Verhandlung oder Erorterung aufgrund einer\nRechtsfolgenabschatzung durch Beschluss entschieden wird, ist dies nicht der\nFall. Anderes mag gelten, wenn in einem Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO\nausnahmsweise eine mundliche Verhandlung anberaumt wurde und danach eine auf\neine Einigung angelegte Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts\nstattgefunden hat. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist nach\n§ 66 Abs. 8 Satz 1 GKG gebuhrenfrei. \n--- \n| 9 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
142,622
vghbw-2006-11-06-2-s-152806
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 S 1528/06
2006-11-06
2019-01-09 09:15:03
2019-01-17 12:02:46
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts\nSigmaringen vom 27. April 2006 - 2 K 155/06 - teilweise geandert. Der Bescheid\ndes Beklagten vom 13.10.2005 und dessen Widerspruchsbescheid vom 2.1.2006\nwerden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, uber den Antrag des Klagers\nauf Bewilligung einer Rundfunkgebuhrenbefreiung fur den Zeitraum August 2005\nbis April 2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu\nentscheiden.\n\nIm Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zuruckgewiesen.\n\nDie Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszugen werden gegeneinander\naufgehoben. Gerichtskosten werden nicht erhoben.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager begehrt eine Befreiung von der Rundfunkgebuhrenpflicht fur den\nZeitraum 1.8.2005 bis 30.4.2006. \n--- \n| 2 \n--- \n| Den dahingehenden Antrag des Klagers vom 11.7.2005 lehnte der Beklagte mit\nBescheid vom 13.10.2005 unter Hinweis darauf ab, dass die Voraussetzungen fur\neine Befreiung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 des Rundfunkgebuhrenstaatsvertrags\n(RGebStV) nicht erfullt seien, nachdem der Klager zu den (allgemeinen)\nLeistungen nach dem SGB II einen (befristeten) Zuschlag nach § 24 Abs. 2\ndieses Gesetzes erhalte. Hiergegen erhob der Klager Widerspruch unter Hinweis\ndarauf, dass er bei Zahlung der Rundfunkgebuhr nicht mehr das Existenzminimum\nerreiche, jedenfalls aber eine Harte vorliege, die eine Befreiung von der\nRundfunkgebuhrenpflicht rechtfertige. Der Beklagte wies den Widerspruch mit\nBescheid vom 2.1.2006 zuruck. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 7.2.2006 hat der Klager beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und seinen\nim Vorverfahren eingenommenen Standpunkt verteidigt. Dem Antrag des Klagers,\nden Bescheid des Beklagten vom 13.10.2005 und dessen Widerspruchsbescheid vom\n2.1.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn von der\nRundfunkgebuhrenpflicht zu befreien, ist dieser entgegengetreten. Er hat\ngeltend gemacht, die Befreiung stelle eine soziale Leistung dar, die zu Lasten\nder zahlenden Rundfunkteilnehmer erfolge. Eine enge Auslegung der\nBefreiungstatbestande sei deshalb geboten. Da eine Verwaltungsvereinfachung\nangestrebt sei und es um ein Geschaft im Rahmen einer Massenverwaltung gehe,\nsei eine Einzelfallbetrachtung nicht geboten. Nach § 6 RGebStV scheide eine\nBefreiung aus, wenn der dort in Abs. 1 S. 1 Nr. 3 genannte Zuschlag bewilligt\nworden sei. Auf dessen Hohe konne es nicht ankommen. Stehe ein solcher\nSachverhalt in Rede, konne nach der Rechtsprechung eine besondere, die\nBefreiung von der Rundfunkgebuhrenpflicht tragende Harte nicht angenommen\nwerden. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Urteil vom 27.4.2006 hat das Verwaltungsgericht die genannten Bescheide\ndes Beklagten aufgehoben und diesen verpflichtet, den Klager fur den Zeitraum\n1.8.2005 bis 30.4.2006 von der Rundfunkgebuhrenpflicht zu befreien. Zur\nBegrundung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen darauf abgestellt, dass\ndem Klager ein Anspruch auf Befreiung auf Grund der Hartefallregelung in § 6\nAbs. 3 RGebStV zustehe. Diese Vorschrift sei nicht mit Blick auf die\nTatbestande in Abs. 1 der Bestimmung von der Anwendung ausgeschlossen. Ein\nbesonderer Hartefall sei deshalb gegeben, weil der Klager den\nanspruchsvernichtenden Zuschlag nach § 24 SGB II in einer Hohe erhalte, die\nunter den monatlich zu entrichtenden Rundfunkgebuhren liege; kame der Klager\nnicht in den Genuss der beantragten Gebuhrenbefreiung, stunde er schlechter\nals derjenige, der den Zuschlag nach § 24 SGB II nicht erhalte. Dies ware ein\nVerstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar sei das\nVerfahren zur Rundfunkgebuhrenbefreiung als Geschaft der Massenverwaltung auf\ngeneralisierende und pauschalierende Regelungen angewiesen. Eine deshalb\ngerechtfertigte Typisierung mit der Folge der Ungleichbehandlung von\nEinzelfallen sei allerdings im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG nur dann zulassig,\nwenn sie nur eine verhaltnismaßig kleine Zahl von Personen betreffe, der\nVerstoß gegen einen absolut verstandenen Gleichheitssatz damit von geringer\nIntensitat sei und sich die bewirkten Ungleichheiten als unvermeidbar\ndarstellten. Bei Empfangern von Arbeitslosengeld II lasse sich dem\nBewilligungsbescheid, der bei einem Antrag auf Befreiung von der\nRundfunkgebuhrenpflicht ohnehin vorzulegen sei (vgl. § 6 Abs. 2 RGebStV),\nentnehmen, ob ein Zuschlag nach § 24 SGB II bewilligt worden und in welcher\nHohe dies geschehen sei. Die Überprufung, ob ein solcher Zuschlag uberhaupt\nbewilligt worden sei, werde schon vom Tatbestand des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3\nRGebStV gefordert. Ein ins Gewicht fallender Verwaltungsaufwand lasse sich bei\nder Prufung der Hohe des Zuschlags nicht feststellen, so dass von einer\nUnvermeidbarkeit der Ungleichbehandlung nicht gesprochen werden konne. Die\nAbsicht des Gesetzgebers, Empfanger von Arbeitslosengeld II in den ersten\nbeiden Jahren der Leistungsberechtigung besser zu stellen, werde uberdies\n„konterkariert", wenn derjenige, der einen geringen Zuschlag nach § 24 SGB II\nerhalte, Rundfunkgebuhren entrichte und abzuglich der Rundfunkgebuhren uber\neine geringere staatliche Sozialleistung verfuge als derjenige, der nicht in\nden Genuss des Zuschlags komme. Angesichts der geringen Betrage, die\nEmpfangern von Arbeitslosengeld II monatlich zur Verfugung stunden, lasse sich\nauch nicht sagen, dass die hier in Rede stehenden Nachteile geringfugig und\ndaher vernachlassigbar seien. Die Hartefallklausel des § 6 Abs. 3 RGebStV\ngestatte es, die aufgezeigte verfassungswidrige Ungleichbehandlung zu\nvermeiden. Das dem Beklagten eingeraumte Ermessen reduziere sich auf Null, da\nnur mit einer Befreiungsentscheidung den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG genugt\nwerden konne. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Beklagte hat am 28.6.2006 die vom Verwaltungsgericht zugelassene\nBerufung eingelegt, zu deren Begrundung er im Wesentlichen vorbringt, die\nHartefallregelung in § 6 Abs. 3 RGebStV entspreche der fruheren Regelung mit\nder Folge, dass eine Befreiung nur bei atypischen Einzelfallen in Betracht\nkomme und eine Umgehung der abschließend geregelten Befreiungsvoraussetzungen\nnach Abs. 1 der Vorschrift verhindert werden solle. Daher sei eine Befreiung\nwegen besonderer Harte ausgeschlossen, wenn Empfanger von Arbeitslosengeld II\neinen Zuschlag erhielten, zumal dies auch dem Gesetzeszweck zuwiderlaufe. Dem\nwerde die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ersichtlich nicht gerecht. \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 7 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27.4.2006 zu andern und die Klage\nabzuweisen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Er verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. \n--- \n| 11 \n--- \n| Dem Senat liegen die angefallenen Akten des Beklagten und die des\nVerwaltungsgerichts vor. Auf sie und auf die zwischen den Beteiligten\ngewechselten Schriftsatze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| Der Senat entscheidet im Einverstandnis der Beteiligten uber das vom\nVerwaltungsgericht zugelassene Rechtsmittel ohne mundliche Verhandlung (vgl.\n§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Berufung des Beklagen ist zulassig, aber nur zu einem Teil begrundet.\nDas Verwaltungsgericht hatte der Verpflichtungsklage nicht uneingeschrankt\nstattgeben durfen; denn dem Klager steht lediglich ein Anspruch darauf zu,\ndass uber eine Befreiung nach Ermessen erneut unter Beachtung der\nRechtsauffassung des Gerichts entschieden wird (dazu § 113 Abs. 5 Satz 2\nVwGO). \n--- \n| 14 \n--- \n| (1) Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die\nVoraussetzungen fur eine Befreiung des Klagers von der Rundfunkgebuhrenpflicht\nnach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 des Rundfunkgebuhrenstaatsvertrags - RGebStV -\n(Art. 4 des Staatsvertrags uber den Rundfunk im vereinten Deutschland vom\n31.8.1991, GBl. S. 745 - ber. GBl. 1992, 188, zuletzt geandert durch Art. 5\ndes am 1.4.2005 in Kraft getretenen Achten Staatsvertrags zur Änderung\nrundfunkrechtlicher Staatsvertrage; dazu Gesetz vom 17.3.2005, GBl. S. 189)\nnicht erfullt sind. Nach dieser Bestimmung wird von der\nRundfunkgebuhrenpflicht befreit, wer Empfanger von Sozialgeld oder\nArbeitslosengeld II einschließlich von Leistungen nach § 22 ohne Zuschlage\nnach § 24 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches ist. Fur die Befreiung ist\nein Antrag erforderlich (vgl. § 6 Abs. 2 RGebStV). Da der Klager - wie das\nVerwaltungsgericht festgestellt hat und zwischen den Beteiligten auch nicht im\nStreit ist - die in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RGebStV genannten Leistungen mit\nZuschlag erhalt, ist ein Anspruch auf eine Befreiung von der Pflicht,\nRundfunkgebuhren zu bezahlen, insoweit nicht gegeben. \n--- \n| 15 \n--- \n| (2) Allerdings kommt im Fall des Klagers eine Befreiung von der\nRundfunkgebuhrenpflicht unter dem Gesichtspunkt des besonderen Hartefalls im\nSinne von § 6 Abs. 3 RGebStV in Betracht. Nach dieser Bestimmung kann die\nRundfunkanstalt unbeschadet der Gebuhrenbefreiung nach § 6 Abs. 1 RGebStV in\nbesonderen Hartefallen auf Antrag von der Rundfunkgebuhrenpflicht befreien.\nDen fur die Befreiung nach § 6 Abs. 3 RGebStV vorausgesetzten Antrag hat der\nKlager unstreitig gestellt. \n--- \n| 16 \n--- \n| (a) Auf § 6 Abs. 3 RGebStV ist entgegen der Ansicht des Beklagten hier auch\nabzustellen. Dass diese Regelung nur mit der Einschrankung zu verstehen ist,\nihre Anwendung scheide in solchen Fallen aus, die einem der in Abs. 1\nbeschriebenen Tatbestanden zuzuordnen sind, trifft - wie fur die fruhere\nRechtslage wiederholt entschieden ist - zu. Danach ist § 6 Abs. 3 RGebStV -\nwie auch die Vorgangerregelung des § 2 BefrVO - als Auffangtatbestand zu\nverstehen (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 28.8.2006 - 2 S 844/06 -; Beschluss\nvom 13.3.2006 - 2 S 202/06 -; zum Ganzen auch Siekmann in Beckscher Kommentar\nzum Rundfunkrecht, § 6 RGebStV RdNr. 31 m.w.N.). Insoweit ist die Erwagung des\nBeklagten auch zutreffend, ein anderes Verstandnis des § 6 Abs. 3 RGebStV\nfuhre zur „Umgehung" der Grundtatbestande in § 6 Abs. 1 RGebStV. \n--- \n| 17 \n--- \n| (b) Indes ist nach Auffassung des erkennenden Senats der Neuregelung der\nBefreiungsvoraussetzungen in § 6 Abs. 1 RGebStV durch eine differenzierte\nBestimmung des „Auffangtatbestands" gem. § 6 Abs. 3 RGebStV Rechnung zu\ntragen. \n--- \n| 18 \n--- \n| (aa) Wie die Regelungen in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 10 RGebStV\nverdeutlichen, ist tatbestandlicher Anknupfungspunkt fur eine Befreiung von\nder Rundfunkgebuhrenpflicht nicht mehr das Einkommen (fruher: § 1 Abs. 1 Nr. 7\nBefrVO), sondern der Empfang staatlicher Leistungen, wie er regelmaßig\nAusdruck in einem Leistungsbescheid findet. Fur die vorliegende Fallgestaltung\nist § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RGebStV maßgeblich, wonach Empfanger von Sozialgeld\noder Arbeitslosengeld II dann einen Anspruch auf Rundfunkgebuhrenbefreiung\nhaben, wenn ihnen kein Zuschlag nach § 24 SGB II gewahrt wird. Auch in diesem\nFall bleibt das Einkommen des Betroffenen ohne Bedeutung. \n--- \n| 19 \n--- \n| (bb) Dementsprechend unterscheidet sich auch die Auslegung des § 6 Abs. 3\nRGebStV als "Auffangtatbestand" mit Blick auf Abs. 1 der Regelung von der\nfruheren Rechtslage. Zwar sind - wie bei § 2 BefrVO - auch im Rahmen des § 6\nAbs. 3 RGebStV nur unberucksichtigte besondere Hartefalle erfasst, die nicht\nzur Umgehung der in Abs. 1 angefuhrten Tatbestande fuhren durfen. § 6 Abs. 3\nRGebStV ist deshalb nach wie vor Auffangtatbestand fur Fallgestaltungen, die\nwegen des Hinzutretens besonderer Umstande von Abs. 1 nicht erfasst sind (so\nzu § 2 BefrVO: Siekmann, a.a.O., RdNr. 31 m.w.N.; im Ergebnis auch Beschluss\ndes Senats vom 13.3.2006 - 2 S 202/06 -). Anknupfungspunkt fur die\nGebuhrenbefreiung ist aber nicht mehr das „Einkommen", sondern das Vorliegen\neines Leistungsbescheides im Sinne von § 6 Abs. 1 RGebStV. Ist demnach nur\nnoch der dort angesprochene Bewilligungs- bzw. Leistungsbescheid maßgeblich,\nso liegt es nahe, die Ansicht des Verwaltungsgerichts zu hinterfragen, soweit\nes bei der konkreten Anwendung des § 6 Abs. 1 RGebStV wegen deren Auswirkung\nauf das Einkommen einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sehen\nwill. Denn wenn nach dem Wortlaut des Gesetzes der Leistungsbescheid allein\nmaßgeblich sein soll, mussen die Folgen eines mit ihm gewahrten Zuschlags\naußer Betracht bleiben. Dies gilt auch fur den Fall, dass der\nLeistungsbescheid mit Zuschlag dazu fuhrt, dass mit Zahlung der Rundfunkgebuhr\nletztlich eine Minderung des nach dem Leistungsbescheid zustehenden\nGeldbetrags bewirkt wird. Der Gesetzgeber hat mit der Anknupfung an den\nBescheid - und nicht an den dort festgesetzten Geldbetrag - abschließend die\nBefreiungsvoraussetzungen geregelt (dazu die Begrundung zum Achten\nRundfunkanderungsstaatsvertrag, LT-Drs.- 13/3784, S. 22). Eine betragsmaßige\nAuswirkung, wie sie im vorliegenden Sachverhalt auf Grund der Geringfugigkeit\nder Zulage nach § 24 SGB II eingetreten ist, ist von ihm daher „billigend" in\nKauf genommen worden und daher regelmaßig nicht als „Harte" zu beurteilen. Der\nBetroffene kann daher mit der Begrundung, es sei wegen der geringen Hohe der\nZulage eine Harte gegeben, weil die Rundfunkgebuhr den ihm durch\nLeistungsbescheid bewilligten Betrag verringere, nicht durchdringen, er kann\naber geltend machen, infolge weiterer Umstande sei ein besonderer Hartefall\nnach § 6 Abs. 3 RGebStV gegeben (ebenso OVG Luneburg, Beschluss vom 22.3.2006\n- 4 PA 38/06 -, NordÖR 2006, 261). \n--- \n| 20 \n--- \n| (cc) Der Begriff des „besonderen Hartefalls" ist als Rechtsbegriff im\nZusammenhang mit der gesetzlichen Regelung zu sehen. Die in Rede stehende\nRundfunkgebuhr ist eine - jedenfalls auch der Finanzierung dienende und daher\n- offentliche Abgabe. Bei der Prufung, ob ein Hartefall vorliegt, kommt es\ndementsprechend auf die Vollziehungsfolgen, mithin auf die Folgen der\nDurchsetzung der konkreten Zahlungspflicht einerseits und auf die\nwirtschaftliche Lage des von der Forderung Betroffenen andererseits an. Es\nsollen lediglich die mit der Vollziehung verbundenen personlichen - nicht auch\ndie in § 227 AO zusatzlich angesprochenen - sachlichen Harten ausgeschlossen\nwerden (vgl. zur BefrVO auch Siekmann a.a.O.). Ein derartiger Hartefall liegt\ninsbesondere vor, wenn, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1\ndes § 6 RGebStV vorliegen, eine „vergleichbare Bedurftigkeit nachgewiesen\nwerden kann" (so die Begrundung zum Achten Rundfunkanderungsstaatsvertrag, LT-\nDrs.- 13/3784, S. 22). Auf eine solche "vergleichbare Bedurftigkeit" beruft\nsich der Klager, wenn er darauf abstellt, sein Einkommen betrage nicht einmal\ndas Eineinhalbfache des regelmaßigen Sozialhilfesatzes. Mit dem Hinweis auf\n„Einkommen", bzw. „Existenzminimum" wird - wie dargelegt - nicht an einen\nTatbestand des § 6 Abs. 1 RGebStV angeknupft. \n--- \n| 21 \n--- \n| (c) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass dem Beklagten bei\nAnwendung der Hartefallklausel des § 6 Abs. 3 RGebStV Ermessen eroffnet ist.\nDies zeigt bereits der Wortlaut der Regelung. Allerdings ist die vom\nVerwaltungsgericht angenommene „Reduzierung des Ermessens auf Null" nicht mit\nBlick auf Art. 3 Abs. 1 GG gegeben. Dies folgt aus den obigen Ausfuhrungen.\nAnhaltspunkte fur eine derartige Ermessensbeschrankung sind auch sonst nicht\nerkennbar. Ob der Beklagte mit dem Klager von einer Beeintrachtigung des\nExistenzminimums ausgeht, namentlich dessen Hinweis auf ein Einkommen, das\nlediglich das Eineinhalbfache des regelmaßigen Sozialhilfesatzes betrage, als\nGrundlage fur die Annahme eines besonderen Hartefalls fur ausreichend\nerachtet, ist nicht abschließend zu beurteilen. Abgesehen davon hat sich der\nBeklagte nach den dem Senat vorliegenden Verwaltungsakten ausdrucklich eine\nEntscheidung uber den „Harteantrag" durch besonderen Bescheid vorbehalten.\nEine solche Entscheidung ist nach den vorliegenden Unterlagen bisher nicht\nerfolgt. Deshalb ist es nach Ansicht des Senats auch angezeigt, dem Beklagten\ndiese Entscheidungsmoglichkeit zu belassen, zumal eine Ermessensbeschrankung -\nsoweit sie gesetzlich nicht angelegt ist -auch nur ausnahmsweise angenommen\nwerden kann (so Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 40 RdNr. 57\nm.w.N.). \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132\nAbs. 2 VwGO vorliegt. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| Der Senat entscheidet im Einverstandnis der Beteiligten uber das vom\nVerwaltungsgericht zugelassene Rechtsmittel ohne mundliche Verhandlung (vgl.\n§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Berufung des Beklagen ist zulassig, aber nur zu einem Teil begrundet.\nDas Verwaltungsgericht hatte der Verpflichtungsklage nicht uneingeschrankt\nstattgeben durfen; denn dem Klager steht lediglich ein Anspruch darauf zu,\ndass uber eine Befreiung nach Ermessen erneut unter Beachtung der\nRechtsauffassung des Gerichts entschieden wird (dazu § 113 Abs. 5 Satz 2\nVwGO). \n--- \n| 14 \n--- \n| (1) Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die\nVoraussetzungen fur eine Befreiung des Klagers von der Rundfunkgebuhrenpflicht\nnach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 des Rundfunkgebuhrenstaatsvertrags - RGebStV -\n(Art. 4 des Staatsvertrags uber den Rundfunk im vereinten Deutschland vom\n31.8.1991, GBl. S. 745 - ber. GBl. 1992, 188, zuletzt geandert durch Art. 5\ndes am 1.4.2005 in Kraft getretenen Achten Staatsvertrags zur Änderung\nrundfunkrechtlicher Staatsvertrage; dazu Gesetz vom 17.3.2005, GBl. S. 189)\nnicht erfullt sind. Nach dieser Bestimmung wird von der\nRundfunkgebuhrenpflicht befreit, wer Empfanger von Sozialgeld oder\nArbeitslosengeld II einschließlich von Leistungen nach § 22 ohne Zuschlage\nnach § 24 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches ist. Fur die Befreiung ist\nein Antrag erforderlich (vgl. § 6 Abs. 2 RGebStV). Da der Klager - wie das\nVerwaltungsgericht festgestellt hat und zwischen den Beteiligten auch nicht im\nStreit ist - die in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RGebStV genannten Leistungen mit\nZuschlag erhalt, ist ein Anspruch auf eine Befreiung von der Pflicht,\nRundfunkgebuhren zu bezahlen, insoweit nicht gegeben. \n--- \n| 15 \n--- \n| (2) Allerdings kommt im Fall des Klagers eine Befreiung von der\nRundfunkgebuhrenpflicht unter dem Gesichtspunkt des besonderen Hartefalls im\nSinne von § 6 Abs. 3 RGebStV in Betracht. Nach dieser Bestimmung kann die\nRundfunkanstalt unbeschadet der Gebuhrenbefreiung nach § 6 Abs. 1 RGebStV in\nbesonderen Hartefallen auf Antrag von der Rundfunkgebuhrenpflicht befreien.\nDen fur die Befreiung nach § 6 Abs. 3 RGebStV vorausgesetzten Antrag hat der\nKlager unstreitig gestellt. \n--- \n| 16 \n--- \n| (a) Auf § 6 Abs. 3 RGebStV ist entgegen der Ansicht des Beklagten hier auch\nabzustellen. Dass diese Regelung nur mit der Einschrankung zu verstehen ist,\nihre Anwendung scheide in solchen Fallen aus, die einem der in Abs. 1\nbeschriebenen Tatbestanden zuzuordnen sind, trifft - wie fur die fruhere\nRechtslage wiederholt entschieden ist - zu. Danach ist § 6 Abs. 3 RGebStV -\nwie auch die Vorgangerregelung des § 2 BefrVO - als Auffangtatbestand zu\nverstehen (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 28.8.2006 - 2 S 844/06 -; Beschluss\nvom 13.3.2006 - 2 S 202/06 -; zum Ganzen auch Siekmann in Beckscher Kommentar\nzum Rundfunkrecht, § 6 RGebStV RdNr. 31 m.w.N.). Insoweit ist die Erwagung des\nBeklagten auch zutreffend, ein anderes Verstandnis des § 6 Abs. 3 RGebStV\nfuhre zur „Umgehung" der Grundtatbestande in § 6 Abs. 1 RGebStV. \n--- \n| 17 \n--- \n| (b) Indes ist nach Auffassung des erkennenden Senats der Neuregelung der\nBefreiungsvoraussetzungen in § 6 Abs. 1 RGebStV durch eine differenzierte\nBestimmung des „Auffangtatbestands" gem. § 6 Abs. 3 RGebStV Rechnung zu\ntragen. \n--- \n| 18 \n--- \n| (aa) Wie die Regelungen in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 10 RGebStV\nverdeutlichen, ist tatbestandlicher Anknupfungspunkt fur eine Befreiung von\nder Rundfunkgebuhrenpflicht nicht mehr das Einkommen (fruher: § 1 Abs. 1 Nr. 7\nBefrVO), sondern der Empfang staatlicher Leistungen, wie er regelmaßig\nAusdruck in einem Leistungsbescheid findet. Fur die vorliegende Fallgestaltung\nist § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RGebStV maßgeblich, wonach Empfanger von Sozialgeld\noder Arbeitslosengeld II dann einen Anspruch auf Rundfunkgebuhrenbefreiung\nhaben, wenn ihnen kein Zuschlag nach § 24 SGB II gewahrt wird. Auch in diesem\nFall bleibt das Einkommen des Betroffenen ohne Bedeutung. \n--- \n| 19 \n--- \n| (bb) Dementsprechend unterscheidet sich auch die Auslegung des § 6 Abs. 3\nRGebStV als "Auffangtatbestand" mit Blick auf Abs. 1 der Regelung von der\nfruheren Rechtslage. Zwar sind - wie bei § 2 BefrVO - auch im Rahmen des § 6\nAbs. 3 RGebStV nur unberucksichtigte besondere Hartefalle erfasst, die nicht\nzur Umgehung der in Abs. 1 angefuhrten Tatbestande fuhren durfen. § 6 Abs. 3\nRGebStV ist deshalb nach wie vor Auffangtatbestand fur Fallgestaltungen, die\nwegen des Hinzutretens besonderer Umstande von Abs. 1 nicht erfasst sind (so\nzu § 2 BefrVO: Siekmann, a.a.O., RdNr. 31 m.w.N.; im Ergebnis auch Beschluss\ndes Senats vom 13.3.2006 - 2 S 202/06 -). Anknupfungspunkt fur die\nGebuhrenbefreiung ist aber nicht mehr das „Einkommen", sondern das Vorliegen\neines Leistungsbescheides im Sinne von § 6 Abs. 1 RGebStV. Ist demnach nur\nnoch der dort angesprochene Bewilligungs- bzw. Leistungsbescheid maßgeblich,\nso liegt es nahe, die Ansicht des Verwaltungsgerichts zu hinterfragen, soweit\nes bei der konkreten Anwendung des § 6 Abs. 1 RGebStV wegen deren Auswirkung\nauf das Einkommen einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sehen\nwill. Denn wenn nach dem Wortlaut des Gesetzes der Leistungsbescheid allein\nmaßgeblich sein soll, mussen die Folgen eines mit ihm gewahrten Zuschlags\naußer Betracht bleiben. Dies gilt auch fur den Fall, dass der\nLeistungsbescheid mit Zuschlag dazu fuhrt, dass mit Zahlung der Rundfunkgebuhr\nletztlich eine Minderung des nach dem Leistungsbescheid zustehenden\nGeldbetrags bewirkt wird. Der Gesetzgeber hat mit der Anknupfung an den\nBescheid - und nicht an den dort festgesetzten Geldbetrag - abschließend die\nBefreiungsvoraussetzungen geregelt (dazu die Begrundung zum Achten\nRundfunkanderungsstaatsvertrag, LT-Drs.- 13/3784, S. 22). Eine betragsmaßige\nAuswirkung, wie sie im vorliegenden Sachverhalt auf Grund der Geringfugigkeit\nder Zulage nach § 24 SGB II eingetreten ist, ist von ihm daher „billigend" in\nKauf genommen worden und daher regelmaßig nicht als „Harte" zu beurteilen. Der\nBetroffene kann daher mit der Begrundung, es sei wegen der geringen Hohe der\nZulage eine Harte gegeben, weil die Rundfunkgebuhr den ihm durch\nLeistungsbescheid bewilligten Betrag verringere, nicht durchdringen, er kann\naber geltend machen, infolge weiterer Umstande sei ein besonderer Hartefall\nnach § 6 Abs. 3 RGebStV gegeben (ebenso OVG Luneburg, Beschluss vom 22.3.2006\n- 4 PA 38/06 -, NordÖR 2006, 261). \n--- \n| 20 \n--- \n| (cc) Der Begriff des „besonderen Hartefalls" ist als Rechtsbegriff im\nZusammenhang mit der gesetzlichen Regelung zu sehen. Die in Rede stehende\nRundfunkgebuhr ist eine - jedenfalls auch der Finanzierung dienende und daher\n- offentliche Abgabe. Bei der Prufung, ob ein Hartefall vorliegt, kommt es\ndementsprechend auf die Vollziehungsfolgen, mithin auf die Folgen der\nDurchsetzung der konkreten Zahlungspflicht einerseits und auf die\nwirtschaftliche Lage des von der Forderung Betroffenen andererseits an. Es\nsollen lediglich die mit der Vollziehung verbundenen personlichen - nicht auch\ndie in § 227 AO zusatzlich angesprochenen - sachlichen Harten ausgeschlossen\nwerden (vgl. zur BefrVO auch Siekmann a.a.O.). Ein derartiger Hartefall liegt\ninsbesondere vor, wenn, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1\ndes § 6 RGebStV vorliegen, eine „vergleichbare Bedurftigkeit nachgewiesen\nwerden kann" (so die Begrundung zum Achten Rundfunkanderungsstaatsvertrag, LT-\nDrs.- 13/3784, S. 22). Auf eine solche "vergleichbare Bedurftigkeit" beruft\nsich der Klager, wenn er darauf abstellt, sein Einkommen betrage nicht einmal\ndas Eineinhalbfache des regelmaßigen Sozialhilfesatzes. Mit dem Hinweis auf\n„Einkommen", bzw. „Existenzminimum" wird - wie dargelegt - nicht an einen\nTatbestand des § 6 Abs. 1 RGebStV angeknupft. \n--- \n| 21 \n--- \n| (c) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass dem Beklagten bei\nAnwendung der Hartefallklausel des § 6 Abs. 3 RGebStV Ermessen eroffnet ist.\nDies zeigt bereits der Wortlaut der Regelung. Allerdings ist die vom\nVerwaltungsgericht angenommene „Reduzierung des Ermessens auf Null" nicht mit\nBlick auf Art. 3 Abs. 1 GG gegeben. Dies folgt aus den obigen Ausfuhrungen.\nAnhaltspunkte fur eine derartige Ermessensbeschrankung sind auch sonst nicht\nerkennbar. Ob der Beklagte mit dem Klager von einer Beeintrachtigung des\nExistenzminimums ausgeht, namentlich dessen Hinweis auf ein Einkommen, das\nlediglich das Eineinhalbfache des regelmaßigen Sozialhilfesatzes betrage, als\nGrundlage fur die Annahme eines besonderen Hartefalls fur ausreichend\nerachtet, ist nicht abschließend zu beurteilen. Abgesehen davon hat sich der\nBeklagte nach den dem Senat vorliegenden Verwaltungsakten ausdrucklich eine\nEntscheidung uber den „Harteantrag" durch besonderen Bescheid vorbehalten.\nEine solche Entscheidung ist nach den vorliegenden Unterlagen bisher nicht\nerfolgt. Deshalb ist es nach Ansicht des Senats auch angezeigt, dem Beklagten\ndiese Entscheidungsmoglichkeit zu belassen, zumal eine Ermessensbeschrankung -\nsoweit sie gesetzlich nicht angelegt ist -auch nur ausnahmsweise angenommen\nwerden kann (so Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 40 RdNr. 57\nm.w.N.). \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132\nAbs. 2 VwGO vorliegt. \n---\n\n
142,686
vghbw-2006-11-17-4-s-10105
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 S 101/05
2006-11-17
2019-01-09 09:15:40
2019-01-17 12:02:50
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts\nStuttgart vom 08. Dezember 2004 - 17 K 3752/04 \\- geandert. Die Klage wird\nabgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszugen.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten um die Beihilfefahigkeit des Arzneimittels Cialis. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der im Jahre 1952 geborene Klager beantragte unter dem 14.04.2004 die\nGewahrung von Beihilfe unter anderem zu Aufwendungen in Hohe von 144,42 EUR\nfur das Medikament Cialis nach Rezepten vom 29.01.2004, 20.02.2004 und\n16.04.2004. Insoweit wurde sein Antrag mit Bescheid des Landesamts fur\nBesoldung und Versorgung Baden-Wurttemberg vom 27.04.2004 mit dem Hinweis\nabgelehnt, dass Aufwendungen fur Mittel, die zur Potenzsteigerung verordnet\nwurden, nicht beihilfefahig seien; wurden potenzsteigernde Praparate zur\nBehandlung anderer Krankheiten als der erektilen Dysfunktion verordnet, so\nmusse dies vom Arzt unter Angabe der Diagnose entsprechend bescheinigt werden.\nMit seinem Widerspruch legte der Klager eine arztliche Bescheinigung vom\n03.03.2004 vor, wonach bei ihm eine Hyperprolaktinamie gegeben sei; es sei\ndaher von einer uberwiegend organischen Genese der erektilen Dysfunktion\nauszugehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2004 wies das Landesamt fur\nBesoldung und Versorgung den Widerspruch zuruck. \n--- \n| 3 \n--- \n| Auf die hiergegen am 23.09.2004 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht\nStuttgart den Beklagten mit Urteil vom 08.12.2004 - 17 K 3752/04 - unter\nAufhebung der insoweit entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, dem Klager\nauf den Antrag vom 14.04.2004 weitere Beihilfe in Hohe von 101,09 EUR zu\ngewahren. Zur Begrundung hat das Verwaltungsgericht ausgefuhrt, dass § 6 Abs.\n1 Nr. 2 Satz 2 BVO, wonach unter anderem Aufwendungen fur Mittel, die zur\nPotenzsteigerung verordnet seien, nicht beihilfefahig seien, unwirksam sei.\nDer Ausschluss verstoße gegen die fur die Gewahrung von Beihilfe aufgestellten\nGrundsatze, wie sie im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2002 zum\nAusdruck kamen. Danach werde der Wesenskern der Fursorgepflicht dann beruhrt,\nwenn ein Mittel existenzielle Bedeutung habe oder notwendig sei, um\nwesentliche Verrichtungen des taglichen Lebens erledigen zu konnen. Diese\nVoraussetzungen ergaben sich aus der Bedeutung der Sexualitat fur den\nMenschen, insbesondere innerhalb der Familie, die dort zum Alltaglichen\ngehore. Wenn aber die Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO\nkeinen Bestand haben konne, gelte wieder die Regel des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1\nBVO, aufgrund derer die Aufwendungen des Klagers beihilfefahig seien. \n--- \n| 4 \n--- \n| Gegen dieses ihm am 28.12.2004 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am\n05.01.2005 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Es macht\ngeltend, der Ausschluss der Beihilfegewahrung zu Aufwendungen fur Mittel zur\nPotenzsteigerung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO sei mit hoherrangigem Recht\nvereinbar. Insbesondere verletze die Regelung nicht die Fursorgepflicht des\nDienstherrn in ihrem Wesenskern. Bei der vom Verwaltungsgericht aus dem Urteil\ndes Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2002 zitierten Passage handle es sich\nnicht um eine tragende Ausfuhrung; in dem zitierten Urteil sei eine Verletzung\ndes Wesenskerns der Fursorgepflicht abgelehnt worden. Die Ausfuhrungen des\nBundesverwaltungsgerichts zur existenziellen Bedeutung bzw. zur Notwendigkeit\nfur wesentliche Verrichtungen des taglichen Lebens bezogen sich auf die\nBeihilfefahigkeit von Hilfsmitteln oder Ersatzstucken. Jedenfalls der Begriff\nder „Verrichtungen" treffe im vorliegenden Fall auch nicht zu; die\nVoraussetzungen fur eine „existenzielle Bedeutung" lagen ebenso wenig vor. Das\nMedikament diene (lediglich) dazu, eine normale, aber nicht uberlebenswichtige\nKorperfunktion zeitweise wiederherzustellen. Auch unabhangig von der\nunzutreffenderweise herangezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts\nverstoße der Ausschluss potenzsteigernder Mittel nicht gegen den Wesenskern\nder Fursorgepflicht. Das erstinstanzliche Urteil setze sich mit der\nfinanziellen Belastung, die mit dem Ausschluss potenzsteigernder Mittel von\nder Beihilfe einhergehe, nicht auseinander. Es sei nicht ersichtlich, dass die\nAufwendungen, um die es hier gehe, den Klager wirtschaftlich so in Bedrangnis\ngebracht hatten, dass eine amtsangemessene Lebensfuhrung fur ihn und seine\nFamilie nicht mehr gewahrleistet ware. Die Hohe der hier streitigen\nAufwendungen zeige eindeutig, dass die Grenze der zumutbaren Eigenbelastung\nnicht uberschritten sei, also keine finanzielle Harte bejaht werden konne.\nAuch uber den speziellen Fall hinausgehend sei nicht ersichtlich, dass eine\nvon den Beihilfeberechtigten nicht mehr zu verkraftende, unzumutbare\nwirtschaftliche Situation durch den Ausschluss potenzsteigernder Mittel von\nder Beihilfegewahrung eintreten konnte. Hinzu komme, dass das\nVerwaltungsgericht es unzutreffenderweise unterlasse, zu uberprufen, inwieweit\nes sich bei potenzsteigernden Mitteln um solche handle, die dem Bereich der\nallgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen seien, und ein Ruckgriff auf die\nFursorgepflicht des Dienstherrn daher ohnehin ausscheide. Denn\npotenzsteigernde Mittel unterschieden sich erheblich von anderen Arzneimitteln\nund wurden vielfach den sogenannten „Lifestyle-Produkten" zugerechnet. Sie\nwurden nur im zeitlichen Zusammenhang mit dem Geschlechtsverkehr angewandt.\nDie Haufigkeit des Geschlechtsverkehrs und damit die Anwendung dieser\nPraparate sei somit nicht abhangig von krankheitsbedingten Gegebenheiten,\nsondern von nicht objektivierbaren personlichen Bedurfnissen des Einzelnen.\nEin Verstoß gegen sonstiges hoherrangiges Recht sei nicht ersichtlich,\ninsbesondere liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht vor. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 6 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Dezember 2004 - 17 K\n3752/04 - zu andern und die Klage abzuweisen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Klager verteidigt das angefochtene Urteil und tragt vor, dass seine\nBezuge bei weitem nicht ausreichten, um die Eigenbelastungen abzudecken. Er\nhabe eine vierkopfige Familie zu versorgen, beide Kinder seien noch in\nAusbildung. Seit Jahren sei es nicht moglich, Rucklagen zu bilden und in\nUrlaub zu fahren. Die Eigenbelastung mit den Kosten fur das Medikament Cialis\nwurde eine angemessene allgemeine Lebenshaltung deutlich einschranken. \n--- \n| 8 \n--- \n| Dem Senat liegen die einschlagigen Akten des Verwaltungsgerichts und des\nBeklagten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes\nwird hierauf und auf die gewechselten Schriftsatze verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 9 \n--- \n| Der Senat entscheidet mit Einverstandnis der Beteiligten ohne mundliche\nVerhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 10 \n--- \n| Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch im Übrigen zulassige\nBerufung des Beklagten ist begrundet. Das Verwaltungsgericht hat das beklagte\nLand zu Unrecht verpflichtet, dem Klager Beihilfe fur das Arzneimittel Cialis\nzu gewahren. Ein dahingehender Anspruch steht dem Klager nicht zu (§ 113 Abs.\n5 Satz 1 VwGO). Cialis ist nach der Beihilfeverordnung des Landes Baden-\nWurttemberg von der Beihilfefahigkeit ausgeschlossen. Dieser Ausschluss ist\nmit hoherrangigem Recht vereinbar. \n--- \n| 11 \n--- \n| Fur die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist\ngrundsatzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der\nAufwendungen maßgeblich, fur die Beihilfen verlangt werden (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 15.12.2005, Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 17, m.w.N.). Hinsichtlich der\nhier anzuwendenden Bestimmungen sind keine abweichenden Regelungen getroffen.\nNach § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung des Finanzministeriums uber\ndie Gewahrung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfallen\nvom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung der Verordnung vom 20.02.2003\n(GBl. S. 125) - Beihilfeverordnung - BVO - sind Aufwendungen beihilfefahig,\nwenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Hohe nach angemessen\nsind. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefahig\nu.a. die Aufwendungen fur nach Art und Umfang schriftlich verordnete\nArzneimittel. Nach Satz 2 sind nicht beihilfefahig Aufwendungen fur Mittel,\ndie geeignet sind, Guter des taglichen Bedarfs zu ersetzen, sowie fur Mittel,\ndie zur Empfangnisverhutung oder Potenzsteigerung verordnet sind. \n--- \n| 12 \n--- \n| Zu den letztgenannten Mitteln zahlt das dem Klager verordnete Arzneimittel\n„Cialis". „Cialis" enthalt den Wirkstoff Tadalafil und wird ausweislich des\nBeipackzettels zur Behandlung von Mannern mit erektiler Dysfunktion\nangewendet. In den Anwendungshinweisen heißt es: „Cialis gehort zu einer\nGruppe von Arzneimitteln, die „Phosphodiesterase 5 Inhibitoren" genannt\nwerden. Nach einer sexuellen Stimulierung hilft Cialis, die Blutgefaße in\nIhrem Penis zu entspannen, wodurch ein Blutstrom in Ihren Penis ermoglicht\nwird. Das Ergebnis ist eine verbesserte Erektion. Cialis wird Ihnen nicht\nhelfen, wenn Sie nicht unter einer erektilen Dysfunktion leiden. Es ist\nwichtig zu beachten, dass Cialis ohne eine sexuelle Stimulation nicht wirkt."\nDanach kann nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei Cialis um ein Mittel zur\nPotenzsteigerung handelt, das dem Klager auch zu diesem Zweck verordnet worden\nist. Einen anderen Anwendungsbereich hat er selbst nicht benannt. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der generelle Ausschluss der Beihilfefahigkeit von Mitteln, die zur\nPotenzsteigerung verordnet sind, ist mit hoherrangigem Recht vereinbar. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die verordnungsrechtliche Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO beruht\nauf § 101 Satz 2 LBG und ist in Einklang mit Art. 61 Abs. 1 der\nLandesverfassung (LVerf) und unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben in §\n101 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 5 LBG erfolgt. Nach § 101 Satz 3 Nr. 2 LBG ist in\nder Beihilfeverordnung insbesondere zu bestimmen, welche Aufwendungen\nbeihilfefahig sind; nach Satz 3 Nr. 4 LBG ist ferner zu bestimmen, wie die\nBeihilfe zu bemessen ist, wobei sie die notwendigen und angemessenen\nAufwendungen unter Berucksichtigung der Eigenvorsorge und zumutbarer\nSelbstbehalte decken soll. Diese Ermachtigung umfasst grundsatzlich auch den\nAusschluss oder die Begrenzung von Beihilfe fur bestimmte krankheitsbedingte\nAufwendungen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 22.02.1995 - 4 S 642/94 -, IÖD\n1995, 128, und Senatsurteil vom 24.03.1994 - 4 S 2953/93 -, ESVGH 44, 316;\nBVerwG, Beschluss vom 03.03.1989, Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 6). \n--- \n| 15 \n--- \n| Von der danach eingeraumten Ermachtigung hat der Verordnungsgeber in nicht\nzu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Die getroffene Ausschlussregelung\nverstoßt nicht gegen die hergebrachten Grundsatze des Berufsbeamtentums (Art.\n33 Abs. 5 GG), insbesondere nicht gegen die gesetzliche Fursorgepflicht (§ 98\nLBG) des Dienstherrn, die der Beklagte zugunsten des Klagers beachten muss. \n--- \n| 16 \n--- \n| Art. 33 Abs. 5 GG schutzt nur jenen Kernbestand von Strukturprinzipien der\nInstitution des Berufsbeamtentums, die allgemein oder doch uberwiegend und\nwahrend eines langeren, Tradition bildenden Zeitraums, mindestens unter der\nReichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden\nsind. Hierzu gehoren das Alimentationsprinzip, das den Dienstherrn\nverpflichtet, dem Beamten und seiner Familie amtsangemessenen Unterhalt zu\nleisten, und die Fursorgepflicht des Dienstherrn. Nicht dazu zahlt jedoch das\ngegenwartige System der Beihilfegewahrung, da es sich erst in jungerer Zeit\nherausgebildet hat. Es konnte daher geandert werden, ohne dass Art. 33 Abs. 5\nGG beruhrt wurde. Demgemaß besteht auch keine spezielle verfassungsrechtliche\nVerpflichtung, den Beamten und Versorgungsempfangern fur Krankheitsfalle u.a.\nUnterstutzung gerade in Form von Beihilfen im Sinne der Beihilfevorschriften\noder gar von solchen Beihilfen in bestimmter Hohe zu gewahren (vgl. dazu\nBVerfG, Beschluss vom 13.11.1990, BVerfGE 83, 89, m.w.N., und Beschluss vom\n07.11.2002, BVerfGE 106, 225). \n--- \n| 17 \n--- \n| Es ist in erster Linie Sache des Dienstherrn, fur einzelne\nRegelungsbereiche die ihm aus der Fursorgepflicht dem Beamten gegenuber\nobliegenden Verpflichtungen durch Gesetze, Verordnungen oder\nVerwaltungsvorschriften zu konkretisieren. Bei der Ausfullung des ihm hierbei\nzustehenden weiten Gestaltungsspielraums (BVerfG, Beschluss vom 11.06.1958,\nBVerfGE 8, 1; st. Rspr.) ist er lediglich insoweit gebunden, als die\nbeabsichtigte Regelung dem wohlverstandenen Interesse des Beamten gebuhrend\nRechnung zu tragen hat. Was der Dienstherr dem Beamten danach im Einzelnen\nschuldet, lasst sich nur im Hinblick auf den jeweils zu regelnden Sachbereich\nbestimmen. Insoweit gilt fur den dem Normgeber aus Art. 33 Abs. 5 GG\nvorgegebenen Maßstab grundsatzlich nichts anderes als fur die die\nFursorgepflicht berucksichtigende Einzelfallentscheidung des Dienstherrn.\nDemgemaß hat der Dienstherr Vorkehrungen zu treffen, dass der amtsangemessene\nLebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen\ndurch Krankheits-, Geburts- und Todesfalle nicht gefahrdet wird. Ob er dieser\nPflicht uber eine entsprechende Bemessung der Dienstbezuge, uber\nSachleistungen, Zuschusse oder in sonst geeigneter Weise Genuge tut, bleibt\nvon Verfassungs wegen seiner Entscheidung uberlassen (BVerfG, Beschlusse vom\n13.11.1990 und vom 07.11.2002, jeweils a.a.O.). \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach der geltenden Rechtslage erfullt der Dienstherr seine Fursorgepflicht\ngegenuber den Beamten in Krankheits-, Geburts- und Todesfallen durch die\nGewahrung von Beihilfen; sie soll den Beamten von den durch die Besoldung\nnicht gedeckten notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang freistellen\n(BVerwG, Urteile vom 11.06.1964, BVerwGE 19, 10, 12, und vom 07.10.1965,\nBVerwGE 22, 160, 164 f.). Die Beihilfevorschriften konkretisieren die\nbeamtenrechtliche Fursorgepflicht des Dienstherrn in diesen Fallen (vgl. nur\nBVerfG, Beschluss vom 23.06.1981, BVerfGE 58, 68, 76; BVerwG, Urteil vom\n31.01.2002, Buchholz 237.0 § 101 BaWuLBG Nr. 1). Die danach gewahrte Beihilfe\nist ihrem Wesen nach eine Hilfeleistung, die zu der zumutbaren Eigenvorsorge\ndes Beamten in angemessenem Umfang hinzutritt, um ihm seine wirtschaftliche\nLage in einer der Fursorgepflicht entsprechenden Weise durch Zuschusse aus\noffentlichen Mitteln zu erleichtern (BVerwG, Urteile vom 10.08.1971, Buchholz\n232 § 79 BBG Nr. 35, und vom 20.10.1976, BVerwGE 51, 193, 199 f.). Da die\nBeihilfe regelmaßig nur einen bestimmten Vomhundertsatz der aus Anlass von\nKrankheits-, Geburts- und Todesfallen entstehenden Aufwendungen des Beamten\nabdeckt, setzt sie voraus, dass der Beamte aus seinen Mitteln fur die\nBegleichung des ubrigen Teils der Aufwendungen selbst Vorsorge trifft (vgl.\nBVerwG, Urteile vom 20.10.1976, a.a.O., und vom 18.06.1980, BVerwGE 60, 212,\n219 f.; Entscheidung vom 25.06.1987, BVerwGE 77, 345, 347 f.). Hierfur stellt\nder Besoldungsgesetzgeber dem Beamten einen Alimentationsteil zur Verfugung,\nmit dem er den von der Beihilfe nicht abgedeckten Teil der im Krankheitsfalle\nzu erwartenden Aufwendungen begleichen soll (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1988,\nBVerfGE 79, 223, 234 f.; BVerwG, Urteile vom 21.03.1979, BVerwGE 57, 336, 338,\nund vom 12.06.1985, BVerwGE 71, 342, 346 f.). Die Beihilfe erganzt somit nach\nder ihr zugrundeliegenden Konzeption lediglich die Alimentation des Beamten. \n--- \n| 19 \n--- \n| Hat sich der Dienstherr fur ein solches Beihilfesystem entschieden, muss es\nden Anforderungen genugen, die ihm aus der Fursorgepflicht gegenuber den\nBeamten erwachsen. Er muss gewahrleisten, dass der Beamte oder Richter nicht\nmit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch uber eine ihm\nzumutbare Eigenvorsorge nicht absichern kann (BVerfG, Beschlusse vom\n13.11.1990 und vom 07.11.2002, jeweils a.a.O.). Jedoch fordert die\nFursorgepflicht nicht den Ausgleich jeglicher aus Anlass von Krankheits-,\nGeburts- und Todesfallen entstandenen Aufwendungen und auch nicht deren\nErstattung in jeweils vollem Umfang (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.06.1980,\na.a.O., und Beschluss vom 26.07.1984, Buchholz 238.911 Nr. 13 BhV 1972/1975\nNr. 5); ebenso wenig verlangt sie, dass das von der Beihilfe nicht gedeckte\nRisiko in jedem Falle in vollem Umfang versicherbar sein muss (BVerwG, Urteil\nvom 03.07.2003, DÖD 2004, 82; moglicherweise enger noch Entscheidung vom\n25.06.1987, BVerwGE 77, 345). Gegenteiliges lasst sich auch nicht aus der in\nmehreren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts sinngemaß geaußerten\nAuffassung herleiten, die Beihilfe als eine die Eigenvorsorge erganzende\nLeistung durfe nicht ohne Rucksicht auf die vorhandenen\nVersicherungsmoglichkeiten ausgestaltet werden (vgl. Urteil vom 18.06.1980,\nund Entscheidung vom 25.06.1987, jeweils a.a.O.). Denn dies ist nicht in dem\nengen Sinne zu verstehen, dass das Beihilfesystem und die private Versicherung\n„luckenlos" aufeinander abgestimmt sein mussten (vgl. dazu auch BVerfG,\nBeschluss vom 13.11.1990, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 03.07.2003, a.a.O.; OVG\nNordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.11.2003, NVwZ-RR 2004, 546). \n--- \n| 20 \n--- \n| Ausgehend hiervon hat sich der Normgeber mit dem Ausschluss der\nBeihilfefahigkeit von Mitteln, die zur Potenzsteigerung verordnet sind, im\nRahmen des ihm verfassungsrechtlich eroffneten und gerichtlich nur beschrankt\nuberprufbaren Ermessens gehalten. Der Charakter der Beihilfe als einer\nerganzenden Hilfeleistung belasst dem Dienstherrn einen erheblichen Spielraum,\ninnerhalb dessen er durch seine Beihilfevorschriften die Voraussetzungen, den\nUmfang und die Art und Weise dieser speziellen Fursorge generalisierend und\ntypisierend bestimmen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.03.1980, BVerwGE 60,\n88; Urteil vom 29.08.1996, BVerwGE 104, 24). Dieser Spielraum ermoglicht dem\nDienstherrn bzw. dem fur ihn handelnden Verordnungsgeber insbesondere, Mittel\nzur Potenzsteigerung generell von der Beihilfefahigkeit auszuschließen und mit\nder Erwagung dem Privatbereich zuzuordnen, dass dadurch die in Einzelfallen\nproblematische Offenlegung des jeweiligen Krankheitsbildes nur noch\nerforderlich sei, wenn das Mittel zu einem anderen Zweck verordnet worden sei\n(so die amtliche Begrundung, abgedruckt bei\nSchroder/Beckmann/Keufer/Hellstern, Beihilfevorschriften Baden-Wurttemberg,\nEinleitung, Anm. 6). Diese Erwagungen sind mit Blick auf die vom\nVerordnungsgeber verfolgten Zwecke der Verwaltungsvereinfachung und der\nKostenersparnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat darauf hingewiesen,\ndass die schwierige Unterscheidung zwischen medizinisch notwendigen und\nanderen Fallen, gegebenenfalls einhergehend mit amtsarztlichen Begutachtungen,\nentfalle. Zudem werde mit zunehmendem Alter auch eine medizinische Ursache\ndurch den naturlichen Alterungsprozess uberlagert, ohne dass der Zeitpunkt\nexakt fixiert werden konne. Dies wurde bei den Betroffenen regelmaßig wieder\nBegutachtungen erforderlich machen, die sich mutmaßlich erheblich belastend\nfur die psychische Situation der Betroffenen auswirken durften. Dies begegnet\nkeinen durchgreifenden Bedenken. Der Verordnungsgeber verletzt seinen\nGestaltungsspielraum nicht, wenn er angesichts der beschrankten finanziellen\nLeistungsfahigkeit der offentlichen Haushalte Leistungen von der\nBeihilfefahigkeit ausnimmt, die - wie hier - in erster Linie einer Steigerung\nder Lebensqualitat jenseits lebensbedrohlicher Zustande dienen. Dies gilt um\nso mehr, wenn es sich um Bereiche handelt, bei denen die Übergange zwischen\nkrankhaften und nicht krankhaften Zustanden maßgeblich vom subjektiven\nEmpfinden des Einzelnen abhangen (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 10.05.2005,\nBSGE 94, 302). Es kann auch nicht unberucksichtigt bleiben, dass sich die Hohe\nder beihilfefahigen Aufwendungen bzw. die benotigte Menge des Praparats nach\nder jeweiligen individuellen Lebensgestaltung richtet. Auch dies ist ein\nGesichtspunkt, der bei sonstigen Arzneimitteln regelmaßig keine - jedenfalls\nkeine entscheidende - Rolle spielt. Der Ausschluss von der Beihilfefahigkeit\nist danach sachlich begrundet. \n--- \n| 21 \n--- \n| Eine andere Bewertung gebietet nicht der Umstand, dass das\nBundesverwaltungsgericht im Urteil vom 30.10.2003 (BVerwGE 119, 168)\nausgefuhrt hat, dass die Aufwendungen fur die Beschaffung des Medikaments\n„Viagra" (das ebenfalls der Behandlung der erektilen Dysfunktion dient)\nbeihilfefahig sein konnen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in jener\nEntscheidung dargelegt, dass ein nach der Beihilfeverordnung gegebener\nRechtsanspruch auf Beihilfe nicht durch Verwaltungsvorschriften ausgeschlossen\nwerden konne. Darum aber geht es im vorliegenden Fall nicht, in dem der\nAusschluss in der Beihilfeverordnung selbst vorgesehen ist (vgl. auch\nBayerischer VGH, Beschluss vom 25.02.2003 - 3 B 00.3631 -, Juris). \n--- \n| 22 \n--- \n| Auch eine Verletzung des Wesenskerns der Fursorgepflicht vermag der Senat\nnicht festzustellen. Allenfalls unzumutbare Belastungen bzw. erhebliche\nAufwendungen, die fur den Beamten unausweichlich sind und denen er sich nicht\nentziehen kann, konnen den Wesenskern der Fursorgepflicht beruhren (vgl. dazu\nBVerfG, Beschlusse vom 13.11.1990, a.a.O., und vom 16.09.1992, NVwZ 1993, 560;\nBVerwG, Urteil vom 21.12.2000, BVerwGE 112, 308). \n--- \n| 23 \n--- \n| Unzumutbare Belastungen bzw. unausweichliche Aufwendungen in einem\nwertenden Sinne konnen bei der Behandlung schwerer oder gar lebensbedrohender\nKrankheiten entstehen. Der Behandlung einer solchen Krankheit dient Cialis\nungeachtet des Umstands nicht, dass es sich bei der erektilen Dysfunktion, bei\nder es angewandt wird, um eine Krankheit im Sinne des § 6 BVO handelt, namlich\num einen regelwidrigen, von der durch das Leitbild eines gesunden Menschen\ngepragten Norm abweichenden Korper- oder Geisteszustand, der der arztlichen\nBehandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfahigkeit zur\nFolge hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2003, a.a.O.; Senatsurteil vom\n10.03.2005 - 4 S 2222/03 -, NVwZ-RR 2005, 490). \n--- \n| 24 \n--- \n| Von einer Verletzung des Wesenskerns der Fursorgepflicht kann auch im\nHinblick auf die Hohe der entstehenden Kosten nicht ausgegangen werden. Dabei\nist auch der oben angesprochene Gesichtspunkt zu berucksichtigen, dass diese\nsich nicht nach einer arztlich fur einen bestimmten Behandlungszeitraum\nvorgegebenen Dosierungsanweisung, sondern nach der jeweiligen individuellen\nLebensgestaltung richten, da Cialis jeweils nur im Zusammenhang mit dem\nGeschlechtsverkehr angewandt wird. Jedenfalls ist bei generalisierender und\ntypisierender Betrachtungsweise nichts dafur erkennbar, dass die Beschaffung\ndes Medikaments eine unertragliche Belastung der amtsangemessenen\nLebensfuhrung (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.06.1980, a.a.O.) bewirken konnte.\nVor diesem Hintergrund ist es auch nicht entscheidend, ob die fur Cialis\naufzubringenden Mittel 1% des Jahresnettoeinkommens ubersteigen konnen (vgl.\ndazu BVerwG, Urteil vom 03.07.2003, a.a.O.). Dem Klager verbleibt im Übrigen\nein Aufwand, der nicht hoher ist als der, welcher auch den Mitgliedern der\ngesetzlichen Krankenversicherung zugemutet wird (vgl. BSG, Urteil vom\n10.05.2005, a.a.O.). \n--- \n| 25 \n--- \n| Eine andere Bewertung ist auch mit Blick auf das vom Verwaltungsgericht\nherangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2002 (a.a.O.)\nnicht gerechtfertigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, die\nBeihilfefahigkeit der Kosten einer Perucke beruhre nicht den Wesenskern der\nFursorgepflicht, und diese sei auch kein Hilfsmittel oder Ersatzstuck, das\nexistenzielle Bedeutung habe oder notwendig sei, um wesentliche Verrichtungen\ndes taglichen Lebens erledigen zu konnen. Diese Ausfuhrungen konnen nicht auf\nden vorliegenden Fall ubertragen werden; der Beklagte weist zu Recht darauf\nhin, dass es hier nicht um ein Hilfsmittel oder Ersatzstuck fur wesentliche\nVerrichtungen des taglichen Lebens (vgl. § 15 SGB XI), insbesondere in den\nBereichen Korperpflege, Ernahrung und Mobilitat, geht. Soweit das\nVerwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der Sexualitat fur\nden Menschen, insbesondere innerhalb der Familie, verwiesen hat, die dort zum\nAlltaglichen gehore, vermag der Senat den vom Verwaltungsgericht daraus\ngezogenen Schlussen auch vor dem Hintergrund der grundrechtlich geschutzten\nRechtspositionen des Klagers nicht zu folgen. Aus Art. 6 Abs. 1 GG erwachsen\nregelmaßig keine konkreten Anspruche auf staatliche Leistungen (BVerfG, Urteil\nvom 12.02.2003, BVerfGE 107, 205; Senatsbeschluss vom 12.10.2006 - 4 S 2548/05\n-). Aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgt zwar eine objektiv-rechtliche Pflicht\ndes Staates, das Recht auf Leben und korperliche Unversehrtheit zu schutzen\n(vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994, BVerfGE 90, 145, 195; Schulze-\nFielitz, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl., Art 2 II, RdNr. 76).\nDaruber hinaus ist es verfassungsrechtlich jedoch nur geboten, eine der\nSicherung des Existenzminimums korrespondierende medizinische Grundversorgung\nfur alle Burger bereitzuhalten. Dabei hat der Gesetzgeber aber einen so weiten\nGestaltungsspielraum, dass sich originare Leistungsanspruche auch aus Art. 2\nAbs. 2 Satz 1 GG regelmaßig nicht ableiten lassen (vgl. Schulze-Fielitz,\na.a.O., RdNr. 96, m.w.N.). Im Übrigen folgen aus der Schutzpflicht des Staates\nbeim Beamten jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang keine weitergehenden\nAnspruche als aus der Fursorgepflicht. Nichts anderes gilt, soweit der Klager\nauf die Menschenwurde (Art. 1 Abs. 1 GG) verweist. \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach alledem ist auch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Der Ausschluss der\nBeihilfefahigkeit ist nicht willkurlich, sondern im Rahmen des weiten\nEinschatzungs- und Gestaltungsspielraums des Verordnungsgebers sachlich\nbegrundet erfolgt. Auch einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche\nDifferenzierungsge- und Übermaßverbot (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil\nvom 17.05.2002 - 2 A 11755/01 -, Juris) vermag der Senat danach nicht\nfestzustellen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Ist danach der generelle Ausschluss der Beihilfefahigkeit rechtlich nicht\nzu beanstanden, so ist fur eine gleichwohl im Einzelfall verfassungsrechtlich\ngebotene Korrektur die Hartefallregelung des § 5 Abs. 6 BVO in den Blick zu\nnehmen. Nach § 5 Abs. 6 Satz 1 BVO kann bei Anlegung eines strengen Maßstabes\nin besonderen Hartefallen mit Zustimmung der obersten Dienstbehorde und nur im\nEinvernehmen mit dem Finanzministerium zu Aufwendungen im Sinne des § 101 LBG\nausnahmsweise abweichend von den in dieser Verordnung genannten\nVoraussetzungen Beihilfe gewahrt werden. Damit hat der Verordnungsgeber eine\nVorschrift geschaffen, um ganz besonderen Fallen gerecht werden zu konnen, in\ndenen die durch die Beihilfeverordnung erfolgte typisierende, pauschalierende\nund abschließende Konkretisierung der gesetzlich und verfassungsrechtlich\ngebotenen Fursorgepflicht ausnahmsweise nicht ausreichend ist, um den\nWesenskern der Fursorgepflicht gegenuber dem beihilfeberechtigten Beamten und\nseinen Angehorigen zu gewahrleisten. In derartigen Einzelfallen, in denen in\nFolge eines die Beihilfeberechtigung hervorrufenden Tatbestandes eine\nunertragliche Beeintrachtigung der Moglichkeit zur amtsangemessenen\nLebensfuhrung auftritt, kann eine Verletzung des Wesenskerns der\nFursorgepflicht gegeben sein und einen Anspruch auf weitergehende Beihilfe\nbegrunden (vgl. dazu Senatsurteil vom 17.01.1990 - 4 S 3324/88 -, Juris;\nFroder/Hellstern/Beckmann/Keufer, a.a.O., § 5 Abs. 6 Anm. 60). Ob der Beklagte\nsich in einem solchen Fall mit Erfolg auf die Ausschlussregelung des § 5 Abs.\n6 Satz 2 BVO berufen kann, wonach die Hartefallregelung nicht eingreift bei\nAufwendungen, die - wie hier - ausdrucklich von der Beihilfefahigkeit\nausgenommen sind, bedarf keiner Entscheidung; denn fur das Vorliegen eines\nbesonderen Hartefalls im Sinne dieser Bestimmung bzw. eine Verletzung des\nWesenskerns der Fursorgepflicht im Einzelfall bestehen auch in Ansehung des\nVorbringens des Klagers keine Anhaltspunkte. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Grunde der §§ 132 Abs.\n2 VwGO, 127 BRRG gegeben ist. \n--- \n| 30 \n--- \n| **Beschluss vom 17. November 2006** \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 52 Abs. 3 GKG auf 101,09\nEUR festgesetzt. \n--- \n| 32 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 9 \n--- \n| Der Senat entscheidet mit Einverstandnis der Beteiligten ohne mundliche\nVerhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 10 \n--- \n| Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch im Übrigen zulassige\nBerufung des Beklagten ist begrundet. Das Verwaltungsgericht hat das beklagte\nLand zu Unrecht verpflichtet, dem Klager Beihilfe fur das Arzneimittel Cialis\nzu gewahren. Ein dahingehender Anspruch steht dem Klager nicht zu (§ 113 Abs.\n5 Satz 1 VwGO). Cialis ist nach der Beihilfeverordnung des Landes Baden-\nWurttemberg von der Beihilfefahigkeit ausgeschlossen. Dieser Ausschluss ist\nmit hoherrangigem Recht vereinbar. \n--- \n| 11 \n--- \n| Fur die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist\ngrundsatzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der\nAufwendungen maßgeblich, fur die Beihilfen verlangt werden (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 15.12.2005, Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 17, m.w.N.). Hinsichtlich der\nhier anzuwendenden Bestimmungen sind keine abweichenden Regelungen getroffen.\nNach § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung des Finanzministeriums uber\ndie Gewahrung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfallen\nvom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung der Verordnung vom 20.02.2003\n(GBl. S. 125) - Beihilfeverordnung - BVO - sind Aufwendungen beihilfefahig,\nwenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Hohe nach angemessen\nsind. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefahig\nu.a. die Aufwendungen fur nach Art und Umfang schriftlich verordnete\nArzneimittel. Nach Satz 2 sind nicht beihilfefahig Aufwendungen fur Mittel,\ndie geeignet sind, Guter des taglichen Bedarfs zu ersetzen, sowie fur Mittel,\ndie zur Empfangnisverhutung oder Potenzsteigerung verordnet sind. \n--- \n| 12 \n--- \n| Zu den letztgenannten Mitteln zahlt das dem Klager verordnete Arzneimittel\n„Cialis". „Cialis" enthalt den Wirkstoff Tadalafil und wird ausweislich des\nBeipackzettels zur Behandlung von Mannern mit erektiler Dysfunktion\nangewendet. In den Anwendungshinweisen heißt es: „Cialis gehort zu einer\nGruppe von Arzneimitteln, die „Phosphodiesterase 5 Inhibitoren" genannt\nwerden. Nach einer sexuellen Stimulierung hilft Cialis, die Blutgefaße in\nIhrem Penis zu entspannen, wodurch ein Blutstrom in Ihren Penis ermoglicht\nwird. Das Ergebnis ist eine verbesserte Erektion. Cialis wird Ihnen nicht\nhelfen, wenn Sie nicht unter einer erektilen Dysfunktion leiden. Es ist\nwichtig zu beachten, dass Cialis ohne eine sexuelle Stimulation nicht wirkt."\nDanach kann nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei Cialis um ein Mittel zur\nPotenzsteigerung handelt, das dem Klager auch zu diesem Zweck verordnet worden\nist. Einen anderen Anwendungsbereich hat er selbst nicht benannt. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der generelle Ausschluss der Beihilfefahigkeit von Mitteln, die zur\nPotenzsteigerung verordnet sind, ist mit hoherrangigem Recht vereinbar. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die verordnungsrechtliche Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO beruht\nauf § 101 Satz 2 LBG und ist in Einklang mit Art. 61 Abs. 1 der\nLandesverfassung (LVerf) und unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben in §\n101 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 5 LBG erfolgt. Nach § 101 Satz 3 Nr. 2 LBG ist in\nder Beihilfeverordnung insbesondere zu bestimmen, welche Aufwendungen\nbeihilfefahig sind; nach Satz 3 Nr. 4 LBG ist ferner zu bestimmen, wie die\nBeihilfe zu bemessen ist, wobei sie die notwendigen und angemessenen\nAufwendungen unter Berucksichtigung der Eigenvorsorge und zumutbarer\nSelbstbehalte decken soll. Diese Ermachtigung umfasst grundsatzlich auch den\nAusschluss oder die Begrenzung von Beihilfe fur bestimmte krankheitsbedingte\nAufwendungen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 22.02.1995 - 4 S 642/94 -, IÖD\n1995, 128, und Senatsurteil vom 24.03.1994 - 4 S 2953/93 -, ESVGH 44, 316;\nBVerwG, Beschluss vom 03.03.1989, Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 6). \n--- \n| 15 \n--- \n| Von der danach eingeraumten Ermachtigung hat der Verordnungsgeber in nicht\nzu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Die getroffene Ausschlussregelung\nverstoßt nicht gegen die hergebrachten Grundsatze des Berufsbeamtentums (Art.\n33 Abs. 5 GG), insbesondere nicht gegen die gesetzliche Fursorgepflicht (§ 98\nLBG) des Dienstherrn, die der Beklagte zugunsten des Klagers beachten muss. \n--- \n| 16 \n--- \n| Art. 33 Abs. 5 GG schutzt nur jenen Kernbestand von Strukturprinzipien der\nInstitution des Berufsbeamtentums, die allgemein oder doch uberwiegend und\nwahrend eines langeren, Tradition bildenden Zeitraums, mindestens unter der\nReichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden\nsind. Hierzu gehoren das Alimentationsprinzip, das den Dienstherrn\nverpflichtet, dem Beamten und seiner Familie amtsangemessenen Unterhalt zu\nleisten, und die Fursorgepflicht des Dienstherrn. Nicht dazu zahlt jedoch das\ngegenwartige System der Beihilfegewahrung, da es sich erst in jungerer Zeit\nherausgebildet hat. Es konnte daher geandert werden, ohne dass Art. 33 Abs. 5\nGG beruhrt wurde. Demgemaß besteht auch keine spezielle verfassungsrechtliche\nVerpflichtung, den Beamten und Versorgungsempfangern fur Krankheitsfalle u.a.\nUnterstutzung gerade in Form von Beihilfen im Sinne der Beihilfevorschriften\noder gar von solchen Beihilfen in bestimmter Hohe zu gewahren (vgl. dazu\nBVerfG, Beschluss vom 13.11.1990, BVerfGE 83, 89, m.w.N., und Beschluss vom\n07.11.2002, BVerfGE 106, 225). \n--- \n| 17 \n--- \n| Es ist in erster Linie Sache des Dienstherrn, fur einzelne\nRegelungsbereiche die ihm aus der Fursorgepflicht dem Beamten gegenuber\nobliegenden Verpflichtungen durch Gesetze, Verordnungen oder\nVerwaltungsvorschriften zu konkretisieren. Bei der Ausfullung des ihm hierbei\nzustehenden weiten Gestaltungsspielraums (BVerfG, Beschluss vom 11.06.1958,\nBVerfGE 8, 1; st. Rspr.) ist er lediglich insoweit gebunden, als die\nbeabsichtigte Regelung dem wohlverstandenen Interesse des Beamten gebuhrend\nRechnung zu tragen hat. Was der Dienstherr dem Beamten danach im Einzelnen\nschuldet, lasst sich nur im Hinblick auf den jeweils zu regelnden Sachbereich\nbestimmen. Insoweit gilt fur den dem Normgeber aus Art. 33 Abs. 5 GG\nvorgegebenen Maßstab grundsatzlich nichts anderes als fur die die\nFursorgepflicht berucksichtigende Einzelfallentscheidung des Dienstherrn.\nDemgemaß hat der Dienstherr Vorkehrungen zu treffen, dass der amtsangemessene\nLebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen\ndurch Krankheits-, Geburts- und Todesfalle nicht gefahrdet wird. Ob er dieser\nPflicht uber eine entsprechende Bemessung der Dienstbezuge, uber\nSachleistungen, Zuschusse oder in sonst geeigneter Weise Genuge tut, bleibt\nvon Verfassungs wegen seiner Entscheidung uberlassen (BVerfG, Beschlusse vom\n13.11.1990 und vom 07.11.2002, jeweils a.a.O.). \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach der geltenden Rechtslage erfullt der Dienstherr seine Fursorgepflicht\ngegenuber den Beamten in Krankheits-, Geburts- und Todesfallen durch die\nGewahrung von Beihilfen; sie soll den Beamten von den durch die Besoldung\nnicht gedeckten notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang freistellen\n(BVerwG, Urteile vom 11.06.1964, BVerwGE 19, 10, 12, und vom 07.10.1965,\nBVerwGE 22, 160, 164 f.). Die Beihilfevorschriften konkretisieren die\nbeamtenrechtliche Fursorgepflicht des Dienstherrn in diesen Fallen (vgl. nur\nBVerfG, Beschluss vom 23.06.1981, BVerfGE 58, 68, 76; BVerwG, Urteil vom\n31.01.2002, Buchholz 237.0 § 101 BaWuLBG Nr. 1). Die danach gewahrte Beihilfe\nist ihrem Wesen nach eine Hilfeleistung, die zu der zumutbaren Eigenvorsorge\ndes Beamten in angemessenem Umfang hinzutritt, um ihm seine wirtschaftliche\nLage in einer der Fursorgepflicht entsprechenden Weise durch Zuschusse aus\noffentlichen Mitteln zu erleichtern (BVerwG, Urteile vom 10.08.1971, Buchholz\n232 § 79 BBG Nr. 35, und vom 20.10.1976, BVerwGE 51, 193, 199 f.). Da die\nBeihilfe regelmaßig nur einen bestimmten Vomhundertsatz der aus Anlass von\nKrankheits-, Geburts- und Todesfallen entstehenden Aufwendungen des Beamten\nabdeckt, setzt sie voraus, dass der Beamte aus seinen Mitteln fur die\nBegleichung des ubrigen Teils der Aufwendungen selbst Vorsorge trifft (vgl.\nBVerwG, Urteile vom 20.10.1976, a.a.O., und vom 18.06.1980, BVerwGE 60, 212,\n219 f.; Entscheidung vom 25.06.1987, BVerwGE 77, 345, 347 f.). Hierfur stellt\nder Besoldungsgesetzgeber dem Beamten einen Alimentationsteil zur Verfugung,\nmit dem er den von der Beihilfe nicht abgedeckten Teil der im Krankheitsfalle\nzu erwartenden Aufwendungen begleichen soll (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1988,\nBVerfGE 79, 223, 234 f.; BVerwG, Urteile vom 21.03.1979, BVerwGE 57, 336, 338,\nund vom 12.06.1985, BVerwGE 71, 342, 346 f.). Die Beihilfe erganzt somit nach\nder ihr zugrundeliegenden Konzeption lediglich die Alimentation des Beamten. \n--- \n| 19 \n--- \n| Hat sich der Dienstherr fur ein solches Beihilfesystem entschieden, muss es\nden Anforderungen genugen, die ihm aus der Fursorgepflicht gegenuber den\nBeamten erwachsen. Er muss gewahrleisten, dass der Beamte oder Richter nicht\nmit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch uber eine ihm\nzumutbare Eigenvorsorge nicht absichern kann (BVerfG, Beschlusse vom\n13.11.1990 und vom 07.11.2002, jeweils a.a.O.). Jedoch fordert die\nFursorgepflicht nicht den Ausgleich jeglicher aus Anlass von Krankheits-,\nGeburts- und Todesfallen entstandenen Aufwendungen und auch nicht deren\nErstattung in jeweils vollem Umfang (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.06.1980,\na.a.O., und Beschluss vom 26.07.1984, Buchholz 238.911 Nr. 13 BhV 1972/1975\nNr. 5); ebenso wenig verlangt sie, dass das von der Beihilfe nicht gedeckte\nRisiko in jedem Falle in vollem Umfang versicherbar sein muss (BVerwG, Urteil\nvom 03.07.2003, DÖD 2004, 82; moglicherweise enger noch Entscheidung vom\n25.06.1987, BVerwGE 77, 345). Gegenteiliges lasst sich auch nicht aus der in\nmehreren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts sinngemaß geaußerten\nAuffassung herleiten, die Beihilfe als eine die Eigenvorsorge erganzende\nLeistung durfe nicht ohne Rucksicht auf die vorhandenen\nVersicherungsmoglichkeiten ausgestaltet werden (vgl. Urteil vom 18.06.1980,\nund Entscheidung vom 25.06.1987, jeweils a.a.O.). Denn dies ist nicht in dem\nengen Sinne zu verstehen, dass das Beihilfesystem und die private Versicherung\n„luckenlos" aufeinander abgestimmt sein mussten (vgl. dazu auch BVerfG,\nBeschluss vom 13.11.1990, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 03.07.2003, a.a.O.; OVG\nNordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.11.2003, NVwZ-RR 2004, 546). \n--- \n| 20 \n--- \n| Ausgehend hiervon hat sich der Normgeber mit dem Ausschluss der\nBeihilfefahigkeit von Mitteln, die zur Potenzsteigerung verordnet sind, im\nRahmen des ihm verfassungsrechtlich eroffneten und gerichtlich nur beschrankt\nuberprufbaren Ermessens gehalten. Der Charakter der Beihilfe als einer\nerganzenden Hilfeleistung belasst dem Dienstherrn einen erheblichen Spielraum,\ninnerhalb dessen er durch seine Beihilfevorschriften die Voraussetzungen, den\nUmfang und die Art und Weise dieser speziellen Fursorge generalisierend und\ntypisierend bestimmen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.03.1980, BVerwGE 60,\n88; Urteil vom 29.08.1996, BVerwGE 104, 24). Dieser Spielraum ermoglicht dem\nDienstherrn bzw. dem fur ihn handelnden Verordnungsgeber insbesondere, Mittel\nzur Potenzsteigerung generell von der Beihilfefahigkeit auszuschließen und mit\nder Erwagung dem Privatbereich zuzuordnen, dass dadurch die in Einzelfallen\nproblematische Offenlegung des jeweiligen Krankheitsbildes nur noch\nerforderlich sei, wenn das Mittel zu einem anderen Zweck verordnet worden sei\n(so die amtliche Begrundung, abgedruckt bei\nSchroder/Beckmann/Keufer/Hellstern, Beihilfevorschriften Baden-Wurttemberg,\nEinleitung, Anm. 6). Diese Erwagungen sind mit Blick auf die vom\nVerordnungsgeber verfolgten Zwecke der Verwaltungsvereinfachung und der\nKostenersparnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat darauf hingewiesen,\ndass die schwierige Unterscheidung zwischen medizinisch notwendigen und\nanderen Fallen, gegebenenfalls einhergehend mit amtsarztlichen Begutachtungen,\nentfalle. Zudem werde mit zunehmendem Alter auch eine medizinische Ursache\ndurch den naturlichen Alterungsprozess uberlagert, ohne dass der Zeitpunkt\nexakt fixiert werden konne. Dies wurde bei den Betroffenen regelmaßig wieder\nBegutachtungen erforderlich machen, die sich mutmaßlich erheblich belastend\nfur die psychische Situation der Betroffenen auswirken durften. Dies begegnet\nkeinen durchgreifenden Bedenken. Der Verordnungsgeber verletzt seinen\nGestaltungsspielraum nicht, wenn er angesichts der beschrankten finanziellen\nLeistungsfahigkeit der offentlichen Haushalte Leistungen von der\nBeihilfefahigkeit ausnimmt, die - wie hier - in erster Linie einer Steigerung\nder Lebensqualitat jenseits lebensbedrohlicher Zustande dienen. Dies gilt um\nso mehr, wenn es sich um Bereiche handelt, bei denen die Übergange zwischen\nkrankhaften und nicht krankhaften Zustanden maßgeblich vom subjektiven\nEmpfinden des Einzelnen abhangen (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 10.05.2005,\nBSGE 94, 302). Es kann auch nicht unberucksichtigt bleiben, dass sich die Hohe\nder beihilfefahigen Aufwendungen bzw. die benotigte Menge des Praparats nach\nder jeweiligen individuellen Lebensgestaltung richtet. Auch dies ist ein\nGesichtspunkt, der bei sonstigen Arzneimitteln regelmaßig keine - jedenfalls\nkeine entscheidende - Rolle spielt. Der Ausschluss von der Beihilfefahigkeit\nist danach sachlich begrundet. \n--- \n| 21 \n--- \n| Eine andere Bewertung gebietet nicht der Umstand, dass das\nBundesverwaltungsgericht im Urteil vom 30.10.2003 (BVerwGE 119, 168)\nausgefuhrt hat, dass die Aufwendungen fur die Beschaffung des Medikaments\n„Viagra" (das ebenfalls der Behandlung der erektilen Dysfunktion dient)\nbeihilfefahig sein konnen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in jener\nEntscheidung dargelegt, dass ein nach der Beihilfeverordnung gegebener\nRechtsanspruch auf Beihilfe nicht durch Verwaltungsvorschriften ausgeschlossen\nwerden konne. Darum aber geht es im vorliegenden Fall nicht, in dem der\nAusschluss in der Beihilfeverordnung selbst vorgesehen ist (vgl. auch\nBayerischer VGH, Beschluss vom 25.02.2003 - 3 B 00.3631 -, Juris). \n--- \n| 22 \n--- \n| Auch eine Verletzung des Wesenskerns der Fursorgepflicht vermag der Senat\nnicht festzustellen. Allenfalls unzumutbare Belastungen bzw. erhebliche\nAufwendungen, die fur den Beamten unausweichlich sind und denen er sich nicht\nentziehen kann, konnen den Wesenskern der Fursorgepflicht beruhren (vgl. dazu\nBVerfG, Beschlusse vom 13.11.1990, a.a.O., und vom 16.09.1992, NVwZ 1993, 560;\nBVerwG, Urteil vom 21.12.2000, BVerwGE 112, 308). \n--- \n| 23 \n--- \n| Unzumutbare Belastungen bzw. unausweichliche Aufwendungen in einem\nwertenden Sinne konnen bei der Behandlung schwerer oder gar lebensbedrohender\nKrankheiten entstehen. Der Behandlung einer solchen Krankheit dient Cialis\nungeachtet des Umstands nicht, dass es sich bei der erektilen Dysfunktion, bei\nder es angewandt wird, um eine Krankheit im Sinne des § 6 BVO handelt, namlich\num einen regelwidrigen, von der durch das Leitbild eines gesunden Menschen\ngepragten Norm abweichenden Korper- oder Geisteszustand, der der arztlichen\nBehandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfahigkeit zur\nFolge hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2003, a.a.O.; Senatsurteil vom\n10.03.2005 - 4 S 2222/03 -, NVwZ-RR 2005, 490). \n--- \n| 24 \n--- \n| Von einer Verletzung des Wesenskerns der Fursorgepflicht kann auch im\nHinblick auf die Hohe der entstehenden Kosten nicht ausgegangen werden. Dabei\nist auch der oben angesprochene Gesichtspunkt zu berucksichtigen, dass diese\nsich nicht nach einer arztlich fur einen bestimmten Behandlungszeitraum\nvorgegebenen Dosierungsanweisung, sondern nach der jeweiligen individuellen\nLebensgestaltung richten, da Cialis jeweils nur im Zusammenhang mit dem\nGeschlechtsverkehr angewandt wird. Jedenfalls ist bei generalisierender und\ntypisierender Betrachtungsweise nichts dafur erkennbar, dass die Beschaffung\ndes Medikaments eine unertragliche Belastung der amtsangemessenen\nLebensfuhrung (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.06.1980, a.a.O.) bewirken konnte.\nVor diesem Hintergrund ist es auch nicht entscheidend, ob die fur Cialis\naufzubringenden Mittel 1% des Jahresnettoeinkommens ubersteigen konnen (vgl.\ndazu BVerwG, Urteil vom 03.07.2003, a.a.O.). Dem Klager verbleibt im Übrigen\nein Aufwand, der nicht hoher ist als der, welcher auch den Mitgliedern der\ngesetzlichen Krankenversicherung zugemutet wird (vgl. BSG, Urteil vom\n10.05.2005, a.a.O.). \n--- \n| 25 \n--- \n| Eine andere Bewertung ist auch mit Blick auf das vom Verwaltungsgericht\nherangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2002 (a.a.O.)\nnicht gerechtfertigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, die\nBeihilfefahigkeit der Kosten einer Perucke beruhre nicht den Wesenskern der\nFursorgepflicht, und diese sei auch kein Hilfsmittel oder Ersatzstuck, das\nexistenzielle Bedeutung habe oder notwendig sei, um wesentliche Verrichtungen\ndes taglichen Lebens erledigen zu konnen. Diese Ausfuhrungen konnen nicht auf\nden vorliegenden Fall ubertragen werden; der Beklagte weist zu Recht darauf\nhin, dass es hier nicht um ein Hilfsmittel oder Ersatzstuck fur wesentliche\nVerrichtungen des taglichen Lebens (vgl. § 15 SGB XI), insbesondere in den\nBereichen Korperpflege, Ernahrung und Mobilitat, geht. Soweit das\nVerwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der Sexualitat fur\nden Menschen, insbesondere innerhalb der Familie, verwiesen hat, die dort zum\nAlltaglichen gehore, vermag der Senat den vom Verwaltungsgericht daraus\ngezogenen Schlussen auch vor dem Hintergrund der grundrechtlich geschutzten\nRechtspositionen des Klagers nicht zu folgen. Aus Art. 6 Abs. 1 GG erwachsen\nregelmaßig keine konkreten Anspruche auf staatliche Leistungen (BVerfG, Urteil\nvom 12.02.2003, BVerfGE 107, 205; Senatsbeschluss vom 12.10.2006 - 4 S 2548/05\n-). Aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgt zwar eine objektiv-rechtliche Pflicht\ndes Staates, das Recht auf Leben und korperliche Unversehrtheit zu schutzen\n(vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994, BVerfGE 90, 145, 195; Schulze-\nFielitz, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl., Art 2 II, RdNr. 76).\nDaruber hinaus ist es verfassungsrechtlich jedoch nur geboten, eine der\nSicherung des Existenzminimums korrespondierende medizinische Grundversorgung\nfur alle Burger bereitzuhalten. Dabei hat der Gesetzgeber aber einen so weiten\nGestaltungsspielraum, dass sich originare Leistungsanspruche auch aus Art. 2\nAbs. 2 Satz 1 GG regelmaßig nicht ableiten lassen (vgl. Schulze-Fielitz,\na.a.O., RdNr. 96, m.w.N.). Im Übrigen folgen aus der Schutzpflicht des Staates\nbeim Beamten jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang keine weitergehenden\nAnspruche als aus der Fursorgepflicht. Nichts anderes gilt, soweit der Klager\nauf die Menschenwurde (Art. 1 Abs. 1 GG) verweist. \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach alledem ist auch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Der Ausschluss der\nBeihilfefahigkeit ist nicht willkurlich, sondern im Rahmen des weiten\nEinschatzungs- und Gestaltungsspielraums des Verordnungsgebers sachlich\nbegrundet erfolgt. Auch einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche\nDifferenzierungsge- und Übermaßverbot (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil\nvom 17.05.2002 - 2 A 11755/01 -, Juris) vermag der Senat danach nicht\nfestzustellen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Ist danach der generelle Ausschluss der Beihilfefahigkeit rechtlich nicht\nzu beanstanden, so ist fur eine gleichwohl im Einzelfall verfassungsrechtlich\ngebotene Korrektur die Hartefallregelung des § 5 Abs. 6 BVO in den Blick zu\nnehmen. Nach § 5 Abs. 6 Satz 1 BVO kann bei Anlegung eines strengen Maßstabes\nin besonderen Hartefallen mit Zustimmung der obersten Dienstbehorde und nur im\nEinvernehmen mit dem Finanzministerium zu Aufwendungen im Sinne des § 101 LBG\nausnahmsweise abweichend von den in dieser Verordnung genannten\nVoraussetzungen Beihilfe gewahrt werden. Damit hat der Verordnungsgeber eine\nVorschrift geschaffen, um ganz besonderen Fallen gerecht werden zu konnen, in\ndenen die durch die Beihilfeverordnung erfolgte typisierende, pauschalierende\nund abschließende Konkretisierung der gesetzlich und verfassungsrechtlich\ngebotenen Fursorgepflicht ausnahmsweise nicht ausreichend ist, um den\nWesenskern der Fursorgepflicht gegenuber dem beihilfeberechtigten Beamten und\nseinen Angehorigen zu gewahrleisten. In derartigen Einzelfallen, in denen in\nFolge eines die Beihilfeberechtigung hervorrufenden Tatbestandes eine\nunertragliche Beeintrachtigung der Moglichkeit zur amtsangemessenen\nLebensfuhrung auftritt, kann eine Verletzung des Wesenskerns der\nFursorgepflicht gegeben sein und einen Anspruch auf weitergehende Beihilfe\nbegrunden (vgl. dazu Senatsurteil vom 17.01.1990 - 4 S 3324/88 -, Juris;\nFroder/Hellstern/Beckmann/Keufer, a.a.O., § 5 Abs. 6 Anm. 60). Ob der Beklagte\nsich in einem solchen Fall mit Erfolg auf die Ausschlussregelung des § 5 Abs.\n6 Satz 2 BVO berufen kann, wonach die Hartefallregelung nicht eingreift bei\nAufwendungen, die - wie hier - ausdrucklich von der Beihilfefahigkeit\nausgenommen sind, bedarf keiner Entscheidung; denn fur das Vorliegen eines\nbesonderen Hartefalls im Sinne dieser Bestimmung bzw. eine Verletzung des\nWesenskerns der Fursorgepflicht im Einzelfall bestehen auch in Ansehung des\nVorbringens des Klagers keine Anhaltspunkte. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Grunde der §§ 132 Abs.\n2 VwGO, 127 BRRG gegeben ist. \n--- \n| 30 \n--- \n| **Beschluss vom 17. November 2006** \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 52 Abs. 3 GKG auf 101,09\nEUR festgesetzt. \n--- \n| 32 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
143,060
vg-stuttgart-2007-06-11-7-k-18707
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
7 K 187/07
2007-06-11
2019-01-09 15:01:22
2019-01-17 12:03:13
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Erinnerung des Beklagten wird der Kostenansatz durch Kostenrechnung\nvom 12.04.2007 und 19.04.2007 aufgehoben.\n\nKosten werden in dem gerichtskostenfreien Verfahren nicht erstattet.\n\nDie Beschwerde wird zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Einzelrichter hat durch Beschluss vom 05.06.2007 das Verfahren wegen\ngrundsatzlicher Bedeutung gem. § 66 Abs. 6 S. 2 GKG auf die Kammer ubertragen. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Erinnerung ist gem. § 66 GKG zulassig. Sie ist auch in der Sache\nerfolgreich, denn die Gerichtskasse fordert zu Unrecht von dem Beklagten eine\nDokumentenpauschale in Hohe von 27,40 EUR (vgl. Schreiben des Gerichts vom\n19.04.2007). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Zwar wird in dem als Anlage 1 zum GKG gefuhrten Kostenverzeichnis unter Nr.\n9000 Ziff. 1 als Kostentatbestand der hier eingetretene Fall definiert, dass\nper Telefax ubermittelte Mehrfertigungen von der Empfangseinrichtung des\nGerichts ausgedruckt werden. Zu Recht weist der Erinnerungsfuhrer jedoch\ndarauf hin, dass fur diesen Kostentatbestand bislang kein Kostenschuldner\ngesetzlich bestimmt worden ist. Wahrend Nr. 9000 des Kostenverzeichnisses im\nRahmen der Änderung des GKG durch Art. 16 des Zweiten Gesetzes zur\nModernisierung der Justiz vom 22.12.2006 (BGBl. I S. 3416) in o. g. Weise\nerganzt wurde, wurde auf eine entsprechende Erganzung bei § 28 GKG verzichtet.\nNach § 28 Abs. 1 S. 2 GKG schuldet die Dokumentenpauschale aber die Partei\noder der Beteiligte nur dann, wenn Ablichtungen oder Ausdrucke angefertigt\nworden sind, weil die Partei oder der Beteiligte es unterlassen hat, die\nerforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufugen. Werden bei einem durch\nTelefax eingereichten Schriftsatz wie hier sogleich auf demselben Weg die\nerforderlichen „Ablichtungen" mitgeliefert, entsteht fur die Partei oder den\nBeteiligten keine Zahlungspflicht nach § 28 GKG, da er dann eine „Beifugung"\nnicht unterlassen hat (vgl. VGH Kassel, NJW 1991, 316; NJW 1992, 3055;\nHartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., § 28 GKG, Rdnr. 5; Meyer,\nGerichtskostengesetz, 7. Aufl., § 28 Rdnr. 6). Der insoweit eindeutige\nWortlaut des § 28 Abs. 1 S. 2 GKG ist einer Auslegung dahingehend, dass eine\nBeifugung durch Übersendung von Schriftsatzen per Telefax nicht moglich ist,\nnicht zuganglich. Dies zeigt schon die Tatsache, dass der Gesetzgeber diese\nAlternative zusatzlich in das Kostenverzeichnis aufgenommen hat, was\nandernfalls nicht erforderlich gewesen ware. Im Übrigen entsprach es bislang\nder Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass bei einer solchen\nVerfahrensweise keine Kosten zu Lasten der Partei oder des Beteiligten\nentstehen. Ohne entsprechende Anpassung des § 28 GKG an Nr. 9000 Ziff. 1 des\nKostenverzeichnisses hat diese Kosten daher auch kunftig die Staatskasse zu\ntragen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG. \n--- \n| 5 \n--- \n| Das Gericht hat gem. § 66 Abs. 2 S. 2 GKG die Beschwerde zugelassen, weil\ndie zur Entscheidung stehende Frage grundsatzliche Bedeutung hat. \n---\n\n
143,139
olgstut-2007-07-06-5-ar-306
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
5 AR 3/06
2007-07-06
2019-01-09 15:02:04
2019-02-12 13:26:02
Beschluss
## Tenor\n\nGemaß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wird das Landgericht Munchen I als zustandiges\nGericht bestimmt.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Antragsteller (Klager) nimmt die Antragsgegner (Beklagten) als\nStreitgenossen auf Ersatz eines Schadens, der ihm aus der Zeichnung einer\nKommanditbeteiligung an der F. mit Sitz in M. entstanden sein soll, in\nAnspruch, daneben begehrt er Freistellung von allen zukunftigen steuerlichen\nund wirtschaftlichen Nachteilen, die mittelbar oder unmittelbar aus dieser\nBeteiligung resultieren. Der Beklagte zu 1 wird als Initiator des Fonds in\nAnspruch genommen, der Beklagte zu 2 hat dem Klager die Fondsbeteiligung nach\nmehreren Beratungsgesprachen vermittelt, die Beklagte zu 3 sei maßgeblich in\ndie Prospektgestaltung eingebunden gewesen. Der Prospekt habe ein\nunvollstandiges bzw. falsches Bild von der geplanten Investition und der\n„Garantieunterlegung" vermittelt, insbesondere im Hinblick auf die steuerliche\nAnerkennung des Konzepts. Entgegen den Prospektangaben seien die von den\nAnlegern eingezahlten Gelder nicht in die Produktion der Filme investiert\nworden, sondern seien tatsachlich auf einem Konto der Beklagten zu 3 als\nEntgelt fur die „Schuldubernahme" verblieben, weshalb der Klager die durch die\nBeteiligung auch avisierten Steuervorteile jedenfalls nicht habe realisieren\nkonnen, bzw., soweit sie bereits realisiert worden seien, mit entsprechenden\nÄnderungsbescheiden des Finanzamts zu rechnen sei. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 2 \n--- \n| 1\\. Das OLG Stuttgart als zuerst mit der Sache befasstes Gericht ist zur\nEntscheidung uber das Gesuch um Bestimmung des ortlich zustandigen Gerichts\nberufen (§ 36 Abs. 2, § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Die Beklagten haben ihren\nallgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO, § 7 Abs. 1 BGB, § 17 ZPO) in\nverschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken verschiedener Bundeslander. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| 2\\. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO fur eine\nGerichtsstandsbestimmung liegen vor. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| a) Die Beklagten sind nach dem maßgeblichen Vorbringen des Klagers in der\nKlagebegrundung Streitgenossen (§ 59 ZPO). Als Gesamtschuldner sollen sie fur\nunrichtige oder unvollstandige Angaben im Prospekt der Fondsgesellschaft\nhaften, da sich auf diese Angaben die Beitrittsentscheidung des Klagers\ngegrundet habe. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| b) Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand besteht nicht. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| aa) Eine Haftung des Beklagten zu 2 leitet der Klager nicht aus\nProspekthaftung im weiteren Sinne, sondern aus der Inanspruchnahme\npersonlichen Vertrauens aufgrund der Schlechterfullung eines\nAnlageberatungsvertrags her. Gegen den Beklagten zu 2 ist daher jedenfalls der\nbesondere Gerichtsstand des § 32 b ZPO nicht eroffnet. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| bb) Auch der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung im Sinne des §\n32 ZPO ist gegenuber den Beklagten nicht begrundet. Zwar kann Begehungsort der\ndeliktischen Handlung sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort sein,\nsodass eine Zustandigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo eine der\nVerletzungshandlungen begangen wurde, oder dort, wo in ein geschutztes\nRechtsgut (Vermogen des Klagers) eingegriffen wurde (BGH NJW-RR 1996, 897).\nAllein der Nichteintritt erhoffter Steuervorteile fuhrt hier jedoch nicht zur\nBegrundung eines besonderen Gerichtsstands am Wohnsitz des Klagers. Ort des\nschadigenden Ereignisses ist vielmehr der Ort, an dem die Beklagte zu 3 das\nKonto unterhalt, auf dem sich die angeblich prospektwidrig nicht fur die\nProduktion von Filmen verwendeten Gelder des Klagers befinden. Sollte\ntatsachlich derart mit dem Anlagebetrag verfahren worden sein, konnte diese\nHandhabung unter dem Gesichtspunkt der „Zweckverfehlung" hinsichtlich des\nAnlagebetrags einen Betrugsschaden begrunden. Erfolgsort ist lediglich der\nOrt, an dem das haftungsauslosende Ereignis den Betroffenen direkt geschadigt\nhat; ob der Klager daruber hinaus die angeblich prospektwidrige Verwendung des\nvon ihm angelegten Geldbetrags als weitergehende Einbuße an seinem in\nStuttgart belegenen „Gesamtvermogen" etwa wegen des Verlusts erhoffter\nSteuervorteile empfindet, ist unerheblich (vgl. zur Abgrenzung unmittelbarer\nSchaden/Folgeschaden OLG Stuttgart RIW 1988, 810; Zoller-Vollkommer, ZPO, 25.\nAufl. 2005, § 32 RZ 16; OLG Nurnberg OLGR 2006, 487). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| 3\\. Es erscheint zweckmaßig, von den in Betracht kommenden Landgerichten -\nStuttgart, Munchen, Frankfurt - das Landgericht Munchen als ortlich zustandig\nzu bestimmen, da dort der Initiator des Fonds, gegen den sich auch das\nstaatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung\nrichtet, derzeit seinen Wohnsitz hat und damit ein allgemeiner Gerichtsstand\nbegrundet ist. Daruber hinaus hat die Beklagte zu 3 von sich aus bereits\nangeregt, den Rechtsstreit an das Landgericht Munchen „abzugeben". Daruber\nhinaus betreiben offensichtlich mehrere Anleger Prospekthaftungsklagen im\nZusammenhang mit ihren Beitritten zu dem genannten Medienfonds. Es erscheint\nzweckmaßig, diese Klagen beim Landgericht Munchen I zu bundeln, da dort auch\neine Musterklage auf der Grundlage des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes\nzu fuhren ware. \n---\n\n
160,022
vg-sigmaringen-2008-06-11-1-k-27507
159
Verwaltungsgericht Sigmaringen
vg-sigmaringen
Sigmaringen
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 K 275/07
2008-06-11
2019-01-10 11:47:50
2019-01-17 12:04:51
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Klage der Klager zu 1 bis 3 wird die Baugenehmigung der Beklagten vom\n16.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungsprasidiums\nTubingen vom 18.01.2007 aufgehoben.\n\nIm Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\nDie Beklagte und der Beigeladene tragen jeweils 3/8 der Gerichtskosten und\njeweils die Halfte der außergerichtlichen Kosten der Klager zu 1 bis 3.\n\nDer Klager zu 4 tragt jeweils 1/4 der Gerichtskosten sowie der\naußergerichtlichen Kosten der Beklagten und des Beigeladenen.\n\nDie Hinzuziehung eines Bevollmachtigten im Vorverfahren wird fur notwendig\nerklart.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| **1.** Die Klager wenden sich gegen die Baugenehmigung des Beigeladenen,\n..., durch die ihm die Nutzungsanderung eines bebauten Gewerbegrundstucks fur\nseinen Vereinszweck genehmigt wird. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Grundstucke der Klager und des Beigeladenen liegen im Geltungsbereich\ndes Bebauungsplans Nr. ... „B. Straße" vom 14.12.1972 (Datum des\nInkrafttretens). Dieser setzt als Art der Nutzung ein Gewerbegebiet fest.\nDaneben existiert nach dem Vortrag der Beklagten der „Bebauungsplan J. Straße"\nvom 11.03.1999, der Einzelhandelsbetriebe nur im Zusammenhang mit\nHandwerksbetrieben und produzierenden Betrieben zulasst. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Beigeladene ist Eigentumer des Grundstucks Flurstuck Nr. .../..., H.\nStraße ... in Z. Das Grundstuck, das sudlich der B. Straße liegt, wird von der\nH. Straße aus durch einen ca. 7 m breiten Grundstucksstreifen erschlossen, der\nzum Baugrundstuck gehort. Dieses Grundstuck ist mit einem vom fruheren\nEigentumer gewerblich genutzten, dreigeschossigen Gebaude bebaut, das im\nostlichen Teil des Grundstucks liegt und mit seiner Nord- und Ostwand auf der\nGrenze steht. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klagerin zu 1 ist Eigentumerin des Grundstucks Flurstuck Nr. ..., H.\nStraße ... in Z. Dieses Grundstuck grenzt mit seinem nordlichen Teil an einen\nTeil der Ostgrenze des Baugrundstucks an. Die Klager zu 2 sind Eigentumer des\nGrundstucks Flurstuck Nr. ..., H. Straße ... in Z. Dieses Grundstuck grenzt an\ndie Westseite der Zufahrt zum Baugrundstuck sowie an den westlichen Teil der\nSudgrenze des Baugrundstucks an. Der Klager zu 3 ist Eigentumer des\nGrundstucks Flurstuck Nr. ..., A. Weg ... in Z. Dieses Grundstuck grenzt an\nden nordlichen Teil der Ostgrenze des Baugrundstucks an. Der Klager zu 4 ist\nEigentumer des Grundstucks Flurstuck Nr. ..., H. Straße ... in Z. Dieses\nGrundstuck grenzt an die Ostgrenze der Zufahrt zum Baugrundstuck sowie an den\nostlichen Teil seiner Sudgrenze. Das auf dem Baugrundstuck vorhandene Gebaude\nhalt zum Grundstuck des Klagers zu 4 einen Grenzstand von unterschiedlicher\nTiefe ein. Die geringste Tiefe des Grenzabstands betragt auf einer Lange von\nca. 25 m ca. 2,50 m. \n--- \n--- \n![](http://lrbw.juris.de/grafiken/ovgnw/mwre080002733/bild1.jpg) \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| **2\\. a)** Der Beigeladene stellte am 27.04.2006 bei der Beklagten einen\nAntrag auf Erteilung einer Baugenehmigung fur die Nutzungsanderung eines\nfruher gewerblich genutzten Gebaudes (u. a. Buronutzung und Hochregallager)\n„zu einem ...". Die beantragte Nutzungsanderung umfasst unter anderem die\nErrichtung einer Kuppel (Durchmesser 12 m, Hohe uber dem Gebaudedach 9 m) und\neines Minaretts (Hohe 17,50 m uber dem Dach des Fahrstuhlschachts), den Einbau\nvon Fenstern auf der Nordseite und der Sudseite des ostlichen Gebaudeteils\nsowie den Einbau einer Moschee fur ca. 430 Personen mit Nebenanlagen, eines\nVeranstaltungssaals fur ca. 600 Personen, zweier Lokale, von Jugendraumen und\nvon Verkaufsflachen fur Mitglieder. Daneben sind in dem Gebaude zwei\nGroßraumburos vorhanden. Im Lageplan sind 70 Stellplatze eingezeichnet. In der\nspater eingereichten Betriebsbeschreibung vom 26.07.2006 machte der\nBeigeladene Ausfuhrungen zur Nutzung seines Bauvorhabens. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Klager erhoben im Verfahren der Angrenzerbenachrichtigung Einwendungen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Klagerin zu 1 (Schriftsatz vom 24.06.(05.)2006, Blatt 20B) \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die eingezeichneten Parkplatze seien fur die Nutzflachen nicht ausreichend.\nDer Parkflachenbedarf werde in der Praxis großer sein. Der Verkehr in der H.r\nStraße samt Seitenstraßen werde sprunghaft ansteigen. Als Inhaber eines\nBetriebs der ...-branche sei man darauf angewiesen, dass eine Zufahrt fur\ngroßere Einzelfahrzeuge und Fahrzeugkombinationen (Sattelfahrzeuge,\nGliederzuge, Spezialfahrzeuge) zum Betriebsgelande rund um die Uhr\ngewahrleistet sei. Auf die bereits bestehenden Schwierigkeiten und\nVerkehrsprobleme, die der Beklagten bekannt seien, werde hingewiesen. Die\nInstallation eines Minaretts mit einer Hohe von 25 m sowie einer Kuppel mit\nuber 15 m sei vollkommen uberzogen. Man gehe davon aus, dass der Wert des\nGrundstucks wegen der Nachbarschaft zu einer Moschee sinken werde. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Klager zu 2 (Schriftsatz vom 23.05.2006) \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die geplante Nutzungsanderung eroffne einen bislang nicht vorhandenen\nPublikumsverkehr. Fur diesen seien die geplanten Parkplatze nicht ausreichend.\nEs sei zu befurchten, dass ihr Grundstuck als Parkraum benutzt werde. Die\ngeplanten Kuppeln und das Minarett seien zu auffallend und zu hoch. Es werde\ngebeten, auf die Einhaltung der Bauhohen und Abstandsflachen zu dringen. Es\nsei nicht auszuschließen, dass das Bauvorhaben zu Einschrankungen bei einer\nBebauung im nordlichen Bereich des Grundstucks der Klager zu 2 fuhre. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Klager zu 3 (Schriftsatz vom 23.05.2006, Blatt 25) \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Gerugt wurden der Einbau zusatzlicher Fenster, der Einbau eines Notausgangs\nzu seinem Grundstuck sowie die Hohe und die Auffalligkeit der Kuppel und des\nMinaretts. Weiter wurde ausgefuhrt, die Zulassigkeit der Nutzung des\nBauvorhabens als Kulturzentrum sei insgesamt zu prufen. Die Lage und das\nGrundstuck erschienen dafur als nicht geeignet. Es entstehe ein bislang nicht\nvorhandener Publikumsverkehr. Die geplanten Parkplatze seien nicht\nausreichend. Es sei zu befurchten, dass sein Grundstuck als Zufahrt und\nParkraum benutzt werde. Der Beigeladene habe schon angefragt, ob er auf seinem\nGrundstuck Parkraum zur Verfugung stellen konne. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Klager zu 4 (Schriftsatze vom 18.05.2006, Blatt 17, und 23.05.2006, Blatt\n15) \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Das Vorhaben widerspreche einer Vereinbarung uber die Nutzung von\nGrundstucksflachen, die er mit dem Voreigentumer des Baugrundstucks\nabgeschlossen habe. Die neu geplanten Fenster zu seinem Grundstuck schrankten\ndie Nutzungsmoglichkeiten des klagerischen Grundstucks ein. Bei der Gestattung\nvon Fenstern sei eine Grenzbebauung durch ihn an seiner nordlichen\nGrundstucksgrenze fur die Errichtung eines Reifenlagers nicht mehr moglich. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| **b)** Nach der Einreichung geanderter Bauplane fuhrte die Beklagte ein\nweiteres Verfahren zur Benachrichtigung der Angrenzer durch. Die Änderungen\nbeziehen sich im Wesentlichen auf die Verkleinerung der ursprunglich\nbeantragten Kuppel (Durchmesser 7 m, Hohe uber dem Gebaudedach 2,50 m) und des\nMinaretts (Hohe 10 m uber dem Dach des Fahrstuhlschachts) sowie auf das\nEntfallen von Fenstern auf der Nordseite. Die Kuppel und das Minarett sollen\nauch ein schlichteres Aussehen als ursprunglich geplant erhalten. Die\nvorgesehenen Stellplatze wurden auf 118 erweitert (Darstellung auf dem\nLageplan, der mit dem Plan fur das Erdgeschoss nicht ubereinstimmt). Die\nKlager erhoben wiederum Einwendungen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Klagerin zu 1 (Schriftsatz vom 04.10.2006, Blatt 58) \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Vortrag deckt sich im Wesentlichen mit den Einwendungen aus dem\nSchriftsatz vom 24.06.(05.)2006. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Klager zu 2 (Schreiben vom 04.10.2006, Blatt 59) \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Sie wiederholten ihre Einwendungen zur Parkplatzproblematik, zu den\nAbstandsflachen und den Bauhohen. Sie fuhrten weiter aus, die geplante Nutzung\nstehe im Widerspruch zur Nutzung der umgebenden Grundstucke. Sie seien auch\nmit der reduzierten Kuppel und dem verkleinerten Minarett nicht einverstanden. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Klager zu 3 (Schreiben vom 04.10.2006, Blatt 60) \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Einwendungen enthalten Ausfuhrungen zu Fenstern, zur Kuppel, zum\nMinarett und zu Lichtkuppeln sowie zur Einhaltung der Abstandsflachen und\nBauhohen. Es werde gebeten, die geplante Nutzung als Kulturzentrum insgesamt\nauf ihre Zulassigkeit zu uberprufen. Die Lage und das Grundstuck selbst\nerschienen fur ein solches Projekt nicht geeignet. Die Nutzung stehe im\nWiderspruch zur umgebenden Bebauung. Des Weiteren wurde wiederum die\nParkplatzproblematik angesprochen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Klager zu 4 (Schreiben vom 05.10.2006, Blatt 61a) \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Der Klager zu 4 nahm in der zweiten Angrenzerbenachrichtigung erstmals\numfassend Stellung. Die geplante Nutzung sei nach der Baunutzungsverordnung\nnur ausnahmsweise zulassig. Bereits der jetzige Betrieb und die in den letzten\nMonaten durchgefuhrten Veranstaltungen zeigten, dass bei der Genehmigung im\nbeantragten Umfang gegen den Gebietserhaltungsanspruch bzw. das Gebot der\nWahrung des Gebietscharakters verstoßen werde. Das vorliegende Gewerbegebiet\nsei uberwiegend durch die Ansiedlung von Autohausern und artverwandten\nBetrieben gepragt. Bereits die nachgewiesenen 119 Stellplatze zeigten, dass\nmit einem Verkehrsaufkommen zu rechnen sei, das im Plangebiet untypisch sei.\nDer Nutzer des Flurstucks ... sei bei Veranstaltungen in der Vergangenheit\nbereits gezwungen gewesen, seinen Betrieb wegen Nichterreichbarkeit zu\nschließen. Es wurden Zustande geschaffen, die einem großflachigen Einzelhandel\neigen seien. Die Festsetzung von Ladenflachen widerspreche dem\nGebietscharakter. Durch die Nutzung werde der Gebietscharakter pragend von der\ngewerblichen Tatigkeit hin zu einer Nutzung im Rahmen religioser Betatigung\nverschoben. Die Nutzung fur kirchliche/religiose Zwecke sei Belastigungen und\nStorungen durch die vorhandene Umgebungsbebauung und deren Nutzung ausgesetzt,\ndie nicht zumutbar seien. Zu berucksichtigen sei, dass die Moschee uberwiegend\nan Werktagen zu den Arbeitszeiten genutzt werde. Durch den Betrieb der\nAutowerkstatt des Klagers seien nicht unerhebliche Larm- und Abgasimmissionen\nvorhanden. Die beantragte Nutzungsanderung stehe im Widerspruch zum\nfestgesetzten Baugebiet, da zur Grundstucksgrenze des Klagers hin eine\nCafeteria vorgesehen sei. Dem Klager stehe ein Recht zu, bei seiner\nGrundstucksnutzung nicht beeintrachtigt zu werden bzw. darauf, dass Konflikte\nplanungsrechtlich vermieden wurden. Die in einer Entfernung von 2,50 m zur\nGrundstucksgrenze stehenden Gebaude hielten die notwendige Abstandsflache\nnicht ein. Bei einer Gebaudehohe von 13 m sei ein Grenzabstand von 3,25 m\neinzuhalten. Da in die bisher vollkommen geschlossene Fassade Fenster\neingebaut werden sollten, konne sich der Beigeladene nicht auf den\nBestandsschutz hinsichtlich der Abstandsflachen berufen. Die Anzahl der\nStellplatze sei zu gering, insbesondere soweit neben der Nutzung als „Kirche"\nauch weitere Nutzungen als Buroraume, Laden und Lokal/Cafeteria vorgesehen\nseien. Nach dem Bebauungsplan seien keine Dachaufbauten zulassig. Das\nBauvorhaben entspreche nicht den Festsetzungen in den Bebauungsplanen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| **3.** Die Beklagte erteilte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 16.10.2006\ndie beantragte Baugenehmigung fur die Nutzungsanderung eines Gebaudes in der\nH. Straße ... in Z. unter Zulassung einer Ausnahme gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2\nBauNVO (fur kulturelle Zwecke) und unter Befreiung gem. § 31 Abs. 2 Nr. 2\nBauGB bezuglich der Dachgestaltung sowie unter Erteilung einer Abweichung von\nder DIN 1824 Teil 2 Ziff. 17 u.a. wegen der behindertengerechten Ausfuhrung\ndes Vorhabens. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Einwendungen der Klager wurden zuruckgewiesen. Es wurde ausgefuhrt,\ndass die Einwendungen zu den am 15.09.2006 eingegangenen geanderten\nBauvorlagen von allen Klagern fristgerecht erhoben worden seien. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Zu den Einwendungen der Klagerin zu 1 \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die im Stellplatzlageplan nachgewiesenen 118 Pkw-Stellplatze seien nach §\n37 Abs. 2 LBO i.V.m. der Verwaltungsvorschrift uber die Herstellung\nnotwendiger Stellplatze Tabelle B Nr. 1.4 Versammlungsstatte (ein Stellplatz\nje 4 bis 8 Sitzplatze) ausreichend. Am Freitag zwischen 12 und 13:30 Uhr\nwurden 100, maximal 250 Personen erwartet, an den ubrigen Wochentagen sei nur\nmit 10 bis 40 Besuchern zu rechnen, bei traditionellen turkischen Feiertagen\nwurden 300 bis maximal 400 Besucher erwartet. Die Beklagte habe den\nvorgenannten Beurteilungsspielraum beim Stellplatzbedarf fur\nVersammlungsstatten ohne Berucksichtigung eines ÖPNV-Bonus nach Tabelle A auf\nden Hochstbedarf von einem Stellplatz fur je vier Besucher festgesetzt, weil\nnicht nur mit Besuchern aus der Stadt Z. zu rechnen sei. Dieser\nStellplatzbedarf sei gedeckt, ebenso der Stellplatzbedarf fur die Buroflachen.\nDas Minarett (dieses uberrage die bestehende Gebaudeoberkante um ca. 12 m) und\ndie ca. 2 m hohe Kuppel uber dem bestehenden Flachdach seien baurechtlich\nunter dem Gesichtspunkt eventuell nachbarschutzender Normen irrelevant. Ein\nVergleich mit Werbeanlagen an der B. Straße konne nicht gezogen werden. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Zu den Einwendungen der Klager zu 2 \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Fur die Zwecke des Beigeladenen konne eine Ausnahme nach § 8 Abs. 3 Nr. 2\nBauNVO 1968 zugelassen werden. 730 m² Flache seien als Buronutzung vermietet.\nDurch die Ausnahme werde der durch den Bebauungsplan Nr. ... - B. Straße vom\n14.12.1972 festgesetzte Gebietscharakter eines Gewerbegebiets nicht in\nentscheidungserheblicher Weise verandert, so dass sich keine Unzulassigkeit\nnach § 15 Abs. 1 und 3 BauNVO ableiten lasse. Die Belastungen durch vermehrten\nBesucherverkehr seien in diesem Gewerbegebiet (mehrere Autohauser und\nServicebetriebe, ein Autoverleih, zwei Tankstellen usw.) nicht atypisch fur\ndie Eigenart des Gebiets. Unzumutbare Storungen und Belastigungen i.S. des §\n15 Abs. 1 BauNVO entstunden nicht. Umgekehrt werde nicht erkennbar, dass den\nbenachbarten Gewerbebetrieben bei der Zulassung dieser kulturellen Anlage\nbesondere Rucksichtnahmepflichten zugemutet wurden, die als Einschrankung zu\nwerten waren. Das ursprungliche Gebaude sei unter Befreiung vom Bebauungsplan\nmit drei Vollgeschossen genehmigt worden. Durch die beantragten Kuppeln und\ndas Minarett entstunden keine weiteren Vollgeschosse. Es seien keine großeren\nAbstandsflachen einzuhalten, so dass nachbarschutzende Vorschriften nicht\nverletzt sein konnen. Festsetzungen zur Dachform seien gestalterischer Natur\nund nicht nachbarschutzend. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Zu den Einwendungen des Klagers zu 3 \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die vom Klager zu 3 beanstandete Einzeichnung von Fenstern sei in der\nZwischenzeit beseitigt worden. Zur Dachform und zum Minarett sei auf die\nAusfuhrungen bei den Klagern zu 2 zu verweisen. Bei den vier kleineren Kuppeln\nhandele es sich nicht um Lichtkuppeln. Sie wurden feuerbestandig ausgefuhrt.\nDie Lichtoffnung auf dem Burotrakt sei durch die Baurechtsbehorde gestrichen\nworden. Wegen der Zulassigkeit der geplanten Nutzung sei auf die Ausfuhrungen\nbei den Klagern zu 2 wegen der Stellplatze auf die Ausfuhrungen zu den\nEinwendungen der Klagerin zu 1 zu verweisen. Die Anordnung der notwendigen\nStellplatze nach §§ 16 und 37 Abs. 7 LBO i.V.m. den Vorschriften der\nGaragenverordnung sei zulassig. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Zu den Einwendungen des Klagers zu 4 \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Hierzu verweist die Beklagte auf ihre Ausfuhrungen bezuglich der Klager zu\n1 und 2. Die Einrichtungen wie Laden, Friseur, Cafe seien nur fur Mitglieder\ndes Vereins bestimmt. Ein Verkauf nach außen sei nicht gestattet. Im Übrigen\nsei nicht erkennbar, dass die Festsetzungen in der Bebauungsplanerganzung\nnachbarschutzenden Charakter hatten. Das vorhandene Gebaude sei unter\nBefreiung vom Grenzabstand genehmigt worden. Es genieße Bestandsschutz.\nFenster in der Außenwand verstießen nicht gegen offentlich-rechtliche\nVorschriften. Das Grundstuck des Klagers werde in seiner Bebaubarkeit nicht\neingeschrankt. Wegen des Stellplatzbedarfs werde auf die Ausfuhrungen\nbezuglich der Klagerin zu 1, bezuglich der Dachaufbauten zu den Ausfuhrungen\nbezuglich der Klager zu 2 verwiesen. Es gelte die Baunutzungsverordnung 1968.\nNebenanlagen seien danach nicht auf die Grund- und Geschoßflachen anzurechnen. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| **4\\. a)** Die Klager legten am 10.11.2006 Widerspruch ein. Zur Begrundung\ntrug die Prozessbevollmachtigte der Klager vor, der Entwasserungsplan sei\nnicht genehmigungsfahig. Die Beklagte habe zu Unrecht nur den Nachweis von 118\nStellplatzen verlangt. Die Beklagte sei von einem Stellplatzbedarf fur 400\nBesucher einer Kultureinrichtung sowie der Erforderlichkeit von 18\nStellplatzen fur Buroflachen ausgegangen. Den Versammlungsraum fur 600\nPersonen, das Lokal/Cafeteria mit 70 Sitzplatzen, die Schneiderei, den\nFriseur, die Verkaufsflache, die Wohnung, den Jugendraum mit 30 Sitzplatzen,\ndrei Buroraume, zwei Großraumburos, eine Wohnung, ein Lokal mit 24 Sitzplatzen\nund eine weitere Wohnung habe die Beklagte nicht berucksichtigt. Bereits in\nder Vergangenheit habe es sich gezeigt, dass das Kulturzentrum von zahlreichen\nBesuchern frequentiert werde. Die Anzahl der Besucher lege den Schluss nahe,\ndass bei Veranstaltungen im Kulturzentrum nicht nur der Versammlungsraum fur\n400 Personen besucht werde, sondern auch die anderen vorhandenen\nRaumlichkeiten und Einrichtungen. Die Besucher kamen nach Beobachtungen der\nKlager praktisch ausschließlich mit Kraftfahrzeugen. Dies habe in der\nVergangenheit dazu gefuhrt, dass im gesamten Bereich um das Kulturzentrum\nnicht nur die Parkplatze auf den offentlichen Verkehrsflachen, sondern auch\ndie privaten Grundstucke der Klager zum Parkieren genutzt wurden. Dies zeige,\ndass der tatsachliche Stellplatzbedarf weitaus großer sei als dies von der\nStadt unterstellt werde. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| **b)** Das Regierungsprasidium Tubingen wies die Widerspruche der Klager\nmit Bescheid vom 18.01.2007 zuruck. Zur Begrundung wurde im Wesentlichen\nausgefuhrt, die Vorschriften uber die Stellplatzverpflichtung dienten nicht\ndem Nachbarschutz. Das gelte auch dann, wenn als Folge der Nichteinhaltung der\nStellplatzverpflichtung erhebliche Belastigungen durch auf offentlichen\nStraßen parkende und haltende Fahrzeuge eintraten oder wenn angrenzende\nStraßen zum Parken in Anspruch genommen wurden. Ein Mangel an Stellplatzen\nkonne im Einzelfall ausnahmsweise gegen das Gebot der Rucksichtnahme\nverstoßen, wenn der Mangel an Stellplatzen zu Beeintrachtigungen fuhre, die\nfur die Nachbarn bei Abwagung aller Umstande unzumutbar seien. Die\nStellplatzberechnung der Beklagten konne grundsatzlich nicht beanstandet\nwerden. Fur das Großraumburo von 756 m² seien 18 Stellplatze unter\nBerucksichtigung des ÖNPV-Bonus ausreichend. Die von der Beklagten geforderten\n100 Stellplatze lagen an der Obergrenze, wenn man davon ausgehe, dass in den\nErlauterungen zum Stellplatznachweis und den Bauvorlagen ausgefuhrt werde,\ndass die Moschee nicht gleichzeitig mit anderen Raumlichkeiten genutzt werde.\nDer Versammlungsraum werde nicht gleichzeitig mit den Gebetsraumen genutzt\nwerden. Fur den Versammlungsraum und die anderen Raume ergebe sich ohne die\nGebetsraume und ohne ÖNPV-Bonus ein Stellplatzbedarf zwischen 54 und 102\nStellplatzen (wird ausgefuhrt). Wurde man unterstellen, dass die Gebetsraume\nund die anderen Raume mit Ausnahme des Versammlungsraums gleichzeitig genutzt\nwerden, ergebe sich an traditionell turkischen Festtagen fur das Kulturhaus\nohne Berucksichtigung eines ÖPNV-Bonus ein Stellplatzbedarf von 125 bis 145\nStellplatzen. Dies sei zwischen 20 und 25% mehr als von der Stadt Z. in der\nBaugenehmigung zugrunde gelegt. Diese Differenz sei in der Großenordnung noch\nnicht so erheblich, dass damit die Schwelle der Unzumutbarkeit fur die Klager\nuberschritten wurde. Im Übrigen bleibe es den Klagern unbenommen, ein Parken\nauf ihrem Privatgelande durch geeignete Einrichtungen zu verhindern. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| **5.** Die Klager haben am 16.02.2007 Klage beim Verwaltungsgericht\nSigmaringen erhoben. Zur Begrundung wiederholt die Prozessbevollmachtigte der\nKlager zunachst die Begrundung des Widerspruchs. Erganzend tragt sie vor, das\nRegierungsprasidium Tubingen gehe zu Unrecht davon aus, dass an den\ntraditionellen turkischen Feiertagen nur mit maximal 400 Personen zu rechnen\nsei. Der Versammlungsraum im Erdgeschoss sei aber fur 600 Personen ausgelegt\nund nach Angaben des Veranstalters selbst im Bauantrag auch fur 600 Personen\nvorgesehen. Daruber hinaus gebe es im ersten Obergeschoss einen Gebetsraum fur\nHerren fur ca. 400 Personen und im zweiten Obergeschoss einen Gebetsraum fur\nDamen fur ca. 30 Personen. Weshalb diese drei Raume nicht parallel genutzt\nwerden konnten, sei aus dem Bauantrag nicht ersichtlich. Baurechtlich sei die\nNutzung aller Gebetsraume gleichzeitig zulassig. Die Baugenehmigung enthalte\ndafur keine Beschrankungen. Das bedeute, dass mehr als 100 Stellplatze\nerforderlich seien. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass das Kulturhaus\nfreitags von wesentlich mehr Personen genutzt werde, als dies von der\nBeklagten bei der Stellplatzberechnung zugrunde gelegt worden sei. Die\ngesamten Grundstucke in der Umgebung wurden von Fahrzeugen zugestellt bzw. zum\nParken in Anspruch genommen. Die Versammlungsraume wurden ublicherweise\nfreitags benutzt. Das Argument der seltenen Ereignisse konne fur die\nBegrundung und Berechnung der Anzahl der notwendigen Stellplatze nicht\nherangezogen werden. Der Stellplatzbedarf konne nicht nach Sitzplatzen\nermittelt werden, weil die Besucher der religiosen Veranstaltungen\nublicherweise stehen. Die Annahme des Regierungsprasidiums Tubingen zur\ngleichzeitigen Nutzung der Gebetsraume und anderer Raume treffe nicht zu. Es\nwurden nicht nur religiose Feiern durchgefuhrt, sondern es sei auch ein\nTreffpunkt fur die Vereinsangehorigen aus der Region geschaffen worden. Der\ngrob fehlerhafte Stellplatznachweis verletze die Klager in ihren Rechten. Mit\ndem Maß, mit dem die Baugenehmigung die Zahl der erforderlichen Stellplatze\nunterschreite, sei eine Verletzung des Gebots der Rucksichtnahme verbunden.\nDie Beklagte fordere im Grunde genommen weniger als die Halfte der gesetzlich\nnachzuweisenden Stellplatze. Zudem sei ein Teil der Stellplatze so angeordnet,\ndass sie praktisch nicht nutzbar seien. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Klager beantragen, \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| die Baugenehmigung der Beklagten vom 16.10.2006 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids des Regierungsprasidiums Tubingen vom 18.01.2007\naufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren\nfur notwendig zu erklaren. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Zur Begrundung tragt sie vor, Nachbarrechte der Klager wurden durch die\nRegelungen uber die Stellplatze nicht verletzt. Bei der Berechnung des\nRegierungsprasidiums Tubingen sei der ÖPNV-Bonus noch nicht berucksichtigt\nworden. Wende man diesen an, ergebe sich ohne die Gebetsraume ein\nStellplatzbedarf von 81,6 Stellplatzen, bei gleichzeitiger Nutzung ein\nStellplatzbedarf von 116,0. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Beklagte hat in der mundlichen Verhandlung vorgetragen, dass\nZeitungsberichte, auf die sie von der Kammer angesprochen worden sei,\nzutrafen, wonach der Beigeladene beabsichtigte, auf dem Baugrundstuck ein\nParkhaus zu errichten. Die Zahl der Stellplatze stehe aber noch nicht fest.\nDas Parkhaus solle auch nicht nur Besuchern des Kulturzentrums des\nBeigeladenen zur Verfugung stehen. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Der Beigeladene beantragt (schriftsatzlich), \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Zur Begrundung tragt er vor, werde die Zahl der notwendigen Stellplatze\nunterschritten, was hier nicht der Fall sei, seien Nachbarn erst dann in ihren\nRechten verletzt, wenn der freie Zugang zu ihrem Grundstuck nicht mehr moglich\nsei, nicht schon dann, wenn angrenzende Straßen durch Fahrzeuge zum Parken in\nAnspruch genommen wurden. Das Grundeigentum begrunde kein Recht auf bevorzugte\nNutzung des angrenzenden offentlichen Straßenraums. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Der Kammer haben die Bauakten der Beklagten, der Bebauungsplan ... „B.\nStraße" vom 14.12.1972 im Original sowie eine Kopie mit der Überschrift\n„Bebauungsplan J. Straße" vom 11.03.1999, und die Widerspruchsakte des\nRegierungsprasidiums Tubingen vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird\ndarauf sowie auf die Gerichtsakte verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 47 \n--- \n| Die Kammer konnte die mundliche Verhandlung durchfuhren, obwohl der\nBeigeladene in der mundlichen Verhandlung nicht vertreten war, da der\nProzessbevollmachtigte des Beigeladenen in der Ladung zur mundlichen\nVerhandlung auf diese Moglichkeit hingewiesen worden war (vgl. § 102 Abs. 2\nVwGO). \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Klagen sind zulassig. Die Klagen der Klager zu 1 bis 3 sind begrundet.\nDie Klage des Klagers zu 4 ist nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Die angefochtene Baugenehmigung ist nur daraufhin zu uberprufen, ob sie\ngegen solche von der Baurechtsbehorde nach § 58 LBO zu prufenden Vorschriften\nverstoßt, die zumindest auch zum Schutz des klagenden Nachbarn zu dienen\nbestimmt sind. Dabei bleibt der eventuelle Verstoß gegen Vorschriften\nunberucksichtigt, auf die sich der Nachbar infolge der materiellen Praklusion\nnach § 55 Abs. 2 LBO nicht mehr berufen kann. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Werden - wie hier - bei einer Änderung der Planung mehrere\nAngrenzerbenachrichtigungen durchgefuhrt, konnen (neue) Einwendungen in\nweiteren Verfahren nur mit Einschrankungen vorgebracht werden. Nach der\nRechtsprechung des VGH Baden-Wurttemberg (Beschlusse vom 20.10.2004 - 8 S\n2273/04 - Juris und vom 01.04.1998 - 8 S 722/98 -, VBlBW 1998, 464), welche\ndie Kammer ihrer Entscheidung zugrunde legt, verliert der Angrenzer seine\nAbwehrrechte gegen das konkrete beantragte Bauvorhaben mit dem Ablauf der\nEinwendungsfrist endgultig. Er kann daher auch im Falle einer wiederholten\nAngrenzerbenachrichtigung innerhalb der neu eroffneten Einwendungsfrist nur\nnoch insoweit Einwendungen erheben, als die Änderung des Bauantrags\nzusatzliche oder andersartige Beeintrachtigungen zur Folge hat. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Die beiden Verfahren zur Benachrichtigung der Angrenzer wurden gegenuber den\nKlagern ordnungsgemaß durchgefuhrt. Die fur den Eintritt der materiellen\nPraklusion nach § 55 Abs. 2 Satz 3 LBO erforderliche Belehrung wurde\nordnungsgemaß erteilt. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| **1.** ( Klager zu 4) \n--- \n| 53 \n--- \n| Nach diesen Grundsatzen kann der Klager zu 4 nur mit den Einwendungen gehort\nwerden, die er in seinen Schreiben vom 18. und 23.05.2008 erhoben hat. Denn\ndas Bauvorhaben aus dem Änderungsantrag bleibt hinsichtlich seiner\nnachbarrechtlichen Auswirkungen hinter dem ursprunglichen Bauantrag zuruck.\nInsbesondere die Problematik im Zusammenhang mit dem Besucherverkehr aufgrund\ndes Bauvorhabens bestand schon aufgrund der im ersten Antrag zur Genehmigung\ngestellten Dimension des Bauvorhabens in gleicher Weise. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Die Einwendungen aus den oben genannten Schreiben konnen der Klage des\nKlagers zu 4 nicht zum Erfolg verhelfen. Die Einwendung aus dem ersten\nSchreiben beruht auf einer privatrechtlichen Vereinbarung mit dem\nVoreigentumer des Grundstucks des Beigeladenen. Diese ist von der Baubehorde\nnicht zu berucksichtigen, da die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte\nDritter erteilt wird (§ 58 Abs. 3 LBO). \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Der Einwand aus dem zweiten Schreiben des Klagers zu 4, zu dem er durch das\nEinwendungsschreiben seines damaligen Rechtsanwalts vom 05.10.2006 weiter\nvorgetragen hat (Seite 4, III.), fuhrt ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit\nder Baugenehmigung gegenuber dem Klager zu 4. Der Einbau der Fenster auf der\ndem Grundstuck des Klagers zu 4 gegenuberliegenden Seite fuhrt nicht dazu,\ndass dieser selbst auf der Nordseite seines Grundstucks keinen Grenzbau fur\nein Reifenlager errichten kann. Dem Klager zu 4 kann auch ohne den Einbau der\nFenster kein Grenzbau genehmigt werden. Die Voraussetzungen fur den Verzicht\nauf eine Abstandsflache nach § 5 Abs. 1 LBO liegen nicht vor. Der\nBebauungsplan lasst eine Grenzbebauung nach der Nr. 1.2 seiner textlichen\nFestsetzungen nur bei Gebauden mit einer Traufhohe von 4 m zu, wenn auf dem\nNachbargrundstuck ein gleichartiges Gebaude angebaut werden kann. Dies ist\nnicht der Fall, da das Gebaude auf dem Grundstuck des Beigeladenen eine\nmittlere Traufhohe von 13,25 m aufweist und einen Grenzabstand einhalt. Der\nKlager zu 4 hat auch keinen Anspruch darauf, dass auf dem Grundstuck des\nBeigeladenen ein Zustand erhalten wird, der die Errichtung eines nach dem\nBebauungsplan zulassigen Grenzbaus zu einem spateren Zeitpunkt ermoglicht. Ein\nGrenzbau nach der Nr. 1.2 seiner textlichen Festsetzungen kann nur errichtet\nwerden, wenn beide Nachbarn zusammenwirken. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Die Frage der Einhaltung von Abstandsflachen war in den Einwendungen gegen\nden ersten Bauantrag nicht angesprochen. Der Klager zu 4 ist daher damit\nprakludiert. Dennoch sei dazu das Folgende bemerkt: Die Frage nach den\nAbstandsflachen nach § 5 Abs. 1 LBO stellt sich bei einer Nutzungsanderung in\nder Regel nicht (vgl. Sauter, Landesbauordnung fur Baden-Wurttemberg,\nLoseblattsammlung, 3. Auflage, § 5 LBO Rdnr. 24 ff. mit Nachweisen zur\nRechtsprechung des VGH Baden-Wurttemberg). Etwas anderes gilt nur dann, wenn\ndas Gebaude bei einer Nutzungsanderung seine Privilegierung nach § 6 Abs. 1\nLBO verliert. Das ist hier nicht der Fall. Zudem halt das Gebaude auch bei der\ngeanderten Nutzung mit einem tatsachlichen Grenzabstand von 2,50 m den\nnachbarschutzenden Teil der Abstandsflache ein. Dieser betragt nach § 5 Abs. 7\nSatz 3 LBO im Gewerbegebiet 0,125 der Wandhohe. Bei einer mittleren Wandhohe\nvon ca. 13,25 m ergibt sich eine Abstandsflache von 1,66 m. Die durch die\nKuppel bedingte Erhohung der Abstandsflache spielt keine Rolle. Diese ist\ngegenuber der Sudwand des Gebaudes zuruckversetzt, so dass deren\nAbstandsflache quasi auf dem Gebaudedach liegt. Einwendungen gegen die Rampe,\ndie in der Abstandsflache liegt und die fur die Notausgange benotigt wird, hat\nder Klager zu 4 in keinem der beiden Einwendungsverfahren vorgetragen. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Die Einwendungen des Klagers zu 4 zum Anstieg des Besucherverkehrs und zur\nParkraumsituation im Schreiben vom 05.10.2006 konnen auch nicht deshalb\nberucksichtigt werden, weil sich die Zahl der Stellplatze im geanderten\nBauantrag von 70 auf 118 erhoht hat. Denn der Klager zu 4 rugt nicht, dass es\nfur das Bauvorhaben zu viele Stellplatze gibt, sondern dass die Zahl der\nnachgewiesenen Stellplatze nicht ausreicht und er dadurch in seinen\nNachbarrechten verletzt wird. Durch die geanderte Baugenehmigung hat sich die\nvom Klager zu 4 insoweit beanstandete Situation gebessert. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| **2.** (Klager zu 1 bis 3) \n--- \n| 59 \n--- \n| Zu berucksichtigen sind nur Einwendungen, die hinreichend substantiiert sind\n(vgl. Sauter a.a.O. § 55 Rdnr. 28b). Das Vorbringen muss erkennen lassen, in\nwelcher Hinsicht aus der Sicht des Angrenzers Bedenken gegen das Bauvorhaben\nbestehen. Das erfordert die Bezeichnung des verletzten Rechtsguts und\nzumindest eine grobe Darlegung der im Einzelnen befurchteten\nBeeintrachtigungen (VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 01.04.1998 - 8 S\n722/98 -, Juris nur Leitsatz = VBlBW 1998, 464 Leitsatz und Grunde). \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Zu den Einwendungen der Klager zu 1 bis 3 gehoren solche, die sich auf die\nEntstehung eines durch das Bauvorhaben bislang nicht vorhandenen\nPublikumsverkehrs und die daraus entstehende Parkplatzproblematik beziehen.\nDiese sehen die Klager zu 1 bis 3 wegen der nach ihrer Auffassung zu geringen\nZahl der nachgewiesenen Parkplatze nicht als gelost an. Sie befurchten deshalb\ndurch außerhalb des Baugrundstucks abgestellte Fahrzeuge von Besuchern des\ngeplanten Islamischen Kulturzentrums bei der Nutzung ihrer eigenen Grundstucke\nbeeintrachtigt zu werden. Sie haben das beeintrachtigte Rechtsgut, ihr\nEigentum, sowie die befurchtete tatsachliche Beeintrachtigung hinreichend\nbezeichnet. Der Vortrag der Klager zu 1 bis 3 im Verfahren der\nAngrenzerbenachrichtigung gibt eine ausreichende Anstoßwirkung fur die\nBaubehorde und den Bauherrn fur eine Auseinandersetzung mit der gerugten\nProblematik. Die Anforderungen an die Erhebung von Einwendungen durfen auch\nnicht uberspannt werden. Die nachbarschutzenden Vorschriften brauchen vom\nEinwender, bei dem keine tieferen Kenntnisse des Baurechts vorausgesetzt\nwerden konnen, nicht benannt zu werden. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Die Problematik des Besucherverkehrs, der durch das Bauvorhaben ausgelost\nwird, wirkt sich hier sowohl auf die Beurteilung der Gebietsvertraglichkeit\ndes Vorhabens (a) wie auch auf die Einhaltung des Rucksichtnahmegebots (b)\naus. Ginge man davon aus, dass auf die fehlende Gebietsvertraglichkeit bei den\nEinwendungen gesondert abzustellen ware, konnten sich auf diesen Gesichtspunkt\nnur die Klager zu 2 und 3 berufen, die in ihren Einwendungen auch sinngemaß\nbeanstanden, dass das Bauvorhaben in ein Gewerbegebiet nicht passe. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| **a)** Das Bauvorhaben verstoßt gegen eine nachbarschutzende Vorschrift des\nBauplanungsrechts. Es ist nicht gebietsvertraglich, weil die durch das\ngenehmigte Vorhaben ausgeloste Parkplatzproblematik nicht durch die\nBaugenehmigung bewaltigt wird. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| Bauplanungsrechtlich ist die Zulassigkeit des Vorhabens nach § 30 Abs. 1\nBauGB in Verbindung mit den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. ... „B.\nStraße/H. Straße" vom 14.12.1972 (hier insbesondere § 8 Abs. 3 BauNVO 1968) zu\nbeurteilen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss\nvom 28.02.2008 - 4 B 60.07 -, Juris), welche die Kammer auch ihrer\nEntscheidung zugrunde legt, sind Vorhaben, die den Baugebieten nach §§ 2 bis 9\nBauNVO allgemein (regelhaft) zugewiesen sind, ebenso wie Vorhaben, die\nausnahmsweise zugelassen werden konnen, unzulassig, wenn sie den jeweiligen\nGebietscharakter gefahrden und deshalb gebietsunvertraglich sind. Der\nGebietserhaltungsanspruch ist nachbarschutzend. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Der Bebauungsplan Nr. ... „B. Straße" vom 14.12.1972 setzt fur das\nBaugrundstuck und die Grundstucke der Klager ein Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO\n1968 fest. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1968 konnen im Gewerbegebiet\nausnahmsweise auch Anlagen fur kirchliche, kulturelle, soziale,\ngesundheitliche und sportliche Zwecke zugelassen werden. Das Vorhaben des\nBeigeladenen kann jedenfalls unter das Tatbestandsmerkmal „kulturelle Zwecke"\nsubsumiert werden. Diese (Moschee und Veranstaltungssaal) stehen bei dem\nVorhaben des Beigeladenen gegenuber den weiteren beantragten\nNutzungsanderungen im Vordergrund. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| Ein Vorhaben, das ausnahmsweise zugelassen werden kann, ist insbesondere\ndann gebietsunvertraglich und damit unzulassig, wenn es wegen seines\nraumlichen Umfangs und der Große seines Einzugsbereichs, der Art der\nBetriebsvorgange und der Intensitat des Zu- und Abgangsverkehrs generell\n(typischerweise) geeignet ist, den Gebietscharakter zu storen (vgl. BVerwG,\nBeschluss vom 28.02.2008 a.a.O., dort entschieden fur ein Dialysezentrum mit\n33 Behandlungsplatzen in einem allgemeinen Wohngebiet). In den Entscheidungen\nzur Gebietsunvertraglichkeit, die der Kammer bekannt sind, stand im\nVordergrund die Frage, ob die Gebietsvertraglichkeit deshalb entfallt, weil\ndas zu beurteilende Vorhaben die erforderliche Rucksicht auf das Ruhebedurfnis\nder festgesetzten Wohnnutzung vermissen lasst (z.B. BVerwG, Beschluss vom\n28.02.2008 a.a.O. und Urteil vom 21.03.2002 - 4 C 1.02 -, Juris) oder deshalb,\nweil auf ein Ruhebedurfnis des zu beurteilenden Vorhabens in einer\ngebietsuntypischen Weise Rucksicht zu nehmen gewesen ware (z.B. BVerwG, Urteil\nvom 13.05.2002 - 4 B 86.01 - Juris, Seniorenpflegeheim im Gewerbegebiet). \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Die Frage des Ruhebedurfnisses stellt sich hier nicht. Sie wurde in den\nEinwendungen der Klager zu 1 bis 3 auch nicht angesprochen Eine\nGebietsunvertraglichkeit liegt aber auch dann vor, wenn die Funktionsfahigkeit\ndes festgesetzten Baugebiets durch ein Vorhaben aus anderen Grunden\nbeeintrachtigt wird. Nach seiner typischen Pragung dient ein Gewerbegebiet der\nProduktion von Wirtschaftsgutern, dem Handel und der Verwaltung. Es ist fur\nseine Funktionsfahigkeit darauf angewiesen, dass es jederzeit insbesondere\nauch durch Lieferanten mit großeren Fahrzeugen angefahren werden kann. Es ist\nzu prufen, ob das konkrete Vorhaben mit der typischen Aufgabe, die einem\nGewerbegebiet zukommt, im Wesentlichen storungsfrei in Einklang zu bringen\nist. Hierzu gehort es grundsatzlich auch, dass es den durch das Vorhaben\nselbst hervorgerufenen ruhenden Verkehr durch den Nachweis einer ausreichenden\nAnzahl von Stellplatzen selbst bewaltigt und dieses Problem nicht auf das\nubrige Baugebiet abwalzt. Jedenfalls dann, wenn das genehmigte Vorhaben - wie\nhier - einen erheblichen Besucherverkehr auslosen kann und die Zahl der\nStellplatze dafur bei weitem nicht ausreicht, der Stellplatzbedarf aber auch\nnicht durch offentlich zugangliche Moglichkeiten zum Abstellen von\nKraftfahrzeugen in der Nahe des Bauvorhabens aufgefangen wird, sind die\nStorungen dem Vorhaben selbst zuzurechnen. In diesem Fall tritt die\nindividuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Pkw-Fuhrers fur ein\nordnungsgemaßes Parken seines Fahrzeugs zuruck. Zu berucksichtigen ist auch,\ndass sich die Hauptnutzungszeiten des Bauvorhabens (Freitagsgebet) mit den\nBetriebszeiten der umliegenden Gewerbebetriebe uberschneiden. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| Die Beklagte hat in der Baugenehmigung nicht sichergestellt, dass die zur\nGenehmigung gestellten Raume nur in einem Umfang genutzt werden konnen, dass\ndie nachgewiesenen oder sonst in der Nahe vorhandenen Stellplatze im\nWesentlichen ausreichen. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Der Versammlungsraum im Erdgeschoss wurde fur 600 Personen genehmigt. Eine\nentsprechende Anzahl wurde von dem Beigeladenen in den Plan fur das\nErdgeschoss eingetragen (Blaueintrag). Die Anzahl der im Plan eingetragenen\nStuhle (228) ist zwar geringer. Es gibt aber aus den eingereichten Planen und\nden sonstigen Unterlagen aus dem Genehmigungsverfahren keine Anhaltspunkte,\ndass sich der Genehmigungsantrag fur den Versammlungsraum auf die Nutzung\ndurch 228 Personen beschrankt. Die Kammer geht davon aus, dass die\neingezeichneten Stuhle nur ein Beispiel einer Nutzung darstellen. Wenn etwas\nanderes beabsichtigt worden ware, hatte dies hinreichend deutlich gemacht\nwerden mussen. Eine Beschrankung der Nutzung des Versammlungsraums auf 228\nPersonen findet sich auch nicht in der Baugenehmigung. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Der Teil des Gebaudes, der als Moschee genutzt werden soll, wurde fur 400\nPersonen genehmigt. Dies folgt aus dem Blaueintrag des Beigeladenen im Plan\nfur das erste Obergeschoss. \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| Die angefochtene Baugenehmigung schließt auch durch die Einbeziehung der\nBetriebsbeschreibung vom 26.07.2006 in die Baugenehmigung nicht aus, dass das\nzur Genehmigung gestellte Vorhaben mit seinen verschiedenen Bereichen\ngleichzeitig genutzt wird. In der Betriebsbeschreibung wird unter anderem\nmitgeteilt, dass der Versammlungsraum zwei- bis dreimal im Monat genutzt\nwerde. Wahrend der Hauptgebetszeit an Feiertagen wurden keine Aktivitaten\ndurchgefuhrt. Mit dem Begriff „Aktivitaten" sind solche nicht religioser Art\ngemeint. Dies schließt es aber nicht aus, dass der Veranstaltungsraum bei\neinem entsprechenden Bedarf mit in die religiosen Aktivitaten einbezogen wird.\nDadurch erhoht sich die Zahl der potentiellen Besucher des Freitagsgebets und\ngegebenenfalls anderer religios gepragter Aktivitaten. Soll die Nutzung in\neiner Baugenehmigung auf die Zahl der Personen beschrankt werden, fur die\nStellplatze nachgewiesen werden konnen, hat dies ausdrucklich in der\nBaugenehmigung zu erfolgen. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| Unter Zugrundelegung der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums\nuber die Herstellung notwendiger Stellplatze (VwV Stellplatze) vom 16.04.1996\n(GABl. Seite 289), geandert durch Verwaltungsvorschrift vom 04.08.2003 (GABl.\nSeite 590), sind mindestens 238 Stellplatze nachzuweisen. Dabei ist ein ÖPNV-\nBonus von 20 % berucksichtigt. Fur die Berechnung der Mindestzahl der\nnachzuweisenden Stellplatze ubernimmt die Kammer mit Ausnahme der Moschee und\ndes Versammlungsraums die Berechnung aus dem Widerspruchsbescheid des\nRegierungsprasidiums Tubingen. Da schon bei Zugrundelegung der\nRechtsauffassung des Regierungsprasidiums Tubingen Rechte der Klager zu 1 bis\n3 verletzt sind, kann offen bleiben, ob nicht tatsachlich weitere Stelleplatze\nerforderlich sind. \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| \n--- \n| Stellplatzbedarf fur Verkaufsflache, Lokale, \nSchneiderei, Friseur, Buros (ohne Großraumburo), \nJugendraum, Wohnungen 26 bis 50 Stellplatze \n--- \n| mindestens 26 Stellplatze \n--- \n| Moschee, 400 Besucherplatze, 1 Stellplatz je \n4 Besucherplatze \n--- \n| 100 Stellplatze \n--- \n| Versammlungsraum, 600 Besucherplatze \n1 Stellplatz je 4 Besucherplatze \n--- \n| 150 Stellplatze \n--- \n| ÖPNV-Bonus (minus 20 %) \n--- \n| \\- 56 Stellplatze \n--- \n| Stellplatze fur die Großraumburos \n(der ÖPNV-Bonus wurde dabei nach dem \nWiderspruchsbescheid bereits berucksichtigt) \n--- \n| 18 Stellplatze \n--- \n| Summe \n--- \n| 238 Stellplatze \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| Bei der Moschee und dem Versammlungsraum ist es gerechtfertigt, von einem\nStellplatz fur 4 Besucherplatze auszugehen und damit am oberen Ende des\nRahmens zu bleiben, der im Anhang B Nr. 4.1 der VwV Stellplatze mit einem\nStellplatz je 4 bis 8 Sitzplatzen angegeben wird. Die Besucher, die\noffentliche Verkehrsmittel benutzen, sind durch den ÖPNV-Bonus berucksichtigt.\nDie anderen Besucher des Kulturzentrums werden uberwiegend mit\nPersonenkraftwagen anfahren, da das Kulturzentrum einen Einzugsbereich uber\nden Stadtteil, in dem es liegt, voraussichtlich sogar uber das Gebiet der\nStadt Z. hinaus hat. Es ist auch zu berucksichtigen, dass das Freitagsgebet um\ndie Mittagszeit stattfindet und viele Teilnehmer am Freitagsgebet berufstatig\nsein durften und nur bei der Benutzung eines Personenkraftwagens rechtzeitig\nerscheinen konnen. \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| In der Baugenehmigung sind somit nur etwa die Halfte der notwendigen\nStellplatze nachgewiesen. Es gibt in der Nahe des Bauvorhabens auch keine\noffentlichen Stellplatze, die fur die Deckung seines Bedarfs herangezogen\nwerden konnen. Auch der Umstand, dass der Beigeladene ernsthaft die Errichtung\neines Parkhauses mit einer noch nicht feststehenden Zahl von Stellplatzen\nerwagt, ist ein Indiz dafur, dass die nachgewiesenen Stellplatze nicht\nausreichen. Ein weiteres Indiz ergibt sich daraus, dass der Beigeladene sich\nbei dem Klager zu 3 erkundigt hat, ob ihm dieser Parkraum zur Verfugung\nstellen konne. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Somit ist der nachbarschutzende Anspruch auf Wahrung der\nGebietsvertraglichkeit aufgrund der erheblich zu geringen Anzahl von\nStellplatzen zu Lasten der Klager zu 1 bis 3 verletzt. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| **b)** Der Nachweis einer erheblich zu geringen Anzahl von Stellplatzen\nverletzt auch das Rucksichtnahmegebot gegenuber den Klagern zu 1 bis 3. \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| Die bauordnungsrechtlichen Vorschriften uber die Verpflichtung zur\nErrichtung der Stellplatze, die fur eine ordnungsgemaße Nutzung notwendig sind\n(§ 37 Abs. 1 und 2 LBO), sind nicht nachbarschutzend. Sie dienen\nausschließlich dem offentlichen Interesse an der Entlastung offentlicher\nVerkehrsflachen vom ruhenden Verkehr. Die Genehmigung eines Vorhabens ohne die\nerforderlichen Stellplatze kann allerdings im Einzelfall gegen das\nnachbarschutzende Gebot der Rucksichtnahme verstoßen. Ein Verstoß liegt vor,\nwenn der Mangel an Stellplatzen zu Beeintrachtigungen fuhrt, die dem Nachbarn\n- auch unter Berucksichtigung einer Vorbelastung seines Grundstucks - bei\nAbwagung aller Umstande unzumutbar sind. Auf einen Verstoß gegen das\nRucksichtnahmegebot kann sich der Nachbar etwa dann berufen, wenn der\nStellplatzmangel geeignet ist, die bestimmungsgemaße Nutzung des eigenen\nGrundstucks zu beeintrachtigen (VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom\n10.01.2008 - 3 S 2773/07 -, Juris, mit Nachweisen zum Stand der\nRechtsprechung). \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Prufung hat aufgrund einer\nPrognose zu erfolgen. Eine Verletzung des Rucksichtnahmegebotes wegen einer zu\ngeringen Anzahl von Stellplatzen fur ein Bauvorhaben kommt nur dann in\nBetracht, wenn ein Bauvorhaben eine erhebliche Anzahl von Stellplatzen\nerfordert, die Zahl der nachgewiesenen Stellplatze weit dahinter zuruckbleibt\nund der Bedarf fur Stellplatze in der Nahe des Bauvorhabens nicht auf andere\nWeise gedeckt werden kann. Denn nur bei einem erheblichen Fehlbedarf ist damit\nzu rechnen, dass die Erreichbarkeit der Grundstucke der Nachbarn durch\nKraftfahrzeuge in einer nicht mehr zumutbaren Weise beeintrachtigt werden\nkann. Und nur bei einem erheblichen Fehlbedarf kann dies dem Bauvorhaben\nzugerechnet werden. \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| Hier ist die Lage dadurch gekennzeichnet, dass den nachgewiesenen 118\nStellplatzen ein Bedarf von mindestens 238 Stellplatzen gegenubersteht. Somit\nbesteht bei einem erheblichen Stellplatzbedarf ein erheblicher Fehlbedarf, der\nin der Nahe des Bauvorhabens auch nicht durch offentlich zuganglichen Parkraum\ngedeckt wird. Es ist daher davon auszugehen, dass bei den regelmaßig\nstattfindenden termingebundenen Veranstaltungen im Bauvorhaben im Bereich der\nNachbargrundstucke so geparkt wird, dass deren Erreichbarkeit beeintrachtig\nwird bzw. in großerem Umfang die fur andere Zwecke vorgesehenen\nKundenparkplatze auf den Grundstucken der Klager benutzt werden. Wegen des\nerheblichen Fehlbedarfs ist dieser Zustand auch dem Vorhaben selbst\nzuzurechnen. Die Klager zu 1 bis 3 sind nicht darauf zu verweisen, im\nEinzelfall privatrechtlich gegen die Personen vorzugehen, die ihre Fahrzeuge\nin einer unzulassigen Weise abstellen. \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1, § 162 Abs. 3\nund § 154 Abs. 3 VwGO. Dem Beigeladenen konnte nach § 154 Abs. 3 VwGO ein Teil\nder Kosten der Klager zu 1 bis 3 und der Gerichtskosten auferlegt werden, da\ner einen Antrag gestellt hat. Dem steht es nicht entgegen, dass der\nBeigeladene in der mundlichen Verhandlung nicht vertreten war. In diesem Fall\nreicht es aus, dass der Antrag schriftlich gestellt wurde (vgl. Kopp/Schenke,\nVerwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2007, § 103 Rdnr 8). Die\nAntragstellung ist hier im Schriftsatz des Prozessbevollmachtigten des\nBeigeladenen vom 21.05.2007 erfolgt. Darin wurde der Antrag nicht lediglich\nfur die mundliche Verhandlung angekundigt. \n--- \n--- \n| 81 \n--- \n| Die Hinzuziehung eines Bevollmachtigten durch die Klager im Vorverfahren war\nnach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO fur notwendig zu erklaren, da sie vom Standpunkt\neiner verstandigen, nicht rechtskundigen Partei fur erforderlich gehalten\nwerden durfte. \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| Das Gericht macht von der Moglichkeit, die Entscheidung nach § 167 Abs. 2\nVwGO wegen der Kosten fur vorlaufig vollstreckbar zu erklaren, keinen\nGebrauch. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 47 \n--- \n| Die Kammer konnte die mundliche Verhandlung durchfuhren, obwohl der\nBeigeladene in der mundlichen Verhandlung nicht vertreten war, da der\nProzessbevollmachtigte des Beigeladenen in der Ladung zur mundlichen\nVerhandlung auf diese Moglichkeit hingewiesen worden war (vgl. § 102 Abs. 2\nVwGO). \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Klagen sind zulassig. Die Klagen der Klager zu 1 bis 3 sind begrundet.\nDie Klage des Klagers zu 4 ist nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Die angefochtene Baugenehmigung ist nur daraufhin zu uberprufen, ob sie\ngegen solche von der Baurechtsbehorde nach § 58 LBO zu prufenden Vorschriften\nverstoßt, die zumindest auch zum Schutz des klagenden Nachbarn zu dienen\nbestimmt sind. Dabei bleibt der eventuelle Verstoß gegen Vorschriften\nunberucksichtigt, auf die sich der Nachbar infolge der materiellen Praklusion\nnach § 55 Abs. 2 LBO nicht mehr berufen kann. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Werden - wie hier - bei einer Änderung der Planung mehrere\nAngrenzerbenachrichtigungen durchgefuhrt, konnen (neue) Einwendungen in\nweiteren Verfahren nur mit Einschrankungen vorgebracht werden. Nach der\nRechtsprechung des VGH Baden-Wurttemberg (Beschlusse vom 20.10.2004 - 8 S\n2273/04 - Juris und vom 01.04.1998 - 8 S 722/98 -, VBlBW 1998, 464), welche\ndie Kammer ihrer Entscheidung zugrunde legt, verliert der Angrenzer seine\nAbwehrrechte gegen das konkrete beantragte Bauvorhaben mit dem Ablauf der\nEinwendungsfrist endgultig. Er kann daher auch im Falle einer wiederholten\nAngrenzerbenachrichtigung innerhalb der neu eroffneten Einwendungsfrist nur\nnoch insoweit Einwendungen erheben, als die Änderung des Bauantrags\nzusatzliche oder andersartige Beeintrachtigungen zur Folge hat. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Die beiden Verfahren zur Benachrichtigung der Angrenzer wurden gegenuber den\nKlagern ordnungsgemaß durchgefuhrt. Die fur den Eintritt der materiellen\nPraklusion nach § 55 Abs. 2 Satz 3 LBO erforderliche Belehrung wurde\nordnungsgemaß erteilt. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| **1.** ( Klager zu 4) \n--- \n| 53 \n--- \n| Nach diesen Grundsatzen kann der Klager zu 4 nur mit den Einwendungen gehort\nwerden, die er in seinen Schreiben vom 18. und 23.05.2008 erhoben hat. Denn\ndas Bauvorhaben aus dem Änderungsantrag bleibt hinsichtlich seiner\nnachbarrechtlichen Auswirkungen hinter dem ursprunglichen Bauantrag zuruck.\nInsbesondere die Problematik im Zusammenhang mit dem Besucherverkehr aufgrund\ndes Bauvorhabens bestand schon aufgrund der im ersten Antrag zur Genehmigung\ngestellten Dimension des Bauvorhabens in gleicher Weise. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Die Einwendungen aus den oben genannten Schreiben konnen der Klage des\nKlagers zu 4 nicht zum Erfolg verhelfen. Die Einwendung aus dem ersten\nSchreiben beruht auf einer privatrechtlichen Vereinbarung mit dem\nVoreigentumer des Grundstucks des Beigeladenen. Diese ist von der Baubehorde\nnicht zu berucksichtigen, da die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte\nDritter erteilt wird (§ 58 Abs. 3 LBO). \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Der Einwand aus dem zweiten Schreiben des Klagers zu 4, zu dem er durch das\nEinwendungsschreiben seines damaligen Rechtsanwalts vom 05.10.2006 weiter\nvorgetragen hat (Seite 4, III.), fuhrt ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit\nder Baugenehmigung gegenuber dem Klager zu 4. Der Einbau der Fenster auf der\ndem Grundstuck des Klagers zu 4 gegenuberliegenden Seite fuhrt nicht dazu,\ndass dieser selbst auf der Nordseite seines Grundstucks keinen Grenzbau fur\nein Reifenlager errichten kann. Dem Klager zu 4 kann auch ohne den Einbau der\nFenster kein Grenzbau genehmigt werden. Die Voraussetzungen fur den Verzicht\nauf eine Abstandsflache nach § 5 Abs. 1 LBO liegen nicht vor. Der\nBebauungsplan lasst eine Grenzbebauung nach der Nr. 1.2 seiner textlichen\nFestsetzungen nur bei Gebauden mit einer Traufhohe von 4 m zu, wenn auf dem\nNachbargrundstuck ein gleichartiges Gebaude angebaut werden kann. Dies ist\nnicht der Fall, da das Gebaude auf dem Grundstuck des Beigeladenen eine\nmittlere Traufhohe von 13,25 m aufweist und einen Grenzabstand einhalt. Der\nKlager zu 4 hat auch keinen Anspruch darauf, dass auf dem Grundstuck des\nBeigeladenen ein Zustand erhalten wird, der die Errichtung eines nach dem\nBebauungsplan zulassigen Grenzbaus zu einem spateren Zeitpunkt ermoglicht. Ein\nGrenzbau nach der Nr. 1.2 seiner textlichen Festsetzungen kann nur errichtet\nwerden, wenn beide Nachbarn zusammenwirken. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Die Frage der Einhaltung von Abstandsflachen war in den Einwendungen gegen\nden ersten Bauantrag nicht angesprochen. Der Klager zu 4 ist daher damit\nprakludiert. Dennoch sei dazu das Folgende bemerkt: Die Frage nach den\nAbstandsflachen nach § 5 Abs. 1 LBO stellt sich bei einer Nutzungsanderung in\nder Regel nicht (vgl. Sauter, Landesbauordnung fur Baden-Wurttemberg,\nLoseblattsammlung, 3. Auflage, § 5 LBO Rdnr. 24 ff. mit Nachweisen zur\nRechtsprechung des VGH Baden-Wurttemberg). Etwas anderes gilt nur dann, wenn\ndas Gebaude bei einer Nutzungsanderung seine Privilegierung nach § 6 Abs. 1\nLBO verliert. Das ist hier nicht der Fall. Zudem halt das Gebaude auch bei der\ngeanderten Nutzung mit einem tatsachlichen Grenzabstand von 2,50 m den\nnachbarschutzenden Teil der Abstandsflache ein. Dieser betragt nach § 5 Abs. 7\nSatz 3 LBO im Gewerbegebiet 0,125 der Wandhohe. Bei einer mittleren Wandhohe\nvon ca. 13,25 m ergibt sich eine Abstandsflache von 1,66 m. Die durch die\nKuppel bedingte Erhohung der Abstandsflache spielt keine Rolle. Diese ist\ngegenuber der Sudwand des Gebaudes zuruckversetzt, so dass deren\nAbstandsflache quasi auf dem Gebaudedach liegt. Einwendungen gegen die Rampe,\ndie in der Abstandsflache liegt und die fur die Notausgange benotigt wird, hat\nder Klager zu 4 in keinem der beiden Einwendungsverfahren vorgetragen. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Die Einwendungen des Klagers zu 4 zum Anstieg des Besucherverkehrs und zur\nParkraumsituation im Schreiben vom 05.10.2006 konnen auch nicht deshalb\nberucksichtigt werden, weil sich die Zahl der Stellplatze im geanderten\nBauantrag von 70 auf 118 erhoht hat. Denn der Klager zu 4 rugt nicht, dass es\nfur das Bauvorhaben zu viele Stellplatze gibt, sondern dass die Zahl der\nnachgewiesenen Stellplatze nicht ausreicht und er dadurch in seinen\nNachbarrechten verletzt wird. Durch die geanderte Baugenehmigung hat sich die\nvom Klager zu 4 insoweit beanstandete Situation gebessert. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| **2.** (Klager zu 1 bis 3) \n--- \n| 59 \n--- \n| Zu berucksichtigen sind nur Einwendungen, die hinreichend substantiiert sind\n(vgl. Sauter a.a.O. § 55 Rdnr. 28b). Das Vorbringen muss erkennen lassen, in\nwelcher Hinsicht aus der Sicht des Angrenzers Bedenken gegen das Bauvorhaben\nbestehen. Das erfordert die Bezeichnung des verletzten Rechtsguts und\nzumindest eine grobe Darlegung der im Einzelnen befurchteten\nBeeintrachtigungen (VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 01.04.1998 - 8 S\n722/98 -, Juris nur Leitsatz = VBlBW 1998, 464 Leitsatz und Grunde). \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Zu den Einwendungen der Klager zu 1 bis 3 gehoren solche, die sich auf die\nEntstehung eines durch das Bauvorhaben bislang nicht vorhandenen\nPublikumsverkehrs und die daraus entstehende Parkplatzproblematik beziehen.\nDiese sehen die Klager zu 1 bis 3 wegen der nach ihrer Auffassung zu geringen\nZahl der nachgewiesenen Parkplatze nicht als gelost an. Sie befurchten deshalb\ndurch außerhalb des Baugrundstucks abgestellte Fahrzeuge von Besuchern des\ngeplanten Islamischen Kulturzentrums bei der Nutzung ihrer eigenen Grundstucke\nbeeintrachtigt zu werden. Sie haben das beeintrachtigte Rechtsgut, ihr\nEigentum, sowie die befurchtete tatsachliche Beeintrachtigung hinreichend\nbezeichnet. Der Vortrag der Klager zu 1 bis 3 im Verfahren der\nAngrenzerbenachrichtigung gibt eine ausreichende Anstoßwirkung fur die\nBaubehorde und den Bauherrn fur eine Auseinandersetzung mit der gerugten\nProblematik. Die Anforderungen an die Erhebung von Einwendungen durfen auch\nnicht uberspannt werden. Die nachbarschutzenden Vorschriften brauchen vom\nEinwender, bei dem keine tieferen Kenntnisse des Baurechts vorausgesetzt\nwerden konnen, nicht benannt zu werden. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Die Problematik des Besucherverkehrs, der durch das Bauvorhaben ausgelost\nwird, wirkt sich hier sowohl auf die Beurteilung der Gebietsvertraglichkeit\ndes Vorhabens (a) wie auch auf die Einhaltung des Rucksichtnahmegebots (b)\naus. Ginge man davon aus, dass auf die fehlende Gebietsvertraglichkeit bei den\nEinwendungen gesondert abzustellen ware, konnten sich auf diesen Gesichtspunkt\nnur die Klager zu 2 und 3 berufen, die in ihren Einwendungen auch sinngemaß\nbeanstanden, dass das Bauvorhaben in ein Gewerbegebiet nicht passe. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| **a)** Das Bauvorhaben verstoßt gegen eine nachbarschutzende Vorschrift des\nBauplanungsrechts. Es ist nicht gebietsvertraglich, weil die durch das\ngenehmigte Vorhaben ausgeloste Parkplatzproblematik nicht durch die\nBaugenehmigung bewaltigt wird. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| Bauplanungsrechtlich ist die Zulassigkeit des Vorhabens nach § 30 Abs. 1\nBauGB in Verbindung mit den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. ... „B.\nStraße/H. Straße" vom 14.12.1972 (hier insbesondere § 8 Abs. 3 BauNVO 1968) zu\nbeurteilen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss\nvom 28.02.2008 - 4 B 60.07 -, Juris), welche die Kammer auch ihrer\nEntscheidung zugrunde legt, sind Vorhaben, die den Baugebieten nach §§ 2 bis 9\nBauNVO allgemein (regelhaft) zugewiesen sind, ebenso wie Vorhaben, die\nausnahmsweise zugelassen werden konnen, unzulassig, wenn sie den jeweiligen\nGebietscharakter gefahrden und deshalb gebietsunvertraglich sind. Der\nGebietserhaltungsanspruch ist nachbarschutzend. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Der Bebauungsplan Nr. ... „B. Straße" vom 14.12.1972 setzt fur das\nBaugrundstuck und die Grundstucke der Klager ein Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO\n1968 fest. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1968 konnen im Gewerbegebiet\nausnahmsweise auch Anlagen fur kirchliche, kulturelle, soziale,\ngesundheitliche und sportliche Zwecke zugelassen werden. Das Vorhaben des\nBeigeladenen kann jedenfalls unter das Tatbestandsmerkmal „kulturelle Zwecke"\nsubsumiert werden. Diese (Moschee und Veranstaltungssaal) stehen bei dem\nVorhaben des Beigeladenen gegenuber den weiteren beantragten\nNutzungsanderungen im Vordergrund. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| Ein Vorhaben, das ausnahmsweise zugelassen werden kann, ist insbesondere\ndann gebietsunvertraglich und damit unzulassig, wenn es wegen seines\nraumlichen Umfangs und der Große seines Einzugsbereichs, der Art der\nBetriebsvorgange und der Intensitat des Zu- und Abgangsverkehrs generell\n(typischerweise) geeignet ist, den Gebietscharakter zu storen (vgl. BVerwG,\nBeschluss vom 28.02.2008 a.a.O., dort entschieden fur ein Dialysezentrum mit\n33 Behandlungsplatzen in einem allgemeinen Wohngebiet). In den Entscheidungen\nzur Gebietsunvertraglichkeit, die der Kammer bekannt sind, stand im\nVordergrund die Frage, ob die Gebietsvertraglichkeit deshalb entfallt, weil\ndas zu beurteilende Vorhaben die erforderliche Rucksicht auf das Ruhebedurfnis\nder festgesetzten Wohnnutzung vermissen lasst (z.B. BVerwG, Beschluss vom\n28.02.2008 a.a.O. und Urteil vom 21.03.2002 - 4 C 1.02 -, Juris) oder deshalb,\nweil auf ein Ruhebedurfnis des zu beurteilenden Vorhabens in einer\ngebietsuntypischen Weise Rucksicht zu nehmen gewesen ware (z.B. BVerwG, Urteil\nvom 13.05.2002 - 4 B 86.01 - Juris, Seniorenpflegeheim im Gewerbegebiet). \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Die Frage des Ruhebedurfnisses stellt sich hier nicht. Sie wurde in den\nEinwendungen der Klager zu 1 bis 3 auch nicht angesprochen Eine\nGebietsunvertraglichkeit liegt aber auch dann vor, wenn die Funktionsfahigkeit\ndes festgesetzten Baugebiets durch ein Vorhaben aus anderen Grunden\nbeeintrachtigt wird. Nach seiner typischen Pragung dient ein Gewerbegebiet der\nProduktion von Wirtschaftsgutern, dem Handel und der Verwaltung. Es ist fur\nseine Funktionsfahigkeit darauf angewiesen, dass es jederzeit insbesondere\nauch durch Lieferanten mit großeren Fahrzeugen angefahren werden kann. Es ist\nzu prufen, ob das konkrete Vorhaben mit der typischen Aufgabe, die einem\nGewerbegebiet zukommt, im Wesentlichen storungsfrei in Einklang zu bringen\nist. Hierzu gehort es grundsatzlich auch, dass es den durch das Vorhaben\nselbst hervorgerufenen ruhenden Verkehr durch den Nachweis einer ausreichenden\nAnzahl von Stellplatzen selbst bewaltigt und dieses Problem nicht auf das\nubrige Baugebiet abwalzt. Jedenfalls dann, wenn das genehmigte Vorhaben - wie\nhier - einen erheblichen Besucherverkehr auslosen kann und die Zahl der\nStellplatze dafur bei weitem nicht ausreicht, der Stellplatzbedarf aber auch\nnicht durch offentlich zugangliche Moglichkeiten zum Abstellen von\nKraftfahrzeugen in der Nahe des Bauvorhabens aufgefangen wird, sind die\nStorungen dem Vorhaben selbst zuzurechnen. In diesem Fall tritt die\nindividuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Pkw-Fuhrers fur ein\nordnungsgemaßes Parken seines Fahrzeugs zuruck. Zu berucksichtigen ist auch,\ndass sich die Hauptnutzungszeiten des Bauvorhabens (Freitagsgebet) mit den\nBetriebszeiten der umliegenden Gewerbebetriebe uberschneiden. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| Die Beklagte hat in der Baugenehmigung nicht sichergestellt, dass die zur\nGenehmigung gestellten Raume nur in einem Umfang genutzt werden konnen, dass\ndie nachgewiesenen oder sonst in der Nahe vorhandenen Stellplatze im\nWesentlichen ausreichen. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Der Versammlungsraum im Erdgeschoss wurde fur 600 Personen genehmigt. Eine\nentsprechende Anzahl wurde von dem Beigeladenen in den Plan fur das\nErdgeschoss eingetragen (Blaueintrag). Die Anzahl der im Plan eingetragenen\nStuhle (228) ist zwar geringer. Es gibt aber aus den eingereichten Planen und\nden sonstigen Unterlagen aus dem Genehmigungsverfahren keine Anhaltspunkte,\ndass sich der Genehmigungsantrag fur den Versammlungsraum auf die Nutzung\ndurch 228 Personen beschrankt. Die Kammer geht davon aus, dass die\neingezeichneten Stuhle nur ein Beispiel einer Nutzung darstellen. Wenn etwas\nanderes beabsichtigt worden ware, hatte dies hinreichend deutlich gemacht\nwerden mussen. Eine Beschrankung der Nutzung des Versammlungsraums auf 228\nPersonen findet sich auch nicht in der Baugenehmigung. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Der Teil des Gebaudes, der als Moschee genutzt werden soll, wurde fur 400\nPersonen genehmigt. Dies folgt aus dem Blaueintrag des Beigeladenen im Plan\nfur das erste Obergeschoss. \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| Die angefochtene Baugenehmigung schließt auch durch die Einbeziehung der\nBetriebsbeschreibung vom 26.07.2006 in die Baugenehmigung nicht aus, dass das\nzur Genehmigung gestellte Vorhaben mit seinen verschiedenen Bereichen\ngleichzeitig genutzt wird. In der Betriebsbeschreibung wird unter anderem\nmitgeteilt, dass der Versammlungsraum zwei- bis dreimal im Monat genutzt\nwerde. Wahrend der Hauptgebetszeit an Feiertagen wurden keine Aktivitaten\ndurchgefuhrt. Mit dem Begriff „Aktivitaten" sind solche nicht religioser Art\ngemeint. Dies schließt es aber nicht aus, dass der Veranstaltungsraum bei\neinem entsprechenden Bedarf mit in die religiosen Aktivitaten einbezogen wird.\nDadurch erhoht sich die Zahl der potentiellen Besucher des Freitagsgebets und\ngegebenenfalls anderer religios gepragter Aktivitaten. Soll die Nutzung in\neiner Baugenehmigung auf die Zahl der Personen beschrankt werden, fur die\nStellplatze nachgewiesen werden konnen, hat dies ausdrucklich in der\nBaugenehmigung zu erfolgen. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| Unter Zugrundelegung der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums\nuber die Herstellung notwendiger Stellplatze (VwV Stellplatze) vom 16.04.1996\n(GABl. Seite 289), geandert durch Verwaltungsvorschrift vom 04.08.2003 (GABl.\nSeite 590), sind mindestens 238 Stellplatze nachzuweisen. Dabei ist ein ÖPNV-\nBonus von 20 % berucksichtigt. Fur die Berechnung der Mindestzahl der\nnachzuweisenden Stellplatze ubernimmt die Kammer mit Ausnahme der Moschee und\ndes Versammlungsraums die Berechnung aus dem Widerspruchsbescheid des\nRegierungsprasidiums Tubingen. Da schon bei Zugrundelegung der\nRechtsauffassung des Regierungsprasidiums Tubingen Rechte der Klager zu 1 bis\n3 verletzt sind, kann offen bleiben, ob nicht tatsachlich weitere Stelleplatze\nerforderlich sind. \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| \n--- \n| Stellplatzbedarf fur Verkaufsflache, Lokale, \nSchneiderei, Friseur, Buros (ohne Großraumburo), \nJugendraum, Wohnungen 26 bis 50 Stellplatze \n--- \n| mindestens 26 Stellplatze \n--- \n| Moschee, 400 Besucherplatze, 1 Stellplatz je \n4 Besucherplatze \n--- \n| 100 Stellplatze \n--- \n| Versammlungsraum, 600 Besucherplatze \n1 Stellplatz je 4 Besucherplatze \n--- \n| 150 Stellplatze \n--- \n| ÖPNV-Bonus (minus 20 %) \n--- \n| \\- 56 Stellplatze \n--- \n| Stellplatze fur die Großraumburos \n(der ÖPNV-Bonus wurde dabei nach dem \nWiderspruchsbescheid bereits berucksichtigt) \n--- \n| 18 Stellplatze \n--- \n| Summe \n--- \n| 238 Stellplatze \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| Bei der Moschee und dem Versammlungsraum ist es gerechtfertigt, von einem\nStellplatz fur 4 Besucherplatze auszugehen und damit am oberen Ende des\nRahmens zu bleiben, der im Anhang B Nr. 4.1 der VwV Stellplatze mit einem\nStellplatz je 4 bis 8 Sitzplatzen angegeben wird. Die Besucher, die\noffentliche Verkehrsmittel benutzen, sind durch den ÖPNV-Bonus berucksichtigt.\nDie anderen Besucher des Kulturzentrums werden uberwiegend mit\nPersonenkraftwagen anfahren, da das Kulturzentrum einen Einzugsbereich uber\nden Stadtteil, in dem es liegt, voraussichtlich sogar uber das Gebiet der\nStadt Z. hinaus hat. Es ist auch zu berucksichtigen, dass das Freitagsgebet um\ndie Mittagszeit stattfindet und viele Teilnehmer am Freitagsgebet berufstatig\nsein durften und nur bei der Benutzung eines Personenkraftwagens rechtzeitig\nerscheinen konnen. \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| In der Baugenehmigung sind somit nur etwa die Halfte der notwendigen\nStellplatze nachgewiesen. Es gibt in der Nahe des Bauvorhabens auch keine\noffentlichen Stellplatze, die fur die Deckung seines Bedarfs herangezogen\nwerden konnen. Auch der Umstand, dass der Beigeladene ernsthaft die Errichtung\neines Parkhauses mit einer noch nicht feststehenden Zahl von Stellplatzen\nerwagt, ist ein Indiz dafur, dass die nachgewiesenen Stellplatze nicht\nausreichen. Ein weiteres Indiz ergibt sich daraus, dass der Beigeladene sich\nbei dem Klager zu 3 erkundigt hat, ob ihm dieser Parkraum zur Verfugung\nstellen konne. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Somit ist der nachbarschutzende Anspruch auf Wahrung der\nGebietsvertraglichkeit aufgrund der erheblich zu geringen Anzahl von\nStellplatzen zu Lasten der Klager zu 1 bis 3 verletzt. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| **b)** Der Nachweis einer erheblich zu geringen Anzahl von Stellplatzen\nverletzt auch das Rucksichtnahmegebot gegenuber den Klagern zu 1 bis 3. \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| Die bauordnungsrechtlichen Vorschriften uber die Verpflichtung zur\nErrichtung der Stellplatze, die fur eine ordnungsgemaße Nutzung notwendig sind\n(§ 37 Abs. 1 und 2 LBO), sind nicht nachbarschutzend. Sie dienen\nausschließlich dem offentlichen Interesse an der Entlastung offentlicher\nVerkehrsflachen vom ruhenden Verkehr. Die Genehmigung eines Vorhabens ohne die\nerforderlichen Stellplatze kann allerdings im Einzelfall gegen das\nnachbarschutzende Gebot der Rucksichtnahme verstoßen. Ein Verstoß liegt vor,\nwenn der Mangel an Stellplatzen zu Beeintrachtigungen fuhrt, die dem Nachbarn\n- auch unter Berucksichtigung einer Vorbelastung seines Grundstucks - bei\nAbwagung aller Umstande unzumutbar sind. Auf einen Verstoß gegen das\nRucksichtnahmegebot kann sich der Nachbar etwa dann berufen, wenn der\nStellplatzmangel geeignet ist, die bestimmungsgemaße Nutzung des eigenen\nGrundstucks zu beeintrachtigen (VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom\n10.01.2008 - 3 S 2773/07 -, Juris, mit Nachweisen zum Stand der\nRechtsprechung). \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Prufung hat aufgrund einer\nPrognose zu erfolgen. Eine Verletzung des Rucksichtnahmegebotes wegen einer zu\ngeringen Anzahl von Stellplatzen fur ein Bauvorhaben kommt nur dann in\nBetracht, wenn ein Bauvorhaben eine erhebliche Anzahl von Stellplatzen\nerfordert, die Zahl der nachgewiesenen Stellplatze weit dahinter zuruckbleibt\nund der Bedarf fur Stellplatze in der Nahe des Bauvorhabens nicht auf andere\nWeise gedeckt werden kann. Denn nur bei einem erheblichen Fehlbedarf ist damit\nzu rechnen, dass die Erreichbarkeit der Grundstucke der Nachbarn durch\nKraftfahrzeuge in einer nicht mehr zumutbaren Weise beeintrachtigt werden\nkann. Und nur bei einem erheblichen Fehlbedarf kann dies dem Bauvorhaben\nzugerechnet werden. \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| Hier ist die Lage dadurch gekennzeichnet, dass den nachgewiesenen 118\nStellplatzen ein Bedarf von mindestens 238 Stellplatzen gegenubersteht. Somit\nbesteht bei einem erheblichen Stellplatzbedarf ein erheblicher Fehlbedarf, der\nin der Nahe des Bauvorhabens auch nicht durch offentlich zuganglichen Parkraum\ngedeckt wird. Es ist daher davon auszugehen, dass bei den regelmaßig\nstattfindenden termingebundenen Veranstaltungen im Bauvorhaben im Bereich der\nNachbargrundstucke so geparkt wird, dass deren Erreichbarkeit beeintrachtig\nwird bzw. in großerem Umfang die fur andere Zwecke vorgesehenen\nKundenparkplatze auf den Grundstucken der Klager benutzt werden. Wegen des\nerheblichen Fehlbedarfs ist dieser Zustand auch dem Vorhaben selbst\nzuzurechnen. Die Klager zu 1 bis 3 sind nicht darauf zu verweisen, im\nEinzelfall privatrechtlich gegen die Personen vorzugehen, die ihre Fahrzeuge\nin einer unzulassigen Weise abstellen. \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1, § 162 Abs. 3\nund § 154 Abs. 3 VwGO. Dem Beigeladenen konnte nach § 154 Abs. 3 VwGO ein Teil\nder Kosten der Klager zu 1 bis 3 und der Gerichtskosten auferlegt werden, da\ner einen Antrag gestellt hat. Dem steht es nicht entgegen, dass der\nBeigeladene in der mundlichen Verhandlung nicht vertreten war. In diesem Fall\nreicht es aus, dass der Antrag schriftlich gestellt wurde (vgl. Kopp/Schenke,\nVerwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2007, § 103 Rdnr 8). Die\nAntragstellung ist hier im Schriftsatz des Prozessbevollmachtigten des\nBeigeladenen vom 21.05.2007 erfolgt. Darin wurde der Antrag nicht lediglich\nfur die mundliche Verhandlung angekundigt. \n--- \n--- \n| 81 \n--- \n| Die Hinzuziehung eines Bevollmachtigten durch die Klager im Vorverfahren war\nnach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO fur notwendig zu erklaren, da sie vom Standpunkt\neiner verstandigen, nicht rechtskundigen Partei fur erforderlich gehalten\nwerden durfte. \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| Das Gericht macht von der Moglichkeit, die Entscheidung nach § 167 Abs. 2\nVwGO wegen der Kosten fur vorlaufig vollstreckbar zu erklaren, keinen\nGebrauch. \n---\n\n
160,079
lg-ulm-2008-06-25-3-t-5408
144
Landgericht Ulm
lg-ulm
Ulm
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
3 T 54/08
2008-06-25
2019-01-10 11:48:16
2019-01-17 12:04:54
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die sofortige Beschwerde der Verfahrenspflegerin wird der Beschluss des\nAmtsgerichts - Vormundschaftsgericht - Goppingen vom 23.05.2008 (11 XVII\n128/08) wie folgt **abge andert** :\n\n1\\. Die Anbringung eines Funkchips in Form eines Armbands am Handgelenk der\nBetroffenen sowie das Zuruckhalten der Betroffenen im Altenzentrum E. wird bis\nlangstens 23.05.2010 genehmigt.\n\n2\\. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.\n\n3\\. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebuhrenfrei, Auslagen werden nicht\nerhoben.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Betroffene lebt im Altenzentrum E. Am 19.08.2005 hat sie u.a. ihrer\nNichte eine notariell beurkundete General- und Vorsorgevollmacht erteilt, die\nauch die in § 1906 BGB genannten Maßnahmen ausdrucklich umfasst. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Schreiben vom 01.04.2008 beantragte die Bevollmachtigte beim Amtsgericht\n- Vormundschaftsgericht - Goppingen die Genehmigung zur Anbringung eines\nDesorientiertenuberwachungssystems bei der Betroffenen. Das in dem ansonsten\noffen gefuhrten Altenzentrum in Einzelfallen eingesetzte System funktioniert\nwie folgt: Der Heimbewohner wird mit einem Funkchip am Handgelenk, der einer\nArmbanduhr ahnelt, ausgestattet. Verlasst der Bewohner das Haus durch eine der\nbeiden Turen, lost dies ein Signal auf dem Diensthandy des Pflegepersonals der\nStation, zu der der Bewohner gehort, aus. Das Pflegepersonal begibt sich\nsodann auf die Suche nach dem Bewohner und bewegt den Bewohner zur Ruckkehr. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Durch eine der beiden Turen ist auch in der Nacht das uneingeschrankte\nVerlassen des Heims moglich. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - hat nach Einholung eines\narztlichen Zeugnisses des Hausarztes und Anhorung der Betroffenen mit\nBeschluss vom 23.05.2008 festgestellt, dass die Überwachung des Verlassens des\nPflegeheims durch die Betroffene mittels eines elektronischen\nDesorientiertenuberwachungssystems keiner vormundschaftsgerichtlichen\nGenehmigung bedarf. Zur Begrundung hat es im Wesentlichen ausgefuhrt, der\nSchutzzweck des Genehmigungsvorbehalts in § 1906 Abs. 4 BGB werde durch die\nAusstattung mit einer technischen Vorrichtung, die dem Pflegepersonal\nlediglich ein Verlassen des Hauses anzeige, nicht beruhrt, da sie als solche\ndie Bewegungsfreiheit nicht beschranke. Entscheidend sei vielmehr die\nReaktion, die auf das Bemerken des Verlassens von Seiten des Pflegepersonals\nerfolge. Ware das Pflegepersonal angewiesen, die Betroffene mit Gewalt\nzuruckzubringen, wurde diese Anwendung von Zwang eine freiheitsentziehende\nMaßnahme im Sinne des § 1906 Abs. 4 BGB darstellen. Eine solche Zwangsausubung\nfinde gegenuber der Betroffenen aber nicht statt. Diese Betrachtungsweise\nstelle keine willkurliche Aufspaltung eines einheitlichen Vorgangs dar. Das\nHandeln des Pflegepersonals bei Signalgebung sei kein Automatismus, sondern\nvon der Entscheidung der handelnden Personen zum Eingreifen oder - falls keine\nGefahr fur die Betroffene bestehe - zum Nichteingreifen abhangig. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts richtet sich die sofortige\nBeschwerde der Verfahrenspflegerin. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Kammer hat die Betroffene, ihre Bevollmachtigte sowie Mitarbeiter des\nAltenzentrums am 17.06.2008 erneut angehort. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 7 \n--- \n| 1\\. Die sofortige Beschwerde ist zulassig und hat auch in der Sache Erfolg. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Das Amtsgericht hat zunachst zutreffend festgestellt, dass der Einsatz des\nDesorientiertenuberwachungssystems in dem Altenheim nicht gegen Artikel 1 Abs.\n1 des Grundgesetzes verstoßt. Fur die Kammer steht auch außer Zweifel, dass\nder Einsatz dieses Systems bei der Betroffenen erforderlich und die Handhabung\ndurch das Personal im Altenzentrum allein von der Fursorge fur ihr\npersonliches Wohlergehen getragen ist. Gleichwohl handelt es sich nach\nAuffassung der Kammer vorliegend um eine genehmigungsbedurftige Maßnahme im\nSinne des § 1906 Abs. 4 BGB. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die vom Amtsgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen dem Anbringen des\nFunkchips am Handgelenk der Betroffenen einerseits und der Reaktion des\nPersonals auf das Verlassen der Einrichtung durch die Betroffene andererseits,\nlasst im vorliegenden Fall außer Betracht, dass die Betroffene nach dem\narztlichen Zeugnis von Herrn Dr. F. vom 17.04.2008 und dem eigenen Eindruck,\nden die Kammer bei ihrer Anhorung gewonnen hat, dauerhaft, ortlich und\nzeitlich nicht mehr orientiert ist und nach einem Verlassen des Heims nicht\nselbstandig zuruckfinden wurde. Damit in Einklang stehen die nachvollziehbaren\nAngaben der Bevollmachtigten sowie der Mitarbeiter des Altenzentrums, dass der\nBetroffenen ein Verlassen des Hauses ohne Begleitung nicht mehr moglich sei.\nDer am Handgelenk der Betroffenen angebrachte Funkchip ist damit Teil eines\nSystems, das gewahrleisten soll, die Betroffene ausnahmslos am\nunbeaufsichtigten Verlassen des Heims zu hindern. Die im Beschluss des\nAmtsgerichts dargestellten Alternativen beim Verlassen des Hauses durch die\nBetroffene bestehen daher fur das Pflegepersonal nicht. In jedem Einzelfall\nstellt sich lediglich die Frage, ob die Betroffene allein durch eine\nentsprechende Bitte oder durch Überredung zur Ruckkehr bewegt werden kann oder\nob ein daruber hinausgehender Zwang erforderlich ist, der auch dann von § 1906\nAbs. 4 BGB erfasst wird, wenn er keine korperliche Gewalt gegen die Betroffene\nerfordert (OLG Hamm vom 08.01.1997, 15 W 398/96, BtPrax 1997, 162). Kann\nletzteres nicht ganzlich ausgeschlossen werden, handelt es sich beim Anbringen\ndes Funkchips und der dem Pflegepersonal vorgegebenen Reaktion auf das\nVerlassen des Heims durch den Bewohner um eine Maßnahme, die als Ganzes darauf\nausgerichtet ist, die Betroffene uber einen langeren Zeitraum die Freiheit zu\nentziehen (so im Ergebnis auch OLG Brandenburg vom 19.01.2006, 11 Wx 59/05,\nFamRZ 2006, 1481, wonach bei einem Personenortungssystem, das darauf gerichtet\nist, notfalls durch Zwang am Verlassen des Hauses zu hindern, jedenfalls die\nmoglicherweise erforderlich werdenden Zwangsmaßnahmen einer vorherigen\nvormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zu unterstellen sind; vgl. ferner\nSchwab in Munchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2002, § 1906 Rn 34 und OLG\nHamm vom 22.06.1993, 15 W 145/93, BtPrax 1993, 172 zum Anbringen eines\nBettgitters und Bauchgurtes im Rollstuhl). \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Anhorung des Geschaftsfuhrers und der Mitarbeiter des Altenzentrums hat\nzwar ergeben, dass es bei der Betroffenen bislang stets ausreichend war, sie\num die Ruckkehr in das Haus zu bitten. Dazu tragt jedoch auch entscheidend\nbei, dass das Signal beim Verlassen des Heims beim Pflegepersonal auf der\nStation der Betroffenen und damit einer ihr im Regelfall vertrauten Person\nausgelost wird. Beim Auftreten von Personalengpassen, etwa bedingt durch\nUrlaub, Krankheit, Bindung des Personals durch andere Bewohner oder einem\nVersuch der Betroffenen, das Heim zur Nachtzeit zu verlassen, kann dies jedoch\nnicht luckenlos gewahrleistet werden. Da der haufige Drang der Betroffenen,\ndas Heim zu verlassen, nach Angaben der Mitarbeiter des Heims funf- bis\nsechsmal am Tag, nicht auf rationale Überlegungen bei der Betroffenen\nzuruckzufuhren ist, kann zudem nicht mit der hierfur erforderlichen Gewissheit\nausgeschlossen werden, dass die Betroffene ihr Ziel mit einem Nachdruck\nverfolgt, dessen Überwindung mehr erfordert als das bereits genannte Bitten\noder Überreden. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| 2\\. Die Voraussetzungen fur eine Genehmigung der von der Bevollmachtigten\nbeantragten und aus dem Tenor ersichtlichen Maßnahme liegen allerdings vor.\nNach den uberzeugenden und auch durch die Anhorung der Betroffenen am\n16.06.2008 bestatigten Ausfuhrungen im arztlichen Zeugnis von Herrn Dr. F.\nliegt bei der Betroffenen eine psychische Krankheit im Sinne des § 1906 Abs. 1\nNr.1 BGB vor, in deren Folge sie weder ortlich noch zeitlich orientiert ist.\nDeshalb besteht die Gefahr, dass sie sich nach einem unbemerkten Verlassen des\nHeims erheblichen gesundheitlichen Schaden zufugt, indem sie etwa in einen\nVerkehrsunfall verwickelt wird oder nach einem Sturz in eine hilflose Lage\ngerat, in der sie nicht rechtzeitig gefunden wird. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Eine die Genehmigungsbedurftigkeit ausschließende Einwilligung (OLG Hamm,\nvom 08.01.1997, 15 W 398/96, BtPrax 1997, 162 und BayObLG vom 14.02.1996, 3Z\nBR 15/96, FamRZ 1996, 1375) ist der Betroffenen nach dem arztlichen Zeugnis\nDr. F. nicht mehr moglich. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die zeitliche Begrenzung der Maßnahme, die bei der Betroffenen bereits\neingerichtet ist, folgt aus den §§ 70 Abs. 1 Satz 2 Nr.2, 70 f Abs. 1 Nr.3\nFGG, die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit aus § 70 g Abs. 3 FGG. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 3 u. 5 KostO. \n---\n\n
161,042
olgstut-2008-07-17-8-w-28708
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
8 W 287/08
2008-07-17
2019-01-10 12:11:18
2019-02-12 12:22:00
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die sofortige Beschwerde der Klagerin gegen den\nKostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Tubingen vom\n10. Juni 2008, Az. 5 O 90/07, wird\n\n**zur uckgewiesen.**\n\n2\\. Die Klagerin tragt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\nBeschwerdewert: 928,20 Euro\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n**1.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Nach vorangegangener außergerichtlicher Tatigkeit der\nProzessbevollmachtigten der Klagerin wurde durch diese am 27. September 2005\nein selbststandiges Beweisverfahren gegen die Beklagten und ein weiteres\nMitglied der Erbengemeinschaft beim Landgericht Tubingen eingeleitet (Az. 5 OH\n11/05) und unmittelbar nach dessen Abschluss am 2. August 2007 das\nKlageverfahren (Az. 5 O 90/07). \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Nach dessen Beendigung durch Teil-Anerkenntnis- und Teil-Versaumnis-Urteil\nvom 29. April 2008 unter Auferlegung der Kosten des Rechtsstreits\neinschließlich derjenigen des selbststandigen Beweisverfahrens (Az. 5 OH\n11/05) auf die Beklagten beantragte die Klagerin die Kostenfestsetzung in den\nbeiden Verfahren 5 O 90/07 und 5 OH 11/05, die mit dem\nKostenfestsetzungsbeschluss vom 10. Juni 2008 unter Kurzungen erfolgte. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Gegen die am 23. Juni 2008 zugestellte Entscheidung hat die Klagerin durch\nihren Prozessbevollmachtigten am 30. Juni 2008 sofortige Beschwerde eingelegt,\nder der Beklagte Ziff. 1 entgegengetreten ist. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klagerin ist der Auffassung, dass wegen der Anrechnung der\naußergerichtlichen 0,65-Geschaftsgebuhr auf die Verfahrensgebuhr im\nselbststandigen Beweisverfahren diese nur in Hohe von 0,65 auf die\nVerfahrensgebuhr des Klageverfahrens angerechnet werden konne, sodass in\nbeiden Verfahren jeweils eine 0,65-Verfahrensgebuhr hatte in Ansatz gebracht\nwerden mussen, wahrend die Rechtspflegerin lediglich insgesamt eine\n0,65-Verfahrensgebuhr berucksichtigt habe. Es sei deshalb eine weitere\n0,65-Verfahrensgebuhr im Hauptsacheverfahren in Hohe von 780 EUR zuzuglich 19%\nUmsatzsteuer von 148,20 Euro, insgesamt 928,20 Euro festzusetzen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Rechtspflegerin hat nicht abgeholfen und die Akte mit Beschluss vom 8.\nJuli 2008 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. \n--- \n--- \n--- \n**2.** \n--- \n| 6 \n--- \n| Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1,\nAbs. 2, 568 ff ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG statthaft und auch sonst zulassig, hat\njedoch in der Sache keinen Erfolg. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Festsetzung der Rechtspflegerin ist nicht zu beanstanden. Sie hat die\nAnrechnungsvorschriften in Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 und Abs. 5 RVG-VV\nrechtsfehlerfrei angewendet. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die allgemeinen Voraussetzungen fur eine Anrechnung wie Identitat des\nProzessbevollmachtigten, der Parteien und des Streitgegenstands sind\nvorliegend zu bejahen und auch nicht im Streit. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Zu entscheiden ist, wie die "doppelte" Anrechnung von außergerichtlicher\nGeschaftsgebuhr (Nr. 2300 RVG-VV) und Verfahrensgebuhr (Nr. 3100 RVG-VV) des\nselbststandigen Beweisverfahrens in Bezug auf die Verfahrensgebuhr (Nr. 3100\nRVG-VV) des Hauptsacheverfahrens nach Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 und 5 RVG-VV zu\nerfolgen hat. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Aus der Anrechnungsvorschrift in Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 5 RVG-VV ist zu\nentnehmen, dass bei der Durchfuhrung eines selbststandigen Beweisverfahrens\nbei Identitat der Personen und des Gegenstands die dort entstandene\nVerfahrensgebuhr auf die der Hauptsache anzurechnen ist (OLG Stuttgart/Senat,\nBeschluss vom 15. Juli 2008, Az. 8 W 264/08 und 8 W 265/08; Muller-Rabe in\nGerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, Anh. III Rdnr. 26; Hartmann,\nKostengesetze, 38. Aufl. 2008, Nr. 3100 RVG-VV Rdnr. 57; je m. w. N.), und\nzwar so, dass die zeitlich zuvor entstandene Verfahrensgebuhr im\nselbststandigen Beweisverfahren Bestand hat, wahrend die des\nHauptsacheverfahrens durch Anrechnung in Wegfall kommt. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Auf die danach allein verbleibende 1,3-Verfahrensgebuhr des selbststandigen\nBeweisverfahrens ist die außergerichtliche 0,65-Geschaftsgebuhr gem. Teil 3\nVorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV in Anrechnung zu bringen - unabhangig davon, ob sie\nauf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten,\nunstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist (BGH AGS\n2007, 283 und 289; BGH AGS 2008, 41 und 158; BGH, Beschluss vom 3. Juni 2008,\nAz. VI ZB 55/07 zur Anrechnung der Geschaftsgebuhr auf die Verfahrensgebuhr\ndes selbststandigen Beweisverfahrens; Madert in Gerold/Schmidt, a. a. O., Nr.\n2300, 2301 RVG-VV Rdnr. 40; Hartmann, a. a. O., Nr. 3100 RVG-VV Rdnr. 56; je\nm. w. N.). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Durch die Anrechnungsvorschrift in Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 5 RVG-VV soll\nerreicht werden, dass im Falle der Durchfuhrung eines selbststandigen\nBeweisverfahrens und anschließendem Klageverfahren bei Identitat der Personen\nund des Gegenstands die Verfahrensgebuhr nach Nr. 3100 RVG-VV nur einmal\ngeltend gemacht werden kann. Anderenfalls konnte uber die Vorschaltung eines -\nnicht der Vermeidung eines Rechtsstreits dienenden - Beweisverfahrens indirekt\ndie durch das RVG abgeschaffte Beweisgebuhr wieder "eingefuhrt" werden. Auch\neine nur teilweise Anrechnung, wie von der Klagerin gewunscht, wurde - gerade\nbei hohen Streitwerten - fur den Rechtsanwalt einen Anreiz bieten, die\nBeweisaufnahme des von ihm beabsichtigten Klageverfahrens diesem vorzuziehen\ndurch die Einleitung eines selbststandigen Beweisverfahrens. Dadurch wurde\neine Mehrbelastung der Gerichte erreicht, die gerade durch den Wegfall der\nBeweisgebuhr vermieden werden sollte, da ein finanzieller Vorteil aus dem\nErlass eines Beweisbeschlusses oder der zumindest beginnenden Durchfuhrung\neiner Beweisaufnahme dem Rechtsanwalt nicht mehr erwachst. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Deshalb ist zunachst die Anrechnung innerhalb der gerichtlichen Verfahren\nvorzunehmen, um festzulegen, welche der Verfahrensgebuhren Bestand hat und\nwelche in Wegfall gerat. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Erst auf die danach allein verbleibende 1,3-Verfahrensgebuhr des\nBeweisverfahrens kann die außergerichtliche 0,65-Geschaftsgebuhr angerechnet\nwerden, sodass in der Kostenfestsetzung nur noch eine im Beweisverfahren\nangefallene 0,65-Verfahrensgebuhr berucksichtigt werden kann. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Zu keinem anderen Ergebnis kame man, wenn die Beweisaufnahme nicht dem\nKlageverfahren vorgezogen, sondern in diesem durchgefuhrt worden ware. Auch in\ndiesem Fall wurde die 1,3-Verfahrensgebuhr durch die Anrechnung der\n0,65-Geschaftsgebuhr in Hohe der Halfte in Wegfall geraten. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Eine gebuhrenrechtliche Besserstellung des Rechtsanwalts bei der\nVorschaltung eines selbststandigen Beweisverfahrens, das nicht der Vermeidung\neines Rechtsstreits dient, ist aber durch die Neuregelungen des RVG nicht\ngewollt, auch wenn das selbststandige Beweisverfahren und das\nHauptsacheverfahren nach neuem Recht zwei verschiedene Verfahren und somit\nzwei Angelegenheiten sind, in denen die Gebuhren fur den Rechtsanwalt\nnebeneinander entstehen. Dadurch soll der Anreiz gegeben werden, bereits im\nBeweisverfahren uber eine gutliche Beilegung des Rechtsstreits zu verhandeln\nund damit zur Entlastung der Gerichte den weiteren Prozess uber die Hauptsache\nmoglichst zu vermeiden (Muller-Rabe, a. a. O., Anh. III Rdnr. 21 und Rdnr. 1\nff mit den Gesetzesmotiven). Wenn dies nicht erreicht wird - wie vorliegend -,\nhat die "doppelte" Anrechnung von Verfahrensgebuhr und Geschaftsgebuhr so zu\nerfolgen, wie sie vorstehend vorgenommen und begrundet wurde. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Den auf die dargelegte Weise durchgefuhrten Anrechnungen steht auch nicht\nTeil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 Satz 2 RVG-VV entgegen. Denn wenn die zuletzt\nentstandene Verfahrensgebuhr des Hauptsacheverfahrens ihrerseits durch\nAnrechnung derjenigen des Beweisverfahrens nach Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 5 RVG-VV\nin Wegfall geraten ist, kann sie nicht mehr maßgebend fur die Anrechnung der\naußergerichtlichen Geschaftsgebuhr sein, die danach nur noch in Bezug auf die\nverbliebene Verfahrensgebuhr des Beweisverfahrens durchgefuhrt werden kann. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Demzufolge ist die Kostenfestsetzung der Rechtspflegerin entgegen der\nAuffassung der Klagerin nicht zu beanstanden und die sofortige Beschwerde war\nmit der Kostenfolge von § 97 Abs. 1 ZPO und Nr. 1812 GKG-KV als unbegrundet\nzuruckzuweisen. \n---\n\n
161,081
sg-freiburg-2008-07-24-s-9-u-33907
148
Sozialgericht Freiburg
sg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
S 9 U 339/07
2008-07-24
2019-01-10 12:11:45
2019-01-17 12:05:58
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Der Bescheid der Beklagten vom 17.08.2006 in der Fassung des\nWiderspruchsbescheids vom 14.12.2006 wird aufgehoben.\n\n2\\. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Sportunfall des Klagers vom\n08.06.2005 um einen Arbeitsunfall handelt.\n\n3\\. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klagers zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten uber die Anerkennung eines Sportunfalls als\nArbeitsunfall. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager, geboren am ..., ist Beschaftigter beim Mitgliedsunternehmen der\nBeklagten, (Freizeitpark ...). Am 8.6.2005 nahm er an einem Fußballspiel der\nBetriebsfußballmannschaft dieses Unternehmens gegen die\nBetriebsfußballmannschaft des Freizeitparks … (Schweden) teil, wo das Spiel\nauch stattfand. Dabei knickte er um und zog sich einen vorderen Kreuzbandriss\ndes rechten Knies zu. Die Beklagte erhielt von diesem Vorfall durch die\nAnmeldung eines Erstattungsanspruchs der Krankenkasse des Klagers unter dem\n5.12.2005 Kenntnis. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 14.12.2005 und 15.2.2006 teilte das Arbeitgeberunternehmen auf Anfrage\nder Beklagten folgendes mit: Die Betriebsmannschaft bestehe seit ca. 1980, es\nwerde ausschließlich Fußball gespielt. Der Arbeitgeber stelle die\nSportkleidung, nicht aber Sportgerate und Sportplatz. Gespielt werde vielmehr\nauf dem Platz des SV R in der unmittelbaren Nachbarschaft des\nBetriebsgelandes. Die Frage, ob die Übungen regelmaßig durchgefuhrt wurden,\nwurde verneint. Zum Kreis der Mannschaft zahlten 15 bis 20 Betriebsangehorige\nund keine betriebsfremden Personen; hiervon seien 15 anwesend gewesen, als der\nUnfall geschah. Es habe sich um ein Freundschaftsspiel im Rahmen eines\ndreitagigen Aufenthalts in Schweden gehandelt, der im Zusammenhang mit dem\ndortigen Auslandspraktikum von Herrn M (Sohn eines Geschaftsfuhrers und\nProkurist) gestanden habe. Dieser sei als Spielfuhrer auch als Beauftragter\ndes Unternehmers bei der Veranstaltung anwesend gewesen. Zweck der\nVeranstaltung sei die Aufnahme freundschaftlicher Beziehungen beider\nFreizeitparks gewesen. Jahrlich trage die Betriebsmannschaft funf bis acht\nSpiele gegen betriebsfremde Mannschaften aus. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Klager teilte am 30.5.2006 auf Frage der Beklagten mit, die Reise nach\nSchweden sei als Betriebsausflug in den dortigen Freizeitpark organisiert und\nmit dem Spiel gegen die Betriebsmannschaft dieses Parks verbunden worden.\nJeder Spieler bzw. Mitarbeiter habe sich mit 50 EUR pauschal am Flug\nbeteiligt. Die ubrigen Kosten (Reise, Unterkunft, Verpflegung) seien von den\nBetrieben ubernommen worden. Die drei Abwesenheitstage seien zur Halfte als\nSonderurlaub gewahrt, 1,5 Tage seien vom Jahresurlaub abgezogen worden. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom 17.8.2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung des\nEreignisses vom 8.6.2005 als Arbeitsunfall ab. Sie begrundete dies damit, dass\nes sich bei dem Spiel nicht mehr um Betriebssport im eigentlichen Sinne\ngehandelt habe, da die erforderliche gewisse Regelmaßigkeit der Übungen sowie\nder Ausgleichszweck zur betrieblichen Tatigkeit fehlten. Auch eine Einstufung\nals Betriebsveranstaltung komme nicht in Betracht, da die Veranstaltung nicht\nallen Beschaftigten des Arbeitgebers offen gestanden habe. Der dagegen mit\nSchreiben des Klagers vom 16.9.2006 erhobene Widerspruch wurde mit\nWiderspruchsbescheid vom 14.12.006 zuruckgewiesen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Gegen diese Entscheidung erhob der Klager am 17.1.2007 Klage zum\nSozialgericht Freiburg. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Klager tragt vor, die Mannschaft trage regelmaßig mehrere Spiele\njahrlich aus und legt dies fur die Jahre 2003 bis 2006 im Einzelnen dar.\nHieraus ergibt sich eine Haufigkeit von drei bis funf Spielen pro Jahr. Der\nKlager tragt weiter vor, jeweils vor den Spielen wurden ein bis zwei\nTrainingseinheiten durchgefuhrt. Die Teilnahme am Betriebssport stehe jedem\nMitarbeiter frei. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| den Bescheid der Beklagten vom 17.8.2006 in der Fassung des Widerspruchs-\nbescheids vom 14.12.2006 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem\nSportunfall des Klagers vom 8.6.2005 um einen Arbeitsunfall handelt. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Sie halt die angefochtene Entscheidung fur rechtsfehlerfrei. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Das Gericht hat zur Aufklarung des Sachverhalts in der Sitzung vom\n24.7.2007 den Klager befragt sowie den fur die Betriebsfußballmannschaft\nzustandigen Mitarbeiter P als Zeugen vernommen. Wegen der Einzelheiten ihrer\nAngaben wird auf die Niederschrift sowie die nachfolgenden Entscheidungsgrunde\nverwiesen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die das verfahrensgegenstandliche Ereignis betreffende Verwaltungsakte der\nBeklagten (Az. 0701052-2471399, 1 Bd., Bl. 1-103) lag vor und war Gegenstand\nder mundlichen Verhandlung. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des\nVerfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die genannte\nVerwaltungsakte sowie die Akte des Gerichts, Az.: S 9 U 339/07, verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Sie ist auch im Übrigen\nzulassig. Da die Beklagte jedwede Entschadigung ablehnt, da kein\nVersicherungsfall eingetreten sei, ist die Klage als Feststellungsklage gem. §\n55 Abs. 1 Nr. 1 SGG in Verbindung mit einer Anfechtungsklage gem. § 54 Abs. 1\nSGG statthaft (BSG-Urt. v. 7.9.2004, Az.: B 2 U 45/03 R = SozR 4-2700 § 2 Nr.\n2). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Arbeitsunfalle sind gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des\nSozialgesetzbuches (SGB VII) Unfalle von Versicherten infolge einer den\nVersicherungsschutz nach den §§ 2, 3, oder 6 begrundenden Tatigkeit. Dies\nbeinhaltet zwei Aspekte, namlich einerseits, dass das zum Unfallfuhrende\nVerhalten zur versicherten Tatigkeit zu rechnen ist (sog. innerer\nZusammenhang) und dass andererseits diese Tatigkeit den Unfall herbeigefuhrt\nhat (sog. haftungsbegrundende Kausalitat). Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind\nBeschaftigte kraft Gesetzes versichert. Der innere Zusammenhang setzt bei\nihnen eine sachliche Verbindung zwischen der vom Versicherten ausgeubten\nVerrichtung im Unfallzeitpunkt mit der Betriebstatigkeit und dem\nBeschaftigungs-verhaltnis voraus, die es rechtfertigt, das betreffende\nVerhalten der versicherten Tatigkeit zuzu-rechnen. Maßgebendes Kriterium fur\ndiese wertende Entscheidung ist die Handlungstendenz des Versicherten, ob er\neine dem Beschaftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausuben wollte, so wie\nsie insbesondere durch die objektiven Umstande des Einzelfalles bestatigt wird\n(st. Rspr., vgl. BSG-Urt. v. 12.4.2005, Az.: B 2 U 11/04 R = BSGE 94, 262, m.\nw. N.). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Ausgehend von diesen rechtlichen Grundsatzen ist zunachst festzustellen,\ndass das unmittelbar zum Unfall fuhrende Verhalten des Klagers (Fußballspiel)\nder Handlungstendenz des Klagers nach zugleich betrieblichen und privaten\nZwecken zu dienen bestimmt war. Der eigenwirt-schaftliche Zweck ergibt sich\ndaraus, dass der Klager auf die Frage des Gerichts nach dem Zweck des zu dem\nUnfall fuhrenden Fußballspiels u. a. antwortete, es sei "naturlich immer\ninteressant, gegen eine andere Mannschaft zu spielen". Der Klager ist -\naußerhalb der Betriebsmannschaft in einem Sportverein - aktiver\nFußballspieler. Er hat sich wie die anderen Mannschaftsmitglieder an den\nAufwendungen der Reise nach Schweden und damit auch des Fußballspiels in Form\neines finanziellen Beitrags in Hohe von 50 EUR sowie von 1,5 Tagen\nJahresurlaub beteiligt. Seine Aussage ist vor diesem Hintergrund\nplausiblerweise dahingehend zu verstehen, dass er an dem Spiel zumindest\nwesentlich auch um der eigenen Freude am Fußballsport willen teilgenommen hat. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Handlungstendenz des Klagers beschrankte sich jedoch nicht auf diesen\neigenwirt-schaftlichen Aspekt. Ihm waren zugleich die geschaftlichen\nBeziehungen zwischen den beiden beteiligten Unternehmen bzw. deren\nEigentumerfamilien bekannt. Der Zeuge erklarte in diesem sachlichen\nZusammenhang, die Spiele der Betriebfußballmannschaft seien "immer auch unter\ndem Aspekt des Marketings" zu sehen. So sei die Eigentumerfamilie des\nArbeitgebers des Klagers mit dem gleichnamigen Herstellerunternehmen von\nFahrgeschaften verbunden, das seine Produkte u. a. auch nach L verkaufe. Der\nKlager gab an, die Reise nach Schweden und das Fußballspiel im besonderen im\nZusammenhang mit den Geschaftsbeziehungen zwischen seinem Arbeitgeber und dem\nFreizeitpark L gesehen zu haben. Hieraus ergibt sich die weitere Zweckrichtung\ndes Klagers, mit der Teilnahme am Fußballspiel zugleich Interessen seines\nArbeitgebers zu dienen. Insoweit entsprach seine Handlungstendenz auch\nobjektiv dem Interesse des Unternehmens, was sich aus dem dargelegten\nMarketingzweck besagten Fußballspiels ergibt. Dieses Unternehmensinteresse war\ndem Klager aufgrund der objektiven Umstande erkennbar: Die geschaftlichen\nBeziehungen der beteiligten Unternehmen waren den Mitarbeitern bekannt. Das\nUnternehmen hatte sein Interesse durch die großzugige Unterstutzung der Reise\n(weitgehende Kostentragung, Sonderurlaubsgewahrung) sowie die durch die\nGeschaftsleitung (hier: den Prokuristen und Sohn eines Geschaftsfuhrers M)\nveranlasste Anberaumung des Spiels gegenuber der Belegschaft deutlich gemacht.\nDer Zeuge P schildert die Vorgeschichte des unfallbringenden Spiels\nfolgendermaßen: "Herr M machte zu dieser Zeit ein Praktikum im dortigen Park.\nEr nahm mit mir telefonisch Kontakt auf und sagte, er habe fur diesen und\njenen Termin ein Spiel gegen die Betriebsmannschaft vereinbart (...) Er hatte\nden Termin abgesprochen. Ich organisierte dann in Absprache mit ihm und der\nFamilie M die Fluge. In der Folge wurden dann auch die weiteren Einzelheiten\nausgehandelt (..)". \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die private und die dem Unternehmen dienende Zweckrichtung der Teilnahme\ndes Klagers an dem Fußballspiel ist vorliegend so eng und untrennbar\nmiteinander verbunden, dass von einer sogenannten gemischten Tatigkeit im\nSinne der Rechtsprechung des BSG auszugehen ist. Danach besteht in derartigen\nFallen Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall betrieblichen\nInteressen wesentlich gedient hat; sie braucht ihnen aber nicht uberwiegend\ngedient zu haben. Die Wesentlichkeit des betrieblichen Interesses beurteilt\nsich hierbei in erster Linie nach den aufgrund von objektiven Anhaltspunkten\nnachvollziehbaren subjektiven Vorstellungen des Versicherten (BSG-Urt. v.\n28.2.1964, Az.: 2 RU 30/61 = BSGE 20, 215, 218 f.). In der zitierten\nEntscheidung hat das BSG eine versicherte Tatigkeit fur den Fall bejaht, dass\ndie unfallbringende Tatigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden ware,\nwenn der private Zweck entfallen ware. In einer weiteren Entscheidung hat das\nBSG - in dem Bemuhen, sich der fruheren Entscheidung anzuschließen - allgemein\ndiese Frage als entscheidendes Abgrenzungs-kriterium bezeichnet (Urt. v.\n5.5.1994, Az.: 2 RU 26/93 = NZS 1994, 522). Dies konnte zu dem Schluss\nverleiten, dass eine versicherte Tatigkeit bei Verneinung der Frage nicht in\nBetracht kommt. Ein derartiger Schluss wurde jedoch zu kurz greifen. Neben\nFallen, in denen einer der beiden Zwecke ein so uberwiegendes Gewicht hat,\ndass bereits die vom BSG formulierte Frage die Wesentlichkeitsfrage\nhinreichend klart, sind Situationen denkbar, in denen betrieblicher und\neigenwirtschaftlicher Zweck als derart gleichwertig angesehen werden, dass die\nTatigkeit bei Entfallen eines der beiden Zwecke - gleich welchen - nicht\nvorgenommen worden ware. Um einen Sachverhalt zutreffend einer der drei\nmoglichen Fallgruppen (betrieblicher Zweck uberwiegt/eigenwirtschaftlicher\nZweck uberwiegt/beide Zwecke sind gleichwertig) zuzuordnen, bedarf es eines\nDoppelhypothesenverfahrens: Neben der vom BSG formulierte Frage ist gleichsam\nals Gegenprobe zu untersuchen, ob die unfallbringende Tatigkeit bei Entfallen\ndes betrieblichen Zwecks allein aus privaten Motiven unternommen worden ware.\nNur wenn diese Frage bejaht wird, kann eine wesentliche betriebliche\nZweckrichtung und damit ein Versicherungsschutz ausgeschlossen werden.\nAndernfalls wurde man in Fallen, in denen das Entfallen eines Zwecks - gleich\nwelchen - zur Nichtvornahme der unfallbringenden Verrichtung gefuhrt hatte, in\ndenen beide Zwecke also gleiches Gewicht besitzen, zum Ausschluss des\nVersicherungsschutzes gelangen. Dies ware aber mit dem Postulat des BSG\nunvereinbar, dass der betriebliche Zweck lediglich wesentlich, nicht\nuberwiegend zu sein braucht. Richtigerweise ist umgekehrt bereits eine dem\nprivaten Zweck gleichgewichtige Motivation durch betriebliche Zwecke als\nwesentlich anzusehen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Im hier zu entscheidenden Fall ist zum einen davon auszugehen, dass der\nKlager sich ohne den privaten Zweck - etwa wenn er nicht oder nicht gerne\nFußballspiel spielte - auch nicht an dem unfallbringenden Fußballspiel\nbeteiligt hatte. Umgekehrt ware es ohne die Ausrichtung dieses Spiels und\nAufstellung einer Mannschaft auf Veranlassung, im Interesse und mit\nUnterstutzung seines Arbeitgebers ebenso wenig zu dem Spiel gekommen. Nach den\ndargelegten Grundsatzen ist somit von einem wesentlich auch betrieblichen\nZweck des Spiels auszugehen mit der Folge, dass es sich bei der Teilnahme an\ndiesem Spiel um eine versicherte Tatigkeit des Klagers handelt und dass das\nunfallbringende Verhalten als in innerem Zusammenhang mit der versicherten\nTatigkeit des Klagers als Beschaftigter des Freizeitparks ... stehend\nanzusehen ist. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Da die Teilnahme am Fußballspiel unmittelbar versicherte Tatigkeit des\nKlagers als Be-schaftigter war (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) kommt es auf die im\nangefochtenen Bescheid dis-kutierte Frage nicht an, ob die Voraussetzungen\nversicherten Betriebssports oder einer ver-sicherten\nGemeinschaftsveranstaltung erfullt sind. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Sie ist auch im Übrigen\nzulassig. Da die Beklagte jedwede Entschadigung ablehnt, da kein\nVersicherungsfall eingetreten sei, ist die Klage als Feststellungsklage gem. §\n55 Abs. 1 Nr. 1 SGG in Verbindung mit einer Anfechtungsklage gem. § 54 Abs. 1\nSGG statthaft (BSG-Urt. v. 7.9.2004, Az.: B 2 U 45/03 R = SozR 4-2700 § 2 Nr.\n2). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Arbeitsunfalle sind gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des\nSozialgesetzbuches (SGB VII) Unfalle von Versicherten infolge einer den\nVersicherungsschutz nach den §§ 2, 3, oder 6 begrundenden Tatigkeit. Dies\nbeinhaltet zwei Aspekte, namlich einerseits, dass das zum Unfallfuhrende\nVerhalten zur versicherten Tatigkeit zu rechnen ist (sog. innerer\nZusammenhang) und dass andererseits diese Tatigkeit den Unfall herbeigefuhrt\nhat (sog. haftungsbegrundende Kausalitat). Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind\nBeschaftigte kraft Gesetzes versichert. Der innere Zusammenhang setzt bei\nihnen eine sachliche Verbindung zwischen der vom Versicherten ausgeubten\nVerrichtung im Unfallzeitpunkt mit der Betriebstatigkeit und dem\nBeschaftigungs-verhaltnis voraus, die es rechtfertigt, das betreffende\nVerhalten der versicherten Tatigkeit zuzu-rechnen. Maßgebendes Kriterium fur\ndiese wertende Entscheidung ist die Handlungstendenz des Versicherten, ob er\neine dem Beschaftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausuben wollte, so wie\nsie insbesondere durch die objektiven Umstande des Einzelfalles bestatigt wird\n(st. Rspr., vgl. BSG-Urt. v. 12.4.2005, Az.: B 2 U 11/04 R = BSGE 94, 262, m.\nw. N.). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Ausgehend von diesen rechtlichen Grundsatzen ist zunachst festzustellen,\ndass das unmittelbar zum Unfall fuhrende Verhalten des Klagers (Fußballspiel)\nder Handlungstendenz des Klagers nach zugleich betrieblichen und privaten\nZwecken zu dienen bestimmt war. Der eigenwirt-schaftliche Zweck ergibt sich\ndaraus, dass der Klager auf die Frage des Gerichts nach dem Zweck des zu dem\nUnfall fuhrenden Fußballspiels u. a. antwortete, es sei "naturlich immer\ninteressant, gegen eine andere Mannschaft zu spielen". Der Klager ist -\naußerhalb der Betriebsmannschaft in einem Sportverein - aktiver\nFußballspieler. Er hat sich wie die anderen Mannschaftsmitglieder an den\nAufwendungen der Reise nach Schweden und damit auch des Fußballspiels in Form\neines finanziellen Beitrags in Hohe von 50 EUR sowie von 1,5 Tagen\nJahresurlaub beteiligt. Seine Aussage ist vor diesem Hintergrund\nplausiblerweise dahingehend zu verstehen, dass er an dem Spiel zumindest\nwesentlich auch um der eigenen Freude am Fußballsport willen teilgenommen hat. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Handlungstendenz des Klagers beschrankte sich jedoch nicht auf diesen\neigenwirt-schaftlichen Aspekt. Ihm waren zugleich die geschaftlichen\nBeziehungen zwischen den beiden beteiligten Unternehmen bzw. deren\nEigentumerfamilien bekannt. Der Zeuge erklarte in diesem sachlichen\nZusammenhang, die Spiele der Betriebfußballmannschaft seien "immer auch unter\ndem Aspekt des Marketings" zu sehen. So sei die Eigentumerfamilie des\nArbeitgebers des Klagers mit dem gleichnamigen Herstellerunternehmen von\nFahrgeschaften verbunden, das seine Produkte u. a. auch nach L verkaufe. Der\nKlager gab an, die Reise nach Schweden und das Fußballspiel im besonderen im\nZusammenhang mit den Geschaftsbeziehungen zwischen seinem Arbeitgeber und dem\nFreizeitpark L gesehen zu haben. Hieraus ergibt sich die weitere Zweckrichtung\ndes Klagers, mit der Teilnahme am Fußballspiel zugleich Interessen seines\nArbeitgebers zu dienen. Insoweit entsprach seine Handlungstendenz auch\nobjektiv dem Interesse des Unternehmens, was sich aus dem dargelegten\nMarketingzweck besagten Fußballspiels ergibt. Dieses Unternehmensinteresse war\ndem Klager aufgrund der objektiven Umstande erkennbar: Die geschaftlichen\nBeziehungen der beteiligten Unternehmen waren den Mitarbeitern bekannt. Das\nUnternehmen hatte sein Interesse durch die großzugige Unterstutzung der Reise\n(weitgehende Kostentragung, Sonderurlaubsgewahrung) sowie die durch die\nGeschaftsleitung (hier: den Prokuristen und Sohn eines Geschaftsfuhrers M)\nveranlasste Anberaumung des Spiels gegenuber der Belegschaft deutlich gemacht.\nDer Zeuge P schildert die Vorgeschichte des unfallbringenden Spiels\nfolgendermaßen: "Herr M machte zu dieser Zeit ein Praktikum im dortigen Park.\nEr nahm mit mir telefonisch Kontakt auf und sagte, er habe fur diesen und\njenen Termin ein Spiel gegen die Betriebsmannschaft vereinbart (...) Er hatte\nden Termin abgesprochen. Ich organisierte dann in Absprache mit ihm und der\nFamilie M die Fluge. In der Folge wurden dann auch die weiteren Einzelheiten\nausgehandelt (..)". \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die private und die dem Unternehmen dienende Zweckrichtung der Teilnahme\ndes Klagers an dem Fußballspiel ist vorliegend so eng und untrennbar\nmiteinander verbunden, dass von einer sogenannten gemischten Tatigkeit im\nSinne der Rechtsprechung des BSG auszugehen ist. Danach besteht in derartigen\nFallen Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall betrieblichen\nInteressen wesentlich gedient hat; sie braucht ihnen aber nicht uberwiegend\ngedient zu haben. Die Wesentlichkeit des betrieblichen Interesses beurteilt\nsich hierbei in erster Linie nach den aufgrund von objektiven Anhaltspunkten\nnachvollziehbaren subjektiven Vorstellungen des Versicherten (BSG-Urt. v.\n28.2.1964, Az.: 2 RU 30/61 = BSGE 20, 215, 218 f.). In der zitierten\nEntscheidung hat das BSG eine versicherte Tatigkeit fur den Fall bejaht, dass\ndie unfallbringende Tatigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden ware,\nwenn der private Zweck entfallen ware. In einer weiteren Entscheidung hat das\nBSG - in dem Bemuhen, sich der fruheren Entscheidung anzuschließen - allgemein\ndiese Frage als entscheidendes Abgrenzungs-kriterium bezeichnet (Urt. v.\n5.5.1994, Az.: 2 RU 26/93 = NZS 1994, 522). Dies konnte zu dem Schluss\nverleiten, dass eine versicherte Tatigkeit bei Verneinung der Frage nicht in\nBetracht kommt. Ein derartiger Schluss wurde jedoch zu kurz greifen. Neben\nFallen, in denen einer der beiden Zwecke ein so uberwiegendes Gewicht hat,\ndass bereits die vom BSG formulierte Frage die Wesentlichkeitsfrage\nhinreichend klart, sind Situationen denkbar, in denen betrieblicher und\neigenwirtschaftlicher Zweck als derart gleichwertig angesehen werden, dass die\nTatigkeit bei Entfallen eines der beiden Zwecke - gleich welchen - nicht\nvorgenommen worden ware. Um einen Sachverhalt zutreffend einer der drei\nmoglichen Fallgruppen (betrieblicher Zweck uberwiegt/eigenwirtschaftlicher\nZweck uberwiegt/beide Zwecke sind gleichwertig) zuzuordnen, bedarf es eines\nDoppelhypothesenverfahrens: Neben der vom BSG formulierte Frage ist gleichsam\nals Gegenprobe zu untersuchen, ob die unfallbringende Tatigkeit bei Entfallen\ndes betrieblichen Zwecks allein aus privaten Motiven unternommen worden ware.\nNur wenn diese Frage bejaht wird, kann eine wesentliche betriebliche\nZweckrichtung und damit ein Versicherungsschutz ausgeschlossen werden.\nAndernfalls wurde man in Fallen, in denen das Entfallen eines Zwecks - gleich\nwelchen - zur Nichtvornahme der unfallbringenden Verrichtung gefuhrt hatte, in\ndenen beide Zwecke also gleiches Gewicht besitzen, zum Ausschluss des\nVersicherungsschutzes gelangen. Dies ware aber mit dem Postulat des BSG\nunvereinbar, dass der betriebliche Zweck lediglich wesentlich, nicht\nuberwiegend zu sein braucht. Richtigerweise ist umgekehrt bereits eine dem\nprivaten Zweck gleichgewichtige Motivation durch betriebliche Zwecke als\nwesentlich anzusehen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Im hier zu entscheidenden Fall ist zum einen davon auszugehen, dass der\nKlager sich ohne den privaten Zweck - etwa wenn er nicht oder nicht gerne\nFußballspiel spielte - auch nicht an dem unfallbringenden Fußballspiel\nbeteiligt hatte. Umgekehrt ware es ohne die Ausrichtung dieses Spiels und\nAufstellung einer Mannschaft auf Veranlassung, im Interesse und mit\nUnterstutzung seines Arbeitgebers ebenso wenig zu dem Spiel gekommen. Nach den\ndargelegten Grundsatzen ist somit von einem wesentlich auch betrieblichen\nZweck des Spiels auszugehen mit der Folge, dass es sich bei der Teilnahme an\ndiesem Spiel um eine versicherte Tatigkeit des Klagers handelt und dass das\nunfallbringende Verhalten als in innerem Zusammenhang mit der versicherten\nTatigkeit des Klagers als Beschaftigter des Freizeitparks ... stehend\nanzusehen ist. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Da die Teilnahme am Fußballspiel unmittelbar versicherte Tatigkeit des\nKlagers als Be-schaftigter war (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) kommt es auf die im\nangefochtenen Bescheid dis-kutierte Frage nicht an, ob die Voraussetzungen\nversicherten Betriebssports oder einer ver-sicherten\nGemeinschaftsveranstaltung erfullt sind. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n---\n\n
161,129
olgkarl-2008-08-12-15-ar-2308
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
15 AR 23/08
2008-08-12
2019-01-10 12:12:16
2019-02-12 12:22:02
Beschluss
## Tenor\n\nAls zustandiges Gericht zur Entscheidung uber die sofortige Beschwerde der\nGlaubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weinheim vom 9. Oktober 2007\n- M 1951/07- wird das **Landgericht Mannheim** bestimmt.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Auf Antrag der Glaubigerin hat das Amtsgericht Weinheim am 20.08.2007 wegen\neiner in einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Bensheim vom\n05.06.2007 titulierten Forderung in Hohe von 1.433,21 EUR sowie wegen der\nKosten der Zwangsvollstreckung in Hohe von 326,19 EUR einen Pfandungs- und\nÜberweisungsbeschluss gegen den Schuldner erlassen. Auf die Erinnerung des\nSchuldners hat das Amtsgericht Weinheim diesen Beschluss am 09.10.2007\naufgehoben. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der\nGlaubigerin. Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen\nund die Akten dem Landgericht Mannheim zur Entscheidung vorgelegt. Mit den\nParteien bekannt gegebenem Beschluss vom 20.05.2008 hat das Landgericht\nMannheim das Beschwerdeverfahren an das Landgericht Karlsruhe abgegeben.\nDieses sei gemaß § 72 Abs. 2 GVG zustandig, da es sich um eine\nRechtsstreitigkeit gemaß § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG handle. Das Landgericht\nKarlsruhe hat sich mit den Parteien bekannt gegebenem Beschluss vom 23.06.2008\nfur unzustandig erklart und die Akten zur Bestimmung des zustandigen Gerichts\ndem Oberlandesgerichts Karlsruhe vorgelegt. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 2 \n--- \n| Als zustandiges Gericht war gemaß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO analog das\nLandgericht Mannheim zu bestimmen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| 1\\. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist gemaß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO\nanalog zur Entscheidung berufen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| a) § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ermoglicht die Entscheidung eines negativen\nKompetenzkonflikts auch im Vollstreckungsverfahren (vgl. BGH, Beschluss vom\n02.03.1983 - IV b ARZ 49/82 - zitiert nach juris Rn. 6; Stein/Jonas/Roth, ZPO,\n22.Aufl., § 36 Rn. 37) und auch dann, wenn der Zustandigkeitsstreit die\nZustandigkeit fur die Entscheidung uber ein Rechtsmittel betrifft (vgl. BGH,\nBeschluss vom 02.10.1985 - IV b ARZ 24/85 - Rn. 8, zitiert nach juris). \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| b) Zwar liegen die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nicht vor. Denn\ndie Landgerichte Mannheim und Karlsruhe haben sich nicht, wie in dieser\nBestimmung gefordert, in rechtskraftigen Beschlussen fur unzustandig erklart.\n§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist aber im Interesse einer raschen Klarung negativer\nKompetenzkonflikte entsprechend anzuwenden, wenn verschiedene mit der Sache\nbefasste Gerichte ihre Kompetenz leugnen (vgl. BGHZ 104, 363 - Juris-Ausdruck\nRn. 5; Zoller/Vollkommer, ZPO, 26. Auflage, § 36 Rn. 25) und die\nUnzustandigkeitserklarungen der Gerichte den Verfahrensbeteiligten zumindest\nbekannt gemacht wurden (vgl. BGH NJW-RR 1992, 579; NJW-RR 1992, 1154; NJW-RR\n1996, 1217; Zoller/Vollkommer, a.a.O., Rn. 25). Diese Voraussetzungen sind\nvorliegend erfullt. Sowohl das Landgericht Mannheim als auch das Landgericht\nKarlsruhe haben sich durch den Parteien bekannt gegebene Beschlusse vom 20.05.\nbzw. 23.06.08 fur unzustandig erklart. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| 2\\. Fur die Entscheidung uber die sofortige Beschwerde der Glaubigerin gegen\nden Beschluss des Amtsgerichts Weinheim vom 09.10.2007 ist gemaß § 72 Abs. 1\nGVG das Landgericht Mannheim zustandig. Eine Rechtsmittelzustandigkeit des\nLandgerichts Karlsruhe gemaß § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG ist nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| a) Gemaß § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG ist in Streitigkeiten nach § 43 Nr. 1 bis 4\nund 6 WEG das fur den Sitz des Oberlandesgerichts zustandige Landgericht\ngemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht fur den Bezirk des\nOberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat. Die vorliegende\nAuseinandersetzung der Parteien uber die Rechtmaßigkeit des Pfandungs- und\nÜberweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Weinheim vom 20.08.2007 ist keine\nStreitigkeit nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG. Entgegen der Auffassung des\nLandgerichts Karlsruhe sind unter Streitigkeiten in diesem Sinne allerdings\nnicht lediglich Erkenntnisverfahren in wohnungseigentumsrechtlichen\nStreitigkeiten gemeint. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschlusse vom\n23.06.2008 - 15 AR 13/08 - und vom 11.07.2008 - 15 AR 8/08) erfasst § 72 Abs.\n2 Satz 1 GVG vielmehr auch Vollstreckungsverfahren, sofern zustandiges\nVollstreckungsorgan das fur die Entscheidung von Wohnungseigentumssachen gemaß\n§ 23 Nr. 2 c GVG, 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG berufene Amtsgericht als\nProzessgericht des ersten Rechtszugs ist. Denn wie bereits in dem gesetzlich\nangeordneten Gleichlauf der Entscheidungszustandigkeit im Erkenntnis- und\nVollstreckungsverfahren zum Ausdruck kommt, stehen die vom\nWohnungseigentumsgericht als Prozessgericht des ersten Rechtszugs im\nZwangsvollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen typischerweise in\nengem Zusammenhang mit dem Erkenntnisverfahren. Dieser Zusammenhang\nrechtfertigt es, die Sache als ihrem Wesen nach vor die\nWohnungseigentumsgerichte gehorend anzusehen. Der mit der Schaffung des § 72\nAbs. 2 Satz 1 GVG verfolgte Zweck, durch eine haufigere und intensivere\nBefassung mit der komplexen Materie des Wohnungseigentumsrechts eine\nQualitatssteigerung der Rechtsmittelentscheidungen und eine gleichmaßige\nRevisionszulassungspraxis herbeizufuhren (vgl. BT-Drs. 16/3843, Seite 17, 29),\ngebietet es deshalb in diesen Fallen, die Rechtsmittelzustandigkeit bei dem in\n§ 72 Abs. 2 Satz 1 GVG genannten Landgericht zu konzentrieren. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Diese Erwagungen beanspruchen jedoch keine Geltung, soweit zustandiges\nVollstreckungsorgan das Vollstreckungsgericht ist, d. h. das Amtsgericht, bei\ndem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 828 Abs. 2\nZPO). Wie der Gesetzgeber bereits durch die Bestimmung eines anderen Gerichts\nals des im Erkenntnisverfahren zustandigen Prozessgerichts zum\nVollstreckungsorgan zum Ausdruck gebracht hat, ist in diesen Fallen eine\nSachnahe zum Erkenntnisverfahren typischerweise nicht gegeben, so dass die\nAnnahme nicht gerechtfertigt ist, die Sache gehore ihrem Wesen nach vor die\nWohnungseigentumsgerichte (vgl. auch BGH NJW 1979, 1048, wonach sich die\nZustandigkeit der Familiengerichte nicht auf die Verrichtungen erstreckt, die\ndie Zivilprozessordnung den Vollstreckungsgerichten zuweist). \n---\n\n
161,165
sg-freiburg-2008-08-26-s-13-as-150407
148
Sozialgericht Freiburg
sg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
S 13 AS 1504/07
2008-08-26
2019-01-10 12:12:53
2019-01-17 12:06:02
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2007 in der\nGestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2007 verpflichtet, den Klagern\neine Zusicherung fur eine neue angemessene Unterkunft mit einer Kaltmiete bis\n352,20 EUR zu erteilen.\n\n2\\. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klager zu tragen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zusicherung\nder Aufwendungen der Klager fur eine andere Wohnung. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die 1974 geborene Klagerin Ziff 1. (im Folgenden: Klagerin) ist geschieden\nund bewohnt seit September 2001 - nunmehr gemeinsam mit ihrem am … 2004\ngeborenen Sohn, dem Klager Ziff 2. (im Folgenden: Klager) - eine etwa 45 m²\ngroße Zweizimmerwohnung unter der angegebenen Adresse, die von der F. St. GmbH\n(im Folgenden: FSB) vermietet wird. Die Kaltmiete betragt 201,70 EUR\nmonatlich, hinzu kommen Nebenkosten von 51 EUR monatlich sowie Vorauszahlungen\nu. a. fur Erdgas zu leisten, die zuletzt insoweit 77 EUR monatlich betragen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin beantragte am 19.1.2006 erstmals eine Kostenzusage fur eine\nDreizimmerwohnung, da ihr Sohn ein eigenes Zimmer brauche. Der Antrag wurde\nvon der Beklagte abgelehnt, da die bisherige Wohnung von der Große her\nangemessen sei. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klagerin beantragte am 9.1.2007 erneut die Übernahme der Kosten fur eine\nDreizimmerwohnung. Sie begrundete den Antrag damit, dass ihr Sohn in der\nbisherigen Wohnung kein Zimmer habe. Er habe kein eigenes Bett, da sie keinen\nPlatz dafur habe. Ferner komme aus allen Turen und Fenstern kalte Luft. Ihr\nSohn sei standig krank. Die Beklagte beauftragte ihren Außendienst mit der\nPrufung der Notwendigkeit eines Umzuges. Dieser kam am 26.01.2007 zu dem\nErgebnis, dass ausreichend Wohnraum vorhanden sei. Wegen Wohnungsmangeln sei\ndie Vermieterin zustandig. Die Klagerin sei daruber aufgeklart worden, dass\nsie im Moment keine Kostenzusage erhalte. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom 6.2.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die\nbisherige Wohnung angemessen und die Klagerin daher ausreichend\nwohnraumversorgt sei. Eine „Notwendigkeit im Sinne des SGB II" liege nicht\nvor. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Klagerin legte am 20.2.2007 bei der Beklagte personlich Widerspruch\ngegen den Bescheid ein, weil ihr Sohn seit Monaten trotz intensiven Heizens\nkrank sei. Sie legte ein konkretes Wohnungsangebot der FSB vom 06.02.2007 fur\neine Dreizimmerwohnung im N.-Weg 13 in F. mit einer Wohnflache von ca. 71 m²\nmit Ausstattung mit Bad/Dusche, Zentralheizung und zentraler\nWarmwasserversorgung vor. Die monatliche Kaltmiete betrug 361,70 EUR, hinzu\nkamen Nebenkosten von 122 EUR. Die Klagerin wurde nach dem gefertigten\nAktenvermerk darauf hingewiesen, dass die ubersteigende Miete in Hohe von\n24,50 EUR von ihr selbst zu tragen sei. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klagerin teilte am 21.2.2007 mit, der Ofen sei in ihrer jetzigen Wohnung\nbereits vom Wohnzimmer in die Kuche umgestellt worden. Die Wohnverhaltnisse\nseien jedoch sehr schlecht, so dass an die B. ein monatlicher Betrag von 192\nEUR zu zahlen sei. Der Bevollmachtigte der Klagerin zeigte der Beklagte am\n8.3.2007 seine Vertretung an und wies darauf hin, dass der Umzug zwingend\nerforderlich und das Wohnungsangebot der Miete nach angemessen sei. Die\nVermieterin habe zugesagt, die Wohnung noch bis zum 16.3.2007 freizuhalten. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 12.3.2007 wies die Beklagte den Widerspruch\nzuruck. Der Wohnungsbedarf sei durch die Wohnung gedeckt. Hierzu genuge\nregelmaßig eine einfache und bescheidene Wohnung in ausreichender Große. Die\nbeiden Zimmer wurden derzeit als gemeinsames Schlafzimmer und als Wohnzimmer\ngenutzt. Die Wohnung konne so umgestaltet werden, dass kunftig je ein Zimmer\nfur die beiden Klager eingerichtet werde. Die Klagerin konne dem nicht\nentgegenhalten, sie habe einen großen Bekanntenkreis und brauche daher ein\nWohnzimmer. Die Quadratmeterzahl von 60m² fur einen Haushalt mit zwei\nFamilienmitgliedern stelle die maximale Obergrenze dar und besage nicht, wo\ndie Untergrenze anzusiedeln sei. Ein Zusammenhang zwischen der Beschaffenheit\nder Wohnung und den Erkrankungen des Sohnes sei nicht nachgewiesen. Dass das\nbisherige Wohnumfeld nach Ansicht der Klagerin zunehmend verwahrlose, sei\nnicht ausreichend, um die Erforderlichkeit eines Umzuges zu begrunden. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Klagerin hat am 14.03.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben.\nZugleich hat sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt (Az. S 13\nAS 1483/07 ER). Der Antrag richtete sich ebenso wie die Klage auf die\nVerpflichtung der Beklagten, die Zusicherung zu der Anmietung der von der FSB\nangebotenen Wohnung zu erteilen. Zur Begrundung wurde ausgefuhrt, der Umzug\nsei aufgrund der schwerwiegenden gesundheitlichen Beeintrachtigungen des\nKlagers erforderlich. Die Wohnung sei baulich in schlechtem Zustand. Der\nKlager sei daher sehr krankheitsanfallig. Die Klager legten ein Attest des\nKinderarztes Dr. R. vom 8.3.2007 vor, nach dem der Klager seit Oktober 2006 in\nrascher Folge funf fieberhafte Infekte erlitten hatte. Nach der Einschatzung\nvon Dr. R. lag, da die Wohnung nach den Angaben der Klagerin zu 1. kalt und\nzugig und nur ungleichmaßig beheizbar sei, der Zusammenhang mit den zum Teil\nkomplizierten Luftwegsinfekten auf der Hand. Ferner gebe die Enge der\nWohnverhaltnisse dem lebhaften und bewegungsfreudigen Kind zu wenig Raum und\nbeeintrachtige seine Entwicklung. Vorgelegt wurde ferner ein Arztbericht des\nUniversitatsklinikums Freiburg vom 11.12.2006 uber einen stationaren\nAufenthalt des Klagers vom 10. bis 11.12.2006 wegen einer akuten fieberhaften\nInfektion der oberen Atemwege. In einem weiteren Schriftsatz vom 19.3.2007\nfuhrte sie aus, die Beklagte habe klar zum Ausdruck gebracht, dass sie die\nZusicherung unabhangig von der Große und den Kosten der neuen Wohnung nicht\nerteilen werde. Die ihr angebotene Wohnung sei mit 71 m² zwar relativ groß.\nDie abstrakte Angemessenheitsgrenze musse aber angesichts der Realitat fur\neine Wohnung in Freiburg mit einer Große von 60 m² bei ca. 7,50 EUR liegen.\nDie Wohnung ubersteige den von der Klagerin fur angemessen erachteten Wert um\neinen relativ geringen Betrag von 24,50 EUR. Das Gericht hat den Antrag auf\nErlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 23.03.2007 abgelehnt,\nda weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht\nseien. Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass die bisherige Wohnung den\nWohnbedarf der Klager nicht decken konne. Die Aufwendungen fur die neue\nWohnung seien auch nicht angemessen. Die Klager haben ihre hiergegen zum\nLandessozialgericht <LSG> Baden-Wurttemberg eingelegte Beschwerde (Az. L 13 AS\n1881/07 ER-B) zuruckgenommen, da die in Aussicht stehende Wohnung in der\nZwischenzeit anderweitig vergeben worden war. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klager haben ihre Klage aufrechterhalten. Sie sind der Auffassung, dass\nein Rechtsschutzbedurfnis auch hinsichtlich der Frage bestehe, ob der Umzug an\nsich - unabhangig von einer konkret anzumietenden Wohnung - erforderlich sei.\nDie Beklagte habe die Erforderlichkeit abstrakt verneint und dies im\nWiderspruchsbescheid bestatigt. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Klager beantragen zuletzt, \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2007 in der Gestalt\ndes Widerspruchsbescheides vom 12.03.2007 zu verpflichten, ihnen die\nZusicherung fur die angemessenen Aufwendungen fur eine andere Wohnung zu\nerteilen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Sie halt einen Umzug der Klager nach wie vor nicht fur erforderlich. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Das Gericht hat bei der FSB als Vermieterin der Klager eine Auskunft dazu\neingeholt, ob sich die Klager wegen baulicher Mangel an sie gewandt haben,\nwelche baulichen Mangel vorhanden waren bzw. sind und welche Mangel behoben\nwurden, sowie um einen Grundriss der derzeitigen Wohnung gebeten. Hinsichtlich\nder Auskunft der FSB wird auf Bl. 87 der Gerichtsakte verwiesen. Das Gericht\nhat ferner den den Klager behandelnden Kinderarzt Dr. R. schriftlich als\nsachverstandigen Zeugen befragt. Hinsichtlich der Aussage von Dr. R. wird auf\nBl. 102/105 der Gerichtsakte verwiesen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klager haben noch einen Bericht der Kindertagesstatte KiTa V. vom\n23.07.2007 und einen Bericht des Facharztes fur Psychiatrie und Psychotherapie\nim Kindes- und Jugendalter Dr. R. vom 26.10.2007 uber den Klager vorgelegt. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird\nauf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Leistungsakte der\nBeklagten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Klage ist als Verpflichtungsklage auf Erteilung einer von der Beklagten\nabgelehnten Zusicherung nach § 54 Abs. 1 SGG zulassig. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Klage richtet sich gegen den Bescheid vom 06.02.2007 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 12.03.2007. Mit dem Bescheid wurde zwar in erster\nLinie die Zusicherung zu den Aufwendungen fur die konkret in Aussicht stehende\nWohnung abgelehnt. Aus der Begrundung des Bescheides und des\nWiderspruchsbescheides folgt aber, dass die Beklagte auch die Erforderlichkeit\neines Umzuges an sich verneint, was auch durch die Auffassung der Beklagten im\nKlageverfahren bestatigt wird. Die Klage betrifft hier lediglich die\nZusicherung zu den Aufwendungen fur eine neue Unterkunft nach § 22 Abs. 2 SGB\nII. Eine Zusicherung der Übernahme von Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II\nwar hingegen nicht Gegenstand des vorausgegangenen Verwaltungs- und\nVorverfahrens und wird von den Klagern auch nicht geltend gemacht. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Klager haben den Klageantrag dahingehend beschrankt, dass anstatt der\nVerpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Zusicherung zu den\nAufwendungen fur die damals konkret in Aussicht stehende Wohnung die\nVerpflichtung zur Erteilung der Zusicherung zu fur die Kosten einer\nangemessenen Wohnung begehrt wird. Diese Beschrankung des Klageantrages ist\nals teilweise einseitige Erledigterklarung und damit als teilweise Rucknahme\nder Klage anzusehen (§ 102 SGG; vgl. Leitherer, in: Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 102 Rdnr. 4). Eine\nKlageanderung liegt darin nach § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht, so dass die\nZulassigkeitsvoraussetzungen fur eine solche Klageanderung hier nicht zu\nprufen sind. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet, weil der angefochtene Bescheid vom 06.02.2007\nin der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2007 insoweit rechtswidrig\nist und die Klager in ihren Rechten verletzt, als darin die Erforderlichkeit\ndes Umzuges verneint wurde und die Erteilung auch einer allgemeinen bzw.\nabstrakten Zusicherung zu den Aufwendungen fur eine neue Unterkunft\n(sogenannte „abstrakte Kostenzusage") abgelehnt wurde. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Klager haben zur Überzeugung der erkennenden Kammer einen Anspruch auf\nErteilung einer solchen abstrakten Zusicherung zu den Aufwendungen fur eine\nneue Unterkunft. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Ein gebundener Anspruch scheidet vorliegend allerdings aus, weil keine\nZusicherung zu den Aufwendungen fur eine bestimmte Unterkunft begehrt wird.\nDenn die Beklagte ist nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II nur zur Erteilung einer\nZusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen\nfur die neue Unterkunft angemessen sind. Daraus folgt, dass nach dem\ngesetzgeberischen Konzept des § 22 Abs. 2 SGB II eine bestimmte Unterkunft in\nAussicht stehen muss, weil nur dann die Aufwendungen fur diese neue Unterkunft\nauf ihre Angemessenheit hin uberpruft werden konnen. Dies ist hier zum\nmaßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht (mehr) der Fall. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach Auffassung der Kammer hat die Beklagte uber die Erteilung einer\nbeantragten Zusicherung nach pflichtgemaßem Ermessen zu entscheiden, wenn noch\nkeine andere konkrete Unterkunftsalternative besteht (so SG Freiburg, Urteil\nvom 27.2.2007 - S 9 AS 5964/06 - Berufungsverfahren bei dem\nLandessozialgericht <LSG> Baden-Wurttemberg anhangig unter Az. L 13 AS\n3036/07; a.A. wohl Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2007, §\n22 Rdnr. 70). Im Klageverfahren ist dabei eine auf die Verpflichtung der\nBeklagten zur Feststellung der Erforderlichkeit, hilfsweise auf die\nVerpflichtung zur Entscheidung uber die Erforderlichkeit nach pflichtgemaßem\nErmessen, gerichtete Klage nach § 54 Abs. 1 SGG (so SG Freiburg, Urteil vom\n27.2.2007 - S 9 AS 5964/06; offen gelassen von dem Landessozialgericht Berlin-\nBrandenburg, U. v. 31.08.2007 - L 5 AS 29/06 - juris) in Betracht zu ziehen.\nAndernfalls konnte auch eine Feststellungsklage nach § 55 SGG (vgl. LSG\nBerlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.12.2006 - L 5 B 1147/06 AS ER - juris:\n„ausnahmsweise zulassige Elementenfeststellungsklage") in Betracht gezogen\nwerden. Fur die hier vertretene Losung spricht nach Auffassung der Kammer das\npraktische Bedurfnis nach einer verbindlichen Vorabklarung der Frage der\nErforderlichkeit des Umzuges i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGG in den\nFallen, in denen noch keine konkrete andere Unterkunft in Aussicht steht.\nDieses Bedurfnis besteht insbesondere deshalb, weil ansonsten eine\nEntscheidung uber die Erforderlichkeit des Umzuges (genauer: des Auszuges)\nerst bei Vorliegen einer konkreten Wohnungsangebotes getroffen wurde. Dies\nentspricht nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 2 SGB II zwar der gesetzgeberischen\nKonzeption, fuhrt aber in den Fallen, in denen der Leistungstrager die\nErforderlichkeit des Umzuges unabhangig von der Angemessenheit der neuen\nWohnung verneint, zu einer Einschrankung des Rechtsschutzes. Denn\nrealistischerweise wird dem Hilfebedurftigen eine Wohnung nur eine kurze Zeit\nangeboten werden. Die Gewahrung gerichtlichen Rechtsschutzes im Wege einer\nKlage durfte - wie auch der vorliegende Fall zeigt - nahezu ausgeschlossen\nsein, so dass allenfalls einstweiliger Rechtsschutz gewahrt werden konnte.\nZieht der Hilfebedurftige in die neue Wohnung, so tragt er dann unter\nUmstanden das Risiko, dass die Kosten wegen § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht in\nvoller Hohe ubernommen werden. Dem erwahnten Bedurfnis nach einer Vorabklarung\nder Erforderlichkeit des Umzuges tragt im Übrigen auch die Verwaltungspraxis\nder Beklagten Rechnung, nach der sogenannte „abstrakte Kostenzusagen" unter\nAngabe der fur angemessen gehaltenen Kaltmiete erteilt werden. Im Ergebnis\nenthalt eine solche abstrakte Zusicherung nach Auffassung der Kammer neben\neiner Information uber die Angemessenheitsgrenze und einer Zusicherung der\nÜbernahme der Kaltmiete bis zu jener Grenze auch eine Feststellung, dass der\nUmzug erforderlich ist, so dass sich der Leistungstrager bei Anmietung der\nneuen Unterkunft nicht mehr auf die Begrenzung der Aufwendungen fur die\nUnterkunft auf den bisherigen Betrag nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II berufen\nkann. Im Ergebnis unterscheidet sich die hier vertretene Auffassung daher\nnicht wesentlich von der zitierten Rechtsprechung des SG Freiburg, nach der\ndurch die Beklagte isoliert die Erforderlichkeit des Umzuges festzustellen\nsein kann. Eine Feststellungsklage nach § 55 SGG kommt demgegenuber -\nunabhangig von der Problematik einer Elementenfeststellung - bereits wegen\nihrer Subsidiaritat gegenuber einer Verpflichtungsklage (vgl. Keller, in:\nMeyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 55 Rdnr. 19 ff.) nicht\nin Betracht. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klager haben nach Überzeugung der Kammer einen Anspruch auf eine\nderartige Ermessensentscheidung der Beklagten, weil der von ihnen angestrebte\nUmzug i.S.d. § 22 Abs. 2 SGB II erforderlich ist. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der unbestimmte Rechtsbegriff der Erforderlichkeit des Umzuges unterliegt\nder vollen gerichtlichen Überprufung. Ein Umzug ist insbesondere dann\nerforderlich, wenn durch die bisherige Unterkunft der Unterkunftsbedarf der\nBedarfsgemeinschaft nicht hinreichend gedeckt werden kann (vgl. Berlit, in:\nLPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 22 Rdnr. 76). Die Notwendigkeit wird dabei nach\neinem grundsicherungsrechtlichen Maßstab bemessen (Wieland, in: Estelmann, SGB\nII § 22 Rdnr. 52). Dabei ist zu beachten, dass dem Hilfebedurftigen auch nach\nder Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lediglich ein einfacher und\nim unteren Segment liegender Wohnungsstandard zusteht (vgl. BSG, U. v.\n7.11.2006, B 7b AS 10/06 R). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die bisherige Wohnung der Klager kann zur Überzeugung der Kammer deren\ngrundsicherungsrechtlichen Wohnbedarf nach den Gesamtumstanden - hier\nWohnungsgroße, Beheizbarkeit der Wohnung, Erkrankungen des Klagers und\nSchwierigkeiten mit dem Wohnumfeld - nicht mehr hinreichend decken. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kammer berucksichtigt dabei zum einen die Wohnflache der bisherigen\nWohnung von 45 m². Bei zwei Personen ist eine Wohnflache von bis zu 60 m² als\nangemessen anzusehen (vgl. etwa Landessozialgericht Baden-Wurttemberg,\nBeschluss vom 09.11.2006 - L 8 AS 4787/06 ER-B - bei juris, unter Hinweis auf\nNr. 5.7.1 der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung\nvon Bindungen in der sozialen Wohnraumforderung - VwV-SozWo vom 12.02.2002\n<GABl S. 240> idF der VwV vom 22.01.2004 <GABl S. 248>). Eine Unterschreitung\ndieses Wertes ist jedenfalls dann ein Indiz fur eine nicht hinreichende\nDeckung des Unterkunftsbedarfes, wenn der Wert fur die nachstniedrigere Zahl\nder Haushaltsangehorigen unterschritten oder gerade erreicht wird. Dies ist\nbei den Klagern der Fall, weil fur eine Person nach der VwV-SozWo 45m²\nangemessen waren. Vorliegend sind nach Auffassung der Kammer daneben auch die\ngeltend gemachten baulichen Mangel und die Erkrankungen des Klagers zu\nberucksichtigen. Gesundheitliche Grunde und schwere bauliche Mangel konnen\neinen Umzug in diesem Sinne erforderlich machen (vgl. Berlit, a.a.O.;\nLang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 73). Nach\nder Auskunft der FSB sind die baulichen Mangel - soweit gemeldet - zwar\nmittlerweile behoben. Die relativ hohen Heizkosten deuten aber darauf hin,\ndass sich die Beheizung der Wohnung mit einem Ofen und einem elektrischen\nHeizlufter im Bad weiterhin schwierig gestaltet. Berucksichtigt man ferner die\nnach der Aussage von Dr. R. bei dem Klager aufgetretenen Luftwegsinfekte,\nakute Bronchitis, Bronchopneumonie und obstruktive Bronchitis, so erscheint\nein Zusammenhang mit den Wohnverhaltnissen nachvollziehbar. Ein Zusammenhang\nzwischen der bei dem Klager festgestellten hyperkinetischen Storung des\nSozialverhaltens und eines Aufmerksamkeits-Hyperaktivitatssyndroms (ADHS) mit\nden Wohnverhaltnissen erscheint demgegenuber weniger plausibel. Auch Dr. R.\nverweist insoweit auf mogliche „genetische Teilursachen" und regt sinngemaß\ntherapeutische Veranderungen der Gestaltung des Tagesablaufes und eine\nstrukturierte Beschaftigung mit dem Klager an. Es erscheint aber\nnachvollziehbar, dass Dr. R. hierfur qualitativ und quantitativ ausreichenden\nWohnraum fur unabdingbar halt. Die Kammer berucksichtigt bei ihrer\nEntscheidung ferner, dass das bisherige soziale Wohnumfeld nach den\nglaubhaften Darstellungen der Klagerin in Anbetracht ihres Status als\nalleinerziehende Mutter eines unter Storungen des Sozialverhaltens und ADHS\nleidenden Kindes kaum geeignet ist. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Da der Umzug erforderlich ist, hatte die Beklagte nach ihrem pflichtgemaßen\nErmessen uber die Erteilung einer abstrakten Zusicherung zu entscheiden. Die\nBeklagte hatte dabei ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermachtigung\nauszuuben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1\nSatz 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I), § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG).\nUmgekehrt haben die Klager Anspruch auf pflichtgemaße Ausubung des Ermessens\n(§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Die gerichtliche Kontrolle dieses Teils der\nVerwaltungsentscheidung beschrankt sich auf die Frage, ob die Verwaltung ihr\nErmessen pflichtgemaß und fehlerfrei ausgeubt hat. Dem Gericht ist es hingegen\nverwehrt, sein Ermessen an Stelle des Ermessens der Verwaltung zu setzen. Eine\nVerpflichtung der Beklagten zur Gewahrung einer konkret beantragten Leistung\nist deswegen nur moglich, wenn jede andere Entscheidung als die Gewahrung\njener Leistung sich zwingend als ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig\ndarstellen wurde, so dass das Ermessen auf eine einzige Entscheidung reduziert\nist (sogenannte „Ermessensreduzierung auf Null"). Liegt ein derartiger\nAusnahmefall hingegen nicht vor, kann der ermessensfehlerhafte Verwaltungsakt\nlediglich aufgehoben und die Verwaltung zur erneuten Bescheidung des Klagers\nunter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet werden. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Ein gerichtlich uberprufbarer Ermessensfehler liegt insbesondere dann vor,\nwenn die Verwaltung es unterlasst, das ihr zustehende Ermessen auszuuben\n(sogenannter Ermessensnichtgebrauch). Dies war vorliegend der Fall, weil die\nBeklagte keine Entscheidung uber die Erteilung einer abstrakten Zusicherung\ngetroffen hatte. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Das Ermessen der Beklagten ist vorliegend nach Auffassung der Kammer auch\ndahingehend reduziert, dass nur noch die Erteilung der abstrakten Zusicherung\nermessensfehlerfrei ist. Dies folgt daraus, dass keine Erwagungen von der\nBeklagten vorgebracht wurden oder anderweitig ersichtlich sind, weshalb hier -\nbei gegebener Erforderlichkeit eines Umzuges - eine Zusicherung nicht zu\nerteilen sein sollte. Die Erteilung einer abstrakten Zusicherung bei\nfestgestellter Erforderlichkeit eines Umzuges, aber Fehlens eines konkreten\nWohnungsangebotes entspricht im Übrigen auch der gerichtsbekannten\nVerwaltungspraxis der Beklagten. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Nach alledem war die Beklagte zu verpflichten, den Klagern eine Zusicherung\nfur eine neue angemessene Unterkunft mit einer Kaltmiete bis 352,20 EUR zu\nerteilen. Dabei wurde der von der Beklagten zur Bestimmung der\nAngemessenheitsgrenze regelmaßig verwendete Betrag (errechnet aus 5,87 EUR pro\nm² bei einer Wohnflache von 60 m²) zu Grunde gelegt. In dem vorliegenden\nZusammenhang bestanden hiergegen bereits deshalb keine Bedenken, weil damit\nlediglich entschieden ist, dass die Beklagte bei der Gewahrung der Kosten der\nneuen Unterkunft eine Kaltmiete jedenfalls bis zu diesem Betrag zu\nberucksichtigen hat. Denn die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II hat\nhinsichtlich der angemessenen Kaltmiete lediglich Aufklarungs- und\nWarnfunktion und ist nicht Voraussetzung fur die spatere Übernahme der Kosten\nder neuen Unterkunft. Gleiches gilt fur die hier streitige abstrakte\nZusicherung. Die Kammer geht allerdings davon aus, dass der von der Beklagten\nverwendete Wert die abstrakte Angemessenheitsgrenze fur einen\nZweipersonenhaushalt in Freiburg i. Br. auch zutreffend wiedergibt. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Klage ist als Verpflichtungsklage auf Erteilung einer von der Beklagten\nabgelehnten Zusicherung nach § 54 Abs. 1 SGG zulassig. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Klage richtet sich gegen den Bescheid vom 06.02.2007 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 12.03.2007. Mit dem Bescheid wurde zwar in erster\nLinie die Zusicherung zu den Aufwendungen fur die konkret in Aussicht stehende\nWohnung abgelehnt. Aus der Begrundung des Bescheides und des\nWiderspruchsbescheides folgt aber, dass die Beklagte auch die Erforderlichkeit\neines Umzuges an sich verneint, was auch durch die Auffassung der Beklagten im\nKlageverfahren bestatigt wird. Die Klage betrifft hier lediglich die\nZusicherung zu den Aufwendungen fur eine neue Unterkunft nach § 22 Abs. 2 SGB\nII. Eine Zusicherung der Übernahme von Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II\nwar hingegen nicht Gegenstand des vorausgegangenen Verwaltungs- und\nVorverfahrens und wird von den Klagern auch nicht geltend gemacht. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Klager haben den Klageantrag dahingehend beschrankt, dass anstatt der\nVerpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Zusicherung zu den\nAufwendungen fur die damals konkret in Aussicht stehende Wohnung die\nVerpflichtung zur Erteilung der Zusicherung zu fur die Kosten einer\nangemessenen Wohnung begehrt wird. Diese Beschrankung des Klageantrages ist\nals teilweise einseitige Erledigterklarung und damit als teilweise Rucknahme\nder Klage anzusehen (§ 102 SGG; vgl. Leitherer, in: Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 102 Rdnr. 4). Eine\nKlageanderung liegt darin nach § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht, so dass die\nZulassigkeitsvoraussetzungen fur eine solche Klageanderung hier nicht zu\nprufen sind. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet, weil der angefochtene Bescheid vom 06.02.2007\nin der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2007 insoweit rechtswidrig\nist und die Klager in ihren Rechten verletzt, als darin die Erforderlichkeit\ndes Umzuges verneint wurde und die Erteilung auch einer allgemeinen bzw.\nabstrakten Zusicherung zu den Aufwendungen fur eine neue Unterkunft\n(sogenannte „abstrakte Kostenzusage") abgelehnt wurde. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Klager haben zur Überzeugung der erkennenden Kammer einen Anspruch auf\nErteilung einer solchen abstrakten Zusicherung zu den Aufwendungen fur eine\nneue Unterkunft. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Ein gebundener Anspruch scheidet vorliegend allerdings aus, weil keine\nZusicherung zu den Aufwendungen fur eine bestimmte Unterkunft begehrt wird.\nDenn die Beklagte ist nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II nur zur Erteilung einer\nZusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen\nfur die neue Unterkunft angemessen sind. Daraus folgt, dass nach dem\ngesetzgeberischen Konzept des § 22 Abs. 2 SGB II eine bestimmte Unterkunft in\nAussicht stehen muss, weil nur dann die Aufwendungen fur diese neue Unterkunft\nauf ihre Angemessenheit hin uberpruft werden konnen. Dies ist hier zum\nmaßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht (mehr) der Fall. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach Auffassung der Kammer hat die Beklagte uber die Erteilung einer\nbeantragten Zusicherung nach pflichtgemaßem Ermessen zu entscheiden, wenn noch\nkeine andere konkrete Unterkunftsalternative besteht (so SG Freiburg, Urteil\nvom 27.2.2007 - S 9 AS 5964/06 - Berufungsverfahren bei dem\nLandessozialgericht <LSG> Baden-Wurttemberg anhangig unter Az. L 13 AS\n3036/07; a.A. wohl Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2007, §\n22 Rdnr. 70). Im Klageverfahren ist dabei eine auf die Verpflichtung der\nBeklagten zur Feststellung der Erforderlichkeit, hilfsweise auf die\nVerpflichtung zur Entscheidung uber die Erforderlichkeit nach pflichtgemaßem\nErmessen, gerichtete Klage nach § 54 Abs. 1 SGG (so SG Freiburg, Urteil vom\n27.2.2007 - S 9 AS 5964/06; offen gelassen von dem Landessozialgericht Berlin-\nBrandenburg, U. v. 31.08.2007 - L 5 AS 29/06 - juris) in Betracht zu ziehen.\nAndernfalls konnte auch eine Feststellungsklage nach § 55 SGG (vgl. LSG\nBerlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.12.2006 - L 5 B 1147/06 AS ER - juris:\n„ausnahmsweise zulassige Elementenfeststellungsklage") in Betracht gezogen\nwerden. Fur die hier vertretene Losung spricht nach Auffassung der Kammer das\npraktische Bedurfnis nach einer verbindlichen Vorabklarung der Frage der\nErforderlichkeit des Umzuges i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGG in den\nFallen, in denen noch keine konkrete andere Unterkunft in Aussicht steht.\nDieses Bedurfnis besteht insbesondere deshalb, weil ansonsten eine\nEntscheidung uber die Erforderlichkeit des Umzuges (genauer: des Auszuges)\nerst bei Vorliegen einer konkreten Wohnungsangebotes getroffen wurde. Dies\nentspricht nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 2 SGB II zwar der gesetzgeberischen\nKonzeption, fuhrt aber in den Fallen, in denen der Leistungstrager die\nErforderlichkeit des Umzuges unabhangig von der Angemessenheit der neuen\nWohnung verneint, zu einer Einschrankung des Rechtsschutzes. Denn\nrealistischerweise wird dem Hilfebedurftigen eine Wohnung nur eine kurze Zeit\nangeboten werden. Die Gewahrung gerichtlichen Rechtsschutzes im Wege einer\nKlage durfte - wie auch der vorliegende Fall zeigt - nahezu ausgeschlossen\nsein, so dass allenfalls einstweiliger Rechtsschutz gewahrt werden konnte.\nZieht der Hilfebedurftige in die neue Wohnung, so tragt er dann unter\nUmstanden das Risiko, dass die Kosten wegen § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht in\nvoller Hohe ubernommen werden. Dem erwahnten Bedurfnis nach einer Vorabklarung\nder Erforderlichkeit des Umzuges tragt im Übrigen auch die Verwaltungspraxis\nder Beklagten Rechnung, nach der sogenannte „abstrakte Kostenzusagen" unter\nAngabe der fur angemessen gehaltenen Kaltmiete erteilt werden. Im Ergebnis\nenthalt eine solche abstrakte Zusicherung nach Auffassung der Kammer neben\neiner Information uber die Angemessenheitsgrenze und einer Zusicherung der\nÜbernahme der Kaltmiete bis zu jener Grenze auch eine Feststellung, dass der\nUmzug erforderlich ist, so dass sich der Leistungstrager bei Anmietung der\nneuen Unterkunft nicht mehr auf die Begrenzung der Aufwendungen fur die\nUnterkunft auf den bisherigen Betrag nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II berufen\nkann. Im Ergebnis unterscheidet sich die hier vertretene Auffassung daher\nnicht wesentlich von der zitierten Rechtsprechung des SG Freiburg, nach der\ndurch die Beklagte isoliert die Erforderlichkeit des Umzuges festzustellen\nsein kann. Eine Feststellungsklage nach § 55 SGG kommt demgegenuber -\nunabhangig von der Problematik einer Elementenfeststellung - bereits wegen\nihrer Subsidiaritat gegenuber einer Verpflichtungsklage (vgl. Keller, in:\nMeyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 55 Rdnr. 19 ff.) nicht\nin Betracht. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klager haben nach Überzeugung der Kammer einen Anspruch auf eine\nderartige Ermessensentscheidung der Beklagten, weil der von ihnen angestrebte\nUmzug i.S.d. § 22 Abs. 2 SGB II erforderlich ist. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der unbestimmte Rechtsbegriff der Erforderlichkeit des Umzuges unterliegt\nder vollen gerichtlichen Überprufung. Ein Umzug ist insbesondere dann\nerforderlich, wenn durch die bisherige Unterkunft der Unterkunftsbedarf der\nBedarfsgemeinschaft nicht hinreichend gedeckt werden kann (vgl. Berlit, in:\nLPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 22 Rdnr. 76). Die Notwendigkeit wird dabei nach\neinem grundsicherungsrechtlichen Maßstab bemessen (Wieland, in: Estelmann, SGB\nII § 22 Rdnr. 52). Dabei ist zu beachten, dass dem Hilfebedurftigen auch nach\nder Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lediglich ein einfacher und\nim unteren Segment liegender Wohnungsstandard zusteht (vgl. BSG, U. v.\n7.11.2006, B 7b AS 10/06 R). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die bisherige Wohnung der Klager kann zur Überzeugung der Kammer deren\ngrundsicherungsrechtlichen Wohnbedarf nach den Gesamtumstanden - hier\nWohnungsgroße, Beheizbarkeit der Wohnung, Erkrankungen des Klagers und\nSchwierigkeiten mit dem Wohnumfeld - nicht mehr hinreichend decken. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kammer berucksichtigt dabei zum einen die Wohnflache der bisherigen\nWohnung von 45 m². Bei zwei Personen ist eine Wohnflache von bis zu 60 m² als\nangemessen anzusehen (vgl. etwa Landessozialgericht Baden-Wurttemberg,\nBeschluss vom 09.11.2006 - L 8 AS 4787/06 ER-B - bei juris, unter Hinweis auf\nNr. 5.7.1 der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung\nvon Bindungen in der sozialen Wohnraumforderung - VwV-SozWo vom 12.02.2002\n<GABl S. 240> idF der VwV vom 22.01.2004 <GABl S. 248>). Eine Unterschreitung\ndieses Wertes ist jedenfalls dann ein Indiz fur eine nicht hinreichende\nDeckung des Unterkunftsbedarfes, wenn der Wert fur die nachstniedrigere Zahl\nder Haushaltsangehorigen unterschritten oder gerade erreicht wird. Dies ist\nbei den Klagern der Fall, weil fur eine Person nach der VwV-SozWo 45m²\nangemessen waren. Vorliegend sind nach Auffassung der Kammer daneben auch die\ngeltend gemachten baulichen Mangel und die Erkrankungen des Klagers zu\nberucksichtigen. Gesundheitliche Grunde und schwere bauliche Mangel konnen\neinen Umzug in diesem Sinne erforderlich machen (vgl. Berlit, a.a.O.;\nLang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 73). Nach\nder Auskunft der FSB sind die baulichen Mangel - soweit gemeldet - zwar\nmittlerweile behoben. Die relativ hohen Heizkosten deuten aber darauf hin,\ndass sich die Beheizung der Wohnung mit einem Ofen und einem elektrischen\nHeizlufter im Bad weiterhin schwierig gestaltet. Berucksichtigt man ferner die\nnach der Aussage von Dr. R. bei dem Klager aufgetretenen Luftwegsinfekte,\nakute Bronchitis, Bronchopneumonie und obstruktive Bronchitis, so erscheint\nein Zusammenhang mit den Wohnverhaltnissen nachvollziehbar. Ein Zusammenhang\nzwischen der bei dem Klager festgestellten hyperkinetischen Storung des\nSozialverhaltens und eines Aufmerksamkeits-Hyperaktivitatssyndroms (ADHS) mit\nden Wohnverhaltnissen erscheint demgegenuber weniger plausibel. Auch Dr. R.\nverweist insoweit auf mogliche „genetische Teilursachen" und regt sinngemaß\ntherapeutische Veranderungen der Gestaltung des Tagesablaufes und eine\nstrukturierte Beschaftigung mit dem Klager an. Es erscheint aber\nnachvollziehbar, dass Dr. R. hierfur qualitativ und quantitativ ausreichenden\nWohnraum fur unabdingbar halt. Die Kammer berucksichtigt bei ihrer\nEntscheidung ferner, dass das bisherige soziale Wohnumfeld nach den\nglaubhaften Darstellungen der Klagerin in Anbetracht ihres Status als\nalleinerziehende Mutter eines unter Storungen des Sozialverhaltens und ADHS\nleidenden Kindes kaum geeignet ist. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Da der Umzug erforderlich ist, hatte die Beklagte nach ihrem pflichtgemaßen\nErmessen uber die Erteilung einer abstrakten Zusicherung zu entscheiden. Die\nBeklagte hatte dabei ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermachtigung\nauszuuben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1\nSatz 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I), § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG).\nUmgekehrt haben die Klager Anspruch auf pflichtgemaße Ausubung des Ermessens\n(§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Die gerichtliche Kontrolle dieses Teils der\nVerwaltungsentscheidung beschrankt sich auf die Frage, ob die Verwaltung ihr\nErmessen pflichtgemaß und fehlerfrei ausgeubt hat. Dem Gericht ist es hingegen\nverwehrt, sein Ermessen an Stelle des Ermessens der Verwaltung zu setzen. Eine\nVerpflichtung der Beklagten zur Gewahrung einer konkret beantragten Leistung\nist deswegen nur moglich, wenn jede andere Entscheidung als die Gewahrung\njener Leistung sich zwingend als ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig\ndarstellen wurde, so dass das Ermessen auf eine einzige Entscheidung reduziert\nist (sogenannte „Ermessensreduzierung auf Null"). Liegt ein derartiger\nAusnahmefall hingegen nicht vor, kann der ermessensfehlerhafte Verwaltungsakt\nlediglich aufgehoben und die Verwaltung zur erneuten Bescheidung des Klagers\nunter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet werden. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Ein gerichtlich uberprufbarer Ermessensfehler liegt insbesondere dann vor,\nwenn die Verwaltung es unterlasst, das ihr zustehende Ermessen auszuuben\n(sogenannter Ermessensnichtgebrauch). Dies war vorliegend der Fall, weil die\nBeklagte keine Entscheidung uber die Erteilung einer abstrakten Zusicherung\ngetroffen hatte. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Das Ermessen der Beklagten ist vorliegend nach Auffassung der Kammer auch\ndahingehend reduziert, dass nur noch die Erteilung der abstrakten Zusicherung\nermessensfehlerfrei ist. Dies folgt daraus, dass keine Erwagungen von der\nBeklagten vorgebracht wurden oder anderweitig ersichtlich sind, weshalb hier -\nbei gegebener Erforderlichkeit eines Umzuges - eine Zusicherung nicht zu\nerteilen sein sollte. Die Erteilung einer abstrakten Zusicherung bei\nfestgestellter Erforderlichkeit eines Umzuges, aber Fehlens eines konkreten\nWohnungsangebotes entspricht im Übrigen auch der gerichtsbekannten\nVerwaltungspraxis der Beklagten. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Nach alledem war die Beklagte zu verpflichten, den Klagern eine Zusicherung\nfur eine neue angemessene Unterkunft mit einer Kaltmiete bis 352,20 EUR zu\nerteilen. Dabei wurde der von der Beklagten zur Bestimmung der\nAngemessenheitsgrenze regelmaßig verwendete Betrag (errechnet aus 5,87 EUR pro\nm² bei einer Wohnflache von 60 m²) zu Grunde gelegt. In dem vorliegenden\nZusammenhang bestanden hiergegen bereits deshalb keine Bedenken, weil damit\nlediglich entschieden ist, dass die Beklagte bei der Gewahrung der Kosten der\nneuen Unterkunft eine Kaltmiete jedenfalls bis zu diesem Betrag zu\nberucksichtigen hat. Denn die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II hat\nhinsichtlich der angemessenen Kaltmiete lediglich Aufklarungs- und\nWarnfunktion und ist nicht Voraussetzung fur die spatere Übernahme der Kosten\nder neuen Unterkunft. Gleiches gilt fur die hier streitige abstrakte\nZusicherung. Die Kammer geht allerdings davon aus, dass der von der Beklagten\nverwendete Wert die abstrakte Angemessenheitsgrenze fur einen\nZweipersonenhaushalt in Freiburg i. Br. auch zutreffend wiedergibt. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. \n---\n\n
161,289
olgstut-2008-10-15-2-ss-37108
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
2 Ss 371/08
2008-10-15
2019-01-16 06:40:18
2019-02-12 12:22:32
Urteil
## Tenor\n\nDie Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts vom 3.\nApril 2008 wird als unbegrundet\n\n**v e r w o r f e n.**\n\nDie Staatskasse tragt die Kosten des Rechtsmittels sowie die durch die\nRevision entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Das Amtsgericht hatte den Angeklagten am 11. Oktober 2007 wegen\nFalschbeurkundung im Amt in 193 Fallen, jeweils in Tateinheit mit Verletzung\ndes Post- und Fernmeldegeheimnisses, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem\nJahr mit Strafaussetzung zur Bewahrung verurteilt. \n--- \n| 2 \n--- \n| Auf die Berufung des Angeklagten anderte das Landgericht am 3. April 2008\ndas Urteil des Amtsgerichts dahingehend ab, dass der Angeklagte wegen\nVerletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses in 31 Fallen zu der\nGesamtgeldstrafe von 120 Tagessatzen zu je 40 EUR verurteilt wurde. Im Übrigen\nverwarf es die Berufung des Angeklagten. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Berufungskammer hat zu den Taten des Angeklagten folgende Feststellungen\ngetroffen: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| **Zur Vorgeschichte:** \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts hatte 2004 die Vergabe der\nAusfuhrung von formlichen Zustellungen der Gerichte im\nOberlandesgerichtsbezirk gemaß §§ 166,176 ff. ZPO an private Unternehmen\nbeschlossen und ausgeschrieben. Ende 2005 erteilte sie der Firma P. GmbH, den\nZuschlag. Die P. GmbH war von der Regulierungsbehorde fur Telekommunikation\nund Post zur gewerbsmaßigen Durchfuhrung von formlichen Zustellungen\nlizenziert. \n--- \n| 6 \n--- \n| Durch Vertrag vom 9. Dezember 2005 erhielt die P. GmbH seitens des Landes\nB.-W. die Zustellungsauftrage fur das Landgericht ab dem 2. Januar 2006. Nach\n§ 6 des Vertrages verpflichtete sich die P. GmbH, mit den vorzunehmenden\nZustellungen nur zuverlassiges Personal zu beauftragen. Sie hatte uberdies zu\ngewahrleisten, dass alle von ihr mit der Erfullung der vertraglichen Pflichten\nbeauftragten Personen die gesetzlichen Bestimmungen uber das Zustellungswesen\nund uber den Datenschutz beachten. Der P. GmbH war es ferner nicht gestattet,\nandere Dienstleister als Subunternehmer mit der Durchfuhrung der Zustellung zu\nbeauftragen. Ausgenommen von dieser Regelung war die Unterbeauftragung der\nbundesweit und flachendeckend tatigen D. GmbH, soweit und nur wenn der\nAuftraggeber die flachendeckende Durchfuhrung der Zustellauftrage auf Grund\ndes jeweiligen Aufkommens nicht gewahrleisten kann. \n--- \n| 7 \n--- \n| Zustellauftrage des Landratsamtes wurden auf der Grundlage eines Vertrags\nvom 26. Juli/1. August 2004 ab dem 1. August 2004 von einer Firma P. T. GmbH,\nerledigt, die angeblich ebenfalls eine entsprechende Lizenz besaß. Die P. T.\nGmbH ubernahm die Durchfuhrung der ihr vom Landratsamt ubergebenen formlichen\nZustellungen im Gebiet der B.R.D. nach den einschlagigen Bestimmungen des § 3\nLVwZG in Verbindung mit der ZPO. Nach § 2 des Vertrages hatte die P. GmbH das\nRecht, in dringenden Ausnahmefallen andere lizenzierte Dienstleister mit der\nZustellung zu beauftragen, soweit dies durch die Lizenz zugelassen war.\nHieruber sollte das Landratsamt umgehend informiert werden. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die D. GmbH, die eine Lizenz der Regulierungsbehorde besitzt, ubernahm\nsodann in allen dem Verfahren zu Grunde liegenden Fallen nach außen hin die\nder P. oder der P. T. GmbH seitens des Landgerichts und des Landratsamtes\nerteilten Postzustellungsauftrage. Kein einziger Postzustellungsauftrag wurde\nvon der P. oder der P. T. GmbH erledigt. \n--- \n| 9 \n--- \n| Jedoch fuhrte auch die D. GmbH die Zustellungen nicht mit eigenem Personal\ndurch, sondern jeweils vertragswidrig durch von ihr ausgewahlte und teils auf\nihre Initiative hin gegrundete selbststandige Servicepartner, die alle keine\nentsprechenden Lizenzen besaßen. Diese Servicepartner waren zum großten Teil\nvon turkischen Mitburgern gefuhrte Kleinunternehmen, die zumeist keinerlei\nErfahrungen im Postlieferungs- oder Zustellungswesen besaßen. Eine Anzeige des\nEinsatzes von weiteren Subunternehmern bei den jeweiligen Verwaltungsabteilung\nihrer Auftraggeber unternahmen weder die P. GmbH noch die D. GmbH. Durch die\nEinbindung der Servicepartner versuchte die D. GmbH, einen flachendeckenden\nZustellungsservice als bundesweite Alternative zur D. P. AG zu schaffen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Damit dies nach außen hin nicht auffiel, autorisierte und verpflichtete die\nD. GmbH mit entsprechenden Servicepartnervertragen ihre Partner, das Corporate\nDesign der D. fur die Dauer des Vertragsverhaltnisses zu fuhren. Demgemaß\nwurde von den „Servicepartnern" auf den einzelnen Postzustellungsurkunden\ndurchgangig der Stempel der D. GmbH als vorgeblich zustellendes Unternehmens\nverwendet. Die Postzustellungsurkunden, die von dem jeweiligen Zusteller\nunterschrieben wurden, mussten an jedem Abend des Tages eingescannt und an die\nFirma D. GmbH mit dem jeweiligen eingescannten Namen des Zustellers ubersandt\nwerden. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| **Zum eigentlichen Tatgeschehen:** \n--- \n| 12 \n--- \n| Einer dieser autorisierten Servicepartner war die Firma Z, die keine\nZustellungslizenz der Regulierungsbehorde besaß. Auch mangelte es ihrem\nInhaber, dem Zeugen C., an entsprechenden Kenntnissen uber formliche\nZustellungen und behordliches Handeln, da Schulungen seitens der D. GmbH\nentweder unterblieben oder unzureichend waren. Der Zeuge C. hatte vor der\nGrundung der Z. bei einem anderen Subunternehmen der Firma D. GmbH als\nZusteller gearbeitet. Da dieses Subunternehmen insolvent wurde, empfahl die\nFirma D. S. GmbH dem Zeugen C., er moge den Bezirk dieser in Insolvenz\ngegangenen Subunternehmerfirma ubernehmen und sich mit ihrer Hilfe\nselbststandig machen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Zeuge C. war in keiner Weise unternehmerisch geschult. Er versuchte\nPersonen zu finden, die fur ihn als selbststandige Zusteller arbeiteten. So\nwarb er auch den Angeklagten an, der froh daruber war, der Arbeitslosigkeit zu\nentkommen. Der unbedarfte Angeklagte wurde in vollig unzureichender Weise in\nseine Aufgaben eingewiesen. Der Zeuge C. konnte vom Angeklagten nicht einmal\neinen Arbeitsvertrag vorlegen. C. fuhr anfanglich ein oder zwei Tage mit dem\nAngeklagten im Zustellfahrzeug mit. Im weiteren Verlauf uberließ er den\nungeschulten Angeklagten sich selbst. Als der Angeklagte teilweise\nBriefsendungen mit dem Hinweis zuruckbrachte, dass das Zustellungsvolumen\nnicht zu schaffen sei, verwies ihn der Zeuge C. auf die Hilfe von bei ihm\nnicht angestellten und von ihm nicht bezahlten Familienmitgliedern des\nAngeklagten. Dem Angeklagten wurde keinerlei Unterstutzung zuteil; das von ihm\nzuzustellende Briefvolumen war viel zu groß, als dass er es hatte erledigen\nkonnen. Der Angeklagte, der von dem Zeugen C. einen Vorschuss erhalten hatte,\nwollte diesem gegenuber im weiteren Verlauf nicht eingestehen, dass er die\nZustellauftrage wegen des zu großen Umfangs nicht mehr zuverlassig erledigen\nkonnte. Er wusste zwar, dass es sich bei den zuzustellenden Schriftstucken um\namtliche Dokumente handelte, allerdings hatte er uberhaupt keine Vorstellungen\ndaruber, welche innerbehordlichen und rechtlichen Konsequenzen eine\ntatsachlich unterlassene, aber als zugestellt ausgegebene Briefsendung im\nEinzelnen mit sich brachte. Von Tag zu Tag erhielt er mehr Sendungen, die er\nzustellen sollte, was ihm aber einerseits auf Grund seines zu großen\nZustellgebietes, andererseits auf Grund mangelnder Routine nicht gelang. \n--- \n| 14 \n--- \n| Ab dem 29. Marz 2006 begann er daher, Sendungen, die in der Nahe seiner\nRoute des kommenden Tages lagen, nicht sofort zuzustellen, sondern beiseite zu\nlegen, um sie am darauf folgenden Tag zuzustellen. Die Zustellungsurkunde\nfullte er aber jeweils mit dem Datum des Tages als Zustellungsdatum aus, an\ndem er das jeweilige Schriftstuck ubernommen hatte, um seinem Arbeitgeber die\nErfullung des vorgegebenen Pensums vorzutauschen. Da er aber auch an allen\nweiteren Tagen mehr Sendungen zur Zustellung ausgehandigt bekam, als er\nzuzustellen vermochte, konnte er nicht nur die zunachst beiseite gelegten\nSendungen, sondern auch jene weiteren Briefe nicht zustellen, sodass die Zahl\nder nicht zugestellten Sendungen wuchs. Insgesamt beurkundete der Angeklagte\nin der Zeit vom 29. Marz 2006 bis zum 11. Mai 2006 an 31 verschiedenen Tagen\nauf insgesamt 193 Postzustellungsurkunden in Verfahren des Landgerichts U.\nbzw. des Landratsamtes G. bewusst wahrheitswidrig die tatsachlich nicht\nerfolgten Zustellungen. Die von ihm falsch ausgefullten Urkunden gab er zuruck\nin den Postlauf. Die zugehorigen Sendungen bewahrte er in Tuten bei sich zu\nHause bzw. im Auto auf. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Angeklagte war sich bewusst, dass er es voraussichtlich nicht mehr\nschaffen wurde, die bisher nicht zugestellten Sendungen noch zuzustellen. Er\nwagte es nicht, seinem Vorgesetzten das Ausmaß seiner Überforderung und den\nVerbleib der Sendungen zu offenbaren, da er diesem dankbar war, dass er ihn\naus der Arbeitslosigkeit befreit hatte, und es ihm daher peinlich war, sein\nScheitern einzugestehen. Nachdem der Firma D. GmbH bekannt wurde, dass es bei\nden Zustellauftragen der Firma Z. in Bezug auf die Person des Angeklagten\nSchwierigkeiten gab, zitierte sie den Angeklagten zu sich ins Buro. Zu Gunsten\ndes Angeklagten ist davon auszugehen, dass er dort erstmals eine\nVerpflichtungserklarung zur Wahrung des Post- und Datengeheimnisses gemaß § 5\nBundesdatenschutzgesetz unterschrieben hat und auf seine Pflichten als\nPostzusteller hingewiesen wurde. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Das Landgericht hat die unterbliebene tateinheitliche Verurteilung des\nAngeklagten wegen Falschbeurkundung im Amt damit begrundet, dass der\nAngeklagte nicht Amtstrager im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB gewesen sei.\nEs ist der Ansicht, der Angeklagte habe als Beauftragter der Firma Z., die\nkeinerlei Kenntnisse uber die Organisationsstruktur der P. GmbH und deren\nAuftragsverhaltnis zu den Behorden besaß, nicht befugtermaßen Aufgaben der\noffentlichen Verwaltung wahrgenommen. Vielmehr habe die Firma D. GmbH in\nangemaßter und unberechtigter Handlungsweise Subunternehmer wie die Fa. Z.\nbeauftragt, die weder Lizenzen noch die sonstigen Eigenschaften zur\noffentlich-rechtlichen Aufgabenerfullung besaßen. In solch einem Fall konne\nnicht mehr angenommen werden, dass der - den beauftragenden Behorden\nunerwunschte - Subunternehmer und dessen Beschaftigte von der Behorde mit\noffentlich-rechtlichen Befugnissen beliehen sei. Weil die D. GmbH die\nbeauftragenden Behorden von dem Umstand, dass sie nicht lizenzierte\nSubunternehmer einsetzte, auch nicht in Kenntnis setzte und die Tatigkeit der\nSubunternehmer im Außenverhaltnis nicht offenbar wurde, seien diese\nSubunternehmer von den Behorden zur Zustellung auch nicht durch\nstillschweigendes Einverstandnis autorisiert worden. Andernfalls seien die\nBehorden Haftungsanspruchen Dritter ausgesetzt, ohne dass sie sich willentlich\nder eingesetzten Erfullungsgehilfen bedient hatten. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Mit ihrer zum Nachteil des Angeklagten eingelegten Revision rugt die\nStaatsanwaltschaft Ulm die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet\ninsbesondere, dass eine tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen\nFalschbeurkundung im Amt unterblieb. Des Weiteren ist sie der Ansicht, die von\nder Berufungskammer ausgesprochene Rechtsfolge sei zu gering und stehe außer\nVerhaltnis zum vorwerfbaren Schuldgehalt der vom Angeklagten begangenen Taten. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 18 \n--- \n| Die zulassige Revision ist nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 1\\. Zu Recht hat die Berufungskammer eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen\nFalschbeurkundung im Amt gemaß § 348 Abs. 1 StGB verneint. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| 1.1. Eine Strafbarkeit gemaß § 348 StGB ist schon objektiv nicht gegeben,\nweil der Angeklagte kein Amtstrager im Sinn des § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB war\nund eine Amtstragerschaft nach anderen Bestimmungen nicht in Betracht kommt. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 1.1.1. Amtstrager nach § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB ist, wer sonst dazu bestellt\nist, bei einer Behorde oder sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben\nder offentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Der Amtstragerbegriff hat damit zwei\nKomponenten: Eine organisatorische Komponente, da die Amtstragereigenschaft\nvoraussetzt, dass der Tater bestellt ist, bei einer Behorde oder sonstigen\nStelle oder in deren Auftrag zu handeln, und eine funktionale Komponente, da\nder Tater Aufgaben offentlicher Verwaltung wahrnehmen muss (BGHSt 43, 96, 103\nf. m. w. N.). § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB hat den uberkommenen strafrechtlichen\nBeamtenbegriff des § 359 a. F. StGB ersetzt. Bei der Gesetzesreform ging es\nursprunglich um eine Begrenzung „gegenuber der kriminalpolitisch nicht\nvertretbaren Kasuistik der Rechtsprechung" und der „unertraglichen und\nuferlosen Ausweitung" des uberkommenen strafrechtlichen Beamtenbegriffs; diese\nBemuhungen fanden jedoch im Wortlaut des § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB keinen\nNiederschlag, vielmehr blieb es sachlich bei dem Beamtenbegriff des bisherigen\n§ 359 StGB a. F. (vgl. ausfuhrlich Lenckner, ZStW, Bd. 106 (1994), S. 502\n(517) m. w. N.). Dennoch ist in Literatur und Rechtsprechung unbestritten,\ndass gerade die zunehmende Privatisierung der Verwaltung nicht zu einer\nuferlosen Ausweitung des Amtstragerbegriffs fuhren darf (vgl. etwa LK-\nHilgendorf, StGB, 12. Aufl., § 11, Rdnr. 33). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| 1.1.2. Der Angeklagte nahm bei der formlichen Zustellung von Schriftstucken\neinschließlich der Beurkundung des Zustellungsvorgangs Aufgaben offentlicher\nVerwaltung wahr, da er hoheitlich tatig war. Deshalb ist die funktionale\nKomponente des Amtstragerbegriffs gegeben. \n--- \n| 23 \n--- \n| Gemaß § 168 Abs. 1 S. 2 ZPO kann die Geschaftsstelle des Gerichts oder - in\nVerbindung mit § 3 LVwZG - die Geschaftsstelle einer Behorde mit der\nZustellung nach §§ 173 bis 175 ZPO unter anderem einen nach § 33 Abs. 1 des\nPostgesetzes beliehenen Unternehmer (Post) beauftragen. Nach § 33 Abs. 1 S. 1\nPostG ist ein Lizenznehmer, der Briefzustellungsdienstleistungen erbringt,\nverpflichtet, Schriftstucke nach den Vorschriften der Prozessordnungen\nformlich zuzustellen. Im Umfang dieser Verpflichtung ist der Lizenznehmer -\ngleichviel ob Deutsche Post AG oder privates Unternehmen - von Gesetzes wegen\nmit Hoheitsbefugnissen ausgestattet (beliehener Unternehmer) und damit\nberechtigt, Zustellungen vorzunehmen (§ 33 Abs. 1 S. 2 PostG). Zur Begrundung\nwird in den Gesetzesmaterialien auf die große Bedeutung hingewiesen, die die\nformliche Zustellung fur eine funktionierende Rechtspflege hat (BT-Drucksache\n13/7774, S. 28). Um namlich die nach der derzeitigen Rechtslage erforderliche\noffentliche Beurkundung vornehmen zu konnen, muss das beauftragte Unternehmen\nmit Hoheitsbefugnissen ausgestattet sein (vgl. OLG Rostock, 2 Ss 144/01,\nzitiert nach Juris; Badura, PostG, 2. Aufl., § 33, Rdnr. 14). \n--- \n| 24 \n--- \n| Die postrechtliche Beleihung ist der Lizenzierung akzessorisch und besteht\nneben der privatrechtlichen Rechtsbeziehung zwischen dem Auftraggeber und der\ndie Zustellung bewirkenden Stelle, in deren Rahmen ein Entgelt geschuldet wird\n(Badura, a.a.O., Rdnr. 16). Somit waren samtliche lizenzierten Unternehmen\n(P., P. T., D. S.) beliehene Unternehmen und somit Glieder der offentlichen\nVerwaltung (vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl., § 104,\nRdnr. 8; Schleswig-Holst. OLG, 2 W 120/05, zitiert nach Juris). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 1.1.3. Diese Aufgabe nahm der Angeklagte weder „bei" einer Behorde (1.\nVariante des § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB) noch bei einer sonstigen Stelle (2.\nVariante) wahr. Er war nicht bei einem Gericht oder einer Behorde angestellt.\nDie mit der Zustellung beauftragten Unternehmen sind keine sonstigen Stellen.\nEine sonstige Stelle in diesem Sinn wird bei einer privatrechtlich\norganisierten Einrichtung dann bejaht, wenn sie bei der Wahrnehmung von\nVerwaltungsaufgaben derart staatlicher Steuerung unterliegt, dass sie bei\nGesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale gleichsam als „verlangerter\nArm" des Staates erscheint. Entscheidend hierfur ist insbesondere, ob sie im\nEigentum der offentlichen Hand steht und ihre Tatigkeit aus offentlichen\nMitteln finanziert wird, sowie in welchem Umfang staatliche Steuerungs- und\nEinflussnahmemoglichkeiten bestehen (BGHSt 43, 370, 374 f.; BGH, NStZ 2008,\n561). Samtliche dieser Merkmale sind bei den neben der Deutschen Post AG\nbestehenden lizenzierten Postzustellungsunternehmen nicht gegeben. Allein die\nBeleihung reicht hierfur nicht aus. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| 1.1.4. Mit Hoheitsrechten Beliehene nehmen vielmehr hoheitliche Aufgaben im\nAuftrag von Behorden oder sonstigen Stellen wahr (3. Variante des § 11 Abs. 1\nNr. 2c StGB; vgl. MuKo-Radtke, StGB, § 11, Rdnr. 56). Die Z. und der\nAngeklagte ubten bei der Zustellung hoheitliche Gewalt im Auftrag des\nLandgericht und des Landratsamtes aus. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Ein Lizenznehmer darf nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 PostG zur Ausubung seiner\nTatigkeit Erfullungs- oder Verrichtungsgehilfen beauftragen, die ihrerseits\nkeiner Lizenz bedurfen. Eine solche Hilfsperson kann ein Arbeitnehmer oder\nauch ein selbststandiger Gewerbetreibender sein. Voraussetzung einer solchen\nBeauftragung ist lediglich, dass die Art und Weise der Tatigkeit der\nHilfspersonen der Bestimmungsgewalt des Lizenznehmers unterworfen bleibt und\ndie mit der Lizenzierung angestrebten Garantien fur die zu erbringenden\nDienstleistungen gesichert bleiben (vgl. OLG Rostock, a.a.O.; Badura, a.a.O.,\n§ 5, Rdnr. 21). Die in § 33 Abs. 1 Satz 1 PostG geregelte Verpflichtung der\nLizenznehmer, die Briefzustelldienstleistungen erbringen, spricht dafur, dass\ndie formliche Zustellung aus der Sicht des Postgesetzes ein Teil der\nBriefbeforderungsdienstleistungen ist und demgemaß auch fur formliche\nZustellungen nicht lizenzierte Subunternehmer eingeschaltet werden durfen\n(offen gelassen von LG Hamburg, 312 O 105/05, zitiert nach Juris). Zudem hangt\ndie mit der Lizenzierung angestrebte Garantie fur die Ordnungsgemaßheit\nsamtlicher vom Unternehmen zu erbringenden Dienstleistungen maßgeblich von der\nKontrolle der Hilfspersonen durch das Unternehmen und nicht von der\nrechtlichen Ausgestaltung ihrer Beauftragung - etwa als Arbeitsvertrag\n(Arbeitnehmer) oder Dienstvertrag (Subunternehmer) - ab. Auch dieses Argument\nspricht dafur, Zustellungen durch der Bestimmungsgewalt des lizenzierten\nUnternehmens unterworfene selbstandige Subunternehmen zuzulassen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Z. und der Angeklagte waren der Bestimmungsgewalt der D. GmbH\nunterworfen. Nach dem zwischen der D. GmbH und der Z. abgeschlossenen\nServicepartnervertrag war die Z. verpflichtet, die Zustellungsurkunden jeden\nAbend einzuscannen und der D. GmbH mit dem Namen des jeweiligen Zustellers\nweiterzuleiten, was sie auch taten. Zudem erfullten die Z. und der Angeklagte\ndie vertraglichen Verpflichtungen, das Corporate Design der D. GmbH zu fuhren\nund deren Stempel beim Ausfullen der Postzustellungsurkunden zu verwenden. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die in § 5 Abs. 2 Nr. 1 PostG vorgesehene Moglichkeit, sich Dritter zur\nErfullung hoheitlicher Aufgaben zu bedienen, kann im Hinblick auf die\neinschneidenden Wirkungen, die offentliche Urkunden entfalten, und dem damit\nverbundenen Bedurfnis nach Rechtssicherheit nicht wirksam durch vertragliche\nRegelungen im (Innen-)Verhaltnis des Auftraggebers zum lizenzierten\nUnternehmen beschrankt werden. Folgte man namlich der gegenteiligen Ansicht\nder Berufungskammer, fuhrte dies dazu, dass die vom Angeklagten ordnungsgemaß\nbewirkten und beurkundeten Zustellungen mangels Auftrag des Gerichts oder der\nBehorde nicht wirksam gewesen waren. Zudem hinge die Strafbarkeit gemaß § 348\nStGB von einem vertraglichen Verbot der Beauftragung von Subunternehmen bzw.\ndessen Fehlen ab. \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Umstand, dass das Landgericht U die P. GmbH und das Landratsamt die P.\nGmbH und beide nicht die D. GmbH beauftragten und die Beauftragung der D. GmbH\nals Subunternehmen in beiden Vertragen nur in Ausnahmefallen, der Einsatz\nweiterer Subunternehmen nicht mehr gestattet war, hatte daher keinen Einfluss\nauf die Wirksamkeit der Beleihung und Beauftragung der D. GmbH sowie die\nAusubung hoheitlicher Gewalt durch den Angeklagten als deren (beliehener)\nErfullungsgehilfe. Der Angeklagte handelte als der Bestimmungsgewalt der D.\nGmbH Unterworfener in einer wirksamen Beauftragungskette im Auftrag des\nLandgericht bzw. des Landratsamtes. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| 1.1.5. Allerdings war der Angeklagte nach den vom Landgericht getroffenen\nFeststellungen im vorliegenden Fall nicht zur Wahrnehmung dieser Aufgaben\nbestellt. Deshalb fehlt unter dem organisatorischen Gesichtspunkt die\nAmtstragereigenschaft des Angeklagten. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Zur Begrundung der Amtstragereigenschaft bedarf es uber den Auftrag zur\nErfullung offentlicher Aufgaben hinaus noch eines (offentlich-rechtlichen)\nBestellungsakts (vgl. BGHSt, 43, 96, 105; BayObLG, NJW 1996, 270 zur Kritik\netwa LK-Hilgendorf, a.a.O., § 11, Rdnr. 36 f.), der auf die Wahrnehmung von\nAufgaben der offentlichen Verwaltung „bei" einer Behorde oder sonstigen Stelle\noder „in deren Auftrag" gerichtet ist. Denn in § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB ist fur\ndie Abgrenzung des „Amtstragers" vom Privaten eine Eigenschaft der Person (wer\nbestellt ist,…) und nicht ihre konkrete Handlung als Tatigkeit der\noffentlichen Verwaltung hervorgehoben. Nicht jede Person, die fur eine Behorde\nbei der Wahrnehmung von Aufgaben der offentlichen Verwaltung in deren Auftrag\ntatig wird, ist „Amtstrager" i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB (BGHSt 43, 96,\n104). Dem Regelungszusammenhang mit der Amtstragereigenschaft der Beamten und\nRichter (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 a StGB), der sonst in einem offentlich-rechtlichen\nAnstellungsverhaltnis stehenden Personen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 b StGB) sowie der\nGleichsetzung der Amtstrager mit den fur den offentlichen Dienst besonders\nVerpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB) ist zu entnehmen, dass die Bestellung\ndes Privaten zum Amtstrager gemaß § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB ihn entweder zu\neiner uber den einzelnen Auftrag hinausgehenden langerfristigen Tatigkeit oder\nzu einer organisatorischen Eingliederung in die Behordenstruktur fuhren muss\n(BGH, a.a.O., 105). Das Tatbestandsmerkmal der Bestellung beschreibt demnach\ndie Beauftragung einer Person mit der Erledigung von Aufgaben der offentlichen\nVerwaltung und die dadurch bewirkte Einbeziehung in die Organisation der\noffentlichen Verwaltung (BGH, 5 StR 103/07, zitiert nach Juris). \n--- \n| 33 \n--- \n| Daruber hinaus fordert die Rechtsprechung, dass bei der Beauftragung eines\nBehordenexternen durch einen Bestellungsakt deutlich werden soll, dass mit dem\nAuftrag besondere strafbewehrte Verhaltenspflichten verbunden sind, er mithin\nvom Privatmann zum Amtstrager wird (sog. Warnfunktion, BGHSt 43, 96, 105;\nBayObLG, NJW 1996, 270). Dieses Erfordernis wird etwa bei der Inanspruchnahme\nprivater Verwaltungshelfer bejaht, da dieser zusatzliche, unmittelbar auf die\nPerson bezogene Bestellungsakt denjenigen Privatpersonen, die nicht\nausschließlich Auftrage der offentlichen Hand ausfuhren, ihre Funktion und\nihre mit Strafe sanktionierten Pflichten verdeutlicht (BGHSt 43, 370, 380).\nIhnen ist namlich nicht in jedem Fall bewusst, dass es sich bei dieser\nTatigkeit um Verwaltungstatigkeit handelt. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Zwar sollen nach der amtlichen Begrundung (BT-Drucksache 7/550, S. 209) zur\nEinfuhrung des § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB mit der „Bestellung" alle Arten von\nDienst- und Auftragsverhaltnissen erfasst werden, ohne dass es auf eine\nformliche Bestellung ankommt (vgl. BGH 5 StR 103/07, zitiert nach Juris; LK-\nHilgendorf, a.a.O., Rdnr. 36). Wenn aber die Übertragung von\nVerwaltungstatigkeit und hoheitlichen Befugnissen im Rahmen eines Dienst- oder\nAuftragsverhaltnisses nicht unmittelbar durch die beauftragende Behorde,\nsondern in einer Kette von Unterbeauftragungen erfolgt, bedarf es sowohl zur\norganisatorischen Anbindung des Letztbeauftragten an die beauftragende Behorde\nals auch zur Verdeutlichung, dass nunmehr ein Amtstragerverhaltnis mit\nstrafbewehrten Pflichten begrundet werden soll eines uber den\nprivatrechtlichen Arbeits- oder Dienstvertrag hinausgehenden formlichen\nBestellungsakts. Dies gilt umso mehr, wenn der Beauftragte einen Dienst- oder\nArbeitsvertrag mit einer Person des Privatrechts und nicht mit einer Behorde,\neiner sonstigen Stelle i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB oder einem beliehenen\nUnternehmen schließt, er also nicht durch bereits durch diesen Vertrag in die\nOrganisation der offentlichen Verwaltung einbezogen ist. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Aus diesem Grund hatte der Angeklagte hier durch einen formlichen Akt zum\nAmtstrager bestellt werden mussen. Der Angeklagte war nicht von dem mit\nHoheitsgewalt beliehenen Unternehmen D. GmbH angestellt, sondern von dem\nZeugen C. als Inhaber des Kleinunternehmens Z. angeworben und beschaftigt oder\nunterbeauftragt worden. Eine vertragliche Einbindung des Angeklagten in ein\nbeliehenes Unternehmen als Glied der Verwaltung fand gerade nicht statt;\nlediglich uber den Servicepartnerschaftsvertrag zwischen der D. GmbH und der\nZ. war der Angeklagte der Bestimmungsgewalt der D. GmbH unterworfen. Der\nAngeklagte war organisatorisch weder unmittelbar an das Landgericht und\nLandratsamtes als beauftragende Behorden noch an die D. GmbH als letztes in\nder Kette der beliehenen Unternehmen angegliedert. Jedenfalls dann ist fur\neine wirksame Bestellung i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB ein formlicher\nBestellungsakt erforderlich. In diesem formlichen Bestellungsakt ist der\nBetreffende ausdrucklich auf seine Tatigkeit als Zusteller im Sinn des § 168\nZPO, die sich daraus ergebenden Pflichten und auch auf die mogliche\nStrafbarkeit als Amtstrager hinzuweisen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Dies alles lag nach den Feststellungen des Landgerichts nicht vor, nicht\neinmal ein schriftlicher Arbeits- oder Dienstvertrag zwischen der Z. und dem\nAngeklagten wurde geschlossen. Erst nachdem der Angeklagte die\nPostzustellungsurkunden unrichtig ausgefullt hatte, wurde er von der D. GmbH\nauf seine Pflichten als Postzusteller hingewiesen und unterschrieb eine\nVerpflichtungserklarung zur Wahrung des Post- und Datengeheimnisses. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Eine Bestellung des Angeklagten lag somit zum Zeitpunkt der Taten nicht vor,\nweshalb eine Strafbarkeit gemaß § 348 StGB ausscheidet. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| 1.1.6. Durch die vom Senat vorgenommene Auslegung des Amtstragerbegriffs\nentsteht auch keine Strafbarkeitslucke. Der Angeklagte hat durch sein Handeln\nden Straftatbestand des § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB verwirklicht. Der Strafrahmen\ndes § 206 Abs. 1 StGB, der Freiheitsstrafe bis zu funf Jahren oder Geldstrafe\nvorsieht, ist identisch mit dem Strafrahmen des § 348 Abs. 1 StGB. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| 1.2. Danach kommt es nicht mehr darauf an, dass nach der Rechtsprechung des\nBGH in subjektiver Hinsicht besondere Anforderungen im Hinblick auf die\nAmtstragereigenschaft zu stellen sind. \n--- \n| 40 \n--- \n| Voraussetzung fur eine Strafbarkeit in subjektiver Hinsicht ist die\nBedeutungskenntnis des Taters von der Funktion als Amtstrager (vgl. BGH 5 StR\n103/07, zitiert nach Juris - dort Rdnr. 20 f. -, insoweit nicht abgedruckt in\nNStZ 2008, 87). Der Angeklagte hatte vor Begehung der Taten jedoch keine\nKenntnis von der Bedeutung formlicher Zustellungen und deren Beurkundung sowie\nderen Bedeutung fur das weitere behordliche oder gerichtliche Verfahren. Er\nhatte somit keine Kenntnis von dem offentlich-rechtlichen Bezug seines\nTatigkeitsfeldes sowie seiner sich daraus ergebenden Amtstragereigenschaft\nverbunden mit strafbewehrten Verhaltenspflichten. \n--- \n| 41 \n--- \n| Er wusste zwar, dass es sich bei den zuzustellenden Schriftstucken um\namtliche Dokumente handelte, er war aber niemals daruber im Einzelnen\naufgeklart worden, welche Art von Dokumenten er zustellte und welche\nRechtsfolgen an die Beurkundung von Zustellungen in den Verwaltungs- und\nGerichtsverfahren anknupfen. Schon der Zeuge C. als Arbeit- oder Auftraggeber\ndes Angeklagten hatte keine Kenntnisse uber formliche Zustellungen und\nbehordliches Handeln, die er an den Angeklagten hatte weitergeben konnen.\nGerade der Umstand, dass der Angeklagte von seinem Arbeitgeber C. aufgefordert\nwurde, sich bei der Zustellung der Schriftstucke der Mithilfe seiner\nFamilienangehorigen zu bedienen, spricht eindeutig dagegen, dass dem\nAngeklagten vermittelt worden war, welche wichtige Funktion von der formlichen\nZustellung ausgeht, wenn sie doch laut Auskunft des Arbeitgebers von jeder\nbeliebigen Person wahrgenommen werden kann. Der Angeklagte konnte ohne\nentsprechende Belehrung auch nicht wissen, dass es sich bei den vom der Z. als\nnicht lizenziertem Unternehmen erbrachten Dienstleistungen um hoheitliche\nVerwaltungstatigkeit handelte. Durch die Umstrukturierung der ehemaligen\nDeutsche Bundespost in die Deutsche Post AG, die Telekom AG und die Postbank\nAG ist eine umfangreiche Privatisierung eingetreten. So ist bei den\nTelekommunikationsdienstleistungen und den Angeboten der Deutsche Post AG von\neiner vollstandigen materiellen Privatisierung auszugehen. Gleiches gilt fur\ndie Leistungen der Postbank AG, bei der lediglich noch bei der\nBriefbeforderung, fur die allerdings eine Lizenz erforderlich ist, die\nWahrnehmung einer offentlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge angenommen wird\n(Krehl StV 2005, 326 f., MuKo-Radtke, a.a.O., § 11, Rdnr. 41). \n--- \n| 42 \n--- \n| Erst nach Begehung seiner Falschbeurkundungen wurde der Angeklagte von der\nFirma D. GmbH auf seine Pflichten als Postzusteller hingewiesen. Erst ab\ndiesem Zeitpunkt hatte er somit die Bedeutungskenntnis von seiner Funktion als\nAmtstrager. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| 2\\. Der Angeklagte ist mangels Vorsatzes auch nicht einer mittelbaren\nFalschbeurkundung gemaß § 271 Abs. 1 StGB schuldig. \n--- \n| 44 \n--- \n| Die Berufungskammer hat festgestellt, dass der Angeklagte zwar gewusst habe,\ndass es sich bei den zuzustellenden Schriftstucken um amtliche Dokumente\nhandelte, er jedoch uberhaupt keine Vorstellung hatte, welche\ninnerbehordlichen und rechtlichen Konsequenzen eine tatsachlich unterlassene,\naber als zugestellt ausgegebene Briefsendung im Einzelnen mit sich brachte. Er\nhatte mithin keine Kenntnis davon, dass die falsch beurkundeten Zustellungen\netwa in Rechtskraftvermerken auf Grund scheinbar abgelaufener\nRechtsmittelfristen in Urteilen oder Strafbefehlen Eingang finden. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| 3\\. Die von der Berufungskammer vorgenommene Strafzumessung ist\nrevisionsrechtlich nicht zu beanstanden. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| 3.1. Die Strafzumessung ist grundsatzlich Sache des Tatrichters. Ein\nEingriff des Revisionsgerichts in die Strafzumessung ist i. d. R. nur moglich,\nwenn die Zumessung Erwagungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht gegen\nrechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßt oder wenn sich die verhangte Strafe\nnach oben oder nach unten von ihrer Bestimmung lost, gerechter Schuldausgleich\nzu sein (BGH, NStZ 1982, 465). Bewegt sich hingegen die Entscheidung des\nTatgerichts innerhalb seines Beurteilungsspielraums, ist dies grundsatzlich\nvon dem Revisionsgericht hinzunehmen. Dabei mussen die Urteilsgrunde zwar die\nbestimmenden Zumessungserwagungen darlegen, eine erschopfende Darstellung\naller der im Katalog des § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB genannten Umstande ist jedoch\nweder erforderlich noch moglich. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| 3.2. Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft stehen die von der\nBerufungskammer festgesetzten Einzelstrafen und die daraus gebildete\nGesamtgeldstrafe nicht in einem unertraglichen Missverhaltnis zur Schuld und\nGefahrlichkeit des Angeklagten. Zwar bewegen sich die von der Kammer -\ninsbesondere bei den Taten Nr. 5, 23, 24 und 31 festgesetzten Einzelstrafen am\nuntersten Rand des auszuschopfenden Strafrahmens. Dies hat die Kammer, die\nausfuhrlich die die Strafzumessung tragenden strafmildernden Gesichtspunkte\ndargelegt hat, aber ohne Rechtsfehler begrundet. \n--- \n| 48 \n--- \n| Ob die Einschatzung der Berufungskammer, dass den beauftragenden Behorden\nder Vorwurf eines Mitverschuldens durch eine mangelnde Überwachung der\nTatigkeit der D. GmbH gemacht werden kann, zutrifft, erscheint allerdings\nnicht zweifelsfrei. Denn bei dieser Firma handelt es sich um ein lizenziertes\nUnternehmen. Im Rahmen des Lizenzierungsverfahrens hatte die\nRegulierungsbehorde zu prufen, ob die D. GmbH uber die erforderliche\nLeistungsfahigkeit, Zuverlassigkeit und Sachkunde verfugt (vgl. § 6 Abs. 1 S.\n3, Abs. 3 Nr. 1 PostG). Ob sich das Landgericht und das Landratsamt als\nAuftraggeber eines lizenzierten Unternehmens auf diese Prufung verlassen\ndurften, oder ob sie die Zuverlassigkeit vor Beauftragung selbst zu prufen\nhatten, kann aber offen bleiben. \n--- \n| 49 \n--- \n| Jedenfalls beruht die Strafzumessung der Berufungskammer nicht entscheidend\nauf der Bejahung dieses Mitverschuldens. Die Strafkammer hat ohne Rechtsfehler\neine Vielzahl von strafmildernden Gesichtspunkten angefuhrt, insbesondere die\nUmstande, dass der Angeklagte gestandig war, er die Taten wegen der\nanhaltenden Überforderung und nicht aus Bequemlichkeit beging, er das letzte\nGlied in einer Kette von Subunternehmern war und die Organisation des\nZustellwesens seitens der D. GmbH ineffizient und unbrauchbar war. Das vom\nLandgericht angenommene Mitverschulden der beauftragenden Behorden ist damit\nnur ein Element der fur den Angeklagten schwierigen, von anderen zu\nverantwortenden Rahmenbedingungen. Der Senat schließt aus, dass die\nStrafkammer diese Bedingungen insgesamt anders gewertet hatte, wenn sie von\neiner fehlenden Überwachungspflicht der Behorden ausgegangen ware. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 50 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 StPO. \n---\n\n
193,908
sg-koblenz-2008-08-28-s-8-kr-30606
912
Sozialgericht Koblenz
sg-koblenz
Koblenz
Rheinland-Pfalz
S 8 KR 306/06
2008-08-28
2019-02-12 09:32:49
2019-02-12 14:03:40
Urteil
ECLI:DE:SGKOBLE:2008:0828.S8KR306.06.0A
### ![Diese Entscheidung wird\nzitiert ausblenden](/jportal/cms/technik/media/img/prodjur/icon/minus.gif)Diese\nEntscheidung wird zitiert\n\n \n\n#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Der Bescheid der Beklagten vom 27.01.2006 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 12.06.2006 wird aufgehoben und die Beklagte\nverurteilt, der Klagerin die fur den Zeitraum vom 01.06.2002 bis zum\n14.07.2002 von ihr getragenen Krankenversicherungsbeitrage in einer Hohe von\n543,29 € zu zahlen.\n\n \n\n \n\n2\\. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n \n\n \n\n3\\. Die Beklagte hat der Klagerin 90 % der notwendigen außergerichtlichen\nKosten zu erstatten.\n\n \n\n \n\n4\\. Die Berufung wird zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten daruber, ob die beklagte Krankenkasse verpflichtet\nist, diejenigen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrage an die Klagerin\nauszuzahlen, die die Beklagte von der Bundesanstalt fur Arbeit _(= BA)_\naufgrund einer angeblichen Mitgliedschaft der Klagerin in der\nKrankenversicherung der Arbeitslosen im Zeitraum von Juni bis Juli 2002 in\neiner Gesamthohe von 606,55 € erhalten hat, obwohl die Klagerin im genannten\nZeitraum bei der Beklagten im Krankengeldbezug stand und die die Klagerin\naufgrund eines rechtskraftigen Urteils an die BA zuruckerstatten musste und\nauch zuruckerstattet hat.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie 1950 geborene Klagerin war im Zeitraum von 1968 bis zum 08.03.2002 als\nKundenberaterin bei einer Bank tatig und als solche bei der Beklagten\nkrankenversichert. Das Arbeitsverhaltnis wurde durch einen Aufhebungsvertrag\nbeendet. Nach Angaben der Beklagten _(Bl. 21 d. Gerichtsakte)_ erhielt die\nKlagerin aufgrund einer aufgetretenen Arbeitsunfahigkeit Krankengeld im\nZeitraum vom 14.03.2002 bis zum 10.04.2003. Am 31.05.2002 stellte die Klagerin\n- trotz des erwahnten Bezugs von Krankengeld - einen Antrag auf Gewahrung von\nArbeitslosengeld. Nach ihren eigenen Angaben erfolgte diese Antragstellung, da\nsie zum genannten Zeitpunkt auf einen Therapieplatz habe warten mussen und man\nihr erklart habe, dass sie sich fur diesen Wartezeitraum dem Arbeitsmarkt zur\nVerfugung stellen musse. Die Klagerin gab in dem Antrag auf Gewahrung von\nArbeitslosengeld an, dass sie arbeitsfahig sei. Auf ihren Antrag hin\nbewilligte ihr die Bundesanstalt fur Arbeit ab dem 01.06.2002\nArbeitslosengeld. Nachdem das zustandige Arbeitsamt Kenntnis von der\nArbeitsunfahigkeit der Klagerin erlangt hatte, hob es mit Bescheid vom\n22.07.2002 _(Bl 3 d. Verwaltungsakte)_ die Gewahrung des Arbeitslosengeldes\nauf und forderte das fur den Zeitraum vom 01.06.2002 bis zum 14.07.2002 an die\nKlagerin geleistete Arbeitslosengeld in einer Hohe von 2.061,40 € sowie die\nebenfalls fur die Klagerin an die beklagte Krankenkasse geleisteten Beitrage\nzur Kranken- und Pflegeversicherung in einer Gesamthohe von 606,55 € von der\nKlagerin zuruck. Der insbesondere im Hinblick auf die Beitragsruckerstattung\nerhobene Widerspruch der Klagerin wurde mit Widerspruchsbescheid der BA vom\n03.12.2002 zuruckgewiesen. Eine hieraufhin verspatet erhobene Klage vor dem\nSozialgericht Koblenz unter dem Az: S 11 AL 13/03 wurde mit einem Vergleich\nbeendet, mit dem sich die BA bereit erklarte, die angegriffenen Bescheide\nnochmals nach § 44 SGB X _(= 10. Sozialgesetzbuch zur Regelung des\nSozialverwaltungsverfahrens und Sozialdatenschutzes)_ auf ihre Rechtmaßigkeit\nhin zu uberprufen. Mit einem daraufhin ergangenen Bescheid der BA vom\n17.02.2003 _(Bl. 12 d. Verwaltungsakte)_ in Gestalt des Widerspruchsbescheides\nvom 11.06.2003 _(Bl. 18 d. Verwaltungsakte)_ lehnte die BA eine Rucknahme des\nehemalig erlassenen Aufhebungs- und Ruckforderungsbescheides ab, da dieser\nnicht rechtswidrig gewesen sei. Die hierauf von der Klagerin im Juli 2003\nunter dem Az.: S 11 AL 327/03 vor dem Sozialgericht Koblenz erhobene Klage\nwurde mit Urteil der 11. Kammer des Sozialgerichts vom 24.04.2005 _(Bl. 28 ff.\nd. Verwaltungsakte)_ zuruckgewiesen. Unter Hinweis auf die vorsatzlich\nunrichtigen Angaben der Klagerin im Antragsformular zur Bewilligung von\nArbeitslosengeld, bestatigte das Gericht die Rechtmaßigkeit des ehemalig im\nJuli 2002 durch die BA erlassenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides im\nHinblick auf das der Klagerin gewahrte Arbeitslosengeld. Zudem wies das\nGericht ausdrucklich darauf hin, dass die BA zu Recht direkt von der Klagerin\n_(und nicht von der Krankenkasse)_ nach § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III _(= 3.\nSozialgesetzbuch zur Regelung der Arbeitsf orderung)_ bzw. nach § 335 Abs. 5\nSGB III _(im Hinblick auf die Pflegeversicherungsbeitr age)_ die von der BA an\ndie Kranken- und Pflegekasse geleisteten Kranken- und\nPflegeversicherungsbeitrage zuruckgefordert habe. Die BA sei nach § 335 Abs. 1\nSatz 2 SGB III nicht gehalten gewesen, die von ihr an die Krankenkasse\ngeleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrage von der Krankenkasse\nzuruckzufordern, so dass die Klagerin von einer Ersatzpflicht im Sinne von §\n335 Abs. 1 Satz 2 SGB III befreit wurde. Eine Befreiung von der Ersatzpflicht\nkame nach § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III namlich nur bei einem "weiteren\nKrankenversicherungsverhaltnis" mit eigener Beitragsleistung in Betracht. §\n335 Abs. 1 Satz 2 SGB III finde daher keine Anwendung, wenn der betroffene\nVersicherte ohne eigene Beitragsleistung zweitversichert sei, wie dies beim\nBezug von Krankengeld der Fall sei. Wahrend des Bezuges von Krankengeld\nbestunde namlich Beitragsfreiheit. Gegen das Urteil der 11. Kammer des\nSozialgerichts Koblenz legte die Klagerin durch ihren Rechtsanwalt Berufung\nunter dem Az.: L 1 AL 67/05 bei dem Landessozialgericht Rheinland-Pfalz ein\nund wies nochmals darauf hin, dass sie entgegen den Angaben im\nerstinstanzlichen Urteil keine vorsatzlich falschen Angaben gemacht hatte und\nder Bundesanstalt fur Arbeit auch umgehend mitgeteilt habe, dass man ihr\nfruher als erwartet einen Therapieplatz zur Verfugung gestellt habe, was das\nArbeitsamt jedoch nicht weiter beachtet habe, sondern trotz allem\nArbeitslosengeld bewilligt habe. Das ihr zuviel gezahlte Arbeitslosengeld habe\nsie auch umgehend zuruckerstattet, jedoch sei es ihrer Auffassung nach nicht\nrechtmaßig, von ihr auch die von der BA an die Krankenkassen geleisteten\nKranken- und Pflegeversicherungsbeitrage erstattet zu verlangen. Vielmehr\nmusse sich die BA insoweit direkt an die Krankenkasse wenden, die diese\nBeitrage erhalten habe. Fur sie habe namlich aufgrund des Krankengeldbezuges\nein beitragsfreies Krankenversicherungsverhaltnis bestanden, so dass sie gar\nkeine Beitrage zur Kranken- und Pflegeversicherung wahrend des erwahnten\nZeitraumes hatte an die Krankenkasse leisten mussen _._\n\n3\n\n \n\nDer Rechtsanwalt der Klagerin hat jedoch aufgrund des insoweit nicht\neindeutigen Wortlauts des § 335 Abs. 1 SGB III, der eine eindeutige\nrechtswidrige Vorgehensweise der BA nicht erkennen lasse, die Berufung\nzuruckgenommen.\n\n4\n\n \n\nMit Bescheid der BA durch die Arbeitsagentur M vom 24.11.2005 _(Bl. 42 d.\nVerwaltungsakte)_ wurden die von der Klagerin geforderten Kranken- und\nPflegeversicherungsbeitrage in Hohe von 606,55 € mit einem Leistungsanspruch\nder Klagerin verrechnet und mithin das rechtskraftige Urteil der 11. Kammer\numgesetzt.\n\n \n\n5\n\n \n\nNach Rucknahme der Berufung stellte der Rechtsanwalt der Klagerin im September\n2005 umgehend bei der beklagten Krankenkasse im Auftrag der Klagerin einen\nAntrag auf Auszahlung der durch die BA an die Krankenkasse geleisteten\nKranken- und Pflegeversicherungsbeitrage im Zeitraum vom 01.06.2002 bis zum\n14.07.2002 in erwahnter Hohe von 606,55 € _(Bl. 9 d. Verwaltungsakte)_ .\n\n \n\n6\n\n \n\nMit Bescheid vom 27.01.2006 _(Bl. 57 d. Verwaltungsakte)_ lehnte die beklagte\nKrankenkasse eine Auszahlung der von der BA erhaltenen Kranken- und\nPflegeversicherungsbeitrage ab und wies zur Begrundung auf die Urteilsgrunde\nder 11. Kammer des Sozialgerichts Koblenz im Urteil vom 24.02.2005 hin.\n\n \n\n7\n\n \n\nHiergegen erhob die Klagerin durch ihren Rechtsanwalt mit der Begrundung\nWiderspruch, dass das von der Beklagten erwahnte Urteil sich ausschließlich\nmit dem Innenverhaltnis zwischen der Klagerin und der BA auseinandersetze und\nkeine Aussage im Hinblick auf eine mogliche Erstattungspflicht der\nKrankenkasse gegenuber der Klagerin treffe. Hierbei musse bedacht werden, dass\ndie Klagerin wegen des Krankengeldbezuges nicht zur Beitragsleistung\nverpflichtet gewesen sei. Sofern die beklagte Krankenkasse dennoch aufgrund\nvon fehlgelaufenen Verwaltungsvorgangen Versicherungsbeitrage fur die Klagerin\nzu Unrecht erhalten habe _(um die das Verm ogen der Klagerin nunmehr zu\nUnrecht gemindert sei),_ musse die Krankenkasse diese Beitrage an die Klagerin\nzuruckerstatten.\n\n \n\n8\n\n \n\nMit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2006 _(Bl. 64 ff d. Verwaltungsakte)_ wies\ndie Beklagte den erhobenen Widerspruch mit der Begrundung zuruck, dass nach\ndem klaren Wortlaut in § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III eine Beitragsruckerstattung\nder Krankenkasse an die Bundesagentur fur Arbeit mangels eines zweiten\nbeitragspflichtigen Krankenversicherungsverhaltnisses nicht in Betracht kame.\nNach der genannten Regelung werde daher folglich auch die Klagerin nicht von\nihrer Ersatzpflicht befreit und konne eine solche Befreiung auch nicht uber\ndie beklagte Krankenkasse erreichen.\n\n \n\n9\n\n \n\nMit einer am 14.07.2006 vor dem Sozialgericht Koblenz eingegangenen Klage\nverfolgt die Klagerin ihr Begehren weiter.\n\n \n\n10\n\n \n\nDer Rechtsanwalt der Klagerin ist im Wesentlichen der Auffassung, dass es sich\nbei der Vorschrift in § 335 Abs. 1 SGB III um keine abschließende Regelung zur\nErstattung von zu Unrecht durch die BA geleisteter Versicherungsbeitrage\nhandele. Vielmehr werde gerade im konkreten Fall deutlich, dass § 335 Abs. 1\nSGB III eine luckenhafte Regelung darstelle. Zwischen den Beteiligten konne es\nals praktisch unstreitig angesehen werden, dass der Gesetzgeber die im\nkonkreten Fall bestehende Fallkonstellation bei der Regelung in § 335 Abs. 1\nSGB III ubersehen habe, namlich den Fall, dass neben einem angenommenen\nKrankenversicherungsverhaltnis aufgrund _(fehlerhafter)_ Gewahrung von\nArbeitslosengeld nicht - wie im Gesetz vorgesehen - ein weiteres\nbeitragspflichtiges Krankenversicherungsverhaltnis bestehe, sondern ein\n_(beitragsfreies)_ Krankenversicherungsverhaltnis _(im konkreten Fall aufgrund\nBezugs von Krankengeld)._ Sowohl im ersten _(vom Gesetz vorgesehenen Fall)_\nwie auch im zweiten Fall sei die beklagte Krankenkasse jedoch um Kranken- und\nPflegeversicherungsbeitrage, die die Bundesagentur fur Arbeit an die\nKrankenkasse geleistet habe, ohne Rechtsgrund bereichert. Im ersten,\ngesetzlich geregelten Fall des § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III liege die\nBereicherung darin, dass die Krankenkasse "doppelt" Kranken- und\nPflegeversicherungsbeitrage fur ihr Mitglied erhalten habe und im anderen Fall\ndarin, dass sie Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrage erhalten habe, obwohl\nder Versicherte an sich beitragsfrei bei ihr versichert gewesen sei. Das\nVermogen der Klagerin sei demgegenuber durch die von ihr an die Bundesagentur\nfur Arbeit _(aufgrund der Verpflichtung aus rechtskr aftigem Urteil)_\nerstatteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrage gemindert, die sie selber\naufgrund des beitragsfreien Versicherungsverhaltnisses nicht an die Beklagte\nhatte entrichten mussen. Nach Ansicht der Klagerin sei die beklagte\nKrankenkasse daher entweder aufgrund bereicherungsrechtlicher Grundsatze oder\nunter Anwendung der vom Gericht angefuhrten Vorschrift in § 26 SGB IV _(= 4.\nSozialgesetzbuch zur Regelung der gemeinsamen Vorschriften f ur die\nSozialversicherung)_ gehalten, die ihr nicht zustehenden Kranken- und\nPflegeversicherungsbeitrage an die Klagerin auszuzahlen. Entgegen der\nAuffassung der Beklagten wurde die erwahnte Vorschrift in § 26 SGB IV auch\nnicht durch die speziellen Bestimmungen des SGB III verdrangt, da die\nangefuhrte Vorschrift in § 335 Abs. 1 SGB III gerade aufgrund ihrer\nluckenhaften Regelung keine abschließende gesetzliche Vorschrift darstellen\nkonne.\n\n \n\n11\n\n \n\nDer Klagervertreter beantragt im Namen der Klagerin,\n\n \n\n12\n\n \n\nden Bescheid der Beklagten vom 27.01.2006 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 12.06.2006 aufzuheben und die Beklagte zu\nverurteilen, der Klagerin die fur den Zeitraum vom 01.06.2002 bis zum\n14.07.2002 erhaltenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrage in einer Hohe\nvon 606,55 € auszuzahlen.\n\n \n\n13\n\n \n\nDer Beklagtenvertreter beantragt im Namen der Klagerin,\n\n \n\n14\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n15\n\n \n\nEr ist der Auffassung, dass § 335 Abs. 1 SGB III durchaus abschließend die\nErstattung fur an sie von der Bundesagentur fur Arbeit geleisteten Kranken-\nund Pflegeversicherungsbeitragen regelt. Die hierin enthaltene „lex specialis"\nverdrange die allgemeinen Vorschriften im SGB IV, also insbesondere auch die\nVorschrift in § 26 SGB IV. Gleiches gelte auch fur die Rechtsgrundsatze der\nungerechtfertigten Bereicherung in §§ 812 BGB _(= B urgerliches Gesetzbuch)_ .\n\n \n\n16\n\n \n\nDas Gericht hat mit Beschluss vom 04.01.2007 die Pflegekasse notwendig\nbeigeladen. Des Weiteren hat die Beklagte auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt,\ndass sich die Beitrage zur Kranken- und Pflegeversicherung wie folgt\naufschlusseln wurden: die im streitentscheidenden Zeitraum an sie von der BA\ngeleisteten Krankenversicherungsbeitrage beliefen sich auf 543,29 € und die\nPflegeversicherungsbeitrage auf 63,26 €.\n\n \n\n17\n\n \n\nHinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf\ndie Prozessakte, die die Klagerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten\nsowie die dem Rechtsstreit beigezogenen Gerichtsakten mit den Az: S 11 AL\n13/03 sowie S 11 AL 327/03 // L 1 AL 67/05 verwiesen, die ihrem wesentlichen\nInhalt nach Gegenstand der mundlichen Verhandlung waren.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n18\n\n \n\nDie zulassige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene kombinierte\nAnfechtungs- und Leistungsklage hat im Umfang des angegebenen Tenors Erfolg\nund musste im Übrigen abgewiesen werden.\n\n \n\n19\n\n \n\nDer angegriffene Bescheid der Beklagten vom 27.01.2006 _(Bl. 57 ff. d.\nVerwaltungsakte)_ in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2006 _(Bl.\n64 ff. d. Verwaltungsakte)_ ist nach Auffassung der Kammer rechtswidrig und\nverletzt die Klagerin in ihren Rechten, so dass der Bescheid aufzuheben ist,\ndie Anfechtungsklage mithin vollen Erfolg hat. Wahrend die gleichzeitig\nerhobene Leistungsklage im Hinblick auf die begehrte Auszahlung von\nKrankenversicherungsbeitragen ebenfalls Erfolg hat, kann dies fur die von der\nKlagerin getragenen Pflegeversicherungsbeitrage - mangels Passivlegitimation\nder beklagten Krankenkasse - nicht angenommen werden.\n\n \n\n20\n\n \n\nUnstreitig hat die Klagerin ihre Klage allein gegen die Krankenversicherung\nund nicht gegen die Pflegekasse gerichtet. Die Krankenkasse kann jedoch\n(mangels Zustandigkeit) nicht verpflichtet werden, Pflegeversicherungsbeitrage\nauszuzahlen. Hieran kann auch die Tatsache nichts andern, dass die\nKrankenkasse im angegriffenen Bescheid - ihre Kompetenz uberschreitend - auch\nfur die Pflegeversicherung eine Auszahlung von Pflegeversicherungsbeitragen an\ndie Klagerin abgelehnt hat. Dieser, die Zustandigkeiten missachtende,\nrechtswidrige Bescheid ist zwar unter anderem auch aus dem erwahnten Grunde\naufzuheben. Dies kann aber nicht zu einer Perpetuierung der Rechtswidrigkeit\ndadurch fuhren, dass die Beklagte nunmehr zu (Ruck-)Zahlungen verpflichtet\nwird, die unstreitig in den Zustandigkeitsbereich der Pflegekasse fallen.\nSofern die Klagerin eine Auszahlung der Pflegeversicherungsbeitrage gegenuber\nder beklagten Krankenversicherung begehrt, musste die Klage daher abgewiesen\nwerden.\n\n \n\n21\n\n \n\nIm Übrigen hat die Klage - wie bereits erwahnt - nach Auffassung der Kammer\nErfolg, d.h. die beklagte Krankenkasse ist verpflichtet, die an sie von der\nBundesanstalt fur Arbeit geleisteten Krankenversicherungsbeitrage in Hohe von\n543,29 € an die Klagerin auszuzahlen. Die Ablehnung einer Auszahlung der\nerhaltenen Krankenversicherungsbeitrage durch die beklagte Krankenkasse in den\nangegriffenen Bescheiden ist rechtwidrig, da die Klagerin einen Anspruch auf\nAuszahlung der von ihr „getragenen" Krankenversicherungsbeitragen hat.\n\n22\n\n \n\nAnspruchsgrundlage ist insoweit § 26 Abs. 2 SGB IV. Nach dieser Vorschrift\nsind zu Unrecht entrichtete Beitrage zu erstatten, es sei denn, dass der\nVersicherungstrager bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund\ndieser Beitrage oder fur den Zeitraum, fur den die Beitrage zu Unrecht\nentrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat; Beitrage,\ndie fur Zeiten entrichtet worden sind, die wahrend des Bezuges von Leistungen\nbeitragsfrei sind, sind jedoch zu erstatten.\n\n23\n\n \n\nIm streitentscheidenden Zeitraum vom 01.06.2002 bis zum 14.07.2002 sind\n_(zumindest aus der Perspektive der Kl agerin)_ fur die Klagerin zu Unrecht\nKrankenversicherungsbeitrage in einer Hohe von 543,29 Euro _(sowie\nPflegeversicherungsbeitr age in einer Hohe von 63,26 Euro)_ an die beklagte\nKrankenkasse entrichtet worden.\n\n24\n\n \n\nDa die Klagerin im streitentscheidenden Zeitraum ununterbrochen Krankengeld\nvon der Beklagten bezogen hat, waren von ihr Kranken- _(wie auch Pflege-)_\nver-sicherungsbeitrage - wie von der Beklagten im Übrigen auch nicht\nbestritten - nicht zu entrichten gewesen. Nach § 224 Abs. 1 Satz 1 SGB V _(=\n5. Sozialgesetzbuch zur Regelung der gesetzlichen Krankenversicherung)_ ist\nnamlich ein Mitglied fur die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld beitragsfrei,\nd.h. die Klagerin genoss einen beitragsfreien Versicherungsschutz.\n\n25\n\n \n\nSofern die damalige Bundesanstalt fur Arbeit - wie im Urteil der 11. Kammer\ndes Sozialgerichts Koblenz vom 24.02.2005 _(Az: S 11 AL 327/03 // L 1 AL\n67/05)_ festgestellt - dennoch Kranken- _(wie auch Pflege-)_\nversicherungsbeitrage fur die Klagerin an die beklagte Kranken- _(bzw.\nPflege-)versicherung_ abgefuhrt hat, bestand jedenfalls aus Sicht der Klagerin\neine ungerechtfertigte Bereicherung der beklagten Krankenkasse.\n\n26\n\n \n\nWegen der Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V tritt zwar Kraft Gesetzes mit\nBezug des Arbeitslosengeldes eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen\nKrankenversicherung ein, die auch nicht entfallt, wenn die\nArbeitslosengeldbewilligung nachtraglich aufgehoben und die Leistung\nzuruckgezahlt wird _(was ubrigens auch der Grund fur die Erstattungsregelung\nin § 335 Abs. 1 SGB III ist; siehe zu allem auch Schmidt in Hauck/Noftz, SGB\nIII K § 335 Rz. 7)_ . Jedoch ist auch diese Mitgliedschaft in der\nKrankenversicherung der Arbeitslosen aufgrund des Krankengeldbezugs aus Sicht\nder Klagerin beitragsfrei. Wenn die Bundesanstalt fur Arbeit die Kranken- und\nPflegeversicherungsbeitrage in Unkenntnis des Krankengeldbezugs an die\nKrankenkasse entrichtet hat, erfolgte dies zu Unrecht.\n\n27\n\n \n\nDie erwahnten Beitrage sind nach § 26 Abs. 2 letzter Halbsatz SGB IV auch fur\nZeiten entrichtet worden, die wahrend des Bezuges von Leistungen _(wegen des\nKrankengeldbezugs)_ beitragsfrei sind, so dass die Beitrage auch dann zu\nerstatten sind, wenn parallel Leistungen erbracht worden sind. Die\nTatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 SGB IV sind mithin erfullt.\n\n28\n\n \n\nNach § 26 Abs. 3 SGB IV steht der Erstattungsanspruch demjenigen zu, der die\nBeitrage getragen hat. Wie sich aus dem ausdrucklichen Wortlaut in § 26 Abs. 3\nSatz 1 SGB IV ergibt, kommt es somit ausdrucklich nicht darauf an, wer die\nBeitrage geleistet hat. Anders als im zivilrechtlichen Bereicherungsrecht des\n§ 812 BGB bedarf es insoweit keiner Erwagung zur „Einheitlichkeit des\nBereicherungsvorgangs", also zu der Vorraussetzung, dass eine Unmittelbarkeit\nder Vermogensverschiebung zwischen dem Bereicherten und Entreicherten\neingetreten sein muss, was sich gerade in einem Dreiecksverhaltnis im\nZivilrecht als zuweilen sehr kompliziert darstellt. Die Regelung in § 26 Abs.\n3 Satz 1 SGB IV stellt jedoch - wie erwahnt - schon von ihrem Wortlaut her\nklar, dass Glaubiger des Erstattungsanspruchs stets derjenige ist, der\nrechtlich tatsachlich belastet worden ist _(siehe ebenfalls KassKomm/Seewald,\n§ 226 SGB IV RdZ. 24)_ . Unerheblich ist es insoweit, dass nicht die Klagerin\ndirekt die Krankenversicherungsbeitrage an die beklagte Krankenkasse geleistet\nhat, sondern die damalige Bundesanstalt fur Arbeit. Rechtlich getragen hat sie\njedoch im konkreten Fall die Klagerin, wie sich aus der rechtskraftigen\nEntscheidung der 11. Kammer des Sozialgerichts Koblenz vom 24.02.2005 ergibt,\ndie auch insoweit vollstreckt worden ist, als die Bundesagentur fur Arbeit mit\nBescheid der Arbeitsagentur M-K vom 24.11.2005 _(Bl. 42 d. Verwaltungsakte_ )\ndie von der Klagerin erstattet verlangten Krankenversicherungsbeitrage mit\nLeistungsanspruchen der Klagerin gegen die Bundesagentur fur Arbeit verrechnet\nhat.\n\n29\n\n \n\nDer Erstattungsanspruch der Klagerin gegenuber der beklagten Krankenkasse ist\nauch nicht nach § 27 Abs. 2 SGB IV verjahrt. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV\nverjahrt ein Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des\nKalenderjahres, in dem die Beitrage entrichtet worden sind. Vorliegend sind\ndie Beitrage durch die Bundesanstalt fur Arbeit bereits im Juni und Juli 2002\nentrichtet worden. Hiernach wurde der Erstattungsanspruch mit Ablauf des\nKalenderjahres 2006 verjahren. Nach § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB IV wird die\nVerjahrung aber (unter anderem) durch einen schriftlichen Antrag auf die\nErstattung oder durch Erhebung eines Widerspruchs gehemmt. Im konkreten Fall\nhat die Klagerin durch ihren Rechtsanwalt im September 2005 _(siehe Bl. 9 d.\nVerwaltungsakte)_ den erwahnten Antrag auf Erstattung der durch die\nBundesanstalt fur Arbeit an die Krankenkassen geleisteten Kranken- und\nPflegeversicherungsbeitrage in Hohe von 606,55 € gestellt, womit der Anspruch\nnicht als verjahrt angesehen werden kann.\n\n30\n\n \n\nEntgegen der Auffassung der beklagten Krankenkasse kann auch nicht davon\nausgegangen werden, dass die Vorschrift des § 26 Abs. 2 SGB IV aufgrund einer\nVorrangigkeit der Regelung zur Erstattung von Beitragen zur Kranken- und\nPflegeversicherung nach § 335 Abs. 1 SGB III nicht zur Anwendung kommt. Zwar\nist es zutreffend, dass nach § 1 Abs. 3 SGB IV solche Regelungen in den\nSozialbereichen dieses Gesetzbuchs _(d.h. also allen Sozialgesetzb uchern, die\nsich mit den einzelnen Sozialbereichen befassen, also mithin auch die des SGB\nIII)_ unberuhrt bleiben, soweit sie von den Vorschriften dieses Buches _(also\ndes SGB IV)_ „abweichen" . Nach Ansicht der Kammer kann die Vorschrift in §\n335 Abs. 1 SGB III jedoch im konkreten Fall nicht als abweichende Vorschrift\nzu § 26 Abs. 2 SGB IV angesehen werden.\n\n31\n\n \n\nRegelungsziel des § 335 SGB III ist es namlich - wie oben bereits erwahnt -\nder Bundesagentur fur Arbeit es zu ermoglichen, von ihr abgefuhrte\nVersicherungsbeitrage im Falle der nachtraglichen Aufhebung von\nArbeitslosengeldbewilligung auch unter Berucksichtigung der Tatsache\nzuruckverlangen zu konnen, dass „an sich" nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V eine\nVersicherungspflicht kraft Gesetzes eintritt, die auch bei einer\nnachtraglichen Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung nicht entfallt\n_(siehe § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V letzter Halbsatz)_ , so dass das Abfuhren von\nVersicherungsbeitragen „an sich" zu Recht erfolgte _(siehe zu allem auch\nSchmidt in Hauck/Noftz, SGB III K § 335 Rz. 7)_ . § 335 Abs. 1 SGB III stellt\ndaher keine „abweichende" Regelung zu § 26 Abs. 2 SGB IV dar, sondern\nerweitert die in § 26 Abs. 2 SGB IV gesetzlich vorgesehenen\nErstattungsanspruche zugunsten der Bundesagentur fur Arbeit, in dem sie trotz\nder bestehenden Versicherungspflicht kraft Gesetzes Erstattungsanspruche fur\ndie Bundesagentur fur Arbeit fur geleistete Versicherungsbeitrage vorsieht.\n\n32\n\n \n\nDie Klagerin bedarf im konkreten Fall jedoch gar nicht der erweiterten\nErstattungsmoglichkeit des § 335 Abs. 1 SGB III, um zu Unrecht von ihr\n„getragene" Versicherungsbeitrage von der beklagten Krankenkasse zuruckfordern\nzu konnen. Selbst, wenn man nach der gesetzlichen Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 2\nSGB V davon ausgeht, dass mit dem Bezug von Arbeitslosengeld (unverruckbar)\neine Mitgliedschaft in der „Krankenversicherung der Arbeitslosen" _(= KVdA)_\nfur die Klagerin begrundet wird, andert dies nichts an der Tatsache, dass die\nKlagerin auch bei einer Mitgliedschaft in der KVdA bei langerem\nKrankengeldbezug (wie gegeben) beitragsfrei (auch in dieser\nKrankenversicherung) versichert gewesen ist und mithin von ihr „getragene"\nVersicherungsbeitrage als zu Unrecht entrichtet anzusehen sind.\n\n33\n\n \n\nGegen die Annahme, dass die Vorschriften im SGB III generell die Regelungen im\nSGB IV verdrangen, so dass aus diesem Grunde eine Ruckforderung von zu Unrecht\ngetragenen Versicherungsbeitragen ausscheiden wurde, spricht ferner auch die\nRegelung in § 351 Abs. 1 Satz 1 SGB III, in der sogar ausdrucklich in einem\nspeziellen Fall der Erstattung von gezahlten Versicherungsbeitragen auf das\nAbweichen von § 26 Abs. 2 SGB IV hingewiesen wird, also mithin geradezu\nbekraftigt wird, dass bei ansonsten bei „zu Unrecht entrichteten Beitragen"\ndie Grunderstattungsnorm des § 26 Abs. 2 SGB IV gilt.\n\n34\n\n \n\nAuch kann man die detaillierte Erstattungsregelung von geleisteten\nVersicherungsbeitragen in § 335 Abs. 1 SGB III nicht dahin interpretieren,\ndass sie samtliche andere Beitragsruckerstattungsanspruche anderer Beteiligter\nals der Bundesagentur fur Arbeit ausschließt. Weder Wortlaut noch\nGesetzeszweck wurden eine solche Auslegung rechtfertigen.\n\n35\n\n \n\nSoweit in § 335 Abs. 1 Satz 2 SGB III geregelt ist, dass die Krankenkasse fur\nden Zeitraum, fur den die Bundesagentur fur Arbeit Leistungen zuruckgefordert\nhat und in denen ein weiteres Krankenversicherungsverhaltnis des Versicherten\nbestanden hat der Bundesagentur, die fur diesen Zeitraum entrichteten Beitrage\nzu erstatten hat und der (ungerechtfertigte) Bezieher von Arbeitslosengeld\nnach § 335 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz SGB III insoweit von der\nErsatzpflicht gegenuber der Bundesagentur fur Arbeit befreit wird , bedeutet\ndies nicht, dass der (ungerechtfertigte) Bezieher von Arbeitslosengeld nur in\ndiesem Fall keine zusatzlichen Versicherungsbeitrage tragen muss.\n\n36\n\n \n\nDie Vorschrift in § 335 Abs. 1 SGB III bezweckt - wie oben bereits angedeutet\n- ausschließlich die Regelung von Erstattungsanspruchen der Bundesagentur fur\nArbeit gegenuber anderen Sozialversicherungstragern. Der Versicherte wird\nhiervon nur insofern reflexartig betroffen, als die gesetzliche Regelung\nbemuht ist, es gleichzeitig zu vermeiden, dass es aufgrund der\nErstattungsregelung zwischen den Versicherungstragern zu einem von dem\nVersicherten „doppelt" finanzierten Krankenversicherungsschutz kommt und im\nUmkehrschluss die Bundesagentur fur Arbeit hierdurch „ungerechtfertigt"\nzusatzliche _(neben der Erstattung der Versicherungsbeitr age durch die\nKrankenkasse)_ noch von dem Versicherten zu erstattende Versicherungsbeitrage\nvereinnahmen konnte. Aus dieser Regelung auf eine abschließende\nErstattungsregelung fur zu Unrecht entrichtete Beitrage fur den Versicherten\nzu schließen, erscheint weder gesetzessystematisch _(siehe die oben\ndargelegten Erw agungen)_ noch nach der Zielsetzung der betroffenen Normen\nsachgerecht.\n\n37\n\n \n\nIm Ergebnis kann es namlich nicht als sachgerecht angesehen werden, dass\nderjenige Versicherte, der wahrend des Arbeitslosgeldbezugs eine\nversicherungspflichtige Tatigkeit aufnimmt, von den zusatzlichen (fur die\nArbeitslosenversicherung geleisteten) Versicherungsbeitragen befreit wird,\nwahrend derjenige, der beitragsfrei versichert ist und sich _(am Ende noch auf\nDr angen der Krankenkasse)_ bei der Bundesagentur fur Arbeit meldet und\nArbeitslosengeld bezieht, im Nachhinein - trotzt dauernder Voraussetzung einer\nBeitragsfreiheit - die Versicherungsbeitrage zu tragen hat.\n\n \n\n38\n\n \n\nNach alledem hat die Klage aus den oben genannten Grunden im erwahnten Umfang\n_(d. h., was die Auszahlung von getragenen Krankenversicherungsbeitr age\nbetrifft)_ Erfolg und musste im Übrigen abgewiesen werden.\n\n \n\n39\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG _(= Sozialgerichtsgesetz)_ , wobei\ndie Kammer das teilweise Unterliegen der Klagerin im Hinblick auf die\nAuszahlung von getragenen Pflegeversicherungsbeitragen berucksichtigt hat.\n\n \n\n40\n\n \n\nDie Berufung wird ausdrucklich zugelassen. Grundsatzlich bedarf es im\nvorliegenden Fall einer ausdrucklichen Zulassung der Berufung nach § 144 Abs 1\nNr 1 SGG, da der Wert des Beschwerdegegenstandes des vorliegenden\nRechtsstreits, der einen Verwaltungsakt betrifft, welcher auf eine Geld- bzw.\nSachleistung gerichtet ist, 750,00 Euro nicht ubersteigt.\n\n41\n\n \n\nDie Berufung ist vorliegend jedoch nach Auffassung der Kammer zuzulassen, da\nein Fall des § 144 Abs 2 Nr 1 SGG gegeben ist, dh die Rechtssache hat nach\nAnsicht der Kammer grundsatzliche Bedeutung. Soweit fur die Kammer\nersichtlich, ist in der bisherigen Rechtsprechung noch nicht hoherinstanzlich\ngeklart worden, wie der Erstattungsanspruch von durch die Bundesagentur fur\nArbeit geleisteten Versicherungsbeitragen im Falle einer vorher bestehenden\nbeitragsfreien Mitgliedschaft eines Versicherten zu bewerten ist.\n\n
194,004
lagrlp-2008-07-30-8-sa-16508
899
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
lagrlp
Rheinland-Pfalz
Arbeitsgerichtsbarkeit
8 Sa 165/08
2008-07-30
2019-02-12 09:36:04
2019-02-12 14:03:55
Urteil
ECLI:DE:LAGRLP:2008:0730.8SA165.08.0A
#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts\nKaiserslautern vom 14.02.2008 - AZ: 7 Ca 1183/07 - wird kostenpflichtig\nzuruckgewiesen.\n\n \n\n \n\n2\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten daruber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die dem\nKlager zustehende Betriebsrente fur die Zeit ab dem 01.06.2006 nach § 16\nBetrAVG anzupassen.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Klager war bis zum 31.05.2003 bei der Rechtsvorgangerin der Beklagten, der\nV. GmbH, beschaftigt. Seit dem 01.06.2003 bezieht er eine zuletzt von der\nBeklagten ausgezahlte Betriebsrente nach Maßgabe der Bestimmungen einer\nVersorgungsordnung der Stinnes AG, einer Rechtsvorgangerin der V. GmbH.\n\n \n\n3\n\n \n\nMit seiner am 15.08.2007 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrt der\nKlager die Anpassung seiner Betriebsrente von 3.055,00 € monatlich um den\nAnstieg des Verbraucherindexes fur den Zeitraum Juni 2003 bis Mai 2006,\nwelchen er mit 5,46 % beziffert.\n\n \n\n4\n\n \n\nDer Klager hat erstinstanzlich geltend gemacht, die wirtschaftliche Lage der\nBeklagten stehe einer Anpassung seiner Betriebsrente nicht entgegen. Daruber\nhinaus konne bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage ohnehin nicht auf\ndie Beklagte selbst abgestellt werden. Maßgeblich seien insoweit vielmehr die\nVerhaltnisse des M.-Konzerns, dem die Beklagte, dies ist zwischen den Parteien\nunstreitig, als Tochterunternehmen der E. Holding GmbH angehore.\n\n \n\n5\n\n \n\n**Der Kl ager hat beantragt,**\n\n6\n\n \n\n1\\. die Beklagte zu verurteilen, an ihn fur die Zeit ab dem 01.06.2006 bis\n31.07.2007 € 2.208,18 brutto ruckstandige Betriebsrente zuzuglich\nVerzugszinsen in Hohe von 5 %-Punkten uber dem jeweiligen Basiszinssatz aus\njeweils 169,86 € ab 01.07.2006, ab dem 01.08.2006, ab dem 01.09.2006, ab dem\n01.10.2006, ab dem 01.12.2006, ab dem 01.01.2007, ab 01.02.2007, ab dem\n01.03.2007, ab 01.04.2007, ab dem 01.05.2007, ab dem 01.06.2007, ab dem\n01.07.2007 und ab dem 01.08.2007 zu zahlen;\n\n \n\n7\n\n \n\n2\\. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab dem 01.08.2007\nmonatlich Betriebsrente in Hohe von 3.224,86 € brutto zuzuglich Verzugszinsen\nin Hohe von jeweils 5 %-Punkten uber dem Basiszinssatz ab dem 01. des\nFolgemonats an ihn zu zahlen.\n\n \n\n8\n\n \n\n**Die Beklagte hat beantragt,**\n\n9\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n10\n\n \n\nDie Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, in Ansehung\nder in den Jahren 2003 bis 2006 erwirtschafteten Verluste und der\ndiesbezuglich auch fur die Zukunft negativen Prognose sei ihr eine\nBetriebsrentenanpassung nicht zuzumuten. Auf die wirtschaftliche Situation des\nKonzerns konne nicht abgestellt werden. Zwar bestehe eine verdichtete\nKonzernbeziehung zwischen ihr und der Firma M.. Es werde aber keine\nKonzernleitungsmacht in einer Art und Weise ausgeubt, die auf ihre Belange\nkeine angemessene Rucksicht nehme.\n\n \n\n11\n\n \n\nVon einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des\nerstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemaß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.\nInsoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des\nArbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.02.2008 (Bl. 102-105 d. A.).\n\n \n\n12\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.02.2008 abgewiesen. Zur\nDarstellung der maßgeblichen Entscheidungsgrunde wird auf die Seiten 5-13\ndieses Urteils (= Bl. 105-113 d. A.) verwiesen.\n\n \n\n13\n\n \n\nGegen das ihm am 04.03.2008 zugestellte Urteil hat der Klager am 25.03.2008\nBerufung eingelegt und diese am 02.05.2008 begrundet.\n\n \n\n14\n\n \n\nDer Klager macht im Wesentlichen geltend, zwar treffe es zu, dass eine\nBetriebsrentenanpassung in der Regel dann verweigert werden konne, wenn eine\nangemessene Eigenkapitalverzinsung nicht erzielt werden konne. Das\nArbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung jedoch unberucksichtigt gelassen,\ndass der vorliegende Fall von der Besonderheit gekennzeichnet sei, dass die\nBeklagte von Seiten der Anteilseigner nicht vorrangig als Kapitalanlage\nangesehen werde. Die E. Holding GmbH, die uber 100% der Anteile an der\nBeklagten verfuge und ihrerseits wieder dem M. Konzern angehore, verfolge mit\nder Beklagten den Zweck, M.-Reifen zu vertreiben. Dementsprechend verkaufe die\nBeklagte vorwiegend M.-Reifen, wobei der Lowenanteil demgemaß dem\nMutterkonzern zufließe. Die Beklagte sei fur ihren Kapitalgeber also weniger\nals Kapitalanlage, sondern vielmehr als verlasslicher Großkunde interessant.\nBerucksichtige man diese Tatsache, so sei ersichtlich, dass die Beteiligung an\nder Beklagten fur die Kapitalgeber trotz der Verluste so rentabel sei, dass\nmit einem Kapitalentzug nicht zu rechnen sei. Auf das Fehlen einer\nEigenkapitalverzinsung konne daher vorliegend nicht abgestellt werden.\nÜberdies seien - entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts - die\nVoraussetzungen des Berechnungsdurchgriffs auf den Mutterkonzern gegeben, der\nglanzende Gewinne mache. Abgesehen davon, dass (unstreitig) zwischen der\nBeklagten und der E. Holding GmbH, die ihrerseits wieder in der selben Weise\nmit der Konzernmutter, der Firma M., verbunden sei, eine verdichtete\nKonzernverbindung in Form eines Beherrschungs- und Gewinnabfuhrungsvertrages\nbestehe, werde die Konzernleitungsmacht in einer die Beklagte schadigenden Art\nund Weise ausgeubt, was fur deren mangelnde Leistungsfahigkeit kausal sei.\nDiesbezuglich habe er - der Klager - bereits erstinstanzlich dargetan, dass\ndie Beklagte stets mit der Problematik zu großer Warenvorrate zu kampfen habe.\nDie Beklagte habe als beherrschtes Unternehmen nicht die Moglichkeit, uber\nAbnahmemenge und Preise wie ein unabhangiger Abnehmer zu verhandeln. Auch im\nJahr 2006 hatten sich die Vorrate wieder außerplanmaßig wegen gesunkener\nNachfrage um 7,5 Millionen Euro erhoht, wahrend die Verbindlichkeiten im\nKonzern gewachsen seien, weil mehr Ware von den M.-Reifenwerken bezogen worden\nsei. Dies zeige deutlich, dass die Beklagte unabhangig von ihren jeweiligen\nAbsatzmoglichkeiten M.-Reifen auf Halde kaufe. Des Weiteren musse die Beklagte\nfur ihre Service-Center uberhohte Mieten an die konzerneigene\nImmobiliengesellschaft zahlen. Die durchschnittliche Monatsmiete belaufe sich\nauf ca. 4.900,00 € pro Niederlassung. Es sei davon auszugehen, dass\nausreichend große Gewerbeflachen zu wesentlich geringeren Monatsmieten zu\nhaben seien. Der M.-Konzern stelle seine eigenen wirtschaftlichen\nGewinninteressen ohne Rucksicht auf die Belange der Beklagten in den\nVordergrund und ube in diesem Sinne auch die Leitungsmacht uber die\nbetriebswirtschaftlichen Belange der Beklagten aus. Die Tatsache, dass der\nM.-Konzern 300 Millionen Euro zum Kauf eines Unternehmens aufwende, das in den\nFolgejahren ausschließlich hohe Verluste erwirtschafte, zeige, dass es dem\nbeherrschenden Unternehmen uberhaupt nicht darauf ankomme, sich mit der\nBeklagten im Wettbewerb zu behaupten und diese Gewinne erzielen zu lassen,\nsondern das Geschaftsmodell einzig und allein darauf angelegt sei, die Gewinne\nim beherrschenden Unternehmen zu erzielen. Die Beklagte konne ihre\nEinkaufspreise nicht selbst festlegen. Vielmehr lege der M.-Konzern einseitig\ndie Konzernverrechnungspreis fur den Bezug von M.-Produkten fest, ebenso wie\ndie Preiskonzepte und Verkaufspreise von M.-Produkten. Von Seiten der\nKonzernleitung werde auch einseitig und zentral der Einkauf von Fremdprodukten\n/ Reifen nebst Preiskonzepten, Verkaufspreisen und Vertriebskonzepten\nfestgelegt. Die Beklagte habe somit die Aufgabe, im M.-Konzern den Marktanteil\nvon Konzernmarken zu stutzen und zu erhohen, koste es, was es wolle.\n\n \n\n15\n\n \n\n**Der Kl ager beantragt,**\n\n16\n\n \n\ndas Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.02.2008 - AZ: 7 Ca\n1183/07 - abzuandern und\n\n \n\n17\n\n \n\n1\\. die Beklagte zu verurteilen, an den Klager fur die Zeit ab dem 01.06.2006\nbis 31.03.2008 € 3.567,06 brutto ruckstandige Betriebsrente zuzuglich\nVerzugszinsen in Hohe von 5 %-Punkten uber dem jeweiligen Basiszinssatz aus\njeweils 169,86 € ab dem 01.07.2006, dem 01.08.2006, dem 01.09.2006, dem\n01.10.2006, dem 01.11.2006, dem 01.12.2006, dem 01.01.2007, dem 01.02.2007,\ndem 01.03.2007, dem 01.04.2007, dem 01.05.2007, dem 01.06.2007, dem\n01.07.2007, dem 01.08.2007, dem 01.09.2007, dem 01.10.2007, dem 01.11.2007,\ndem 01.12.2007, dem 01.01.2008, dem 01.02.2008, dem 01.03.2008 und dem\n01.04.2008 zu zahlen;\n\n \n\n18\n\n \n\n2\\. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab dem 01.04.2008\nmonatlich Betriebsrente in Hohe von 3.224,86 € brutto zuzuglich Verzugszinsen\nin Hohe von jeweils funf Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz ab dem 1. des\nFolgemonats an den Klager zu zahlen.\n\n \n\n19\n\n \n\n**Die Beklagte beantragt,**\n\n20\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n \n\n21\n\n \n\nDie Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht im Wesentlichen\ngeltend, eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass eine fehlende\nEigenkapitalverzinsung einer Betriebsrentenanpassung entgegenstehe, liege\nnicht vor. Zu berucksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch der Umstand,\ndass ihre Muttergesellschaft, die E. Holding GmbH, allein im Zeitraum 2003 bis\n2006 uber 100 Millionen Euro an Verlusten (dies ist zwischen den Parteien\nunstreitig) ubernommen habe. Keinesfalls sei daher das Unternehmen trotz der\nVerluste so rentabel, dass nicht mit einem Kapitalentzug zu rechnen sei. Die\nfehlende Ertragskraft des Unternehmens habe zum Anpassungsstichtag\nunzweifelhaft vorgelegen, wie sich aus den Jahresabschlussen fur die Jahre\n2003 bis 2006 eindeutig ergebe. Die Voraussetzungen fur einen\nBerechnungsdurchgriff auf ihre Muttergesellschaft lagen nicht vor.\nDiesbezuglich fehle es bereits an einem ausreichend substantiierten\nSachvortrag des Klagers, dass die Konzernleitungsmacht in einer Weise ausgeubt\nworden sei, die auf die Belange des abhangigen Tochterunternehmens keine\nangemessene Rucksicht genommen und so die mangelnde Leistungsfahigkeit des\nVersorgungsschuldners verursacht habe. Sie - die Beklagte - habe lediglich 85\nGewerbeimmobilien uber die konzernabhangige Immobiliengesellschaft angemietet.\nSie zahle hierfur einen marktublichen Mietzins. Samtliche anderen Filialen\nseien zu marktublichen Preisen von Fremdvermietern angemietet worden.\nKeineswegs treffe es zu, dass sie unabhangig von ihren jeweiligen\nAbsatzmoglichkeiten M.-Reifen auf Halde einkaufe. Zu berucksichtigen sei\ninsbesondere, dass sie eine Mehrmarkenstrategie verfolge, d. h. keineswegs von\neinem einzelnen Lieferanten abhangig sei.\n\n \n\n22\n\n \n\nZur naheren Darstellung des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird\nauf die von diesen im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsatze,\ndie Gegenstand der mundlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n23\n\n \n\nDie statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und\nbegrundet worden. Das hiernach insgesamt zulassige Rechtsmittel hat in der\nSache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage vielmehr sowohl\nim Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begrundung abgewiesen.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n24\n\n \n\nDie zulassige Klage ist nicht begrundet. Der Klager hat gegen die Beklagte\nkeinen Anspruch auf Anpassung seiner Betriebsrente ab dem 01.06.2006.\n\n \n\n25\n\n \n\nDabei kann offen bleiben, ob die Beklagte uberhaupt Versorgungsschuldnerin des\nKlagers geworden ist. Dem konnte entgegenstehen, dass der Klager - soweit\nersichtlich - zu keinem Zeitpunkt bei einem Arbeitgeber beschaftigt war, der\nunter der Bezeichnung der Beklagte firmiert. Der Klager war vielmehr, d. h.\nbis zur Beendigung seines Arbeitsverhaltnisses am 31.05.2003, unstreitig bei\nder V. GmbH beschaftigt. Sofern nach dem Ausscheiden des Klagers ein\nBetriebsubergang nach § 613a BGB von der V. GmbH auf die Beklagte\nstattgefunden hat, so hatte dies nicht zur Folge, dass diese in die\nVersorgungsanspruche des Klagers eingetreten ist. Nach § 613a Abs. 1 BGB tritt\nnamlich der Betriebserwerber nur in die Rechte und Pflichten derjenigen\nArbeitsverhaltnisse ein, die im Zeitpunkt des Betriebsubergangs noch bestehen.\n\n \n\n26\n\n \n\nDie Klage erweist sich jedoch auch dann als unbegrundet, wenn man von einer\nPassivlegitimation der Beklagten ausgeht.\n\n \n\n27\n\n \n\n1\\. Die Anpassungsentscheidung der Beklagten zum 01.06.2006 ist nach § 16\nBetrAVG nicht zu beanstanden. Die Beklagte war wegen der wirtschaftlichen Lage\nihres Unternehmens zu einer Anpassung der Betriebsrente des Klagers nicht\nverpflichtet.\n\n \n\n28\n\n \n\nGemaß § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung\nder laufenden Leistung der betrieblichen Altersversorgung zu prufen und\nhieruber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die\nBelange des Versorgungsempfangers und die wirtschaftliche Lage des\nArbeitgebers zu berucksichtigen. In entsprechender Anwendung des § 315 BGB\nhaben die Gerichte fur Arbeitssachen zu uberprufen, ob der Arbeitgeber bei\nseiner Anpassungsentscheidung den ihm eingeraumten Ermessensspielraum\nuberschritten hat.\n\n \n\n29\n\n \n\nDie Belange des Versorgungsempfangers werden durch den Anpassungsbedarf\nbestimmt. Dieser richtet sich nach dem zwischen Rentenbeginn und\nAnpassungsstichtag eingetretenen Kaufkraftverlust.\n\n \n\n30\n\n \n\nDas Unternehmen darf durch die Betriebsrentenerhohung nicht ubermaßig belastet\nwerden. Der Arbeitgeber muss in der Lage sein, den Teuerungsausgleich aus den\nErtragen des Unternehmens und dessen Wertzuwachs in der Zeit bis zum nachsten\nAnpassungsstichtag aufzubringen. Die Wettbewerbsfahigkeit des Unternehmens\ndarf nicht gefahrdet werden. Beeintrachtigt wird die Wettbewerbsfahigkeit\nnicht nur dann, wenn das Unternehmen nicht mehr uber genugend Eigenkapital\nverfugt, sondern auch dann, wenn keine angemessene Eigenkapitalverzinsung\nerwirtschaftet wird. Bei einer ungenugenden Eigenkapitalverzinsung reicht die\nErtragskraft des Unternehmens nicht aus. Die angemessene\nEigenkapitalverzinsung besteht aus einem Basiszins und einem Risikozuschlag.\nDer Basiszins entspricht der Umlaufrendite offentlicher Anleihen; der\nRisikozuschlag betragt fur alle Unternehmen einheitlich 2 % (BAG v. 23.05.2000\n- 3 AZR 146/99 - AP Nr. 45 zu § 16 BetrAVG).\n\n \n\n31\n\n \n\nMaßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Anpassungsstichtag. Entscheidend\nist zwar die voraussichtliche kunftige Belastbarkeit des Unternehmens in den\nnachsten drei Jahren. Die wirtschaftliche Entwicklung in der Zeit vor dem\nAnpassungsstichtag liefert aber die benotigten Anhaltspunkte fur die vom\nArbeitgeber zu erstellende Prognose, soweit daraus Schlusse fur die weitere\nEntwicklung des Unternehmens gezogen werden konnen. Die tatsachliche\nwirtschaftliche Entwicklung nach dem Anpassungsstichtag ist insoweit zu\nberucksichtigen, als sie die Prognose bestatigen oder entkraften kann, wobei\nspatere, unerwartete Veranderungen fur die Anpassungspflicht keine Rolle\nspielen (BAG v. 18.02.2003 - 3 AZR 172/02 - AP Nr. 53 zu § 16 BetrAVG). Einen\ngeeigneten Einstieg bei der Prufung der wirtschaftlichen Lage eines\nUnternehmens bieten regelmaßig die handelsrechtlichen Jahresabschlusse (BAG v.\n23.05.2000 - 3 AZR 146/99 - AP Nr. 45 zu § 16 BetrAVG).\n\n \n\n32\n\n \n\nAusgehend von diesen Grundsatzen durfte die Beklagte bei ihrer\nAnpassungsentscheidung berechtigterweise - ohne dabei den ihr insoweit\neingeraumten Ermessensspielraum zu uberschreiten - annehmen, die in ihrem\nUnternehmen zu erwartende Eigenkapitalverzinsung lasse eine Anpassung der\nBetriebsrente des Klagers nach § 16 BetrAVG nicht zu.\n\n \n\n33\n\n \n\nDie Beklagte erwirtschaftete ausweislich der vorgelegten Jahresabschlusse im\nJahr 2003 einen Verlust von 77.667.152,72 €, im Jahr 2004 einen Verlust von\n26.743.978,31 € und im Jahr 2005 einen Verlust von 28.873.971,90 €. Bezuglich\nder zukunftigen Entwicklung enthalt der Lagebericht zum Jahresabschluss fur\ndas Jahr 2005 u. a. folgende Ausfuhrungen: "Wir gehen daher unter den oben\ngenannten Rahmenbedingungen fur die Jahre 2006 und 2007 von einer deutlichen\nVerbesserung beim Umsatz und Ergebnis aus. Der Break Even wird im Jahr 2006\nallerdings noch nicht erreicht." Tatsachlich betrug der Verlust im Jahr 2006\nausweislich des Jahresabschlusses fur das betreffende Jahr 12.583.134,22 €.\nAusweislich des Lageberichts zum Jahresabschluss 2006 war erst fur das Jahr\n2008 ein ausgeglichenes Ergebnis zu erwarten. Im Jahre 2007 erwirtschaftete\ndie Beklagte - unter Zugrundelegung ihres unbestritten gebliebenen\nSachvortrages - erneut einen Verlust. Ausweislich der Lageberichte zu den\nAbschlussen 2003 bis 2006 ubernahm die Muttergesellschaft der Beklagten, die\nE. Holding GmbH aufgrund eines Ergebnisabfuhrungsvertrages jeweils die\nVerluste der Beklagten, so dass diese eine ausgeglichenes Ergebnis vorweisen\nkonnte.\n\n \n\n34\n\n \n\nDie Beklagte hat somit in den Jahren 2003 bis 2006 jeweils Millionen-Verluste\nin zweistelliger Hohe hinnehmen mussen. Zwar konnten diese Verluste\nkontinuierlich verringert werden, jedoch blieben sie weiterhin erheblich. Eine\nEigenkapitalverzinsung der Anteilseigner ist bei solch hohen Verlusten\nschlichtweg nicht moglich. Soweit der Klager erstinstanzlich geltend gemacht\nhat, dass im Jahr 2005 ca. 8 Millionen Euro zur Übernahme der Aktivitaten\neines Konkurrenten und zum Kauf von Maschinen und Anlagen aufgewendet wurden,\nso spielt dies angesichts der Verluste im Jahr 2005 von uber 28 Millionen Euro\nkeine entscheidende Rolle. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Darlegung des\nKlagers, die Beklagte habe im Jahr 2006 weitere 5,4 Millionen Euro zur\nErweiterung von Kapazitaten und des Servicebetriebes investiert. Auch bei\nNichtberucksichtigung dieser Ausgaben hatte die Beklagte im Jahr 2006 noch\neinen Verlust in Hohe von ca. 7 Millionen Euro erwirtschaftet.\n\n \n\n35\n\n \n\nIn Ansehung der anhaltenden Verlustsituation der drei Jahre vor dem\nAnpassungsstichtag und der Prognosen fur die Jahre 2006 und 2007 musste die\nBeklagte davon ausgehen, dass sie jedenfalls noch in den beiden folgenden\nJahren Verluste erwirtschaften werde. Diese negative Prognose wurde dann auch\ntatsachlich bestatigt.\n\n \n\n36\n\n \n\nDie Moglichkeit einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung war somit im\nZeitpunkt der Anpassungsentscheidung nicht gegeben. Die Entscheidung der\nBeklagten, die Betriebsrente des Klagers nicht anzupassen, erweist sich daher\nals ermessensfehlerfrei. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem Umstand, dass\ndie Beklagte in ihren Bilanzen fur die Jahre 2003 bis 2006 jeweils Betrage\nhinsichtlich einer moglichen Betriebsrentenanpassung eingestellt hat. Wie\nbereits das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgrunden des erstinstanzlichen\nUrteils zutreffend ausgefuhrt hat, handelte es sich hierbei jeweils um relativ\ngeringfugige Betrage, welche das wirtschaftliche Ergebnis nur minimal\nbeeinflussen konnten. So fuhrte im Jahre 2003, in welchem ein Verlust von ca.\n77 Millionen Euro erwirtschaftet wurden, die Einstellung von\nPensionsverbindlichkeiten in die Bilanz zu einer Belastung von 4,3 Millionen\nEuro; in den Jahren 2004 bis 2006 handelte es sich jeweils lediglich um\nmehrere 100.000 Euro.\n\n \n\n37\n\n \n\nDer Klager kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Beklagte diene ihren\nAnteilseignern nicht vorrangig als Kapitalanlage, sondern vielmehr als\n"verlasslicher Großkunde", sodass die Gefahr einer Kapitalentziehung nicht\nbestehe. Es kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die Anteilseigner\nder Beklagten ihr Kapital auch dann bei dieser belassen, wenn keinerlei Gewinn\nerwirtschaftet wird und eine Eigenkapitalverzinsung unmoglich erscheint. Dies\ngilt auch dann, wenn die Beklagte ihren Anteilseignern vorwiegend zu\nVertriebszwecken dient. Die Aufrechterhaltung eines verlustreichen\nVertriebsweges auf Dauer widerspricht regelmaßig jeglicher wirtschaftlichen\nVernunft. Es ist somit keine Konstellation gegeben, in welcher bei der Prufung\neiner Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG der Gesichtspunkt einer\nangemessenen Eigenkapitalverzinsung bei der Beurteilung der wirtschaftlichen\nLage des Unternehmens keine Berucksichtigung finden konnte.\n\n \n\n38\n\n \n\n2\\. Ein Anspruch des Klagers gegen die Beklagte auf eine Erhohung seiner\nBetriebsrente ergibt sich auch nicht aus den Grundsatzen zum sogen.\nBerechnungsdurchgriff wegen konzernrechtlicher Verflechtungen.\n\n \n\n39\n\n \n\nIm Rahmen des § 16 BetrAVG ist grundsatzlich auf die wirtschaftliche Lage des\nVersorgungsschuldners abzustellen. Auf die wirtschaftlichen Verhaltnisse eines\nanderen konzernrechtlich verbundenen Unternehmens kann es nur dann ankommen,\nwenn ein entsprechender Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, auf den sich\nder Klager vorliegend jedoch nicht berufen hat, oder die konzernrechtlichen\nVerflechtungen einen sogen. Berechnungsdurchgriff rechtfertigen (BAG v.\n18.02.2003 - 3 AZR 172/02 - AP Nr. 53 zu § 16 BetrAVG).\n\n \n\n40\n\n \n\nEine konzernrechtliche Verflechtung fuhrt nur dann zu einem\nBerechnungsdurchgriff, wenn eine verdichtete Konzernbindung vorliegt und sich\naußerdem konzerntypische Gefahren verwirklichen. Eine verdichtete\nKonzernbindung liegt vor, wenn entweder ein Beherrschungs- oder\nGewinnabfuhrungsvertrag abgeschlossen wurde oder wenn ein konzernangehoriges\nUnternehmen die Geschafte des Versorgungsschuldners tatsachlich umfassend und\nnachhaltig fuhrt (BAG v. 18.02.2003 - 3 AZR 172/02 -, a. a. O.) Eine\nkonzerntypische Gefahr hat sich verwirklicht, wenn das herrschende Unternehmen\ndie Leitungsmacht in einer Weise ausgeubt hat, die keine angemessene Rucksicht\nauf die Belange der abhangigen Gesellschaft genommen, sondern stattdessen die\nInteressen anderer dem Konzern angehorender Unternehmen oder seinen eigenen\nInteressen in den Vordergrund gestellt hat und dadurch die mangelnde\nLeistungsfahigkeit des Unternehmens verursacht worden ist (BAG v. 18.02.2003,\na. a. O.).\n\n \n\n41\n\n \n\nDie Voraussetzungen fur einen Berechnungsdurchgriff hat der Betriebsrentner\ndarzulegen und im Streitfall zu beweisen. Es gibt weder einen allgemeinen\nErfahrungssatz, dass die wirtschaftliche Lage eines konzernabhangigen\nUnternehmens regelmaßig durch nachteilige, im Konzerninteresse erfolgende\nVorteilsverschiebungen beeintrachtigt werde, noch einen allgemeinen\nErfahrungssatz, dass die Allein- oder Mehrheitsgesellschafter einer\nKapitalgesellschaft deren Geschafte umfassend und nachteilig fuhren.\nAllerdings kommen dem Betriebsrentner Erleichterungen bei der Darlegungslast\nzugute. Fur einen schlussigen, einen Berechnungsdurchgriff rechtfertigenden\nVortrag wird deshalb im Zweifel eine lediglich beispielhafte Darlegung von\nEingriffen im Konzerninteresse und eine plausible Erklarung ausreichen, warum\ndiese Eingriffe nicht nur unwesentlich zur schlechten wirtschaftlichen Lage\ndes Tochterunternehmens beigetragen haben. (BAG v. 04.10.1994 - 3 AZR 910/93 -\nAP Nr. 32 zu § 16 BetrAVG). Der Betriebsrentner darf sich jedoch nicht auf\nbloße Vermutungen beschranken, sondern muss wenigstens konkrete Tatsachen\nvortragen, die greifbare Anhaltspunkte fur einen Berechnungsdurchgriff liefern\n(BAG v. 18.02.2003 - 3 AZR 172/02 -, a. a. O.).\n\n \n\n42\n\n \n\nZwischen der Beklagten und ihrer Muttergesellschaft, der E. Holding GmbH,\nbesteht ein verdichtetes Konzernverhaltnis. Dies folgt bereits aus der\nunstreitigen Existenz eines Gewinnabfuhrungsvertrages.\n\n \n\n43\n\n \n\nDer Klager hat jedoch nicht ausreichend dargetan, dass Eingriffe seitens des\nKonzerns nicht nur unwesentlich zur schlechten wirtschaftlichen Lage der\nBeklagten beigetragen haben. Soweit er behauptet, die Konzernleitungsmacht\nwerde dadurch zu Lasten der Beklagten ausgeubt, dass diese unabhangig von den\ntatsachlichen Absatzmoglichkeiten M.-Reifen quasi "auf Halde" kaufen musse, so\nwird dies durch keinerlei konkreten Tatsachen gestutzt. Insbesondere ergibt\nsich hieraus nichts aus dem Umstand, dass die Beklagte ausweislich der\nvorgelegten Jahresabschlusse große Warenvorrate hat. Bezuglich des Jahres 2006\ntragt der Klager selbst vor, dass sich die Warenvorrate außerplanmaßig wegen\neiner gesunkenen Nachfrage erhoht haben. Ein Ruckgang der Nachfrage kann\njedoch keinesfalls der Konzernleitung angelastet werden. Die Beklagte weist in\ndiesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass einerseits die Saisonzeit\nausreichend bevorratet werden muss, andererseits der Reifenabsatz stark\nwetterabhangig und daher nicht planbar ist. Auch die Behauptung des Klagers,\ndie Beklagte musse fur ihre Service-Center uberhohte Mieten an eine\nkonzerneigene Immobiliengesellschaft zahlen, findet keinerlei ausreichende\nGrundlage im Tatsachenvortrag des Klagers. Der Klager tragt diesbezuglich\nletztlich lediglich vor, die Beklagte entrichte eine durchschnittliche\nMonatsmiete von ca. 4.900,00 € pro Niederlassung und es sei davon auszugehen,\ndass ausreichend große Gewerbeflachen zu wesentlich geringeren Monatsmieten zu\nhaben seien. Bei der Annahme des Klagers, es gebe gunstigere Mietobjekte,\nhandelt es sich um eine bloße Vermutung. Die Hohe des ublichen Mietzinses ist\nu. a. insbesondere von der Große und Lage des Objekts abhangig. Diesbezuglich\nfehlt es jedoch an jeglichem Sachvortrag des Klagers. Daruber hinaus hat der\nKlager die Behauptung der Beklagten, wonach lediglich 85 der insgesamt 325\nGewerbeimmobilien von der konzerneigenen Immobiliengesellschaft angemietet\nwerden, soweit ersichtlich, nicht bestritten. Letztlich weist die Beklagte\nzutreffend darauf hin, dass - die Richtigkeit der klagerischen Behauptung\nunterstellt - sich der Verlust lediglich um die Differenz zur angemessenen\nDurchschnittsmiete verringern wurde und dies jedoch zu keiner relevanten\nVeranderung des Betriebsergebnisses fuhren konnte. Schließlich rechtfertigen\nauch die Behauptungen des Klagers, der M.-Konzern lege fur die Beklagte\neinseitig die Konzernverrechnungspreise fur den Bezug von M.-Produkten fest\nsowie auch die Preiskonzepte und Verkaufspreise von M.-Produkten und auch\neinseitig und zentral den Einkauf von Fremdprodukten/Reifen nebst\nPreiskonzepten, Verkaufspreisen und Vertriebskonzepten, im Ergebnis keinen\nBerechnungsdurchgriff. Es ist namlich weder vorgetragen noch ersichtlich,\nwarum die vom Klager behaupteten Eingriffe nicht nur unwesentlich zur\nschlechten wirtschaftlichen Lage der Beklagten beigetragen haben. Dies ware\nnur dann der Fall, wenn sich die betreffenden Festlegungen seitens des\nM.-Konzerns in irgendeiner Weise, z. B. durch Festlegung zu hoher\nEinkaufspreise oder zu niedriger Verkaufspreise negativ auf die\nGewinnmoglichkeiten der Beklagten auswirken konnten. Diesbezuglich bestehen\njedoch in Ermangelung jeglichen konkreten Tatsachenvortrages keinerlei\nAnhaltspunkte. Entsprechendes gilt hinsichtlich des Umstandes, dass der\nM.-Konzern in Deutschland einen eigenen Vertriebs-Außendienst unterhalt,\nwelcher mit Großkunden die letztlich durch die Beklagte auszufuhrenden\nRahmenvertrage unter Festlegung von Produkten, Mengen und Preisen abschließt.\nAuch diesbezuglich ist nicht erkennbar, dass dieser Eingriff zu einem\nfinanziellen Nachteil der Beklagten oder sogar mehr als nur unwesentlich zu\nderen schlechten wirtschaftlichen Lage beigetragen hat. Nicht unberucksichtigt\nbleiben kann letztlich, dass die Muttergesellschaft der Beklagten in den\nJahren 2003 bis 2006 insgesamt mehr als 100 Millionen Euro an Verlusten\nubernommen hat. Auch dies spricht gegen die Annahme, der Konzern lasse die\nInteressen der Beklagten bei Ausubung der Leitungsmacht unberucksichtigt.\n\n \n\n \n\n**III.**\n\n44\n\n \n\nDie Berufung des Klagers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden\nKostenfolge zuruckzuweisen.\n\n \n\n45\n\n \n\nFur die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2\nArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Moglichkeit, die\nNichtzulassung der Revision selbstandig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a\nArbGG), wird hingewiesen.\n\n
105,992
lg-rostock-2008-03-05-4-o-27307
480
Landgericht Rostock
lg-rostock
Rostock
Mecklenburg-Vorpommern
4 O 273/07
2008-03-05
2018-11-24 16:30:10
2019-02-26 18:50:21
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n \n\n2\\. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.\n\n \n\n3\\. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu\nvollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.\n\n \n\nStreitwert: 12.980,02 €\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDer Kläger verlangt Schadensersatz wegen des Mangels eines gekauften\nGebrauchtfahrzeugs.\n\n2\n\n \n\nMit schriftlichem Kaufvertrag vom 01.04.2007 verkaufte der Beklagte, vertreten\ndurch den Zeugen S., an den Kläger einen MAN-Autokran zum Preis von 29.500,00\nnetto/35.105,00 € brutto. Im Kaufvertrag wurden angegeben: Fahrgestell-Nummer,\nHubraum, Leistung, Kfz-Brief-Nr., Datum der Erstzulassung, amtliches\nKennzeichen. Das Verkaufsgespräch, das für den Beklagten die Zeugen S. und T.\nführten, fand mit dem Kläger am 01.04.2007 in G. auf dem Gelände der\nVoreigentümerin, der G. -GmbH, statt. Dem Kläger wurde ein Prüfprotokoll des\nDipl.-Ing. P. vom 20.02.2007 (Bl. 36 d.A.) vorgelegt, nach dem einem\nWeiterbetrieb des Turmdrehkrans keine Bedenken entgegenstanden. Die\nMitarbeiter des Beklagten erwähnten gegenüber dem Kläger auch, dass der\nBeklagte den MAN-Autokran erst kurz zuvor erworben hatte. Der Kläger ließ den\nAutokran durch seine Mitarbeiter probefahren.\n\n3\n\n \n\nDer Autokran besteht aus einem Grund- und drei Ausschubelementen. Der Antrieb\nerfolgt hydraulisch. Ein auf der Motorwelle befestigtes Ritzel (kleines\nZahnrad) treibt das Zahnrad der Windenwelle an. Nach Überführung des Fahrzeugs\nnach R…. nahm der Kläger den Autokran am 02.04.2007 in Betrieb. Beim Ausfahren\nfielen die Kranelemente ineinander, weil das zahnradseitige Lager der\nWindenwelle ein übermäßiges Spiel hatte, so dass es zu einer\nKraftschlussunterbrechung an dem Windenantrieb kam und die Zähne der Zahnräder\ndurchrutschten, so dass die Mastelemente sich ungebremst ineinander schoben\nund an den Endbegrenzungen aneinanderprallten. Nach dem (Partei-)\nSachverständigengutachten des Dipl.-Ing. M. von der DEKRA Bergisch Gladbach\nwar schadensursächlich eine verschleißbedingte Zerstörung des zahnradseitigen\nKugellagers der Windenwelle. Auf das Sachverständigengutachten und die\nanliegenden Fotos wird verwiesen.\n\n4\n\n \n\nDer Beklagte schickte dem Kläger eine Rechnung vom 02.04.2007, die einen\nGewährleistungsausschluss enthält, dem der Kläger aber später widersprach.\n\n5\n\n \n\nMit Rechtsanwaltsschreiben vom 04.04.2007 verlangte der Kläger\nMangelbeseitigung. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 02.07.2007 verlangte der\nKläger die Erstattung der Reparaturkosten, der Gutachterkosten sowie eine\nAuslagenpauschale in Gesamthöhe von 12.977,49 €. Der Beklagte lehnte dies am\n11.07.2007 ab.\n\n6\n\n \n\nDer Kläger verlangt nunmehr die Erstattung folgender Schadenspositionen:\n\n \n\n7\n\n \n--- \n\\- Reparaturkosten lt. Gutachten | 11.895,78 € \n\\- Sachverständigenkosten | 1.059,24 € \n\\- Auslagenpauschale | 25,00 € \nInsgesamt : | 12.980,02 € \n \n8\n\n \n\nDer Kläger ist der Auffassung, der verkaufte MAN-Autokran sei mangelhaft,\nwobei der Beklagte durch Vorlage des Prüfprotokolls vom 20.02.2007 zugesichert\nhabe, dass das Fahrzeug verkehrssicher betrieben werden könne.\n\n9\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n10\n\n \n\nden Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 12.080,02 € nebst Zinsen in Höhe\nvon 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 12.977,49 € seit dem\n15.07.2007 bis 08.09.2007 und aus 12.980,02 € seitdem zzgl. Kosten der\naußergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe 703,80 € zu zahlen.\n\n11\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n12\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n13\n\n \n\nDer Beklagte behauptet, er habe den MAN-Autokran am 01.04.2007 von der G.\n-GmbH gekauft und dies sei dem Kläger auch mitgeteilt worden. Vor Ort sei\nvereinbart worden, dass der Kläger den MAN-Autokran wegen verschiedener Mängel\nin der Werkstatt reparieren lasse, ferner sei mündlich ein\nGewährleistungsausschluss vereinbart worden (Zeugen S. und T. ). Während der\nBeklagte die Ursache des Defektes des Autokranes zunächst bestritten und eine\nFehlbedienung durch den Kläger behauptet hat, hat er die Ursache\n(verschlissenes Zahnrad) später unstreitig gestellt.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n14\n\n \n\nDie zulässige Klage ist unbegründet.\n\n15\n\n \n\nDem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB\ngegen den Beklagten zu, denn der Beklagte hat einen etwaigen Mangel des\nverkauften MAN-Autokrans jedenfalls nicht zu vertreten.\n\n16\n\n \n\nI. 1. Anspruchsgrundlage kann im vorliegenden Fall nur § 437 Nr. 3 BGB i.V.m.\n§ 280 Abs. 1 BGB sein, weil es sich um einen Mangelfolgeschaden handelt, der\ndurch die Beseitigung des Mangels - Austausch des verschlissenen Zahnrades -\nnicht beseitigt werden kann (vgl. Lorenz, JuS 2008, 203 [204]).\n\n17\n\n \n\n2\\. Zweifelhaft ist schon das Vorliegen eines Sachmangels bei Gefahrübergang\n(Übergabe), wobei diese Frage aber letztendlich offen bleiben kann.\n\n18\n\n \n\na) Dem verkauften MAN Autokran fehlt keine vereinbarte Beschaffenheit i.S.v. §\n434 Abs. 1 Satz 1 BGB. Alle im schriftlichen Kaufvertrag aufgeführten\nBeschaffenheitsmerkmale (Modell, Fahrgestell-Nr., Hubraum, Leistung, Kfz-\nBrief-Nr., Erstzulassung, Kennzeichen) sind tatsächlich vorhanden. Allein\ndurch die Vorlage des Prüfberichtes vom 20.02.2007 haben die Parteien nicht\nkonkludent vereinbart, dass der verkaufte MAN-Autokran auch verkehrssicher ist\nund insoweit den gutachterlichen Feststellungen entspricht - schon gar nicht\nhat der Beklagte eine derartige Beschaffenheit garantiert. Der Prüfbericht vom\n20.02.2007 findet im schriftlichen Kaufvertrag keine Erwähnung, obwohl in dem\nFormularvertrag entsprechende Felder für zusätzliche Eintragungen vorhanden\nsind. Nach dem Kaufvertrag hat der Kläger den Autokran besichtigt und\nprobegefahren. Das spricht gegen eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung\nund eher dafür, dass der Autokran so verkauft wird, wie er steht und liegt.\n\n19\n\n \n\nb) Normaler Verschleiß stellt bei einem Gebrauchtwagen grundsätzlich keinen\nMangel gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.05 -\nVIII ZR 43/05 = NJW 2006, 434). Für den normalen, gewöhnlichen Verschleiß hat\nder Verkäufer eines gebrauchten Fahrzeuges - sofern nicht eine gegenteilige\nVereinbarung vorliegt - deshalb nicht einzustehen, gleichwohl, welche\nAuswirkungen der Defekt hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 08.01.07 - 1 U\n180/06 = DAR 2007, 211). Aufgrund des vom Kläger eingereichten (Privat-)\nSachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. M. von der DEKRA Bergisch Gladbach\nsteht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass schadensursächlich eine\nverschleißbedingte Zerstörung des zahnradseitigen Kugellagers der Windenwelle\ngemäß den Darstellungen auf den Fotos 31 bis 39 war. Nach dem vorhandenen\nSpurenbild habe sich die Zerstörung des schadhaften Lagers über einen längeren\nZeitraum infolge Undichtigkeit der Lagerdichtelemente entwickelt.\nAusgewaschenes Schmiermittel und erhebliche Korrosionsbildung an den\nKugellaufbahnen des Lageraußen- und innenringes ließen die Ursachen der\nSchädigung infolge Feuchtigkeits- und Schmutzeinwirkung erkennen. Der Kläger\nhat nicht vorgetragen, dass die vom Sachverständigen beschriebenen\nVerschleißerscheinungen über das hinausgehen, was bei einem Autokran mit\nähnlichem Alter und ähnlicher Benutzungsdauer zu erwarten ist. Der verkaufte\nAutokran wurde im Juli 1995 erstzugelassen und absolvierte seit 1995 4.394\nBetriebsstunden. Hier liegt es überaus nahe, dass normaler Verschleiß\nvorliegt.\n\n20\n\n \n\nObwohl der verkaufte Autokran somit der üblichen Beschaffenheit entspricht,\nkann sich ein Sachmangel gem. § 434 Satz 2 Nr. 2 BGB daraus ergeben, dass er\nsich zum Zeitpunkt des Gefahrüberganges (Übergabe) nicht für die gewöhnliche\nVerwendung eignete. Erst wenn der Verschleißzustand einen bestimmten Grad\nerreicht und sich als Störung der Funktionstauglichkeit und/oder\nBeeinträchtigung der Verkehrs- und Betriebssicherheit bereits konkret auswirkt\noder auszuwirken unmittelbar droht, kann von einem Eignungsmangel gesprochen\nwerden (vgl. Reinking/Eckert, Der Autokauf, 9. Aufl. Rn. 1234). Bis zum\nErreichen dieser Stufe ist das Fahrzeug verwendungstauglich und unter diesem\nBlickwinkel sachmängelfrei. Da hier der verschleißbedingte Defekt des\nAutokrans bereits beim ersten Betriebsversuch des Klägers eintrat, lag\nFunktionsuntüchtigkeit quasi schon bei Übergabe vor. Da der Kläger den\nAutokran nur probegefahren ist, hat eine Funktionsprüfung offenbar nicht\nstattgefunden.\n\n21\n\n \n\n3\\. Der Beklagte hat einen etwaigen Sachmangel des verkauften Autokrans\njedenfalls nicht zu vertreten (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), was sich unabhängig\nvon der dem Beklagten obliegenden Darlegungs- und Beweislast schon aus den\nunstreitigen Umständen des Falles ergibt.\n\n22\n\n \n\nDen Kraftfahrzeughändler trifft im Gebrauchtwagengeschäft nach ständiger\nRechtsprechung keine allgemeine Untersuchungspflicht (vgl. BGH, Urteil v.\n03.11.82 - VIII ZR 282/081 = NJW 1983, 217). Der Gebrauchtwagenverkäufer kann\ndazu allenfalls aufgrund handgreiflicher Anhaltspunkte verpflichtet sein, die\nfür ihn einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen (vgl. BGH, Urteil v.\n21.01.81 - VIII ZR 10/80 = NJW 1981, 928). Hier lag dem Beklagten (bzw. seinen\nVertretern) bei Kaufvertragsabschluss der Prüfbericht eines Sachverständigen\nvom 20.02.2007 vor, nach dem einem Weiterbetrieb des Autokrans keine Gründe\nentgegenstanden und der Autokran verkehrssicher war. Es bestanden für den\nBeklagten keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Befund nicht zutrifft.\nDarüber hinaus wäre die schadensursächliche verschleißbedingte Zerstörung des\nzahnradseitigen Kugellagers der Windenwelle für den Beklagten, der keine\neigene Werkstatt unterhält, ohnehin nicht erkennbar gewesen, selbst wenn er\nden Autokran - etwa auf Unfallschäden - untersucht hätte. Aus dem\nParteigutachten der DEKRA ist ersichtlich, dass die Schadensursache nicht\nleicht zu ermitteln war, sondern im Verborgenen lag und unter der Verkleidung\nerst bei aufwändigem Auseinanderbauen der Antriebsmechanik zum Vorschein\ngekommen wäre.\n\n23\n\n \n\nEin Vertretenmüssen des Beklagten könnte mangels Bestehens einer allgemeinen\nUntersuchungspflicht nur dann bejaht werden, wenn der Beklagte auf die nicht\ndurchgeführte eigene Untersuchung hinweisen musste. Dies ist im konkreten Fall\njedoch zu verneinen, denn aus den Umständen bei Abschluss des Kaufvertrages\nergab sich auch für den Kläger offenkundig, dass der Beklagte den MAN-Autokran\nnicht untersucht hatte und dies wegen des erst kurz zuvor bzw. gleichzeitig\nerfolgten eigenen Einkaufs auch nicht konnte. Ausweislich des in der\nmündlichen Verhandlung eingereichten Kaufvertrages kaufte der Beklagte den\nMAN-Autokran ebenfalls am 01.04.2007 von der G. -GmbH. Die\nKaufvertragsverhandlungen mit dem Kläger fanden noch auf dem Gelände der\nVoreigentümerin statt, so dass auch für den Kläger offenkundig war, dass der\nBeklagte den Autokran unmittelbar weiterverkauft, ohne irgendwelche\nUntersuchungen vorzunehmen. Der Kläger hat nicht bestritten, dass auch die\nVerkaufsverhandlungen der Parteien unmittelbar in G. auf dem Gelände der G.\n-GmbH stattfanden.\n\n24\n\n \n\n4\\. Auf den vom Beklagten behaupteten Gewährleistungsausschluss kommt es nach\nallem nicht mehr an, wobei allerdings die Vermutung der Vollständigkeit und\nRichtigkeit des schriftlichen Kaufvertrages gegen einen daneben vereinbarten\nGewährleistungsausschluss spricht.\n\n25\n\n \n\nII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.\n\n26\n\n \n\nIII. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.\n\n
107,671
lagmv-2007-08-28-5-sa-8307
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
5 Sa 83/07
2007-08-28
2018-11-25 16:30:11
2019-02-14 07:52:07
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.\n\n \n\n2\\. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.\n\n \n\n3\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten\nÄnderungskündigung, die die beklagte Hansestadt mit dem Ziel ausgesprochen\nhat, das Vollzeitarbeitsverhältnis zur Klägerin zukünftig als\nTeilzeitarbeitsverhältnis mit einer Arbeitspflicht von 32 Stunden pro Woche\nfortzuführen.\n\n2\n\n \n\nDie beklagte Hansestadt betreibt als freiwillige kommunale Aufgabe eine\nBibliothek mit drei Arbeitnehmern. Die Klägerin ist die Leiterin der\nBibliothek, ihr unterstehen die beiden anderen Mitarbeiterinnen.\n\n3\n\n \n\nDie Stadtvertretung der Beklagten hat im März 2005 beschlossen, den Zuschuss\nfür die Personalkosten der Bibliothek ab 2006 um 20 Prozent zu kürzen.\nDementsprechend weist der im März 2006 mit dem Haushaltsplan verabschiedete\nStellenplan für das Jahr 2006 für die Leiterin der Bibliothek nur noch eine\nTeilzeitstelle mit 32 Wochenstunden aus. Auch die beiden anderen Stellen der\nBibliothek wurden entsprechend reduziert.\n\n4\n\n \n\nAuf dieser Basis ist die streitgegenständliche Änderungskündigung vom\n20.03.2006 ausgesprochen worden. Um das Leistungsangebot der Bibliothek an das\ngeänderte Leistungspotential anzugleichen, wurde die Öffnungszeit der\nErwachsenenbibliothek, in der die Klägerin und die Kollegin F. tätig sind, von\n20 Stunden in der Woche auf 16 Stunden gekürzt. Die Kinderbibliothek, in der\ndie dritte Mitarbeiterin tätig ist, ist bereits auf Grund früherer\nEntscheidungen nur noch 15 Stunden pro Woche geöffnet.\n\n5\n\n \n\nDie 1948 geborene Klägerin ist ausgebildete Bibliothekarin und sie ist als\nsolche seit Mai 1970 in der Einrichtung tätig. Sie erhält derzeit Vergütung\nnach der Entgeltgruppe 9 TVöD.\n\n6\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat die rechtzeitig erhobene Änderungskündigungsschutzklage\nmit Urteil vom 29.01.2007, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-\nund Streitstandes erster Instanz Bezug genommen wird, abgewiesen.\n\n7\n\n \n\nMit der rechtzeitig eingelegten und fristgerecht begründeten Berufung verfolgt\ndie Klägerin ihr ursprüngliches Klageziel im vollen Umfang weiter.\n\n8\n\n \n\nDie Klägerin weist darauf hin, dass die Reduzierung der Öffnungszeit der\nBibliothek um lediglich vier Stunden pro Woche eine Reduzierung der\nArbeitszeit um acht Stunden pro Woche nicht rechtfertigen könne. Weitere\nOrganisationsmaßnahmen, die Einfluss auf die Menge der von der Klägerin zu\nerledigenden Aufgabe habe, seien nicht bzw. nur unsubstantiiert vorgetragen.\nDaher sei es nicht nachvollziehbar, worauf das Arbeitsgericht seine\nFeststellung stütze, dass die Klägerin auch nach Wirksamwerden der\nÄnderungskündigung nicht überfordert werden würde.\n\n9\n\n \n\nAußerdem wiederholt die Klägerin ihre Rüge der fehlerhaften\nPersonalratsanhörung sowie die Rüge der unrechtmäßigen Ungleichbehandlung. In\ndiesem Zusammenhang kritisiert die Klägerin, dass die Mitarbeiter der\nBibliothek vom Anwendungsbereich des tariflichen Bezirksvertrages zur\nBeschäftigungssicherung ausgeklammert seien. Das habe zur Folge, dass sie und\nihre Kolleginnen aus der Bibliothek ungleich intensiver unter den\nFinanzproblemen der beklagten Hansestadt leiden würden, als die meisten\nübrigen Mitarbeiter der Beklagten.\n\n10\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n11\n\n \n\nunter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils festzustellen, dass die\nÄnderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 20.03.2006 unwirksam\nist und das Arbeitsverhältnis über den 30.09.2006 hinaus zu unveränderten\nBedingungen fortbesteht.\n\n12\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n13\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n14\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst\nAnlagen Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n15\n\n \n\nDie statthafte Berufung ist nicht begründet. Das Berufungsgericht legt den\nklägerischen Sachantrag trotz seiner etwas undeutlichen Formulierung als einen\nbloßen Änderungskündigungsschutzantrag im Sinne von §§ 2, 4 KSchG aus. Dies\nerfolgt auf dem Hintergrund, dass die etwas undeutliche Formulierung im Antrag\nmit den Worten "und das Arbeitsverhältnis über den 30.09.2006 hinaus zu\nunveränderten Bedingungen fortbesteht" als eigenständiger zweiter\nStreitgegenstand aufgefasst, unzulässig wäre, da weder erstinstanzlich noch\nzweitinstanzlich dargetan wurde, worin das Rechtsschutzbedürfnis für eine\ndahingehende Feststellung begründet sein soll.\n\n16\n\n \n\nDie streitgegenständliche ordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung ist\nwirksam. Die bisher vollbeschäftigte Klägerin ist daher ab dem 01.10.2006 nur\nnoch teilzeitbeschäftigt mit einer Arbeitspflicht von 32 Stunden pro Woche.\nDies hat das Arbeitsgericht, auf dessen Ausführungen Bezug genommen wird,\nzutreffend erkannt.\n\n17\n\n \n\nDas Berufungsvorbringen kann die gefällte Entscheidung nicht in Frage stellen.\n\n18\n\n \n\n1\\. Die Schlussfolgerung des Arbeitsgerichtes, die Klägerin werde nicht\nüberfordert, obwohl die Öffnungszeiten der Bibliothek lediglich um vier\nStunden pro Woche reduziert werden, hat die Klägerin in der Berufung nicht\nerfolgreich angegriffen.\n\n19\n\n \n\nDie Beklagte hat - allerdings ohne weitere Details - vorgetragen, auch die\nAufgaben der Klägerin außerhalb der Öffnungszeiten hätten sich um vier Stunden\npro Woche reduziert. Das hält das Berufungsgericht wegen der Besonderheiten\nder Arbeitsaufgabe der Klägerin im vorliegenden Einzelfall noch für\nausreichend substantiiert. Denn als Leiterin der Bibliothek teilt sich die\nKlägerin ihre Arbeit außerhalb der Öffnungszeiten selbst ein. Wird nun ihre\nArbeitszeit reduziert, hat sie als Führungskraft die Aufgabe, selbst zu\nentscheiden, welche Arbeiten sie zukünftig oberflächlicher zu erledigen hat\nund welche Arbeiten sie gegebenenfalls gänzlich einzustellen hat. Die Beklagte\nhat auf ausdrückliches Fragen des Gerichtes in der mündlichen Verhandlung dazu\nnoch bestätigt, dass ihr bewusst ist, dass mit der beschlossenen\nArbeitszeitreduzierung ein Qualitätsverlust der Bibliothek einhergehen wird.\nVon der Klägerin wird also gar nicht verlangt, dass sie alle ihre bisherigen\nAufgaben in der bisher geübten Breite und Tiefe weiter führen solle. Daher\nkann die Arbeitszeitreduzierung vorliegend nicht zu einer Überforderung der\nKlägerin geführt haben.\n\n20\n\n \n\n2\\. Die Klägerin wird durch die Änderungskündigung auch nicht rechtswidrig\nungleich behandelt, denn für die Nichteinbeziehung der Mitarbeiter der\nBibliothek in den bezirklichen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für\ndie Mitarbeiter der beklagten Hansestadt sprechen sachliche Gründe.\n\n21\n\n \n\nAus dem Anwendungsbereich des Tarifvertrages werden all die Verwaltungsteile\nausgenommen, für die die tariflich vorgesehene Stundenreduzierung um drei\nStunden pro Woche nicht ausreichend war. Das betrifft neben der Bibliothek\nauch die Schwimmhalle (soll gänzlich geschlossen werden) sowie den Stadtforst\nund den Bauhof.\n\n22\n\n \n\nEine weitere Aufklärung der tatsächlichen Schieflage in diesen Bereichen\nbedarf es nicht, da diese Bereiche bereits durch die Tarifvertragsparteien aus\ndem Anwendungsbereich des Tarifvertrages ausgenommen wurden. Auf Grund der\nMächtigkeit beider Tarifpartner ist davon auszugehen, dass beide Seiten\nwussten, aus welchen einzelnen Gründen sie den sachlichen und persönlichen\nAnwendungsbereich des Tarifvertrages in dieser Weise eingeschränkt haben. Dies\nist vom Gericht so hinzunehmen, zumal im Bereich der Bibliothek die\nStadtvertreterversammlung bereits vor Abschluss des Tarifvertrages zur\nBeschäftigungssicherung die Zielgröße des Personalabbaus im Bereich der\nBibliothek vorgegeben hatte und der Verwaltung bei Abschluss des\nTarifvertrages insoweit die Hände gebunden waren. Da es sich bei der\nBibliothek um eine freiwillige kommunale Aufgabe handelt, hat die\nStadtvertretung auch die Freiheit, den Umfang dieser freiwilligen Leistung für\ndie Zukunft frei festzusetzen.\n\n23\n\n \n\n3\\. Die Rüge der mangelhaften Unterrichtung der Personalvertretung im Rahmen\nder Beteiligung an der streitgegenständlichen Änderungskündigung greift nicht.\n\n24\n\n \n\nDie Beklagte hat die Änderungskündigung auf den Zielbeschluss der\nStadtvertretung aus März 2005, auf den Stellenplan 2006 und auf die geänderten\nÖffnungszeiten gestützt. Darüber hat der Bürgermeister der Beklagten den\nPersonalrat mit Anschreiben vom 02.03.2006 umfänglich unterrichtet. Eine\nweitergehende Unterrichtung über die Frage, weshalb die Mitarbeiter der\nBibliothek nicht in den Beschäftigungssicherungstarifvertrag aufgenommen\nwurden, war nicht erforderlich.\n\n25\n\n \n\n4\\. Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels trägt die Klägerin (§ 97 ZPO).\n\n26\n\n \n\nDie Zulassung der Revision ist nicht veranlasst.\n\n
108,345
lagmv-2007-05-10-1-sa-37406
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
1 Sa 374/06
2007-05-10
2018-11-25 23:30:12
2019-02-14 08:20:07
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock\nvom 15. November 2006 - 4 Ca 260/06 - wird zurückgewiesen.\n\n \n\n2\\. Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Beklagte.\n\n \n\n3\\. Die Revision wird zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um die Kündigung des seit dem 1.1.1988 bestehenden\nArbeitsverhältnisses des Klägers im Universitätsklinikum R., welches aufgrund\nder Landesverordnung über die Errichtung des Universitätsklinikums R. der\nUniversität R. als Anstalt des öffentlichen Rechts vom 25.11.2005 (UKRVO-\nGVOBl. MV S. 562 ff.) anstelle der bisherigen zentralen Betriebseinheit der\nUniversität als rechtfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet worden\nist.\n\n2\n\n \n\nDie Kündigung ist mit Schreiben vom 30.1.2006 - fristgemäß zum 30.9.2006 -\ndurch Frau I. als Kaufmännischer Direktorin ausgesprochen worden (Blatt 9 d.\nA.) und dem Kläger am 2.2.2006 zugegangen. Der Kläger hat mit anwaltlichem\nSchreiben vom 3.2.2006 die Kündigung mangels Vorlage einer Vollmacht\nzurückgewiesen (Blatt 10 d. A.) und am 8.2.2006 Klage auf Feststellung und\nWeiterbeschäftigung erhoben.\n\n3\n\n \n\nDas Arbeitsgericht Rostock hat mit seinem auf die mündliche Verhandlung vom\n11.10.2006 ergangenen, am 15.11.2006 verkündeten Urteil für Recht erkannt:\n\n4\n\n \n\n1\\. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien\ndurch die Kündigung der Beklagten vom 31.1.2006 nicht aufgelöst worden ist.\n\n5\n\n \n\n2\\. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss\ndes Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen als Referatsleiter\nInnerer Dienstbetrieb und Logistik entsprechend der Verbindungsmerkmale IIa\nBAT-O weiterzubeschäftigen.\n\n6\n\n \n\n3\\. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.\n\n7\n\n \n\n4\\. Der Streitwert wird auf EUR 16.164,96 festgesetzt.\n\n8\n\n \n\nIn der Begründung seiner Entscheidung ist das Arbeitsgericht davon\nausgegangen, dass die Kündigung gemäß § 174 BGB unwirksam war. Darauf, ob die\nKündigung sozial gerechtfertigt war und ob eine ordnungsgemäße\nPersonalratsbeteiligung erfolgt war, ist das Arbeitsgericht nicht weiter\neingegangen. Auf Weiterbeschäftigung sei zu erkennen gewesen, weil nur dieser\nAntrag vollstreckbar sei.\n\n9\n\n \n\nDie Beklagte hat die Kündigung damit begründet, dass der Klinikvorstand am\n18.10.2005 eine Strukturveränderung des Dezernats D05 beschlossen habe, durch\ndie die Leitungsebene der Referate abgeschafft werden sollte. Dadurch sei der\nArbeitsplatz des Klägers zum 1.1.2006 weggefallen. Die Umstrukturierung sei\nauch als Rationalisierungsmaßnahme erforderlich und entgegen der Auffassung\ndes Klägers nicht mitbestimmungspflichtig gewesen. Da der damalige\nKlinikvorstand personenidentisch mit dem jetzigen Vorstand der Anstalt des\nöffentlichen Rechts sei, sei die von ihm getroffene unternehmerische\nEntscheidung auch nach Wechsel der Rechtsform weiterhin gültig.\n\n10\n\n \n\nEine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz habe\nfür den Kläger nicht bestanden. Im Rahmen der Sozialauswahl sei der Kläger nur\nmit Frau F. vergleichbar, jedoch nicht schutzwürdiger als diese (Kläger: 51\nJahre alt, 17 Jahre beschäftigt, 1 Kind; Frau F.: 49 Jahre alt, 21 Jahre\nbeschäftigt, 1 Kind, einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt). Mit dem\ntechnischen Referatsleiter H. sei der Kläger entgegen seiner Auffassung wegen\nunterschiedlicher Qualifikationen nicht vergleichbar. Auch soweit der Kläger\nsich - neben dem allgemeinen Bestreiten der zum Wegfall seines Arbeitsplatzes\nführenden Strukturveränderung - darauf berufe, dass er auf der frei werdenden\nStelle des Referenten für Arbeitssicherheit Herrn M. hätte weiterbeschäftigt\nwerden können, sei er - abgesehen davon, dass die Altersteilzeit-\nFreistellungsphase des Herrn M. erst ab 1.4.2007 beginne - auch hierfür nicht\nqualifiziert.\n\n11\n\n \n\nZur Personalratsanhörung verweist die Beklagte auf das Schreiben vom\n15.12.2005 (Blatt 111 - 116 d. A.) sowie ein ergänzendes Gespräch, das Anfang\nJanuar 2006 mit dem Wahlvorstand geführt worden sei, der gemäß § 20 Abs. 4\nUKRVO i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 PersVG MV seit 1.1.2006 die\nAufgaben und Befugnisse des Personalrats wahrzunehmen hatte. Der Kläger\nbezweifelt, dass die Anhörung des Personalrats der Universität vom 15.12.2005\nnach Wechsel der Rechtsform fortwirke und rügt den Vortrag zum Inhalt des\nGesprächs mit dem Wahlvorstand als unsubstantiiert. Darüber hinaus bestreitet\ner mit Nichtwissen, dass dem insoweit tätigen Herrn M. die personalrechtlichen\nBefugnisse zum Auftreten gegenüber dem Personalrat übertragen worden seien.\n\n12\n\n \n\nZur Kündigungsbefugnis der Frau I. trägt die Beklagte vor, dass der\nGründungsrat des Universitätsklinikums zufolge dem als Anlage BK3 vorgelegten\nProtokoll (Blatt 254 - 257 d. A.) in seiner Sitzung am 9.12.2005 einen\nvorläufigen Vorstand, bestehend aus Prof. Dr. Sch.-W., Prof. Dr. B., Frau R.\nund Frau I., berufen (und Anfang Januar 2006 nochmals im Umlaufverfahren\nbestätigt) habe, dem außerdem gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 2 UKRVO Frau Prof.\nN.-Sch. als Dekanin der Medizinischen Fakultät angehört habe. Dieser habe in\nseiner Sitzung vom 3.1.2006 die als Anlage BK2 (Blatt 220 - 225 d. A.)\nvorgelegte Geschäftsordnung des Vorstandes des Universitätsklinikums\nbeschlossen, in dessen § 4 Abs. 4 als Geschäftsbereich des Kaufmännischen\nDirektors die Personal- und Wirtschaftsangelegenheiten bestimmt und ihm für\ndie Erfüllung der laufenden Aufgaben des Geschäftsbetriebs die Vollmacht zur\nEinzelvertretung übertragen ist. Sie verweist darauf, dass auch die vom\nAufsichtsrat erlassene Satzung (Anlage BK1, Blatt 210 - 219 d. A.) in § 7 Abs.\n6 ebenso wie die Regelung in § 10 Abs. 1 UKRVO die Möglichkeit der Übertragung\nder personalrechtlichen Befugnisse auf die Kaufmännische Direktorin oder den\nKaufmännischen Direktor vorsehen. Diese Übertragung sei auch durch die\n"Delegationsverfügung" des Ärztlichen Direktors vom 17.1.2006 (Anlage B1,\nBlatt 26 d. A.) nochmals bestätigt worden. Im Übrigen bekleide die\nKaufmännische Direktorin eine Position, in der die Befugnis zum Ausspruch von\nKündigungen üblich sei, so dass es schon deshalb der Beifügung einer Vollmacht\nnicht bedurft habe.\n\n13\n\n \n\nDer Kläger bestreitet mit Nichtwissen, dass der vorläufige Vorstand wirksam\nberufen worden sei. Dies habe vor dem 1.1.2006, dem Tag des Inkrafttretens der\nUKRVO nicht erfolgen können. Die Bestätigung des vom Gründungsrat schon\nvorgefassten Beschlusses im Umlaufverfahren sei nicht substantiiert dargelegt.\nGleiches gelte auch für die Ladungen des vorläufigen Vorstandes und des\nAufsichtsrates zu Sitzungen Anfang Januar 2006 und die Beschlussfassung über\nSatzung und Geschäftsordnung, so dass auch deren wirksames Zustandekommen wie\nauch die Übertragung der Einzelvertretungsbefugnis an die Kaufmännische\nDirektorin zu bezweifeln sei.\n\n14\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien im\nBerufungsrechtszuge wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 1.3.2007,\n25.4.2007 und 7.5.2007 sowie die Schriftsätze des Klägers vom 26.3.2007 und\n2.5.2007 Bezug genommen.\n\n15\n\n \n\nIm Berufungsrechtszuge strebt die Beklagte hilfsweise auch die gerichtliche\nAuflösung des Arbeitsverhältnisses an, was sie damit begründet, dass die\nBeklagte aufgrund jahrelanger Prozesse (um frühere Änderungskündigungen und\nKündigungen, in denen der Kläger rechtskräftig obsiegt hatte - Arbeitsgericht\nRostock, 1 Ca 670/97 und 4 Ca 2378/04) das fachliche und persönliche Vertrauen\nin den Kläger verloren habe und mehrere Mitarbeiter gegenüber dem\nPersonaldezernenten M. erklärt hätten, nicht mehr mit dem Kläger\nzusammenarbeiten zu wollen, was vom Kläger bestritten wird.\n\n16\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n17\n\n \n\ndas Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 15.11.2006 - 4 Ca 260/06 -\nabzuändern und die Klage abzuweisen; hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen\nZahlung einer Abfindung aufzulösen.\n\n18\n\n \n\nDer Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n19\n\n \n\nDie nach der am 4.12.2006 erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Urteils\nam 21.12.2006 form- und fristgerecht eingelegte und nach entsprechender\nFristverlängerung am 1.3.2007 form- und fristgerecht begründete Berufung der\nBeklagten ist nicht begründet.\n\n20\n\n \n\nDas Berufungsgericht teilt die Auffassung der Vorinstanz, dass die Kündigung\nvom 31.1.2006 gemäß § 174 BGB unwirksam ist. Auf die Ordnungsgemäßheit der\nPersonalratsbeteiligung und die soziale Rechtfertigung der Kündigung durch\nbetriebsbedingte Gründe kommt es deshalb auch in zweiter Instanz nicht an.\n\n21\n\n \n\nGemäß § 174 BGB ist eine Kündigung unwirksam, wenn sie durch einen\nBevollmächtigten ausgesprochen wird, der eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt\nund der Empfänger das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich\nzurückweist, es sei denn, dass der Empfänger durch den Vollmachtgeber von der\nBevollmächtigung in Kenntnis gesetzt war.\n\n22\n\n \n\nDie Bestimmung des § 174 BGB ist auf die durch die Kaufmännische Direktorin\nFrau I. ausgesprochene Kündigung anwendbar. Voraussetzung für die Anwendung\ndes § 174 - der grundsätzlich auch im öffentlichen Dienst gilt - ist, dass die\nVertretungsmacht zum Ausspruch der Kündigung auf einer Vollmacht und nicht\netwa auf einer gesetzlichen Grundlage - gesetzlicher Vertretung oder\norganschaftlicher Stellung - beruht (BAG, Urteil vom 20.9.2006, 6 AZR 82/06,\nNZA 07, 377 = DB 07, 919).\n\n23\n\n \n\nDie Vertretungsbefugnis der Frau I. beruht - auch wenn ihre wirksame Berufung\nzur Kaufmännischen Direktorin sowie der wirksame Erlass der Satzung durch den\nAufsichtsrat und der Geschäftsordnung durch den Vorstand des\nUniversitätsklinikums entgegen den Zweifeln des Klägers unterstellt wird -\nnicht unmittelbar auf gesetzlicher Regelung oder organschaftlicher Stellung,\nsondern auf einer durch den Vorstand erteilten Vollmacht.\n\n24\n\n \n\nGemäß § 5 UKRVO wird das Universitätsklinikum als Anstalt öffentlichen Rechts\ndurch den Vorstand geleitet (§ 5 Abs. 1), der aus bis zu fünf Mitgliedern\nbesteht (§ 5 Abs. 3), darunter der Ärztliche Direktor und die Kaufmännische\nDirektorin. Die Vertretung nach außen (gerichtlich und außergerichtlich)\nerfolgt durch den Ärztlichen Direktor gemeinsam mit der Kaufmännischen\nDirektorin (§ 5 Abs. 1 S. 2 UKRVO).\n\n25\n\n \n\nBezüglich der personalrechtlichen Befugnisse regelt § 10 Abs. 1 UKRVO, dass\ndiese vom Vorstand ausgeübt werden, welcher sie ganz oder teilweise auf die\nKaufmännische Direktorin oder den Kaufmännischen Direktor übertragen kann, der\noder die unabhängig von dieser Übertragung die Funktion der\nDienststellenleitung gemäß § 8 Abs. 4 PersVG ausübt. § 10 Abs. 1 UKRVO\nunterscheidet also zwischen den personalvertretungsrechtlichen Befugnissen\n(gegenüber dem Personalrat) und den personalrechtlichen Befugnissen (gegenüber\nden Arbeitnehmern). Während die personalvertretungsrechtlichen Befugnisse der\nDienststellenleitung von vornherein der Kaufmännischen Direktorin durch die\nRegelung der Verordnung übertragen sind, verbleiben die personalrechtlichen\nBefugnisse - und damit auch das Recht zum Ausspruch der Kündigung gegenüber\neinzelnen Arbeitnehmern - zunächst beim Vorstand als Organ. Die Übertragung\ndieser Befugnisse auf ein einzelnes Vorstandsmitglied bedarf eines\nzusätzlichen Willensaktes des Vorstandes.\n\n26\n\n \n\nDie vom Aufsichtsrat erlassene Satzung entspricht in ihrem § 7 Abs. 6 wörtlich\ndem § 10 Abs. 1 UKRVO. Dem entspricht auch § 7 Abs. 3 der Satzung, wonach der\nVorstand für seine Mitglieder Geschäftsbereiche festlegen und ihnen für die\ndort anfallenden laufenden Geschäfte die Befugnis zur Einzelvertretung\nerteilen kann. Diese Bestimmungen zeigen, dass die bloße Übertragung eines\nGeschäftsbereiches - dem für die Kaufmännische Direktorin bereits in § 7 Abs.\n4 der Satzung die Personal- und Wirtschaftsangelegenheiten ausdrücklich\nzugerechnet werden - für sich genommen noch nicht mit der Übertragung der\nEinzelvertretungsbefugnis verbunden ist.\n\n27\n\n \n\nDie Übertragung der Einzelvertretungsbefugnis vom Vorstand an die\nKaufmännische Direktorin ist sodann erst in § 4 Abs. 4 der Geschäftsordnung\ndes Vorstandes erfolgt, wo es heißt: "Er übt in der Funktion des Leiters der\nDienststelle gemäß § 8 Abs. 4 des Personalvertretungsgesetzes ... für das\nPersonal des Universitätsklinikums die personalrechtlichen Befugnisse aus. Für\ndie Erfüllung der laufenden Aufgaben des Geschäftsbetriebes erhält der\nKaufmännische Direktor die Vollmacht zur Einzelvertretung."\n\n28\n\n \n\nZu den laufenden Aufgaben des Geschäftsbetriebes gehören im Rahmen der\npersonalrechtlichen Befugnisse der Dienststellenleiterin auch die Begründung\nund die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Die Vorstellung des Klägers, der\nBegriff der "Erfüllung der laufenden Aufgaben" habe etwas mit der aus dem\nAbstraktionsprinzip folgenden Unterscheidung von der Begründung und Erfüllung\nvon Schuldverhältnissen zu tun und könne deshalb nicht auf die Kündigung\nbezogen werden, da diese keine Erfüllung sei, ist verfehlt. Die Übertragung\nder Vollmacht zur Einzelvertretung widerspricht auch nicht § 5 Abs. 1 UKRVO\nals höherrangigem Recht, weil die Möglichkeit der Übertragung\npersonalrechtlicher Befugnisse auf ein einzelnes Vorstandsmitglied in § 10\nAbs. 1 UKRVO ausdrücklich angelegt ist.\n\n29\n\n \n\nAllerdings begründet die Übertragung der Vollmacht zur Einzelvertretung in § 4\nAbs. 4 der durch Beschluss des Vorstandes errichteten Geschäftsordnung weder\neine gesetzliche Vertretung noch eine organschaftliche Vertretung des\neinzelnen Vorstandsmitglieds. Die Entscheidung des Vorstandes, einem einzelnen\nVorstandsmitglied für seinen Geschäftsbereich Einzelvertretungsbefugnis zu\nerteilen, stellt eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung dar - unabhängig\ndavon, ob dies generalisierend in Form einer Geschäftsordnung oder durch eine\nEinzelbeschlussfassung erfolgt. Auf eine derart erteilte Vollmacht sind die\nBestimmungen über die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht gemäß §§ 164 ff.\nBGB, insbesondere auch § 174 BGB, anwendbar.\n\n30\n\n \n\nBehördeninterne Vertretungsregelungen führen nicht zur Gleichstellung des\ndadurch bevollmächtigten Vertreters mit dem gesetzlichen oder\norganschaftlichen Vertreter, sondern stellen eine Form der\nrechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung dar, auch wenn sie in einer\nGeschäftsordnung oder einem Geschäftsverteilungsplan enthalten sind (BAG,\nUrteil vom 12.1.2006, 2 AZR 179/05, AP Nr. 54 zu § 1 KSchG 1969\nverhaltensbedingte Kündigung = NZA 2006, 980; BAG, Urteil vom 20.9. 2006, 6\nAZR 82/06, a. a. O.). Für die - auch in einer Geschäftsordnung erfolgte -\nBevollmächtigung eines einzelnen Mitglieds eines kollektiven Vertretungsorgans\nzur Einzelvertretung in einem ihm zugewiesenen Geschäftsbereich hat das\nGleiche zu gelten.\n\n31\n\n \n\nEntgegen der Ansicht des LAG Hessen (Urteil vom 18.7.2006, 1 Sa 361/06, NZA-RR\n2007, 195), ist die Einräumung einer Vertretungsbefugnis im Rahmen einer durch\nden Vorstand einer Körperschaft (oder im hier zu entscheidenden Fall einer\nAnstalt) des öffentlichen Rechts erlassenen Geschäftsordnung nicht auf die\ngleiche Stufe zu stellen mit der Vertretungsbefugnis eines besonderen\nVertreters (eines Vereins) gemäß § 30 BGB, für den das Bundesarbeitsgericht\n(Urteil vom 18.1. 1990, 2 AZR 358/89, AP Nr. 1 zu § 30 BGB = NZA 1990, 520)\ndie Nichtanwendbarkeit des §§ 164 ff., 174 BGB entschieden hat; denn für den\nzu einem besonderen Vertreter gemäß § 30 BGB Bestellten geht die\nVertretungsmacht unmittelbar auf die Satzung und die gesetzliche Bestimmung\nzurück, so dass er in der Tat einem gesetzlichen oder organschaftlichen\nVertreter gleichzuachten ist, während für die Kaufmännische Direktorin des\nUniversitätsklinikums R. die Satzung in § 7 Abs. 6 in Übereinstimmung mit der\nRechtvorschrift des § 10 Abs. 1 UKRVO lediglich eine Ermächtigung an den\nVorstand zur Erteilung der Einzelvertretungsbefugnis an ein einzelnes\nVorstandsmitglied enthält, von der der Vorstand nach seinem Belieben Gebrauch\nmachen kann oder auch nicht, so dass es über die rechtliche Regelung hinaus\neines Willensaktes des Vorstandes bedarf, um die Befugnis zur Einzelvertretung\nzu erteilen. Damit steht diese aber der rechtsgeschäftlichen\nVollmachtserteilung näher als der durch generelle Regelungen begründeten\ngesetzlichen oder organschaftlichen Vertretung.\n\n32\n\n \n\nDie Kaufmännische Direktorin hat bei Ausspruch der Kündigung eines\nVollmachtsurkunde nicht vorgelegt. Der Kläger hat die Kündigung unverzüglich\nzurückgewiesen. Die Zurückweisung war nicht gemäß § 174 S. 2 BGB\nausgeschlossen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Vorstand den\nKläger von der Alleinvertretungsbefugnis der Kaufmännischen Direktorin in\nKenntnis gesetzt hatte.\n\n33\n\n \n\nEine ausdrückliche Erklärung des Vorstandes gegenüber dem Kläger ist\nunstreitig nicht erfolgt. Auch die "Delegationsverfügung" des Ärztlichen\nDirektors vom 17.1.2006, welche hätte ausreichend sein können, da zur\nwirksamen Vertretung nach außen gemäß § 5 Abs. 1 UKRVO eine gemeinsame\nErklärung von Ärztlichem und Kaufmännischem Direktor genügte, war der\nKündigung nicht beigefügt. Die Beklagte hat auch nicht vortragen können, dass\ndie Geschäftsordnung des Vorstandes oder die "Delegationsverfügung" vom\n17.1.2006 (zumindest innerhalb der Dienststelle) in einer Weise veröffentlicht\nwaren, die eine Kenntnis oder jedenfalls ein Kennenmüssen des Klägers von\ndieser Vertretungsregelung begründet hätte.\n\n34\n\n \n\nUnzureichend für § 174 S. 2 BGB ist es, wenn der Kläger lediglich die\nMöglichkeit gehabt hat, sich - etwa in der Geschäftsstelle des Vorstandes -\nselbst Kenntnis von der Geschäftsordnung zu verschaffen. § 174 S. 2 verlangt\nvom Erklärungsempfänger keine Nachforschungen über die Bevollmächtigung des\nErklärenden, weshalb das Bundesarbeitsgericht sogar die Einstellung einer\nVertretungsregelung in das Intranet als nicht ausreichend angesehen hat\n(Urteil vom 20.9.2006, a. a. O.).\n\n35\n\n \n\nDie Kaufmännische Direktorin hat im Januar 2006 bei der Beklagten als Anstalt\ndes öffentlichen Rechts auch keine Stellung bekleidet, aufgrund derer die\nArbeitnehmer von vornherein davon ausgehen müssten, dass sie ohne Weiteres\nallein zum Ausspruch von Kündigungen befugt war. Zwar ist mit der\nRechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich davon auszugehen, dass\nein Inkenntnissetzen von der Kündigungsvollmacht eines Mitarbeiters auch\ndadurch erfolgen kann, dass der betreffende Mitarbeiter in eine Stellung\nberufen wird, mit der das Kündigungsrecht regelmäßig verbunden ist, wie\nbeispielsweise als Leiter einer Personalabteilung oder Generalbevollmächtigter\neines Betriebes (BAG, Urteil vom 3.7.2003, 2 AZR 235/02, AP Nr. 45 zu § 1\nKSchG 1969 verhaltensbedingte Kündigung = NZA 2004, 1547 m. w. N.). Ob eine\nsolche Stellung gegeben ist, ist aber regelmäßig von den Umständen des\nEinzelfalles abhängig (BAG, Urteil vom 3.7.2003, a. a. O.).\n\n36\n\n \n\nFür den vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass es sich bei der Beklagten\num eine gerade erst kurz vor Ausspruch der Kündigung neu gegründete Anstalt\ndes öffentlichen Rechts handelte, deren in Gestalt der UKRVO veröffentlichte\nrechtliche Grundlagen gerade keine Alleinvertretung, sondern eine gemeinsame\nVertretung nach außen durch Ärztlichen und Kaufmännischen Direktor vorsahen\nund für die eine weitere Delegation des Kündigungsrechtes durch die UKRVO\nebenso wie durch die Satzung des Universitätsklinikums nicht ausgeschlossen,\naber in das Belieben des Vorstandes gestellt waren. Auch wenn der Vorstand von\nder ihm eingeräumten rechtlichen Möglichkeit der Einräumung einer\nEinzelvertretungsbefugnis im Personalbereich für die Kaufmännische Direktorin\nGebrauch gemacht hat, kann angesichts dessen, dass dieser Umstand nicht\nbekannt gemacht war, jedenfalls für den Zeitpunkt des Zugangs am 2. Februar\n2006 noch nicht davon ausgegangen werden, dass die Kaufmännische Direktorin in\ndieser neu eingerichteten Anstalt öffentlichen Rechts eine Position\nbekleidete, für die die Bevollmächtigung zum alleinigen Ausspruch von\nKündigungen als selbstverständlich vorausgesetzt werden konnte.\n\n37\n\n \n\nDer Hinweis der Beklagten darauf, dass im ebenfalls als Anstalt des\nöffentlichen Rechts neu eingerichteten Universitätsklinikums Greifswald die\nKaufmännische Direktorin ebenfalls eine solche Einzelbefugnis erhalten hat,\nist ebenso unergiebig wie der Hinweis darauf, dass Frau I. bereits zuvor in\ndem als zentrale Betriebseinheit der Universität geführten\nUniversitätsklinikum die Stelle der Verwaltungsdirektorin innehatte und dort\nentsprechende Personalkompetenzen wahrnahm.\n\n38\n\n \n\nSelbst wenn unterstellt wird, dass die Personenidentität zwischen der früheren\nVerwaltungsdirektorin und der jetzigen Kaufmännischen Direktorin für die\nMitarbeiter ohne Weiteres ersichtlich war, musste doch angesichts der\nrechtlichen Regelungen für diese keineswegs von vornherein eine Gewissheit\ndarüber bestehen, ob und von welchem Zeitpunkt an der Vorstand von seiner\nMöglichkeit der Übertragung der Einzelvertretungsbefugnis Gebrauch machen\nwürde; ebenso wenig mussten die Mitarbeiter von vornherein davon ausgehen,\ndass der Vorstand des Universitätsklinikums R. in dieser Frage die gleiche\nEntscheidung treffen würde wie der Vorstand des Universitätsklinikums\nGreifswald - zumal davon auszugehen ist, dass die Mitarbeiter des\nUniversitätsklinikums R., wenn ihnen schon die Geschäftsordnung ihres eigenen\nVorstandes nicht bekannt war, die in Greifswald geltende Regelung erst recht\nnicht kannten.\n\n39\n\n \n\nDem in zweiter Instanz erstmals gestellten Auflösungsantrag der Beklagten\nkonnte nicht stattgegeben werden. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das\nArbeitsverhältnis gemäß § 9 KSchG nur dann aufgelöst werden, wenn der Erfolg\nder Kündigungsschutzklage ausschließlich auf der Sozialwidrigkeit der\nKündigung beruht. Ist die Kündigung schon aus anderen Gründen unwirksam - wie\nhier gemäß § 174 BGB - kommt eine Auflösung auf Antrag des Arbeitgebers nicht\nin Betracht (vgl. ErfK/Kiel, 7. Auflage, § 9 KSchG, Rz. 18 m. w. N.; BAG, std.\nRspr., z. B. Urteil vom 27.9.2001, 2 AZR 389/00, AP Nr. 41 zu § 9 KSchG 1969 =\nNZA 2002, 1171).\n\n40\n\n \n\nDie vollständige Zurückweisung der Berufung erfasst auch den von der\nBerufungsklägerin gestellten Auflösungsantrag. Einer besonderen Erwähnung im\nTenor des Urteils bedurfte es nicht (vgl. Spilger, AR-Blattei SD,\nArbeitsgerichtsbarkeit XB Rz. 334).\n\n41\n\n \n\nDie Berufung ist auch insoweit unbegründet, als sie sich gegen den vom\nArbeitsgericht zuerkannten Anspruch auf Weiterbeschäftigung richtet.\nWenngleich das Arbeitsgericht diesen in seinem Urteil nur in verkürzter Form\nbegründet hat, ist davon auszugehen, dass es die Rechtsgrundsätze des Großen\nSenats des Bundesarbeitsgerichts in seinem Beschluss vom 27.2.1985 (GS 1/84,\nBAGE 48, 122 = NZA 1985, 702 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht)\nzugrunde legen wollte.\n\n42\n\n \n\nDanach begründet das wenn auch noch nicht rechtskräftige Obsiegen des\nArbeitnehmers mit seiner Kündigungsschutzklage einen Anspruch auf tatsächliche\nBeschäftigung für die weitere Dauer des Rechtsstreits, wenn nicht der\nArbeitgeber besondere Umstände darlegt, aus denen sich sein überwiegendes\nInteresse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers ergibt. Da die Beklagte\nim Rahmen ihres Berufungsvorbringens sich mit dem vom Arbeitsgericht\nzuerkannten Weiterbeschäftigungsanspruch nicht auseinandergesetzt hat, ist\ndavon auszugehen, dass dessen Bestätigung in zweiter Instanz ausschließlich\nvon der Frage der Beendigung oder Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses\nabhängig ist.\n\n43\n\n \n\nEin überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung trotz Obsiegens des\nKlägers mit seiner Kündigungsschutzklage hat die Beklagte nicht dargelegt.\nDieses ergibt sich nicht allein schon aus dem Umstand, dass die Beklagte ihre\nKündigung materiell auf betriebsbedingte Gründe und einen durch eine\norganisatorische Veränderung angestrebten Wegfall des bisherigen\nArbeitsplatzes des Klägers gestützt hat.\n\n44\n\n \n\nEbenso hat die Beklagte im Rahmen der Berufungsbegründung keine Einwendungen\ngegen die unter Ziffer 2 des erstinstanzlichen Tenors näher beschriebene Art\nund Weise der vorzunehmenden Weiterbeschäftigung erhoben. Soweit sich darin\ndie Formulierung "entsprechend der Verbindungsmerkmale IIa BAT-O" findet, ist\ndavon auszugehen, dass es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler\n(Verbindungsmerkmale statt Vergütungsmerkmale wie im Antrag des Klägers)\nhandelt.\n\n45\n\n \n\nDer Bestätigung des erstinstanzlich zuerkannten Weiterbeschäftigungsanspruchs\nsteht auch nicht entgegen, dass sich aus dem insoweit unstreitigen\nBerufungsvorbringen in anderem Zusammenhang ergibt, dass dem Kläger am\n6.12.2006 eine erneute vorsorgliche Kündigung ausgesprochen worden ist. Da es\nsich dabei offenbar wiederum um eine ordentliche Kündigung handelt, wird sie\nselbst im Falle ihrer Wirksamkeit mit der sich aus der Beschäftigungsdauer des\nKlägers ergebenden Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis nicht früher als zum\n30.6.2007 beenden können, so dass sie im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung\nvor dem Berufungsgericht einer Weiterbeschäftigung des Klägers selbst dann\nnicht entgegensteht, wenn grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass durch\neine erneute, nicht offensichtlich unwirksame Kündigung ein überwiegendes\nInteresse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung wieder begründet werden\nkann (BAG, Urteil vom 19.12.1985, 2 AZR 190/85, BAGE 50, 319 = NZA 1986, 566 =\nAP Nr. 17 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).\n\n46\n\n \n\nDiese Frage bedarf aber keiner Vertiefung, da die Beklagte sich darauf, dass\ndie weitere Kündigung dem Weiterbeschäftigungsanspruch entgegenstehen könnte,\nnicht einmal berufen hat.\n\n47\n\n \n\nDie Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1\nZPO zu tragen.\n\n48\n\n \n\nDie Zulassung der Revision erfolgt sowohl wegen der grundsätzlichen Bedeutung\nder Frage der Anwendbarkeit des § 174 BGB bei Übertragung der\nEinzelvertretungsvollmacht durch eine Geschäftsordnung als auch wegen der\nmöglichen Divergenz zu der oben zitierten Entscheidung des LAG Hessen (§ 72\nAbs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG).\n\n
108,541
olgsh-2006-09-07-5-u-2506
1,070
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
olgsh
Schleswig-Holstein
Oberlandesgericht
5 U 25/06
2006-09-07
2018-11-26 01:30:10
2019-02-14 08:29:26
Urteil
ECLI:DE:OLGSH:2006:0907.5U25.06.0A
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Berufung der Beklagten wird das am 17.Januar 2006 verkündete Urteil\nder Kammer für Handelssachen II des Landgerichts Lübeck - 11 O 86/05 -\nabgeändert:\n\n \n\nDas Versäumnisurteil der Kammer für Handelssachen II des Landgerichts Lübeck\nvom 15. November 2005 - 11 O 86/05 - werden aufgehoben und die Klage\nabgewiesen.\n\n \n\nDer Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der durch die\nSäumnis der Beklagten verursachten Kosten, welche dieser zur Last fallen.\n\n \n\nDas Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, jedoch kann\nder Kläger die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe\nvon 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn\nnicht vor Beginn der Vollstreckung die Beklagte Sicherheit in entsprechender\nHöhe leistet. Ebenso kann die Beklagte die Vollstreckung des Klägers gegen\nSicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren\nBetrages abwenden, wenn nicht vor Beginn der Vollstreckung der Kläger\nSicherheit in entsprechender Höhe leistet.\n\n \n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n#### Gründe\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDer Kläger, gemäß Beschluss des Amtsgerichts R. vom 5. Oktober 2004 - 8 IN\n294/04 AG R. - Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. F. GmbH (im\nfolgenden Schuldnerin) begehrt mit seiner im Jahre 2005 erhobenen Klage von\nder Beklagten die Zahlung eines Stammeinlagenanteils.\n\n2\n\n \n\nDie durch Gesellschaftsvertrag vom 22. Juni 1970 mit Sitz in H. gegründete und\nzunächst in das Handelsregister beim Amtsgericht H. unter HRB 13533\neingetragene Schuldnerin betrieb anfänglich eine Seehafenspedition. Das\nseinerzeitige Stammkapital betrug 20.000 DM. Nach Übernahme der Anteile des\nzunächst weiteren Gründungsgesellschafter H. F. erhöhte der\nAlleingesellschafter Willi R. mit Gesellschafterbeschluss vom 31. Juli 1985\n(UR-Nr. 2782 des Notars Dr. Ho., H.) das Stammkapital auf 50.000 DM, wobei die\nneue Stammeinlage „sofort und in bar“ zu erbringen war. Nach Erwerb der\nGesellschaftsanteile aufgrund Vertrages vom 3. Dezember 1987 durch den\nSteuerberater und Wirtschaftsprüfer Jan B. - des Ehemannes der Beklagten -\nübertrug dieser von seinen nun von ihm gehaltenen Geschäftsanteilen in Höhe\nvon 10.000 DM, 10.000 DM und 30.000 DM den Geschäftsanteil in Höhe von 30.000\nDM und - nach Aufteilung des einen Geschäftsanteils von 10.000 DM in zwei\nGeschäftsanteile von 8.000 DM und 2.000 DM - einen weiteren Geschäftsanteil in\nHöhe von 8.000 DM mit Vertrag vom 29. Mai 1989 (UR-Nr. 831/1989 des Notars Dr.\nHe., G.) auf die Beklagte, zum Preis von lediglich 1 DM. Weitere 12.000 DM\nGeschäftsanteile übertrug der Ehemann der Beklagten auf diese mit Vertrag vom\n30. Dezember 1997 (UR-Nr. 3031/1997 des Notars Dr. He., G.). Die Beklagte\nihrerseits teilte den erworbenen Geschäftsanteil in Höhe von 30.000 DM in zwei\nAnteile von 17.500 und 12.500 DM sowie übertrug den Anteil von 12.500 DM mit\nVertrag vom 24. Februar 1998 (UR-Nr. 449/1998 Dr.He., G. Bl.) auf ihren Sohn\nOlaf B..\n\n3\n\n \n\nAusweislich der vorgelegten Bilanz für das Geschäftsjahr 1988 war zwar ein\nKapital von 50.000 DM als Eigenkapital gezeichnet und betriebliche Erträge\ndurch den Verzicht eines Altgesellschafters auf ein Darlehen in Höhe von\n236.954,06 DM erzielt worden (Kontennachweis Konto Nr. 4831) sowie sonstige\nbetriebliche Erträge in Höhe von 487,15 DM (Kontennachweis Konto Nr. 4830),\naber keine weiteren Umsatzerlöse. Dem betreffenden Lagebericht zufolge war mit\nWirkung vom 31.12.1987 die Speditionstätigkeit eingestellt worden. „Zur Zeit“\n- so der Lagebericht der nunmehr in R. angesiedelten und dort zu HRB 1944 seit\ndem 3.11.1989 ins Handelsregister des AG R. eingetragenen Gesellschaft - liege\nder Schwerpunkt der Tätigkeit im Beteiligungsgeschäft.\n\n4\n\n \n\nDie Parteien streiten darüber, ob infolge des Wechsels des Geschäftsfeldes von\neiner wirtschaftlichen Neugründung auszugehen sei. Nach Darstellung der\nBeklagten seien lediglich Sitz- und Geschäftstätigkeit verändert worden, die\nBeteiligungstätigkeit aber sofort aufgenommen worden. Hingegen leitet der\nKläger aus dem erwähnten Jahresabschluss ab, dass lediglich der nunmehr\nentleerte Mantel für die Aufnahme der neuen Geschäftstätigkeit genutzt worden\nsei, was einer wirtschaftlichen Neugründung gleich komme. Daher habe das\nStammkapital neu zur Verfügung stehen müssen. Die Beklagte hat überdies die\nEinrede der Verjährung erhoben.\n\n5\n\n \n\nDas Landgericht, auf dessen Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verwiesen\nwird, hat ein klagstattgebendes Versäumnisurteil aufrecht erhalten. Die\nVerjährungsfrist gemäß §§ 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG sei noch nicht verstrichen.\nAuch sei nach den vorgelegten Indizien von einer Neugründung auszugehen. Dass\neingezahltes Stammkapital zum Zeitpunkt der Neugründung noch vorhanden gewesen\nsei, habe die Beklagte nicht darlegen können.\n\n6\n\n \n\nDie Beklagte hat gegen das ihr am 18. Januar 2006 zugestellte Urteil\nrechtzeitig Berufung eingelegt und diese form- und fristgerecht wie folgt\nbegründet:\n\n7\n\n \n\n\\- Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei von eingetretener Verjährung\nauszugehen.\n\n8\n\n \n\n\\- Auch sei keinesfalls ein „leerer GmbH-Mantel“ wiederverwendet worden. Denn\nder Kläger habe nicht darlegen können, dass die Schuldnerin lediglich einen\nderartigen entleerten Mantel dargestellt habe.\n\n9\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n10\n\n \n\ndas Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.\n\n11\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n12\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n13\n\n \n\nDer Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertieft sein bisheriges\nVorbringen.\n\n14\n\n \n\nDer Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 11. Juli 2006 (Bl. 182 - 183 d.\nA.) auf die Anwendung der Grundsätze über die Unterbilanzhaftung und die sich\nhieraus ergebenden verjährungsrechtlichen Folgen hingewiesen. Die Parteien\nhaben zu dieser rechtlichen Problematik wechselseitig Stellung genommen.\n\n15\n\n \n\nIm Übrigen wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten\nSchriftsätze und die jeweils beigefügten Anlagen.\n\n \n\nII.\n\n16\n\n \n\nDie zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg, so dass unter\nAbänderung des landgerichtlichen Urteils das von diesem zuvor erlassene\nVersäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen war.\n\n17\n\n \n\nIm Anschluss an das Landgericht und mit dem Kläger ist zwar von einer\nwirtschaftlichen Neugründung auszugehen (1.). Jedoch besteht die Rechtsfolge\nnicht in einem auf §§ 5, 7, 19 GmbHG zu stützenden Anspruch auf Leistung der\nStammeinlage gegenüber der Beklagten als gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG haftender\nNacherwerberin von Gesellschaftsanteilen, sondern in einer Anwendung der von\nder Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze über die Unterbilanzhaftung (2.).\nDie verjährungsrechtliche Folge besteht darin, dass der diesbezügliche\nAnspruch verjährt ist, ohne dass sich die durch das\nVerjährungsanpassungsgesetz vom 9. Dezember 2004 erfolgte Verlängerung\ngesellschaftsrechtlicher Verjährungsfristen noch auswirken kann (3.).\n\n18\n\n \n\n1.Seit dem Grundsatzbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 7. Juli 2003 (II ZB\n4/02, ZIP 2003, 1698 ff. = BGHZ 155, 318 ff.) ist allgemein anerkannt, dass\ndie Wiederverwendung des Mantels einer bisher existenten, aber nach\nEinstellung ihres Betriebs wieder aktivierten GmbH ebenso eine wirtschaftliche\nNeugründung darstellen kann, wie - dies hatte der Bundesgerichtshof bereits\nmit Beschluss vom 9. Dezember 2002 entschieden (II ZB 12/02, NZG 2003, 170 ff.\n= BGHZ 153, 158 ff.) - die wirtschaftliche Erstverwendung des Mantels einer\nauf Vorrat gegründeten GmbH.\n\n19\n\n \n\nBei der notwendigen Abgrenzung der wirtschaftlichen Neugründung von der bloßen\nUmorganisation oder Sanierung einer noch aktiven GmbH (vgl. BGH ZIP 2003,\n1698, 1700) kommt es letztlich auf die Würdigung von äußeren Anzeichen an,\netwa die „Veräußerung der Geschäftsanteile, Änderung des\nUnternehmensgegenstandes, Sitzverlegung, Umfirmierung und Neubestellung von\nGeschäftsführern“ (vgl. Ulrich, WM 2004, 915, 916). Die Würdigung der Umstände\ndes Streitfalles anhand eines derartigen Indizienkatalogs muss vorliegend zur\nAnnahme einer wirtschaftlichen Neugründung führen:\n\n20\n\n \n\nDenn nicht nur wechselten aufgrund Vertrages vom 3. Dezember 1987 komplett die\nInhaberschaft der Geschäftsanteile auf den Ehemann Jan Bergemann der\nBeklagten. Vielmehr war es laut Lagebericht zum Jahresabschluss per 31.12.1988\nbereits mit Wirkung zum 31.12.1987 auch zur Einstellung der bisherigen\nSpeditionstätigkeit und zum Wechsel der Gesellschaftsaktivitäten in das\nBeteiligungsgeschäft gekommen. Hiermit einher ging auch eine Sitzverlegung\nnach - wie bereits dem Lagebericht zu entnehmen ist, aber auch außer Streit\nsteht - R.einschließlich einer dortigen Eintragung in das Handelsregister in\ndas Amtsgericht R. seit dem 3. November 1989. In der Gesamtschau dieser\nIndizien ist letztlich davon auszugehen, dass die neue Tätigkeit nicht mehr\n„in irgendeiner noch wirtschaftlich gewichtbaren Weise“ an den bisherigen\nGeschäftsbetrieb anknüpfte (BGH ZIP 2003, 1698, 1700), sondern dass die\nVerwendung des bisherigen Gesellschaftsmantels nur der Vermeidung einer\nrechtlichen Neugründung diente.\n\n21\n\n \n\n2\\. Anders als es der Kläger und das Landgericht angenommen haben, besteht die\nRechtsfolge aber nicht in einer Anwendung der §§ 5, 7, 19 GmbHG mit der Folge\neiner jedenfalls durch § 16 Abs. 3 GmbHG vermittelten Haftung der Beklagten\nauf nochmalige ungeschmälerte Zahlung der nach dem Gesellschaftsvertrag\ngeschuldeten Bareinlage.\n\n22\n\n \n\nEine derartige Sicht würde nämlich nicht dem Umstand gerecht, dass jedenfalls\nbei der hier zu behandelnden Konstellation - also dem Fall der Wiederbelebung\neiner bisher schon tätig gewesenen Gesellschaft für einen anderen\nGesellschaftszweck - die wirtschaftliche Neugründung selten bei völliger\nVermögenslosigkeit der Altgesellschaft geschehen dürfte, sondern oft unter\nÜbernahme eines - wenn auch sehr geringen - Restvermögens der Gesellschaft.\nHatte der Bundesgerichtshof schon für die Fälle der Mantelverwendung auf die\nDifferenzhaftung der Gesellschafter bei Vorbelastung verwiesen (BGH NZG 2003,\n170, 171 unter Verweis auf BGHZ 80, 129, 143), so muss daher der Verweis des\nBundesgerichtshofs für die hier zu entscheidende Konstellation auf die\nGrundsätze der Unterbilanzhaftung (BGH ZIP 2003, 1698, 1701) als umso\nsachgerechter erscheinen.\n\n23\n\n \n\nEine Ausgleichshaftung erscheint nämlich insoweit, aber auch nur insoweit als\ngeboten, wie tatsächlich zum maßgeblichen Stichtag eine Unterbilanz der\nGesellschaft vorhanden ist. Anders als der Kläger meint, ist diese Sichtweise\nauch nicht durch die Perspektive des Registergerichts geprägt. Denn die\nUnterbilanzhaftung selbst betrifft nur mittelbar - nämlich hinsichtlich zu\nerfüllender Prüfungsanforderungen - die Tätigkeit des Registergerichts, im\nÜbrigen - und vorrangig - aber das Verhältnis zwischen Gesellschaft und\nausgleichspflichtigem Gesellschafter unmittelbar.\n\n24\n\n \n\nWerden die Grundsätze über die Unterbilanzhaftung angewandt, wäre aber im\nvorliegenden Rechtsstreit nicht nur noch weiter aufzuklären gewesen, inwieweit\neine derartige Unterbilanz tatsächlich stichtagsbezogen vorlag. Vielmehr ist -\nund hierauf hat der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 11. Juni 2006\nhingewiesen - schon sehr fraglich, ob eine derartige Unterbilanzhaftung auch\ngegenüber der Beklagten als lediglich Nacherwerberin von Gesellschaftsanteilen\ngeltend gemacht werden kann. Dies deshalb, weil für den ähnlich gelagerten\nFall eine Haftung wegen Auszahlung der Stammeinlage eine Nacherwerberhaftung\nüberwiegend abgelehnt wird (Hueck-Fastrich, 18. Aufl., Rn. 8 zu § 31 GmbHG; HP\nWestermann-Scholz, 9. Aufl., Rn. 15 zu § 31 GmbHG), also § 16 Abs. 3 GmbHG\nnicht ohne weiteres als analogiefähig erscheint. Letztlich können diese Fragen\njedoch offen bleiben, weil ein denkbarer Anspruch der Unterbilanzhaftung in\njedem Fall verjährt ist.\n\n25\n\n \n\n3\\. Anders als der Kläger meint, können nämlich auf eine derart - also über\ndie Grundsätze der Unterbilanzhaftung - begründete Haftung der Beklagten nicht\n§ 19 Abs. 6 GmbHG und Art. 229 EGBGB § 12 Abs. 6 in der Fassung des\nVerjährungsanpassungsgesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. 2004, I S. 3214)\nAnwendung finden. Daher kann auch offen bleiben, ob die erst im Jahre 2005\nerfolgte Klageerhebung in Ansehung des nunmehr gemäß § 19 Abs. 6 GmbHG\nangeordneten Laufs der zehnjährigen Verjährungsfrist „ab Anspruchsentstehung“\ndie Verjährung - da schon eingetreten - bereits nicht mehr hemmen konnte oder\nob infolge der Neuregelungen die Verjährungsfrist frühestens zum 1. Januar\n2002 zu laufen begann (vgl. hierzu auch Mansel/Budzikiewicz NJW 2005, 321,\n328).\n\n26\n\n \n\nDenn auf die Fälle der Unterbilanzhaftung war auch nach altem Recht nicht die\n- seinerzeit noch 30-jährige - Regelverjährung (§ 195 BGB a. F.) anzuwenden,\nsondern in Analogie zu § 9 Abs. 2 GmbHG in der bis zur Neuregelung mit Gesetz\nvom 9. Dezember 2004 geltenden Fassung eine Verjährungsfrist von fünf Jahren.\nZur Begründung dieser zur Unterbilanzhaftung entwickelten Auffassung (BGH ZIP\n1989, 27, 28) hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass anders als\nbei der Regelhaftung für die Aufbringung des Stammkapitals die Ansprüche auf\nUnterbilanzhaftung nicht auch noch nach Jahrzehnten in einem Rechtsstreit\nleicht bewiesen und somit durchgesetzt werden könnten, sondern dass diese\nAnsprüche hinsichtlich der Schwierigkeit ihrer Geltendmachung „mehr dem\nAnspruch auf Ausgleich der Differenz bei der Sachgründung“ glichen (BGH a. a.\nO.) und deshalb allein die in § 9 Abs. 2 GmbHG seinerzeit für diesen Fall\nvorgesehene fünfjährige Verjährungsfrist sachgerecht sei.\n\n27\n\n \n\nDer Senat teilt diese Auffassung und sieht im Gegensatz zum Kläger auch keine\nVeranlassung, die Frage des Eingreifens dieser Verjährungsfrist davon abhängig\nzu machen, ob und inwieweit der Gesellschafter den Tatbestand der\nwirtschaftlichen Neugründung und der Unterbilanz dem Handelsregister gegenüber\noffen gelegt hat oder nicht. Zum einen streiten nämlich bereits Sinn und Zweck\nder gegenüber der früher langen Regelverjährung vom Bundesgerichtshof\nbefürworteten Verkürzung der für die Unterbilanzhaftung maßgeblichen\nVerjährungsfrist dafür, deren Lauf nicht von dem - keineswegs von Zufällen\nfreien - Umstand abhängig zu machen, ob der Gesellschafter seinen\nAnmeldeverpflichtungen gegenüber dem Registergericht genügt hat oder nicht.\nZum anderen ist zumindest vorliegend zu bedenken, dass der Ehemann der\nBeklagten in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1987 bis 1989 noch keinesfalls\nvon einer Verpflichtung zur Neuanmeldung ausgehen musste, ein Umstand, der ihm\nund der Beklagten aber jetzt verjährungsrechtlich nicht zum Nachteil gereichen\ndarf.\n\n28\n\n \n\nSchließlich ist es auch durchaus möglich, einen Zeitpunkt zu definieren, zu\nwelchem nach heutiger Auffassung der Ehemann der Beklagten als damaliger\nAlleingesellschafter und Geschäftsführer tatsächlich eine Anmeldung gegenüber\ndem Registergericht unter Offenlegung einer etwaigen Unterbilanz hätte\nvornehmen müssen. Dies dürfte nämlich der Zeitpunkt der Aufnahme der neuen\nGeschäftstätigkeit, jedenfalls aber der vorgenommenen Sitzverlegung gewesen\nsein. Selbst aber eine ab Eintragung dieser Sitzverlegung in das\nHandelsregister laufende Verjährungsfrist wäre aber derart deutlich vor\nKlagerhebung, vor Inkrafttreten des Verjährungsanpassungsgesetzes und schon\nvor Inkrafttreten des neuen Schuldrechts zum 1. Januar 2002 abgelaufen, dass\ndie jetzt erfolgte Klagerhebung den Lauf der Verjährungsfrist nicht mehr\nbeeinflussen konnte.\n\n29\n\n \n\nNach alledem musste unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage\nabgewiesen werden.\n\n30\n\n \n\nDie Nebenentscheidungen ergehen gemäß §§ 97 Abs. 1 , 344 und §§ 708 Nr. 10,\n711 ZPO.\n\n31\n\n \n\nDer Senat hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen, weil zur Frage\nder Passivlegitimation bei der Unterbilanzhaftung und zur Frage der Verjährung\nvon diesbezüglichen Ansprüchen unter Berücksichtigung der Neuregelung des\nVerjährungsrechts keine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert.\n\n \n\n
111,563
ovgmv-2007-01-17-3-l-23199
484
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
ovgmv
Mecklenburg-Vorpommern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 L 231/99
2007-01-17
2018-11-27 01:30:05
2019-01-17 11:35:34
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nDie Berufung wird zuruckgewiesen.\n\n \n\nDer Klager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n \n\nDie außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfahig.\n\n \n\nDas Urteil ist im Kostenpunkt vorlaufig vollstreckbar. Der Klager darf die\nVollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der\nKostenfestsetzung abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung\nSicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Beklagten auf Erteilung\neines baurechtlichen Vorbescheides fur die Errichtung von Windkraftanlagen.\n\n2\n\n \n\nDie Gemeinde K. beschloss am 18.10.1995 die Aufstellung eines\nFlachennutzungsplanes. Sie beschloss am 11.12.1996, dass das Amt L. einen\nAntrag gemaß § 245 b BauGB a. F. beim Beklagten stellen sollte. Am 21.12.1996\ntrat das Regionale Raumordnungsprogramm Westmecklenburg in Kraft. Dieses weist\nim Gebiet der Gemeinde K. den Eignungsraum fur Windenergieanlagen G. aus. Das\nAmt L. stellte spatestens am 10.04.1997 den Antrag gemaß § 245 b BauGB a. F..\n\n3\n\n \n\nDer Klager beantragte am 11.06.1997 beim Beklagten die Erteilung eines\nbaurechtlichen Vorbescheides. In dem vom Klager verwendeten Antragsformular\nfindet sich kein Abschnitt, in den eine konkrete Fragenstellung einzutragen\nware. Der Antrag weist nur die Notwendigkeit unter anderem einer\nBaulasteintragung nach und enthalt unter der Rubrik "Genaue Bezeichnung des\nVorhabens" die klagerischen Angaben: "Errichtung eines Burgerwindparks mit\ninsgesamt - 8 - Windkraftanlagen des Typs Vestas 1,65 MW im ausgewiesenen\nEignungsraum". Als Zweck des Bauantrages wurde angekreuzt "Errichtung von\nbaulichen Anlagen, anderen Anlagen und Einrichtungen". Der Bauvoranfrage war\nbeigefugt eine "Karte des Regionalen Raumordnungsprogrammes 1 : 100.000,\nLageplan 1 : 10.000, Baubeschreibung und eine Schallimmissionsprognose nach\nVDI 2714". Bei der Karte des Regionalen Raumordnungsprogrammes handelt es sich\num einen kopierten Ausschnitt, in dem der Eignungsraum fur Windenergieanlagen\nim Bereich der Gemeinde K. gelb markiert ist. Der Lageplan weist auf der Kopie\neiner topografischen Karte des Ortsteils G. und des Gebiets des sogenannten B.\ninsgesamt 8 kreisformige und farbig markierte Stellen in einer\nDurchschnittsbreite von 0,6 cm aus, die die Windkraftanlagenstandorte naher\nbegrenzen sollen. Innerhalb der Kreise sind Kreuze eingezeichnet. Die\nSchallimmissionsprognose besteht aus einem Schwarz-Weiß-Blatt, datierend von\n18.03.1996, Seite 2, mit der Einzeichnung von Schalldruckpegelniveaukurven.\nDiese Zeichnung ist offensichtlich vom Klager selbst auf der Grundlage einer\nSoftware aus dem August 1994 erstellt worden. Schließlich findet sich ein\nfarbiges Faltblatt der Firma Vestas betreffend eine "Vestas 1,5 MB pitch-\ngeregelte Windenergieanlage mit Optislipp und Optitipp".\n\n4\n\n \n\nDer Beklagte beteiligte nach dem 27.06.1997 die Fachamter und die Trager\noffentlicher Belange am Verfahren. Am 07.07.1997 ging die Anfrage des\nBeklagten betreffend die Einvernehmenserteilung bei der Gemeinde K. ein. Diese\nbeschloss am 23.07.1997, die Errichtung von 8 Windkraftanlagen an den\nausgewiesenen Stellen abzulehnen. Sie verwies darauf, dass die Entscheidung\nuber die Zulassigkeit von Windenergieanlagen auf der Grundlage der\nBeschlussfassung vom 11.12.1996 und der Antragstellung nach § 245 b BauGB\nlangstens bis zum 31.12.1998 ausgesetzt sei. Bis dahin behalte sie sich eine\nEntscheidung zum Standort von Windenergieanlagen vor. Die Verweigerung des\nEinvernehmens wurde mitsamt Kopie des zitierten Beschlusses dem Beklagten am\n21.08.1997 mitgeteilt. Am 28.08.1997 forderte der Bereich Immissionsschutz\nbeim Umweltamt des Beklagten einen Nachweis zum Schallschutz gegenuber der\nnachsten Wohnbebauung fur die uberplante Flache an.\n\n5\n\n \n\nMit Bescheid vom 04.09.1997 erklarte der Beklagte, die Bauvoranfrage sei zur\nZeit nicht genehmigungsfahig. Die Gemeinde habe mit Schreiben vom 20.08.1997\ndie Entscheidung zur Windenergieanlage gemaß § 245 b BauGB bis zum 31.12.1998\nausgesetzt, so dass das gemeindliche Einvernehmen nicht hatte erreicht werden\nkonnen. Das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen, weil die Stellungnahme\neiniger Trager offentlicher Belange noch nicht vorlagen, so dass das Vorhaben\nweiter nicht gepruft worden sei. An die Entscheidung der Gemeinde sei der\nBeklagte gebunden. Der Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides sei daher\nabzulehnen. Der Bescheid wurde am 08.09.1997 zugestellt.\n\n6\n\n \n\nAm 10.09.1997 legte der Klager gegen den Versagungsbescheid Widerspruch ein.\nDie planungsrechtliche Zulassigkeit des Windparks folge aus § 35 Abs. 1 Nr. 7\nBauGB a. F.. Eine gemeindliche Bauleitplanung stehe dem nicht entgegen. § 35\nAbs. 3 Satz 3, 2. Halbs. BauGB a. F. ordne den partiellen Vorrang der\nRaumordnung/Landesplanung vor der Bauleitplanung an. Öffentliche Belange\nstanden raumbedeutsamen Vorhaben nicht entgegen, wenn (Raumordnungs-)Programme\nund Plane solche Vorhaben als ihre Ziele bezeichneten und dabei die\noffentlichen Belange abgewogen hatten. Die 8 Windkraftanlagen lagen samtlich\ninnerhalb der durch das Regionale Raumordnungsprogramm rechtsverbindlich\nausgewiesenen Windkrafteignungsflache. Die Voraussetzungen des § 245 b BauGB\nlagen nicht vor.\n\n7\n\n \n\nAm 12.12.1997 erhob der Klager Untatigkeitsklage mit dem Ziel der\nVerpflichtung des Beklagten auf Erteilung des beantragten Vorbescheides.\n\n8\n\n \n\nDer Beklagte erließ am 16.12.1997 den Widerspruchsbescheid. Er anderte den\nAusgangsbescheid wie folgt ab: Die Entscheidung uber die Zulassigkeit der\ngeplanten 8 Windkraftanlagen Typ Vestas 1,65 MW werde langstens zum 31.12.1998\nausgesetzt. Im Übrigen wurde der Widerspruch zuruckgewiesen. Diesen\nWiderspruchsbescheid begrundete der Beklagte mit der Überlegung, die Gemeinde\nK. habe am 11.12.1996 pauschal einen Antrag nach § 245 b BauGB fur alle\nAntrage auf Errichtung von Windkraftanlagen gestellt. Im konkreten Einzelfall\nhabe sie zusatzlich am 23.07.1997 diesen Antrag gestellt. § 245 b BauGB\nerlaube keine Ermessensentscheidung der Baugenehmigungsbehorde. Diese habe im\nFalle des Antrags der Gemeinde die Baugenehmigungsentscheidung auszusetzen.\nDieser Widerspruchsbescheid wurde am 19.12.1997 zugestellt.\n\n9\n\n \n\nIn der Folgezeit fuhrte die Gemeinde K. das Verfahren zur Aufstellung des\nFlachennutzungsplanes fort.\n\n10\n\n \n\nDer Klager reichte am 08.09.1998 beim Beklagten eine\nSchallimmissionsberechnung fur die geplanten Windkraftanlagen ein. Diese\nBerechnung hatte er selbst erstellt.\n\n11\n\n \n\nNach Ablauf der Aussetzungsfrist am 31.12.1998 ubersandte der Beklagte der\nGemeinde K. erneut das Ersuchen auf Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens,\ndas diese mit Beschluss vom 27.01.1999 ablehnte. Die Versagung stutzte sich\nauf eine am 01.07.1998 beschlossene Veranderungssperre, von der Ausnahmen\nnicht moglich seien. Am 09.02.1999 stellte das Amt L. fur die Gemeinde K.\neinen Antrag auf Zuruckstellung des Baugesuchs gemaß § 15 BauGB. In der\nmundlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts erklarte der Beklagte zur\nNiederschrift des Gerichts die Zuruckstellung der Bauvoranfrage des Klagers\nfur 6Monate und die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zuruckstellung.\nDagegen erhob der Klager noch in der mundlichen Verhandlung Widerspruch und\nbeantragte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen.\nDiesen Antrag lehnte das Gericht in der mundlichen Verhandlung ab.\n\n12\n\n \n\nDas Verwaltungsgericht wies die Klage ab, soweit nicht die Beteiligten den\nRechtsstreit in der Hauptsache fur erledigt erklart hatten. Insoweit stellte\nes das Verfahren ein. Der eingestellte Teil des Klageverfahrens betraf einen\nGebuhrenbescheid.\n\n13\n\n \n\nGegen dieses Urteil hat der Klager die Zulassung der Berufung beantragt, die\nam 09.04.2001 ausgesprochen worden ist. Der Klager hat die Berufung im\nWesentlichen mit folgenden Überlegungen begrundet: Die im Übergang zur\nFortsetzungsfeststellungsklage enthaltene Klageanderung sei sachdienlich. Der\nursprunglich gestellte Vorbescheidsantrag sei hinreichend bestimmt. Aus ihm\nergebe sich, dass die grundsatzliche Bebaubarkeit Gegenstand der\nVorbescheidsantragstellung gewesen sei. Dies sei im Wege der Auslegung dem\nursprunglichen Vorbescheidsantrag entnehmbar. Wenigstens sei der Antrag mit\nden Schriftsatzen vom 28.09.1998 und 21.03.1999 weiter konkretisiert worden.\nNach allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsatzen sei auch ein\nBauvorbescheidsantrag auslegbar. Bei der Auslegung eines\nBauvorbescheidsantrages mussten die eingereichten Unterlagen mit herangezogen\nwerden. Wurden nur bestimmte Unterlagen eingereicht, ergebe sich daraus, dass\nalle anderen baurechtlichen Fragestellungen, die nicht mit Unterlagen belegt\nseien, nicht Gegenstand des Bauvorbescheidsantrages sein konnten. Im konkreten\nEinzelfall ergebe sich aus dem Antrag und den beigefugten Unterlagen, dass\nnach der grundsatzlichen Bebaubarkeit der Flachen gefragt worden sei, auf\ndenen ausweislich des dem Antrag beigefugten Kartenmaterials Windkraftanlagen\nerrichtet werden sollen. Im Übrigen sei es rechtsmissbrauchlich, wenn der\nBeklagte sich erst im Jahre 2005 auf die angebliche Unbestimmtheit der\nBauvorbescheidsanfrage berufe, nachdem er im Jahre 1997 daruber in der Sache\nentschieden habe.\n\n14\n\n \n\nDer Klager beantragt zuletzt:\n\n15\n\n \n\nEs wird festgestellt, dass der Versagungsbescheid vom 04.09.1997 und der\nWiderspruchsbescheid vom 16.12.1997 des Beklagten rechtswidrig waren und der\nBeklagte vor dem 19.12.1997 (hilfsweise: vor dem 24.03.1999) verpflichtet war,\nihm den unter dem 10.06.1997 beantragten Bauvorbescheid fur die Errichtung von\n8Windkraftanlagen des Typs Vestas 1,65 MW auf den Flurstucken ... der Flur ...\nder Gemarkung G. zu erteilen.\n\n16\n\n \n\nDie Hinzuziehung der Prozessbevollmachtigten im Vorverfahren wird fur\nnotwendig erklart.\n\n17\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n18\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n19\n\n \n\nEr ist der Auffassung, dass der Bauvorbescheidsantrag nicht hinreichend\nbestimmt sei. Insbesondere ergebe sich aus den beigefugten Unterlagen nicht,\ndass nur die grundsatzliche Bebaubarkeit einzelner Flachen zum Gegenstand des\nBauvorbescheides gemacht werden sollte. Im Übrigen verlange das einschlagige\nLandesrecht die Formulierung einer konkreten Frage. Es konne nicht Aufgabe der\nBehorde sein, den Gegenstand des Vorbescheidsantrages selbst zu ermitteln.\n\n20\n\n \n\nDie Beigeladenen haben keine Antrage gestellt.\n\n21\n\n \n\nFur die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der\nbeigezogenen Verwaltungsvorgange verwiesen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n22\n\n \n\nDie zulassige Berufung des Klagers bleibt ohne Erfolg. Der Antrag\nfestzustellen, dass der Beklagte verpflichtet gewesen war, den beantragten\nBauvorbescheid vor dem 19.12.1997, hilfsweise vor dem 24.03.1999, zu erteilen,\nist unbegrundet. Der Klager hatte bis zum 24.03.1999 keinen solchen Anspruch\nauf Erteilung des beantragten Bauvorbescheides, weil er keine\nbescheidungsfahige Bauvoranfrage gestellt hatte.\n\n23\n\n \n\nNach § 68 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V in der Bekanntmachung vom 06. Mai 1998\n(GVOBl. M-V S.647; im Folgenden: LBauO M-V a. F.) konnte vor Einreichung des\nBauantrages auf schriftlichen Antrag des Bauherrn uber einzelne Fragen, uber\ndie im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden war und die selbststandig\nbeurteilt werden konnten, ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erteilt\nwerden. Nach der Rechtsprechung des Senats verlangt § 68 Abs. 1 Satz 1 LBauO\nM-V a. F., dass die zur Vorabentscheidung gestellte Frage so gefasst\n(bestimmt) sein muss, dass sie von der Baugenehmigungsbehorde mit\nBindungswirkung entschieden werden kann. Die an die Bauaufsichtsbehorde\nherangetragene Frage muss soweit naher konkretisiert werden, dass sie fur die\nBehorde als die zur Entscheidung gestellte Frage erkennbar wird (OVG\nGreifswald, U. v. 20.06.2006 - 3 L 91/00 -, NordÖR 2007, 78; B. v. 21.12.2004\n- 3 L 224/01 -, NordÖR 2005, 219). Die Behorde ware sonst verpflichtet, aus\ndem Gesamtvorbringen des Antragstellers einzelne vorbescheidsfahige Fragen\nherauszuarbeiten, denn nur die im Vorbescheid ausdrucklich im Sinne einer\npositiven Bescheidung geklarten Aspekte der Voranfrage nehmen an der\nBindungswirkung des Vorbescheides teil (OVG Munster, B. v. 29.07.2002 - 7 B\n831/02 -, juris). Eine solche Verpflichtung besteht schon angesichts des\neindeutigen Wortlautes des Gesetzes nicht (vgl. OVG Koblenz, U. v. 17.11.1999\n- 8 A 10537/99 -, BRS 62 Nr. 165). Dies widersprache auch der\nDispositionsbefugnis des Antragstellers. Dieser - aber auch nur dieser - legt\nfest, welche Einzelfragen der Baugenehmigung vorab durch einen Bauvorbescheid\nverbindlich entschieden werden sollen. Es liegt nicht in der\nEntscheidungskompetenz der Bauordnungsbehorde, fur den\nVorbescheidsantragsteller entsprechende Fragen aus dem im Antrag beschriebenen\nSachverhalt herauszusuchen und (nur) uber diese zu entscheiden. Dem\nAntragsteller obliegt es, durch die Formulierung einer entsprechenden Frage\ndas behordliche Prufprogramm festzulegen (vgl. OVG Brandenburg, B. v.\n23.04.1999 - 3 A 191/97 -, NVwZ-RR 2000, 271). Fehlt es - wie hier - an einer\nsolchen Frageformulierung, ist der Bauvorbescheidsantrag im Regelfall\nunbestimmt und nicht geeignet einen Anspruch auf Entscheidung zu begrunden\n(OVG Greifswald, U. v. 20.06.2006 - 3 L 91/00 -; B. v. 21.12.2004 - 3 L 224/01\n-, NordÖR 2005, 219).\n\n24\n\n \n\nDie durch eine fehlende ausdruckliche Fragestellung ausgeloste grundsatzliche\nUnbestimmtheit des Vorbescheidsantrages kann sich im Einzelfall durch die\nAuslegung des Vorbescheidsantrages beseitigen lassen (VGH Munchen, U. v.\n22.08.2006 - 1 B 04.3531 -, juris, Tz. 23; OVG Munster, U. v. 20.02.2004 - 10\nA 558/02 -, NVwZ-RR 2004, 558; vgl. bereits BVerwG, U. v. 03.04.1987 - 4 C\n41/84 -, NVwZ 1987, 884 = DVBl. 1987, 903). Bei der Auslegung von Antragen\nsind die fur die Auslegung von empfangsbedurftigen Willenserklarungen des\nburgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsatze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden.\nDanach kommt es nicht auf den inneren Willen der erklarenden Partei, sondern\ndarauf an, wie die Erklarung aus der Sicht des Empfangers bei objektiver\nBetrachtungsweise zu verstehen ist. Dabei tritt der Wortlaut hinter Sinn und\nZweck der Erklarung zuruck. Entscheidend ist der geaußerte Wille des\nErklarenden, wie er aus der Erklarung und sonstigen Umstanden fur den\nErklarungsempfanger erkennbar wird. Maßgeblich fur den Inhalt eines Antrages\nist daher, wie die Behorde ihn unter Berucksichtigung aller ihr erkennbaren\nUmstande nach Treu und Glauben zu verstehen hat. Dabei muss sich die Auslegung\nauf den Schriftsatz in seiner Gesamtheit und das mit ihm erkennbar verfolgte\nRechtsschutzziel beziehen (BVerwG, U. v. 12.12.2001 - 8 C 17/01 -, BVerwGE\n115, 302 m.w.N.).\n\n25\n\n \n\nBei der Auslegung eines Bauvorbescheidsantrages gilt daruber hinaus, dass\nneben dem bloßen Antrag die eingereichten Bauvorlagen sowie die im\nWiderspruchsverfahren gemachten Ausfuhrungen des Antragstellers einzubeziehen\nsind, da sich aus ihnen Anhaltspunkte fur das vom Antragsteller Gewollte\nergeben konnen und das Widerspruchsverfahren mit dem Ausgangsverfahren eine\nEinheit bildet.\n\n26\n\n \n\nAn diesen Grundsatzen gemessen hat der Klager mit seinem Antrag vom 11.06.1997\nkeine bescheidfahige Bauvoranfrage gestellt. Der Antrag lasst mehrere\nAuslegungen zu, ohne dass hinreichend bestimmt ist, welche Frage der Klager\nmit Bindungswirkung fur ein Baugenehmigungsverfahren geklart wissen will. Dies\nergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:\n\n27\n\n \n\nDer Klager hatte seinem Bauvorbescheidsantrag neben einer ausschnittsweisen\nKopie der Karte des Regionalen Raumordnungsprogramms Westmecklenburg, auf der\nder Eignungsraum G. farbig markiert ist, auch einen großmaßstabigen Lageplan,\neine aus einem Blatt bestehende Schallimmissionsprognose und - nach eigenen\nAngaben - eine 14seitige Baubeschreibung der geplanten Windkraftanlagen\nbeigefugt. Umfang und Inhalt der eingereichten Bauvorlagen lassen in\nVerbindung mit dem Bauvorantrag selbst die Auslegung zu, dass die\nbauplanungsrechtliche Zulassigkeit des Bauvorhabens insgesamt und ohne\nBeschrankung auf einzelne selbststandig beantwortbare Ausschnitte aus dem\nPrufprogramm der bauplanungsrechtlichen Zulassigkeit zur Entscheidung gestellt\nwerden sollte. Aus den beigezogenen Verwaltungsvorgangen des Beklagten wird\ndeutlich, dass auch dieser davon ausging, der Klager wollte mit seinem\nBauvorbescheidsantrag die unbeschrankte bauplanungsrechtliche Zulassigkeit des\nVorhabens entschieden haben. Denn der Beklagte hat die fur eine solche Prufung\nerforderlichen behordeninternen Stellungnahmen angefordert. Bestarkt durfte\nsich der Beklagte in diesem Verstandnis des Bauvorbescheidsantrages durch das\nWiderspruchsschreiben der Prozessbevollmachtigten des Klagers vom 10.09.1997\nfuhlen, in dem ausdrucklich die bauplanungsrechtliche Zulassigkeit des\nVorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB festgestellt wird. Eine Beschrankung\nauf einzelne Ausschnitte der bauplanungsrechtlichen Zulassigkeitsproblematik\nlasst sich dem Widerspruchsschreiben nicht entnehmen. Schon gar nicht lasst\nsich dem Widerspruchsschreiben etwas dafur entnehmen, dass der\nBauvorbescheidsantrag - wie im Klageverfahren behauptet - auf die bloße\ngrundsatzliche Bebaubarkeit der Flurstucke beschrankt sein sollte. Dafur, dass\ndie beigefugten Unterlagen letztlich nicht mehr als ein Vorschlag darstellen\nsollten, wie das Vorhaben in die Tat umgesetzt werden konnte - so aber der\nSachverhalt in dem dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.04.1987\n(a.a.O.) zu Grunde liegenden Fall - gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte.\nEbenso fehlt es an Anhaltspunkten dafur, dass die beigefugte\nSchallimmissionsprognose ausschließlich die Annahme eines fehlenden\nSachbescheidungsinteresses widerlegen sollte. Denn dafur hatte es weitere\nUnterlagen zum Schattenwurf und zum Abstandsflachenrecht bedurft, denn auch\ndaraus konnte sich im Einzelfall eine von vornherein bestehende Unmoglichkeit\nder Verwirklichung des Vorhabens ergeben.\n\n28\n\n \n\nDer Vorbescheidsantrag kann aber eingeschrankt auch so ausgelegt werden, dass\nder Klager die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulassigkeit des Vorhabens\nbeschrankt auf nicht entgegenstehende offentliche Belange im Sinne von\nschadlichen Umwelteinwirkungen zum Gegenstand des Bauvorbescheidsantrages\ngemacht hat. Dafur konnte insbesondere sprechen, dass zu den sonstigen dem\nVorhaben moglicherweise entgegenstehenden offentlichen Belangen ebenso wenig\nBauvorlagen eingereicht wurden, wie zu den weiteren Voraussetzungen der\nbauplanungsrechtlichen Zulassigkeit nach § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB. Allein die\nimmissionsschutzrechtliche Prognose wurde vorgelegt, so dass - noch weiter\neinschrankend - innerhalb des offentlichen Belangs der schadlichen\nUmwelteinwirkungen eine weitere Konkretisierung auf die Schallimmissionen\ndenkbar ist. Ein solchermaßen eingeschrankter Bauvorbescheidsantrag ware\ngrundsatzlich zulassig, weil es sich dabei um eine einzelne selbststandig\nbeantwortbare Frage im Baugenehmigungsverfahren handelt.\n\n29\n\n \n\nFur alle hier als im Wege der Auslegung feststellbaren Gegenstande des\nBauvorbescheidsantrages lasst sich ein objektiv erkennbares Interesse des\nKlagers anfuhren, weil er damit rechnen musste, dass die Gemeinde K. durch\neinen Flachennutzungsplan die Errichtung von Windkraftanlagen im ausgewiesenen\nEignungsraum im Rahmen des rechtlich Moglichen bauplanungsrechtlich steuern\nwurde. Ein vor In-Kraft-Treten des Flachennutzungsplanes erteilter\nBauvorbescheid zur jedenfalls teilweisen bauplanungsrechtlichen Zulassigkeit\ndes geplanten Vorhabens hatte die Rechtsstellung des Klagers verbessert.\n\n30\n\n \n\nWas letztendlich Gegenstand des Bauvorbescheidsantrages des Klagers sein\nsollte, lasst sich bezogen auf den Zeitpunkt 19.12.1997 nicht abschließend\neindeutig klaren, da die zur Auslegung heranzuziehenden Umstande nicht\neindeutig sind.\n\n31\n\n \n\nAber auch aus spater entstandenen Umstanden folgt keine im Wege der Auslegung\nsich ergebende Bestimmtheit der Bauvorbescheidsanfrage.\n\n32\n\n \n\nDer Klager hatte zunachst mit Schriftsatz vom 03.09.1998, eingegangen beim\nBeklagten am 08.09.1998 und dann mit anwaltlichem Schriftsatz im gerichtlichen\nVerfahren vom 21.03.1999 weitere Unterlagen zur Untermauerung seines Anspruchs\neingereicht. Ob diese Unterlagen und die schriftsatzlich vorgetragenen\nAusfuhrungen zur Auslegung herangezogen werden konnen, erscheint mit Blick auf\nden Grundsatz, dass nur solche Umstande bei der Auslegung verwendet werden\nkonnen, die bis zur Abgabe der Erklarung entstanden sind (Dilcher in\nStaudinger, BGB,12. Aufl. 1980 § 133 Rn 25) zweifelhaft. Diese Umstande sind\nauch nicht in den Erklarungen angelegt, die bis zum Abschluss des\nWiderspruchsverfahrens von dem Klager abgegeben wurden, sondern ersichtlich\nReaktionen auf den Verlauf des gerichtlichen Verfahrens, insbesondere des\ngegnerischen Vorbringens.\n\n33\n\n \n\nSelbst wenn sie zur Auslegung herangezogen werden konnen, ergibt sich durch\nsie keine eindeutige Fragestellung des Klagers und Antragstellers. Der\nklagerische Schriftsatz vom 03.09.1998 erlaubt die Auslegungsvarianten, dass\nentweder die bauplanungsrechtliche Zulassigkeit insgesamt oder nur die Frage\nder Schallimmissionen durch den Vorbescheid entschieden werden sollen. Nicht\nausgeschlossen ist weiter - wegen der Erwahnung einer angefertigten aber nicht\nvorgelegten Schattenwurfprognose und des Hinweises auf deren rechtliche\nBedeutung - eine Auslegung, dass zum Gegenstand der Bauvoranfrage das\nEntgegenstehen des offentlichen Belangs der schadlichen Umwelteinwirkungen\ngemacht werden sollte. Welche dieser Varianten tatsachlich dem Willen des\nKlagers entsprach, bleibt unklar.\n\n34\n\n \n\nIm Schriftsatz des Prozessbevollmachtigten des Klagers vom 21.03.1999 findet\nsich ebenfalls nichts zu einer eindeutigen Auslegung Fuhrendes. Dies ist schon\ndem Umstand geschuldet, dass es sich um einen die Rechtsauffassung des Klagers\nin Reaktion auf das gegnerische Vorbringen zusammenfassenden Schriftsatz\nhandelt, der die Frage der Bestimmtheit der Bauvorbescheidsanfrage nicht\nunmittelbar zum Gegenstand hat. Der Schriftsatz handelt insbesondere die Frage\nab, ob dem Vorhaben offentliche Belange entgegenstehen. Daraus konnte der\nSchluss gezogen werden, dass dieser Ausschnitt aus der bauplanungsrechtlichen\nZulassigkeit zum Gegenstand der Bauvoranfrage gemacht werden sollte. Eine\nBeschrankung auf die schadlichen Umwelteinwirkungen ist dem Schriftsatz\njedenfalls nicht zu entnehmen. Im Sinne des weiteren klagerischen Vortrages im\nBerufungsverfahren konnte dies aber auch so verstanden werden, dass der Klager\nnur der Überlegung begegnen will, dass seine Bauvoranfrage aus Grunden des\nfehlenden Sachbescheidungsinteresses abzulehnen ist und er nur die\ngrundsatzliche Bebaubarkeit der Flachen geklart wissen will.\n\n35\n\n \n\nEine Auslegungsregel in dem Sinne, dass die grundsatzliche Bebaubarkeit\nregelmaßig Gegenstand einer Bauvoranfrage sein soll, lasst sich schließlich\naus der einschlagigen landesrechtlichen Vorschrift des § 68 Abs. 1 Satz 1\nLBauO M-V a. F. nicht herleiten. Diese Frage mag zwar als Mindestvoraussetzung\neiner Baugenehmigung angesehen werden konnen, und uber sie kann auch ein\nBauvorbescheid erteilt werden (BVerwG, U. v. 23.05.1975 - IV C 28.72 -,\nBVerwGE 48, 242ff; U. v. 03.04.1987 - IV C 41.84 -, NVwZ 1987, 884 = DVBl.\n1987, 903). Doch ob diese Frage tatsachlich vom Antragsteller gestellt worden\nist, lasst sich einem unbestimmten Bauvorbescheidsantrag nicht entnehmen; es\nsind zwanglos Fallgestaltungen denkbar, in denen diese Frage fur den\nAntragsteller ohne Belang ist, insbesondere weil sein objektiv erkennbares\nInteresse weit uber die Beantwortung dieser Frage hinausgeht und er an einer\nisolierten Beantwortung dieser Frage kein Interesse hat. Noch viel weniger\nlasst sich aus § 68 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V a. F. der Grundsatz entnehmen,\ndass bei einem durch Auslegung und so konkretisierten, aber mangels\nausreichender Bauvorlagen (dazu sogleich) noch nicht bescheidungsfahigen\nBauvorbescheidsantrag zunachst, vorab und isoliert die Frage der\ngrundsatzlichen Bebaubarkeit von der Behorde zu beantworten ist.\n\n36\n\n \n\nUnabhangig von den aufgezeigten Auslegungsmoglichkeiten und unabhangig von der\nRechtsauffassung, der Bauvorbescheidsantrag sei im Laufe des gerichtlichen\nVerfahrens ausreichend konkretisiert worden, so dass die Behorde uber ihn\njedenfalls ab dem Zeitpunkt der Konkretisierung hatte entscheiden mussen,\ngenugten die vom Klager bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides\neingereichten Unterlagen nicht den Anforderungen des § 7 Abs.1\nLandesverordnung uber bautechnische Prufungen (BauPrufVO 1992) bzw. die bis\nzum 24.03.1999 eingereichten Unterlagen nicht den Vorgaben der am 30.04.1998\nin Kraft getretenen Verordnung uber Bauvorlagen und bautechnische Prufungen\n(Bauprufordnung - BauPrufVO 1998) vom 03.04.1998.\n\n37\n\n \n\nUnter der Geltung der BauPrufVO 1992 mussten nach § 7 Abs. 1 die Bauvorlagen\ndem Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids beigefugt werden, die zur\nBeurteilung der durch den Vorbescheid zu entscheidenden Fragen des\nBauvorhabens erforderlich waren. Dazu gehorte nach den rechtlich nicht zu\nbeanstandenden Ausfuhrungen der Umweltbehorde des Beklagten unter anderem eine\n"Prognose der Schallausbreitung fur die nachstgelegenen, vom Larm betroffenen\nImmissionsorte unter Berucksichtigung der Vorbelastungen, Zusatzbelastungen\nund Gesamtbelastung durch [eine] fachlich geeignete Stelle" (Stellungnahme vom\n23.03.1999, Bl. 129 ff. BA C). Denn nur dadurch konnte das Vorhaben aus\nimmissionsfachlicher Sicht objektiv beurteilt werden. Der Klager hat weder\neine solche Prognose noch die ubrigen nach fachlicher Sicht erforderlichen\nUnterlagen zur Beurteilung der immissionsschutzrechtlichen Situation bis zum\nErlass des Widerspruchsbescheides vorgelegt. Dass die aus einem Blatt\nbestehende Schallimmissionsprognose, die dem Bauvorbescheidsantrag beigefugt\nwar, nicht ausreichend ist, bedarf keiner naheren Begrundung.\n\n38\n\n \n\nAuch die BauPrufVO 1998 stellt keine anderen Anforderungen an die Bauvorlagen,\ndie einem Bauvorbescheid beizufugen sind. Allerdings enthalt die BauPrufVO\n1998 keine ausdrucklichen Bestimmungen uber die Bauvorlagen bei Antragen auf\nErteilung eines Bauvorbescheids. Solche ausdrucklichen Bestimmungen sind unter\ndem Aspekt entbehrlich, dass rechtlich betrachtet der Bauvorbescheid ein\nvorweggenommener, feststellender Teil der Baugenehmigung ist. Daraus ergibt\nsich zwanglos, dass bei Beantragung eines Bauvorbescheids im Umfang des\nvorweggenommenen feststellenden Teils der Baugenehmigung die fur die\nBaugenehmigung nach der BauPrufVO 1998 erforderlichen Bauvorlagen mit\neingereicht werden mussen. Dazu gehoren auch die zur Beurteilung des Vorhabens\nerforderlichen Unterlagen, das heißt die bereits naher beschriebenen\nUnterlagen fur die objektive Beurteilung des Vorhabens aus\nimmissionsfachlicher Sicht. Der Klager hatte diese Unterlagen bis zum\n24.03.1999 nicht vorgelegt. Die mit Schriftsatzen vom 28.09.1998 und\n21.03.1999 eingereichten Schallausbreitungsberechnungen stammen vom Klager\nselbst, nicht aber von einer fachlich geeigneten Stelle. Im Übrigen fehlen\nauch die sonstigen vom Umweltamt fur erforderlich gehaltenen Unterlagen.\nGleiches gilt fur die Schattenwurfberechnung, die mit dem Schriftsatz vom\n21.03.1999 (erstmalig) vorgelegt wurde. Mangels ausreichender Bauvorlagen war\nder Bauvorbescheidsantrag bis zum 24.03.1999 nicht bescheidungsfahig.\n\n39\n\n \n\nWeil dem Klager der geltend gemachte Feststellungsanspruch nicht zusteht,\nbleibt auch der Antrag, die Hinzuziehung des Bevollmachtigen fur notwendig zu\nerklaren, ohne Erfolg.\n\n40\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die\nBeigeladenen haben keine Antrage gestellt, sodass es nicht der Billigkeit\nentsprache, ihre außergerichtlichen Kosten dem Klager aufzuerlegen.\n\n41\n\n \n\nGrunde, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), vermag der Senat nicht zu\nerkennen.\n\n
114,434
olgk-1999-09-24-16-wx-12999
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
16 Wx 129/99
1999-09-24
2018-11-28 11:28:44
2019-02-12 08:36:08
Beschluss
ECLI:DE:OLGK:1999:0924.16WX129.99.00
## Tenor\n\nDem Beteiligten zu 1) wird für die Durchführung des Verfahrens über die\nweitere und sofortige weitere Beschwerde unter Beiordnung von Rechtsanwalt S.\nin K. Prozeßkostenhilfe bewilligt. Auf die weitere Beschwerde und die\nsofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluß der 3.\nZivilkammer des Landgerichts Aachen vom 14. Juli 1999 - 3 T 292/97 - insoweit\naufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das\nLandgericht Aachen zurückverwiesen, als das Landgericht die Rechtsmittel\nzurückgewiesen hat. Die Entscheidung über die Kosten des\nRechtsbeschwerdeverfahren bleibt dem Landgericht Aachen vorbehalten. \n1\n\n**G r u n d e**\n\n2\n\nDie Rechtsmittel sind zulassig (§§ 27,29 Abs. 1, 2, 69 g Abs. 4 Satz 1 Nr. 1\nFGG).\n\n3\n\nIn der Sache fuhren sie zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses\nund Zuruckverweisung der Sache an das Landgericht, da die Entscheidung des\nBeschwerdegerichts nicht frei von Rechtsfehlern ist (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §\n550 ZPO). Es hatte vor der Beschwerdeentscheidung zu Lasten des Betroffenen\nsowohl der personlichen Anhorung des Betroffenen als auch der Einholung eines\nSachverstandigengutachtens bedurft.\n\n4\n\nOb im Verfahren uber die Aufhebung der Betreuung (§ 1908 d Abs. 1 BGB), fur\ndas § 69 i Abs. 3 FGG weder die personliche Anhorung des Betroffenen noch die\nEinholung eines Sachverstandigengutachtens vorschreibt, diese Maßnahmen\ndennoch im Rahmen der Amtsermittlung nach § 12 FGG geboten waren, kann\ndahinstehen. Denn das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Beschluß nicht nur\nden Antrag des Betroffenen auf Aufhebung der Betreuung zuruckgewiesen sondern\nzugleich die Bestellung des Betreuers verlangert. Im Verfahren uber die\nVerlangerung der Bestellung eines Betreuers gelten gemaß § 69 i Abs. 6 Satz 1\nFGG die Vorschriften uber die erstmalige Bestellung entsprechend, wonach\nsowohl die personliche Anhorung des Betroffenen zu erfolgen hat (§ 68 Abs. 1\nFGG) als auch das Gutachten eines Sachverstandigen uber die Notwendigkeit der\nBetreuung einzuholen ist (§ 68 b Abs. 1 Satz 1 FGG). Fur das Beschwerdegericht\ngelten die Vorschriften uber den ersten Rechtszug entsprechend (§ 69 g Abs. 5\nSatz 1 FGG). Von der Anhorung darf im Beschwerdeverfahren ausnahmsweise nur\ndann abgesehen werden, wenn die Anhorung bereits im ersten Rechtszug\nvorgenommen worden und von einer erneuten Vornahme keine zusatzlichen\nErkenntnisse zu erwarten sind (§ 69 g Abs. 5 Satz 3 FGG). Ein derartiger\nAusnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Im Hinblick darauf, daß die\nzeitlich letzte Anhorung durch das Amtsgericht (31. Juli 1997) im Zeitpunkt\nder Beschwerdeentscheidung (14. Juli 1999) nahezu zwei Jahre zurucklag, gibt\ndas protokollierte Ergebnis dieser Anhorung dem Beschwerdegericht keine\nGrundlage fur eine eigene zuverlassige Beurteilung der fur die Entscheidung\nmaßgeblichen Umstande. Es war deshalb eine erneute Anhorung in der\nBeschwerdeinstanz geboten, damit sich das Landgericht einen personlichen\nEindruck von dem Betroffenen sowie der Art und Entwicklung seiner Erkrankung\nverschaffen konnte, um ein klares und umfassendes Bild von seiner\nPersonlichkeit zu gewinnen. Das Landgericht war zudem gehalten, ein weiteres\nSachverstandigengutachten uber das Krankheitsbild des Betroffenen einzuholen.\nZwar kann das Beschwerdegericht seine Entscheidung auf ein im ersten Rechtszug\neingeholtes Gutachten stutzen (§ 69 g Abs. 5 Satz 4 FGG).\n\n5\n\nDies kommt vorliegend aber deshalb nicht in Betracht, weil im Zeitpunkt der\nBeschwerdeentscheidung ein zeitnahes Gutachten, das Erkenntnisse uber den\nGesundheitszustand des Betroffenen zuließe, nicht vorlag. Das in erster\nInstanz vom Amtsgericht eingeholte Gutachten wurde am 18. Juni 1997 erstellt,\nwobei hinzukommt, daß der Gutachter den Betroffenen vor Erstattung des\nGutachtens nicht untersucht hat, seine Feststellungen vielmehr auf der letzten\nambulanten Untersuchung vom 20. Januar 1995 und dem weiteren Akteninhalt\nberuhen. Im Hinblick auf die Moglichkeit einer zwischenzeitlichen Veranderung\ndes Krankheitsbildes war die Einholung eines weiteren\nSachverstandigengutachten durch das Beschwerdegericht zwingend geboten.\n\n6\n\nAuch im Verfahren uber die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts ist die\npersonliche Anhorung des Betroffenen (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FGG) sowie die\nEinholung eines Gutachtens uber die Notwendigkeit einer solchen Anordnung (§\n68 b Abs. 2 i. V. m. § 68 b Abs. 1 Satz 1 FGG) vorgeschrieben. Auch hier\ndurfte das Beschwerdegericht aus den vorgenannten Grunden seine Entscheidung\nweder auf die vom Amtsgericht protokollierte Anhorung des Betroffenen noch auf\ndas in der Vorinstanz eingeholte Sachverstandigengutachtens stutzen.\n\n7\n\nDer angefochtene Beschluß war deshalb teilweise aufzuheben und die Sache zur\nerneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zuruckzuverweisen.\nDabei weist der Senat darauf hin, daß durch diese Entscheidung der\namtsgerichtliche Beschluß vom 8. August 1997 unbeeinflußt bleibt, so daß bis\nzur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts sowohl die angeordnete\nVerlangerung der Betreuung als auch der angeordnete Einwilligungsvorbehalt fur\nden Aufgabenkreis Vermogenssorge Bestand haben. Will der Betroffene eine fur\nihn gunstige Entscheidung erwirken, ist er gehalten, an der Aufklarung des\nSachverhaltes mitzuwirken. Es sollte sich deshalb weder der Anhorung durch das\nBeschwerdegericht entziehen noch die Untersuchung durch einen Sachverstandigen\nverweigern.\n\n8\n\nDa die Rechtsverfolgung des Betroffenen hinreichende Aussicht auf Erfolg\nbietet, war ihm fur die Durchfuhrung des Rechtsbeschwerdeverfahrens\nProzeßkostenhilfe zu bewilligen (§§ 14 FGG, 114 ZPO).\n\n
128,941
olgsl-2007-03-19-8-w-5007-12
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
8 W 50/07 - 12
2007-03-19
2019-01-07 09:36:50
2019-02-12 12:12:16
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts\nSaarbrucken vom 11.12.2006 - 1 O 171/06 - aufgehoben. Die Sache wird zur\nerneuten Entscheidung an den zustandigen Einzelrichter der 1. Zivilkammer\nzuruckverwiesen.\n\n## Gründe\n\n**I.**\n\nDie Klagerin nimmt den Beklagten aus einer Burgschaft in Anspruch, die dieser\nals geschaftsfuhrender Gesellschafter der M. Elektronik Entwicklungs- und\nHandelsgesellschaft fur deren Verbindlichkeiten ubernommen hat. Nachdem das\nAmtsgericht einen Mahnbescheid erlassen und die Sache - nach Widerspruch des\nBeklagten - an das Landgericht Saarbrucken zur Durchfuhrung des streitigen\nVerfahrens abgegeben hatte, hat die zustandige Zivilkammer durch Beschluss vom\n16.10.2006 den Rechtsstreit gem. § 348 a ZPO an den Einzelrichter ubertragen.\n\nDen Antrag des Beklagten, ihm zu seiner Rechtsverteidigung Prozesskostenhilfe\nzu bewilligen, hat die Kammer in der Besetzung von drei Berufsrichtern durch\nBeschluss vom 11.12.2006 zuruckgewiesen. Gegen die Entscheidung richtet sich\ndie sofortige Beschwerde des Beklagten.\n\n**II.**\n\nDie sofortige Beschwerde hat einen vorlaufigen Erfolg. Der Beschluss des\nLandgerichts leidet unter einem wesentlichen Mangel (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO),\nweil er nicht durch den gesetzlichen Richter ergangen ist (Art. 101 Abs. 1 S.\n2 GG). Die Zivilkammer hat durch drei Berufsrichter entschieden, obwohl zur\nEntscheidung der Einzelrichter berufen war. Dieser Mangel ist von Amts wegen\nzu berucksichtigen (vgl. § 295 Abs. 2 ZPO, Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG; BGH v.\n19.10.1992 - II ZR 171/91 -, NJW 1993, 600 f.; Zoller/Greger, ZPO, 26. Aufl.,\n§ 348 Rn. 23). Ein uber einen bloßen Verfahrensirrtum hinausgehender Verstoß\ngegen das Gebot des gesetzlichen Richters gem. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ist\nunheilbar (BGH, a.a.O.). Dies gilt auch bei einer fehlerhaften Besetzung im\nBeschwerdeverfahren, da hier die Beachtung der Regelungen, die - wie die die\nBesetzung des Gerichts bestimmenden Vorschriften - dem offentlichen Interesse\nan einer geordneten Rechtspflege dienen, ebenfalls zu den unverzichtbaren\nNormen gehoren (BGH v. 30.9.1997 - X ZB 17/96, NJW-RR 1998, 699). Das\nLandgericht hat, ohne dass der zustandige Einzelrichter den Rechtsstreit der\nKammer zur Übernahme vorgelegt und die Kammer diesen ubernommen hatte (§ 348 a\nAbs. 2 ZPO), als Kammer und damit nicht als gesetzlicher Richter entschieden.\n\nDer Senat hat von einer eigenen Sachentscheidung abgesehen. Gemaß § 572 ZPO\nsteht es zwar im Ermessen des Beschwerdegerichts, ob es uber die Beschwerde\nselbst in der Sache entscheidet oder ob es die Sache an das Gericht, das die\nangefochtene Entscheidung erlassen hat, zuruckverweist. Auch bei einem\nwesentlichen Verfahrensfehler - wie hier - muss deshalb nicht zwingend eine\nZuruckverweisung erfolgen (Musielak/Ball, ZPO, 5. Aufl., § 572 Rn. 16). Einer\neigenen Sachentscheidung steht hier jedoch entgegen, dass die Unzustandigkeit\nder Kammer zum Erlass des Beschlusses vom 11.12.2006 zugleich Auswirkungen auf\ndie Zustandigkeiten des Senats im Beschwerdeverfahren und damit auf den\ngesetzlichen Richter des Beschwerdegerichts hat. Ware der Beschluss vom\n11.12.2006 namlich durch den zustandigen Einzelrichter erlassen worden, so\nware im Beschwerdeverfahren ebenfalls der originare Einzelrichter des Senats\ngem. § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO zustandig gewesen. Da der angefochtene Beschluss\naber von der - wenn auch unzustandigen - Kammer erlassen wurde, ist auch im\nBeschwerdeverfahren eine Zustandigkeit des Senats begrundet (ebenso: OLG Celle\nOLGReport 2003, 8; Zoller/Gummer, a.a.O., § 572 Rn. 27).\n\nDer angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und an den Einzelrichter der\nZivilkammer zuruckzuverweisen. Dieser wird erneut uber den Antrag auf\nBewilligung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden haben.\n\n
129,005
ovgsl-2007-05-03-1-r-1806
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 R 18/06
2007-05-03
2019-01-07 09:37:41
2019-02-12 12:12:26
Beschluss
## Tenor\n\nUnter Abanderung des aufgrund mundlicher Verhandlung vom 27. Oktober 2005\nergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 6 K 117/05.A -\nwird die Klage abgewiesen.\n\nDie Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens fallen der Klagerin zur Last.\n\nDer Beschluss ist wegen der Kosten vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\nI.\n\nDie am ... 2004 in der Bundesrepublik Deutschland geborene Klagerin ist\nalgerische Staatsangehorige berberischer Volkszugehorigkeit. Die Asylantrage\nihrer Eltern wurden am 11.10.2001 bzw. 14.2.2002 rechtskraftig negativ\nabgeschlossen. Mit Bescheid vom 7.6.2005 lehnte das Bundesamt fur Migration\nund Fluchtlinge (Bundesamt) den aufgrund einer Antragsfiktion nach § 14 a Abs.\n2 AsylVfG als gestellt erachteten Antrag der Klagerin auf Anerkennung als\nAsylberechtigte gemaß § 30 Abs. 1 AsylVfG als offensichtlich unbegrundet ab.\nZugleich wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG\noffensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG\nnicht vorliegen.\n\nAuf die dagegen erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht mit dem im Tenor\ngenannten Urteil den Bescheid vom 7.6.2005 auf. Begrundet wurde dies damit,\ndass die Klagerin keinen rechtswirksamen Asylantrag gestellt habe und ein\nsolcher auch nicht aufgrund der mit Wirkung vom 1.1.2005 durch das\nZuwanderungsgesetz eingefuhrten Regelung in § 14 a Abs. 2 AsylVfG als gestellt\nangesehen (fingiert) werden konne. § 14 a Abs. 2 AsylVfG sei namlich auf die\nam 4.12.2004 geborene Klagerin nicht anwendbar, da diese Bestimmung nur fur\ndie ab dem 1.1.2005 in das Bundesgebiet eingereisten oder hier geborenen\nKinder anwendbar sei.\n\nAuf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 8.3.2006 - 1 Q 79/05\n- die Berufung gemaß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zugelassen, weil der - zum\ndamaligen Zeitpunkt - in der Rechtsprechung umstrittene Anwendungsbereich des\n§ 14 a Abs. 2 AsylVfG grundsatzlicher Klarung bedurfe. Der Klagerin wurde\nzugleich Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung fur das Verfahren in zweiter\nInstanz bewilligt.\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n> > die Klage unter Abanderung des angefochtenen Urteils insgesamt abzuweisen.\n\nDie Klagerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.\n\nDer Senat hat den Beteiligten mit Schreiben vom 21.3.2007 mitgeteilt, dass er\ndie Berufung einstimmig fur begrundet und eine mundliche Verhandlung nicht fur\nerforderlich halte (§ 130 a VwGO). Zugleich hat er ihnen Gelegenheit gegeben,\nsich bis zum 25.4.2007 zu außern. Hiervon hat die Klagerin mit Schriftsatz vom\n25.4.2007 Gebrauch gemacht.\n\nII.\n\nDer Senat halt die Berufung der Beklagten auch unter Berucksichtigung der\nAusfuhrungen der Klagerin im Schriftsatz vom 25.4.2007 einstimmig fur\nbegrundet und macht daher nach Anhorung der Beteiligten von der durch § 130 a\nVwGO eroffneten Moglichkeit Gebrauch, der Berufung durch Beschluss\nstattzugeben.\n\nEntgegen der Ansicht der Klagerin bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen,\ndass das Bundesamt mit dem angegriffenen Bescheid vom 7.6.2005 den nach § 14 a\nAbs. 2 AsylVfG als gestellt geltenden Antrag auf Anerkennung als\nAsylberechtigte als „offensichtlich unbegrundet" abgelehnt und festgestellt\nhat, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG „offensichtlich nicht"\nund Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.\n\nDurch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts\n\n> > vgl. u.a. Urteile vom 21.11.2006 - 1 C 5.06 - und - 1 C 10.06 -, beide\n> dokumentiert bei Juris,\n\nist die zum Zeitpunkt der Zulassung der Berufung durch den Senat umstrittene\nzeitliche Geltung des zum 1.1.2005 neu eingefugten § 14 a Abs. 2 AsylVfG\ndahingehend geklart, dass diese Vorschrift in Übereinstimmung mit der\nAuffassung der Beklagten auch auf vor dem1.1.2005 in Deutschland geborene\nKinder, mithin auch auf die Klagerin anzuwenden ist.\n\nDie Klagerin kann im Weiteren nicht damit durchdringen, dass sich ihr\nAnfechtungsantrag hilfsweise darauf beziehen soll, dass das Bundesamt den nach\n§ 14 a Abs. 2 AsylVfG fingierten Antrag auf Asyl- und Fluchtlingsschutz in Nr.\n1 und Nr. 2 des angefochtenen Bescheids als „offensichtlich" und nicht nur als\n(einfach) unbegrundet abgelehnt hat.\n\nDie Ablehnung als „offensichtlich unbegrundet" im Bescheid vom 7.6.2005 ist\nnicht zu beanstanden. Sie ist, wie der Gesamtzusammenhang der\nBescheidsbegrundung zweifelsfrei erschließt, eindeutig auf die ausdrucklich\nals einschlagig herangezogene Regelung des § 30 Abs. 1 AsylVfG gestutzt. Nach\ndieser Vorschrift ist ein Asylantrag offensichtlich unbegrundet, wenn die\nVoraussetzungen fur eine Anerkennung als Asylberechtigter und die\nVoraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht vorliegen. Eine\nisolierte Aufhebung des Ausspruchs der „offensichtlichen" Unbegrundetheit ware\nnach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.11.2006\n\n> > \\- 1 C 10.06 -, Tz. 21, 22, 35 bis 39, a.a.O.,\n\nausnahmsweise dann geboten, wenn das Bundesamt den (fingierten) Antrag der\nKlagerin auf Anerkennung als Asylberechtigte sowie als Fluchtling in Anwendung\nvon § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG als offensichtlich unbegrundet und nicht nur als\nunbegrundet abgelehnt hatte.\n\nNach § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG ist ein unbegrundeter Asylantrag als\n„offensichtlich" unbegrundet abzulehnen, „wenn er fur einen nach diesem Gesetz\nhandlungsunfahigen Auslander gestellt wird, nachdem zuvor Asylantrage der\nEltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar\nabgelehnt worden sind". Diese Regelung soll - ebenso wie die weiteren\nQualifikationsfalle des § 30 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 AsylVfG - einen\nMissbrauchstatbestand erfassen und sanktionieren\n\n> > BVerwG, a.a.O., Tz. 37.\n\nDie Sanktion bei einer Ablehnung nach § 30 Abs. 3 AsylVfG besteht darin, dass\ngemaß § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG grundsatzlich eine gesetzliche Sperre fur\ndie Erteilung eines Aufenthaltstitels eintritt, die - außer in den Fallen des\n§ 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG - nur durch eine Aufhebung des\nOffensichtlichkeitsurteils beseitigt werden kann\n\n> > BVerwG, a.a.O., Tz. 22.\n\nDie weit reichenden negativen Rechtsfolgen des § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG\nsollen sich nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung nicht\nauf Asylentscheidungen erstrecken, die in einem Verfahren nach § 14 a Abs. 2\nAsylVfG ohne einen Asylantrag des Auslanders ergangen sind. Denn eine\nmissbrauchliche Einleitung eines Asylverfahrens durch den Auslander, auf die §\n30 Abs. 3 AsylVfG reagiert, ist im Anwendungsbereich des § 14 a Abs. 2 AsylVfG\nnicht feststellbar\n\n> > BVerwG, a.a.O., Tz. 39.\n\nDa das Bundesamt sein Verdikt der „offensichtlichen" Unbegrundetheit des\nAsylbegehrens nicht auf eine missbrauchliche Antragstellung nach § 30 Abs. 3\nNr. 7 AsylVfG gestutzt hat, sondern allein auf den allgemeinen Tatbestand des\n§ 30 Abs. 1 AsylVfG, unterliegt der Bescheid vom 7.6.2005 auch nicht einer\nTeilaufhebung.\n\nZweifel an der Rechtmaßigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben sich auch\nnicht in der Sache selbst. Der Bescheid vom 7.6.2005 ist rechtmaßig und\nverletzt die Klagerin nicht in ihren Rechten. Die Klagerin hat weder in ihrer\nKlagebegrundung noch im Rahmen des Berufungsverfahrens Einwendungen gegen die\nSachentscheidung des Bundesamtes vorgebracht, welche die tatsachliche und\nrechtliche Bewertung dieses Bescheids in Frage stellen. Der Senat sieht\ndeshalb gemaß § 77 Abs. 2 AsylVfG von einer weiteren Darstellung der\nEntscheidungsgrunde ab.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.\n\nDer Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.\n\nDie vorlaufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf den §§ 167 VwGO,\n708 Nr. 11 ZPO.\n\nDie Voraussetzungen fur die Zulassung der Revision gemaß § 132 Abs. 2 VwGO\nliegen nicht vor.\n\n
132,264
lg-stuttgart-2003-02-07-15-o-27602
142
Landgericht Stuttgart
lg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
15 O 276/02
2003-02-07
2019-01-07 10:14:13
2019-01-17 11:52:09
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Der Beklagte wird verurteilt, an den Klager ein Schmerzensgeld in Hohe von\n25.000,00 EUR zu bezahlen.\n\n2\\. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Klager\nsamtliche materiellen und zukunftigen immateriellen Schaden zu ersetzen, die\nihm durch den Aufenthalt bei den Pflegeeltern R. entstanden sind bzw. noch\nentstehen, soweit diese Anspruche nicht auf Dritte, insbesondere\nSozialversicherungstrager ubergegangen sind.\n\n3\\. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n4\\. Der Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n5\\. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 27.000,00 EUR\nvorlaufig vollstreckbar.\n\nStreitwert: 35.000,00 EUR\n\n(Schmerzensgeldantrag: 25.000,00 EUR;\n\nFeststellungsantrag: 10.000,00 EUR)\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen unzureichender\nÜberprufung der Pflegeeltern R., bei denen der Klager in der Zeit vom\n06.12.1990 bis 28.11.1997 untergebracht war und misshandelt worden ist. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Pflegeeltern wurden durch rechtskraftiges Urteil des Landgerichts\nStuttgart vom 30.06.1999 wegen Mordes an einem anderen Pflegekind in\nTateinheit mit der Misshandlung von drei Schutzbefohlenen - darunter der\nKlager - jeweils zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt (9 Ks 116 Js\n100180/97; Bl. 11 d.A.). \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Sachverhalt ist zwischen den Parteien unstreitig: \n--- \n| 4 \n--- \n| Der am 02.06.1989 geborene Klager wurde am 06.12.1990 vom damals\nzustandigen Kreisjugendamt H. im Rahmen einer Krisenintervention der Familie\nR. zunachst vorubergehend zur Vollzeitpflege zugewiesen. Die leibliche Mutter\ndes Klagers war alkoholabhangig. Es kam regelmaßig zu Handgreiflichkeiten mit\nihrem damaligen Ehemann. Die Eheleute R. hatten bereits zwei eigene Kinder,\nden funf Jahre alten F. und die drei Jahre alte K., als der Klager in die\nFamilie kam. \n--- \n| 5 \n--- \n| Im Oktober 1993 zog die ganze Familie nach W. Im Mai 1994 nahmen die\nPflegeeltern zwei weitere Pflegekinder auf - den drei Jahre alten A. und den\neineinhalb Jahre alten A., der letzten Endes von den Pflegeeltern ermordet\nwurde. \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 20.07.1994 wurde vom fur den Klager weiter zustandigen Kreisjugendamt H.\nein Hilfeplan erstellt (Qu. 4 Jugendamtsakte). Am 02.08.1994 suchte die\nMitarbeiterin des Kreisjugendamts des R.- Kreises B. die Pflegeeltern R. auf,\num von diesen den vom Kreisjugendamt H. erstellten Hilfeplan unterzeichnen zu\nlassen (Qu. 6 Jugendamtsakte). \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 31.08.1994 lehnte der Beklagte die Übernahme der Zustandigkeit fur die\nHilfe zur Erziehung gegenuber dem Landratsamt H. ab (Qu. 8 Jugendamtsakte). In\nder Folgezeit kam es zu einem ausfuhrlichen Schriftwechsel zwischen dem\nKreisjugendamt des Beklagten und dem Kreisjugendamt H. uber die Frage des\nZustandigkeitsubergangs. Der Beklagte lehnte die Übernahme der Zustandigkeit\nwiederholt ab, weil keine Zustimmung der sorgeberechtigten Mutter zum\nAufenthalt des Klagers in der Pflegefamilie R. vorlag und somit - nach\nAuffassung des Beklagten - nicht von einem dauerhaften Pflegeverhaltnis\nausgegangen werden konnte. Dieser Zustandigkeitsstreit zog sich letztlich bis\n01.06.1997 hin (Qu. 32 Jugendamtsakte). \n--- \n| 8 \n--- \n| Im Januar 1995 wurde zur Tagespflege die sechs Monate alte T. aufgenommen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Seit September 1995 ging der Klager in den Waldorfkindergarten. \n--- \n| 10 \n--- \n| Am 20.03.1996 fand ein Hilfeplangesprach fur die Pflegekinder A. und A.\nstatt, an dem M. H. fur das Kreisjugendamt des Beklagten teilnahm. Bei diesem\nGesprach waren alle Pflegekinder anwesend. \n--- \n| 11 \n--- \n| Im September 1996 wird der Klager in der Waldorfschule eingeschult. \n--- \n| 12 \n--- \n| Am 07.11.1996 erteilte der Beklagte den Pflegeeltern R. eine\nPflegeerlaubnis fur den Klager (Qu. 26 Jugendamtsakte). \n--- \n| 13 \n--- \n| Am 12.12.1996 findet ein erneutes Hilfeplangesprach fur die Geschwister A.\nstatt, an dem E. B. und M. H. fur das Kreisjugendamt des Beklagten teilnahmen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Am 02.03.1997 entband die Pflegemutter ihr drittes eigenes Kind T. \n--- \n| 15 \n--- \n| Am 09.04.1997 fand ein Hilfeplangesprach fur den Klager statt, das zunachst\nauf 13.01.1997 terminiert war, jedoch wegen einer Scharlacherkrankung der\nPflegemutter verschoben worden war (S. 69 Strafurteil). Das Gesprach fand\nzunachst in den Raumen des Jugendamtes unter Teilnahme der sorgeberechtigten\nMutter und der Sozialarbeiterinnen B. und B. vom Kreisjugendamt H. aber ohne\nden Klager statt. Daran schloss sich ein Hausbesuch an, an dem die\nMitarbeiterin des Kreisjugendamtes des Beklagten nicht mehr teilnahm. Vom\nKreisjugendamt H. wurde bezuglich dieses Gesprachs u.a. Folgendes im Protokoll\nfestgehalten (Qu. 31 Jugendamtsakte): \n--- \n| 16 \n--- \n| "...Das außere Erscheinungsbild von A. ist klein und kraftig. Nach Angaben\ndes Hausarztes besteht noch die Moglichkeit eines Wachstumsschubes.\nWahrscheinlich ist jedoch die Großenentwicklung genetisch bedingt. \n--- \n| 17 \n--- \n| A. hatte zum zweiten Mal Scharlach und ist inzwischen wieder gesund. Nach\nwie vor isst er sehr gerne, jedoch entwickelt er ein Mengengespur. Er bewegt\nsich gern, welches sich gunstig auf seinen Stoffwechsel und seine Figur\nausgewirkt hat. \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach Angaben der Pflegeeltern habe A. sich in seiner emotionalen\nEntwicklung stabilisiert und ein gesundes Selbstbewusstsein entwickelt. So\nkonne er sich auch gegen Hanseleien, die sich auf seine Korpergroße beziehen,\nzur Wehr setzen. Insgesamt sei er ein offenes und interessiertes Kind mit\nwenig Stimmungsschwankungen. ..." \n--- \n| 19 \n--- \n| Dieses Gesprachsprotokoll wurde dem Beklagten vom Kreisjugendamt H. am\n17.04.1997 ubersandt. \n--- \n| 20 \n--- \n| Am 01.06.1997 ging die Zustandigkeit vom Kreisjugendamt H. auf das\nKreisjugendamt des Beklagten uber. Am 04.06.1997 wurde eine Vorlage fur die\nGewahrung eine Jugendhilfemaßnahme (Qu. 32 Jugendamtsakte) erarbeitet. Darin\nist als Ergebnis des Fachteams festgehalten: \n--- \n| 21 \n--- \n| "Die Jugendhilfe im Rahmen einer Vollzeitpflege entspricht dem Bedarf von\nA. Die Pflegefamilie R. ist sehr gut geeignet. Der Pflegefamilie wurde eine\nPflegeerlaubnis fur A. erteilt." \n--- \n| 22 \n--- \n| Durch Entscheidung des Amtsleiters wurde am 12.06.1997 eine jahrliche\nHilfeplanung angeordnet. \n--- \n| 23 \n--- \n| Am 11.07.1997 wurde von B. telefonisch bei der Pflegefamilie R.\nnachgefragt, ob der beim Hilfeplangesprach vom 09.04.1997 geplante\nGeburtstagsbesuch der Mutter am 02.06.1997 durchgefuhrt worden sei. Frau R.\nteilte dem Jugendamt mit, die Mutter sei nicht gekommen. Außerdem\nverabschiedete sich bei dieser Gelegenheit die zustandige Sachbearbeiterin\n(Qu. 33 Jugendamtsakte). Gemeint ist damit wohl die Verabschiedung in den\nMutterschutz. \n--- \n| 24 \n--- \n| Irgendwelche weiteren Maßnahmen von Seiten des Kreisjugendamts des\nBeklagten sind nicht erfolgt. \n--- \n| 25 \n--- \n| Am 15.09.1997 ware der Klager in die zweite Klasse gekommen. Er erschien\naber nicht zur Schule. \n--- \n| 26 \n--- \n| Am 27.11.1997 verstarb das Pflegekind A. im Alter von funf Jahren an\nUnterernahrung. Hierauf wurden die restlichen Pflegekinder aus der Familie\ngenommen und sofort stationar in das Kreiskrankenhaus Waiblingen und spater in\ndas Kinderheim O. aufgenommen. Ende November 1997 war der Klager 8 1/2 Jahre\nalt. Er war 11,8 kg schwer und 104 cm groß. Bei normaler Entwicklung waren 23\nkg und 130 cm zu erwarten gewesen. Seine Korperlange entsprach der eines\nVierjahrigen, der dann aber regelmaßig 16,5 kg wiegen wurde. Zum Vergleich:\nDas leibliche Kind T. war zum damaligen Zeitpunkt neun Monate alt, wog 9,62 kg\nund war 77,5 cm groß. \n--- \n| 27 \n--- \n| Das Strafurteil enthalt folgende Feststellungen (S. 5): \n--- \n| 28 \n--- \n| "Wahrend die Pflegeeltern R. ihre eigenen Kinder gut versorgten, qualten\nsie die Pflegekinder von Anfang an, um deren Willen zu brechen und sie gefugig\nzu machen, indem sie ihnen ihre Zuwendung vorenthielten und sie misshandelten.\nDazu setzten sie vor allem auf den Entzug von Nahrung. Sie gaben den\nPflegekindern zu wenig, Minderwertiges und zeitweise gar nichts zu essen. Sie\nsperrten die Kinder ein und schlugen sie. Die chronische Vernachlassigung des\nKlagers und der erlittene Hunger uber sieben Jahre schadigten den Klager an\nder Gesundheit, so dass der Klager in seiner korperlichen und seelischen\nEntwicklung, insbesondere in seinem Langenwachstum gestort wurde und\npsychosozialer Minderwuchs (Kleinwuchs) eintrat." \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Klager lebt heute im Pestalozzi Kinder- und Jugenddorf in S. \n--- \n| 30 \n--- \n| Er ist der Ansicht, das Kreisjugendamt des Beklagten habe seine Pflicht zur\nÜberwachung der Pflegeeltern R. nicht in ausreichendem Maße erfullt. \n--- \n| 31 \n--- \n| Da von den Pflegeeltern im Laufe der Jahre immer wieder von Essstorungen,\ngenetisch bedingter Kleinwuchsigkeit und Alkoholembryopathie die Rede gewesen\nsei, hatte das Kreisjugendamt auf arztliche Untersuchungen und die Vorlage von\narztlichen Untersuchungsberichten drangen mussen. Das auffallige Essverhalten\nsei ein eindeutiger Hinweis darauf gewesen, dass es dem Klager in der\nPflegefamilie nicht gut gegangen sei. \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Mitarbeiter des Kreisjugendamtes hatten sich von dem sympathischen\nEindruck der Pflegeeltern blenden lassen. \n--- \n| 33 \n--- \n| Insbesondere habe auffallen mussen, dass in der Pflegefamilie R.\nausgerechnet die drei Pflegekinder kleinwuchsig waren, obwohl sie von\nverschiedenen Eltern abstammten. \n--- \n| 34 \n--- \n| Bei pflichtgemaßer Überwachung der Pflegefamilie waren die Misshandlungen\njedenfalls fruher aufgedeckt worden. \n--- \n| 35 \n--- \n| Der Klager tragt weiter vor, bei den wegen Mordes zu lebenslanger\nFreiheitsstrafe verurteilten Pflegeeltern konne kein Schadensersatz erlangt\nwerden. \n--- \n| 36 \n--- \n| Er halt ein Schmerzensgeld in Hohe von 25.000,00 EUR fur angemessen und\nbeantragt daher, \n--- \n| 37 \n--- \n| 1\\. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld in dieser Hohe\nzu bezahlen, und \n--- \n| 38 \n--- \n| festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Klager samtliche\nmateriellen und immateriellen Schaden durch die Unterbringung zur Pflege bei\nden Eheleuten R. zu ersetzen. \n--- \n| 39 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 40 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 41 \n--- \n| Er ist der Ansicht, das Kreisjugendamt habe seine Überprufungspflicht\nordnungsgemaß erfullt. \n--- \n| 42 \n--- \n| Das Verhaltnis zwischen Pflegeeltern und Jugendamt sei durch\npartnerschaftliche Zusammenarbeit und Kooperation und nicht durch Schutz und\nKontrolle gepragt. Die staatliche Aufsicht sei daher zeitlich begrenzt und\nmusse bei Kindern im Alter uber drei Jahren nur noch alle zwei Jahre\nstattfinden. Das Kreisjugendamt H. habe mit den Pflegeeltern R. nur gute\nErfahrungen gemacht. \n--- \n| 43 \n--- \n| Es habe keinerlei Hinweise auf Misshandlungen der Pflegekinder durch die\nPflegeeltern gegeben. \n--- \n| 44 \n--- \n| Es habe keine Veranlassung bestanden, den Gesundheitszustand der\nPflegekinder von amtsarztlicher Seite uberprufen zu lassen. Außerdem sei die\nUnterernahrung des Klagers in angezogenem Zustand nicht zu erkennen gewesen. \n--- \n| 45 \n--- \n| Der Beklagte weist auch darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart\ndas Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen des Kreisjugendamts des\nBeklagten nach § 170 Abs. 2 StPO mit Verfugung vom 03.03.200 eingestellt hat. \n--- \n| 46 \n--- \n| Außerdem wird die Einrede der Verjahrung erhoben. \n--- \n| 47 \n--- \n| Bezuglich des Vortrags der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten\nSchriftsatze Bezug genommen. \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Kammer hat die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Stuttgart 112 Js\n105221/97 beigezogen. Außerdem wurde die Jugendhilfeakte des Kreisjugendamts\ndes Beklagten beigezogen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 49 \n--- \n| Die Klage ist ganz uberwiegend zulassig und, soweit sie zulassig ist, auch\nbegrundet. \n--- \nI. \n--- \n| 50 \n--- \n| Der Feststellungsantrag ist unzulassig, soweit der Klager Feststellung der\nErsatzpflicht fur samtliche immateriellen Schaden verlangt, die ihm durch die\nUnterbringung in der Pflegefamilie R. entstanden sind. \n--- \n| 51 \n--- \n| Fur die bereits in der Vergangenheit entstandenen immateriellen Schaden hat\nder Klager in seinem Leistungsantrag Verurteilung zur Zahlung von\nSchmerzensgeld begehrt. Bei der Hohe dieses einheitlichen Schmerzensgeldes\nsind auch die vorhersehbaren Zukunftsrisiken des Geschadigten zu\nberucksichtigen. Soweit der Schmerzensgeldantrag reicht, fehlt es somit fur\neinen Feststellungsantrag an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen\nFeststellungsinteresse. Lediglich fur bisher noch nicht erkenn- und\nvoraussehbare Leiden, die moglicherweise kunftig auftreten, bleibt neben dem\nLeistungsantrag Raum fur die Feststellung einer weiteren Ersatzpflicht fur\nimmaterielle Schaden (sog. immaterieller Vorbehalt; Palandt/Thomas, BGB, 61.\nAufl., § 847 Rn. 18). \n--- \nII. \n--- \n| 52 \n--- \n| Dem Klager steht ein Schmerzensgeldanspruch in Hohe von 25.000,00 EUR gegen\nden Beklagten nach Art. 34 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 839 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB a.F.\nzu. \n--- \n| 53 \n--- \n| 1\\. Die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe - darunter auch die dem\nKlager gewahrte Hilfe zur Erziehung in der Form der Vollzeitpflege in einer\nPflegefamilie nach § 33 SGB VIII - werden als offentlich-rechtliche Leistungen\nerbracht. Die Mitarbeiter des Kreisjugendamtes handeln somit in Ausubung eines\noffentlichen Amtes, so dass der Anwendungsbereich der Amtshaftung nach Art. 34\nAbs. 1 GG eroffnet ist. \n--- \n| 54 \n--- \n| 2\\. Die Mitarbeiter des Kreisjugendamtes des Beklagten haben ihre in § 37\nAbs. 3 SGB VIII vorgesehene Amtspflicht zur Überprufung der Pflegeeltern R.\nverletzt. \n--- \n| 55 \n--- \n| a) Nach § 37 Abs. 3 SGB VIII soll das Jugendamt den Erfordernissen des\nEinzelfalles entsprechend an Ort und Stelle uberprufen, ob die Pflegeperson\neine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen forderliche Erziehung\ngewahrleistet. \n--- \n| 56 \n--- \n| Nach dieser Vorschrift besteht nicht nur ein Recht zur Überprufung der\nPflegeperson an Ort und Stelle, sondern eine entsprechende Verpflichtung des\nJugendamtes. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm, da nur bei Annahme\neiner entsprechenden Verpflichtung das Jugendamt das Kindeswohl auch\ntatsachlich "gewahrleisten" kann (Krug/Gruner/Dalichau, SGB VIII, § 37\nErlauterung IV 1; Schellhorn, SGB VIII, § 33 Rn. 11). Dass es sich bei der\ngenannten Norm um eine Sollvorschrift handelt, bedeutet somit nicht, dass die\nVerwaltung die freie Wahl hat, ob sie uberprufen mochte oder nicht. \n--- \n| 57 \n--- \n| Haufigkeit und Intensitat der Überprufung haben sich am Einzelfall zu\norientieren. \n--- \n| 58 \n--- \n| Die von der Beklagten (Bl. 51 d.A.) als ausreichend angesehene schematische\nVorgehensweise dergestalt, dass bei Kindern im Alter uber drei Jahren nur eine\nÜberprufung alle zwei Jahre notwendig ist, findet dagegen im Wortlaut des\nGesetzes keine Stutze und ist ungenugend\n(Wiesner/Morsberger/Oberloskamp/Struck, SGB VIII, § 37 Rn. 41). \n--- \n| 59 \n--- \n| Der Gesetzestext beschrankt die Überprufungsverpflichtung des Jugendamtes\nauch nicht lediglich auf anlassbezogene Maßnahmen, z.B. nach einer Anzeige\ndurch Nachbarn oder Lehrer. \n--- \n| 60 \n--- \n| Nicht per se ausreichend ist daruber hinaus, eine Kontrolle lediglich aus\nAnlass von nach § 36 Abs. 2 SGB VIII durchzufuhrenden Hilfeplangesprachen. Die\nÜberprufungsverpflichtung nach § 37 Abs. 3 SGB VIII ist als eigenstandige\nVerpflichtung normiert und enthalt weitergehende Anforderungen an das\nJugendamt. \n--- \n| 61 \n--- \n| Entscheidend fur die nach den Erfordernissen des Einzelfalles notwendigen\nÜberprufungsmaßnahmen ist das Ziel, das durch diese Maßnahmen nach dem Willen\ndes Gesetzgebers erreicht werden soll. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass\ngerade in Fallen, in denen von Pflegeeltern das Kindeswohl vernachlassigt\nwird, die Gefahr besteht, dass diese sich nicht vertrauensvoll an das\nJugendamt wenden und um Rat fragen, weil sie sich damit regelmaßig z.B. der\nGefahr eigener Strafverfolgung aussetzen. Aus diesem Grund ist im\nGesetzgebungsverfahren neben der ursprunglich ausschließlich vorgesehenen\nUnterrichtungspflicht der Pflegeeltern gegenuber dem Jugendamt aus § 37 Abs. 3\nS. 2 SGB VIII eine eigenstandige Überprufungspflicht des Jugendamtes\naufgenommen worden (BT-DS. 11/5948 S. 133). Danach hat das Jugendamt davon\nauszugehen, dass die Moglichkeit besteht, dass Pflegeeltern auf Probleme bei\nder Erziehung gerade nicht hinweisen. Diese dennoch zu erkennen, ist Zweck der\nÜberprufungspflicht. Das Kindeswohl kann nur dann gewahrleistet werden, wenn\nauch ohne konkreten Anlass Überprufungen stattfinden (Krug/Gruner/Dalichau,\na.A. O.). \n--- \n| 62 \n--- \n| Die Kammer vermag daher auch die Auffassung nicht zu teilen, dass\nÜberprufungsmaßnahmen der Erziehung des Kindes eher schaden, weil sie das\nVertrauensverhaltnis zwischen Jugendamt und Pflegeeltern beeintrachtigen (so\naber Wiesner a.A. O.). \n--- \n| 63 \n--- \n| Schließlich gebietet auch Art. 6 Abs. 1 GG, der auch die Pflegefamilie\nunter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt (st. Rspr. BVerfGE\n68, 176, 187), keine restriktive Auslegung der Überprufungspflicht aus § 37\nAbs. 3 SGB VIII. Die Pflegefamilie, in die ein Kind im Rahmen der Hilfe zu\nErziehung aufgenommen wird, kann sich nach Auffassung der Kammer gegenuber\nÜberprufungsmaßnahmen, die der Feststellung dienen sollen, ob das Kindeswohl\ngewahrleistet ist, nicht auf ihren verfassungsrechtlichen Schutz berufen.\nSoweit ersichtlich hat dies das Bundesverfassungsgericht auch nicht\nentschieden. Der Vorrang des Kindeswohles ist in Art. 6 Abs. 3 GG\nfestgeschrieben und muss gerade dann gelten, wenn es nicht um Maßnahmen\ngegenuber leiblichen Eltern, die sich auch auf Art. 6 Abs. 2 GG berufen\nkonnen, sondern um Maßnahmen gegenuber Pflegeeltern geht. Schließlich soll die\nAufnahme eines Kindes in eine Pflegefamilie dessen Situation verbessern und\nnicht verschlechtern. \n--- \n| 64 \n--- \n| Als Minimum an "laufender" Überprufungstatigkeit ist vom Jugendamt daher\ninnerhalb einer angemessenen Frist von sechs bis acht Wochen nach Übernahme\nder Zustandigkeit eine Eingangsprufung an Ort und Stelle durchzufuhren, um\naufgrund der gewonnenen Erkenntnisse das weitere Vorgehen festlegen zu konnen.\nDabei ist bei der Überprufung vor Ort so vorzugehen, dass auch Probleme, die\ndie Pflegeeltern von sich aus nicht offen legen, nach Moglichkeit erkannt\nwerden. Bei Pflegekindern im Kindergarten- und Schulalter ist mit diesen\nselbstverstandlich zwingend ein ausfuhrliches Gesprach zu fuhren. Dabei\nverkennt die Kammer nicht, dass auch ein solches Gesprach nicht die Garantie\nfur die Offenlegung von Missstanden bietet, weil Kinder ihre Eltern - auch\nPflegeltern - unabhangig davon lieben, wie gut oder schlecht sie behandelt\nwerden, und daher nicht denunzieren. Ein solches Gesprach bietet jedoch die\nMoglichkeit, sich einen unmittelbaren und eigenen Eindruck uber den\nEntwicklungsstand und die Interessen des Kindes zu verschaffen und\nfestzustellen, ob beidem in der Pflegefamilie entsprochen wird. \n--- \n| 65 \n--- \n| b) Diese Minimalanforderungen wurden vom Jugendamt des Beklagten im Falle\ndes Klagers nicht erfullt. \n--- \n| 66 \n--- \n| Das Kreisjugendamt des Beklagten war seit 01.06.1997 fur die Leistung der\nHilfe zur Erziehung fur den Klager zustandig. Der Klager war somit bis zum\nTode von A. am 27.11.1997 annahernd sechs Monate unter der Zustandigkeit des\nBeklagten in der Pflegefamilie R. \n--- \n| 67 \n--- \n| In dieser Zeit fand lediglich ein Telefongesprach der zustandigen\nMitarbeiterin mit der Pflegemutter statt. Gegenstand dieses Gesprachs war der\nGeburtstagsbesuch der leiblichen Mutter am 02.06.1997 und die Mitteilung, dass\ndie Mitarbeiterin des Jugendamts in Mutterschutz gehen wurde (Qu. 33\nJugendamtsakte). \n--- \n| 68 \n--- \n| In der Vorlage fur die Gewahrung einer Jugendhilfemaßnahme vom 04.06.1997\nwird die Pflegefamilie R. jedoch als "sehr gut geeignet" eingestuft. Woraus\nsich diese Erkenntnisse ergeben, ist fur die Kammer danach nicht\nnachvollziehbar. \n--- \n| 69 \n--- \n| Weitere Maßnahmen waren bis zum nachsten Hilfeplangesprach Ende 1998 nicht\nvorgesehen. \n--- \n| 70 \n--- \n| Das Kreisjugendamt des Beklagten kann sich nicht darauf berufen, dass die\nnotwendige Vorortuberprufung anlasslich zweier Hilfeplangesprache fur die\nGeschwister A. am 20.03.1996 und am 12.12.1996 erfolgt seien. \n--- \n| 71 \n--- \n| Diese Gesprache dienten nicht dazu, festzustellen, ob das Kindeswohl des\nKlagers oder dessen forderliche Erziehung gewahrleistet ist. Sie haben in der\nJugendamtsakte des Klagers keinen Niederschlag gefunden. Daruber hinaus ist im\nStrafurteil fur den Hausbesuch vom 12.12.1996 festgehalten, dass den Kindern\nA., denen dieser Besuch schließlich galt und die malend am Tisch saßen, kaum\nBeachtung geschenkt worden ist (S. 66). Damit kann davon ausgegangen werden,\ndass auch dieses Hilfeplangesprach den Anforderungen, die an eine Überprufung\nder Situation der Pflegekinder zu stellen sind, nicht gerecht wurde. \n--- \n| 72 \n--- \n| d) Weiter kann sich das Kreisjugendamt des Beklagten nicht darauf berufen,\nden Pflegeeltern R. sei fur den Klager bereits am 07.11.1996 eine\nPflegeerlaubnis erteilt worden. \n--- \n| 73 \n--- \n| Zwar findet sich in § 44 Abs. 3 SGB VIII fur die Pflegeerlaubnis eine § 37\nAbs. 3 SGB VIII vergleichbare Regelung, nach der das Jugendamt den\nErfordernissen des Einzelfalles entsprechend an Ort und Stelle uberprufen\nsoll, ob die Voraussetzungen fur die Erteilung der Erlaubnis weiter bestehen.\nAuch vor der Erteilung der Erlaubnis ist eine Überprufung durchzufuhren.\nAllerdings fand auch in diesem Zusammenhang die notwendige Überprufung vor Ort\nnicht statt. \n--- \n| 74 \n--- \n| e) Schließlich kann auch der Hausbesuch am 09.04.1997 anlasslich der\nErstellung des Hilfeplans durch das Kreisjugendamt H. das Kreisjugendamt des\nBeklagten von seiner Verpflichtung zu einer eigenen Überprufung vor Ort nicht\nentbinden. \n--- \n| 75 \n--- \n| Die zustandige Mitarbeiterin des Kreisjugendamts des Beklagten nahm\nlediglich am ersten Teil des Gesprachs in den Raumen des Jugendamtes teil, bei\ndem der Klager nicht anwesend war. An der gesetzlich vorgeschriebenen\nÜberprufung an Ort und Stelle nahm kein Vertreter des Beklagten teil. Den\nunmittelbaren Eindruck von der Situation vor Ort hatte damit lediglich die\nMitarbeiterin des Kreisjugendamts H., die allerdings ihre Zustandigkeit seit\nJahren und zu Recht nach § 86 Abs. 6 SGB VIII abzugeben versuchte, wahrend der\nBeklagte entgegen den Zustandigkeitsvorschriften die Übernahme nach § 86c SGB\nVIII ablehnte. \n--- \n| 76 \n--- \n| Dass die Mitarbeiterin des Kreisjugendamts H. einen personlichen Eindruck\ngewonnen hat, vermag die fehlenden eigenen Erkenntnisse von Mitarbeitern des\nBeklagten nicht zu ersetzen. Dies gilt um so mehr, als im Gesprachsprotokoll\n(Qu. 31 Jugendamtsakte) durchaus Anhaltspunkte enthalten sind, die einen\neigenen Eindruck in besonderem Maße erforderlich erscheinen lassen.\nInsbesondere die Ausfuhrungen der Pflegemutter, nach denen der Klager sehr\ngern esse, jedoch ein Mengengespur entwickle, waren auffallig. Sie ließen sich\nbereits zum damaligen Zeitpunkt nicht mit dem vollig kleinen und dunnen\naußeren Erscheinungsbild des Klagers in Einklang bringen. Daruber hinaus war\nbekannt, dass durch die Geburt des dritten eigenen Kindes der Pflegemutter T.\nam 02.03.1997 und die schwierige berufliche Situation des Pflegevaters, der\nsich seit Jahren um die Ausbildung zum Waldorfpadagogen muhte, ausgesprochen\nviel Problempotenzial in der Familie vorhanden war. \n--- \n| 77 \n--- \n| Schließlich war seit dem Hilfeplangesprach bis zum Wechsel der\nZustandigkeit bereits wieder ein Zeitraum von zwei Monaten vergangen. In einer\nFamilie mit sieben Kindern - drei eigene Kinder, darunter ein Saugling, drei\nVollzeitpflegekinder und das Tagespflegekind T. - kann sich die Situation in\ndiesem Zeitraum andern. Eine solche Familie ist auf besondere Unterstutzung -\nnicht nur finanzieller Art - angewiesen. \n--- \n| 78 \n--- \n| 3\\. Die Amtspflicht zur Überprufung der Pflegeeltern an Ort und Stelle,\ninsbesondere die Verpflichtung zur Durchfuhrung einer Eingangsprufung nach\nÜbernahme der Zustandigkeit dient dem Schutz der Pflegekinder. Sie ist\ndrittgerichtet, und ihre Verletzung vermag Schadensersatzanspruche der\nPflegekinder zu begrunden. \n--- \n| 79 \n--- \n| Dabei verkennt die Kammer nicht, dass gerade die durchzufuhrende\nEingangsprufung der Verwaltung dazu dienen soll, ihr weiteres Vorgehen auf\neiner sicheren Tatsachengrundlage festlegen zu konnen. Daneben ist die\nEingangsprufung aber auch eine Maßnahme, die selbst schon uberprufenden\nCharakter hat und somit nicht nur im Interesse der Verwaltung, sondern auch\ndes Pflegekindes durchgefuhrt werden muss. \n--- \n| 80 \n--- \n| 4\\. Die Kammer geht davon aus, dass bei pflichtgemaßer Durchfuhrung einer\nEingangsuberprufung an Ort und Stelle nach Begrundung der Zustandigkeit des\nBeklagten die eklatanten Misshandlungen am Klager zu Tage getreten waren. \n--- \n| 81 \n--- \n| Zwar stand dem Klager der Hunger auch noch in den Monaten Juni und Juli\n1997, in denen die Überprufung hatte stattfinden mussen, nicht im Sinne einer\nVergreisung, wie sie kurz vor dem Hungertod auftritt, ins Gesicht geschrieben.\nDer Klager wich jedoch von der normalen Großen- und Gewichtsentwicklung\nGleichaltriger zu diesem Zeitpunkt bereits derart krankhaft ab, dass dies\naufgefallen ware (S. 123 Strafurteil). Daruber hinaus hat der Klager bereits\nim Juli 1996 bei der Schuluntersuchung ein Untergewicht erreicht, das\nzweifelsfrei und ohne medizinische Ausbildung erkennbar war (S. 134\nStrafurteil). Auffallig war auch, dass in der Pflegefamilie R. gerade die drei\nPflegekinder, die aus unterschiedlichen Familien stammten, besonders klein und\ndunn waren. \n--- \n| 82 \n--- \n| Der Klager war bereit, uber seine Situation zu sprechen. Allerdings hat man\nihn nicht gefragt. Zu dieser Erkenntnis gelangt die Kammer aufgrund des\nAblaufs des Hilfeplangesprachs vom 09.04.1997 bei der Pflegefamilie zu Hause.\nBei diesem stellte die leibliche Mutter beim Klager einen Bluterguss fest.\nDieser außerte ihr gegenuber, er sei geschlagen worden. Die zustandige\nMitarbeiterin des Kreisjugendamts H. glaubte dies nicht (S. 71 Strafurteil). \n--- \n| 83 \n--- \n| Bei einer Überprufung vor Ort hatten auch die Ausreden der Pflegemutter als\nsolche erkannt werden konnen und mussen. Es muss selbst einem medizinischen\nLaien klar sein, dass ein Kind, das - wie die Pflegemutter angab - besonders\nviel isst, jedoch langsam ein Mengengespur entwickelt, eher zu dick als zu\ndunn sein muss. Angesichts dieser sich ohne weiteres aufdrangenden Zweifel\nhatte das Kreisjugendamt zumindest medizinischen Rat einholen mussen. \n--- \n| 84 \n--- \n| Geht man wie die Kammer davon aus, dass bei einer ordnungsgemaßen\nÜberprufung die Missstande zu Tage getreten waren, ware dem Klager seine\nLeidenszeit in den letzten Monaten erspart geblieben. \n--- \n| 85 \n--- \n| 5\\. Die Mitarbeiter des Kreisjugendamts des Beklagten haben fahrlassig\ngehandelt. \n--- \n| 86 \n--- \n| a) Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hatte erkannt werden konnen,\nwelche Anforderungen an die Überprufungspflicht nach § 37 Abs. 3 SGB VIII zu\nstellen sind. \n--- \n| 87 \n--- \n| Die restriktive Anwendung der Vorschrift durch die Mitarbeiter des\nBeklagten ist nach Auffassung der Kammer weder im Ergebnis vertretbar noch\nberuht sie auf einer sorgfaltigen und mit den zu Gebote stehenden Hilfsmitteln\ndurchgefuhrten Auslegung (vgl. Palandt/Thomas, a.A. O., § 839 Rn. 53). Sie\nfindet weder im Wortlaut des Gesetzestextes noch in der Gesetzesbegrundung\nausreichende Anknupfungspunkte. Bei sorgfaltiger Prufung der Rechtslage hatte\nerkannt werden mussen, dass eine bloß anlassbezogene und schematische\nÜberprufung im Abstand von ein bis zwei Jahren ohne eine selbst durchgefuhrte\nEingangsprufung nach dem Übergang der Zustandigkeit nicht ausreichend ist. \n--- \n| 88 \n--- \n| b) Nicht zu folgen vermag die Kammer auch der Einschatzung der\nStaatsanwaltschaft Stuttgart aus der Einstellungsverfugung vom 03.03.2000, das\nVerhalten der Pflegeeltern sei etwas in der "zivilisierten" Welt derart\nUngeheuerliches, dass es außerhalb jeder Vorstellung liege und somit nicht\nvorhersehbar sei. \n--- \n| 89 \n--- \n| Dass Pflegeeltern ihre Kinder vernachlassigen, qualen und misshandeln, ist\nzwar erschutternd, kommt jedoch leider auch in der zivilisierten Welt immer\nwieder vor. Gerade deswegen besteht die Überprufungsverpflichtung. \n--- \n| 90 \n--- \n| Der konkrete Tathergang und die Folgen, insbesondere der todliche Ausgang\nbrauchen dagegen nicht vorhergesehen zu werden, um gleichwohl einen\nFahrlassigkeitsschuldvorwurf annehmen zu konnen (Palandt/Heinrichs, a.A. O., §\n276 Rn. 20). \n--- \n| 91 \n--- \n| 6\\. Dem Klager steht eine anderweitige Ersatzmoglichkeit, die die\nSchadensersatzverpflichtung nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ausschließen wurde,\nunstreitig nicht zur Verfugung. Die zu lebenslanger Freiheitsstrafe\nverurteilten Pflegeeltern sind zur Leistung von Schadensersatz nicht in der\nLage. \n--- \n| 92 \n--- \n| 7\\. Nach Auffassung der Kammer sind die Schadensersatzanspruche des Klagers\nauch nicht nach Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB, § 852 Abs. 1 BGB n.F.\nverjahrt. \n--- \n| 93 \n--- \n| Die Verjahrung deliktischer Schadensersatzanspruche beginnt in dem\nZeitpunkt, in dem der Verletzte vom Schaden und der Person des\nErsatzpflichtigen Kenntnis erlangt. \n--- \n| 94 \n--- \n| Von einer Kenntnis der Schadensersatzpflicht des Beklagten kann jedoch\nfruhestens zum Zeitpunkt der strafgerichtlichen Verurteilung der Pflegeeltern\nam 30.06.1999 ausgegangen werden. Erst im Rahmen der Strafverhandlung wurden\ndie Geschehensablaufe und die Beteiligung des Jugendamtes aufgearbeitet. Vor\nder Verkundung des Strafurteils konnte der Klager nicht davon ausgehen, dass\ndem Kreisjugendamt des Beklagten ein Schuldvorwurf gemacht werden konnte. Es\nwar ihm nicht zuzumuten, bereits zu diesem Zeitpunkt Amtshaftungsklage zu\nerheben (Palandt/Thomas, a.A. O., § 852 Rn. 11 f.). \n--- \n| 95 \n--- \n| Damit ist der am 20.06.2002 und somit vor Ablauf der Verjahrungsfrist\neingereichte Prozesskostenhilfeantrag verjahrungshemmend nach Art. 229 § 6\nAbs. 1 S. 1 EGBGB, 206 BGB n.F. \n--- \n| 96 \n--- \n| 8\\. Die Kammer halt ein Schmerzensgeld nach § 847 Abs. 1 BGB a. F in Hohe\nvon 25.000,00 EUR fur angemessen. \n--- \n| 97 \n--- \n| Dabei hat die Kammer berucksichtigt, dass das Kreisjugendamt des Beklagten\ndurch ein Einschreiten die sich uber sieben Jahre hinstreckenden\nMisshandlungen des Klagers lediglich um maximal sechs Monate hatte abkurzen\nkonnen. Ein Schuldvorwurf kann dem Jugendamt nur fur vier Monate gemacht\nwerden, da die Eingangsuberprufung innerhalb eines Zeitraums von sechs bis\nacht Wochen nach Begrundung der Zustandigkeit stattfinden kann. \n--- \n| 98 \n--- \n| Die Kammer hat auch berucksichtigt, dass die Hauptverantwortung fur das\nunsagliche Leiden, das dem Klager zugefugt wurde, bei den Pflegeeltern zu\nsuchen ist. \n--- \n| 99 \n--- \n| Allerdings konnte auch nicht ohne Beachtung bleiben, dass gerade in den\nletzten Monaten, fur die das Kreisjugendamt des Beklagten die Verantwortung\ntrifft, die Leidenszeit am schwersten war. Dies waren die Monate, in denen der\nKlager zu Hause eingesperrt war, nicht mehr nach draußen geschweige denn zur\nSchule gehen durfte und kaum mehr bzw. keine Nahrung erhielt. \n--- \n| 100 \n--- \n| Der Klager hat nicht nur, wahrend die Misshandlungen ausgeubt wurden,\nschwer gelitten. Er hat bleibenden Schaden an seiner Gesundheit und seiner\nkorperlichen und seelischen Entwicklung genommen. \n--- \nIII. \n--- \n| 101 \n--- \n| Dem Klager steht auch der im Rahmen des Feststellungsantrags geltend\ngemachte materielle Schadensersatzanspruch aus den oben dargestellten Grunden\nzu. \n--- \n| 102 \n--- \n| 1\\. Dabei hat die Kammer davon abgesehen, die Ersatzpflicht auf den\nZeitraum zu begrenzen, fur den die Zustandigkeit beim Kreisjugendamt des\nBeklagten lag. \n--- \n| 103 \n--- \n| Zum einen sieht die Kammer die Misshandlung des Klagers wie das\nStrafgericht als Dauerdelikt, das lediglich abgekurzt worden ware, hatte sich\ndas Kreisjugendamt des Beklagten pflichtgemaß verhalten. \n--- \n| 104 \n--- \n| Zum anderen lassen sich die beim Klager moglicherweise durch den Aufenthalt\nin der Pflegefamilie R. entstandenen Schaden rein tatsachlich den\nverschiedenen Zeitraumen nicht zuordnen, in denen der Landkreis H. und der\nBeklagte als Trager der Jugendhilfe zustandig waren. Nach dem Rechtsgedanken\nvon § 830 Abs. 1 S. 2 BGB ist somit der gesamte Schaden auch vom Beklagten zu\nersetzen. \n--- \n| 105 \n--- \n| 2\\. Die Kammer geht davon aus, dass die Moglichkeit besteht, dass dem\nKlager sowohl materielle Schaden entstanden sind als auch weitere materielle\nund immaterielle Schaden entstehen. Bei der Schwere der Misshandlungen und den\ndamit verbundenen Folgen ist dies naheliegend. Daher ist der\nFeststellungsantrag, soweit er zulassig ist, auch begrundet - abgesehen davon,\ndass eine Einschrankung fur Anspruche zu machen war, die auf Dritte\nubergegangen sind. \n--- \nIV. \n--- \n| 106 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die\nEntscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 49 \n--- \n| Die Klage ist ganz uberwiegend zulassig und, soweit sie zulassig ist, auch\nbegrundet. \n--- \nI. \n--- \n| 50 \n--- \n| Der Feststellungsantrag ist unzulassig, soweit der Klager Feststellung der\nErsatzpflicht fur samtliche immateriellen Schaden verlangt, die ihm durch die\nUnterbringung in der Pflegefamilie R. entstanden sind. \n--- \n| 51 \n--- \n| Fur die bereits in der Vergangenheit entstandenen immateriellen Schaden hat\nder Klager in seinem Leistungsantrag Verurteilung zur Zahlung von\nSchmerzensgeld begehrt. Bei der Hohe dieses einheitlichen Schmerzensgeldes\nsind auch die vorhersehbaren Zukunftsrisiken des Geschadigten zu\nberucksichtigen. Soweit der Schmerzensgeldantrag reicht, fehlt es somit fur\neinen Feststellungsantrag an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen\nFeststellungsinteresse. Lediglich fur bisher noch nicht erkenn- und\nvoraussehbare Leiden, die moglicherweise kunftig auftreten, bleibt neben dem\nLeistungsantrag Raum fur die Feststellung einer weiteren Ersatzpflicht fur\nimmaterielle Schaden (sog. immaterieller Vorbehalt; Palandt/Thomas, BGB, 61.\nAufl., § 847 Rn. 18). \n--- \nII. \n--- \n| 52 \n--- \n| Dem Klager steht ein Schmerzensgeldanspruch in Hohe von 25.000,00 EUR gegen\nden Beklagten nach Art. 34 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 839 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB a.F.\nzu. \n--- \n| 53 \n--- \n| 1\\. Die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe - darunter auch die dem\nKlager gewahrte Hilfe zur Erziehung in der Form der Vollzeitpflege in einer\nPflegefamilie nach § 33 SGB VIII - werden als offentlich-rechtliche Leistungen\nerbracht. Die Mitarbeiter des Kreisjugendamtes handeln somit in Ausubung eines\noffentlichen Amtes, so dass der Anwendungsbereich der Amtshaftung nach Art. 34\nAbs. 1 GG eroffnet ist. \n--- \n| 54 \n--- \n| 2\\. Die Mitarbeiter des Kreisjugendamtes des Beklagten haben ihre in § 37\nAbs. 3 SGB VIII vorgesehene Amtspflicht zur Überprufung der Pflegeeltern R.\nverletzt. \n--- \n| 55 \n--- \n| a) Nach § 37 Abs. 3 SGB VIII soll das Jugendamt den Erfordernissen des\nEinzelfalles entsprechend an Ort und Stelle uberprufen, ob die Pflegeperson\neine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen forderliche Erziehung\ngewahrleistet. \n--- \n| 56 \n--- \n| Nach dieser Vorschrift besteht nicht nur ein Recht zur Überprufung der\nPflegeperson an Ort und Stelle, sondern eine entsprechende Verpflichtung des\nJugendamtes. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm, da nur bei Annahme\neiner entsprechenden Verpflichtung das Jugendamt das Kindeswohl auch\ntatsachlich "gewahrleisten" kann (Krug/Gruner/Dalichau, SGB VIII, § 37\nErlauterung IV 1; Schellhorn, SGB VIII, § 33 Rn. 11). Dass es sich bei der\ngenannten Norm um eine Sollvorschrift handelt, bedeutet somit nicht, dass die\nVerwaltung die freie Wahl hat, ob sie uberprufen mochte oder nicht. \n--- \n| 57 \n--- \n| Haufigkeit und Intensitat der Überprufung haben sich am Einzelfall zu\norientieren. \n--- \n| 58 \n--- \n| Die von der Beklagten (Bl. 51 d.A.) als ausreichend angesehene schematische\nVorgehensweise dergestalt, dass bei Kindern im Alter uber drei Jahren nur eine\nÜberprufung alle zwei Jahre notwendig ist, findet dagegen im Wortlaut des\nGesetzes keine Stutze und ist ungenugend\n(Wiesner/Morsberger/Oberloskamp/Struck, SGB VIII, § 37 Rn. 41). \n--- \n| 59 \n--- \n| Der Gesetzestext beschrankt die Überprufungsverpflichtung des Jugendamtes\nauch nicht lediglich auf anlassbezogene Maßnahmen, z.B. nach einer Anzeige\ndurch Nachbarn oder Lehrer. \n--- \n| 60 \n--- \n| Nicht per se ausreichend ist daruber hinaus, eine Kontrolle lediglich aus\nAnlass von nach § 36 Abs. 2 SGB VIII durchzufuhrenden Hilfeplangesprachen. Die\nÜberprufungsverpflichtung nach § 37 Abs. 3 SGB VIII ist als eigenstandige\nVerpflichtung normiert und enthalt weitergehende Anforderungen an das\nJugendamt. \n--- \n| 61 \n--- \n| Entscheidend fur die nach den Erfordernissen des Einzelfalles notwendigen\nÜberprufungsmaßnahmen ist das Ziel, das durch diese Maßnahmen nach dem Willen\ndes Gesetzgebers erreicht werden soll. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass\ngerade in Fallen, in denen von Pflegeeltern das Kindeswohl vernachlassigt\nwird, die Gefahr besteht, dass diese sich nicht vertrauensvoll an das\nJugendamt wenden und um Rat fragen, weil sie sich damit regelmaßig z.B. der\nGefahr eigener Strafverfolgung aussetzen. Aus diesem Grund ist im\nGesetzgebungsverfahren neben der ursprunglich ausschließlich vorgesehenen\nUnterrichtungspflicht der Pflegeeltern gegenuber dem Jugendamt aus § 37 Abs. 3\nS. 2 SGB VIII eine eigenstandige Überprufungspflicht des Jugendamtes\naufgenommen worden (BT-DS. 11/5948 S. 133). Danach hat das Jugendamt davon\nauszugehen, dass die Moglichkeit besteht, dass Pflegeeltern auf Probleme bei\nder Erziehung gerade nicht hinweisen. Diese dennoch zu erkennen, ist Zweck der\nÜberprufungspflicht. Das Kindeswohl kann nur dann gewahrleistet werden, wenn\nauch ohne konkreten Anlass Überprufungen stattfinden (Krug/Gruner/Dalichau,\na.A. O.). \n--- \n| 62 \n--- \n| Die Kammer vermag daher auch die Auffassung nicht zu teilen, dass\nÜberprufungsmaßnahmen der Erziehung des Kindes eher schaden, weil sie das\nVertrauensverhaltnis zwischen Jugendamt und Pflegeeltern beeintrachtigen (so\naber Wiesner a.A. O.). \n--- \n| 63 \n--- \n| Schließlich gebietet auch Art. 6 Abs. 1 GG, der auch die Pflegefamilie\nunter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt (st. Rspr. BVerfGE\n68, 176, 187), keine restriktive Auslegung der Überprufungspflicht aus § 37\nAbs. 3 SGB VIII. Die Pflegefamilie, in die ein Kind im Rahmen der Hilfe zu\nErziehung aufgenommen wird, kann sich nach Auffassung der Kammer gegenuber\nÜberprufungsmaßnahmen, die der Feststellung dienen sollen, ob das Kindeswohl\ngewahrleistet ist, nicht auf ihren verfassungsrechtlichen Schutz berufen.\nSoweit ersichtlich hat dies das Bundesverfassungsgericht auch nicht\nentschieden. Der Vorrang des Kindeswohles ist in Art. 6 Abs. 3 GG\nfestgeschrieben und muss gerade dann gelten, wenn es nicht um Maßnahmen\ngegenuber leiblichen Eltern, die sich auch auf Art. 6 Abs. 2 GG berufen\nkonnen, sondern um Maßnahmen gegenuber Pflegeeltern geht. Schließlich soll die\nAufnahme eines Kindes in eine Pflegefamilie dessen Situation verbessern und\nnicht verschlechtern. \n--- \n| 64 \n--- \n| Als Minimum an "laufender" Überprufungstatigkeit ist vom Jugendamt daher\ninnerhalb einer angemessenen Frist von sechs bis acht Wochen nach Übernahme\nder Zustandigkeit eine Eingangsprufung an Ort und Stelle durchzufuhren, um\naufgrund der gewonnenen Erkenntnisse das weitere Vorgehen festlegen zu konnen.\nDabei ist bei der Überprufung vor Ort so vorzugehen, dass auch Probleme, die\ndie Pflegeeltern von sich aus nicht offen legen, nach Moglichkeit erkannt\nwerden. Bei Pflegekindern im Kindergarten- und Schulalter ist mit diesen\nselbstverstandlich zwingend ein ausfuhrliches Gesprach zu fuhren. Dabei\nverkennt die Kammer nicht, dass auch ein solches Gesprach nicht die Garantie\nfur die Offenlegung von Missstanden bietet, weil Kinder ihre Eltern - auch\nPflegeltern - unabhangig davon lieben, wie gut oder schlecht sie behandelt\nwerden, und daher nicht denunzieren. Ein solches Gesprach bietet jedoch die\nMoglichkeit, sich einen unmittelbaren und eigenen Eindruck uber den\nEntwicklungsstand und die Interessen des Kindes zu verschaffen und\nfestzustellen, ob beidem in der Pflegefamilie entsprochen wird. \n--- \n| 65 \n--- \n| b) Diese Minimalanforderungen wurden vom Jugendamt des Beklagten im Falle\ndes Klagers nicht erfullt. \n--- \n| 66 \n--- \n| Das Kreisjugendamt des Beklagten war seit 01.06.1997 fur die Leistung der\nHilfe zur Erziehung fur den Klager zustandig. Der Klager war somit bis zum\nTode von A. am 27.11.1997 annahernd sechs Monate unter der Zustandigkeit des\nBeklagten in der Pflegefamilie R. \n--- \n| 67 \n--- \n| In dieser Zeit fand lediglich ein Telefongesprach der zustandigen\nMitarbeiterin mit der Pflegemutter statt. Gegenstand dieses Gesprachs war der\nGeburtstagsbesuch der leiblichen Mutter am 02.06.1997 und die Mitteilung, dass\ndie Mitarbeiterin des Jugendamts in Mutterschutz gehen wurde (Qu. 33\nJugendamtsakte). \n--- \n| 68 \n--- \n| In der Vorlage fur die Gewahrung einer Jugendhilfemaßnahme vom 04.06.1997\nwird die Pflegefamilie R. jedoch als "sehr gut geeignet" eingestuft. Woraus\nsich diese Erkenntnisse ergeben, ist fur die Kammer danach nicht\nnachvollziehbar. \n--- \n| 69 \n--- \n| Weitere Maßnahmen waren bis zum nachsten Hilfeplangesprach Ende 1998 nicht\nvorgesehen. \n--- \n| 70 \n--- \n| Das Kreisjugendamt des Beklagten kann sich nicht darauf berufen, dass die\nnotwendige Vorortuberprufung anlasslich zweier Hilfeplangesprache fur die\nGeschwister A. am 20.03.1996 und am 12.12.1996 erfolgt seien. \n--- \n| 71 \n--- \n| Diese Gesprache dienten nicht dazu, festzustellen, ob das Kindeswohl des\nKlagers oder dessen forderliche Erziehung gewahrleistet ist. Sie haben in der\nJugendamtsakte des Klagers keinen Niederschlag gefunden. Daruber hinaus ist im\nStrafurteil fur den Hausbesuch vom 12.12.1996 festgehalten, dass den Kindern\nA., denen dieser Besuch schließlich galt und die malend am Tisch saßen, kaum\nBeachtung geschenkt worden ist (S. 66). Damit kann davon ausgegangen werden,\ndass auch dieses Hilfeplangesprach den Anforderungen, die an eine Überprufung\nder Situation der Pflegekinder zu stellen sind, nicht gerecht wurde. \n--- \n| 72 \n--- \n| d) Weiter kann sich das Kreisjugendamt des Beklagten nicht darauf berufen,\nden Pflegeeltern R. sei fur den Klager bereits am 07.11.1996 eine\nPflegeerlaubnis erteilt worden. \n--- \n| 73 \n--- \n| Zwar findet sich in § 44 Abs. 3 SGB VIII fur die Pflegeerlaubnis eine § 37\nAbs. 3 SGB VIII vergleichbare Regelung, nach der das Jugendamt den\nErfordernissen des Einzelfalles entsprechend an Ort und Stelle uberprufen\nsoll, ob die Voraussetzungen fur die Erteilung der Erlaubnis weiter bestehen.\nAuch vor der Erteilung der Erlaubnis ist eine Überprufung durchzufuhren.\nAllerdings fand auch in diesem Zusammenhang die notwendige Überprufung vor Ort\nnicht statt. \n--- \n| 74 \n--- \n| e) Schließlich kann auch der Hausbesuch am 09.04.1997 anlasslich der\nErstellung des Hilfeplans durch das Kreisjugendamt H. das Kreisjugendamt des\nBeklagten von seiner Verpflichtung zu einer eigenen Überprufung vor Ort nicht\nentbinden. \n--- \n| 75 \n--- \n| Die zustandige Mitarbeiterin des Kreisjugendamts des Beklagten nahm\nlediglich am ersten Teil des Gesprachs in den Raumen des Jugendamtes teil, bei\ndem der Klager nicht anwesend war. An der gesetzlich vorgeschriebenen\nÜberprufung an Ort und Stelle nahm kein Vertreter des Beklagten teil. Den\nunmittelbaren Eindruck von der Situation vor Ort hatte damit lediglich die\nMitarbeiterin des Kreisjugendamts H., die allerdings ihre Zustandigkeit seit\nJahren und zu Recht nach § 86 Abs. 6 SGB VIII abzugeben versuchte, wahrend der\nBeklagte entgegen den Zustandigkeitsvorschriften die Übernahme nach § 86c SGB\nVIII ablehnte. \n--- \n| 76 \n--- \n| Dass die Mitarbeiterin des Kreisjugendamts H. einen personlichen Eindruck\ngewonnen hat, vermag die fehlenden eigenen Erkenntnisse von Mitarbeitern des\nBeklagten nicht zu ersetzen. Dies gilt um so mehr, als im Gesprachsprotokoll\n(Qu. 31 Jugendamtsakte) durchaus Anhaltspunkte enthalten sind, die einen\neigenen Eindruck in besonderem Maße erforderlich erscheinen lassen.\nInsbesondere die Ausfuhrungen der Pflegemutter, nach denen der Klager sehr\ngern esse, jedoch ein Mengengespur entwickle, waren auffallig. Sie ließen sich\nbereits zum damaligen Zeitpunkt nicht mit dem vollig kleinen und dunnen\naußeren Erscheinungsbild des Klagers in Einklang bringen. Daruber hinaus war\nbekannt, dass durch die Geburt des dritten eigenen Kindes der Pflegemutter T.\nam 02.03.1997 und die schwierige berufliche Situation des Pflegevaters, der\nsich seit Jahren um die Ausbildung zum Waldorfpadagogen muhte, ausgesprochen\nviel Problempotenzial in der Familie vorhanden war. \n--- \n| 77 \n--- \n| Schließlich war seit dem Hilfeplangesprach bis zum Wechsel der\nZustandigkeit bereits wieder ein Zeitraum von zwei Monaten vergangen. In einer\nFamilie mit sieben Kindern - drei eigene Kinder, darunter ein Saugling, drei\nVollzeitpflegekinder und das Tagespflegekind T. - kann sich die Situation in\ndiesem Zeitraum andern. Eine solche Familie ist auf besondere Unterstutzung -\nnicht nur finanzieller Art - angewiesen. \n--- \n| 78 \n--- \n| 3\\. Die Amtspflicht zur Überprufung der Pflegeeltern an Ort und Stelle,\ninsbesondere die Verpflichtung zur Durchfuhrung einer Eingangsprufung nach\nÜbernahme der Zustandigkeit dient dem Schutz der Pflegekinder. Sie ist\ndrittgerichtet, und ihre Verletzung vermag Schadensersatzanspruche der\nPflegekinder zu begrunden. \n--- \n| 79 \n--- \n| Dabei verkennt die Kammer nicht, dass gerade die durchzufuhrende\nEingangsprufung der Verwaltung dazu dienen soll, ihr weiteres Vorgehen auf\neiner sicheren Tatsachengrundlage festlegen zu konnen. Daneben ist die\nEingangsprufung aber auch eine Maßnahme, die selbst schon uberprufenden\nCharakter hat und somit nicht nur im Interesse der Verwaltung, sondern auch\ndes Pflegekindes durchgefuhrt werden muss. \n--- \n| 80 \n--- \n| 4\\. Die Kammer geht davon aus, dass bei pflichtgemaßer Durchfuhrung einer\nEingangsuberprufung an Ort und Stelle nach Begrundung der Zustandigkeit des\nBeklagten die eklatanten Misshandlungen am Klager zu Tage getreten waren. \n--- \n| 81 \n--- \n| Zwar stand dem Klager der Hunger auch noch in den Monaten Juni und Juli\n1997, in denen die Überprufung hatte stattfinden mussen, nicht im Sinne einer\nVergreisung, wie sie kurz vor dem Hungertod auftritt, ins Gesicht geschrieben.\nDer Klager wich jedoch von der normalen Großen- und Gewichtsentwicklung\nGleichaltriger zu diesem Zeitpunkt bereits derart krankhaft ab, dass dies\naufgefallen ware (S. 123 Strafurteil). Daruber hinaus hat der Klager bereits\nim Juli 1996 bei der Schuluntersuchung ein Untergewicht erreicht, das\nzweifelsfrei und ohne medizinische Ausbildung erkennbar war (S. 134\nStrafurteil). Auffallig war auch, dass in der Pflegefamilie R. gerade die drei\nPflegekinder, die aus unterschiedlichen Familien stammten, besonders klein und\ndunn waren. \n--- \n| 82 \n--- \n| Der Klager war bereit, uber seine Situation zu sprechen. Allerdings hat man\nihn nicht gefragt. Zu dieser Erkenntnis gelangt die Kammer aufgrund des\nAblaufs des Hilfeplangesprachs vom 09.04.1997 bei der Pflegefamilie zu Hause.\nBei diesem stellte die leibliche Mutter beim Klager einen Bluterguss fest.\nDieser außerte ihr gegenuber, er sei geschlagen worden. Die zustandige\nMitarbeiterin des Kreisjugendamts H. glaubte dies nicht (S. 71 Strafurteil). \n--- \n| 83 \n--- \n| Bei einer Überprufung vor Ort hatten auch die Ausreden der Pflegemutter als\nsolche erkannt werden konnen und mussen. Es muss selbst einem medizinischen\nLaien klar sein, dass ein Kind, das - wie die Pflegemutter angab - besonders\nviel isst, jedoch langsam ein Mengengespur entwickelt, eher zu dick als zu\ndunn sein muss. Angesichts dieser sich ohne weiteres aufdrangenden Zweifel\nhatte das Kreisjugendamt zumindest medizinischen Rat einholen mussen. \n--- \n| 84 \n--- \n| Geht man wie die Kammer davon aus, dass bei einer ordnungsgemaßen\nÜberprufung die Missstande zu Tage getreten waren, ware dem Klager seine\nLeidenszeit in den letzten Monaten erspart geblieben. \n--- \n| 85 \n--- \n| 5\\. Die Mitarbeiter des Kreisjugendamts des Beklagten haben fahrlassig\ngehandelt. \n--- \n| 86 \n--- \n| a) Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hatte erkannt werden konnen,\nwelche Anforderungen an die Überprufungspflicht nach § 37 Abs. 3 SGB VIII zu\nstellen sind. \n--- \n| 87 \n--- \n| Die restriktive Anwendung der Vorschrift durch die Mitarbeiter des\nBeklagten ist nach Auffassung der Kammer weder im Ergebnis vertretbar noch\nberuht sie auf einer sorgfaltigen und mit den zu Gebote stehenden Hilfsmitteln\ndurchgefuhrten Auslegung (vgl. Palandt/Thomas, a.A. O., § 839 Rn. 53). Sie\nfindet weder im Wortlaut des Gesetzestextes noch in der Gesetzesbegrundung\nausreichende Anknupfungspunkte. Bei sorgfaltiger Prufung der Rechtslage hatte\nerkannt werden mussen, dass eine bloß anlassbezogene und schematische\nÜberprufung im Abstand von ein bis zwei Jahren ohne eine selbst durchgefuhrte\nEingangsprufung nach dem Übergang der Zustandigkeit nicht ausreichend ist. \n--- \n| 88 \n--- \n| b) Nicht zu folgen vermag die Kammer auch der Einschatzung der\nStaatsanwaltschaft Stuttgart aus der Einstellungsverfugung vom 03.03.2000, das\nVerhalten der Pflegeeltern sei etwas in der "zivilisierten" Welt derart\nUngeheuerliches, dass es außerhalb jeder Vorstellung liege und somit nicht\nvorhersehbar sei. \n--- \n| 89 \n--- \n| Dass Pflegeeltern ihre Kinder vernachlassigen, qualen und misshandeln, ist\nzwar erschutternd, kommt jedoch leider auch in der zivilisierten Welt immer\nwieder vor. Gerade deswegen besteht die Überprufungsverpflichtung. \n--- \n| 90 \n--- \n| Der konkrete Tathergang und die Folgen, insbesondere der todliche Ausgang\nbrauchen dagegen nicht vorhergesehen zu werden, um gleichwohl einen\nFahrlassigkeitsschuldvorwurf annehmen zu konnen (Palandt/Heinrichs, a.A. O., §\n276 Rn. 20). \n--- \n| 91 \n--- \n| 6\\. Dem Klager steht eine anderweitige Ersatzmoglichkeit, die die\nSchadensersatzverpflichtung nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ausschließen wurde,\nunstreitig nicht zur Verfugung. Die zu lebenslanger Freiheitsstrafe\nverurteilten Pflegeeltern sind zur Leistung von Schadensersatz nicht in der\nLage. \n--- \n| 92 \n--- \n| 7\\. Nach Auffassung der Kammer sind die Schadensersatzanspruche des Klagers\nauch nicht nach Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB, § 852 Abs. 1 BGB n.F.\nverjahrt. \n--- \n| 93 \n--- \n| Die Verjahrung deliktischer Schadensersatzanspruche beginnt in dem\nZeitpunkt, in dem der Verletzte vom Schaden und der Person des\nErsatzpflichtigen Kenntnis erlangt. \n--- \n| 94 \n--- \n| Von einer Kenntnis der Schadensersatzpflicht des Beklagten kann jedoch\nfruhestens zum Zeitpunkt der strafgerichtlichen Verurteilung der Pflegeeltern\nam 30.06.1999 ausgegangen werden. Erst im Rahmen der Strafverhandlung wurden\ndie Geschehensablaufe und die Beteiligung des Jugendamtes aufgearbeitet. Vor\nder Verkundung des Strafurteils konnte der Klager nicht davon ausgehen, dass\ndem Kreisjugendamt des Beklagten ein Schuldvorwurf gemacht werden konnte. Es\nwar ihm nicht zuzumuten, bereits zu diesem Zeitpunkt Amtshaftungsklage zu\nerheben (Palandt/Thomas, a.A. O., § 852 Rn. 11 f.). \n--- \n| 95 \n--- \n| Damit ist der am 20.06.2002 und somit vor Ablauf der Verjahrungsfrist\neingereichte Prozesskostenhilfeantrag verjahrungshemmend nach Art. 229 § 6\nAbs. 1 S. 1 EGBGB, 206 BGB n.F. \n--- \n| 96 \n--- \n| 8\\. Die Kammer halt ein Schmerzensgeld nach § 847 Abs. 1 BGB a. F in Hohe\nvon 25.000,00 EUR fur angemessen. \n--- \n| 97 \n--- \n| Dabei hat die Kammer berucksichtigt, dass das Kreisjugendamt des Beklagten\ndurch ein Einschreiten die sich uber sieben Jahre hinstreckenden\nMisshandlungen des Klagers lediglich um maximal sechs Monate hatte abkurzen\nkonnen. Ein Schuldvorwurf kann dem Jugendamt nur fur vier Monate gemacht\nwerden, da die Eingangsuberprufung innerhalb eines Zeitraums von sechs bis\nacht Wochen nach Begrundung der Zustandigkeit stattfinden kann. \n--- \n| 98 \n--- \n| Die Kammer hat auch berucksichtigt, dass die Hauptverantwortung fur das\nunsagliche Leiden, das dem Klager zugefugt wurde, bei den Pflegeeltern zu\nsuchen ist. \n--- \n| 99 \n--- \n| Allerdings konnte auch nicht ohne Beachtung bleiben, dass gerade in den\nletzten Monaten, fur die das Kreisjugendamt des Beklagten die Verantwortung\ntrifft, die Leidenszeit am schwersten war. Dies waren die Monate, in denen der\nKlager zu Hause eingesperrt war, nicht mehr nach draußen geschweige denn zur\nSchule gehen durfte und kaum mehr bzw. keine Nahrung erhielt. \n--- \n| 100 \n--- \n| Der Klager hat nicht nur, wahrend die Misshandlungen ausgeubt wurden,\nschwer gelitten. Er hat bleibenden Schaden an seiner Gesundheit und seiner\nkorperlichen und seelischen Entwicklung genommen. \n--- \nIII. \n--- \n| 101 \n--- \n| Dem Klager steht auch der im Rahmen des Feststellungsantrags geltend\ngemachte materielle Schadensersatzanspruch aus den oben dargestellten Grunden\nzu. \n--- \n| 102 \n--- \n| 1\\. Dabei hat die Kammer davon abgesehen, die Ersatzpflicht auf den\nZeitraum zu begrenzen, fur den die Zustandigkeit beim Kreisjugendamt des\nBeklagten lag. \n--- \n| 103 \n--- \n| Zum einen sieht die Kammer die Misshandlung des Klagers wie das\nStrafgericht als Dauerdelikt, das lediglich abgekurzt worden ware, hatte sich\ndas Kreisjugendamt des Beklagten pflichtgemaß verhalten. \n--- \n| 104 \n--- \n| Zum anderen lassen sich die beim Klager moglicherweise durch den Aufenthalt\nin der Pflegefamilie R. entstandenen Schaden rein tatsachlich den\nverschiedenen Zeitraumen nicht zuordnen, in denen der Landkreis H. und der\nBeklagte als Trager der Jugendhilfe zustandig waren. Nach dem Rechtsgedanken\nvon § 830 Abs. 1 S. 2 BGB ist somit der gesamte Schaden auch vom Beklagten zu\nersetzen. \n--- \n| 105 \n--- \n| 2\\. Die Kammer geht davon aus, dass die Moglichkeit besteht, dass dem\nKlager sowohl materielle Schaden entstanden sind als auch weitere materielle\nund immaterielle Schaden entstehen. Bei der Schwere der Misshandlungen und den\ndamit verbundenen Folgen ist dies naheliegend. Daher ist der\nFeststellungsantrag, soweit er zulassig ist, auch begrundet - abgesehen davon,\ndass eine Einschrankung fur Anspruche zu machen war, die auf Dritte\nubergegangen sind. \n--- \nIV. \n--- \n| 106 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die\nEntscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO. \n---\n\n
132,366
lsgbw-2004-01-23-l-4-kr-215902
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 4 KR 2159/02
2004-01-23
2019-01-07 10:15:09
2019-01-17 11:52:14
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts\nKarlsruhe vom 23. Mai 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszugen nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der Kosten fur eine\ngeschlechtsangleichende Operation (Mann-zu-Frau) streitig. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die am 1969 geborene Klagerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie\nwurde mit den korperlichen Merkmalen eines Mannes geboren, fuhlte sich jedoch\nseit ihrem Jugendalter zunehmend dem weiblichen Geschlecht zugehorig. Aufgrund\neines Antrags gemaß § 1 des Transsexuellengesetzes (TSG) aus dem Jahr 1999\nanderte das Amtsgericht (AG) Karlsruhe den bisher gefuhrten mannlichen\nVornamen in den Namen „T.". \n--- \n| 3 \n--- \n| Im Dezember 1999 beantragte die Klagerin die Übernahme der Kosten fur eine\ngeschlechtsangleichende Operation. Sie legte den Kostenvoranschlag der fur\ngeschlechtsangleichende Maßnahmen gemaß § 108 Nr. 3 des Funften Buches des\nSozialgesetzbuchs (SGB V) zugelassenen Chirurgischen Privatklinik M.-B. (im\nFolgenden: Klinik) sowie deren Informationsschreiben vom 23. Juli 1999 vor,\nferner die auf Veranlassung des AG K. im Rahmen des Antragsverfahrens gemaß §\n1 TSG veranlassten Gutachten des Dr. S., Facharzt fur Neurologie und\nPsychiatrie in der Psychiatrischen Klinik und Poliklinik des Klinikums der\nJohannes Gutenberg-Universitat M., vom 25. November 1999 und der klinischen\nPsychologin D.-M., L. Praxis fur psychologische Gesundheitsforderung und\nSexualpadagogik, vom 19. November 1999. Die Beklagte veranlasste eine\nBegutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK),\nwobei Dr. M. ausweislich seiner Stellungnahme vom 28. Dezember 1999 die\nKostenubernahme nicht befurwortete. Zur Begrundung fuhrte er aus, nach den\nRichtlinien der Spitzenverbande der Krankenkassen fur die Beurteilung einer\nOperationsindikation bei Transsexualitat seien neben der Überprufung der\nDiagnose folgende Kriterien zu erfullen: Der Therapeut kennt den Patienten\nmindestens seit 1 1/2 Jahren, der Patient hat das Leben in der gewunschten\nGeschlechtsrolle mindestens seit 1 1/2 Jahren kontinuierlich im sogenannten\nAlltags-Test erprobt, der Patient wird seit mindestens einem halben Jahr\nhormonell behandelt. Nachdem die Klagerin sich erst seit einem halben Jahr im\nAlltags-Test und in psychotherapeutischer Behandlung befinde, bestehe noch\nkeine Indikation zur Durchfuhrung der begehrten Operation. Dr. M. empfahl\ndaher eine Wiedervorlage der Unterlagen in einem Jahr, und zwar mit einem\nerganzenden gutachtlichen Bericht der Psychologin sowie einer Stellungnahme\nzum Verlauf der psychotherapeutischen Begleitung und des Alltags-Tests. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid vom 30. Dezember 1999 lehnte die Beklagte den Antrag, gestutzt\nauf die Ausfuhrungen des Dr. M., ab. Im Widerspruchsverfahren veranlasste die\nBeklagte die weitere Stellungnahme des Dr. M.-J., MDK, vom 24. Januar 2000,\nder die beantragte Kostenubernahme gleichfalls nicht befurwortete. Er verwies\nauf die Standards der Deutschen Gesellschaft fur Sexualforschung, der Akademie\nfur Sexualmedizin und der Gesellschaft fur Sexualwissenschaft zur Behandlung\nund Begutachtung von Transsexuellen, nach denen vor der Einleitung somatischer\nTherapiemaßnahmen in jedem Fall eine langere psychotherapeutische Begleitung\nstehen musse. Nach dem vorliegenden Gutachten werde eine derartige Betreuung\njedoch erst seit dem 01. Juli 1999 durchgefuhrt. Zudem liege kein arztliches\nGutachten zur Frage der Operationsindikation vor, nachdem das Gutachten des\nDr. S. ausdrucklich nur zur Vornamensanderung, nicht aber fur die operative\nGeschlechtsangleichung verfasst worden sei. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom 25. Januar 2000 lehnte die Beklagte den Antrag der\nKlagerin daraufhin erneut ab. Hiergegen erhob die Klagerin Widerspruch, ohne\ndiesen zu begrunden. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten gebildeten\nWiderspruchsausschusses vom 03. April 2000 wurde der Widerspruch\nzuruckgewiesen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Dagegen erhob die Klagerin am 05. Mai 2000 beim Sozialgericht (SG)\nKarlsruhe Klage. Sie machte geltend, die Beklagte berufe sich zu Unrecht auf\ndie so genannten „Standards of care". Diesen sei kein Rechtsnormcharakter\nbeizumessen; sie stellten allenfalls eine unverbindliche Arbeitshilfe dar. Die\nEntscheidung der Beklagten stehe zudem im Widerspruch zu dem\nBesprechungsergebnis der Spitzenverbande der Krankenkassen vom Januar 1997,\ndas ausdrucklich eine in jedem Fall vorzunehmende Einzelfallentscheidung\nvorsehe. Nach Durchfuhrung der gewunschten Operation legte sie die Rechnungen\nder Klinik vom 13. Juni 2000 und 31. Marz 2001 uber stationare Behandlungen\nvom 27. Mai bis 13. Juni 2000 beziehungsweise 25. bis 29. Marz 2001 uber DM\n13.481,89 und DM 2.202,48 sowie die Rechnung der Dres. Z., Gemeinschaftspraxis\nfur Laboratoriumsmedizin, vom 15. Juni 2000 uber DM 30,10 vor, ferner die\nGutachten des Dr. S. vom 25. November 1999 und der Psychologin D.-M. vom 19.\nNovember 1999. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter\nAufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Die Klagerin habe\nfur den begehrten schwerwiegenden operativen Eingriff weder ein arztliches\nGutachten zur Frage der Operationsindikation vorgelegt, noch eine arztliche\nVerordnung fur die begehrte Leistung. Da die Operation zwischenzeitlich\ndurchgefuhrt worden sei, lasse sich im Nachhinein auch nicht mehr feststellen,\nob die Versohnung mit dem biologischen Geschlecht mittels einer\nkontinuierlichen langfristigen Psychotherapie durch einen auf dem Gebiet der\nTranssexualitat besonders qualifizierten Therapeuten moglich gewesen ware. Sie\nlegte u.a. die Standards der Deutschen Gesellschaft fur Sexualforschung, der\nAkademie fur Sexualmedizin und der Gesellschaft fur Sexualwissenschaft zur\nBehandlung und Begutachtung von Transsexualitat sowie das weitere Gutachten\ndes Dr. M.-J. vom 26. November 2001 vor. \n--- \n| 8 \n--- \n| Das SG horte Dr. Neugebauer, Facharzt fur Innere Medizin, unter dem 28.\nAugust 2001, die Psychologin D.-M. unter dem 13. September 2001 sowie die\nÄrztin Peter, Psychosomatische Medizin, Schmerztherapie, unter dem 23.\nSeptember 2001 schriftlich als sachverstandige Zeugen und verurteilte die\nBeklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30. Dezember 1999 in der Gestalt\ndes Widerspruchsbescheids vom 03. April 2002 mit Gerichtsbescheid vom 23. Mai\n2002, der Klagerin die Kosten der stationaren Behandlung in Hohe von EUR\n6.562,16 zu erstatten. Wegen der Einzelheiten der Begrundung wird auf den\nInhalt des der Beklagten am 29. Mai 2002 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten\nGerichtsbescheids verwiesen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Hiergegen hat die Beklagte am 21. Juni 2002 schriftlich beim\nLandessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die Klagerin\nhabe keinen Anspruch gemaß § 39 SGB V gehabt. Sie sei korperlich an sich\norganisch gesund gewesen, weshalb keine Operationsindikation bestanden habe.\nGeschlechtsangleichende Operationen wurden am gesunden Korper vorgenommen,\nindem gesunde Organe entfernt und/oder in ihrer eigentlichen Form verandert\nwurden. Es handle sich folglich um einen kosmetischen Eingriff, fur den keine\nLeistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe. Insoweit\numfasse der Behandlungsanspruch grundsatzlich nur Maßnahmen zum Erkennen,\nHeilen und Lindern der Storungen der Geschlechtsidentitat. Hilfsweise werde im\nHinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), das bei\nbestehender Transsexualitat den geschlechtsangleichenden operativen Eingriff\nals Ultima ratio ansehe, darauf hingewiesen, dass es angesichts des an sich\nverstummelnden, zumeist unumkehrbaren Eingriffs im Interesse des Versicherten\nnotwendig sei, eine besondere Fursorge walten zu lassen. Daher sei es\nunumganglich, sich untergesetzlicher Regelungen und Normen, wie beispielsweise\nder Standards zur Behandlung und Begutachtung von Transsexuellen der Deutschen\nGesellschaft fur Sexualforschung, der Akademie fur Sexualmedizin und der\nGesellschaft fur Sexualwissenschaft sowie des Abschlussberichts der\nProjektgruppe P 29b des Medizinischen Dienstes der Sozialversicherung zu\n„Behandlungsmaßnahmen bei Transsexualitat" zu bedienen. Nachdem die Storungen\nder Geschlechtsidentitat den Personlichkeits- und Verhaltensstorungen\nzugeordnet wurden und die Komplexitat der Psychotherapie von Personen mit\ntranssexuellem Verlangen einer hinreichenden Reflexion der Biographie und der\ngegenwartigen Lebensumstande des Patienten mit seiner Identitatsproblematik\nbedurfe, sei eine psychotherapeutische Langzeitbehandlung von zwei Jahren zu\nfordern. Unabdingbarer Schritt sei die psychologische Begleitung in Verbindung\nmit dem Alltags-Test. Zudem durfe die Diagnosefindung und Indikationsstellung\nzur Transformationsoperation nicht durch den zuvor behandelnden\nPsychotherapeuten erfolgen, sondern nur durch einen arztlichen\nSachverstandigen. Demgegenuber habe die Klagerin lediglich ein zum Zwecke der\nNamensanderung erstelltes arztliches Gutachten vorgelegt, jedoch keines zur\nFrage der Operationsindikation. Im Sinne der Entscheidung des BSG vom 10.\nFebruar 1993 (SozR 3-2200 § 182 Nr. 14) sei nicht festzustellen, dass die\npsychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungsmoglichkeiten\nausgeschopft worden seien und die geschlechtsangleichende Maßnahme das einzige\nMittel dargestellt habe, das Leiden der Klagerin zu bessern oder zu lindern.\nDurch die nunmehr geschaffenen Fakten lasse sich im Nachhinein auch nicht mehr\nfeststellen, ob die Versohnung mit dem biologischen Geschlecht moglich gewesen\nware. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Mai 2002\naufzuheben und die Klage abzuweisen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Sie hat im Berufungsverfahren keine Stellungnahme vorgelegt. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Berichterstatterin des Senats hat die Auskunft der Psychologin D.-M.\nvom 24. Oktober 2003 erhoben. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beteiligten haben sich ubereinstimmend mit einer Entscheidung des\nSenats durch Urteil ohne mundliche Verhandlung einverstanden erklart. \n--- \n| 17 \n--- \n| Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der\nAkten beider Rechtszuge Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 18 \n--- \n| Die gemaß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und\nfristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, uber die der Senat mit dem\nEinverstandnis der Beteiligten gemaß § 124 Abs. 2 SGG ohne mundliche\nVerhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulassig; sie ist auch\nbegrundet. \n--- \n| 19 \n--- \n| Das SG hatte der Klage nicht stattgeben durfen. Denn die Bescheide der\nBeklagten vom 30. Dezember 1999 und 25. Januar 2000 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 03. April 2000 sind rechtmaßig und verletzen die\nKlagerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die\nKosten der seinerzeit noch beabsichtigten, im Mai/Juni 2000 jedoch\ndurchgefuhrten geschlechtsangleichenden Operation zu ubernehmen. Die Beklagte\nist daher auch nicht verpflichtet, der Klagerin die Kosten zu erstatten, die\nihr durch die entsprechende stationare Behandlung entstanden sind. \n--- \n| 20 \n--- \n| Anspruchsgrundlage fur das geltend gemachte Begehren ist § 13 Abs. 3 SGB V.\nDanach sind die Kosten fur eine selbst beschaffte Leistung, soweit sie\nnotwendig war, in der entstandenen Hohe von der Krankenkasse zu erstatten,\nwenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig\nerbringen konnte (Alternative 1), oder wenn sie eine Leistung zu Unrecht\nabgelehnt hat (Alternative 2) und dadurch dem Versicherten fur die selbst\nbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Dieser Kostenerstattungsanspruch\ntritt an die Stelle eines an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs, den die\nKasse infolge eines Versagens des Beschaffungssystems nicht erfullt hat. Der\ngeltend gemachte Anspruch ware daher nur dann zu bejahen, wenn die Beklagte\nverpflichtet gewesen ware, der Klagerin die durchgefuhrte stationare\nBehandlung als Sachleistung zur Verfugung zu stellen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Dies ist indes zu verneinen. Gemaß § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben\nVersicherte Anspruch auf vollstationare Behandlung in einem zugelassenen\nKrankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Untersuchung durch das\nKrankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch\nteilstationare, vor- und nachstationare oder ambulante Behandlung\neinschließlich hauslicher Krankenpflege, erreicht werden kann. Im Sinne dieser\nVorschrift war die in der Klinik durchgefuhrte geschlechtsangleichende\noperative Behandlung nicht erforderlich. \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Senat geht davon aus, dass bei der Klagerin zum Zeitpunkt der\noperativen Behandlung eine behandlungsbedurftige Krankheit vorgelegen hat,\nnamlich eine innere Spannung zwischen ihrem korperlichen mannlichen Geschlecht\nund ihrer seelischen Identifizierung mit dem anderen Geschlecht (sog.\nTranssexualitat), die eine derartige Auspragung erfahren hatte, dass ihr\nKrankheitswert beizumessen war. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von\nWiederholungen gemaß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausfuhrungen des SG\nin dem angefochtenen Gerichtsbescheid. Auch die Beklagte hat diese Bewertung\nletztlich nicht in Zweifel gezogen, wie den Ausfuhrungen der in Bezug\ngenommenen Stellungnahmen der Dres. M. und M.-J. vom MDK zu entnehmen ist.\nAuch diese Gutachter haben auf der Grundlage der von der Klagerin vorgelegten\nGutachten des Dr. S. und der Psychologin D.-M. das Vorliegen einer\nTranssexualitat bei bestehendem Leidensdruck bejaht und ihre Stellungnahmen\nhiervon ausgehend daher im Wesentlichen auf die Frage der operativen\nBehandlungsnotwendigkeit gerichtet, also auf die Frage, durch welche in\nBetracht kommende Behandlungsart dem Gesundheitszustand der Klagerin zu\nbegegnen ist. \n--- \n| 23 \n--- \n| Zu Unrecht ist das SG jedoch davon ausgegangen, dass die im Mai/Juni 2000\ndurchgefuhrte geschlechtsangleichende operative Behandlung der Klagerin im\nSinne der genannten Regelung auch erforderlich war. Der Senat ist in\nÜbereinstimmung mit der von der Beklagten vertretenen Auffassung zu der\nÜberzeugung gelangt, dass bei bestehender Transsexualitat die Indikation fur\neine geschlechtsangleichende Operation erst dann besteht, wenn sich eine\nsolche Behandlung als einziges Mittel darstellt, eine Linderung bzw.\nBeseitigung der Beschwerden herbeizufuhren (vgl. BSG, Urteil vom 06. August\n1987 in SozR 2200 § 182 Nr. 106). In diesem Sinne hat das BSG in seiner\nEntscheidung vom 10. Februar 1993 (a.a.O.) ausgefuhrt, dass die Tragung der\nKosten fur eine geschlechtsangleichende Operation nur dann zu den Aufgaben der\ngesetzlichen Krankenkasse gehore, wenn psychiatrische und psychotherapeutische\nMittel das Spannungsverhaltnis zwischen korperlichem Geschlecht und seelischer\nIdentifizierung nicht zu lindern oder zu beseitigen vermogen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Ob sich bei der Klagerin zum Operationszeitpunkt im Mai 2000 der\ngeschlechtsangleichende Eingriff tatsachlich als einziges Mittel zur Linderung\nihrer Beeintrachtigungen dargestellt hat, lasst sich nicht feststellen. Denn\ndie Klagerin befand sich zu keinem Zeitpunkt in psychiatrischer oder\npsychotherapeutischer Behandlung, so dass offen ist, ob der Einsatz\nentsprechender Mittel zur Linderung oder Beseitigung des beschriebenen\nSpannungsverhaltnisses hatte fuhren konnen. Insoweit hat das SG zu Unrecht\nzugrunde gelegt, dass sich die Klagerin seit 01. Juli 1999 in\npsychotherapeutischer Behandlung bei der Psychologin D.-M. befand. Wie diese\ngegenuber dem Senat im Rahmen ihrer Auskunft vom 24. Oktober 2003 ausgefuhrt\nhat, hat sie bei der Klagerin namlich keine tiefenpsychologische Behandlung\ndurchgefuhrt. Wie sie weiter bekundete, hatte sie weder eine Zulassung als\npsychologische Psychotherapeutin, noch war sie als solche tatig. Die von Juli\n1999 bis Mai 2000 ca. einmal monatlich dort erfolgten Vorstellungen der\nKlagerin fanden ihren weiteren Ausfuhrungen zufolge allein im Hinblick auf das\nauf Veranlassung des AG Karlsruhe zu erstattende Gutachten wegen des\nNamensanderungsantrags der Klagerin gemaß § 1 TVG statt. Nach Erstattung des\nGutachtens suchte die Klagerin die Psychologin D.-M. lediglich noch ein\nweiteres Mal auf, und zwar am 26. September 2000, also zu einem Zeitpunkt, als\ndie streitige Operation bereits durchgefuhrt war. Demnach ist zugrunde zu\nlegen, dass bei der Klagerin weder psychiatrische noch psychotherapeutische\nMittel versucht wurden, um das beschriebene Spannungsverhaltnis zu lindern\noder zu beseitigen. Da sich die Frage, ob derartige Behandlungsmaßnahmen\nerfolgversprechend gewesen waren, nach Durchfuhrung der\ngeschlechtsangleichenden Operation nicht mehr beantworten lasst, ist nicht\nmehr festzustellen, ob sich bei der Klagerin die geschlechtsangleichende\nOperation tatsachlich als einziges und damit letztes Mittel zur Behandlung\nihrer Transsexualitat dargestellt hat. Da nach dem im Sozialrecht geltenden\nGrundsatz der objektiven Beweislast die Folgen der Nichterweislichkeit einer\nanspruchsbegrundenden Tatsache von demjenigen zu tragen sind, der daraus\nAnspruche herleitet, hatte das SG der Klage nicht stattgeben durfen und sie\nvielmehr abweisen mussen. Der angefochtene Gerichtsbescheid war daher\naufzuheben und die Klage abzuweisen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 26 \n--- \n| Fur eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 18 \n--- \n| Die gemaß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und\nfristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, uber die der Senat mit dem\nEinverstandnis der Beteiligten gemaß § 124 Abs. 2 SGG ohne mundliche\nVerhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulassig; sie ist auch\nbegrundet. \n--- \n| 19 \n--- \n| Das SG hatte der Klage nicht stattgeben durfen. Denn die Bescheide der\nBeklagten vom 30. Dezember 1999 und 25. Januar 2000 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 03. April 2000 sind rechtmaßig und verletzen die\nKlagerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die\nKosten der seinerzeit noch beabsichtigten, im Mai/Juni 2000 jedoch\ndurchgefuhrten geschlechtsangleichenden Operation zu ubernehmen. Die Beklagte\nist daher auch nicht verpflichtet, der Klagerin die Kosten zu erstatten, die\nihr durch die entsprechende stationare Behandlung entstanden sind. \n--- \n| 20 \n--- \n| Anspruchsgrundlage fur das geltend gemachte Begehren ist § 13 Abs. 3 SGB V.\nDanach sind die Kosten fur eine selbst beschaffte Leistung, soweit sie\nnotwendig war, in der entstandenen Hohe von der Krankenkasse zu erstatten,\nwenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig\nerbringen konnte (Alternative 1), oder wenn sie eine Leistung zu Unrecht\nabgelehnt hat (Alternative 2) und dadurch dem Versicherten fur die selbst\nbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Dieser Kostenerstattungsanspruch\ntritt an die Stelle eines an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs, den die\nKasse infolge eines Versagens des Beschaffungssystems nicht erfullt hat. Der\ngeltend gemachte Anspruch ware daher nur dann zu bejahen, wenn die Beklagte\nverpflichtet gewesen ware, der Klagerin die durchgefuhrte stationare\nBehandlung als Sachleistung zur Verfugung zu stellen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Dies ist indes zu verneinen. Gemaß § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben\nVersicherte Anspruch auf vollstationare Behandlung in einem zugelassenen\nKrankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Untersuchung durch das\nKrankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch\nteilstationare, vor- und nachstationare oder ambulante Behandlung\neinschließlich hauslicher Krankenpflege, erreicht werden kann. Im Sinne dieser\nVorschrift war die in der Klinik durchgefuhrte geschlechtsangleichende\noperative Behandlung nicht erforderlich. \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Senat geht davon aus, dass bei der Klagerin zum Zeitpunkt der\noperativen Behandlung eine behandlungsbedurftige Krankheit vorgelegen hat,\nnamlich eine innere Spannung zwischen ihrem korperlichen mannlichen Geschlecht\nund ihrer seelischen Identifizierung mit dem anderen Geschlecht (sog.\nTranssexualitat), die eine derartige Auspragung erfahren hatte, dass ihr\nKrankheitswert beizumessen war. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von\nWiederholungen gemaß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausfuhrungen des SG\nin dem angefochtenen Gerichtsbescheid. Auch die Beklagte hat diese Bewertung\nletztlich nicht in Zweifel gezogen, wie den Ausfuhrungen der in Bezug\ngenommenen Stellungnahmen der Dres. M. und M.-J. vom MDK zu entnehmen ist.\nAuch diese Gutachter haben auf der Grundlage der von der Klagerin vorgelegten\nGutachten des Dr. S. und der Psychologin D.-M. das Vorliegen einer\nTranssexualitat bei bestehendem Leidensdruck bejaht und ihre Stellungnahmen\nhiervon ausgehend daher im Wesentlichen auf die Frage der operativen\nBehandlungsnotwendigkeit gerichtet, also auf die Frage, durch welche in\nBetracht kommende Behandlungsart dem Gesundheitszustand der Klagerin zu\nbegegnen ist. \n--- \n| 23 \n--- \n| Zu Unrecht ist das SG jedoch davon ausgegangen, dass die im Mai/Juni 2000\ndurchgefuhrte geschlechtsangleichende operative Behandlung der Klagerin im\nSinne der genannten Regelung auch erforderlich war. Der Senat ist in\nÜbereinstimmung mit der von der Beklagten vertretenen Auffassung zu der\nÜberzeugung gelangt, dass bei bestehender Transsexualitat die Indikation fur\neine geschlechtsangleichende Operation erst dann besteht, wenn sich eine\nsolche Behandlung als einziges Mittel darstellt, eine Linderung bzw.\nBeseitigung der Beschwerden herbeizufuhren (vgl. BSG, Urteil vom 06. August\n1987 in SozR 2200 § 182 Nr. 106). In diesem Sinne hat das BSG in seiner\nEntscheidung vom 10. Februar 1993 (a.a.O.) ausgefuhrt, dass die Tragung der\nKosten fur eine geschlechtsangleichende Operation nur dann zu den Aufgaben der\ngesetzlichen Krankenkasse gehore, wenn psychiatrische und psychotherapeutische\nMittel das Spannungsverhaltnis zwischen korperlichem Geschlecht und seelischer\nIdentifizierung nicht zu lindern oder zu beseitigen vermogen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Ob sich bei der Klagerin zum Operationszeitpunkt im Mai 2000 der\ngeschlechtsangleichende Eingriff tatsachlich als einziges Mittel zur Linderung\nihrer Beeintrachtigungen dargestellt hat, lasst sich nicht feststellen. Denn\ndie Klagerin befand sich zu keinem Zeitpunkt in psychiatrischer oder\npsychotherapeutischer Behandlung, so dass offen ist, ob der Einsatz\nentsprechender Mittel zur Linderung oder Beseitigung des beschriebenen\nSpannungsverhaltnisses hatte fuhren konnen. Insoweit hat das SG zu Unrecht\nzugrunde gelegt, dass sich die Klagerin seit 01. Juli 1999 in\npsychotherapeutischer Behandlung bei der Psychologin D.-M. befand. Wie diese\ngegenuber dem Senat im Rahmen ihrer Auskunft vom 24. Oktober 2003 ausgefuhrt\nhat, hat sie bei der Klagerin namlich keine tiefenpsychologische Behandlung\ndurchgefuhrt. Wie sie weiter bekundete, hatte sie weder eine Zulassung als\npsychologische Psychotherapeutin, noch war sie als solche tatig. Die von Juli\n1999 bis Mai 2000 ca. einmal monatlich dort erfolgten Vorstellungen der\nKlagerin fanden ihren weiteren Ausfuhrungen zufolge allein im Hinblick auf das\nauf Veranlassung des AG Karlsruhe zu erstattende Gutachten wegen des\nNamensanderungsantrags der Klagerin gemaß § 1 TVG statt. Nach Erstattung des\nGutachtens suchte die Klagerin die Psychologin D.-M. lediglich noch ein\nweiteres Mal auf, und zwar am 26. September 2000, also zu einem Zeitpunkt, als\ndie streitige Operation bereits durchgefuhrt war. Demnach ist zugrunde zu\nlegen, dass bei der Klagerin weder psychiatrische noch psychotherapeutische\nMittel versucht wurden, um das beschriebene Spannungsverhaltnis zu lindern\noder zu beseitigen. Da sich die Frage, ob derartige Behandlungsmaßnahmen\nerfolgversprechend gewesen waren, nach Durchfuhrung der\ngeschlechtsangleichenden Operation nicht mehr beantworten lasst, ist nicht\nmehr festzustellen, ob sich bei der Klagerin die geschlechtsangleichende\nOperation tatsachlich als einziges und damit letztes Mittel zur Behandlung\nihrer Transsexualitat dargestellt hat. Da nach dem im Sozialrecht geltenden\nGrundsatz der objektiven Beweislast die Folgen der Nichterweislichkeit einer\nanspruchsbegrundenden Tatsache von demjenigen zu tragen sind, der daraus\nAnspruche herleitet, hatte das SG der Klage nicht stattgeben durfen und sie\nvielmehr abweisen mussen. Der angefochtene Gerichtsbescheid war daher\naufzuheben und die Klage abzuweisen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 26 \n--- \n| Fur eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. \n---\n\n
134,000
olgkarl-2005-02-11-10-u-19903
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
10 U 199/03
2005-02-11
2019-01-07 10:36:24
2019-02-12 12:17:02
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Baden-Baden vom\n4.9.2003 - 1 O 38/03 - geandert:\n\nDie Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin 1.549,20 EUR nebst 5 % Zinsen\nuber dem Basiszinssatz aus 1.344,70 EUR seit dem 6.8.2002, aus jeweils 40,90\nEUR seit dem 5.9.2002, dem 5.10.2002, dem 7.11.2002, dem 5.12.2002 und dem\n7.1.2003 zu zahlen.\n\nIm Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n2\\. Die weiter gehende Berufung wird zuruckgewiesen.\n\n3\\. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragt die Klagerin 87 %\nund die Beklagte 13 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragt die\nKlagerin 84 % und die Beklagte 16 %.\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n5\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| (BGB - §§ -Angaben beziehen sich auf die zwischen dem 1.9.2001 und dem\n31.12.2001 geltende Gesetzesfassung, Art. 229 §§ 3, 5 EGBGB) \n--- \n| 2 \n--- \n| I. Die Klagerin macht - fur die Berufungsentscheidung noch erheblich -\nMietzins- und Nutzungsausfall fur Buroraume geltend. \n--- \n| 3 \n--- \n| Durch Mietvertrag vom 5./6.2.2001 (K 1, Anlagenheft LG) vermietete die\nKlagerin der Beklagten fur zwei Jahre Buroraume, eine Garage und zwei\nStellplatze in B. Mit Schreiben vom 8.4.2002 teilte die Beklagte der Klagerin\nmit, dass sie ihre Geschafte nach Be. verlege und an einer vorzeitigen\nAufhebung des Mietvertrages interessiert sei, da die Buroraume etwa ab Juni\ndes Jahres nicht mehr benotigt wurden (K 2, Anlagenheft LG). Im Juni und Juli\n2002 entfernte die Beklagte die uberwiegende Buroeinrichtung aus den\nMietraumen. Die Miete fur August 2002, die nach § 5 Nr. 1 des Mietvertrages\nspatestens am dritten Werktag eines Monats im Voraus zu leisten war, zahlte\ndie Beklagte nicht. Die Klagerin ließ die Turschlosser zu den Buroraumen\naustauschen. Die Beklagte weigerte sich daraufhin, die September-Miete zu\nzahlen. Mit Schreiben vom 30.9.2002 rechtfertigte die Klagerin ihr Vorgehen\nunter Bezugnahme auf ihr Vermieterpfandrecht und kundigte das Mietverhaltnis\nfristlos wegen Zahlungsverzugs (K 4, Anlagenheft LG). Die Beklagte war mit der\nKundigung einverstanden (vgl. Schreiben vom 4.10.2002, K 3, Anlagenheft LG).\nAm 13.1.2003 ubersandte sie dem Prozessbevollmachtigten der Klagerin die\nSchlussel des Mietobjekts. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klagerin hat Mietzins fur die Monate August und September 2002 und\nNutzungsentschadigung fur die Monate Oktober 2002 bis Januar 2003 geltend\ngemacht, jeweils 1.344,70 EUR (= 2.630 DM; 2.550 DM fur die Buroraume und 80\nDM fur die Garage). Außerdem hat sie Nebenkostenvorauszahlungen bzw.\nabgerechnete Nebenkosten begehrt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Das LG hat mit Urt. v. 4.9.2003, auf das Bezug genommen wird, die Beklagte\nzur Zahlung von 8.068,20 EUR (Mietzins bzw. Nutzungsentschadigung fur August\n2002 bis Januar 2003) nebst Verzugszinsen verurteilt. Die weiter gehende\nKlage, die nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, hat es abgewiesen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Gegen ihre Verurteilung hat die Beklagte zunachst in vollem Umfang Berufung\neingelegt, diese dann jedoch bezuglich des Mietzinses fur August 2002 nebst\ninsoweit zugesprochener Verzugszinsen zuruckgenommen. Zur Begrundung\nwiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie sei nicht\nverpflichtet, den verlangten Mietzins fur September 2002 und die verlangte\nNutzungsentschadigung fur Oktober 2002 bis Januar 2003 zu zahlen. Die Klagerin\nsei nicht berechtigt gewesen, die in die Mietraume eingebrachten Sachen in\nBesitz zu nehmen. Schon gar nicht sei sie berechtigt gewesen, unangekundigt\ndie Turschlosser auszuwechseln. Die Klagerin habe fur die Zeit nach der\nKundigung keinen Anspruch auf Nutzungsentschadigung, da sie die Mietraume ihr,\nder Beklagten, nicht mehr uberlassen habe. Dass sie, die Beklagte, die\nSchlussel erst spater zuruckgegeben habe, sei nicht wesentlich. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, das landgerichtliche Urteil abzuandern und die Klage\nabzuweisen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung\nihres erstinstanzlichen Vorbringens. \n--- \n| 10 \n--- \n| Ihre Anschlussberufung, mit der sie Schadensersatz in Hohe einer Miete fur\nFebruar 2003 geltend gemacht hat, hat sie zuruckgenommen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Hinsichtlich der Einzelheiten des erst- und zweitinstanzlichen\nParteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsatze verwiesen. \n--- \n| 12 \n--- \n| II. Die Berufung der Beklagten ist zulassig. Fur den noch in Streit\nbefindlichen Zeitraum von September 2002 bis Januar 2003 hat sie hinsichtlich\nder Miete bzw. Nutzungsentschadigung fur die Buroraume Erfolg, nicht dagegen\nhinsichtlich der Miete bzw. Nutzungsentschadigung fur die Garage. \n--- \n| 13 \n--- \n| 1\\. Nicht mehr in Streit ist der vom LG zuerkannte Anspruch der Klagerin auf\nZahlung des vertraglich vereinbarten Mietzinses fur die Buroraume und die\nGarage i.H.v. insgesamt 2.630 DM (1.344,70 EUR) fur August 2002 nebst 5 %\nZinsen uber dem Basiszinssatz hieraus seit dem 6.8.2002. \n--- \n| 14 \n--- \n| 2\\. Fur den September 2002 hat die Klagerin entgegen der Ansicht des LG\nkeinen Anspruch auf Zahlung des Mietzinses fur die Buroraume, sondern nur\nAnspruch auf Zahlung des Mietzinses fur die Garage i.H.v. 80 DM (40,90 EUR). \n--- \n| 15 \n--- \n| a) Der Mietzinsanspruch fur die Buroraume ist gem. § 536 BGB bzw. § 320 BGB\nentfallen (BGH v. 28.10.1981 - VIII ZR 302/80, MDR 1982, 485 = NJW 1982, 870\n[871]), da die Klagerin der Beklagten durch den Austausch der Turschlosser im\nAugust 2002 den Besitz der Raume entzogen hat. \n--- \n| 16 \n--- \n| aa) Die Klagerin vermutet zwar, dass die Turschlosser am 5.9.2002 gewechselt\nwurden (II 89). Das ist aber schon deshalb nicht zu berucksichtigen, weil es\nsich dabei um unzulassigen neuen Vortrag in der zweiten Instanz handelt, § 531\nAbs. 2 ZPO. In der ersten Instanz war unstreitig, dass der Schlosseraustausch\nim August erfolgt war (S. 4 des LG-Urteils). Gegen eine Auswechslung erst am\n5.9.2002 spricht im Übrigen, dass die Beklagte schon am 3.9.2002 der Klagerin\nschrieb, dass sie wegen der Inbesitznahme der Raume durch die Klagerin keine\nSeptembermiete zahlen werde (B 1, Anlagenheft LG). \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klagerin raumte der Beklagten den Besitz an den Buroraumen im September\n2002 nicht wieder ein. Eine bloße Bereitschaft der Klagerin, der Beklagten\nwahrend der Geschaftszeiten der Praxis ihres Ehemanns (im gleichen Haus)\nZutritt zu den Buroraumen zu gewahren (II 31), verschaffte dieser keinen\nBesitz. Denn der Besitz an den Mietraumen ist nicht (mehr) uberlassen, wenn\nder Vermieter dem Mieter den jederzeitigen, ungehinderten Zutritt zu ihnen\ndurch einen Verschluss, den nur er, der Vermieter, offnen kann, verwehrt (OLG\nDusseldorf, Urt. v. 4.3.1982 - 10 U 199/81, zitiert nach Juris). Die Klagerin\nermoglichte der Beklagten den uneingeschrankten Zutritt zu den Mietraumen auch\nnicht dadurch, dass sie, wie sie behauptet, ihr die Übergabe der Schlussel fur\ndie ausgetauschten Turschlosser anbot. Sie machte namlich nach ihrem Vortrag\ndie Herausgabe der Schlussel von der Zahlung der ruckstandigen Miete abhangig\n(II 31). Zur Geltendmachung dieses Zuruckbehaltungsrechts war sie nicht mehr\nberechtigt, nachdem sie der Beklagten zu Beginn des Mietverhaltnisses die\nRaumlichkeiten uberlassen hatte (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen\nMiet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rz. 193). \n--- \n| 18 \n--- \n| bb) Die Klagerin durfte sich nicht wegen des bestehenden Mietzinsruckstands\nvom August in den Besitz der Mietraume setzen. Sie hatte der Beklagten mit\nMietbeginn den unmittelbaren Besitz an den Buroraumen uberlassen, wozu sie\naufgrund des Mietvertrages gem. § 535 BGB verpflichtet gewesen war. Das Recht\nzum Besitz verlor die Beklagte danach nicht schon aufgrund der ausgebliebenen\nMietzahlung im August, sondern erst bei Beendigung des Mietvertrags (BGH v.\n28.10.1981 - VIII ZR 302/80, MDR 1982, 485 = NJW 1982, 870 [871]). Einen\nvorherigen Verlust des Besitzrechts wegen Zahlungsverzugs sieht auch der\nMietvertrag zwischen den Parteien nicht vor. \n--- \n| 19 \n--- \n| cc) Der Austausch der Turschlosser und der damit verbundene Entzug des\nBesitzes an den Mietraumen waren auch nicht durch ein Vermieterpfandrecht gem.\n§ 562 BGB gedeckt. Offen bleiben kann, ob die Klagerin berechtigt war, die\neingebrachten Sachen der Beklagten gem. § 562b Abs. 1 S. 2 BGB in Besitz zu\nnehmen. Die Klagerin durfte jedenfalls ihr Vermieterpfandrecht nicht dadurch\ngeltend machen, dass sie die Turschlosser zu den Mietraumen auswechselte und\ndamit der Beklagten den Besitz der Raume dauerhaft entzog. Zwar mag sein, dass\nein Vermieter unter Umstanden auch Gewalt anwenden darf, wie z.B. Turen\nversperren oder das Schloss auswechseln, um eine Entfernung eingebrachter\nSachen vom Grundstuck zu verhindern (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Rz. III\n269; Bub/Treier, Handbuch der Geschafts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Rz. III\n893; Artz in MunchKomm/BGB, 4. Aufl., § 562b Rz. 1). Jedoch muss der Vermieter\nbei der Ausubung seiner Befugnis, sein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen\ndes Mieters zu sichern, den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit zwischen Mittel\nund Zweck wahren (OLG Dusseldorf, Urt. v. 4.3.1982 - 10 U 199/81, zitiert nach\nJuris; Staudinger/Emmerich, BGB, Bearbeitung, 2003, § 562b Rz. 4; Sternel,\nMietrecht, 3. Aufl., Rz. III 269). Deswegen muss der Vermieter sich zunachst\ndarauf beschranken, einer Entfernung der Gegenstande durch den Mieter zu\nwidersprechen (OLG Munchen, Urt. v. 12.1.1989 - 29 U 2366/88, unter Ziff. 6,\nzitiert nach Juris; Artz in MunchKomm/BGB, 4. Aufl., § 562b Rz. 1;\nStaudinger/Emmerich, BGB, Bearbeitung, 2003, § 562b Rz. 9). Dies tat die\nKlagerin aber nicht. Sie sprach die Beklagte im August 2002 nicht darauf an,\ndass sie mit einer Entfernung eingebrachter Sachen nicht einverstanden sei.\nDie Beklagte traf zu diesem Zeitpunkt auch keine Anstalten, die in den\nMietraumen noch verbliebene Buroeinrichtung zu entfernen. Der Entfernung\nwesentlicher Teile der Buroeinrichtung im Juni und Juli 2002 hatte die\nKlagerin ebenfalls nicht widersprochen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Klagerin hatte zudem keinen Anlass, anzunehmen, dass die Beklagte ihr\nVermieterpfandrecht missachten wurde, wenn sie einer Entfernung der\neingebrachten Sachen widersprechen sollte. Die Beklagte hatte zwar im August\nnicht die Miete bezahlt. Sie war bis dahin jedoch ihren Verpflichtungen aus\ndem Mietvertrag nachgekommen. Sie hatte auch nicht versucht, sich aus den\nMietraumen und dem Mietvertrag zu stehlen. Sie hatte vielmehr schon im\nSchreiben vom 8.4.2002 die Geschaftsverlagerung mitgeteilt, den damit\nentfallenden Bedarf an den Mietraumen ab Juni 2002 angekundigt und um\nvorzeitige Vertragsbeendigung gebeten. \n--- \n| 21 \n--- \n| dd) Die Tatsache, dass die Beklagte nach der Auswechslung der Turschlosser\nzu den gemieteten Buroraumen mit den ihr uberlassenen Schlusseln noch Zugang\nzu Hausflur, Treppenhaus und Briefkasten hatte, andert nichts daran, dass die\nMietzinszahlungspflicht fur die Buroraume entfallen ist. Die\nNutzungsmoglichkeit von Hausflur und Treppenhaus hatte nur untergeordnete\nBedeutung. Sie diente allein dem Zugang zu den gemieteten Buroraumen. Ohne\nderen Besitz machte die Nutzungsmoglichkeit der Nebenraume keinen Sinn mehr.\nDas Gleiche gilt fur die Nutzung des Briefkastens. \n--- \n| 22 \n--- \n| b) Nicht entfallen ist die Mietzinszahlungspflicht fur die Garage fur\nSeptember 2002 i.H.v. 80 DM (40,90 EUR). Die Beklagte hatte im September\nweiterhin Besitz an der Garage. Diese blieb auch nach Auswechslung der\nTurschlosser zu den Buroraumen zuganglich. Die Beklagte hat nicht vorgetragen,\ndass die Klagerin das Garagenschloss austauschte oder den Zugangscode fur die\nFernbedienung der Garagenoffnung anderte, sondern nur, dass sie keine Kenntnis\nvon einem Schlossaustausch oder einer Codeanderung hat (II 11). Auch wenn\nGarage und Buroraume Gegenstande eines Mietvertrags waren, ist uber den\nMietzins fur die Garage und den fur die Buroraume nicht notwendig einheitlich\nzu entscheiden. Die Miete fur die Garage ist im Mietvertrag gesondert\nausgewiesen. \n--- \n| 23 \n--- \n| 3\\. Die Klagerin hat entgegen der Ansicht des LG keinen Anspruch gem. § 546a\nAbs. 1 BGB auf Zahlung einer Nutzungsentschadigung fur die Buroraumlichkeiten\nfur Oktober 2002 bis Januar 2003. \n--- \n| 24 \n--- \n| a) Das Mietverhaltnis wurde aufgrund des Kundigungsschreibens der Klagerin\nvom 30.9.2002 (K 4, Anlagenheft LG) beendet. Die Beklagte erklarte sich mit\nder ausgesprochenen Beendigung des Mietvertrages im Schreiben vom 4.10.2002 (K\n3, Anlagenheft LG) einverstanden. Die Beklagte hat jedoch der Klagerin nach\nBeendigung des Mietverhaltnisses die Buroraumlichkeiten nicht vorenthalten.\nDie Klagerin hatte sich zuvor schon selbst den unmittelbaren Besitz an den\nBuroraumen verschafft, indem sie die Turschlosser austauschte. Die Beklagte\nkonnte ihr daher nach Beendigung des Mietverhaltnisses nicht mehr den Besitz\nvorenthalten. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Beklagte gab zwar nach Beendigung des Mietverhaltnisses auch die\n(ehemaligen) Schlussel der Buroraumlichkeiten nicht unverzuglich zuruck, wozu\nsie gem. § 546 Abs. 1 BGB verpflichtet gewesen ware (OLG Hamm NZM 2003, 26),\nsondern erst im Januar 2003. Unter den besonderen Umstanden des vorliegenden\nFalls enthielt die Beklagte der Klagerin aber ausnahmsweise die Mietsache\nnicht dadurch vor, dass sie die Schlussel zu den Buroraumen nicht unverzuglich\nzuruckgab. Denn die Klagerin war auch ohne die Schlussel der Beklagten nicht\ngehindert, die Raume anderweitig zu verwenden (Staudinger/Rolfs, BGB,\nBearbeitung, 2003, § 546 Rz. 16). Die Schlussel der Beklagten hatten ihr nicht\nzum Besitz verholfen. Mit ihnen hatte die Klagerin keinen Zugang zu den Raumen\ngehabt. Sie hatte sie auch fur eine Weitervermietung der Raume nicht benotigt.\nDass die Beklagte mit ihren Schlusseln noch Zugang zu Hausflur und Treppenhaus\nhatte, schrankte die Moglichkeit der Klagerin, die Buroraume anderweitig zu\nverwenden, nicht ein. \n--- \n| 26 \n--- \n| b) Ein Vorenthalten der Buroraume liegt auch nicht deshalb vor, weil die\nBeklagte auch die Fernbedienung fur die Garage erst im Januar 2003\nzurucksandte. Zwar darf ein Mieter die Mietsache nicht in Teilen zuruckgeben.\nEine Sache ist daher erst dann zuruckgegeben, wenn der Vermieter die Mietsache\ninsgesamt einschließlich Zubehor erhalten hat. Im vorliegenden Fall sind\njedoch Buroraume und Garage nicht eine einheitliche Mietsache (s.o. 2.b.). Die\nfehlende Ruckgabe der Garagenfernbedienung bedeutet daher nicht, dass die\nBeklagte der Klagerin die Buroraume vorenthielt. Schließlich begrundet die\nverspatete Ruckgabe des Schlussels fur den Briefkasten nicht ein Vorenthalten\nder Buroraume. Die verspatete Ruckgabe dieses Schlussels verhinderte nicht\neinen vollstandigen unmittelbaren Besitz der Klagerin an den Mietraumen durch\nden Austausch der Turschlosser. Der Briefkastenschlussel gewahrte keinen\nZugang zu den Raumen. Die Klagerin hat nicht vorgetragen, dass die Nutzung und\nVerwertung der Buroraume durch das Fehlen der Briefkastenschlussel\neingeschrankt war. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Tatsache, dass die Klagerin in den Mietraumen die restliche\nBuroeinrichtung der Beklagten verwahrte, gewahrt ihr ebenfalls keinen\nNutzungsentschadigungsanspruch. Dadurch wird der Tatbestand des Vorenthaltens\nder Mietsache nicht erfullt (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Rz. III 270;\nStaudinger/Emmerich, BGB, Bearb., 2003, § 562b Rz. 11). \n--- \n| 28 \n--- \n| 4\\. Die Klagerin hat aber Anspruch auf eine Nutzungsentschadigung gem. §\n546a Abs. 1 BGB fur die Garage fur die Monate Oktober 2002 bis Januar 2003\ni.H.v. monatlich 80 DM (= 40,90 EUR), insgesamt 163,60 EUR. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Beklagte hatte an der Garage bis zum Januar 2003 noch unmittelbare\nSachherrschaft und damit Besitz. Sie ubersandte der Klagerin die Fernbedienung\nfur die Garagenoffnung erst im Januar 2003. Ob die Beklagte nur Mitbesitzerin\nder Garage war, da die Klagerin durch ihren Zentralschlussel jederzeit Zugang\nzur Garage hatte, kann offen bleiben. Denn auch wenn die Klagerin Mitbesitz\nhatte, reicht die reine Erklarung der Aufgabe des Mitbesitzes, die im\nSchreiben der Beklagten vom 4.10.2002 (K 3, Anlagenheft LG) gesehen werden\nkonnte, nicht aus, um der Ruckgabepflicht nach § 546 Abs. 1 BGB zu genugen.\nFur eine vollstandige Ruckubertragung der Mietsache muss ein ubergebener\nSchlussel - bzw. hier der automatische Turoffner - zuruckgegeben werden\n(Staudinger/Rolfs, BGB, Bearbeitung, 2003, § 546 Rz. 12). \n--- \n| 30 \n--- \n| 5\\. Die Beklagte schuldet der Klagerin somit an Mietzinszahlungen fur August\nund September 2002 1.344,70 EUR und 40,90 EUR sowie an\nNutzungsentschadigungszahlungen fur die Monate Oktober 2002 bis Januar 2003 4\nmal 40,90 EUR, insgesamt also 1.549,20 EUR. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Verzinsung des Betrags von 1.344,70 EUR folgt aufgrund der Teil-\nBerufungsrucknahme der Beklagten ohne weiteres aus dem LG-Urteil. Im Übrigen\nfolgt sie daraus, dass die Beklagte sich seit den im Tenor genannten\nZeitpunkten gem. § 284 Abs. 2 S. 1 BGB in Verzug befindet, § 288 Abs. 1 S. 1\nBGB. Der Tag der Falligkeit des Mietzinses richtet sich gem. § 5 Nr. 1 des\nMietvertrages nach dem Kalender. Auch der Anspruch auf Nutzungsentschadigung\nwird nach der mietvertraglichen Falligkeitsregelung fur die Miete fallig (BGH\nNJW 1974, 556; Palandt/Weidenkaff, BGB, 64. Aufl., § 546a Rz. 10). \n--- \n| 32 \n--- \n| 6\\. Die Entscheidung uber die Kosten folgt aus §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.\nDie Entscheidung uber die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. \n--- \n| 33 \n--- \n| Grunde fur eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht\nvor. \n---\n\n
134,248
sg-karlsruhe-2008-02-20-s-1-u-81207
150
Sozialgericht Karlsruhe
sg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
S 1 U 812/07
2008-02-20
2019-01-07 10:39:11
2019-01-17 11:54:11
Urteil
## Tenor\n\nDer Bescheid vom 11. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom\n17. Januar 2007 wird aufgehoben.\n\nDie Beklagte wird verurteilt, dem Klager unter Feststellung von „operiertes\nbilokulares Urothelcarcinom der Harnblase und Funktionseinschrankung der\nlinken Niere" als Folge einer Berufskrankheit nach der Nr. 1301 der Anlage zur\nBerufskrankheitenverordnung ab Oktober 2005 Verletztenrente nach einer\nMinderung der Erwerbsfahigkeit von 60 vom Hundert zu gewahren.\n\nDie Beklagte erstattet dem Klager dessen außergerichtliche Kosten des\nVerfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob eine Blasenkrebserkrankung des\nKlagers als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 1301 der Anlage zur\nBerufskrankheitenverordnung (BKV) - Schleimhautveranderungen, Krebs oder\nandere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine - festzustellen ist\nund der Klager deswegen Anspruch auf Entschadigungsleistungen aus der\nGesetzlichen Unfallversicherung hat. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der 1942 geborene Klager war von August 1976 bis Juli 2006 bei der Firma ...\nzunachst als Instandhalter, seit 1986 als Betriebsleiter und\nSicherheitsfachkraft beschaftigt. Seit dem 01.08.2006 bezieht er von der\nDeutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente fur schwerbehinderte\nMenschen. Der Urologe Prof. Dr. ... diagnostizierte bei dem Klager im April\n1992 u. a. ein bilokulares Urothelcarcinom der Harnblase, Stadium mpTa G 1,\nN0, M0 (vgl. Entlassungsbericht der Urologischen Klinik des Klinikums ... vom\n20.05.1992). Bis April 2000 musste sich der Klager insgesamt neun\ntransurethralen Resektionen bzw. Nachresektionen unterziehen. Zuletzt\nbeurteilte Prof. Dr. ... das histologische Stadium des Urothelcarcinoms mit\nmpTis, pT 1 G 3 (vgl. Entlassungsbericht der Urologischen Klinik des Klinikums\n... vom 23.08.2005). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Im Oktober 2005 erstattete der Allgemeinmediziner Dr. ... der Beklagten eine\nÄrztliche Anzeige uber den Verdacht einer BK. Der Klager sei bei seiner\nTatigkeit in den ... Expositionen gegenuber Tri, Toluol, diversen\nGummichemikalien einschließlich Beschleunigern, Alterungsmitteln und\nWeichmachern ausgesetzt gewesen. Es sei davon auszugehen, diese Betriebsstoffe\nhatten zumindest wahrend der Anfangszeit der Tatigkeit des Klagers Spuren\naromatischer Amine enthalten. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Zu den beruflichen Expositionen des Klagers leitete die Beklagte weitere\nErmittlungen ein (Befragung des Klagers am 16.11.2005 im Beschaftigungsbetrieb\nmit Erganzung vom 14.12.2005). Außerdem zog die Beklagte ihre Betriebsakte,\ndas Vorerkrankungsverzeichnis der ... Krankenkasse Munchen und die\nBehandlungsunterlagen der Urologischen Klinik des Klinikums ... von April 1992\nbis April 2006 bei; weiter holte sie Auskunfte der behandelnden Ärzte des\nKlagers (Urologe Dr. ..., Allgemeinmedizinerin Dr. ...) ein. Der Technische\nAufsichtsdienst (TAD) der Beklagten fuhrte in seiner Stellungnahme vom\n20.01.2006 aus, die vom Klager vorgelegten Listen der betrieblichen\nEinsatzstoffe enthielten keine Hinweise auf die Verwendung von Stoffen, die\nals Ausloser einer BK nach der Nr. 1301 gelten konnten. Aus der Betriebsakte\nergaben sich allerdings Hinweise auf die Verarbeitung von Phenyl-Beta-\nNaphthylamin (PBN). Dieser Stoff sei fruher regelmaßig mit Beta-Naphthylamin\nverunreinigt gewesen. Dieser Stoff sei geeignet, eine BK der Nr. 1301\nhervorzurufen. Zwar habe der Beschaftigungsbetrieb des Klagers den Umgang mit\ndiesen Stoffen nicht gemeldet; nach seinem - des TAD - Eindruck gebe und habe\nes in dem Betrieb jedoch niemanden gegeben, der in der Lage gewesen sei, zu\nbeurteilen, ob aromatische Amine dort vorgekommen seien oder nicht. Es sei\ndavon auszugehen, der Beschaftigungsbetrieb habe die fur Gummibetriebe\nublichen Rohstoffe verwendet, mithin zwischen 1976 (Beginn der Beschaftigung\ndes Klagers) und 1993 (Einstellung der Produktion von PBN) auch\nBetriebsstoffe, die Beta-Naphthylamin enthielten. Unter Berucksichtigung der\nTatigkeitsfelder des Klagers sei von einer aufgenommenen Gesamtdosis von Beta-\nNaphthylamin von 0,250 mg auszugehen. Hierzu fuhrte Prof. Dr. ... in seiner\narbeitsmedizinischen Stellungnahme nach Aktenlage aus, das Krankheitsbild\neiner BK nach der Nr. 1301 sei beim Klager histologisch gesichert, mithin die\narbeitsmedizinischen Voraussetzungen dieser BK formal gegeben. Dies gelte auch\nfur die Aufnahme von PBN. Ein Kontakt zu weiteren aromatischen Aminen der\nGruppe K 1 oder K 2 der krebserzeugenden Arbeitsstoffe sei dagegen nicht\nerwiesen. Nach einem von der Beklagten initiierten Sachverstandigengutachten\nkonne die Anerkennung einer BK nach der Nr. 1301 grundsatzlich in Betracht\nkommen, wenn die arbeitsbedingte Einwirkung krebserzeugender aromatischer\nAmine annahernd in dem Umfang erfolgt sei, die bei einem Raucher zu einer\nVerdoppelung des Blasenkrebsrisikos fuhre. Dies sei bei einem Gesamtwert von\n6,0 mg Beta-Naphthylamin der Fall. Da die kumulative Gesamtdosis des Klagers\nmit 0,25 mg diesen Wert deutlich unterschreite, sei eine ausreichende\nberufsbedingte Einwirkung humankanzerogener aromatischer Amine nicht gegeben.\nAllerdings handele es sich bei den in unterschiedlichen Industriesparten\neinwirkenden aromatischen Aminen um komplexe Gemische, die kausalgenetisch\nderzeit nicht zu bewerten seien. Diesem Ergebnis stimmte Dr. ... in ihrer\ngewerbearztlichen Stellungnahme zu. Gestutzt auf das Ermittlungsergebnis\nlehnte die Beklagte die Anerkennung der Harnblasenerkrankung des Klagers als\nBK nach der Nr. 1301 der Anlage zur BK und die Gewahrung von\nEntschadigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab (Bescheid\nvom 11.08.2006). \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der dagegen unter Vorlage einer Stellungnahme des Arbeitsmediziners Dr. ...\nerhobene Widerspruch blieb erfolglos: Zwar enthalte das Ärztliche Merkblatt\nzur BK Nr. 1301 keine konkrete Aussage, ab welchem Ausmaß eine Exposition\ngegenuber aromatischen Aminen geeignet sei, eine solche BK zu verursachen.\nDies bedeute jedoch nicht, jede noch so geringe Exposition sei insoweit\nausreichend. Vielmehr sei nach derzeitigem aktuellem medizinischem\nErkenntnisstand eine Exposition mit einer kumulativen Dosis von etwa 6 mg\nerforderlich. Diesen Wert erreiche die berufsbedingte Exposition des Klagers\nbei weitem nicht. Zur Anerkennung der streitigen BK musse das Ausmaß der\nExposition erwiesen sein. Bloße Vermutungen uber eine hohere Exposition als\nvon ihr angenommen, seien nicht geeignet. Soweit sie in der Vergangenheit bei\nanderen Versicherten bei ahnlichen Konstellationen eine entsprechende BK\nanerkannt habe, reiche dies zur Begrundung eines ursachlichen Zusammenhangs im\nFall des Klagers nicht aus. Soweit Dr. ... auf eine kontroverse medizinische\nDiskussion hinsichtlich der Verursachungsdosis hinweise, fuhre auch dies nicht\nzu der zwangslaufigen Annahme, die Verursachung einer Blasenerkrankung sei\nnicht mit einer Exposition in bestimmter Hohe verbunden. Der Klager sei\nwahrend seiner Tatigkeit bei den ... insgesamt keiner ausreichenden Exposition\nim Sinne der BK Nr. 1301 der Anlage zur BKV ausgesetzt gewesen\n(Widerspruchsbescheid vom 17.01.2007). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Deswegen erhob der Klager am 15.02.2007 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe,\nmit der er sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begrundung tragt er im\nWesentlichen vor, er sei wahrend seiner Tatigkeit bei den ... einer hoheren\nGesamtdosis der Einwirkung von Beta-Naphthylamin als 0,250 mg ausgesetzt\ngewesen. Ungeachtet dessen komme es auf einen Mindestgrenzwert insoweit nicht\nan (Hinweis auf Hess. LSG vom 03.11.2004 - L 3 U 1613/979 -). Im Übrigen habe\nProf. Dr. ... seine tatsachlich verrichtete Arbeitstatigkeit verkannt.\nInsbesondere habe er auch seine zwischen 1977 und 1986 ausgeubte Tatigkeit als\nSicherheitsfachkraft nicht berucksichtigt. Er habe wahrend dieser Zeitspanne\nWartungs- und Bedienungsarbeiten an einer Mischerei durchgefuhrt. Diese habe\nnicht den technischen Anforderungen entsprochen. Insoweit habe die Beklagte\nbei Betriebsbegehungen unter Androhung der Betriebsstilllegung Auflagen\nerteilt. Die zur Produktion benotigten Rohmaterialien hatten sich in offenen\nSacken befunden. Als Sicherheitskraft habe er in direkter Verbindung mit den\nGefahrstoffen gestanden. Er sei auch fur deren Entsorgung zustandig gewesen.\nAuch in der Mischerei sei er standig Gefahrstoffen ausgesetzt gewesen. Er habe\nuber 30 Jahre hinweg Reparatur- und Wartungsarbeiten der Maschinen\ndurchgefuhrt und hierbei Kontakt mit Gummihilfsstoffen gehabt. Bis 1986 seien\nbei der Verarbeitung im Beschaftigungsbetrieb schadliche Materialien aus in\noffenem Zustand befindlichen Fassern bezogen worden. Erst ab 1986 seien die zu\nverarbeitenden Materialien aus einem Tanklastzug in die Behalter gepumpt\nworden. Andere Ursachen seiner Erkrankung als seine betriebliche Tatigkeit\nseien nicht vorhanden. Dies habe auch der gerichtliche Sachverstandige\nuberzeugend bestatigt. Er sei wahrend der Dauer seiner Betriebszugehorigkeit\nund davor auch nicht arbeitsunfahig krank gewesen. In einem vergleichbaren\nFall habe die Beklagte eine BK nach der Nr. 1301 anerkannt und entschadigt.\nZur Stutzung seines Klagebegehrens legt der Klager das Schreiben der ...\nKrankenkasse K. uber seine Arbeitsunfahigkeitszeiten zwischen 1976 und 1991\nvor. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Er beantragt, \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| den Bescheid vom 11. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides\nvom 17. Januar 2007 aufzuheben, „Urothelcarcinom der Harnblase und\nNierenfunktionseinschrankung links" als Berufskrankheit nach der Nr. 1301 der\nAnlage zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen und die Beklagte zu\nverurteilen, ihm deswegen Entschadigungsleistungen aus der gesetzlichen\nUnfallversicherung, insbesondere Verletztenrente, zu gewahren. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Sie erachtet die angefochtenen Bescheide fur zutreffend. Allein eine nur\ngeringfugige Exposition gegenuber aromatischen Aminen sei nicht zwangslaufig\nursachlich fur das Entstehen einer Harnblasenkrebserkrankung. Dies gelte auch\nbeim Fehlen konkurrierender augenscheinlicher Ursachen. Das Gutachten des\nSachverstandigen PD Dr. ... zum Ausmaß der Erkrankung des Klagers sei durchaus\nsachgerecht und fachkompetent. Allerdings entspreche dieses im Hinblick auf\ndie Beurteilung des ursachlichen Zusammenhangs nicht dem aktuellen\nmedizinischen Erkenntnisstand. So habe auch der Sachverstandige darauf\nhingewiesen, der Klager sei keinen ausgepragten Belastungen mit aromatischen\nAminen ausgesetzt gewesen. Um so weniger sei deshalb die Auffassung des\nSachverstandigen uber die Ursachlichkeit der Harnblasenkrebserkrankung\nnachvollziehbar. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen\nSachverstandigengutachtens des Urologen PD Dr. ... Dieser hat als\nGesundheitsstorungen eine gutartige Prostatahyperplasie, eine Spermatocele\ntestis links, eine Einschrankung der linksseitigen Nierenfunktion sowie eine\nVerplumpung des Nierenbeckenkelchsystems links diagnostiziert. Die\nFunktionseinschrankung der linken Niere sei mit hinreichender\nWahrscheinlichkeit Folge der beruflichen Tatigkeit des Klagers. Die Zeitspanne\nzwischen der Aufnahme der beruflichen Tatigkeit 1976 und dem erstmaligen\nAuftreten des Urothelcarcinoms 1992 sei ein ausreichend langer Zeitraum zur\nExposition gegenuber aromatischen Aminen. Der Klager sei kontinuierlich\naromatischen Aminen ausgesetzt gewesen, wenn auch keine ausgepragte Belastung\nnachgewiesen sei. Allerdings lagen bislang keine gesicherten\nwissenschaftlichen Erkenntnisse uber eine Dosis-Wirkung-Beziehung bei der\nExposition aromatischer Amine gegenuber der Entstehung von Urothelcarcinomen\nvor. Andere kanzerogene Risiken wie beispielsweise ein regelmaßiger\nZigarettenkonsum seien im Fall des Klagers auszuschließen. Die Minderung der\nErwerbsfahigkeit (MdE) fur das Urothelcarcinom der Harnblase schatze er nach\nnunmehr abgelaufener zweijahriger Heilungsbewahrung mit 50 vom Hundert. Nach\nweiterer dreijahriger Heilungsbewahrung und Rezidivfreiheit sei gegebenenfalls\neine neuerliche Bewertung der MdE erforderlich. Die MdE der als\nOperationsfolge im Rahmen der Urothelcarcinomerkrankung aufgetretenen bzw.\nbestehenden Nierenfunktionseinschrankung schatze er mit 25 vom Hundert.\nInsgesamt sei die Erwerbsfahigkeit des Klagers gegenwartig um 75 vom Hundert\ngemindert. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten\nsowie den der Prozessakte Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. Die angefochtenen Bescheide sind\nrechtswidrig und verletzen den Klager in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1\ndes Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Der Klager hat Anspruch auf Feststellung\nvon „operiertes bilokulares Urothelcarcinom der Harnblase und\nFunktionseinschrankung der linken Niere" als BK nach der Nr. 1301 der Anlage\nzur BKV und auf Gewahrung von Verletztenrente nach einer MdE um 60 vom Hundert\nab Oktober 2005. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche\nUnfallversicherung - (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfahigkeit\ninfolge eines Versicherungsfalls uber die 26. Woche nach dem Versicherungsfall\nhinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.\nVersicherungsfalle sind gemaß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfalle und BKen. BKen\nsind Krankheiten die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung\ndes Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den\nVersicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begrundeten Tatigkeit erleiden\n(§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII wird die\nBundesregierung ermachtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als\nBKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft\ndurch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen\ndurch ihre versicherte Tatigkeit in erheblich hoherem Grade als die ubrige\nBevolkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten\nnur dann BKen sind, wenn sie durch Tatigkeiten in bestimmten\nGefahrdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung\naller Tatigkeiten gefuhrt haben, die fur die Entstehung, die Verschlimmerung\noder das Wiederaufleben ursachlich waren oder sein konnen. Eine solche\nBezeichnung nimmt die BKV mit den sogenannten Listenkrankheiten vor. Nach Nr.\n1301 der Anlage zur BKV sind „Schleimhautveranderungen, Krebs- oder andere\nNeubildungen der Harnwege durch aromatische Amine" als BK festzustellen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Fur die Anerkennung der vorgenannten mussen folgende Tatbestandsmerkmale\nerfullt sein: Bei dem Versicherten muss eine durch aromatische Amine\nverursachte Schleimhautveranderung, eine Krebserkrankung oder andere\nNeubildung der Harnwege vorliegen. Außerdem muss der Versicherte den\nentsprechenden Einwirkungen aromatischer Amine infolge seiner versicherten\nTatigkeit ausgesetzt gewesen sein. Dabei ist ein ursachlicher Zusammenhang\nzwischen der versicherten Tatigkeit und der schadigenden Einwirkung\n(haftungsbegrundende Kausalitat) und zwischen der schadigenden Einwirkung und\nder Erkrankung (haftungsausfullende Kausalitat) erforderlich. Die Krankheit,\ndie versicherte Tatigkeit und die durch sie bedingten schadigenden\nEinwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mussen im Sinne des\nVollbeweises, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit\nnachgewiesen sein. Demgegenuber reicht fur den ursachlichen Zusammenhang, der\nnach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen\nBedingung zu bestimmen ist, grundsatzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit,\nnicht jedoch die bloße Moglichkeit aus (vgl. BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 und\nSozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N. sowie BSG SozR 4-5671 § 6 Nr. 1). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Unter Berucksichtigung dieser rechtlichen Gegebenheiten sowie bei Anwendung\ndieser Maßstabe hat die Beklagte zu Unrecht das operierte bilokulare\nUrothelcarcinom der Harnblase des Klagers und eine eingeschrankte\nNierenfunktion links als Folge einer BK nach der Nr. 1301 der Anlage zur BKV\nund die Gewahrung von Verletztenrente versagt. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens steht auch zur Überzeugung der\nKammer im Anschluss an den Bericht des TAD der Beklagten vom 20.01.2006 fest,\ndass der Klager wahrend seiner versicherten Tatigkeit als Instandhalter sowie\nBetriebsleiter und Sicherheitsfachkraft bei der Firma ... in der Zeit von\nAugust 1976, dem Beginn seiner dortigen Beschaftigung, bis zum Jahr 1993, dem\nZeitpunkt der Einstellung der Produktion von PBN, und damit uber eine\nZeitspanne von etwa 17 Jahren, Einwirkungen von Beta-Naphthylamin ausgesetzt\nwar. Dieser Stoff ist nach den zutreffenden Darlegungen des TAD geeignet, eine\nBK nach der Nr. 1301 zu verursachen (vgl. Schonberger/Mehrtens/Valentin,\nArbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Seite 1149 und Abschnitt I\ndes vom Bundesminister fur Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblatts\nzur BK 1301 <Arbeitsschutz 1963, 129>). Dies ist zwischen den Beteiligten auch\nnicht umstritten und wird bestatigt durch das aktenkundige exemplarische\nSachverstandigengutachten des Prof. Dr. ... „Blasenkrebs durch aromatische\nAmine der Beschaftigten in der Gummiindustrie". Danach gehort zu den\nkrebsgefahrdenden aromatischen Aminen als sogenannter K 1-Stoff u. a. Beta-\nNaphthylamin. Beta-Naphthylamin ist nach den Erkenntnissen der medizinischen\nWissenschaft eine der wichtigsten chemischen Verbindungen, die insbesondere\nKrebs und andere Neubildungen der Harnwege hervorrufen konnen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Fest steht daruber hinaus aufgrund der Behandlungsunterlagen der\nUrologischen Klinik des Klinikums ... sowie der wohlbegrundeten, kompetenten\nund widerspruchsfreien Darlegungen des Sachverstandigen PD Dr. ..., dass der\nKlager seit April 1992 an einem bilokularen Urothelcarcinom der Harnblase\nleidet. Wegen dieser Gesundheitsstorung erfolgte erstmals im April 1992 eine\ntransurethrale Resektion mit wiederholten Nachresektionen bis einschließlich\nApril 2005. Das Stadium dieser Krebserkrankung haben die Ärzte der\nUrologischen Klinik des ... zuletzt seit April 2005 mit p Tis, pT 1, G 3\nbezeichnet. Außerdem ist im Rahmen der diversen Operationen wegen des\nUrothelcarcinoms bei dem Klager eine Nierenfunktionseinschrankung links\neingetreten, wie PD Dr. ... auch insoweit uberzeugend dargelegt hat. Dies hat\nauch die Beklagte nicht in Abrede gestellt. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die vorgenannten Gesundheitsstorungen sind zur Überzeugung des erkennenden\nGerichts - entgegen der Auffassung der Beklagten - auf die Einwirkungen\naromatischer Amine zuruckzufuhren, denen der Klager wahrend seiner\nversicherten Tatigkeit zwischen 1976 und 1993 ausgesetzt war, wie PD Dr. ...\nauch insoweit zutreffend ausgefuhrt hat. Bei aromatischen Aminen der Kategorie\n1, zu denen auch Beta-Naphthylamin gehort (vgl. Schonberger/Mehrtens/Valentin,\na.a.O., Seite 1149), wird die Kausalitatsbeurteilung im Allgemeinen als\nunproblematisch angesehen (vgl. Hess. LSG vom 03.11.2004 - L 3 U 1613/97 - m.\nw. N., veroffentlicht in juris, sowie Koch in Lauterbach, Unfallversicherung,\n4. Aufl. § 9 SGB VII, Anh. IV 1301, Seite 232-19, Anm. 9). Denn bei den sog. K\n1-Stoffen handelt es sich um solche, bei denen nach medizinisch-\nwissenschaftlichen Erkenntnissen feststeht, dass sie beim Menschen Krebs\nerzeugen und bei denen davon auszugehen ist, dass sie einen nennenswerten\nBeitrag zum Krebsrisiko leisten (vgl. Schonberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.,\nSeite 1148). Grenzwerte fur aromatische Amine, bei deren Einhaltung\nErkrankungen nicht zu befurchten sind, bzw. bei deren Unterschreitung die\nKausalitat im Einzelfall auszuschließen sind, sind in der BKV nicht genannt.\nInsofern besteht in der medizinischen Wissenschaft auch kein Konsens.\nZutreffend weist der Sachverstandige PD Dr. ... in diesem Zusammenhang darauf\nhin, dass es bislang auch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse\nuber eine Dosis-Wirkungs-Beziehung bei der Exposition aromatischer Amine\ngegenuber der Entstehung von Urothelcarcinomen gibt. Auch Prof. Dr. ... fuhrt\ninsoweit in seinem exemplarischen Gutachten im Erfahrungssatz 5 ausdrucklich\naus, dass wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse uber die Frage und den\nUmfang eines erhohten Blasenkrebsrisikos durch berufliche Einwirkung\naromatischer Amine im Niedrig-Dosis-Bereich nicht bestehen. Die Datenlage\nerlaubt deshalb weder die Angabe einer „sicheren Dosis" noch die Ermittlung\neiner Dosis, bei der sich das Normalrisiko verdoppelt. Eine Verdoppelung des\nErkrankungsrisikos der exponierten Personengruppe im Vergleich zur\nnichtbelasteten Bevolkerung wird auch vom Gesetz in § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII\nnicht verlangt, sondern lediglich eine Gefahrdung „in erheblich hoherem Grade"\nals die ubrige Bevolkerung. Auch nach Schonberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.,\nSeite 1148 konnen fur krebserzeugende Arbeitsstoffe nach derzeitigem\nmedizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand keine medizinischen Grenzwerte\nangegeben werden, bei deren Einhaltung Erkrankungen nicht zu befurchten sind.\nDeshalb ist ein exakter Beweis fur eine berufsbedingte Krebserkrankung meist\nnicht zu erbringen. Vielmehr ist insoweit eine Indizienkette aufzubauen (vgl.\nSchonberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Seite 1160). Solche Indizien liegen\nvorliegend aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens in ausreichender\nAnzahl vor: Die Harnblasenkrebserkrankung wie auch die als Folge der\ntransurethralen Harnblasenresektionen und der Harnblaseninstillationen\naufgetretenen Funktionseinschrankung der linken Niere ist aufgrund der\nBehandlungsunterlagen der Urologischen Klinik des Klinikums ... und des\nGutachtens des PD Dr. ... medizinisch gesichert. Der angeschuldigte\nGefahrenstoff - hier: Beta-Naphthylamin - ist kanzerogen. Der Klager war in\nder Zeit von 1976 bis 1993, mithin rund 17 Jahre, berufsbedingten Einwirkungen\ndieses Gefahrstoffes ausgesetzt, wenn auch nach den Berechnungen des TAD der\nBeklagten lediglich in geringem Umfang mit einer Gesamtbelastungsdosis von\n0,250mg. Die Erstdiagnose der Krebserkrankung des Klagers erfolgte nach dem\nEntlassungsbericht der Urologischen Klinik des Klinikums ... sowie der BK-\nAnzeige des Dr. ... im April 1992. Zu diesem Zeitpunkt war der Klager 50 Jahre\nalt. Das Auftreten des Blasencarcinoms liegt damit deutlich vor dem\nErstmanifestationszeitpunkt fur Blasenkrebserkrankungen in der unbelasteten\nmannlichen Normalbevolkerung im Alter von etwa 69 Jahren (vgl. S. 20 des\nexemplarischen Gutachtens des Prof. Dr. ...). Organlokalisation der Erkrankung\nund arbeitsmedizinische Erfahrungen im Zusammenhang mit Expositionen gegen\nbestimmte Gefahrstoffe stimmen uberein. Wesentliche außerberufliche Ko-\nFaktoren als Ursache oder uberragende Mitursache der Blasenkrebserkrankung,\nwie insbesondere Nikotinkonsum oder Alkoholgenuss, liegen beim Klager nach\ndessen glaubhaften und von der Beklagten auch nicht bestrittenen Angaben nicht\nvor. Mit ihrer Forderung nach einer kumulativen Gesamtbelastungsdosis von\nwenigstens 6 mg Beta-Naphthylamin geht die Beklagte auch deutlich uber den\nErfahrungssatz 8 im exemplarischen Gutachten des Prof. Dr. ... hinaus; denn\ndort heißt es lediglich: „Die Anerkennung als Berufskrankheit kommt\ngrundsatzlich in Betracht, wenn die arbeitsbedingte Einwirkung\nkrebserzeugender aromatischer Amine naherungsweise in dem Umfang erfolgte, die\nbei einem Raucher zur Verdoppelung des Blasenkrebsrisikos fuhrt". Der\nVergleich mit dem Rauchen bei der quantitativen Einordnung der aufgenommenen\nMenge krebserzeugender aromatischer Amine ist aber nach Erfahrungssatz 7 des\nexemplarischen Gutachtens keineswegs zwingend, sondern bietet sich danach\nallein „in Ermangelung besserer Vergleichsmoglichkeiten" an. Hinzukommt, dass\nZigarettenrauch neben aromatischen Aminen eine Vielzahl weiterer\nkrebserzeugend wirkender Gefahrstoffe erhalt, die mit großer\nWahrscheinlichkeit an der Entstehung eines erhohten Harnblasenkrebsrisikos von\nRauchern beteiligte sind; außerdem entfallt bei Rauchern der unmittelbare\nHautkontakt mit Beta-Naphthylamin (vgl. zum Ganzen Hess. LSG a. a. O.). Vor\ndiesem Hintergrund kann - entgegen der Auffassung der Beklagten - keine Rede\ndavon sein, dass mit einem Dosiswert von 6 mg die arbeitstechnischen\nVoraussetzungen der Nr. 1301 der Anlage zur BKV in Bezug auf Krebserkrankungen\nder Harnwege konkretisiert wurden. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Dem Dosiswert von 6,0 mg kommt auch nicht eine vergleichbare Bedeutung zu\nwie einer „kumulativen Gesamtbelastungsdosis" von mehr als 40 ppm-Jahren fur\ndie Beurteilung des ursachlichen Zusammenhangs einer Benzol-induzierten akuten\nmyeloischen Leukamie, einer chronisch lymphathischen Leukamie oder eines\nmyelodysplastischen Syndroms als BK im Sinne der Nr. 1303 der Anlage zur BKV.\nZwar enthalt auch die Nr. 1303 der Anlage zur BKV keine\nMindestbelastungsdosis, die erfullt sein muss, um eine Erkrankung durch\nBenzol, seine Homologe oder durch Styrol als BK festzustellen und lasst sich\nauch insoweit ein medizinisch-wissenschaftlich abgesicherter definierter\nGrenzwert mit signifikant erhohtem Erkrankungsrisiko nicht ableiten.\nAllerdings ergeben sich fur eine kumulative Belastungsdosis von 40 ppm-Jahren\nund weniger derzeit keine gesicherten Anhaltspunkte auf ein erhohtes\nErkrankungsrisiko im Sinne der BK Nr. 1303 (vgl.\nSchonberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S 1021 f). Deshalb fehlt es\nvorliegend an der Vergleichbarkeit eines Dosis-Wirkungswertes fur Benzol-\ninduzierte Erkrankungen im Sinne der BK Nr. 1303 und solchen durch\nEinwirkungen aromatischer Amine im Sinne der BK Nr. 1301 der Anlage zur BKV.\nDie von der Beklagten herangezogenen Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom\n08.11.2006 (L 17 U 254/04) und vom 15.10.2003 (L 17 U 85/00) und des LSG\nSchleswig-Holstein vom 20.07.2000 (L 5 U 106/99 und L 5 U 114/99), die\nausschließlich die BK Nr. 1303 betreffen, stehen deshalb der Annahme eines\nursachlichen Zusammenhangs zwischen der Gesamtbelastungsdosis der Einwirkung\naromatischer Amine von 0,250 mg und der Harnblasenkrebserkrankung des Klagers\nnicht entgegen. Insoweit besteht fur das Gericht auch keine Veranlassung, dem\nVorbringen des Klagers nachzugehen, die vom TAD ermittelte\nGesamtbelastungsdosis sei zu gering. Zutreffend weist die Beklagte zwar\ndaraufhin, dass es fur die Annahme des ursachlichen Zusammenhangs zwischen\nberufsbedingten Einwirkungen und einer Gesundheitsstorung nicht ausreicht,\ndass der Versicherte im Rahmen seiner versicherten Tatigkeit uberhaupt\ngegenuber aromatischen Aminen exponiert war, denn es gibt keinen Beweis des\nersten Anscheins dafur, dass beim Nachweis einer berufsbedingten Belastung mit\naromatischen Aminen und dem Vorliegen einer Blasenkrebserkrankung der\nursachliche Zusammenhang nach § 9 Abs. 3 SGB VII vermutet wird, denn solche\nErkrankungen konnen auch durch Inhalationsrauchen, kanzerogene Naturstoffe,\nStrahlenbelastungen oder selbst durch ein nichtversichertes Trauma entstehen\n(vgl. Schonberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 1159). Deshalb kann allein\naus dem Vorliegen eines Krankheitsbildes nicht auf die haftungsausfullende\nKausalitat geschlossen werden. Vorliegend ist indes zu berucksichtigen, dass\nBeta-Naphthylamin zu den Gefahrstoffen der Kategorie 1 gehort. Bei diesen\nhandelt es sich um Stoffe, die beim Menschen Krebs erzeugen und bei denen\ndavon auszugehen ist, dass sie einen nennenswerten Beitrag zum Krebsrisiko\nleisten. Außerdem konnen fur krebserzeugende Arbeitsstoffe keine Grenzwerte\n(MAK-Werte) angegriffen werden, bei deren Einhaltungen Erkrankungen nicht zu\nbefurchten sind (vgl. Schonberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 1148).\nÜberdies sind nach den auch insoweit uberzeugenden Darlegungen des\nSachverstandigen PD Dr. ... außerberufliche Ko-Faktoren als Ursache oder\nuberragende Mitursache der Blasenkrebserkrankung des Klagers nicht vorhanden. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Damit sind das operierte bilokulare Urothelcarcinom der Harnblase und die\nals Folge der zahlreichen transurethralen Resektionen und\nHarnblaseninstillationen entstandene Funktionseinschrankung der linken Niere\nals Folge einer BK nach der Nr. 1301 der Anlage zur BKV festzustellen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Wegen dieser Gesundheitsstorungen hat der Klager ab dem 01.10.2005 Anspruch\nauf Verletztenrente nach einer MdE um 60 vom Hundert. Wie der Sachverstandige\nPD Dr. ... auch insoweit uberzeugend dargelegt hat, ist die MdE bezuglich des\nUrothelcarcinoms der Harnblase mit Blick auf die seit April 2005 abgelaufene\nHeilungsbewahrung mit 50 vom Hundert zu bewerten. Die als Operationsfolge im\nRahmen der Urothelcarcinomerkrankung aufgetretene Nierenfunktionseinschrankung\nlinks rechtfertigt mit PD Dr. ... eine Teil-MdE von 25 vom Hundert. Diese\nTeil-MdE-Einschatzung des gerichtlichen Sachverstandigen entspricht den\nunfallmedizinischen Erfahrungswerten (vgl. Schonberger/Mehrtens/Valentin, a.\na. O., S. 1046 und 1206); diese Bewertung hat auch die Beklagte im Schriftsatz\nvom 09.11.2007 nicht angegriffen. Die Gesamt-MdE bewertet das erkennende\nGericht, abweichend von der Einschatzung des gerichtlichen Sachverstandigen,\nmit 60 vom Hundert. Insoweit ist maßgebend das Gesamtbild aller\nFunktionseinschrankungen im Sinne einer integrierenden Gesamtschau und\n-wertung. Dabei durfen einzelne Teil-MdE-Werte nicht zusammengerechnet werden\n(vgl. Schonberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 158), wie dies PD Dr. ... zu\nUnrecht getan hat. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Aus eben diesen Grunden war dem Klagebegehren stattzugeben. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. Die angefochtenen Bescheide sind\nrechtswidrig und verletzen den Klager in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1\ndes Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Der Klager hat Anspruch auf Feststellung\nvon „operiertes bilokulares Urothelcarcinom der Harnblase und\nFunktionseinschrankung der linken Niere" als BK nach der Nr. 1301 der Anlage\nzur BKV und auf Gewahrung von Verletztenrente nach einer MdE um 60 vom Hundert\nab Oktober 2005. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche\nUnfallversicherung - (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfahigkeit\ninfolge eines Versicherungsfalls uber die 26. Woche nach dem Versicherungsfall\nhinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.\nVersicherungsfalle sind gemaß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfalle und BKen. BKen\nsind Krankheiten die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung\ndes Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den\nVersicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begrundeten Tatigkeit erleiden\n(§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII wird die\nBundesregierung ermachtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als\nBKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft\ndurch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen\ndurch ihre versicherte Tatigkeit in erheblich hoherem Grade als die ubrige\nBevolkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten\nnur dann BKen sind, wenn sie durch Tatigkeiten in bestimmten\nGefahrdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung\naller Tatigkeiten gefuhrt haben, die fur die Entstehung, die Verschlimmerung\noder das Wiederaufleben ursachlich waren oder sein konnen. Eine solche\nBezeichnung nimmt die BKV mit den sogenannten Listenkrankheiten vor. Nach Nr.\n1301 der Anlage zur BKV sind „Schleimhautveranderungen, Krebs- oder andere\nNeubildungen der Harnwege durch aromatische Amine" als BK festzustellen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Fur die Anerkennung der vorgenannten mussen folgende Tatbestandsmerkmale\nerfullt sein: Bei dem Versicherten muss eine durch aromatische Amine\nverursachte Schleimhautveranderung, eine Krebserkrankung oder andere\nNeubildung der Harnwege vorliegen. Außerdem muss der Versicherte den\nentsprechenden Einwirkungen aromatischer Amine infolge seiner versicherten\nTatigkeit ausgesetzt gewesen sein. Dabei ist ein ursachlicher Zusammenhang\nzwischen der versicherten Tatigkeit und der schadigenden Einwirkung\n(haftungsbegrundende Kausalitat) und zwischen der schadigenden Einwirkung und\nder Erkrankung (haftungsausfullende Kausalitat) erforderlich. Die Krankheit,\ndie versicherte Tatigkeit und die durch sie bedingten schadigenden\nEinwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mussen im Sinne des\nVollbeweises, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit\nnachgewiesen sein. Demgegenuber reicht fur den ursachlichen Zusammenhang, der\nnach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen\nBedingung zu bestimmen ist, grundsatzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit,\nnicht jedoch die bloße Moglichkeit aus (vgl. BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 und\nSozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N. sowie BSG SozR 4-5671 § 6 Nr. 1). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Unter Berucksichtigung dieser rechtlichen Gegebenheiten sowie bei Anwendung\ndieser Maßstabe hat die Beklagte zu Unrecht das operierte bilokulare\nUrothelcarcinom der Harnblase des Klagers und eine eingeschrankte\nNierenfunktion links als Folge einer BK nach der Nr. 1301 der Anlage zur BKV\nund die Gewahrung von Verletztenrente versagt. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens steht auch zur Überzeugung der\nKammer im Anschluss an den Bericht des TAD der Beklagten vom 20.01.2006 fest,\ndass der Klager wahrend seiner versicherten Tatigkeit als Instandhalter sowie\nBetriebsleiter und Sicherheitsfachkraft bei der Firma ... in der Zeit von\nAugust 1976, dem Beginn seiner dortigen Beschaftigung, bis zum Jahr 1993, dem\nZeitpunkt der Einstellung der Produktion von PBN, und damit uber eine\nZeitspanne von etwa 17 Jahren, Einwirkungen von Beta-Naphthylamin ausgesetzt\nwar. Dieser Stoff ist nach den zutreffenden Darlegungen des TAD geeignet, eine\nBK nach der Nr. 1301 zu verursachen (vgl. Schonberger/Mehrtens/Valentin,\nArbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Seite 1149 und Abschnitt I\ndes vom Bundesminister fur Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblatts\nzur BK 1301 <Arbeitsschutz 1963, 129>). Dies ist zwischen den Beteiligten auch\nnicht umstritten und wird bestatigt durch das aktenkundige exemplarische\nSachverstandigengutachten des Prof. Dr. ... „Blasenkrebs durch aromatische\nAmine der Beschaftigten in der Gummiindustrie". Danach gehort zu den\nkrebsgefahrdenden aromatischen Aminen als sogenannter K 1-Stoff u. a. Beta-\nNaphthylamin. Beta-Naphthylamin ist nach den Erkenntnissen der medizinischen\nWissenschaft eine der wichtigsten chemischen Verbindungen, die insbesondere\nKrebs und andere Neubildungen der Harnwege hervorrufen konnen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Fest steht daruber hinaus aufgrund der Behandlungsunterlagen der\nUrologischen Klinik des Klinikums ... sowie der wohlbegrundeten, kompetenten\nund widerspruchsfreien Darlegungen des Sachverstandigen PD Dr. ..., dass der\nKlager seit April 1992 an einem bilokularen Urothelcarcinom der Harnblase\nleidet. Wegen dieser Gesundheitsstorung erfolgte erstmals im April 1992 eine\ntransurethrale Resektion mit wiederholten Nachresektionen bis einschließlich\nApril 2005. Das Stadium dieser Krebserkrankung haben die Ärzte der\nUrologischen Klinik des ... zuletzt seit April 2005 mit p Tis, pT 1, G 3\nbezeichnet. Außerdem ist im Rahmen der diversen Operationen wegen des\nUrothelcarcinoms bei dem Klager eine Nierenfunktionseinschrankung links\neingetreten, wie PD Dr. ... auch insoweit uberzeugend dargelegt hat. Dies hat\nauch die Beklagte nicht in Abrede gestellt. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die vorgenannten Gesundheitsstorungen sind zur Überzeugung des erkennenden\nGerichts - entgegen der Auffassung der Beklagten - auf die Einwirkungen\naromatischer Amine zuruckzufuhren, denen der Klager wahrend seiner\nversicherten Tatigkeit zwischen 1976 und 1993 ausgesetzt war, wie PD Dr. ...\nauch insoweit zutreffend ausgefuhrt hat. Bei aromatischen Aminen der Kategorie\n1, zu denen auch Beta-Naphthylamin gehort (vgl. Schonberger/Mehrtens/Valentin,\na.a.O., Seite 1149), wird die Kausalitatsbeurteilung im Allgemeinen als\nunproblematisch angesehen (vgl. Hess. LSG vom 03.11.2004 - L 3 U 1613/97 - m.\nw. N., veroffentlicht in juris, sowie Koch in Lauterbach, Unfallversicherung,\n4. Aufl. § 9 SGB VII, Anh. IV 1301, Seite 232-19, Anm. 9). Denn bei den sog. K\n1-Stoffen handelt es sich um solche, bei denen nach medizinisch-\nwissenschaftlichen Erkenntnissen feststeht, dass sie beim Menschen Krebs\nerzeugen und bei denen davon auszugehen ist, dass sie einen nennenswerten\nBeitrag zum Krebsrisiko leisten (vgl. Schonberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.,\nSeite 1148). Grenzwerte fur aromatische Amine, bei deren Einhaltung\nErkrankungen nicht zu befurchten sind, bzw. bei deren Unterschreitung die\nKausalitat im Einzelfall auszuschließen sind, sind in der BKV nicht genannt.\nInsofern besteht in der medizinischen Wissenschaft auch kein Konsens.\nZutreffend weist der Sachverstandige PD Dr. ... in diesem Zusammenhang darauf\nhin, dass es bislang auch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse\nuber eine Dosis-Wirkungs-Beziehung bei der Exposition aromatischer Amine\ngegenuber der Entstehung von Urothelcarcinomen gibt. Auch Prof. Dr. ... fuhrt\ninsoweit in seinem exemplarischen Gutachten im Erfahrungssatz 5 ausdrucklich\naus, dass wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse uber die Frage und den\nUmfang eines erhohten Blasenkrebsrisikos durch berufliche Einwirkung\naromatischer Amine im Niedrig-Dosis-Bereich nicht bestehen. Die Datenlage\nerlaubt deshalb weder die Angabe einer „sicheren Dosis" noch die Ermittlung\neiner Dosis, bei der sich das Normalrisiko verdoppelt. Eine Verdoppelung des\nErkrankungsrisikos der exponierten Personengruppe im Vergleich zur\nnichtbelasteten Bevolkerung wird auch vom Gesetz in § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII\nnicht verlangt, sondern lediglich eine Gefahrdung „in erheblich hoherem Grade"\nals die ubrige Bevolkerung. Auch nach Schonberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.,\nSeite 1148 konnen fur krebserzeugende Arbeitsstoffe nach derzeitigem\nmedizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand keine medizinischen Grenzwerte\nangegeben werden, bei deren Einhaltung Erkrankungen nicht zu befurchten sind.\nDeshalb ist ein exakter Beweis fur eine berufsbedingte Krebserkrankung meist\nnicht zu erbringen. Vielmehr ist insoweit eine Indizienkette aufzubauen (vgl.\nSchonberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Seite 1160). Solche Indizien liegen\nvorliegend aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens in ausreichender\nAnzahl vor: Die Harnblasenkrebserkrankung wie auch die als Folge der\ntransurethralen Harnblasenresektionen und der Harnblaseninstillationen\naufgetretenen Funktionseinschrankung der linken Niere ist aufgrund der\nBehandlungsunterlagen der Urologischen Klinik des Klinikums ... und des\nGutachtens des PD Dr. ... medizinisch gesichert. Der angeschuldigte\nGefahrenstoff - hier: Beta-Naphthylamin - ist kanzerogen. Der Klager war in\nder Zeit von 1976 bis 1993, mithin rund 17 Jahre, berufsbedingten Einwirkungen\ndieses Gefahrstoffes ausgesetzt, wenn auch nach den Berechnungen des TAD der\nBeklagten lediglich in geringem Umfang mit einer Gesamtbelastungsdosis von\n0,250mg. Die Erstdiagnose der Krebserkrankung des Klagers erfolgte nach dem\nEntlassungsbericht der Urologischen Klinik des Klinikums ... sowie der BK-\nAnzeige des Dr. ... im April 1992. Zu diesem Zeitpunkt war der Klager 50 Jahre\nalt. Das Auftreten des Blasencarcinoms liegt damit deutlich vor dem\nErstmanifestationszeitpunkt fur Blasenkrebserkrankungen in der unbelasteten\nmannlichen Normalbevolkerung im Alter von etwa 69 Jahren (vgl. S. 20 des\nexemplarischen Gutachtens des Prof. Dr. ...). Organlokalisation der Erkrankung\nund arbeitsmedizinische Erfahrungen im Zusammenhang mit Expositionen gegen\nbestimmte Gefahrstoffe stimmen uberein. Wesentliche außerberufliche Ko-\nFaktoren als Ursache oder uberragende Mitursache der Blasenkrebserkrankung,\nwie insbesondere Nikotinkonsum oder Alkoholgenuss, liegen beim Klager nach\ndessen glaubhaften und von der Beklagten auch nicht bestrittenen Angaben nicht\nvor. Mit ihrer Forderung nach einer kumulativen Gesamtbelastungsdosis von\nwenigstens 6 mg Beta-Naphthylamin geht die Beklagte auch deutlich uber den\nErfahrungssatz 8 im exemplarischen Gutachten des Prof. Dr. ... hinaus; denn\ndort heißt es lediglich: „Die Anerkennung als Berufskrankheit kommt\ngrundsatzlich in Betracht, wenn die arbeitsbedingte Einwirkung\nkrebserzeugender aromatischer Amine naherungsweise in dem Umfang erfolgte, die\nbei einem Raucher zur Verdoppelung des Blasenkrebsrisikos fuhrt". Der\nVergleich mit dem Rauchen bei der quantitativen Einordnung der aufgenommenen\nMenge krebserzeugender aromatischer Amine ist aber nach Erfahrungssatz 7 des\nexemplarischen Gutachtens keineswegs zwingend, sondern bietet sich danach\nallein „in Ermangelung besserer Vergleichsmoglichkeiten" an. Hinzukommt, dass\nZigarettenrauch neben aromatischen Aminen eine Vielzahl weiterer\nkrebserzeugend wirkender Gefahrstoffe erhalt, die mit großer\nWahrscheinlichkeit an der Entstehung eines erhohten Harnblasenkrebsrisikos von\nRauchern beteiligte sind; außerdem entfallt bei Rauchern der unmittelbare\nHautkontakt mit Beta-Naphthylamin (vgl. zum Ganzen Hess. LSG a. a. O.). Vor\ndiesem Hintergrund kann - entgegen der Auffassung der Beklagten - keine Rede\ndavon sein, dass mit einem Dosiswert von 6 mg die arbeitstechnischen\nVoraussetzungen der Nr. 1301 der Anlage zur BKV in Bezug auf Krebserkrankungen\nder Harnwege konkretisiert wurden. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Dem Dosiswert von 6,0 mg kommt auch nicht eine vergleichbare Bedeutung zu\nwie einer „kumulativen Gesamtbelastungsdosis" von mehr als 40 ppm-Jahren fur\ndie Beurteilung des ursachlichen Zusammenhangs einer Benzol-induzierten akuten\nmyeloischen Leukamie, einer chronisch lymphathischen Leukamie oder eines\nmyelodysplastischen Syndroms als BK im Sinne der Nr. 1303 der Anlage zur BKV.\nZwar enthalt auch die Nr. 1303 der Anlage zur BKV keine\nMindestbelastungsdosis, die erfullt sein muss, um eine Erkrankung durch\nBenzol, seine Homologe oder durch Styrol als BK festzustellen und lasst sich\nauch insoweit ein medizinisch-wissenschaftlich abgesicherter definierter\nGrenzwert mit signifikant erhohtem Erkrankungsrisiko nicht ableiten.\nAllerdings ergeben sich fur eine kumulative Belastungsdosis von 40 ppm-Jahren\nund weniger derzeit keine gesicherten Anhaltspunkte auf ein erhohtes\nErkrankungsrisiko im Sinne der BK Nr. 1303 (vgl.\nSchonberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S 1021 f). Deshalb fehlt es\nvorliegend an der Vergleichbarkeit eines Dosis-Wirkungswertes fur Benzol-\ninduzierte Erkrankungen im Sinne der BK Nr. 1303 und solchen durch\nEinwirkungen aromatischer Amine im Sinne der BK Nr. 1301 der Anlage zur BKV.\nDie von der Beklagten herangezogenen Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom\n08.11.2006 (L 17 U 254/04) und vom 15.10.2003 (L 17 U 85/00) und des LSG\nSchleswig-Holstein vom 20.07.2000 (L 5 U 106/99 und L 5 U 114/99), die\nausschließlich die BK Nr. 1303 betreffen, stehen deshalb der Annahme eines\nursachlichen Zusammenhangs zwischen der Gesamtbelastungsdosis der Einwirkung\naromatischer Amine von 0,250 mg und der Harnblasenkrebserkrankung des Klagers\nnicht entgegen. Insoweit besteht fur das Gericht auch keine Veranlassung, dem\nVorbringen des Klagers nachzugehen, die vom TAD ermittelte\nGesamtbelastungsdosis sei zu gering. Zutreffend weist die Beklagte zwar\ndaraufhin, dass es fur die Annahme des ursachlichen Zusammenhangs zwischen\nberufsbedingten Einwirkungen und einer Gesundheitsstorung nicht ausreicht,\ndass der Versicherte im Rahmen seiner versicherten Tatigkeit uberhaupt\ngegenuber aromatischen Aminen exponiert war, denn es gibt keinen Beweis des\nersten Anscheins dafur, dass beim Nachweis einer berufsbedingten Belastung mit\naromatischen Aminen und dem Vorliegen einer Blasenkrebserkrankung der\nursachliche Zusammenhang nach § 9 Abs. 3 SGB VII vermutet wird, denn solche\nErkrankungen konnen auch durch Inhalationsrauchen, kanzerogene Naturstoffe,\nStrahlenbelastungen oder selbst durch ein nichtversichertes Trauma entstehen\n(vgl. Schonberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 1159). Deshalb kann allein\naus dem Vorliegen eines Krankheitsbildes nicht auf die haftungsausfullende\nKausalitat geschlossen werden. Vorliegend ist indes zu berucksichtigen, dass\nBeta-Naphthylamin zu den Gefahrstoffen der Kategorie 1 gehort. Bei diesen\nhandelt es sich um Stoffe, die beim Menschen Krebs erzeugen und bei denen\ndavon auszugehen ist, dass sie einen nennenswerten Beitrag zum Krebsrisiko\nleisten. Außerdem konnen fur krebserzeugende Arbeitsstoffe keine Grenzwerte\n(MAK-Werte) angegriffen werden, bei deren Einhaltungen Erkrankungen nicht zu\nbefurchten sind (vgl. Schonberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 1148).\nÜberdies sind nach den auch insoweit uberzeugenden Darlegungen des\nSachverstandigen PD Dr. ... außerberufliche Ko-Faktoren als Ursache oder\nuberragende Mitursache der Blasenkrebserkrankung des Klagers nicht vorhanden. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Damit sind das operierte bilokulare Urothelcarcinom der Harnblase und die\nals Folge der zahlreichen transurethralen Resektionen und\nHarnblaseninstillationen entstandene Funktionseinschrankung der linken Niere\nals Folge einer BK nach der Nr. 1301 der Anlage zur BKV festzustellen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Wegen dieser Gesundheitsstorungen hat der Klager ab dem 01.10.2005 Anspruch\nauf Verletztenrente nach einer MdE um 60 vom Hundert. Wie der Sachverstandige\nPD Dr. ... auch insoweit uberzeugend dargelegt hat, ist die MdE bezuglich des\nUrothelcarcinoms der Harnblase mit Blick auf die seit April 2005 abgelaufene\nHeilungsbewahrung mit 50 vom Hundert zu bewerten. Die als Operationsfolge im\nRahmen der Urothelcarcinomerkrankung aufgetretene Nierenfunktionseinschrankung\nlinks rechtfertigt mit PD Dr. ... eine Teil-MdE von 25 vom Hundert. Diese\nTeil-MdE-Einschatzung des gerichtlichen Sachverstandigen entspricht den\nunfallmedizinischen Erfahrungswerten (vgl. Schonberger/Mehrtens/Valentin, a.\na. O., S. 1046 und 1206); diese Bewertung hat auch die Beklagte im Schriftsatz\nvom 09.11.2007 nicht angegriffen. Die Gesamt-MdE bewertet das erkennende\nGericht, abweichend von der Einschatzung des gerichtlichen Sachverstandigen,\nmit 60 vom Hundert. Insoweit ist maßgebend das Gesamtbild aller\nFunktionseinschrankungen im Sinne einer integrierenden Gesamtschau und\n-wertung. Dabei durfen einzelne Teil-MdE-Werte nicht zusammengerechnet werden\n(vgl. Schonberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 158), wie dies PD Dr. ... zu\nUnrecht getan hat. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Aus eben diesen Grunden war dem Klagebegehren stattzugeben. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n---\n\n
135,191
lg-konstanz-2003-04-16-62-t-4203
136
Landgericht Konstanz
lg-konstanz
Konstanz
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
62 T 42/03
2003-04-16
2019-01-07 11:08:25
2019-01-17 11:55:13
Beschluss
## Tenor\n\n1.\n\nDie sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts -\nVollstreckungsgericht - Donaueschingen vom 11.03.2003 (14 M 440/03) wird\nzuruckgewiesen.\n\n2.\n\nDie Glaubigerin tragt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\n3.\n\nDer Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 331,49 Euro festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Auf Antrag der Glaubigerin hat das Amtsgericht Donaueschingen gegen die\nSchuldnerin einen Pfandungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, mit dem\nAnspruche der Schuldnerin gegenuber der ... gepfandet und zur Einziehung\nuberwiesen wurden. Auf Antrag der Schuldnerin hat das Amtsgericht mit\nBeschluss vom 11.03.2003 dieser gestattet, vorab vom gepfandeten Konto\nmonatlich u. a. die vom Arbeitsamt ... dem Ehemann der Schuldnerin, ...\ngeschuldete Arbeitslosenhilfe in Hohe von derzeit 333,81 Euro, die auf das\nKonto der Schuldnerin uberwiesen wird, abzuheben. Hiergegen richtet sich die\nzulassige sofortige Beschwerde der Glaubigerin. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Diese ist unbegrundet. Gemaß § 1360 Abs. 1 BGB sind Ehegatten einander\nverpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermogen die Familie angemessen\nzu unterhalten. Ist einem Ehegatten die Haushaltsfuhrung uberlassen, so\nerfullt er seine Verpflichtung durch Arbeit zum Unterhalt der Familie\nbeizutragen, in der Regel durch die Fuhrung des Haushalts. Nach § 1360 a Abs.\n2 BGB ist der Unterhalt in der Weise zu leisten, die durch die eheliche\nLebensgemeinschaft geboten ist. Im vorliegenden Fall verhalt es sich so, dass\ndie dem Ehemann der Schuldnerin zustehende Arbeitslosenhilfe auf das Bankkonto\nder Schuldnerin uberwiesen wird. Von diesem Betrag wird sodann der gemeinsame\nLebensunterhalt bestritten. Zu Recht hat das Amtsgericht gemaß der §§ 850 k\nAbs. 1, 850 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO die Pfandung insoweit aufgehoben, da\nder Ehemann der Schuldnerin durch die Überweisung der Arbeitslosenhilfe auf\ndas Konto seiner Ehefrau seinen unterhaltsrechtlichen Verpflichtungen\nnachkommt und die Voraussetzungen fur die Pfandung entsprechender Zahlungen\nnicht vorliegen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des\nGegenstandswerts auf § 3 ZPO. \n--- \n---\n\n
135,280
lsgbw-2004-03-02-l-11-kr-77303
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 11 KR 773/03
2004-03-02
2019-01-07 11:09:22
2019-01-17 11:55:17
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Klagerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom\n26. November 2002 wird zuruckgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist die Beitragspflicht aus Versorgungsbezugen zur Kranken- und\nPflegeversicherung. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die 1949 geborene Klagerin war bis 31.12.1999 bei der Fa. IBM Deutschland\nInformationssysteme GmbH versicherungspflichtig beschaftigt. Nach Ziff. 2 der\nAuflosungsvereinbarung erhielt die Klagerin nach dem gultigen\nFruhpensionierungsprogramm 1999 ab 01.01.2000 folgende Leistungen: \n--- \n| 3 \n--- \n| \n--- \n2.1 Vorgezogene IBM-Altersrente gemaß den Bestimmungen des IBM-Versorgungswerkes brutto | DM 1.162,-- \n2.2 Subvention des versicherungsmathematischen Abzuges | \nbrutto | DM 569,-- \n2.3 Befristetes Überbruckungsgeld | \nbrutto | DM 3.875,-- \n2.4 Befristeter Sozialversicherungszuschuss | \nbrutto | DM 600,-- \nunter dem Vorbehalt der Nachberechnung nach dem 31.12.1999 | \nmonatliche Gesamtleistung brutto | DM 6.206,-- \n| 4 \n--- \n| Nach Ziff. 4 der Vereinbarung erklarte der Mitarbeiter mit Annahme dieses\nAngebots sein Einverstandnis zum Angebot Fruhpensionierungsprogramm 1999.\nZugleich akzeptierte er damit die Bedingungen des Merkblattes zum\n„Fruhpensionierungsprogramm 1999". \n--- \n| 5 \n--- \n| Vom 01.02. bis 24.03.2000 und vom 01.07.2000 bis 07.11.2001 bezog die\nKlagerin Arbeitslosengeld und war deshalb pflichtversichertes Mitglied der\nBeklagten. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Bescheid vom 10.12.2000 teilte die Beklagte der Klagerin mit, wahrend\nder Zeit vom 01.02. bis 24.03.2000 und vom 01.07.2000 bis 07.11.2001 sei sie\nals Bezieherin von Leistungen nach dem Arbeitsforderungsgesetz\npflichtversichert. Wahrend der Pflichtversicherung unterliege ihr\nVersorgungsbezug von der IBM Deutschland Informationssysteme GmbH (seit\n01.01.2000) der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 226\nFunftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 57 SGB XI. Fur die Zeit vom\n01.02.2000 bis 24.03.2000 und vom 01.07.2000 bis 07.11.2001 sei eine Forderung\nvon DM 1.935,58 ermittelt worden. Die Beklagte fugte als Anlage eine\nErmittlung der Beitrage unter Einbeziehung der von der Fa. IBM Deutschland\ngezahlten Versorgungsbezuge bei. \n--- \n| 7 \n--- \n| Hiergegen erhob die Klagerin Widerspruch mit der Begrundung, weder in den\nihr zur Verfugung stehenden Unterlagen der Beklagten noch in der\nInformationsbroschure der Bundesanstalt fur Arbeit „Merkblatt fur Arbeitslose"\nwerde darauf hingewiesen, dass wahrend des Bezugs von Arbeitslosengeld\nzusatzliche Einnahmen der KV/PV-Pflicht unterliegen. Unabhangig davon konne es\nwohl kaum zutreffen, dass monatliche Abfindungszahlungen wahrend dieser Zeit\nzu Beitragsforderungen seitens der Krankenkasse fuhrten, wahrend eine\neinmalige Abfindungszahlung beim Ausscheiden aus einem Unternehmen\nunberucksichtigt bleibe. Auch sei ihr telefonisch von einem Mitarbeiter der\nBeklagten mitgeteilt worden, dass grundsatzlich keine ruckwirkenden\nBeitragsforderungen vorgenommen wurden. Ehemalige Kollegen, die ebenfalls im\nRahmen eines Auflosungsvertrages aus dem Unternehmen ausgeschieden seien und\nmonatliche Abfindungszahlungen erhielten, hatten wahrend der Dauer des Bezugs\nvon Arbeitslosengeld keine zusatzlichen Beitragsforderungen erhalten. \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2002 gab die Beklagte dem Widerspruch\nder Klagerin nicht statt: Die an den Erhalt von Versorgungsbezugen geknupfte\nBeitragspflicht entstehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts\n(BSG) kraft Gesetzes und sei von der Kenntnis des Versicherten unabhangig,\ndenn auch die Beitragsanspruche aus Versorgungsbezugen entstunden gemaß § 22\nAbs. 1 SGB IV, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten\nVoraussetzungen vorlagen. Die Beitragspflicht aus Versorgungsbezugen zur\nKranken- und Pflegeversicherung ergebe sich aus dem Gesetz, sie konne nicht\numgangen werden. Eine Verjahrung der Beitragsforderung sei bisher nicht\neingetreten, auch seien die Beitrage nicht verwirkt. Die Klagerin sei wahrend\nder Zeit vom 01.02. bis 24.03.2000 und vom 01.07.2000 bis 07.11.2001 als\nLeistungsbezieherin nach dem SGB III pflichtversichert gewesen. Bei Personen,\nderen Leistungen nach dem SGB III aus einem Arbeitsentgelt oberhalb der\nBeitragsbemessungsgrenze berechnet wurden, wurden als Bemessungsgrundlage fur\ndie zu zahlenden Beitrage maximal 80% der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze\ngelten (Urteil des BSG vom 29.09.1997 - 8 RKn 4/97 -). Beitrage aus\nVersorgungsbezugen seien fur die Betroffenen aus der Differenz zwischen dieser\nBemessungsgrundlage und dem Wert der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zu\nerheben. Dem entsprachen die berechneten und zu entrichtenden Beitrage in Hohe\nvon 989,65 EUR (DM 1.935,58). \n--- \n| 9 \n--- \n| Hiergegen erhob die Klagerin Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG). Zur\nBegrundung machte sie im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung der\nBeklagten handle es sich nicht um Versorgungsbezuge gemaß § 229 SGB V,\nvielmehr sei eine gesplittete Kapitalabfindung aus Grunden des Verlustes des\nArbeitsplatzes anzunehmen. „Der Charakter der Leistung werde im ubrigen aus\ndem Merkblatt zur Fruhpensionierungsvereinbarung der ehemaligen Arbeitgeberin\nvorgelegt." \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte trat der Klage entgegen. Zu den beitragspflichtigen\nVersorgungsbezugen zahlten die Renten der betrieblichen Altersversorgung.\nHierzu gehorten die Leistungen der Alters-, Invaliditats- oder\nHinterbliebenenversorgung, die unmittelbar oder mittelbar aus Anlass eines\nfruheren Beschaftigungsverhaltnisses zuflossen. Die Klagerin erhalte im Rahmen\nder Fruhpensionierung einen Versorgungsbezug, der sich aus der regularen\nBetriebsrente und aus einer einzelvertraglichen Vereinbarung zusammensetze.\nBeide Leistungen dienten der Versorgung und stellten daher einen\nbeitragspflichtigen Versorgungsbezug dar. Lediglich Leistungen aus\nbetrieblichen Sozialplanen zahlten nicht zu den Versorgungsbezugen, da sie\neinen Entschadigungscharakter hatten. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beklagte legte ein Schreiben der IBM Deutschland GmbH vom August 2002\nvor, demzufolge die Klagerin zum 31.12.1999 im Rahmen einer\nFruhpensionierungsvereinbarung ausgeschieden sei und seit 01.01.2000 u.a.\nLeistungen aus dem Versorgungswerk (IBM Betriebsrente) und zusatzliche\nZahlungen, die aufgrund einer einzelvertraglichen Vereinbarung zugesagt worden\nseien (s. beiliegendes Merkblatt), erhalte. \n--- \n| 12 \n--- \n| Mit Urteil vom 26.11.2002, dem Bevollmachtigten der Klagerin zugestellt am\n28.01.2003, wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgrunde wird\ninhaltlich verwiesen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Dagegen richtet sich die am 27.02.2003 eingelegte Berufung der Klagerin.\nSie halt daran fest, dass es sich bei den Zahlungen des fruheren Arbeitgebers,\nder Fa. IBM, nicht um Versorgungsbezuge, sondern richtigerweise um gesplittete\nKapitalabfindungen handle, welche nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen\ndes § 226 I SGB V gehorten. Die Zahlungen seien aus Anlass der Beendigung des\nArbeitsverhaltnisses bei der Fa. IBM geleistet worden, nachdem ihr\nArbeitsplatz dort weggefallen sei. Ein vergleichbarer Arbeitsplatz habe nicht\nzur Verfugung gestanden. Unter Vermittlung des Betriebsrats sei sodann mit der\nPersonalabteilung die Vereinbarung zur Zahlung von 70% bei Beendigung des\nArbeitsverhaltnisses ausgehandelt worden. Wichtig sei insoweit, dass\nausscheidende Mitarbeiter der IBM, welche die Einmalzahlung der\nKapitalabfindung gewahlt hatten, mit dieser Zahlung nicht zur Beitragspflicht\nherangezogen wurden. Eine Ungleichbehandlung ergebe sich auch aus der\ndeutlichen Schlechterstellung von Arbeitslosen bei Anwendung der\nherangezogenen Grundsatze zur Beitragspflicht. Je geringer die\nBemessungsgrundlage, je weniger der Arbeitslose also verdient habe, desto\nhoher wurden Versorgungsbezuge anteilig belastet. Des weiteren sei nicht zu\nakzeptieren, dass bei demselben Prozedere Miet- und Zinseinkunfte nicht\nherangezogen wurden. Auch hier finde eine Ungleichbehandlung statt. Daruber\nhinaus sei sie nicht daruber belehrt worden, dass ihre Einnahmen zur\nBerechnung der Beitrage herangezogen wurden. Ware sie entsprechend belehrt\nworden, hatte sie den ebenfalls moglichen Weg einer einmaligen\nKapitalabfindung gewahlt. Kollegen seien bei vergleichbaren Leistungen von\nanderen Krankenkassen nicht zur Zahlung herangezogen worden. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 15 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. November 2002 sowie den\nBescheid vom 10. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom\n15. Mai 2002 aufzuheben. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 17 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Beklagte tragt vor, im Rahmen einer Fruhpensionierung erhalte die\nKlagerin einen Versorgungsbezug, der sich aus der regularen Betriebsrente und\naus einer einzelvertraglichen Vereinbarung zusammensetze. Beide Leistungen\ndienten der Versorgung und stellten deshalb einen beitragspflichtigen\nVersorgungsbezug dar. \n--- \n| 19 \n--- \n| Der Senat hat eine Auskunft der Fa. IBM Deutschland GmbH eingeholt. Darin\nwird mitgeteilt, es habe die Moglichkeit bestanden, anstelle der monatlichen\nÜberbruckungszahlung eine Kapitalleistung zu erhalten. Das Merkblatt\nFruhpensionierungsvereinbarung sei Bestandteil des Vertrages geworden. Fur\nFebruar und Marz 2000 und Juli 2000 bis November 2001 habe die Klagerin\nfolgende Leistungen erhalten: EUR 596,68 Betriebsrente, EUR 292,46 VMA-\nSubvention, EUR 2.038,52 Überbruckungsgeld und EUR 306,78 SV-Zuschuss. Die Fa.\nIBM hat die Auflosungsvereinbarung, das fur die Klagerin gultige\nVersorgungswerk der IBM Deutschland GmbH und das Merkblatt\nFruhpensionierungsvereinbarung - 70% Modell - 1999 beigefugt. \n--- \n| 20 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten\nerster und zweiter Instanz Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin ist unbegrundet. Zu Recht hat das SG\ndie Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmaßig und\nverletzten die Klagerin nicht in ihren Rechten. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klagerin war als Bezieherin von Arbeitslosengeld vom 01.02. bis\n24.03.2000 und vom 01.07.2000 bis 07.11.2001 versicherungspflichtig (§ 232a\nSozialgesetzbuch 5. Buch -SGB V-, § 20 SGB XI). Beitrage sind in diesem\nZeitraum nicht nur aus dem Arbeitslosengeld, sondern auch aus den der Rente\nvergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezuge) zu erheben (§ 57 Abs. 1 SGB XI, §\n232a Abs. 4 i.V.m. § 226 Abs. 1 Ziff. 3 SGB V). Zu den Versorgungsbezugen\ngehoren auch Renten der betrieblichen Altersversorgung (§ 229 Abs. 1 Satz 1\nNr. 5 SGB V). \n--- \n| 23 \n--- \n| Die vorgezogene IBM- Altersrente und die Subvention des\nversicherungsmathematischen Abzuges, die die Klagerin seit 01.01.2000 nach\nTeil I B der Fruhpensionierungsvereinbarung 1999 erhalt, ist eine Rente der\nbetrieblichen Altersversorgung i.S. der genannten Vorschriften und als solche\nbeitragspflichtig. Es handelt sich um eine Leistung der betrieblichen\nAltersversorgung i.S. von § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen\nAltersversorgung (BetrAVG). Hierzu werden alle Leistungen gerechnet, mit denen\nein Versorgungszweck verfolgt wird, wenn der Versorgungsanspruch durch ein\nbiologisches Ereignis (Alter, Invaliditat oder Tod) ausgelost wird und diese\nLeistung aus Anlass eines Arbeitsverhaltnisses zugesagt wird (vgl. BSG SozR\n3-2500 § 229 Nr. 12 und 13 m. W. N.). Diesen Begriffsmerkmalen genugen die in\nder Fruhpensionierungsregelung i.V.m. dem Versorgungswerk zugesagte IBM-\nAltersrente und Subvention des versicherungsmathematischen Abzuges. Das\nVersorgungswerk der IBM Deutschland dient nach Artikel 1 § 1 der Satzung der\nAlters- und Hinterbliebenenversorgung der in der IBM beschaftigten\nMitarbeiter. Nach § 8 der Satzung erhalt ein Mitarbeiter, der nach mindestens\n10 IBM-Dienstjahren und nach Vollendung des 50. Lebensjahres mit Zustimmung\nder IBM ausscheidet und vorzeitig in den Ruhestand tritt, eine vorgezogene\nAltersrente. Vorgezogene Altersrenten werden bis zur Vollendung des 60.\nLebensjahres ... zu hundert Prozent von dem Tragerunternehmen mit\nRechtsanspruch bezahlt (Ziffer 1, 1.2. der Anlage 2 zur\nKonzernbetriebsvereinbarung vom 15.12.1994). Nach Teil I B Ziffer 1 des\nMerkblattes- Fruhpensionierungsvereinbarung 1999 - wird die IBM Rente und\nSubvention des versicherungsmathematischen Abzuges nach den Regeln des\nVersorgungswerkes berechnet. Die Rentenzahlung erfolgt fur den laufenden Monat\nam Ende des Monats. Der versicherungsmathematische Abzug, den das\nVersorgungswerk fur den Bezug einer vorgezogenen IBM Altersrente vorzieht,\nwird mit 0,5 % pro Monat, bis maximal zum Monat der Vollendung des 54.\nLebensjahres subventioniert (Teil I B Ziffer 1.2.). Die IBM Rente und die VMA-\nSubvention werden ab dem Folgemonat des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhaltnis\ngezahlt (Teil I B Ziffer 4). Zu dem unter Ziffer 2 geregelten\nÜberbruckungsgeld enthalt Ziffer 5 eine Wahlmoglichkeit dahingehend, die\nlaufende Zahlung des Überbruckungsgeldes in eine einmalige Abfindung\numzuwandeln. \n--- \n| 24 \n--- \n| Im Falle der Klagerin, die langjahrige Mitarbeiterin bei IBM Deutschland\nwar, steht der Zusammenhang der vorgezogenen Altersrente und der VMA-\nSubvention mit ihrer fruheren Berufstatigkeit außer Frage. Es handelt sich um\nlaufende Einnahmen, die aus einem fruheren Beschaftigungsverhaltnis erzielt\nwerden und daher der Rente gleichzusetzen sind. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Beitrage aus den Versorgungsbezugen hat die Klagerin gemaß § 250 Abs. 1\nNr. 1 SGB V selbst zu tragen. Die Beklagte kann die Beitrage auch bei der\nKlagerin einziehen, da nach Teil I B Ziffer 6 des Merkblattes\n-Fruhpensionierungsvereinbarung- die auf die Leistungen entfallenden\ngesetzlichen Abgaben von dem ausscheidenden Mitarbeiter zu tragen sind. \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die der Klagerin uber die\nvorgezogene IBM-Rente und die VMA-Subvention hinaus gewahrten Leistungen,\ninsbesondere das befristete Übergangsgeld uberhaupt eine betriebliche\nAltersversorgung darstellen, denn zu Recht weist die Beklagte daraufhin, dass\nwahrend der Zeit des Arbeitslosengeldbezuges die Versorgungsbezuge nur bis zur\nDifferenz zwischen der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Kranken -\nund Pflegeversicherung und dem zur Berechnung der Leistung nach dem SGB III\nherangezogenen Arbeitsentgelt der Beitragspflicht unterliegt; bereits die\nvorgezogene Altersrente und die Subvention ubersteigen den Differenzbetrag,\nsodass die ubrigen Leistungen ohnehin nicht herangezogen wurden. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Soweit die Klagerin geltend macht, bei den Zahlungen des fruheren\nArbeitgebers handle es sich nicht um Versorgungsbezuge, sondern richtigerweise\num gesplittete Kapitalabfindungen bzw. um Zahlungen aus Anlass des\nArbeitsplatzverlustes, kann dem allenfalls bezuglich des Übergangsgeldes\ngefolgt werden. Bei der vorgezogenen IBM-Altersrente und der VMA-Subvention\nhandelt es sich dagegen eindeutig um Versorgungsbezuge i.S. des § 229 Abs. 1\nSatz 1 Nr. 5 SGB V. Nur fur das Überbruckungsgeld bestand auch die\nWahlmoglichkeit einer Kapitalabfindung. Da dieses ohnehin bei der\nBeitragsberechnung außen vor blieb, ist es unerheblich, ob die Klagerin\nbelehrt wurde. Die Beitragspflicht zur Kranken - und Pflegeversicherung aus\nVersorgungsbezugen, d.h. hier aus der IBM-Altersrente und der VMA-Subvention,\nergibt sich aus dem Gesetz; auf die Kenntnis der Beitragspflicht kommt es\ninsoweit nicht an. Die Sozialversicherung lasst das Versicherungsverhaltnis\ngrundsatzlich unabhangig vom Willen der Beteiligten, von der Erfullung von\nMeldepflichten und Beitragszahlungen entstehen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die gesetzlich normierte Beitragspflicht der Versorgungsbezuge verletzt\nauch nicht verfassungsrechtliche Positionen der Klagerin. Das BSG hat\nwiederholt entschieden, dass der Gesetzgeber weder durch Art. 14 Abs. 1 des\nGrundgesetzes noch durch das Rechtsstaatsprinzip gehindert war, bei der\nNeuregelung der Krankenversicherung der Rentner Renten der betrieblichen\nAltersversorgung mit Beitragen zu belegen ( BSG, Urteil vom 11.10.2001 -B 12\nKR 4/00 R-). Das Bundesverfassungsgericht hat die Einbeziehung der\nVersorgungsbezuge in die Beitragspflicht nicht nur gebilligt, sondern wegen\ndes in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Solidaritatsprinzips\nsogar fur geboten erachtet (Entscheidung vom 6.12.1988 -2 BvL 18/84 -BverfGE\n79, 223, 237 ff - SozR 2200 § 180 Nr. 46). \n--- \n| 29 \n--- \n| Gegen die Hohe der Beitrage hat die Klagerin keine Einwendungen erhoben,\ninsoweit sind Fehler zuungunsten der Klagerin auch nicht erkennbar. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 32 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin ist unbegrundet. Zu Recht hat das SG\ndie Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmaßig und\nverletzten die Klagerin nicht in ihren Rechten. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klagerin war als Bezieherin von Arbeitslosengeld vom 01.02. bis\n24.03.2000 und vom 01.07.2000 bis 07.11.2001 versicherungspflichtig (§ 232a\nSozialgesetzbuch 5. Buch -SGB V-, § 20 SGB XI). Beitrage sind in diesem\nZeitraum nicht nur aus dem Arbeitslosengeld, sondern auch aus den der Rente\nvergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezuge) zu erheben (§ 57 Abs. 1 SGB XI, §\n232a Abs. 4 i.V.m. § 226 Abs. 1 Ziff. 3 SGB V). Zu den Versorgungsbezugen\ngehoren auch Renten der betrieblichen Altersversorgung (§ 229 Abs. 1 Satz 1\nNr. 5 SGB V). \n--- \n| 23 \n--- \n| Die vorgezogene IBM- Altersrente und die Subvention des\nversicherungsmathematischen Abzuges, die die Klagerin seit 01.01.2000 nach\nTeil I B der Fruhpensionierungsvereinbarung 1999 erhalt, ist eine Rente der\nbetrieblichen Altersversorgung i.S. der genannten Vorschriften und als solche\nbeitragspflichtig. Es handelt sich um eine Leistung der betrieblichen\nAltersversorgung i.S. von § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen\nAltersversorgung (BetrAVG). Hierzu werden alle Leistungen gerechnet, mit denen\nein Versorgungszweck verfolgt wird, wenn der Versorgungsanspruch durch ein\nbiologisches Ereignis (Alter, Invaliditat oder Tod) ausgelost wird und diese\nLeistung aus Anlass eines Arbeitsverhaltnisses zugesagt wird (vgl. BSG SozR\n3-2500 § 229 Nr. 12 und 13 m. W. N.). Diesen Begriffsmerkmalen genugen die in\nder Fruhpensionierungsregelung i.V.m. dem Versorgungswerk zugesagte IBM-\nAltersrente und Subvention des versicherungsmathematischen Abzuges. Das\nVersorgungswerk der IBM Deutschland dient nach Artikel 1 § 1 der Satzung der\nAlters- und Hinterbliebenenversorgung der in der IBM beschaftigten\nMitarbeiter. Nach § 8 der Satzung erhalt ein Mitarbeiter, der nach mindestens\n10 IBM-Dienstjahren und nach Vollendung des 50. Lebensjahres mit Zustimmung\nder IBM ausscheidet und vorzeitig in den Ruhestand tritt, eine vorgezogene\nAltersrente. Vorgezogene Altersrenten werden bis zur Vollendung des 60.\nLebensjahres ... zu hundert Prozent von dem Tragerunternehmen mit\nRechtsanspruch bezahlt (Ziffer 1, 1.2. der Anlage 2 zur\nKonzernbetriebsvereinbarung vom 15.12.1994). Nach Teil I B Ziffer 1 des\nMerkblattes- Fruhpensionierungsvereinbarung 1999 - wird die IBM Rente und\nSubvention des versicherungsmathematischen Abzuges nach den Regeln des\nVersorgungswerkes berechnet. Die Rentenzahlung erfolgt fur den laufenden Monat\nam Ende des Monats. Der versicherungsmathematische Abzug, den das\nVersorgungswerk fur den Bezug einer vorgezogenen IBM Altersrente vorzieht,\nwird mit 0,5 % pro Monat, bis maximal zum Monat der Vollendung des 54.\nLebensjahres subventioniert (Teil I B Ziffer 1.2.). Die IBM Rente und die VMA-\nSubvention werden ab dem Folgemonat des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhaltnis\ngezahlt (Teil I B Ziffer 4). Zu dem unter Ziffer 2 geregelten\nÜberbruckungsgeld enthalt Ziffer 5 eine Wahlmoglichkeit dahingehend, die\nlaufende Zahlung des Überbruckungsgeldes in eine einmalige Abfindung\numzuwandeln. \n--- \n| 24 \n--- \n| Im Falle der Klagerin, die langjahrige Mitarbeiterin bei IBM Deutschland\nwar, steht der Zusammenhang der vorgezogenen Altersrente und der VMA-\nSubvention mit ihrer fruheren Berufstatigkeit außer Frage. Es handelt sich um\nlaufende Einnahmen, die aus einem fruheren Beschaftigungsverhaltnis erzielt\nwerden und daher der Rente gleichzusetzen sind. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Beitrage aus den Versorgungsbezugen hat die Klagerin gemaß § 250 Abs. 1\nNr. 1 SGB V selbst zu tragen. Die Beklagte kann die Beitrage auch bei der\nKlagerin einziehen, da nach Teil I B Ziffer 6 des Merkblattes\n-Fruhpensionierungsvereinbarung- die auf die Leistungen entfallenden\ngesetzlichen Abgaben von dem ausscheidenden Mitarbeiter zu tragen sind. \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die der Klagerin uber die\nvorgezogene IBM-Rente und die VMA-Subvention hinaus gewahrten Leistungen,\ninsbesondere das befristete Übergangsgeld uberhaupt eine betriebliche\nAltersversorgung darstellen, denn zu Recht weist die Beklagte daraufhin, dass\nwahrend der Zeit des Arbeitslosengeldbezuges die Versorgungsbezuge nur bis zur\nDifferenz zwischen der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Kranken -\nund Pflegeversicherung und dem zur Berechnung der Leistung nach dem SGB III\nherangezogenen Arbeitsentgelt der Beitragspflicht unterliegt; bereits die\nvorgezogene Altersrente und die Subvention ubersteigen den Differenzbetrag,\nsodass die ubrigen Leistungen ohnehin nicht herangezogen wurden. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Soweit die Klagerin geltend macht, bei den Zahlungen des fruheren\nArbeitgebers handle es sich nicht um Versorgungsbezuge, sondern richtigerweise\num gesplittete Kapitalabfindungen bzw. um Zahlungen aus Anlass des\nArbeitsplatzverlustes, kann dem allenfalls bezuglich des Übergangsgeldes\ngefolgt werden. Bei der vorgezogenen IBM-Altersrente und der VMA-Subvention\nhandelt es sich dagegen eindeutig um Versorgungsbezuge i.S. des § 229 Abs. 1\nSatz 1 Nr. 5 SGB V. Nur fur das Überbruckungsgeld bestand auch die\nWahlmoglichkeit einer Kapitalabfindung. Da dieses ohnehin bei der\nBeitragsberechnung außen vor blieb, ist es unerheblich, ob die Klagerin\nbelehrt wurde. Die Beitragspflicht zur Kranken - und Pflegeversicherung aus\nVersorgungsbezugen, d.h. hier aus der IBM-Altersrente und der VMA-Subvention,\nergibt sich aus dem Gesetz; auf die Kenntnis der Beitragspflicht kommt es\ninsoweit nicht an. Die Sozialversicherung lasst das Versicherungsverhaltnis\ngrundsatzlich unabhangig vom Willen der Beteiligten, von der Erfullung von\nMeldepflichten und Beitragszahlungen entstehen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die gesetzlich normierte Beitragspflicht der Versorgungsbezuge verletzt\nauch nicht verfassungsrechtliche Positionen der Klagerin. Das BSG hat\nwiederholt entschieden, dass der Gesetzgeber weder durch Art. 14 Abs. 1 des\nGrundgesetzes noch durch das Rechtsstaatsprinzip gehindert war, bei der\nNeuregelung der Krankenversicherung der Rentner Renten der betrieblichen\nAltersversorgung mit Beitragen zu belegen ( BSG, Urteil vom 11.10.2001 -B 12\nKR 4/00 R-). Das Bundesverfassungsgericht hat die Einbeziehung der\nVersorgungsbezuge in die Beitragspflicht nicht nur gebilligt, sondern wegen\ndes in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Solidaritatsprinzips\nsogar fur geboten erachtet (Entscheidung vom 6.12.1988 -2 BvL 18/84 -BverfGE\n79, 223, 237 ff - SozR 2200 § 180 Nr. 46). \n--- \n| 29 \n--- \n| Gegen die Hohe der Beitrage hat die Klagerin keine Einwendungen erhoben,\ninsoweit sind Fehler zuungunsten der Klagerin auch nicht erkennbar. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 32 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n---\n\n
136,702
olgkarl-2004-03-23-1-ss-9103
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
1 Ss 91/03
2004-03-23
2019-01-07 12:01:50
2019-02-12 12:38:55
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts V. vom\n05. Marz 2003 mit den dazugehorigen Feststellungen aufgehoben.\n\n2\\. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch uber die\nKosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts V.\nzuruckverwiesen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Auf die Berufung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat das\nLandgericht V. diesen am 05.03.2003 wegen Korperverletzung in Tateinheit mit\nWiderstand gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fallen zu einer\nGesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, weil er sich in stark\nalkoholisiertem Zustand am 27.02.2001 und am 20.06.2001 gegen Anordnungen von\nPolizeibeamten zur Wehr gesetzt hatte. \n--- \n| 2 \n--- \n| II. Die Revision hat mit der ordnungsgemaß ausgefuhrten Verfahrensruge\nErfolg, weil das Landgericht den Beweisantrag des Verteidigers auf Einholung\neines weiteren Sachverstandigengutachtens zu Unrecht abgelehnt hat. Dieser\nhatte seinen Antrag auf Zweifel an der Sachkunde des angehorten\nSachverstandigen Dr. Z. und maßgeblich darauf gestutzt, dass dessen Expertise\nwiderspruchlich und insbesondere deshalb unklar sei, weil nach dessen Wertung\ntrotz der beim Angeklagten vorhandenen Grunderkrankungen - der 40jahrige unter\nBetreuung Stehende leidet an einer bipolaren affektiven Storung (ICD 10: F\n31.1), einer dissozialen Personlichkeitsstorung (ICD 10: F 60.2), einem\nAlkoholabhangigkeits-Syndrom (ICD 10: F 10.24), einer Verhaltensstorung durch\nAlkohol (ICD 10: F 10.71) und einem Nikotinabusus (ICD: F 17.01) - lediglich\nim Zusammenwirken mit Alkohol die Annahme einer „beschrankten Schuldfahigkeit"\ndenkbar sei. \n--- \n| 3 \n--- \n| Diesen Antrag durfte die Strafkammer nicht unter bloßem Hinweis auf das\nErwiesensein des Gegenteils und der vorhandenen Sachkunde des angehorten\nSachverstandigen zuruckweisen, weil dessen Aussage in einem entscheidenden\nPunkt seinen fruheren Angaben im vorbereitenden Gutachten widersprach (§ 244\nAbs. 4 Satz 2, 2 HS. StPO). \n--- \n| 4 \n--- \n| Nach den Ausfuhrungen des Sachverstandigen in der Hauptverhandlung soll die\nbeim Angeklagten vorhandene bipolare affektive Storung eine Verminderung\nseiner Einsichts- und Steuerungsfahigkeit nicht bewirkt haben konnen, da fur\ndas Vorliegen einer akuten manischen Phase „keine Anzeichen zu erkennen"\nseien. Demgegenuber hat er noch in seinem vorbereitenden Gutachten vom\n09.04.2002 unter Berufung auf eine weitere Vorbegutachtung ausgefuhrt, „der\nAngeklagte sei in manischen Phasen in Antrieb und Aktivitat bis hin zu\nErregungsstanden gesteigert und in seinem sozialen Verhalten auffallig. In\ndiesen Phasen trinke er vermehrt Alkohol, weshalb es in den letzten Jahren\nvermehrt Anlass fur die Einsatze der Polizei gegeben habe, er sei in diesen\nPhasen kritikgemindert und ubersehe die Konsequenzen seines Handelns nicht". \n--- \n| 5 \n--- \n| Damit sprach als Indiz fur eine manische Phase (zu den\nBeurteilungskriterien einer fruher als Zyklothymie nach Kurt Schneider\nbenannten bipolaren affektiven Storung vgl. Nedopil, Forensische Psychiatrie,\n2. Aufl. 2000, S. 131ff; 132,135; vgl. auch BGHSt 46, 257 ff.) aber nicht nur\ndie in beiden Fallen vorhandene erhebliche Alkoholisierung von teilweise mehr\nals zwei Promille, sondern die erneut aufgetretene Verhaltensauffalligkeit,\ndie letztendlich in einer fur den Angeklagten bislang personlichkeitsfremden\nGewaltanwendung gegenuber Menschen und jedenfalls bezuglich der unmotivierten\nund nicht nachvollziehbaren Beschadigung eines Lattenzauns bei der Tat am\n20.06.2001 in einem widersinnigen Handlungsgeschehen mundete. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit dieser vollig gegensatzlichen Beurteilung des Sachverstandigen hatte\nsich die Strafkammer bei Ablehnung des Beweisantrages aber auseinandersetzen\nmussen, indem sie etwa diese Divergenz mit dem angehorten Sachverstandigen\naufzuklaren suchte (BGH NStZ 1990, 244; 91, 448; Kleinknecht/Meyer-Goßner,\nStPO, 46. Auflage 2003, § 244 Rn. 76). Zwar bereitet ein schriftliches\nGutachten die Begutachtung nur vor, weshalb das in der Hauptverhandlung\nerstattete Gutachten maßgeblich bleibt (BGHSt 23, 176 ff., 185). Widerspricht\ndas mundliche Gutachten jedoch dem Vorbereitendem in einem entscheidenden\nPunkt, so muss sich das Gericht mit dieser Divergenz auseinandersetzen und\nzumindest in den Urteilsgrunden nachvollziehbar darlegen, warum es die eine\nBewertung fur zutreffend, die andere fur unzutreffend halt (BGH NStZ 1990, 244\nf.; LK-Gollwitzer, 1998, § 244 Rn. 73, 314). Dies ist vorliegend aber nicht\nder Fall, da die bloße Wertung, der Angeklagte habe bei den Vorfallen noch\n„situationsadaquat" reagiert (UA S. 27), nicht durch Tatsachen naher belegt\nist und das Gericht auf die sonstigen noch in der Vorbegutachtung fur eine\nmanische Phase angefuhrten individuellen Auffalligkeiten im Verhalten des\nAngeklagten nicht eingeht. \n--- \n| 7 \n--- \n| Auch ansonsten geben die Ausfuhrungen des Sachverstandigen zu Bedenken\nAnlass. So vermochte dieser auch im Zusammenwirken der bipolaren affektiven\nStorung und der bei den Taten vorhandenen Alkoholisierung - ohne dies naher in\nder Hauptverhandlung zu vertiefen - „keine Grundlage fur die Annahme einer\nSchuldunfahigkeit" zu erkennen (UA S. 10). Diese Ausfuhrungen berucksichtigen\njedoch nicht zureichend, welche Auswirkungen das Zusammenwirken mehrerer\nschwerer psychischer Storungen unter zusatzlicher Einwirkung von Alkohol\ngerade auf das Vorliegen der Steuerungsfahigkeit haben kann (vgl. Nedopil,\na.a.O., Seite 135; vgl. hierzu auch BGH StV 1994, 13 f. m.w.N.). So hat der\nSachverstandige noch in seiner Vorbegutachtung selbst ausgefuhrt, dass die\nbeim Angeklagten „vorhandene bruchige Steuerungsfahigkeit durch Alkohol\nerheblich labilisiert werde". Zwar teilt der Senat nicht die weitergehende\nAnsicht der Revision, dass allein die vorhandenen schweren\nPersonlichkeitsstorungen zu einer strafrechtlich relevanten Reduzierung oder\neinem Ausschluss der Steuerungsfahigkeit i.S.d. §§ 20,21 StGB fuhren mussen\n(vgl. auch BGH StV 1997, 630; NStZ-RR 1998, 188 ff.), da das Gesetz selbst\neine Einschrankung nur bei Eintritt einer erheblichen Minderung vorsieht\n(Trondle/Fischer, StGB, 51. Auflage 2003, § 21 Rn. 6). Hat der Sachverstandige\njedoch eine Personlichkeitsstorung - wie hier - nach international geltenden\nStandards als „schwer" eingestuft, so kann diese durchaus erheblichen\nAuswirkungen auf die Schuldfahigkeit haben (BGH StV 1997, 630) . \n--- \n| 8 \n--- \n| Nach Ansicht des Senates liegt es deshalb nahe, dass diese Grenze in einem\nsolchen Fall bereits bei Hinzutreten auch kleinerer externer Einflusse\nuberschritten werden kann. Vorliegend wies der Angeklagte bei der Tat am\n20.06.2001 aber eine Blutalkoholkonzentration von 2,03 Promille auf, ein Wert,\nder bereits fur sich gesehen zu einer Einschrankung der Schuldfahigkeit fuhren\nkann (Trondle/Fischer, a.a.O., § 20 Rn. 21). Auch bei der Tat am 27.02.2001\nwar er „stark" alkoholisiert, ohne dass jedoch die Entnahme einer Blutprobe\nseitens der Polizei veranlasst worden ware. \n--- \n| 9 \n--- \n| Hinzu kommt, dass - wie bereits dargelegt - auch die Tatablaufe auf das\nVorliegen einer zusatzlich akuten Storung aufgrund einer manischen Phase\nhindeuten. So wurde bei der Tat am 20.06.2001 die Polizei verstandigt, weil\nder Angeklagte ohne nachvollziehbare Motivation in X. einen Zaun beschadigte,\nindem er Latten herausriss. Auch ist zu sehen, dass der Angeklagte damals\nnicht wegen Gewaltdelikten z.N. von Personen auffallig geworden war, was trotz\nvorhandenem Alkoholmissbrauch fur einen „Ausnahmecharakter" der Tat spricht\nund darauf hindeutet, dass seine Steuerungsfahigkeit doch vollstandig\nausgeschlossen gewesen sein konnte bzw. ein solcher Zustand jedenfalls nicht\nausgeschlossen werden kann. \n--- \n| 10 \n--- \n| Schließlich lassen auch die Ausfuhrungen des Sachverstandigen zum fehlenden\nalkoholbedingten Schuldausschluss besorgen, dass dieser von einem falschen\nBewertungsmaßstab ausgegangen ist. So ist der Umstand, dass der Angeklagte\nsich an die Tathandlungen noch erinnern konnte, fur die hier maßgebliche Frage\neines etwaigen vollstandigen Ausschlusses seiner Steuerungsfahigkeit nur\nbeschrankt aussagekraftig, denn der Umstand, dass ein Tater sich an ein\nGeschehen noch teilweise erinnern kann, besagt nicht zwingend, dass er seine\ndamaligen Handlungen noch zureichend beherrschen konnte (BGH DAR 2000,193; StV\n1994, 13 f.;1996, 204; 1997, 349; BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 14). Auch\nist fur den Senat nicht nachvollziehbar und wird auch nicht durch eine nahere\nSchilderung des Krankheitsbildes erlautert, warum beim Angeklagten ein\nAusschluss seiner Steuerungsfahigkeit nur beim Ausbruch von „Zuckungen oder\nsonstigen Automatismen" in Betracht kommen sollte (UA S.9). \n--- \n| 11 \n--- \n| Bei dieser Sachlage hatte die Strafkammer aber unter Berucksichtigung ihrer\nAufklarungspflicht einen weiteren Sachverstandigen beiziehen mussen. Auf\ndiesem Fehler kann das Urteil auch beruhen, da der Senat nicht ausschließen\nkann, dass die Strafkammer in diesem Fall das Vorliegen der Voraussetzungen\ndes § 20 StGB zumindest unter Anwendung des Grundsatzes im Zweifel fur den\nAngeklagten angenommen hatte. \n--- \n| 12 \n--- \n| III. Das Urteil war daher insgesamt aufzuheben und zur neuen Verhandlung\nund Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts V., die auch uber\ndie Kosten der Revision zu befinden haben wird, zuruckzuverweisen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Fur die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass - sollte die\nStrafkammer erneut eine - wenn auch eingeschrankte - Schuldfahigkeit des\nAngeklagten annehmen - eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur verhangt\nwerden darf, wenn besondere Umstande, die in der Tat oder der Personlichkeit\ndes Taters liegen, die Verhangung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den\nTater oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlasslich macht (§ 47 Abs.1\nStGB). \n--- \n| 14 \n--- \n| Dabei wird zu bedenken sein, dass der Angeklagte zuvor nicht wegen\nGewaltdelikten zum Nachteil von Menschen auffallig geworden war (Meyer-Goßner,\nStPO, 46. Aufl. 2003, § 47 Rn. 11), sondern zumeist Straßenverkehrsdelikte\nbegangen hatte. Zwar wurde er am 24.07.2000 durch das Amtsgericht X.\nrechtskraftig wegen Sachbeschadigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat\nverurteilt, weil er in alkoholisiertem Zustand eine Zugangstur zu einem\nGeldautomaten beschadigt hatte. Dieser Gewaltausbruch muss dem vorliegenden\nTatgeschehen seinen Ausnahmecharakter aber nicht nehmen, denn die Verletzung\neines Menschen weist eine andere Qualitat auf. \n--- \n| 15 \n--- \n| Hinzu kommt, dass die bei der Tat am 20.06.2001 erfolgte Korperverletzung -\nPrellung eines Daumens - am eher unteren Bereich der Strafbarkeitsgrenze liegt\nund bei der Tat am 27.02.2001 - „Umsichschlagen bei der Festnahme" erhebliche\nZweifel bestehen, ob - wozu sich das Urteil nicht verhalt - der Angeklagte den\nPolizeibeamten uberhaupt verletzen wollte und in Anbetracht seiner\nAlkoholisierung und seine psychischen Storungen eine solche Folge wirklich\nbilligend in Kauf genommen hat. Die zu beiden Taten einvernommenen\nPolizeibeamten haben das Verhalten des Angeklagten dementsprechend auch nicht\nals ernsthaften Eingriff in ihre Dienstausubung verstanden, sondern „eher ihr\nMitleid" mit diesem ausgedruckt. \n--- \n| 16 \n--- \n| Bei solchen auch nach Einschatzung der Geschadigten nur geringfugigen\nEingriffen in Rechtsguter erscheint die Verhangung einer vom Gesetz nur fur\nAusnahmefalle vorgesehenen Sanktion aber nicht zwingend geboten. Bei beiden\nTaten handelt es sich letztendlich nur um Bagatelldelikte, die ihre\neigentliche Ursache in der Krankheit des Angeklagten haben durften. Insoweit\nbestehen Zweifel, ob die Verhangung einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei\nMonaten, bestehend aus Einsatzstrafen von zwei bzw. eineinhalb Monaten,\nhierfur einen gerechten Schuldausgleich darstellt und eine solche Sanktion\nnicht gegen den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit verstoßt (OLG Karlsruhe NJW\n2003, 1825 f. m.w.N.: geringfugiger Besitz von Betaubungsmitteln zum\nEigenverbrauch; OLG Braunschweig NStZ-RR 2002, 60 f: Diebstahl einer Ware mit\nnur geringfugigem Wert; vgl. allg. BVerfG 50, 205 ff., 215), zumal dem\nAngeklagten bei Verhangung einer Freiheitsstrafe der Widerruf der bislang zur\nBewahrung ausgesetzten Strafe droht (vgl. etwa OLG Hamm StV 1998, 600). Das\nTatunrecht wiegt hier gerade wegen der Krankheit des Angeklagten so gering,\ndass die Verhangung einer Freiheitsstrafe eine unangemessen harte und damit\ngegen das Übermaßverbot verstoßende Sanktion darstellen wurde, auch wenn der\nAngeklagte vorbestraft ist und unter Bewahrung steht. Hinzu kommen die\nBesonderheiten in der Personlichkeit des Angeklagten, dessen\nGesundheitszustand eher der Behandlung als des Vollzugs einer Freiheitsstrafe\nbedarf. \n---\n\n
137,059
olgstut-2007-04-17-1-u-15406
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
1 U 154/06
2007-04-17
2019-01-07 12:05:27
2019-02-12 12:39:14
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des\nLandgerichts Ellwangen vom 13.10.2006 - 5 O 490/05 - (Bl. 78 ff.d.A.)\n\n**_abge andert:_**\n\nDer Beklagte wird verurteilt, an den Klager 338,82 EUR zu zahlen. Im Übrigen\nwird die Klage abgewiesen.\n\n2\\. Die weitergehende Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des\nKlagers werden\n\n**_zur uckgewiesen._**\n\n3\\. Der Klager tragt die Kosten beider Rechtszuge.\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nStreitwert im 2. Rechtszug: 6.255,31 EUR\n\n## Gründe\n\n| | ** _A._** \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager, ein niedergelassener Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg mit\neigener Praxis, nimmt den Beklagten, seinen ehemaligen Patienten, auf Zahlung\nvon Honorar, hilfsweise Schadensersatz, fur eine ausgefallene zahnarztliche\nBehandlung in Anspruch. Die fur den 5.7.2005, 13.00 Uhr vorgesehene Behandlung\nhat der Beklagte 4 Stunden vorher wegen einer angeblichen Verhinderung durch\neinen Gerichtstermin abgesagt. Der Klager ist der Ansicht, ihm stehe\ngleichwohl gemaß § 615 BGB der vertragliche Honoraranspruch in Hohe von\n5.916,49 EUR zu. Zumindest aber schulde der Beklagte Schadensersatz, weil der\nKlager wegen der Kurzfristigkeit der Absage die freigewordene Zeit nicht habe\nanderweit gewinnbringend nutzen konnen. Er habe dem Beklagten - wie jedem\nseiner Patienten - im Rahmen der Erstvorstellung am 21./22.12.2004 einen\nAnamnesebogen vorgelegt, der neben verschiedenen Fragen zu Vorerkrankungen den\nfolgenden vorgedruckten Hinweis enthalt: \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| _Wir bitten darum, Termin anderungen bzw. Terminabsagen uns mindestens 24\nStunden, bei Vollnarkoseeingriffen 3 Tage vorher mitzuteilen. Andernfalls sind\nwir berechtigt, Ihnen eine Ausfallzeitgebuhr zu berechnen._ \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Landgericht hat dem Klager Schadensersatz in Hohe von 2.512.-EUR sowie\nvorgerichtliche Anwaltskosten in Hohe von 338,82 EUR zugesprochen und die\nKlage im Übrigen abgewiesen. Dem Klager stehe zwar kein Anspruch nach § 615\nBGB zu, doch habe der Beklagte durch die kurzfristige Absage vertragliche\nNebenpflichten verletzt. Er sei daher zum Schadensersatz verpflichtet. Ein\nPatient sei gehalten, einen fur ihn reservierten Behandlungstermin, den er\nnicht wahrnehmen konne, nach Moglichkeit fruhzeitig abzusagen, um dem Arzt\nGelegenheit zu geben, seine Zeit anderweit zu nutzen und Gewinn zu\nerwirtschaften. Es sei bewiesen, dass der Klager fur den Beklagten einen\nZeitraum von 2 Stunden reserviert habe und wegen der kurzfristigen Absage\nkeinen anderen Patienten habe behandeln konnen, was bei einer langerfristigen\nAbsage moglich gewesen ware. Der Schaden sei zu berechnen nach dem der nutzlos\nverstrichenen Zeit entsprechenden durchschnittlichen Umsatz der Praxis, der -\neinschließlich der Allgemeinunkosten - den entgangenen Gewinn gemaß § 252 BGB\ndarstelle. Aus den Bekundungen des Steuerberaters des Klagers ergebe sich,\ndass der Klager pro Stunde im Jahresdurchschnitt 1.256.-EUR erwirtschafte, so\ndass der Schaden insgesamt 2.512.-EUR betrage. Der Anspruch sei auch nicht\nnach § 254 BGB zu kurzen, weil es keine Anhaltspunkte dafur gebe, dass der\nKlager die Zeit hatte anderweit gewinnbringend nutzen konnen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Dagegen wenden sich beide Parteien mit Berufung (Beklagter) und\nAnschlussberufung (Klager). Der Klager verfolgt sein Zahlungsbegehren\nvollumfanglich weiter. Der Beklagte erstrebt die Abweisung der Klage\ninsgesamt. \n--- \n--- \n**_B._** \n--- \n| 5 \n--- \n| Berufung und Anschlussberufung sind zulassig. Wahrend die Berufung des\nBeklagten ganz uberwiegend begrundet ist, bleibt der Anschlussberufung der\nErfolg versagt. Dem Klager steht weder nach § 615 BGB ein vertraglicher\nHonoraranspruch zu, noch kann er nach den §§ 280, 281, 252 BGB Schadensersatz\nverlangen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| 1\\. Zu Recht hat das Landgericht einen auf Zahlung des Behandlungshonorars\ngerichteten Anspruch des Klagers gemaß § 615 BGB i.V. mit den Bestimmungen\nGebuhrenordnung fur Zahnarzte (GOZ) als nicht gegeben erachtet. Ein derartiger\nAnspruch besteht im vorliegenden Fall - unabhangig von grundsatzlichen\nBedenken gegen die Anwendbarkeit des § 615 BGB - jedenfalls deshalb nicht,\nweil sich der Beklagte nicht im Annahmeverzug befunden hat. Durch die\neinvernehmliche Terminsverlegung auf 5.9.2005 wurde der zunachst vereinbarte\nBehandlungstermin, um den es im Rechtsstreit geht, aufgehoben. Daher befand\nsich der Beklagte bereits nicht im Annahmeverzug. Auf die Grunde der\nTerminsanderung kommt es insoweit nicht entscheidend an. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| a) Ob und unter welchen Voraussetzungen einem Arzt oder Zahnarzt fur den\nFall der Absage eines fest vereinbarten Behandlungstermins seitens den\nPatienten Anspruche auf das Behandlungshonorar nach § 615 BGB i.V. mit den\nBestimmungen der jeweiligen Gebuhrenordnung (GOÄ bzw. GOZ) zustehen konnen,\nohne dass der Arzt die Behandlung nachzuholen hat, ist in Rechtsprechung und\nLiteratur umstritten. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Ein Teil der veroffentlichten Rechtsprechung halt - mit teils divergierenden\nBegrundungen und in unterschiedlichen Fallkonstellationen - § 615 BGB\ngrundsatzlich fur nicht anwendbar (LG Munchen II, NJW 1984, 671; LG Heilbronn,\nNZS 1993, 424; LG Hannover, NJW 2000, 1799; AG Munchen, NJW 1990, 2939; AG\nCalw, NJW 1994, 3015; AG Rastatt, NJW-RR 1996, 817; AG Dieburg, NJW-RR 1998,\n1520). So wird insbesondere die Auffassung vertreten, die Vereinbarung eines\nBehandlungstermins diene - jedenfalls im Zweifel - nur der Sicherung eines\nzeitlich geordneten Behandlungsablaufs, beinhalte aber grundsatzlich keine\nkalendermaßige Bestimmung der Leistungszeit i.S. des § 296 BGB (so LG Munchen\nII, aaO), so dass es im Allgemeinen am Annahmeverzug fehle. Zudem liege im\nHinblick auf das (freie) Kundigungsrecht des Patienten nach § 621 Nr. 5 BGB\noder § 627 BGB das Risiko, die erwartete Vergutung nicht zu verdienen, beim\nArzt (LG Munchen II und AG Calw, jeweils aaO, auch zur Frage eines\nSchadensersatzanspruchs). \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Andere Gerichte haben dagegen Vergutungsanspruche - wiederum in\nunterschiedlichen Sachverhaltskonstellationen und mit unterschiedlicher\nBegrundung - bejaht (LG Konstanz, NJW 1994, 3015; AG Osnabruck, NJW 1987, 2935\nfur Krankengymnasten; AG Bremen, NJW-RR 1996, 819; AG Ludwigsburg, NJW-RR\n1993, 1695; AG Meldorf, NJW-RR 2003, 1029 fur den Fall des Nichterscheinens\nohne vorherige Terminsabsage; implizit auch AG Fulda, Arzt und Recht 2003,\n167). \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Auch in der Literatur sind die Meinungen geteilt (fur die Anwendung des §\n615 BGB: Wertenbruch, MedR 1991, 167; Uhlenbruck/Kern in Laufs/Uhlenbruck,\nHandbuch des Arztrechts, 3. Auflage, RN 14 zu § 78 und RN 21 zu § 82 m.w.N;\nwohl auch Henssler in Munchner Kommentar zum BGB, 4. Auflage, RN 9 zu § 615\nBGB; Palandt-Weidenkaff, BGB, 66. Auflage, RN 2 zu § 615 BGB; gegen eine sog.\nVerweilgebuhr dagegen Hesse in Munchner Kommentar zu BGB, 4. Auflage, RN 28 zu\n§ 621 BGB). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| b) Die grundsatzliche Streitfrage, inwieweit Vergutungsanspruche nach § 615\nBGB bei Absage eines Behandlungstermins oder bei unentschuldigtem Fernbleiben\ndes Patienten in Betracht kommen konnen, braucht im vorliegenden Fall nicht\nabschließend entschieden zu werden. Zweifel erscheinen im Hinblick auf das\nfreie Kundigungsrecht des Patienten (§§ 621 Nr.5, 627 BGB) und im Hinblick auf\nden Zweck einer Terminsvereinbarung angebracht, zumal auch Ärzte und Zahnarzte\nihren Patienten nicht selten erhebliche Wartezeiten ohne Ausgleich fur\nentgangenen Verdienst abverlangen. Ebenso ware zu erwagen, dass die nach\nfruherem Recht (GOÄ 1965) vorgesehene Verweilgebuhr in die Neufassung der GOÄ\nvon 1982/1999 keinen Eingang gefunden hat. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Im vorliegenden Fall steht einem Anspruch nach § 615 BGB aber bereits der\nUmstand entgegen, dass die Parteien den fur den 5.7.2005, 13.00 Uhr\nvereinbarten Termin im Einvernehmen auf einen spateren Zeitpunkt (5.9.2005)\nverlegt haben. Durch diese Terminsanderung war fur die Mitwirkungshandlung des\nBeklagten i.S. des § 296 BGB nicht mehr der 5.7.2005, sondern der 5.9.2005\nmaßgeblich. Daher konnte am 5.7.2005 kein Annahmeverzug mehr eintreten. Dass\nder Klager zu dieser Terminsanderung nur bereit gewesen sein mag, weil sich\nder Beklagte durch ein Beharren auf dem Termin - moglicherweise - nicht hatte\numstimmen lassen, ist fur die rechtliche Beurteilung im Rahmen des § 615 BGB\nohne entscheidende Bedeutung. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Stehen somit dem Klager keine vertraglichen Honoraranspruche zu, so kann\ndahinstehen, inwieweit er uberhaupt in der Lage gewesen ware, am 5.7.2005\ninnerhalb der reservierten Zeit samtliche im Heil- und Kostenplan\nvorgesehenen, insbesondere neben der Augmentationsbehandlung auch die\nimplantologischen Leistungen im engeren Sinn, zu erbringen. Der Beklagte hat\ndies bereits im ersten Rechtszug bestritten. Der Klager hat keinen geeigneten\nBeweis fur seine Behauptung angeboten. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| 2\\. Dem Klager stehen auch keine Schadensersatzanspruche zu. Zwar hat der\nBeklagte durch die kurzfristige Terminsabsage eine vertragliche Nebenpflicht\nverletzt. Der Klager hat aber einen dadurch verursachten Schaden nicht\nschlussig dargetan. Die Voraussetzungen des § 252 BGB sind auf der Grundlage\nseines Vortrags nicht erfullt. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| a) Zutreffend hat das Landgericht allerdings angenommen, dass der Beklagte\ndadurch, dass er den Klager lediglich 4 Stunden vor der geplanten Behandlung\nuber seine Verhinderung informiert hat, gegen vertragliche Nebenpflichten\nverstoßen hat. Es lag auf der Hand, dass der Klager, der immerhin 2 Stunden\nfur die umfangreiche Behandlung reserviert hatte, aus Grunden der zeitlichen\nPlanung ein erhebliches und berechtigtes Interesse daran hatte, moglichst\nfruhzeitig uber Verhinderungen informiert zu werden. Der Klager hatte den\nBeklagten auch im Anamneseformular ausdrucklich gebeten, Termine nicht\ninnerhalb der letzten 24 Stunden abzusagen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Da eine rechtzeitige Absage unschwer moglich war, hatte der Beklagte nach\nTreu und Glauben - der Bitte des Klagers entsprechend - die Pflicht, dem\nKlager die Verhinderung spatestens 24 Stunden vorher mitzuteilen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Gegen diese Pflicht hat der Beklagte schuldhaft verstoßen. Das Landgericht\nhat uberzeugend festgestellt, dass der Beklagte entgegen seiner Behauptung\nnicht bereits eine Woche vorher in der Praxis angerufen hat, um eine Absage\nanzukundigen. Dies wird mit der Berufung nicht angegriffen, so dass keine\nZweifel an der Richtigkeit der Feststellungen bestehen (§ 529 ZPO). Anderweite\nEntschuldigungsgrunde sind nicht geltend gemacht und nicht ersichtlich, so\ndass die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemaß §§ 280, 281 BGB\ndem Grunde nach erfullt sind. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| b) Der Klager hat aber einen durch die Pflichtverletzung des Beklagten\nverursachten Vermogensschaden (§§ 249 ff. BGB) nicht schlussig dargetan. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| aa) Das Landgericht hat einen entgangenen Gewinn (§ 252 BGB) mit der\nErwagung bejaht, es ware dem Klager im Falle einer langerfristigen Absage\nmoglich gewesen, in der frei gewordenen Zeit einen anderen Patienten zu\nbehandeln, was die Zeugin H. zur Überzeugung der Kammer ausgesagt habe. Der\nSchaden errechne sich daher nach dem der „nutzlosen" Zeit entsprechenden\ndurchschnittlichen Umsatz der Praxis des Klagers. Der durchschnittliche Umsatz\nbetrage pro Stunde - wie der Steuerberater D. als Zeuge glaubhaft bekundet\nhabe - 1.256,00 EUR. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| bb) Diese Erwagungen rechtfertigen einen Schadensersatzanspruch nach § 252\nBGB, auch unter Berucksichtigung der Beweiserleichterungen nach § 287 ZPO,\nnicht. Das Landgericht hat nicht hinreichend berucksichtigt, dass dem Klager\ndurch die Pflichtverletzung des Beklagten ein Schaden nur insoweit entstanden\nsein kann, als er bei rechtzeitiger Terminsabsage einen „Ersatzpatienten"\nhatte behandeln konnen und behandelt hatte, den er tatsachlich nicht behandeln\nkonnte und nicht behandelt hat. Dies muss im Rahmen des § 252 Satz 2 BGB\nzumindest als wahrscheinlich anzunehmen sein. Nach dem Sachvortrag der\nParteien ist dies nicht der Fall. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| (1) Gemaß § 252 BGB kann der Klager denjenigen entgangenen Gewinn als\nSchaden ersetzt verlangen, welcher nach dem gewohnlichen Verlauf der Dinge\noder nach den besonderen Umstanden, insbesondere den getroffenen Anstalten und\nVorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Damit genugt zwar\nauch hinsichtlich der Schadensverursachung ein geringerer Grad an Sicherheit\nals er im Allgemeinen im Schadensrecht erforderlich ist. Es darf aber dennoch\nder allgemeine schadensersatzrechtliche Grundsatz nicht außer Betracht\nbleiben, wonach sich jeder Schaden i.S. der §§ 249 ff. BGB aus einem Vergleich\nder tatsachlichen Vermogenslage mit derjenigen Vermogenslage errechnet, die\nbestunde, wenn das zum Ersatz verpflichtende schadigende Ereignis nicht\neingetreten ware (sog. Differenzhypothese). Auch im Rahmen der §§ 252 BGB, 287\nZPO ist daher der maßgebliche Bezugspunkt der Schadensfeststellung stets die\nFrage, wie der (hypothetische) Verlauf - wahrscheinlich - gewesen ware, wenn\nsich der Schadiger pflichtgemaß verhalten hatte. Dies ist nicht erst eine\nFrage des rechtmaßigen Alternativverhaltens, sondern im Rahmen der Kausalitat\nzu berucksichtigen. Insoweit ist zugleich einer abstrakten Schadensberechnung\ndie Grenze gesetzt, so dass es im vorliegenden Fall auf die durchschnittlichen\nStundenumsatze der Praxis des Klagers erst ankommen kann, wenn mit der\nerforderlichen Wahrscheinlichkeit feststeht, dass in der fraglichen Zeit\nandere Patienten hatten behandelt werden konnen, wenn der Beklagte rechtzeitig\n- jedenfalls 24 Stunden vorher - den Termin abgesagt hatte. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| (2) Dies ist nicht der Fall. Das Landgericht hat keine tragfahigen\nFeststellungen dazu getroffen, wie sich der Klager bei einer Absage bereits am\nVortag verhalten hatte, insbesondere, ob er tatsachlich die Moglichkeit gehabt\nhatte, an Stelle des Klagers andere Patienten zu behandeln, die er wegen der\nverspateten Absage nicht behandeln konnte. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| (a) Der Klager, dem insoweit die Darlegungs- und Beweislast obliegt, hat in\nder Klage zum hypothetischen Geschehensablauf nichts vorgetragen, sondern\ndarauf verwiesen, er arbeite mit langeren Terminsvorlaufen und bestelle auch\nnicht mehrere Patienten gleichzeitig ein. Im Schriftsatz vom 14.12.2005 (Bl.\n31 d.A.) hat er lediglich pauschal behauptet, es sei in Anbetracht der\nkurzfristigen Absage des Beklagten nicht mehr moglich gewesen, andere\nPatienten einzubestellen. Er hat aber nicht behauptet, dass sich andere\nPatienten bei ihm mit der Bitte um einen kurzfristigen Termin gemeldet hatten,\ndie er wegen der anstehenden Behandlung des Beklagten abweisen musste oder\ndass eine kurzfristige Vergabe von Terminen (innerhalb von 24 Stunden) bei\nWegfall einer geplanten Behandlung dem gewohnlichen Verlauf der Dinge\nentspricht. Die Zeugin H. hat nur allgemein erklart, der Klager habe „durch\ndie Terminsabsage" als Behandler in dieser Zeit keinen anderen Patienten\nbehandelt (Bl. 63 d.A.), wobei sie sich - ohne eigene Erinnerung - auf das\nTerminsbuch gestutzt hat. Dass im zeitlichen Zusammenhang die Behandlung eines\nanderen Patienten uberhaupt nicht ubernommen werden konnte, hat die Zeugin\nnicht ausgefuhrt. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| (b) Daher hat der Klager nicht schlussig dargetan, dass ihm durch die\nverspatete Absage des Beklagten uberhaupt ein Verdienstausfall entstanden ist.\nDies ware nur der Fall, wenn er bei einer Absage bis zu 24 Stunden vor der\nBehandlung, wie er sie von seinen Patienten verlangt, die Moglichkeit gehabt\nhatte, einen bestimmten anderen Patienten in der frei gewordenen Zeit zu\nbehandeln, den er tatsachlich nicht, auch nicht spater, behandeln konnte oder\nwenn er behauptet und konkret belegt hatte, dass dies dem gewohnlichen Verlauf\nder Dinge entspricht. Beides ist nicht der Fall. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die allgemeine Behauptung, durch die Absage sei er an der Behandlung anderer\nPatienten gehindert gewesen, fuhrt nicht weiter, weil dies allein nicht\nbedeutet, dass dem Klager zahnarztliches Honorar eines anderen Patienten\ndeshalb in seiner Praxis entgangen ist. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Es ist auch im Übrigen nach den Gesamtumstanden nicht davon auszugehen, dass\nein Ablauf wie der oben geschilderte mit Wahrscheinlichkeit dem gewohnlichen\nVerlauf der Dinge i.S. des § 252 BGB entspricht. So hat der Klager selbst\nmehrfach darauf hingewiesen, dass er seine Praxis als reine Bestellpraxis in\nder Weise organisiert habe, dass er Termine großraumig vergebe und daher auf\nkurzfristige Absagen in der Regel nicht reagieren konne. Dann aber entspricht\nes gerade nicht dem gewohnlichen Verlauf, dass bei Wegfall von Behandlungen\nandere Patienten kurzfristig „eingeschoben" werden konnen, die andernfalls\nabgewiesen werden mussten. Soweit - was aber nicht vorgetragen ist - in\nmedizinischen Notfallen Ausnahmen in Betracht stehen mogen, ist dies im Rahmen\ndes § 252 BGB nicht zu berucksichtigen, weil es keine Anhaltspunkte dafur\ngibt, dass ein Notfallpatient tatsachlich angefragt hatte und (endgultig)\nabgewiesen werden musste. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Im Übrigen ware bei kurzfristiger Hereinnahme eines Patienten ohnehin\nfraglich, ob der Klager dadurch tatsachlich einen durchschnittlichen\nStundenverdienst hatte erwirtschaften konnen, in dessen Berechnung gerade die\nbesonders aufwandigen, kostspieligen und langfristig geplanten\nimplantologischen Maßnahmen mit einfließen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| c) Dem Klager steht daher der geltend gemachte Anspruch auch als\nSchadensersatz nicht zu, so dass das Urteil insoweit abzuandern und die Klage\nabzuweisen ist. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| 3\\. Zu Recht und mit zutreffender Begrundung, auf die der Senat Bezug nimmt,\nhat das Landgericht dem Klager vorgerichtliche Anwaltskosten in Hohe von\n338,82 EUR zugesprochen. Der Beklagte hatte trotz mehrfacher\nZahlungsaufforderung die fallige Honorarrechnung vom 19.5.2005 (K 4) nicht\nbeglichen, so dass er sich insoweit im Zahlungsverzug befand (§ 286 BGB) und\nnach § 280 Abs.2 BGB den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen hat. Dem\nKlager sind durch die Beauftragung seiner Anwalte Kosten in Hohe von 338,82\nEUR entstanden, die auf die Prozesskosten nicht anzurechnen sind und die der\nBeklagte zu erstatten hat. \n--- \n--- \n**_C._** \n--- \n| 30 \n--- \n| Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Berufung bis auf einen Betrag von 338,82\nEUR Erfolg hat, wahrend die Anschlussberufung des Klagers insgesamt ohne\nErfolg bleibt. Daher hat der Klager die Kosten beider Rechtszuge zu tragen (§\n92 Abs.2 Nr. 1, 97 Abs.1 ZPO). Die Entscheidung zur vorlaufigen\nVollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Ziff.10, 713 ZPO. Die Revision wird\nnicht zugelassen. Auf die hochstrichterlich nicht entschiedene Frage der\ngenerellen Anwendbarkeit des § 615 BGB bei der Absage von Behandlungsterminen\ndurch Patienten kommt es im vorliegenden Fall nicht entscheidend an. Daher ist\ndie Sache ohne grundsatzliche Bedeutung (§ 543 Abs.2 Nr. 1 ZPO) und auch nicht\nzur Fortbildung des Rechts geeignet (§ 543 Abs.2 Nr. 2 ZPO). \n---\n\n
138,459
vghbw-2007-05-03-5-s-81007
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
5 S 810/07
2007-05-03
2019-01-07 14:01:56
2019-01-17 11:58:39
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts\nKarlsruhe vom 27. Marz 2007 - 8 K 1067/07 - wird zuruckgewiesen.\n\nDie Antragstellerin tragt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \nI. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Antragstellerin, eine Gemeinde, hat dem Antragsgegner gestutzt auf §§ 1,\n3 PolG i.V.m. § 16 Abs. 8 StrG unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und\nAndrohung eines Zwangsgelds in Hohe von 750,-- EUR mit Verfugung vom\n22.12.2006 aufgegeben, die von ihm vorgenommene Auffullung eines Fußwegs in\nHanglage zu entfernen und den ursprunglichen Zustand spatestens bis zum\n08.01.2007 wiederherzustellen. In der Begrundung der Anordnung der sofortigen\nVollziehung hat sie ausgefuhrt, dass das unerlaubte und unsachgemaße Auffullen\ndes Wegs insbesondere die Sicherheit der unterhalb liegenden Grundstucke\nbeeintrachtige; es musse vor Wintereinbruch Abhilfe geschaffen werden, weil\nbei Regen- und Schneefallen die Gefahr zunehme, dass Erde abrutsche und\nGesteinsbrocken herabsturzten. Außerdem konnten durch eine Duldung des\nrechtswidrigen Verhaltens des Antragsgegners Dritte zur Nachahmung veranlasst\nwerden. Nach einem Ortstermin am 10.01.2007 hat die Antragstellerin mit\nVerfugung vom 09.01.2007 ein Zwangsgeld in Hohe von 750,-- EUR festgesetzt und\ndie Ersatzvornahme angedroht; die Kosten der Ersatzvornahme hat sie mit\ngeschatzt 4.000,-- EUR angegeben. Der Antragsgegner hat gegen diese\nVerfugungen Widerspruch erhoben und vorlaufigen Rechtsschutz beantragt; uber\ndiese Rechtsbehelfe ist noch nicht entschieden. Im Widerspruchsverfahren hat\nder Antragsgegner angeregt, ein Sachverstandigengutachten zu der Frage\neinzuholen, ob der Weg in seinem jetzigen Zustand verbleiben konne. Daraufhin\nhat der Antragsteller am 07.03.2007 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe\nbeantragt, die schriftliche Begutachtung eines Sachverstandigen zum Beweis der\nTatsachen anzuordnen, dass die Auffullung und Anschuttung des Wegs aus Erde,\nGeroll, Holzlatten, Maschendrahtzaun und Zaunpfosten besteht, dass sie nicht\nnach anerkannten Regeln der Technik und bestehenden Sicherheitsvorschriften\nausgebracht worden ist, dass die vorgenommenen Sicherheitsmaßnahmen mit\nHolzlatten, Maschendrahtzaun und Zaunpfosten unzureichend sind, dass das\nangeschuttete und aufgefullte Material jederzeit abzurutschen droht und dass\nTeile davon bereits abgerutscht sind. Ferner soll der Sachverstandige Art,\nAusmaß und Ursache der gerugten Mangel feststellen, die Maßnahmen zu ihrer\nBeseitigung bezeichnen und die hierfur erforderlichen Kosten angeben. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt, weil die Besonderheiten des\nVerwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts einer entsprechenden\nAnwendung der einschlagigen Vorschriften der Zivilprozessordnung\nentgegenstunden; die Antragstellerin habe kein rechtlich schutzwurdiges\nInteresse an der Begutachtung durch einen Sachverstandigen in einem\nselbstandigen Beweisverfahren. Im Verwaltungsverfahren und im\nWiderspruchsverfahren obliege es ihr selbst, die bezeichneten Tatsachen\nfestzustellen. Im Verwaltungsverfahren getroffene Feststellungen seien im\nVerwaltungsprozess voll verwertbar. Wenn in solchen Fallen auf Antrag der\nBehorde ein selbstandiges Beweisverfahren zulassig ware, wurden die Kosten der\nSachverhaltsermittlung auf den Burger abgewalzt. Das sei im Regelfall\nunzulassig. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Antragstellerin fuhrt zur Begrundung ihrer Beschwerde aus, es gehe ihr\nallein darum, dass die im Wege der Amtsermittlung bereits vollstandig\nfestgestellten Tatsachen „gerichtsfest dokumentiert" wurden. Schließlich stehe\ndie selbstandige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht\ngleich; diese Wirkung gelte nicht fur Tatsachen, die nur im Rahmen der\nAmtsermittlung von der Behorde selbst erhoben worden seien. \n--- \n--- \nII. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die gemaß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulassige\nBeschwerde ist nicht begrundet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht es\nabgelehnt, auf den Antrag der Antragstellerin ein selbstandiges\nBeweisverfahren anzuordnen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Gemaß § 98 VwGO sind, soweit die Verwaltungsgerichtsordnung nicht\nabweichende Vorschriften enthalt, auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und\n450 bis 494 ZPO entsprechend anzuwenden. Hieraus folgt, dass auch in\nVerfahren, fur die der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO) eroffnet ist, die\nVorschriften uber das selbstandige Beweisverfahren gemaß §§ 485 ff. ZPO\ngrundsatzlich entsprechend gelten; denn abweichende Vorschriften enthalt die\nVerwaltungsgerichtsordnung insoweit nicht (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v.\n06.02.2004 - 8 S 2185/03 - VBlBW 2004, 228 m.w.N.; Beschl. v. 03.07.1995 - 8 S\n1407/95 - NVwZ-RR 1996, 125). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Gemaß § 485 Abs. 1 ZPO kann auf Antrag einer Partei u.a. die (schriftliche\noder mundliche) Begutachtung durch einen Sachverstandigen angeordnet werden,\nwenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel\nverlorengeht oder seine Benutzung erschwert ist. Wird die Anordnung einer\nschriftlichen Begutachtung durch einen Sachverstandigen beantragt, ist dies\ngemaß § 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO auch zulassig in Fallen, in denen zwar kein\nBeweisverlust im Sinne von § 485 Abs. 1 ZPO droht, der Antragsteller aber\ndennoch ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Zustand einer Person\noder der Zustand oder Wert einer Sache, die Ursache eines Personenschadens,\nSachschadens oder Sachmangels oder der Aufwand fur die Beseitigung eines\nPersonenschadens, Sachschadens oder Sachmangels festgestellt wird (vgl.\nLeipold, in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., vor § 485 Rdnr. 1 ff., § 485 Rdnr. 9\nff., 13 ff.). Gemaß § 481 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist ein solches rechtliches\nInteresse anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits\ndienen kann. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Senat kann offenlassen, ob eine entsprechende Anwendung von § 485 Abs. 1\nund 2 Satz 1 ZPO gemaß § 98 VwGO und damit das selbstandige Beweisverfahren\ngrundsatzlich ausgeschlossen ist, wenn es von einer Behorde beantragt wird.\nDenn jedenfalls fur den Antrag einer Behorde, wahrend eines laufenden\nVerwaltungsverfahrens ein selbstandiges Beweisverfahren anzuordnen, fehlt es\nan einem rechtlich geschutzten Interesse, weil sie die unter Beweis gestellten\nTatsachen im Wege der Amtsaufklarung selbst erheben kann und muss (im Ergebnis\nebenso OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 22.01.1998 - 2 M 36/97 - Juris;\nLang, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 98 Rdnr. 294; Rudisile, in:\nSchoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 98 Rdnr. 266, 268). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Damit ist nicht das rechtliche Interesse im Sinne von § 485 Abs. 2 Satz 1\nZPO gemeint (so aber OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 22.01.1998 - 2 M 36/97\n- Juris). Bei diesem handelt es sich um ein spezielles, nur im\nAnwendungsbereich dieser Vorschrift geltendes Zulassigkeitserfordernis im\nSinne eines Anordnungsgrunds. In den Fallen des § 485 Abs. 1 ZPO genugt\ninsoweit - enger - die Gefahr eines Beweisverlustes oder der Beweiserschwerung\noder die Zustimmung des Gegners. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Vielmehr geht es um das allgemeine Rechtsschutzbedurfnis, das\nungeschriebenes Zulassigkeitserfordernis jedes Gesuchs um gerichtlichen\nRechtsschutz ist (BVerwG, Urt. v. 17.01.1989 - 9 C 44.87 - BVerwGE 81, 164 =\nNVwZ 1989, 673). Dieses durfte zwar beim Antrag eines Burgers auf Anordnung\neines selbstandigen Beweisverfahrens und bei Vorliegen eines Anordnungsgrunds\ngemaß § 485 Abs. 1 oder 2 Satz 1 ZPO regelmaßig gegeben sein, jedenfalls dann,\nwenn dieser in einem Verwaltungsverfahren die Erhebung eines\nSachverstandigengutachtens in dem von ihm gewunschten Umfang nicht ohne\nWeiteres erwirken kann (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 06.02.2004 - 8 S\n2185/03 -, Beschl. v. 03.07.1995 - 8 S 1407/95 -, jeweils a.a.O.). Es fehlt\naber, wenn die Behorde selbst das selbstandige Beweisverfahren beantragt. Denn\nsie ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, den Sachverhalt von Amts\nwegen zu ermitteln (§ 24 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG) und dabei im erforderlichen\nUmfang Beweis zu erheben (§ 26 LVwVfG). \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Antragstellerin weist in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts hin, wonach einer Behorde ein Wahlrecht zusteht, ob\nsie eine vorhandene Ermachtigung zum Erlass eines Leistungsbescheids\n(Verwaltungsakts) nutzt oder ob sie eine Geldforderung im Wege einer\nallgemeinen Leistungsklage geltend macht (BVerwG, Urt. v. 06.09.1988 - 1 C\n15.86 - BVerwGE 80, 164 = VBlBW 1989, 131). Darum geht es hier aber nicht.\nDenn die Behorde ermittelt in einem Verwaltungsverfahren den Sachverhalt von\nAmts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG). Dabei bedient sie sich der\nBeweismittel, die sie nach pflichtgemaßem Ermessen fur erforderlich halt (§ 26\nAbs. 1 Satz 1 LVwVfG). Nur wenn sie hierzu besonders ermachtigt ist, sei es\nnach allgemeinen polizeirechtlichen Grundsatzen (§§ 1, 3 PolG) oder seines\naufgrund spezieller Vorschriften (vgl. § 9 Abs. 2 und § 10 BBodSchG), darf sie\nihre Feststellungslast, zur Gefahrenabschatzung und zur Klarung moglicher\nGefahrenabwehrmaßnahmen, auf den Burger abwalzen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Ein Rechtsschutzbedurfnis der Antragstellerin lasst sich auch nicht mit der\nErwagung begrunden, nur eine gerichtlich angeordnete Beweiserhebung im\nselbstandigen Beweissicherungsverfahren „dokumentiere" gemaß § 493 Abs. 1 ZPO\ndie Tatsachen „gerichtsfest". Gemaß § 493 Abs. 1 ZPO steht die selbstandige\nBeweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich, wenn sich\neine Partei im Prozess auf Tatsachen beruft, uber die selbstandig Beweis\nerhoben worden ist. Im Verwaltungsprozess sind aber die Ergebnisse eines auf\nAnordnung des Gerichts eingeholten Sachverstandigengutachtens nicht etwa von\nvornherein hoher zu bewerten als die Ergebnisse eines von einer Behorde selbst\noder auf Veranlassung einer Behorde von einem Dritten (z.B. einem\nVorhabentrager) eingeholten Sachverstandigengutachtens. Vielmehr sind\nAuskunfte einer sachkundigen Behorde und die von ihr selbst erstellten oder\neingeholten gutachterlichen Stellungnahmen als qualifiziertes\nBeteiligtenvorbringen mit dem ihnen zukommenden Gewicht im\nverwaltungsgerichtlichen Verfahren zu wurdigen. Liegen solche sachkundigen\nbzw. sachverstandigen Äußerungen vor, unterliegt die Sachkunde der Personen,\nvon denen sie stammen, keinen Zweifeln und sind sie nachvollziehbar und\nwiderspruchsfrei, bedarf es eines (weiteren) Sachverstandigengutachtens nicht\n(st. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 29.09.1976 - VIII C 13.75 - und Beschl.\nv. 10.06.1999 - 9 B 81.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 106 und 302; VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 17.02.2000 - 10 S 2913/98 - GewA 2001, 387 = Juris, Rdnr.\n43 ff; Senatsurt. v. 08.02.2007 - 5 S 2224/05 - Juris, Rdnr. 138). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Festsetzung eines\nStreitwerts fur das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil gemaß KV- Nr.\n5502 eine Festgebuhr von 50,-- EUR anfallt. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
140,644
olgkarl-2004-12-14-20-uf-9904
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
20 UF 99/04
2004-12-14
2019-01-08 11:06:24
2019-02-12 12:20:15
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung des Antragsgegners wird das Urteil des Amtsgerichts -\nFamiliengericht - Pforzheim vom 21. Mai 2004 (3 F 145/03) in Ziffer 4\ndahingehend abgeandert, dass die monatliche Unterhaltsrente in Hohe von 307\nEUR bis 31. Dezember 2008 befristet ist.\n\n2\\. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Gründe\n\n| 1 \n--- \n| I. Die Ehe der Parteien wurde durch Urteil vom 21.05.2004 geschieden und\nu.a. der Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin nachehelichen\nUnterhalt in Hohe von monatlich 307 EUR (unbefristet) zu zahlen (Ziffer 4 des\nUrteilstenors). \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Parteien streiten uber die zeitliche Begrenzung der Unterhaltsrente. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Antragsgegner beantragt, \n--- \n| 4 \n--- \n| das Urteil des Amtsgerichts dahingehend abzuandern, dass der\nUnterhaltsanspruch der Antragstellerin mit Wirkung zum 31.08.2005 entfallt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil und bittet um \n--- \n| 6 \n--- \n| Zuruckweisung der Berufung. \n--- \n| 7 \n--- \n| Auf die Schriftsatze der Parteivertreter und die Sitzungsniederschrift (AS\nII 89 ff.) wird Bezug genommen. \n--- \n| 8 \n--- \n| II. Die zulassige Berufung ist teilweise begrundet und fuhrt zur Befristung\ndes Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin gemaß § 1573 Abs. 5 BGB mit\nWirkung zum 31.12.2008. \n--- \n| 9 \n--- \n| 1\\. Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin ist im Grund und der Hohe\nnach unbestritten. Der Anspruch ist allerdings nach § 1573 Abs. 5 BGB zu\nbefristen. \n--- \n| 10 \n--- \n| a) Die Ehe der Parteien dauerte von der Eheschließung (17.05.1991) bis zur\nZustellung des Scheidungsantrags (02.04.2003) knapp 12 Jahre (vgl. zur\nBemessung der Ehedauer BGH FamRZ 1981, 140). Damit nahert sich die Ehedauer\nzwar dem Grenzbereich, in dem grundsatzlich die Dauer der Ehe als\nBilligkeitskriterium durchschlagendes Gewicht erhalt (BGH FamRZ 1990, 857),\neine Befristung ist aber auch bei dieser Zeitspanne grundsatzlich moglich\n(vgl. z.B. OLG Koln, FamRZ 1993, 565: Begrenzung bei einer Ehedauer von 12\nJahren und 7 Monaten). Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Beide\nParteien waren wahrend der Ehe erwerbstatig. Auch die Antragstellerin hat\nkeine ehebedingten Einbußen in ihre berufliche Entwicklung erlitten. Die\nVerflechtung der Lebensverhaltnisse (vgl. zu diesem Kriterium bei uber\n15jahriger Ehedauer OLG Koln FamRZ 1995, 1365) hat somit noch kein Ausmaß\nerreicht, das einer Befristung des Unterhaltsanspruchs entgegenstunde, zumal\nes hier lediglich um Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB geht, bei\ndem eine zeitliche Unterhaltsbegrenzung eher in Betracht kommt (vgl. auch\nGrandel, FF 2004, 237 ff. m.w.N.) \n--- \n| 11 \n--- \n| In Anbetracht der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsfuhrung\nund Erwerbstatigkeit ist im vorliegenden Fall eine Begrenzung des Unterhalts\nseit Entstehen des nachehelichen Unterhaltsanspruchs mit Rechtskraft der\nScheidung (BGH FamRZ 1981, 242) auf die Dauer von rd. 4 1/4 Jahren\ngerechtfertigt (vgl. zur Bemessung dieser Frist BGH FamRZ 1986, 886; OLG Hamm\nFamRZ 2000, 33: Bei 10jahriger kinderloser Ehe Befristung auf vier Jahre). \n--- \n| 12 \n--- \n| b) Die Voraussetzungen fur eine Unterhaltsbegrenzung zu einem fruheren\nZeitpunkt unter dem Gesichtspunkt des § 1579 Nr. 7 BGB wegen der nunmehr uber\nzwei Jahre dauernden Beziehung der Antragstellerin zu ihrem neuen Partner\nliegen dagegen nicht vor, wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat. Im\nBerufungsverfahren haben sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die neue Beziehung hat sich nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben\nder Antragstellerin im Termin vom 19.10.2004 (vgl. Protokoll AS II 89) noch\nnicht in einem Maß verdichtet, dass sie als eine eheersetzende\nLebensgemeinschaft mit nachhaltiger wirtschaftlicher Verflechtung der\nLebensverhaltnisse (sog. sozio-okonomische Lebensgemeinschaft) angesehen\nwerden konnte (vgl. dazu BGH FamRZ 2002, 23, 25 m.w.N.). Der fur die\nVoraussetzungen der Billigkeitsklausel darlegungs- und beweispflichtige\nAntragsgegner (vgl. zur Beweislast BGH FamRZ 1991, 670) hat auch im\nBerufungsverfahren keine Umstande vorzutragen vermocht, wonach das\nErscheinungsbild dieser Verbindung in der Öffentlichkeit zur Unzumutbarkeit\nder derzeitigen Fortdauer seiner Unterhaltsbelastung fuhrt (vgl. dazu BGH\nFamRZ 1983, 569; 1997, 671). Nach der nicht widerlegten Darstellung der\nAntragstellerin handelt es sich um eine „Wochenendbeziehung" (AS II 89). Zwar\nsteht die Tatsache, dass beide Partner nicht in einer gemeinsamen Wohnung\nzusammenleben, der Annahme einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht\nentgegen, tritt aber nach der nicht bestrittenen Darstellung der\nAntragstellerin - bis auf einen gemeinsamen Urlaub im Jahr und einmaliges\nAuftreten des neuen Partners bei einer Familienfeier der Antragstellerin - die\nprivate (im Unterschied zur geschaftlichen) Beziehung nicht in Erscheinung. \n--- \n| 14 \n--- \n| Bei dieser Sachlage konnte mangels weiteren Vortrags des Antragsgegners\nhierzu nicht von einer groben Unbilligkeit der Unterhaltsbelastung i.S.d. §\n1579 BGB ausgegangen werden. \n--- \n| 15 \n--- \n| 2\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. \n--- \n| 16 \n--- \n| 3\\. Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus\n§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. \n--- \n| 17 \n--- \n| 4\\. Fur eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass. \n---\n\n
141,778
olgkarl-2006-04-28-1-ss-2506
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
1 Ss 25/06
2006-04-28
2019-01-08 22:21:53
2019-02-12 13:10:17
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts\nBruchsal vom 14. November 2005 mit den zugrunde liegenden Feststellungen\naufgehoben.\n\nDie Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch uber die Kosten\ndes Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bruchsal\nzuruckverwiesen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Betroffene wurde durch Urteil des Amtsgerichts Bruchsal vom 14.11.2005\nwegen Überschreitung der zulassigen Hochstgeschwindigkeit zu der Geldbuße von\n75 Euro verurteilt; außerdem wurde gegen ihn aufgrund wiederholter\nGeschwindigkeitsuberschreitung nach § 2 Abs.2 Satz 2 BKatV ein Fahrverbot von\neinem Monat festgesetzt. Mit der erhobenen Verfahrensruge macht er geltend,\nnicht auf die Veranderung des rechtlichen Gesichtspunkts einer Vorsatztat\nhingewiesen worden zu sein. \n--- \n--- \nII. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Rechtsbeschwerde kann ein Erfolg nicht versagt bleiben. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| 1\\. Zwar verhalt sich die Urteilsformel entgegen §§ 260 Abs. 4 StPO, 46\nOWiG nicht zur Schuldform, die Verurteilung wegen einer vorsatzlichen\nGeschwindigkeitsuberschreitung ergibt sich jedoch aus den Urteilsgrunden\n(Gohler, OWiG, 14. Aufl. 2006, § 71 Rn. 41). Da der Bußgeldbescheid vom\n24.06.2005 hierzu uberhaupt keine Angabe enthalt, ist insoweit jedoch vom\nVorwurf fahrlassiger Tatbegehung auszugehen (OLG Schleswig SchlHA 2001, 138;\nOLG Dusseldorf ZfSch 1994, 228), so dass der Bußgeldrichter in entsprechender\nAnwendung des § 265 StPO den Betroffenen auf die Veranderung des rechtlichen\nGesichtspunktes hatte hinweisen mussen (OLG Dresden DAR 2004, 102; OLG Hamm\nVRS 63, 56). Diese wesentliche Formlichkeit ist dem Protokoll nicht zu\nentnehmen, so dass es als unerheblich anzusehen ist, ob der Betroffene\naufgrund der Hauptverhandlung mit einer solchen Umgestaltung rechnen musste\n(OLG Braunschweig NStZ-RR 2002, 179 f.; Brandenburgisches OLG ZfSch 2000, 174\nf.). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| 2\\. Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil. \n--- \n| 5 \n--- \n| a. Die Annahme einer vorsatzlichen Tatbegehung wird von den Feststellungen\ngetragen, so dass fur eine Berichtigung des Schuldspruchs und die Verurteilung\nwegen einer fahrlassigen Tat durch den Senat (§ 79 Abs.6 OWiG) kein Raum\nbleibt. Nach den getroffenen Feststellungen uberschritt der Betroffene mit\nseinem Kraftfahrzeug die außerorts zulassige Hochstgeschwindigkeit von 70 km/h\num 34 km/h und damit um ungefahr 48,5%. Dieser Wert kann grundsatzlich als\ngewichtiges Indiz fur die Abgrenzung der Schuldform angesehen werden. Je hoher\nsich namlich die Abweichung der gefahrenen von der zulassigen\nHochstgeschwindigkeit darstellt, desto mehr drangt sich eine vorsatzliche\nTatbegehung auf, weil eine solche einem Fahrzeugfuhrer wegen der erhohten\nFahrgerausche und vor allem des sich schneller verandernden Umgebungseindrucks\nnicht verborgen geblieben sein kann. Bei einer Überschreitung um beinahe 50 %\nliegt nach Auffassung des Senates auch außerorts ein solches Bewusstsein nahe,\nweshalb bei Hinzutreten weiterer Umstande von einer vorsatzlichen Tatbegehung\nausgegangen werden kann (vgl. hierzu OLG Koblenz DAR 1999, 227 f. -51%\naußerorts -; KG NZV 2004, 598 -46% innerorts -; KG VRS 100, 471 ff -40%\ninnerorts -; OLG Rostock Verkehrsrecht aktuell 2005, 70 -50 % innerorts -;\neinschrankend: OLG Hamm DAR 2005, 407 -70% außerorts -; vgl. Hentschel,\nStraßenverkehrsrecht, 37. Aufl. 2005, StVO, § 3 Rn. 51 a.E.; Burhoff (Hrsg),\nHandbuch fur das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2005, Rn. 1324 ff,\n1333). Hier tritt hinzu, dass der Betroffene unmittelbar nach dem Vorfall\ngegenuber einem Polizeibeamten bekundet hatte, es aufgrund eines Termins\n"eilig" gehabt zu haben. Diese Feststellungen rechtfertigen die Annahme\nvorsatzlicher Tatbegehung. \n--- \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| b. Weiterhin ist nicht auszuschließen, dass sich der Betroffene nach einem\nformlichen gerichtlichen Hinweis anders verteidigt oder seinen Einspruch\nzuruckgenommen hatte (OLG Dresden DAR 2004, 102). Der Umstand, dass es sich\nbei der verhangten Sanktion um die in Nr. 11.3.6 BKatV fur die fahrlassige\nBegehung vorgesehene Regelbuße handelt und der Tatrichter von deren Erhohung\ntrotz veranderter Schuldform abgesehen hat, fuhrt ebenfalls zu keiner anderen\nBewertung, denn die Verurteilung wegen einer vorsatzlicher Tat beinhaltet uber\ndie abweichende rechtliche Einordnung hinaus eine eigenstandige Beschwer. So\nkonnte der hiermit verbundene Makel im Wiederholungsfall nicht nur zu einer\nErhohung der Geldbuße, sondern auch zu erleichterter Annahme einer\nbeharrlichen Pflichtverletzung nach § 25 StVG fuhren (vgl. KG NZV 2005, 330\nf.; Hentschel, a.a.O., § 25 Rn. 15). \n--- \n--- \nIII. \n--- \n| 7 \n--- \n| Das Urteil war daher aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung\nan eine andere Abteilung (§§ 79 Abs. 6 OWiG, 354 Abs. 2 StPO) des Amtsgerichts\nBruchsal zuruckzuverweisen. \n--- \n---\n\n
142,058
fg-baden-wurttemberg-2006-07-11-4-k-36901
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
4 K 369/01
2006-07-11
2019-01-08 22:45:27
2019-01-17 12:02:16
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist, ob die Gehaltszahlungen, die der Geschaftsfuhrer der\nKomplementar-GmbH im Streitjahr von der Klagerin (Klin) bezogen hat, den\nGewinn der Klin mindern. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klin ist eine GmbH & Co. KG. Sie wurde mit notariellem\nGesellschaftsvertrag vom 14. November 1975 gegrundet (Bl. 14 Sonderakten -X-\nGmbH u. Co. KG). Gegenstand des Unternehmens ist das Betreiben einer Werkzeug-\nund Maschinenfabrik, insbesondere die Fertigung von Prazisionswerkzeugen und\nMaschinen. Das Unternehmen wird auf dem Grundstuck ... in... betrieben, das im\nEigentum der Klin steht. Personlich haftende Gesellschafterin der Klin ist die\nebenfalls am 14. November 1975 gegrundete -Y- GmbH (im Folgenden:\nKomplementar-GmbH) mit Sitz in ... (Bl. 12 Sonderakten -Y-\nBeteiligungsgesellschaft GmbH). Am Stammkapital der Komplementar-GmbH waren im\nStreitjahr ihre beiden jeweils alleinvertretungsberechtigten Geschaftsfuhrer\n-A- und dessen Tochter -B- zu je 50 v.H. beteiligt. Kommanditistin der Klin\nwar die gleichfalls am 14. November 1975 gegrundete Verwaltungs- und\nBeteiligungsgesellschaft -Z- (im Folgenden: Kommanditisten-GmbH) mit Sitz in\n... (Bl. 13 Sonderakten Verwaltungs- u. Beteiligungsgesellschaft -Z-). Ihr\nStammkapital wurde im Streitjahr zu je 50 v.H. von -F-, der Ehefrau des -A-,\nund -C- gehalten. Alleinige Geschaftsfuhrerin der Kommanditisten-GmbH war im\nStreitjahr -F-. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach § 3 II des Gesellschaftsvertrags der Klin (im Folgenden: KG-Vertrag)\nhatten personlich haftende Gesellschafter keine Kapitaleinlage in die\nGesellschaft (Klin) einzubringen, wahrend die Kommanditisten-GmbH - neben der\nim Folgenden dargestellten stillen Beteiligung der Kommanditisten-GmbH an der\nKlin - sich mit einer Stammeinlage von 1.000 DM an der Klin beteiligte. Nach §\n3 III des KG-Vertrags sollte das weitere Betriebskapital durch die Aufnahme\nvon stillen Gesellschaftern und von Darlehen beschafft werden. \n--- \n| 4 \n--- \n| Nach § 5 I des KG-Vertrags sind die jeweils personlich haftenden\nGesellschafter allein zur Geschaftsfuhrung und Vertretung der Gesellschaft\nberechtigt und verpflichtet. Sie konnen Dritte zur Geschaftsfuhrung\nbevollmachtigten und Angestellte einstellen und entlassen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| \n--- \nNach § 5 II des KG-Vertrags ist zu folgenden Maßnahmen der \nGeschaftsfuhrung die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich: \n| 1) Bestellung und Abberufung von Prokuristen und Handlungsbevollmachtigten, \n--- \n| 2) Aufnahme von Darlehn und Krediten, \n--- \n| 3) Abschluss von Dienstvertragen, in denen ein monatliches Bruttogehalt von \n--- \nmehr als DM 5.000,- vereinbart wird, \n| 4) Abschluss von Miet- und Pachtvertragen, bei denen ein Mietzins \n--- \nvon mehr als DM 3.000,- monatlich vereinbart wird, \n| 5) Übernahme von Burgschaften und Schuldubernahmen, \n--- \n| 6) Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die im Einzelfall den \n--- \nBetrag von DM 15.000,-- ubersteigen, \n| 7) Abschluss von Vertragen, durch die die Gesellschaft mit einer \n--- \n| 5.000,- DM im Einzelfall ubersteigenden Zahlungsverpflichtung belastet wird, \n--- \n| 8) Erwerb und Veraußerung von Grundstucken und Bestellung von \n--- \nHypotheken, Grundschulden und grundstucksgleichen Rechten, \n| 9) Das Betreiben sonstiger Geschafte, die erkennbar uber den Rahmen \n--- \nder normalen Geschafte hinausgehen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Über das Abstimmungsverfahren in der Gesellschafterversammlung der Klin\nwurde \n--- \n| 7 \n--- \n| im KG-Vertrag keine Regelung getroffen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| \n--- \n§ 12 des KG-Vertrags enthalt uber die Auseinandersetzung der \nGesellschaft die folgende Regelung: \nI. Dem ausscheidenden Gesellschafter ist der Betrag seines \nKapital-Kontos unter Verrechnung der Salden seiner Verrechnungs-, \nDarlehns- oder Privatkonten zum Buchwert in sechs halbjahrlichen \nRaten auszuzahlen. Die erste Rate ist 9 Monate nach seinem \nAusscheiden fallig. \nSoweit Erben an die Stelle eines ausscheidenden Gesellschafters \ntreten, werden die Anteile des Erblassers durch den oder die Erben \nubernommen, und eine Auseinandersetzung kommt nicht zum Zuge. \nII. Die Regelung des Abs. 1 gilt auch fur Kommanditisten, die \nnaturliche Personen sind, wenn auf Grund einer Kundigung dieses \nKommanditisten die Gesellschaft mit einem anderen Gesellschafter \nfortgesetzt wird. Das gleiche gilt fur Kapitalgesellschaften. \nIII. Im Falle der Kundigung eines Kommanditisten durch den \npersonlich haftenden Gesellschafter ist eine Auseinandersetzungsbilanz \nbezogen auf das Ende des Geschaftsjahres nach den Bestimmungen \ndes Bewertungsgesetzes fur die Feststellung des gewerblichen \nBetriebsvermogens aufzustellen. Das auf diese Weise ermittelte \nAuseinandersetzungsguthaben ist in sechs halbjahrlich falligen \nRaten auszuzahlen. Die erste Rate ist neun Monate nach dem \nAusscheiden fallig. \nIV. Wird die Gesellschaft liquidiert, so soll das Unternehmen nach \nMoglichkeit im ganzen veraußert werden. Der nach der Liquidation \nverbleibende Reinerlos ist wie folgt zu verteilen: \n| 1) Die zum Zeitpunkt der Liquidation nicht mit einer Festeinlage \n--- \nbeteiligten personlich haftenden Gesellschafter erhalten 20 % der \nErlose, die bei der Veraußerung des Betriebes durch Realisierung \nder stillen Reserven und des Firmenwerts erzielt werden. \n| 2) Der Rest ist entsprechend den erbrachten Festeinlagen zuzuglich \n--- \nder sonstigen Kapitalguthaben zu verteilen. Dem Liquidator oder den \nLiquidatoren bleibt es vorbehalten, eine andere Regelung zu beschließen. \nV. Die Regelung des Abs. 3 gilt nicht, wenn ein personlich haftender \nGesellschafter die Gesellschaft kundigt und die Gesellschaft nicht \naufgelost wird. Diesem Gesellschafter steht keine Abfindung zu. \nJedoch sind die fur ihn bestehenden Salden von Kapital-, Darlehns-, \nVerrechnungs- oder Privatkonten abzuwickeln. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| \n--- \n§ 14 des KG-Vertrags enthalt hinsichtlich der Verteilung von \nGewinnen und Verlusten der Klin die folgende Regelung: \nI. Eine als Kapitalgesellschaft beteiligte Komplementarin ist nicht \nam Verlust beteiligt und erhalt einen Vorweggewinn in Hohe von 0,1 % \ndes auf volle tausend DM abgerundeten wirtschaftlichen Umsatzes. \nHilfsumsatze werden dabei nicht berucksichtigt. Der Vorweggewinn \nbetragt mindestens 1.800,- DM und hochstens 2.500,- DM. \nVerrechnungskonten dieser Kapitalgesellschaft sind als \nDarlehenskonten zu fuhren, deren Durchschnittssalden jahrlich mit 6 \n% im Debet oder Kredet zu verzinsen sind. \nII. Unabhangig vom Gewinn oder Verlust werden nach Abzug des \nVorweggewinns 6 % Zinsen uber das Gewinn- und \nVerlustverrechnungskonto verrechnet - \na) fur die vereinbarten festen Einlagekonten der beteiligten \nMitunternehmer und stillen Gesellschafter Kredetzinsen, \nb) fur noch nicht erbrachtes Festkapital Debetzinsen nach dem Saldo \nzu Beginn des Geschaftsjahres, \nc) fur die Einlagen und Entnahmen der Mitunternehmer und stillen \nGesellschafter auf Verrechnungskonten oder Privatkonten entweder \nDebet- oder Kredetzinsen , berechnet aus der Summierung der zwolf \nMonatsendsalden, geteilt durch zwolf. Dabei werden Zuweisungen von \nGewinn- oder Verlust des laufenden Jahres zum Ende des \nGeschaftsjahres zinsmaßig erst im Folgegeschaftsjahr berucksichtigt. \nFur Verlustzuweisungen, die durch kunftige Gewinne wieder \nauszugleichen sind und welche auf gesonderten Konten auszuweisen \nsind, werden keine Zinsen verrechnet. \nIII. Fur Einlagen von Mitunternehmern, die den Betrag der \nvereinbarten Festeinlage uberschreiten, wird nach dem wie zu II c) \nfestgestellten Durchschnittssaldo ein Zins von 6 % als Gewinn \nverrechnet. Einlagen typischer stiller Gesellschafter, die bei \nerbrachter Festeinlage uber die Hohe dieser Festeinlage hinausgehen, \nsind als Darlehn zu behandeln. Der Durchschnittssaldo ist mit 6 % zu \nverzinsen. Es handelt sich hier also nicht um Gewinn aus stiller Beteiligung. \nIV. Der dann noch verbleibende vorlaufige Gewinn oder Verlust wird \nentsprechend den Anteilen der vereinbarten Festeinlagen verteilt, \nwenn nicht im Vertrag uber die Grundung einer stillen Gesellschaft \netwas anderes vereinbart ist. Soweit minderjahrige stille \nGesellschafter laut Vertrag nicht am Verlust beteiligt sind, werden \nsolche Verluste nach den Anteilen der vereinbarten Festeinlagen der \nubrigen Beteiligten verrechnet. \nV. Die Gesellschafterversammlung hat das Recht, mit einfacher \nMehrheit eine anderweitige Gewinn- und Verlustbeteiligung zu \nbeschließen, soweit wichtige Grunde vorliegen und gegebenenfalls der \nBestand der Gesellschaft dadurch gefahrdet ist, daß eine der \nbeteiligten Kapitalgesellschaften in finanzielle Schwierigkeiten gerat. \n--- \n| 10 \n--- \n| Ebenfalls am 14. November 1975 schlossen die Klin und die Kommanditisten-\nGmbH einen Grundungsvertrag uber eine - von ihnen so bezeichnete - "atypisch\nstille Gesellschaft" (Bl. 50 Sonderakten -X- GmbH u. Co. KG), wonach sich die\nKommanditisten-GmbH an der Klin beteiligte. Nach § 1 dieses Vertrags ist die\nstille Gesellschafterin, d.h. die Kommanditisten-GmbH, fur den Fall der\nLiquidation der Klin am Liquidationsreinerlos entsprechend ihrem\nFestkapitalschlussel beteiligt. Das gleiche gilt, soweit die Liquidation ein\nnegatives Ergebnis hat. In diesem Fall reicht die Verlustubernahme der stillen\nGesellschafterin jedoch nur bis zur Hohe des vereinbarten und eingezahlten\nFestkapitals, abzuglich etwaiger Verlustvortrage. \n--- \n| 11 \n--- \n| Nach § 2 des Vertrages verpflichtete sich die stille Gesellschafterin zur\nErbringung einer Festeinlage von 570.000 DM. § 4 des Vertrages enthalt die\nfolgende Regelung uber die Gewinn- und Verlustverteilung: \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| \n--- \n"Die Gewinn- und Verlustbeteiligung an der Kommanditgesellschaft wird \nunter Berucksichtigung der bestehenden stillen Gesellschaften mit \nEinverstandnis aller Gesellschafter der Kommanditgesellschaft wie folgt\ngeregelt: \na) Nach Zuweisung des Vorabgewinnes der personlich haftenden \nGesellschafter sind allen Kapitalgebern, die entweder Mitunternehmer \noder stille Gesellschafter sind, 6 % jahrlicher Zinsen ihrer festen \nKapital- oder Einlagekonten zu verrechnen, abzuglich 6 % jahrlicher \nZins fur nicht erbrachtes Festkapital. \nb) Das gleiche gilt bei Einlagen und Entnahmen, die auf Privat oder \nsonstigen Verrechnungskonten gebucht sind. \nEinlagen stiller Gesellschafter, die die einbezahlten Festeinlagen \nuberschreiten, sind nicht gewinnberechtigt, aber als Darlehn mit den \nobigen Zinssatzen zu verzinsen, wobei der Jahresdurchschnittssaldo \ndie Grundlage fur die Verzinsung bildet. Diese Durchschnittssalden \nwerden errechnet aus der Summierung der Monatsendsalden, geteilt \ndurch die Anzahl der Monate des Geschaftsjahres oder eines etwaigen \nRumpfgeschaftsjahres. Verlustvortrage fallen nicht unter diese \nVerzinsungsvorschriften, desgleichen nicht die Gewinnzuweisungen des \nlaufenden Geschaftsjahres". \n| 13 \n--- \n| \n--- \n| 14 \n--- \n| § 5 des Vertrages uber die "atypische stille Gesellschaft" zwischen der\nKlin und der Kommanditisten-GmbH hat den folgenden Wortlaut: \n--- \n| 15 \n--- \n| Beginn und Dauer der Gesellschaft: \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Gesellschaft beginnt mit dem 1. Januar 1976. Sie ist fur die Dauer von\ndrei Jahren fest abgeschlossen. Danach kann jeder Beteiligte die stille\nGesellschaft mit einer Frist von 6 Monaten jeweils zum Ende eines\nGeschaftsjahres, erstmalig zum Ende des Drittjahres kundigen. Kundigt ein\nstiller Gesellschafter, so erhalt er sein buchmaßiges Kapital (Festeinlage\nsaldiert mit den Salden seiner Verrechnungskonten und seines etwaigen\nVerlustvortragskontos) in sechs Halbjahresraten ausbezahlt, wobei die erste\nRate sechs Monate nach Beendigung des Geschaftsjahres fallig ist, mit welchem\ndie Kundigung wirksam geworden ist und soweit nicht durch solche kurze\nRuckzahlungsfrist die Liquiditat oder der Bestand der Kommanditgesellschaft\ngefahrdet wird. Bis zur Endruckzahlung des vorgenannten Kapitals ist dem\nausgeschiedenen stillen Gesellschafter sein Auseinandersetzungsguthaben mit 6\n% jahrlich zu verzinsen, und zwar nach dem Saldo zu Beginn eines jeden Jahres.\nDiese Zinsen sind halbjahrlich zusammen mit den Tilgungsraten fallig und zu\nbezahlen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Kundigt die Kommanditgesellschaft das stille Gesellschaftsverhaltnis, so\nist das buchmaßige Kapital, festgestellt wie vorstehend, in einer Summe dem\ngekundigten stillen Gesellschafter zu zahlen, spatestens neun Monate nach dem\nWirksamwerden des Ausscheidens fallig. Das Auseinandersetzungsguthaben ist bis\nzur endgultigen Tilgung in diesem Fall mit 10 % jahrlich zu verzinsen, nach\ndem Saldo zu Beginn eines jeden Jahres. \n--- \n| 18 \n--- \n| Überschreiten zum Zeitpunkt des Ausscheidens die Verlustvortrage des\nstillen Gesellschafters den Betrag seiner Festeinlagen, so hat der\nausscheidende stille Gesellschafter nur Anspruch auf Ausgleich der Salden\nseiner ubrigen Verrechnungskonten. Im Falle eines Negativsaldos hat der\nausscheidende stille Gesellschafter diesen unverzuglich auszugleichen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| \n--- \n§ 6 des Vertrags uber die "atypisch stille Gesellschaft" zwischen \nder Klin und der Kommanditisten-GmbH enthalt hinsichtlich der \nvorzeitigen Beendigung der stillen Gesellschaft die folgenden \nRegelungen: \n| 1) Jeder stille Gesellschafter kann die Gesellschaft fristlos \n--- \nkundigen mit der Folge der sofortigen Falligkeit seines nach § 5 \nfestzustellenden Auseinandersetzungsguthabens, wenn \na) uber das Vermogen der Kommanditgesellschaft rechtskraftig das \nKonkurs- oder Vergleichsverfahren eroffnet ist oder die Eroffnung \neines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt wird, \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| \n--- \n[Buchstabe b) fehlt im Vertrag] \nc) in der Vermogenslage der Kommanditgesellschaft ein wichtiger \nGrund zur fristlosen Kundigung der stillen Gesellschaft durch \nden stillen Gesellschafter gegeben ist. \n| 2) Die Kommanditgesellschaft kann das stille Gesellschaftsverhaltnis \n--- \nebenfalls fristlos kundigen, soweit bei dem stillen Gesellschafter \ndie zu 1.a), b) und c) genannten Tatbestande gegeben sind und soweit \ndie stille Gesellschaftsbeteiligung ganz oder teilweise unter Lebenden \noder von Todes wegen auf Dritte ubergeht, die nicht zum Kreis der \nersten oder zweiten Erbfolgeordnung gehoren oder die nicht Ehegatten sind. \nDas gleiche gilt bei Belastung der stillen Gesellschaftsanteile zu Gunsten\nDritter wie vor. \nBei vorgenannten Tatbestanden erhalt der fristlos ausscheidende stille\nGesellschafter \nsein Auseinandersetzungsguthaben in sechs Halbjahresraten ausgezahlt. \nIm ubrigen gilt fur diesen Fall das in § 5 uber die Verzinsung und Ruckzahlung\ndes \nAuseinandersetzungsguthabens Gesagte. \n| 3) Mit Zustimmung der Kommanditgesellschaft ist die Übertragung von \n--- \nFesteinlagen eines stillen Gesellschafters zu Beginn eines jeden\nGeschaftsjahres moglich. \n--- \n| 21 \n--- \n| Mit Vertrag vom 2. Januar 1976 wurde die stille Beteiligung der\nKommanditisten-GmbH an der Klin von zunachst 570.000 DM um 130.000 DM auf\n700.000 DM erhoht. Der Erhohungsbetrag war hiernach bis 31. Dezember 1976\neinzuzahlen. Zugleich wurde in diesem Vertrag vereinbart, dass die atypisch\nstille Beteiligung zum 1. Januar 1977 um 99.000 DM auf 601.000 DM vermindert\nund der Herabsetzungsbetrag von 99.000 DM mit Wirkung zum 1. Januar 1977 zur\nErhohung der Kommanditbeteiligung auf 100.000 DM verwendet wird. Mit Vertrag\nvom 1. Juli 1977 wurde die stille Beteiligung der Kommanditisten-GmbH an der\nKlin dann auf 767.000 DM erhoht. Zum 12. Januar 1982 erfolgte eine weitere\nErhohung der atypisch stillen Beteiligung der Kommanditisten-GmbH an der Klin\nvon 767.000 DM auf 1.089.000 DM. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Zwischen der Kommanditisten-GmbH und -N- sowie -C- wurde am 1. Januar 1976\nein Vertrag uber deren Aufnahme als - im Vertrag so bezeichnete - "atypische\nstille Gesellschafter" geschlossen (Bl. 1 Sonderakten "Atypische stille\nGesellschaft Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft -W-), dessen\nBeurteilung als typisch oder atypisch still zwischen den Beteiligten\numstritten ist. In § 2 dieses Vertrages verpflichteten sich die stillen\nGesellschafter, Einlagen in Hohe von jeweils 350.000 DM zu erbringen. Gemaß §\n3 des Vertrages sind die stillen Gesellschafter von der Geschaftsfuhrung\nausgeschlossen. Ihr Informationsrecht beschrankt sich auf die gesetzlich\ngegebenen Regelungen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| \n--- \n§ 4 des Vertrages hat den folgenden Wortlaut: \nSoweit die Kapitalgesellschaft keine eigenen Geschafte betreibt und \naus eigenen Kapitalmitteln keine Gewinne erzielt, sondern nur \nGewinne oder Verluste aus Kapitalbeteiligungen an der Firma -X- GmbH \n& Co KG - Werkzeugfabrik in ........... zu erwarten hat, wird \na) (im Innenverhaltnis) ein Verlust aus diesen Beteiligungen als \nKommanditistin oder atypischer stiller Beteiligung nur den stillen \nGesellschaftern Herrn -N- und Frau -C- mit je ½ zugewiesen. \nSollte die Kapitalgesellschaft spater noch weitere stille \nGesellschafter mit Festeinlagen aufnehmen, so werden etwa \nentstehende Beteiligungsverluste nur den stillen Gesellschaftern im \nVerhaltnis ihrer vereinbarten Festeinlagen zugewiesen, \nb) der Gewinn aus der Kommanditbeteiligung und der Beteiligung als \natypische stille Gesellschafterin entsprechend den von den \nBeteiligten zur Gewinnerzielung vereinbarten und auch eingebrachten \nKapitaleinlagen an diese zugewiesen, jedoch mit der Maßgabe, daß das \nvon der Kapitalgesellschaft erbrachte und zur Gewinnerzielung \nverwendete Eigenkapital stets mit DM 20.000,-- anzusetzen ist, und \ndaß sie den Gewinn bis DM 3.000,- stets vorweg, aber daruber hinaus \nhochstens DM 5.000,-- zu bekommen hat. Diese Hochstgewinnbegrenzung \ntragt dem Rechnung, daß die Kapitalgesellschaft keine Verluste zu \ntragen hat und daß sie bei Gewinn stets einen Vorweggewinn bis zu DM \n| 3.000,-- notfalls zu Lasten der stillen Gesellschafter erhalt. \n--- \nc) Sonstige Gewinne wie auch Verluste, die aus der Anlage von Eigenkapital \nder Kapitalgesellschaft herruhren, sind dieser Kapitalgesellschaft allein\nzuzuweisen. \nd) Vor Ausschuttung bzw. Zuweisung von Gewinnen oder Verlusten sind bei \nVorhandensein von Verrechnungs- oder Privatkonten 6 % Kredet \\- oder \nDebetzinsen nach deren Jahresdurchschnittssalden zu verrechnen. \nDieser Durchschnittssaldo wird durch Summierung der zwolf \nMonatsendsalden dieser Konten, geteilt durch zwolf, festgestellt. \nFur nicht eingezahltes Festkapital der beteiligten Gesellschafter \nwerden diesen 6 % Debetzinsen mit den ihnen zustehenden Gewinnen \nund- oder Verlusten verrechnet. Diese Verzinsungsvorschriften gelten \nnicht fur Gewinn- oder Verlustvortrage des Jahres der \nBilanzaufstellung. Bleiben mit Zustimmung der Geschaftsfuhrer der \nKapitalgesellschaft Gewinne der stillen Gesellschafter in den \nFolgejahren stehen, so liegt hier eine Darlehnsgewahrung vor. Dieses \nDarlehn ist dann jeweils mit 6 % jahrlich nach dem Saldo zu Beginn \ndes Jahres zu verzinsen und zu jeder Zeit kundbar. Die \nVerlustvortrage der stillen Gesellschafter sind auf gesonderte \nKonten zu verbuchen, deren Salden nicht zu verzinsen, aber durch \nkunftige Gewinnanteile zu tilgen sind. \ne) Die stillen Gesellschafter konnen uber die Verteilung ihres \nGesamtgewinnes oder Verlustes nach Feststellung ohne Mitwirkung der \nKapitalgesellschaft beschließen, insbesondere wenn minderjahrige \nstille Gesellschafter beteiligt sind und Verluste zur Verteilung anstehen. \nf) Die stillen Gesellschafter willigen fur den Fall, daß die Liquiditat \nund der Fortbestand der Kapitalgesellschaft dies erfordert, in eine \nanderweitige Gewinnverteilung (wie hier vereinbart) ein. \n| 24 \n--- \n| \n--- \n| 25 \n--- \n| § 5 des Vertrages zwischen der Kommanditisten-GmbH und -N- sowie -C- hat\nden folgenden Wortlaut: \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Beginn und Dauer der Gesellschaft \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Gesellschaft beginnt mit dem 1. Januar 1976. Sie ist fur die Dauer von\ndrei Jahren fest abgeschlossen. Danach kann jeder Beteiligte die stille\nGesellschaft mit einer Frist von 6 Monaten jeweils zum Ende eines\nGeschaftsjahres kundigen. Kundigt ein stiller Gesellschafter, so erhalt er\nsein buchmaßiges Kapital (Festeinlage saldiert mit den Salden seiner\nVerrechnungskonten und seines etwaigen Verlustvortragskontos) in sechs\nHalbjahresraten, die erste fallig mit dem 30. Juni des Folgejahres des\nWirksamwerdens seiner Kundigung, ausbezahlt, soweit nicht durch solche\nkurzfristige Ruckzahlung dieses Kapitals die Liquiditat oder der Bestand der\nFirma gefahrdet ist. Bis zur Endruckzahlung des vorgenannten Kapitals ist dem\nausgeschiedenen stillen Gesellschafter sein Auseinandersetzungsguthaben mit 6\n% jahrlich zu verzinsen, und zwar nach dem Saldo zu Beginn eines jeden Jahres.\nDiese Zinsen sind halbjahrlich zusammen mit den Tilgungsraten fallig und zu\nbezahlen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Kundigt die Kapitalgesellschaft das stille Gesellschaftsverhaltnis, so ist\ndas buchmaßige Kapital, festgestellt wie vor, in einer Summe dem gekundigten\nstillen Gesellschafter zu zahlen, spatestens neun Monate nach dem\nWirksamwerden des Ausscheidens fallig. Bis zur Auszahlung ist das\nAuseinandersetzungsguthaben mit 10 % jahrlich zu verzinsen nach dem Saldo zu\nBeginn des Jahres nach dem Ausscheiden des stillen Gesellschafters. \n--- \n| 29 \n--- \n| Überschreiten zum Zeitpunkt des Ausscheidens die Verlustvortrage des\nstillen Gesellschafters den Betrag seiner Festeinlagen, so hat der stille\nGesellschafter nur Anspruch auf Ausgleich der Salden seiner ubrigen\nVerrechnungskonten. Im Falle eines Debetsaldos hat der ausscheidende stille\nGesellschafter diesen unverzuglich auszugleichen. \n--- \n| 30 \n--- \n| Fur den Fall der Liquidation der Kapitalgesellschaft wird der\nLiquidationserlos unter Auflosung aller stiller Reserven und eines etwaigen\nFirmenwerts auf diese und die atypischen stillen Gesellschafter entsprechend\nden Kapitalstanden zu diesem Zeitpunkt verteilt. Dasselbe gilt, wenn die\nLiquidation ein negatives Ergebnis hat. In diesem Fall reicht die\nVerlustubernahme des stillen Gesellschafters nur bis zur Hohe seines\nvereinbarten Festkapitals, abzuglich der Verlustvortrage. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Am 2. Januar 1977 vereinbarten die Kommanditisten-GmbH und -N- sowie -C-\nmit Wirkung zum 1. Januar 1977 eine Änderung von § 4 Buchstabe b) des\nVertrages, der damit den folgenden Wortlaut erhielt: \n--- \n| 32 \n--- \n| Der Gewinn aus der Kommanditbeteiligung und die Beteiligung als atypische\nstille Gesellschafterin wird entsprechend dem Kapitalschlussel der\nvereinbarten und auch eingebrachten Kapitalfesteinlagen an diese Kapitalgeber\nzugewiesen, jedoch mit der Maßgabe, daß das von der Kapitalgesellschaft\nerbrachte und zur Gewinnerzielung verwendete Eigenkapital stets mit mindestens\nDM 20.000,-- anzusetzen ist und daß sie zu Lasten der stillen Gesellschafter\nstets einen Gewinn von DM 5.000,- vorweg zu erhalten hat. Außerdem erhalt die\nKapitalgesellschaft uber diesen Vorweggewinn hinaus zu Lasten der Gewinne der\natypischen stillen Gesellschafter als weiteren Vorweggewinn die wegen der\nKapitaleinlagen der stillen Gesellschafter zur Erhebung kommenden\nGesellschaftssteuerbetrage. Das letztere soll sich auch bereits auf die fur\n1976 zur Erhebung gekommene Gesellschaftssteuer beziehen, die bei der\nGewinnverteilung des Geschaftsjahres 1977 zu Lasten der stillen Gesellschafter\nder Kapitalgesellschaft zugewiesen werden sollen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Am 24. Juni 1977 vereinbarten die Kommanditisten-GmbH und -N- sowie -C- mit\nWirkung zum 1. Juli 1977 die Erhohung der - von ihnen so bezeichneten -\n"atypischen stillen Beteiligungen" von jeweils 350.000 DM um 90.000 DM auf\n440.000 DM und spater auf 610.000 DM. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die stille Beteiligung des -N- an der Kommanditisten-GmbH in Hohe von\n610.000 DM wurde durch Vertrag vom 14. Januar 1987 mit Wirkung ab 1. Januar\n1987 auf -A- ubertragen (Bl. 21 Sonderakten Atypische stille Gesellschaft\nVerwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft -W-). Mit Vertrag vom 21. Dezember\n1994 verkaufte -A- von dieser "atypischen stillen Beteiligung" in Hohe von\n610.000 DM mit Wirkung zum 1. Januar 1995 einen Anteil von 200.000 DM an -O-\n(Bl. 22 Sonderakten Atypische stille Gesellschaft Verwaltungs- und\nBeteiligungsgesellschaft -W-). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Außerdem bestanden im Streitjahr - unstreitig typisch - stille\nGesellschaften zwischen der Klin und -B- sowie -E-. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Im Streitjahr bezog -A- als Geschaftsfuhrer der Komplementar-GmbH eine\nTatigkeitsvergutung von der Klin in Hohe von 112.504 DM. Diese wurde von der\nKlin als Arbeitslohn betrachtet und deshalb in der Gewinnermittlung als\nBetriebsausgabe behandelt. Die Bilanz der Klin zum 31. Dezember 1994 wies\neinen Bilanzverlust in Hohe von 238.417,59 DM aus. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Der Beklagte (Bekl) legte diesen Verlust der Veranlagung 1994 zu Grunde und\nstellte mit Bescheid vom 18. Januar 1996 den vortragsfahigen Gewerbeverlust\nauf den 31. Dezember 1994 mit 244.958,00 DM fest, nachdem vom Gewerbeertrag\nnoch nach § 9 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) ein Abzug in Hohe von 1,2\nv.H. des Einheitswerts des betrieblich genutzten Grundbesitzes in Hohe von\n2.346 DM vorgenommen worden war. Der auf den 31. Dezember 1993 festgestellte\nGewerbeverlust hatte 4.195 DM betragen. \n--- \n| 38 \n--- \n| Nach einer Betriebsprufung bei der Klin fur Folgejahre vertrat der Bekl die\nAuffassung, -A- sei uber seine als atypisch anzusehende stille Beteiligung an\nder Kommanditisten-GmbH mittelbar Gesellschafter der Klin. Die Vergutung fur\nseine Geschaftsfuhrertatigkeit sei daher gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2\nEinkommensteuergesetz (EStG) den gewerblichen Einkunften zuzurechnen. Mit\nBescheid vom 20. Dezember 1999 anderte der Bekl den Bescheid der Klin uber die\neinheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns 1994 gemaß § 164 Abs. 2\nAbgabenordnung (AO). Mit Bescheid vom 22. Dezember 1999 anderte der Bekl\ndaraufhin auch den Bescheid vom 18. Januar 1996 uber die Feststellung des\nvortragsfahigen Gewerbeverlusts zum 31. Dezember 1994 gemaß § 35 b Abs. 1\nGewStG und stellte den vortragsfahigen Gewerbeverlust zum 31. Dezember 1994\nauf 132.454,00 DM fest. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Mit Schreiben ihres steuerlichen Beraters vom 19. Januar 2000 legte die\nKlin - soweit im Streitfall relevant - Einspruch gegen den Bescheid uber die\ngesonderte Feststellung des vortragsfahigen Gewerbeverlusts zum 31. Dezember\n1994 vom 22. Dezember 1999 ein. Zur Begrundung trug sie vor, § 15 Abs. 1 Satz\n1 Nr. 2 Satz 2 EStG sei im Streitfall nicht anwendbar, da die Beteiligung des\n-A- an einer Kapitalgesellschaft - der Kommanditisten-GmbH - bestehe und ein\nDurchgriff durch eine Kapitalgesellschaft nicht zulassig sei. Aufgrund der\nUnterbrechung des Zurechnungszusammenhangs aufgrund der Rechtsfahigkeit der\nKapitalgesellschaft sei bei -A- auch kein unternehmerisches Risiko gegeben, da\ndie Haftungsbeschrankung der Kapitalgesellschaft greife. Das Vorliegen von\nUnternehmerrisiko sei aber ein wesentlicher Bestandteil einer\nMitunternehmerschaft. Ferner handle es sich bei der stillen Beteiligung des\n-A- an der Kommanditisten-GmbH entgegen dem Wortlaut des Vertrages nicht um\neine atypisch stille Beteiligung, da -A- keine einem Kommanditisten\nvergleichbare Stellung innehabe und fur den Fall der Kundigung der Beteiligung\nnicht an stillen Reserven beteiligt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die\nSchriftsatze des steuerlichen Beraters der Klin vom 19. Januar 2000, vom 3.\nApril 2000, vom 15. November 2000, vom 16. Marz 2001 und vom 19. Juli 2001\nsowie ihres Prozessbevollmachtigten vom 15. August 2001 Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Mit Vertrag vom 29. Dezember 1997 wurde die Beteiligung des -A- an der Klin\nin eine typische stille Beteiligung umgewandelt. Danach ist -A- im Fall der\nLiquidation von der Teilnahme an einem eventuellen Liquidationsuberschuss\nausgeschlossen und nimmt nicht an Verlusten der Gesellschaft teil. Der\nGewinnanspruch wurde zum Ausgleich auf maximal 15 % begrenzt. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Mit Einspruchsentscheidung vom 31. August 2001 wies der Bekl den Einspruch\nder Klin als unbegrundet zuruck. Dabei ging er davon aus, dass im Streitjahr\nzwischen der Kommanditisten-GmbH und -A- eine Mitunternehmerschaft in Form\neiner atypisch stillen Gesellschaft bestanden habe, da -A-\nMitunternehmerrisiko getragen habe und auch Mitunternehmerinitiative habe\nentfalten konnen. Mitunternehmerrisiko des -A- sei im Streitfall deshalb\ngegeben, weil er mit einer Einlage von 610.000 DM bei einer Bilanzsumme zum\n31. Dezember 1994 von 1.194.515,21 DM einen wesentlichen Anteil zur\nKapitalausstattung der Kommanditisten-GmbH beigetragen habe. Aufgrund dieses\nKapitaleinsatzes sei -A- im Streitjahr in hohem Maße am Gewinn und Verlust der\nKommanditisten-GmbH beteiligt gewesen. Ein Verlust sei nach der vertraglichen\nRegelung sogar ausschließlich den stillen Gesellschaftern zuzurechnen gewesen.\nZwar sei -A- nach dem Wortlaut des Vertrages fur den Fall der Kundigung nicht\nan eventuellen stillen Reserven der Kommanditisten-GmbH beteiligt. In seinem\nUrteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83 habe der Bundesfinanzhof (BFH) aber\nausgefuhrt, dass ein Mitunternehmerrisiko auch dann anzunehmen sei, wenn ein\nKommanditist im Fall seines vorzeitigen Ausscheidens von der Beteiligung an\nden stillen Reserven und am Geschaftswert ausgeschlossen sei, sofern eine\nsolche Beteiligung an stillen Reserven im Fall der Beendigung der Gesellschaft\nerhalten bleibe. \n--- \n| 42 \n--- \n| Im Streitfall sei das Vorliegen von stillen Reserven fur den Fall einer\nKundigung jedoch auch nicht zu erwarten gewesen. Denn das aktive Vermogen der\nKommanditisten-GmbH habe im Wesentlichen aus der Kommanditeinlage bei der Klin\nin Hohe von 100.000 DM sowie der stillen Einlage bei der Klin in Hohe von\n1.089.000,00 DM bestanden. Wahrend des Bestehens der Kommanditgesellschaft\nsowie dieser stillen Beteiligung hatten jedoch nach den maßgebenden\nGesellschaftsvertragen keine stillen Reserven entstehen konnen. Nur bei\nLiquidation der Klin hatte die Kommanditisten-GmbH Anteile an den stillen\nReserven der Klin realisieren konnen. Eine vertragliche Vereinbarung uber die\nBeteiligung des -A- an stillen Reserven fur den Fall der Kundigung der stillen\nGesellschaft ware daher ohnehin ins Leere gelaufen. \n--- \n| 43 \n--- \n| Daruber hinaus stehe die Tatsache, dass -A- fur den Fall der Kundigung an\nstillen Reserven nicht beteiligt gewesen sei, der Annahme einer\nMitunternehmerschaft im Streitfall nicht entgegen. Denn der BFH habe in\nstandiger Rechtsprechung entschieden, dass fur die Annahme einer\nMitunternehmerschaft sowohl das Merkmal der Mitunternehmerinitiative als auch\ndas des Mitunternehmerrisikos vorliegen musse, beide Merkmale aber "mehr oder\nweniger" ausgepragt sein konnten. Es musse also nicht jedes der beiden\nMerkmale voll ausgepragt sein. Eine schwach ausgepragte\nMitunternehmerinitiative reiche fur die Annahme einer Mitunternehmerstellung\naus, wenn das Mitunternehmerrisiko besonders stark ausgepragt sei oder\numgekehrt. Im Streitfall werde das moglicherweise schwacher ausgepragte\nMitunternehmerrisiko durch eine sehr starke Mitunternehmerinitiative\nausgeglichen. Dabei sei nach der Rechtsprechung des BFH die Stellung des -A-\nim Unternehmen in einer Gesamtschau, d. h. unter Einbeziehung aller Umstande\ndes Einzelfalles zu wurdigen (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1990, a.a.O.). In\ndiesem Fall sei dabei insbesondere zu berucksichtigen, dass -A- nach dem\nVertrag uber die stille Gesellschaft zunachst die gesetzlich vorgesehenen\nRechte eines stillen Gesellschafters zustunden. Daruber hinaus sei er im\nStreitjahr Geschaftsfuhrer bei samtlichen am Unternehmensverbund beteiligten\nGesellschaften gewesen. Damit gehe seine Stellung weit uber die eines\nKommanditisten hinaus, da er aufgrund seiner Geschaftsfuhrertatigkeit in\nVerbindung mit seiner Gesellschafterstellung bei der Komplementar-GmbH eine\nUnternehmerinitiative entfalten konne, die dem personlich haftenden\nGesellschafter einer Klin nahezu gleichkomme. \n--- \n| 44 \n--- \n| Die Gesellschaft sei im Vertrag auch als atypische stille Gesellschaft\nbezeichnet worden. Zwar sei die Bezeichnung allein zunachst kein Grund fur\neine rechtliche Einordnung. In Zweifels- und Grenzfallen sei jedoch nach dem\nUrteil des BFH, veroffentlicht in Bundessteuerblatt - BStBl - Teil II 1979, S.\n74 von Bedeutung, wie die Beteiligten selbst ihr Rechtsverhaltnis wahrend\nseines Bestands einkommensteuerlich beurteilt und demgemaß gegenuber der\nFinanzbehorde deklariert hatten. Hierzu sei festzustellen, dass seit Bestehen\nder Beteiligungen Erklarungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung\nabgegeben worden seien und auch im Rahmen mehrerer Betriebsprufungen das\nVorliegen einer atypischen Beteiligung nicht angezweifelt worden sei. Ferner\nsei den Beteiligten die steuerrechtliche Unterscheidung zwischen typischen und\natypischen stillen Beteiligungen offensichtlich bekannt gewesen, da neben dem\nstreitigen Gesellschaftsverhaltnis noch weitere stille Gesellschaften mit -B-\nund -E- gegrundet worden seien, bei denen eine Beteiligung am\nLiquidationserlos nicht vorgesehen sei. -A- habe seine Beteiligung im Jahr\n1997 in eine typisch stille Gesellschaft umgewandelt und auf eine Beteiligung\nam Liquidationserlos vertraglich verzichtet. Aus den Gesamtumstanden konne\ndaher geschlossen werden, dass die streitige Beteiligung ausdrucklich als\natypisch stille Gesellschaft von den Beteiligten gewollt gewesen sei. \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Tatigkeitsvergutung, die die Klin an -A- gezahlt habe, falle unter\ngewerbliche Einkunfte im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Als solche gehore\nsie zum Gewerbeertrag im Sinne des § 7 GewStG. -A- sei im Streitfall zwar\nnicht unmittelbar Mitunternehmer der Klin. Er sei aber uber seine\nMitunternehmerschaft im Rahmen der atypisch stillen Beteiligung an der Klin\nmittelbar beteiligt. Dabei sei es unerheblich, dass Hauptbeteiligter, also die\nKommanditisten-GmbH, eine Kapitalgesellschaft sei, da -A- nicht Gesellschafter\nder Hauptbeteiligten, sondern Mitunternehmer im Rahmen einer\nPersonengesellschaft mit der Hauptbeteiligten sei. Unerheblich sei nach den\nAusfuhrungen des BFH in seinem Urteil vom 2. Oktober 1997, veroffentlicht im\nBStBl Il 1998, 137 auch, dass -A- nicht uber eine Personengesellschaft,\nsondern lediglich uber einen Gesellschafter an der Klin beteiligt sei. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmachtigten vom 1. Oktober 2001 erhob die\nKlin Klage, mit der sie ihr Begehren, das von ihr an -A- gezahlte Gehalt als\nBetriebsausgabe abzuziehen, weiterverfolgt, da das Gehalt nicht als\nGewinnanteil im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusehen sei. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Zugrunde zu legen sei der Grundungsvertrag uber die stille Gesellschaft vom\n1. Januar 1976. Dieser Vertrag sei abgeschlossen worden zwischen der\nKommanditisten-GmbH und den stillen Gesellschaftern. Die stillen\nGesellschafter -A- und -C- seien nach § 2 des Vertrages mit der\nKommanditisten-GmbH uber die - im Vertrag so bezeichnete - "atypisch stille\nGesellschaft" verpflichtet, ihre Einlage in das Vermogen der Kommanditisten-\nGmbH einzulegen. Es handle sich hierbei also um eine stille Beteiligung nicht\nan der Klin, sondern an einer Kapitalgesellschaft. Merkmal einer stillen\nBeteiligung sei die Erbringung einer Einlage unter Beteiligung der stillen\nGesellschafter am Gewinn (ggf. auch am Verlust). Nach dem ursprunglichen\nVertrag liege zunachst einmal eine Gewinn- und Verlustbeteiligung vor. Nach §\n5 des Gesellschaftsvertrages erhalte ein an der Kommanditisten-GmbH\nbeteiligter Gesellschafter mit Kundigung bzw. nach § 6 bei vorzeitiger\nBeendigung der stillen Gesellschaft mit Ausscheiden ein\nAuseinandersetzungsguthaben, das sich ausdrucklich nach dem buchmaßigen\nKapital ("Festeinlage saldiert mit den Salden seiner Verrechnungskonten und\nseines etwaigen Verlustvortragskontos") bemesse. Diese buchmaßige Beteiligung\nam Kapital, d.h. der Ausschluss des stillen Gesellschafters "bei Beendigung\nder stillen Reserven nach den Regeln des § 5 Ziff. 6" bedeute eindeutig das\nVorliegen einer typischen stillen Beteiligung, auch wenn in dem Vertrag immer\nwieder falschlicherweise der Begriff der atypischen stillen Beteiligung\nauftauche. Richtigerweise messe der Bekl mit Schreiben vom 6. Marz 2001\nzunachst dieser falschen Bezeichnung keine Bedeutung bei. Die Beteiligung\neines stillen Gesellschafters nur am Liquidationserlos "fur den Fall der\nLiquidation der Kapitalgesellschaft" allein fuhre nicht dazu, eine typische\nstille Beteiligung in eine sog. atypische Beteiligung "umzuwandeln". Hinzu\nkomme der bereits angesprochene weitere Aspekt, dass die stillen\nGesellschafter an der Kommanditisten-GmbH beteiligt seien und nicht an der\nKlin. Wollte man uberhaupt von einer Mitunternehmerstellung sprechen, konnte\ndiese nur in Bezug auf die Kommanditisten-GmbH uberpruft werden, nicht aber\nbezogen auf die gesamte GmbH & Co. KG aus dem Gesichtspunkt der stillen\nBeteiligung. Zu beachten sei hier weiterhin, dass der Fall der Liquidation,\nohne dies genau statistisch belegen zu wollen, ein außerordentlich seltener\nFall sei. Mitgliederbeteiligungen wurden vielmehr einvernehmlich oder durch\nKundigung von der eigenen oder anderen Seite aufgelost. Das sei der Regelfall.\nFur diesen Regelfall sei jedoch nach § 5, 5./6. Zeile des Vertrages\nBemessungsgrundlage fur die Abfindung das buchmaßige Kapital. Weiterhin\nsprachen die folgenden Umstande fur die Annahme einer typischen stillen\nBeteiligung: Nach § 3 des Vertrages seien die stillen Gesellschafter als\nsolche von der Geschaftsfuhrung ausgeschlossen. Ihr Informationsrecht\nbeschranke sich auf die gesetzlich gegebenen Regelungen. Im Übrigen verweise §\n11 des Vertrages auf die gesetzlichen Bestimmungen. Damit unterscheide sich\ndie hier vorliegende typische stille Beteiligung von einem Darlehensvertrag\nlediglich dadurch, dass keine Verzinsung, sondern zunachst eine Gewinn- und\nVerlustbeteiligung vorliege. Die Ausfuhrungen des Bekl im Schreiben vom 6.\nMarz 2001 stellten den Kommanditisten im Streitfall den stillen\nGesellschaftern gleich. Der Bekl schreibe hierzu: "Ein Kommanditist sei\nMitunternehmer, wenn er annahernd die Rechte besitze, die ein Kommanditist\nnach der Regelung des HGB habe". Hierzu sei anzumerken, dass nach den Regeln\ndes Handelsgesetzbuchs (HGB) ein Kommanditist ein Gesellschafter sei, der in\nder Gesellschafterversammlung ein Stimmrecht habe. Eindeutig hatten hier die\nstillen Gesellschafter keinerlei Stimmrecht, weder bei der\nGesellschafterversammlung der Kommanditisten-GmbH, noch - naturlich - bei der\nGmbH & Co. KG. Außerdem komme noch hinzu, dass die Kommanditisten zwar nach §\n164 HGB von der Fuhrung der Geschafte der Gesellschaft ausgeschlossen seien.\nSie konnten aber einer Handlung des personlich haftenden Gesellschafters\nwidersprechen, wenn sie uber den gewohnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der\nGesellschaft hinausgehe. Zweifellos stehe hier den Gesellschaftern keinerlei\nWiderspruchsrecht in der Gesellschafterversammlung der Kommanditisten-GmbH zu,\nin der GmbH & Co. KG ohnehin nicht. Ein Kommanditist sei im Fall der Kundigung\nzwingend an den stillen Reserven beteiligt. Dies lege die Rechtsprechung des\nBundesgerichtshofs (BGH) fest. Eine Beschrankung auf den Buchwert sei bei\neinem Kommanditisten in keinem Fall zulassig. Es musse mindestens der halbe\ntatsachliche Wert der Beteiligung zur Auszahlung kommen. Die Regeln des § 5\n(buchmaßiges Kapital) sprachen eine eindeutige Sprache fur eine typische\nstille Beteiligung. Bei einer streitigen Auseinandersetzung hatten die\nGesellschafter keine andere Moglichkeit, als die Buchwertabfindung\nfestzusetzen. Die hier still Beteiligten hatten auch nicht auf andere Weise\naufgrund ihrer stillen Gesellschafterbeteiligungen Einfluss auf die\nGeschaftsfuhrerposition. Eine andere Frage sei die gesonderte Bestellung zum\nGeschaftsfuhrer der Komplementar-GmbH. Bei der Komplementar-GmbH handle es\nsich aber eindeutig um eine Gesellschaft, an der die stillen Gesellschafter\nuberhaupt nicht beteiligt seien. Sie seien vielmehr - und darauf musse noch\neinmal hingewiesen werden - an der Kommanditisten-GmbH beteiligt. Nach der\nRechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 28. Oktober 1999 VIII R 66 bis 70/97,\nveroffentlicht in DStR 2000, 193) sei der Durchgriff durch eine\nKapitalgesellschaft auf die dahinter stehenden naturlichen Personen nicht\nmoglich. Im Ergebnis sei daher festzuhalten, dass nach alledem der nicht\nzulassige Durchgriff und die abgeschlossenen typischen Beteiligungsvertrage\nnicht zur Mitunternehmerschaft der - still - Beteiligten fuhrten. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Klin beantragt, den geanderten Bescheid uber die Feststellung des\nvortragsfahigen Gewerbeverlusts zum 31. Dezember 1994 vom 22. Dezember 1999\nsowie die Einspruchsentscheidung des Bekl vom 31. August 2001 aufzuheben,\nhilfsweise die Revision zuzulassen. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Der Bekl beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision\nzuzulassen. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Er verweist zur Erwiderung auf die Ausfuhrungen in seiner\nEinspruchsentscheidung vom 31. August 2001. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 51 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber unbegrundet. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Die Gehaltszahlungen der Klin an den Geschaftsfuhrer der Komplementar-GmbH\n(-A-) stellen keine Betriebsausgaben der Klin dar, sondern sind als\nSondervergutung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG anzusehen. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Gemaß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind Einkunfte aus Gewerbebetrieb unter\nanderem die Vergutungen, die der Gesellschafter einer Mitunternehmerschaft fur\nseine Tatigkeiten im Dienst der Gesellschaft bezogen hat (Satz 1). Der\nmittelbar uber eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligte\nGesellschafter steht dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleich; er ist\nals Mitunternehmer des Betriebs der Gesellschaft anzusehen, an der er\nmittelbar beteiligt ist, wenn er und die Personengesellschaften, die seine\nBeteiligung vermitteln, jeweils als Mitunternehmer der Betriebe der\nPersonengesellschaft anzusehen sind, an denen sie unmittelbar beteiligt sind\n(Satz 2). Satz 2 dieser Vorschrift, der mit Steueranderungsgesetz (StÄndG)\n1992 vom 25. Februar 1992 (BStBl I 1992, 146, 152) eingefuhrt wurde, ist gemaß\n§ 52 Abs. 18 Satz 1 EStG in der fur das Streitjahr geltenden Fassung erstmals\nfur das Wirtschaftsjahr anzuwenden, das nach dem 31. Dezember 1991 endet. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Im Streitfall ist -A- zwar nicht unmittelbar an der KG (Klin) beteiligt. Es\nist aber eine mittelbare Beteiligung uber eine Personengesellschaft im Sinne\ndes § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG gegeben, da -A- atypisch still - und\ndamit mitunternehmerisch - an der Kommanditisten-GmbH beteiligt und diese\nwiederum Mitunternehmerin der Klin ist. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Fur die Annahme einer mittelbaren Beteiligung uber eine\nPersonengesellschaft ist hiernach erforderlich, dass eine Personengesellschaft\n(Obergesellschaft) an der Untergesellschaft oder an einer\nPersonengesellschaft, die ihrerseits wiederum Obergesellschaft ist\n(mehrstockige Personengesellschaft) unmittelbar beteiligt ist und dass eine\nununterbrochene Mitunternehmerkette besteht. Das heißt, die Obergesellschaft\nund deren Gesellschafter mussen jeweils "Mitunternehmer der Betriebe" der\nPersonengesellschaften sein, an denen sie unmittelbar beteiligt sind (vgl.\nhierzu Wacker, in: L. Schmidt, EStG, Kommentar, 25. Aufl. 2006, § 15 Rn. 613;\nBlumich/Stuhrmann, EStG, Kommentar, § 15 Rn. 538). Obergesellschaft im Sinne\nvon § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG kann jede Außengesellschaft (OHG, KG,\nGbR, auslandische Personengesellschaft), ein "wirtschaftlich vergleichbares\nGemeinschaftsverhaltnis", aber auch eine Innengesellschaft sein, deren\nGesellschafter Mitunternehmer sind (z.B. GmbH & atypisch Still). Denn\neinkommensteuerrechtlich ist allein entscheidend, dass der nach außen\nauftretende Gesellschafter (z.B. GmbH) fur Rechnung aller Gesellschafter tatig\nist (Wacker, in: L. Schmidt, EStG, am angegebenen Ort - a.a.O. -). \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Mitunternehmer ist, wer zivilrechtlich als Gesellschafter einer\nPersonengesellschaft oder als Teilhaber einer einer Personengesellschaft\nwirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaft Mitunternehmerrisiko tragt und\nMitunternehmerinitiative entfalten kann (Beschluss des Großen Senats des BFH\nvom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751, 769 mit weiteren Nachweisen -\nm.w.N. -; BFH-Urteil vom 20. November 1990 VIII R 10/87, BFHE 163, 336;\nBeschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BStBl II 1993,\n616, 621). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist unter Berucksichtigung\naller die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt\nbestimmenden Umstande (Gesamtbetrachtung) zu wurdigen (BFH-Urteil vom 19.\nFebruar 1981 IV R 152/76, BStBl II 1981, 602, 604; BFH-Urteil vom 20. November\n1990 VIII R 10/87, BFHE 163, 336). \n--- \n| 57 \n--- \n| Die Merkmale "Mitunternehmerrisiko" und "Mitunternehmerinitiative" mussen\nbeide vorliegen, sie konnen aber im Einzelfall mehr oder weniger ausgepragt\nsein (BFH-Beschluss vom 2. September 1985 IV B 51/85, BStBl II 1986, 10 - 12;\nBFH-Urteil vom 14. August 1986 IV R 131/84, BStBl II 1987, 60, 61; BFH-Urteil\nvom 9. Oktober 1986 IV R 235/84, BStBl II 1987, 124, 125; BFH-Urteil vom 20.\nNovember 1990 VIII R 10/87, BFHE 163, 336; BFH-Urteil vom 11. Dezember 1990\nVIII R 122/86, BFHE 163, 346; BFH-Urteil vom 13. Juli 1993 VIII R 50/92, BStBl\nII 1994, 282, 285; BFH-Urteil vom 15. Dezember 1992 VIII R 42/90, BStBl II\n1994, 702, 704; BFH-Urteil vom 1. August 1996 VIII R 12/94, BStBl II 1997,\n272, 275). \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Mitunternehmerrisiko bedeutet die gesellschaftsrechtliche Teilnahme am\nErfolg oder Mißerfolg eines Unternehmens (BFH-Urteil vom 9. Oktober 1986 IV R\n235/84, BStBl II 1987, 124, 125). Dieses Risiko wird regelmaßig durch\nBeteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des\nGesellschaftsvermogens einschließlich des Geschaftswerts vermittelt (Beschluss\ndes Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751, 769;\nBFH-Urteil vom 24. Juli 1984 VIII R 65/84, BStBl II 1985, 85, 87; BFH-Urteil\nvom 28. Januar 1986 VIII R 335/82, BStBl II 1986, 599, 600; BFH-Urteil vom 9.\nOktober 1986 IV R 235/84, BStBl II 1987, 124, 125; BFH-Urteil vom 20. November\n1990 VIII R 10/87, BFH-Urteil vom 8. Juli 1992 XI R 61, 62/89, BFH/NV 1993,\n14, 15; BFH-Urteil vom 13. Juli 1993 VIII R 50/92, BStBl II 1994, 282, 285;\nBFH-Urteil vom 1. August 1996 VIII R 12/94, BStBl II 1997, 272, 275; BFH-\nUrteil vom 28. Oktober 1999 VIII R 66-70/97, BStBl II 2000, 183, 184). Ein\nKommanditist tragt ein solches Risiko, indem er einerseits am laufenden Gewinn\nund im Falle seines Ausscheidens sowie im Fall der Liquidation auch an den\nstillen Reserven (§§ 161 Abs. 2, 168, 155, 138 alter Fassung - a.F.-, 131 Abs.\n1 Satz 1 Nr. 3 neuer Fassung - n.F.-, 105 Abs. 2 a.F., 105 Abs. 3 n.F. HGB, §\n738 Abs. 1 Satz 2 BGB), andererseits nach Maßgabe des § 167 Abs. 3 HGB am\nVerlust beteiligt ist (BFH-Urteil vom 29. April 1981 IV R 131/78, BStBl II\n1981, 663, 664; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS\n4/82, BStBl II 1984, 751, 769, 770). \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Mitunternehmerinitiative bedeutet in erster Linie Teilnahme an\nunternehmerischen Entscheidungen, wie sie z.B. einem Gesellschafter in der\nGesellschafterversammlung oder einem Geschaftsfuhrer, Prokurist oder leitenden\nAngestellten obliegen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984\nGrS 4/82, BStBl II 1984, 751, 769 m.w.N.; BFH-Urteil vom 15. Juli 1986 VIII R\n154/85, BStBl II 1986, 896; BFH-Urteil vom 14. August 1986 IV R 131/84, BStBl\nII 1987, 60, 61; BFH-Urteil vom 9. Oktober 1986 IV R 235/84, BStBl II 1987,\n124, 125, 126; BFH-Urteil vom 13. Juli 1993 VIII R 50/92, BStBl II 1994, 282,\n285; BFH-Urteil vom 1. August 1996 VIII R 12/94, BStBl II 1997, 272, 275). Fur\ndie Annahme von Mitunternehmerinitiative genugt es, wenn der Gesellschafter\ndie Moglichkeit hat, seine Gesellschaftsrechte, die wenigstens den Stimm-,\nKontroll- und Widerspruchsrechten eines Kommanditisten nach dem HGB angenahert\nsind (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II\n1984, 751, 769, 770) oder den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach §\n716 Abs. 1 BGB entsprechen (BFH-Urteil vom 19. Februar 1981 IV R 152/76, BStBl\nII 1981, 602, 604; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS\n4/82, BStBl II 1984, 751, 769, 770) auszuuben. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| 1) Zwischen der Kommanditisten-GmbH und der Klin bestand im Streitjahr eine\nMitunternehmerschaft, die sich aus der Kommanditistenstellung sowie -\nzusatzlich - aus der atypisch stillen Beteiligung der Kommanditisten-GmbH an\nder Klin ergab. Denn die Kommanditisten-GmbH trug Mitunternehmerrisiko und\nhatte Mitunternehmerinitiative inne. \n--- \n| 61 \n--- \n| Das Mitunternehmerrisiko der Kommanditisten-GmbH ergibt sich aus ihrer\nerheblichen Kapitalbeteiligung an der Klin und der weitgehenden Beteiligung am\nGewinn und Verlust sowie am Liquidationserlos der Klin bzw. - mit Ausnahme der\nEigenkundigung - am Auseinandersetzungsguthaben. So war das gesamte Kapital\nder Klin - von nach § 3 III des KG-Vertrags aufgenommenen Darlehen abgesehen -\nvon der Kommanditisten-GmbH aufzubringen, sei es als Kommanditeinlage in Hohe\nvon - im Streitjahr - 100.000 DM oder aufgrund der daneben bestehenden - von\nden Vertragsparteien als "atypisch stille Gesellschaft" bezeichneten - stillen\nBeteiligung in Hohe von - im Streitjahr - 1.089.000 DM. Denn nach § 3 II des\nKG-Vertrags hatte die personlich haftende Gesellschafterin - die Komplementar-\nGmbH - keine Kapitaleinlage in die Klin zu erbringen. Auch nahm die\nKommanditisten-GmbH nach den Regelungen in § 14 des KG-Vertrags sowie in § 4\ndes "Grundungsvertrags uber atypisch stille Gesellschaft" zwischen der Klin\nund der Kommanditisten-GmbH aufgrund ihrer weitgehenden Kapitalbeteiligung an\nder Klin in erheblichem Umfang am Gewinn bzw. Verlust der Klin teil. Denn nach\n§ 14 des KG-Vertrags waren - nach einem Vorweggewinn der Komplementar-GmbH in\nHohe von 1.800 DM bis 2.500 DM (§ 14 I des KG-Vertrags) - die Einlagekonten\nmit 6 v.H. zu verzinsen (§ 14 II u. III KG-Vertrag). Ein verbleibender Gewinn\noder Verlust der Gesellschaft war gemaß § 14 IV entsprechend den Anteilen der\nvereinbarten Festeinlagen zu verteilen, wenn nicht im Vertrag uber die stille\nGesellschaft etwas anderes vereinbart wurde. Eine solche abweichende Regelung\nist nicht erfolgt. \n--- \n| 62 \n--- \n| Zwar stand Kommanditisten nach § 12 I u. II des KG-Vertrags bei eigener\nKundigung lediglich eine Auszahlung ihres Kapitalkontos unter Verrechnung der\nSalden ihrer Verrechnungs-, Darlehens- oder Privatkonten zum Buchwert zu. Nach\n§ 12 III des KG-Vertrags richtete sich bei Kundigung durch den Komplementar\njedoch das Auseinandersetzungsguthaben nach einer Auseinandersetzungsbilanz,\ndie nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes zu erstellen war. Im Fall der\nLiquidation standen dem nicht mit einer Festeinlage beteiligten Komplementar\ngemaß § 12 IV des KG-Vertrags 20 v.H. des Liquidationserloses zu, wahrend der\nRest entsprechend den Festeinlagen zuzuglich sonstiger Kapitalguthaben zu\nverteilen war. \n--- \n| 63 \n--- \n| Der Umstand, dass die Kommanditisten-GmbH im Falle einer eigenen Kundigung\nlediglich zum Buchwert abgefunden werden sollte, hindert die Annahme eines\nausreichenden Mitunternehmerrisikos nicht. Zwar ist fur die Annahme einer\nausreichenden Mitunternehmerinitiative grundsatzlich erforderlich, dass der\nKommanditist bzw. der stille Gesellschafter nicht nur am laufenden\nUnternehmenserfolg, sondern im Fall seines Ausscheidens oder der Beendigung\nder Gesellschaft auch an den stillen Reserven und am Geschaftswert beteiligt\nist. Seine Beteiligung kann allerdings fur den Fall seines vorzeitigen\nAusscheidens ausgeschlossen oder eingeschrankt werden (BFH-Urteil vom 12.\nNovember 1985 VIII R 364/83, BStBl II 1986, 311, 314). \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Auch eine ausreichende Mitunternehmerinitiative der Kommanditisten-GmbH ist\ngegeben, denn der Kommanditisten-GmbH standen nach dem KG-Vertrag mindestens\ndie Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte zu, die das HGB fur einen\nKommanditisten vorsieht. Einschrankungen solcher gesetzlichen Rechte erfolgten\ndurch den KG-Vertrag nicht. Es wurde vielmehr in § 5 II des KG-Vertrags fur\ndie dort genannten Maßnahmen der Geschaftsfuhrung das Erfordernis der\nZustimmung der Gesellschafterversammlung konstituiert, obwohl § 161 Abs. 2 HGB\nin Verbindung mit - i.V.m. - § 116 Abs. 2 HGB einen solchen Beschluss nur fur\nsog. außergewohnlichen Geschafte vorsieht. Diese Zustimmung nach § 5 II des\nKG-Vertrags erfordert nach § 161 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 119 Abs. 1 HGB\n- mangels anderweitiger Regelung im Gesellschaftsvertrag der Klin - einen\neinstimmigen Beschluss der Gesellschafterversammlung und damit die Zustimmung\nder Kommanditisten-GmbH. Das Erfordernis der Zustimmung der Kommanditisten-\nGmbH weist dieser gegenuber den gesetzlichen Regelungen der §§ 161 Abs. 2, 116\nAbs. 2 HGB sowie des § 164 Satz 1, 2. Halbsatz HGB sogar eine erhohte\nMitunternehmerinitiative zu. Denn nach § 164 Satz 1, 2. Halbsatz HGB durfen\nKommanditisten einer Handlung der personlich haftenden Gesellschafter nicht\nwidersprechen, es sei denn, dass die Handlung uber den gewohnlichen Betrieb\ndes Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgeht. \n--- \n| 65 \n--- \n| Zwar hat die Kommanditisten-GmbH nach § 3 des "Grundungsvertrags uber\natypisch stille Gesellschaft" zwischen der Klin und der Kommanditisten-GmbH\naus ihrer stillen Beteiligung kein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung\nund ihr Informationsrecht beschrankt sich auf die Mitteilung der jahrlichen\nBilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung. Doch betrifft diese Regelung - wie\naus ihrer Verankerung im "Grundungsvertrag uber atypisch stille Gesellschaft"\nzwischen der Klin und der Kommanditisten-GmbH ersichtlich ist - lediglich die\nStellung der Kommanditisten-GmbH als stille Beteiligte und nicht ihre Stellung\nals Kommanditistin, die sich aus dem KG-Vertrag ergibt. \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Nach der vorzunehmenden Gesamtbildbetrachtung ist die Kommanditisten-GmbH\nsomit als Mitunternehmerin der Klin anzusehen, was zwischen den Beteiligten\nauch unstreitig ist. Denn der Kommanditisten-GmbH standen im Wesentlichen die\nRechte zu, die das HGB fur einen Kommanditisten vorsieht. Der Umstand, dass §\n161 Abs. 2 i.V.m. § 105 Abs. 2 a.F. bzw. Abs. 3 n.F. HGB und § 738 Abs. 1 Satz\n2 BGB eine Beteiligung des Kommanditisten an den stillen Reserven auch fur den\nFall der Eigenkundigung vorsehen, wahrend im Streitfall eine Beteiligung der\nKommanditisten-GmbH an den stillen Reserven und dem Geschaftswert der Klin\nnach § 12 des KG-Vertrags nur bei Kundigung seitens der Komplementarin sowie\nim Falle der Liquidation der Gesellschaft gegeben ist und ansonsten lediglich\neine Auszahlung des Buchkapitals erfolgt, kann das Gesamtbild nicht\nerschuttern. Denn dieses Minus an Mitunternehmerrisiko wird durch die erhohte\nMitunternehmerinitiative, die der Kommanditisten-GmbH aufgrund ihrer\nweitreichenden Zustimmungserfordernisse zukommt, ausgeglichen. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| 2) -A- war im Streitjahr als atypisch stiller Gesellschafter\nmitunternehmerisch an der Kommanditisten-GmbH beteiligt. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Stiller Gesellschafter ist, wer sich am Handelsgewerbe, das ein anderer\nbetreibt, mit einer Vermogenseinlage beteiligt (§ 230 HGB). Er ist im\nGrundsatz - als sog. typischer stiller Gesellschafter - nicht Mitunternehmer\ndes Betriebs, an dem er beteiligt ist, sondern bezieht in diesem Fall aus\nseiner stillen Beteiligung Einkunfte aus Kapitalvermogen im Sinne des § 20\nAbs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG. Eine atypisch stille Gesellschaft und damit eine\nMitunternehmerschaft liegt dagegen vor, wenn die durch den\nGesellschaftsvertrag begrundete Rechtsstellung des stillen Gesellschafters von\nden §§ 230 ff HGB derart abweicht, dass sie nach dem Gesamtbild dem Typus des\nMitunternehmers entspricht. Dies ist dann der Fall, wenn er allein oder\nzusammen mit anderen Personen Unternehmerinitiative entfalten kann und\nUnternehmerrisiko tragt. Beide Merkmale (Mitunternehmerrisiko und -initiative)\nmussen kumulativ vorliegen. Jedoch kann die geringere Auspragung eines\nMerkmals im Rahmen der gebotenen Gesamtbeurteilung der Umstande des\nEinzelfalls durch eine starkere Auspragung des anderen Merkmals ausgeglichen\nwerden (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2002 VIII R 20/01, BFH/NV 2003, 601, 602\nm.w.N.). \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Die Annahme einer Mitunternehmerschaft des still Beteiligten setzt voraus,\ndass er den Rechten eines Kommanditisten vergleichbare Befugnisse hat, am\nlaufenden Unternehmenserfolg beteiligt ist und i.d.R. im Falle der Beendigung\ndes Gesellschaftsverhaltnisses und bei Auflosung der Gesellschaft - nicht\nnotwendig bei vorzeitigem Ausscheiden (BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R\n364/83, BStBl II 1986, 311, 314; BFH-Urteil vom 18. Februar 1993 IV R 132/91,\nBFH/NV 1993, 647, 648, 649) - entsprechend seinem Gewinnanteil Anspruch auf\nden Zuwachs der stillen Reserven des Betriebsvermogens einschließlich des\nZuwachses am Firmenwert hat (BFH-Urteile vom 25. Juni 1981 IV R 61/78, BStBl\nII 1982, 59; BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BStBl II 1986,\n311, 314; BFH-Urteil vom 27. Mai 1993 IV R 1/92, BStBl II 1994, 700, 701; BFH-\nUrteil vom 6. Juli 1995 IV R 79/94, BStBl II 1996, 269, 270; BFH-Urteil vom 9.\nDezember 2002 VIII R 20/01, BFH/NV 2003, 601 - 603 m.w.N). \n--- \n| 70 \n--- \n| Die Beteiligung an den stillen Reserven und am Geschaftswert bei Beendigung\nder Gesellschaft ist Regelvoraussetzung, denn nur dann wird der Gewerbebetrieb\nim Innenverhaltnis, d.h. mit schuldrechtlicher Wirkung, auf gemeinsame\nRechnung und Gefahr des Geschaftsinhabers sowie des stillen Gesellschafters\ngefuhrt (BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BStBl II 1986, 311,\n314; BFH-Urteil vom 9. Dezember 2002 VIII R 20/01, BFH/NV 2003, 601, 603).\nDieses Erfordernis entspricht der nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gebotenen\nAngleichung an die Mitunternehmerstellung des Kommanditisten, der nach den\nhandelsrechtlichen Bestimmungen (§§ 161 Abs. 2, 155, 138 a.F., 131 Abs. 1 Satz\n1 Nr. 3 n.F., 105 Abs. 2 a.F., 105 Abs. 3 n.F. HGB, § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB)\nnicht nur bei Beendigung einer KG, sondern auch im Falle seines Ausscheidens\naus einer fortbestehenden Gesellschaft an den stillen Reserven unter\nEinschluss des Geschaftswerts beteiligt ist (BFH-Urteil vom 12. November 1985\nVIII R 364/83, BStBl II 1986, 311, 314). Es erlangt daruber hinaus aber auch\nfur die Abgrenzung von typischer und atypischer (d.h. mitunternehmerischer)\nstiller Gesellschaft besondere Bedeutung, weil zum einen die\nMitunternehmerinitiative des Stillen in beiden Fallen nach den §§ 230 ff HGB\nim Wesentlichen auf Kontrollrechte beschrankt ist sowie zum anderen auch das\nVorliegen eines typisch stillen Gesellschaftsverhaltnisses zwingend an die\nTeilhabe am Gewinn gebunden ist (§ 231 Abs. 2, 2. Halbsatz HGB) und auch fur\nden typisch stillen Gesellschafter die Teilhabe am Verlust des Unternehmens\nvereinbart werden kann (§ 231 Abs. 1 HGB; BFH-Urteil vom 18. Februar 1993 IV R\n132/91, BFH/NV 1993, 647, 648; BFH-Urteil vom 9. Dezember 2002 VIII R 20/01,\nBFH/NV 2003, 601 - 603 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| Ist der stille Gesellschafter an den stillen Reserven und am Geschaftswert\nbeteiligt, genugt es, dass er Mitunternehmerinitiative nur durch Ausubung von\nKontrollrechten nach § 233 HGB entfalten kann (BFH-Urteil vom 27. Januar 1994\nIV 114/91, BStBl II 1994, 635, 636; BFH-Urteil vom 10. August 1994 I R 133/93,\nBStBl II 1995, 171, 173). Selbst ohne Teilhabe an den stillen Reserven ist der\nstille Gesellschafter aber Mitunternehmer, wenn er eine hohe Beteiligung am\nBilanzgewinn hat und ihm typische unternehmerische Entscheidungen im Bereich\nder laufenden Geschaftsfuhrung ubertragen sind (BFH-Urteil vom 16. Dezember\n2003 VIII R 6/93, BFH/NV 2004, 1080, 1082 m.w.N.). Bei stiller Beteiligung an\neiner GmbH u. Co. KG kann dieser Voraussetzung unter besonderen Umstanden auch\ngenugt sein, wenn der stille Gesellschafter z.B. nur mittelbar, d.h. als\nAnteilseigner und Geschaftsfuhrer der GmbH, die Geschafte der KG fuhrt (BFH-\nUrteil vom 20. November 1990 VIII R 10/87, BFHE 163, 336; BFH-Urteil vom 11.\nDezember 1990 VIII R 122/86, Betriebsberater - BB - 1991, 1022, 1023; BFH-\nBeschluss vom 18. Juni 2001 IV B 88/00, BFH/NV 2001, 1550) oder gegenuber der\nGmbH weisungsbefugt ist und zudem entsprechend seiner hohen Einlage am Gewinn\nund Verlust beteiligt ist (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 18/98, BStBl\nII 1999, 286, 287, 288 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| Unter Berucksichtigung vorstehender Grundsatze, denen der Senat folgt, ist\neine atypisch stille Beteiligung des -A- an der Kommanditisten-GmbH und somit\neine Mitunternehmerschaft zwischen -A- und der Kommanditisten-GmbH gegeben.\nDenn -A- trug im Streitjahr - ebenso wie die andere stille Beteiligte, -C- -\nein erhebliches Mitunternehmerrisiko und ubte auch eine ausreichende\nMitunternehmerinitiative aus. \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| Mit seiner Einlage von - im Streitjahr - 610.000 DM leistete -A- - ebenso\nwie die andere stille Beteiligte, -C- - einen wesentlichen Beitrag zur\nKapitalausstattung der Kommanditisten-GmbH, die wiederum im Wesentlichen die\nKlin mit Kapital ausstattete. Auch nahmen die stillen Gesellschafter nach § 4\ndes Vertrages uber die - von den Vertragsparteien so bezeichnete - "atypisch\nstille Gesellschaft" weitgehend am Gewinn- und Verlust der Kommanditisten-GmbH\nteil. Damit hatten die stillen Gesellschafter -A- und -C- in erheblichem\nUmfang Anteil am wirtschaftlichen Erfolg der Kommanditisten-GmbH und und\nhatten somit ein erhebliches Mitunternehmerrisiko inne. Die stille Beteiligung\ndes -A- (und der -C-) hebt sich somit von einer typischen stillen Beteiligung\nbereits dadurch ab, dass der still Beteiligte ein erhohtes wirtschaftliches\nRisiko tragt und - spiegelbildlich hierzu - einen erhohten Anteil am\nUnternehmensgewinn hat. \n--- \n| 74 \n--- \n| Zwar sollten die stillen Gesellschafter nach § 5 des Vertrages uber die\n"atypische stille Gesellschaft" im Falle der Kundigung der stillen\nGesellschaft - unabhangig davon, von welcher Seite die Kundigung erfolgt -\nlediglich ihr Buchkapital ausgezahlt erhalten und sollten nur im Fall der\nLiquidation an den stillen Reserven der Kommanditisten-GmbH beteiligt sein,\nwobei die Verlustubernahme bei negativem Ergebnis der Liquidation nur bis zur\nHohe des vereinbarten Festkapitals des jeweiligen stillen Gesellschafters\nabzuglich seiner Verlustvortrage reichen sollte. Diese Abweichung gegenuber\nder gesetzlichen Regelung fur einen Kommanditisten (§§ 161 Abs. 2, 138 a.F.,\n131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 n.F., 105 Abs. 2 a.F., 105 Abs. 3 n.F. HGB, § 738 Abs.\n1 Satz 2 BGB) fuhrt jedoch aufgrund der weitreichenden Beteiligung der stillen\nGesellschafter am laufenden Gewinn und Verlust der Kommanditisten-GmbH nur zu\neiner geringfugigen Einschrankung des hohen Mitunternehmerrisikos des -A-.\nEntgegen der Auffassung der Klin ist die Entstehung stiller Reserven im Fall\nder Liquidation der Kommanditisten-GmbH auch nicht ausgeschlossen. Denn die\nKommanditisten-GmbH ist fur den Fall der Liquidation der Klin an deren stillen\nReserven beteiligt. Da diese operativ tatig ist und das Betriebsgrundstuck in\nihrem Eigentum steht, ist das Entstehen stiller Reserven bei der Klin und\nsomit - im Fall der Liquidation - ein Anspruch der Kommanditisten-GmbH auf\neinen entsprechenden Anteil hieran, nicht ausgeschlossen. Der Umstand, dass\ndie stillen Gesellschafter -A- und -C- im Falle der Kundigung der stillen\nGesellschaft von der Teilhabe an den stillen Reserven der Kommanditisten-GmbH\nausgeschlossen sind, reicht - wie oben bereits dargestellt - fur sich allein\nfur die Versagung einer Mitunternehmerschaft nicht aus. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Indem -A- als alleinvertretungsberechtigter Geschaftsfuhrer der\nKomplementar-GmbH die Geschafte der Klin fuhrte, konnte er in besonders\nstarkem Maße bei der Klin Mitunternehmerinitiative entfalten. Da die Klin\nweitgehend zum Vorteil bzw. auf Gefahr der Kommanditisten-GmbH handelte, ist\ndie Mitunternehmerinitiative, die -A- bei der Klin ausubte, als ausreichend\nanzusehen. Hierbei ist auch zu berucksichtigten, dass im Streitfall letztlich\ndie Frage nach einer - mittelbaren - Beteiligung an der Klin zu beantworten\nist. Daruber hinaus konnte -A- aufgrund seiner halftigen Beteiligung an der\nKomplementar-GmbH auch in der Gesellschafterversammlung der Klin\nMitunternehmerinitiative entfalten. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| Die stille Beteiligung des -A- an der Kommanditisten-GmbH ist aufgrund des\nhiernach gegebenen erheblichen Mitunternehmerrisikos und auch der erheblichen\nMitunternehmerinitiative nach dem Gesamtbild der Verhaltnisse als atypisch\nstill anzusehen. -A- ist mit dem wirtschaftlichen Wohl und Wehe der\nKommanditisten-GmbH deutlich starker verbunden, als dies von den Regelungen\ndes HGB uber die stille Gesellschaft vorgesehen ist. Aufgrund seiner\nGeschaftsfuhrertatigkeit fur die Komplementar-GmbH und damit auch fur die Klin\nubt er auch eine Mitunternehmerinitiative aus, die erheblich starker ist als\ndie eines typisch stillen Gesellschafters. \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| 3) Der Beurteilung des -A- als mittelbar uber eine Personengesellschaft an\nder Klin Beteiligter steht im Streitfall kein "Verbot des Durchgriffs durch\neine Kapitalgesellschaft" (hier: durch die Kommanditisten-GmbH) entgegen. \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| Zwar ist anerkannt, dass nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG nur der\nmittelbar uber eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligte\nGesellschafter dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleichsteht und dass\neine mittelbare Beteiligung uber eine Kapitalgesellschaft die Voraussetzungen\ndieser Norm nicht erfullt. Denn fur einen solchen "Durchgriff durch die\nKapitalgesellschaft" auf ihre Gesellschafter bedurfte es einer ausdrucklichen\ngesetzlichen Regelung (BFH-Urteil vom 28.10.1999 VIII R 66-70/97, BStBl II\n2000, 183, 185 m.w.N.; Wacker, in: L. Schmidt, EStG, a.a.O., § 15 Rz. 624;\nAxel Schmidt, Einkommensteuerrechtliche Behandlung mittelbarer\nLeistungsbeziehungen bei Personengesellschaften, S. 103 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| Ein solcher Durchgriff durch die Kommanditisten-GmbH auf ihre\nGesellschafter erfolgt indes durch die Annahme einer mittelbaren Beteiligung\ndes -A- an der Klin nicht. Es liegt vielmehr eine Hintereinanderschaltung\nzweier Mitunternehmerschaften, namlich der Mitunternehmerschaft zwischen der\nKlin und der Kommanditisten-GmbH sowie der Mitunternehmerschaft zwischen der\nKommanditisten-GmbH und dem atypisch still Beteiligten -A-, vor. \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| Zwar ist die atypisch stille Gesellschaft, bestehend aus -A- und der\nKommanditisten-GmbH, weder Kommanditistin der KG noch ist sie - die GmbH &\natypisch Still - atypisch still an der KG beteiligt. Es ist vielmehr die\nKommanditisten-GmbH selbst, die Kommanditistin der KG sowie an dieser atypisch\nstill beteiligt ist. Diesem Umstand kommt jedoch fur den Streitfall keine\nentscheidende Bedeutung zu. Denn die stille Gesellschaft ist dadurch\ngekennzeichnet, dass der stille Gesellschafter am Handelsgewerbe des\nGeschaftsinhabers beteiligt ist und die Einlage des stillen Gesellschafters\nkeiner gesamthanderischen Bindung unterliegt, sondern in das Vermogen des\nGeschaftsinhabers zu leisten ist (BFH-Urteil vom 13. Mai 1998 VIII R 81/96,\nBFH/NV 1999, 355, 357; BFH-Urteil vom 10. Juli 2001 VIII R 45/98, BStBl II\n2002, 339, 340). Der Inhaber des Handelsgeschafts tritt im Rahmen des § 15\nAbs. 1 Nr. 2 EStG an die Stelle der Gesellschaft (so fur die Frage, ob fur die\nAnnahme gewerblicher Einkunfte eine gewerbliche Tatigkeit der atypisch stillen\nGesellschaft erforderlich ist oder ob die gewerbliche Tatigkeit des Inhabers\ndes Handelsgeschafts ausreicht: BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R\n364/83, BStBl II 1986, 311, 313, 314; zur Gleichbehandlung wirtschaftlich\nvergleichbarer Sachverhalte der Beteiligung uber eine Außengesellschaft und\nuber eine Innengesellschaft vgl. auch BFH-Urteil vom 2. Oktober 1997 IV R\n75/96, BStBl II 1998, 137, 138). \n--- \n--- \n| 81 \n--- \n| -A- ist mithin uber eine Kette von Mitunternehmerschaften, also mittelbar\nuber eine Personengesellschaft, an der Klin beteiligt, so dass sein Gehalt\ngemaß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satze 1 und 2 EStG als Sondervergutung, also\nals Gewinnanteil, anzusehen ist. \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n--- \n| 83 \n--- \n| Die Revision war gemaß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 51 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber unbegrundet. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Die Gehaltszahlungen der Klin an den Geschaftsfuhrer der Komplementar-GmbH\n(-A-) stellen keine Betriebsausgaben der Klin dar, sondern sind als\nSondervergutung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG anzusehen. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Gemaß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind Einkunfte aus Gewerbebetrieb unter\nanderem die Vergutungen, die der Gesellschafter einer Mitunternehmerschaft fur\nseine Tatigkeiten im Dienst der Gesellschaft bezogen hat (Satz 1). Der\nmittelbar uber eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligte\nGesellschafter steht dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleich; er ist\nals Mitunternehmer des Betriebs der Gesellschaft anzusehen, an der er\nmittelbar beteiligt ist, wenn er und die Personengesellschaften, die seine\nBeteiligung vermitteln, jeweils als Mitunternehmer der Betriebe der\nPersonengesellschaft anzusehen sind, an denen sie unmittelbar beteiligt sind\n(Satz 2). Satz 2 dieser Vorschrift, der mit Steueranderungsgesetz (StÄndG)\n1992 vom 25. Februar 1992 (BStBl I 1992, 146, 152) eingefuhrt wurde, ist gemaß\n§ 52 Abs. 18 Satz 1 EStG in der fur das Streitjahr geltenden Fassung erstmals\nfur das Wirtschaftsjahr anzuwenden, das nach dem 31. Dezember 1991 endet. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Im Streitfall ist -A- zwar nicht unmittelbar an der KG (Klin) beteiligt. Es\nist aber eine mittelbare Beteiligung uber eine Personengesellschaft im Sinne\ndes § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG gegeben, da -A- atypisch still - und\ndamit mitunternehmerisch - an der Kommanditisten-GmbH beteiligt und diese\nwiederum Mitunternehmerin der Klin ist. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Fur die Annahme einer mittelbaren Beteiligung uber eine\nPersonengesellschaft ist hiernach erforderlich, dass eine Personengesellschaft\n(Obergesellschaft) an der Untergesellschaft oder an einer\nPersonengesellschaft, die ihrerseits wiederum Obergesellschaft ist\n(mehrstockige Personengesellschaft) unmittelbar beteiligt ist und dass eine\nununterbrochene Mitunternehmerkette besteht. Das heißt, die Obergesellschaft\nund deren Gesellschafter mussen jeweils "Mitunternehmer der Betriebe" der\nPersonengesellschaften sein, an denen sie unmittelbar beteiligt sind (vgl.\nhierzu Wacker, in: L. Schmidt, EStG, Kommentar, 25. Aufl. 2006, § 15 Rn. 613;\nBlumich/Stuhrmann, EStG, Kommentar, § 15 Rn. 538). Obergesellschaft im Sinne\nvon § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG kann jede Außengesellschaft (OHG, KG,\nGbR, auslandische Personengesellschaft), ein "wirtschaftlich vergleichbares\nGemeinschaftsverhaltnis", aber auch eine Innengesellschaft sein, deren\nGesellschafter Mitunternehmer sind (z.B. GmbH & atypisch Still). Denn\neinkommensteuerrechtlich ist allein entscheidend, dass der nach außen\nauftretende Gesellschafter (z.B. GmbH) fur Rechnung aller Gesellschafter tatig\nist (Wacker, in: L. Schmidt, EStG, am angegebenen Ort - a.a.O. -). \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Mitunternehmer ist, wer zivilrechtlich als Gesellschafter einer\nPersonengesellschaft oder als Teilhaber einer einer Personengesellschaft\nwirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaft Mitunternehmerrisiko tragt und\nMitunternehmerinitiative entfalten kann (Beschluss des Großen Senats des BFH\nvom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751, 769 mit weiteren Nachweisen -\nm.w.N. -; BFH-Urteil vom 20. November 1990 VIII R 10/87, BFHE 163, 336;\nBeschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BStBl II 1993,\n616, 621). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist unter Berucksichtigung\naller die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt\nbestimmenden Umstande (Gesamtbetrachtung) zu wurdigen (BFH-Urteil vom 19.\nFebruar 1981 IV R 152/76, BStBl II 1981, 602, 604; BFH-Urteil vom 20. November\n1990 VIII R 10/87, BFHE 163, 336). \n--- \n| 57 \n--- \n| Die Merkmale "Mitunternehmerrisiko" und "Mitunternehmerinitiative" mussen\nbeide vorliegen, sie konnen aber im Einzelfall mehr oder weniger ausgepragt\nsein (BFH-Beschluss vom 2. September 1985 IV B 51/85, BStBl II 1986, 10 - 12;\nBFH-Urteil vom 14. August 1986 IV R 131/84, BStBl II 1987, 60, 61; BFH-Urteil\nvom 9. Oktober 1986 IV R 235/84, BStBl II 1987, 124, 125; BFH-Urteil vom 20.\nNovember 1990 VIII R 10/87, BFHE 163, 336; BFH-Urteil vom 11. Dezember 1990\nVIII R 122/86, BFHE 163, 346; BFH-Urteil vom 13. Juli 1993 VIII R 50/92, BStBl\nII 1994, 282, 285; BFH-Urteil vom 15. Dezember 1992 VIII R 42/90, BStBl II\n1994, 702, 704; BFH-Urteil vom 1. August 1996 VIII R 12/94, BStBl II 1997,\n272, 275). \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Mitunternehmerrisiko bedeutet die gesellschaftsrechtliche Teilnahme am\nErfolg oder Mißerfolg eines Unternehmens (BFH-Urteil vom 9. Oktober 1986 IV R\n235/84, BStBl II 1987, 124, 125). Dieses Risiko wird regelmaßig durch\nBeteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des\nGesellschaftsvermogens einschließlich des Geschaftswerts vermittelt (Beschluss\ndes Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751, 769;\nBFH-Urteil vom 24. Juli 1984 VIII R 65/84, BStBl II 1985, 85, 87; BFH-Urteil\nvom 28. Januar 1986 VIII R 335/82, BStBl II 1986, 599, 600; BFH-Urteil vom 9.\nOktober 1986 IV R 235/84, BStBl II 1987, 124, 125; BFH-Urteil vom 20. November\n1990 VIII R 10/87, BFH-Urteil vom 8. Juli 1992 XI R 61, 62/89, BFH/NV 1993,\n14, 15; BFH-Urteil vom 13. Juli 1993 VIII R 50/92, BStBl II 1994, 282, 285;\nBFH-Urteil vom 1. August 1996 VIII R 12/94, BStBl II 1997, 272, 275; BFH-\nUrteil vom 28. Oktober 1999 VIII R 66-70/97, BStBl II 2000, 183, 184). Ein\nKommanditist tragt ein solches Risiko, indem er einerseits am laufenden Gewinn\nund im Falle seines Ausscheidens sowie im Fall der Liquidation auch an den\nstillen Reserven (§§ 161 Abs. 2, 168, 155, 138 alter Fassung - a.F.-, 131 Abs.\n1 Satz 1 Nr. 3 neuer Fassung - n.F.-, 105 Abs. 2 a.F., 105 Abs. 3 n.F. HGB, §\n738 Abs. 1 Satz 2 BGB), andererseits nach Maßgabe des § 167 Abs. 3 HGB am\nVerlust beteiligt ist (BFH-Urteil vom 29. April 1981 IV R 131/78, BStBl II\n1981, 663, 664; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS\n4/82, BStBl II 1984, 751, 769, 770). \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Mitunternehmerinitiative bedeutet in erster Linie Teilnahme an\nunternehmerischen Entscheidungen, wie sie z.B. einem Gesellschafter in der\nGesellschafterversammlung oder einem Geschaftsfuhrer, Prokurist oder leitenden\nAngestellten obliegen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984\nGrS 4/82, BStBl II 1984, 751, 769 m.w.N.; BFH-Urteil vom 15. Juli 1986 VIII R\n154/85, BStBl II 1986, 896; BFH-Urteil vom 14. August 1986 IV R 131/84, BStBl\nII 1987, 60, 61; BFH-Urteil vom 9. Oktober 1986 IV R 235/84, BStBl II 1987,\n124, 125, 126; BFH-Urteil vom 13. Juli 1993 VIII R 50/92, BStBl II 1994, 282,\n285; BFH-Urteil vom 1. August 1996 VIII R 12/94, BStBl II 1997, 272, 275). Fur\ndie Annahme von Mitunternehmerinitiative genugt es, wenn der Gesellschafter\ndie Moglichkeit hat, seine Gesellschaftsrechte, die wenigstens den Stimm-,\nKontroll- und Widerspruchsrechten eines Kommanditisten nach dem HGB angenahert\nsind (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II\n1984, 751, 769, 770) oder den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach §\n716 Abs. 1 BGB entsprechen (BFH-Urteil vom 19. Februar 1981 IV R 152/76, BStBl\nII 1981, 602, 604; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS\n4/82, BStBl II 1984, 751, 769, 770) auszuuben. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| 1) Zwischen der Kommanditisten-GmbH und der Klin bestand im Streitjahr eine\nMitunternehmerschaft, die sich aus der Kommanditistenstellung sowie -\nzusatzlich - aus der atypisch stillen Beteiligung der Kommanditisten-GmbH an\nder Klin ergab. Denn die Kommanditisten-GmbH trug Mitunternehmerrisiko und\nhatte Mitunternehmerinitiative inne. \n--- \n| 61 \n--- \n| Das Mitunternehmerrisiko der Kommanditisten-GmbH ergibt sich aus ihrer\nerheblichen Kapitalbeteiligung an der Klin und der weitgehenden Beteiligung am\nGewinn und Verlust sowie am Liquidationserlos der Klin bzw. - mit Ausnahme der\nEigenkundigung - am Auseinandersetzungsguthaben. So war das gesamte Kapital\nder Klin - von nach § 3 III des KG-Vertrags aufgenommenen Darlehen abgesehen -\nvon der Kommanditisten-GmbH aufzubringen, sei es als Kommanditeinlage in Hohe\nvon - im Streitjahr - 100.000 DM oder aufgrund der daneben bestehenden - von\nden Vertragsparteien als "atypisch stille Gesellschaft" bezeichneten - stillen\nBeteiligung in Hohe von - im Streitjahr - 1.089.000 DM. Denn nach § 3 II des\nKG-Vertrags hatte die personlich haftende Gesellschafterin - die Komplementar-\nGmbH - keine Kapitaleinlage in die Klin zu erbringen. Auch nahm die\nKommanditisten-GmbH nach den Regelungen in § 14 des KG-Vertrags sowie in § 4\ndes "Grundungsvertrags uber atypisch stille Gesellschaft" zwischen der Klin\nund der Kommanditisten-GmbH aufgrund ihrer weitgehenden Kapitalbeteiligung an\nder Klin in erheblichem Umfang am Gewinn bzw. Verlust der Klin teil. Denn nach\n§ 14 des KG-Vertrags waren - nach einem Vorweggewinn der Komplementar-GmbH in\nHohe von 1.800 DM bis 2.500 DM (§ 14 I des KG-Vertrags) - die Einlagekonten\nmit 6 v.H. zu verzinsen (§ 14 II u. III KG-Vertrag). Ein verbleibender Gewinn\noder Verlust der Gesellschaft war gemaß § 14 IV entsprechend den Anteilen der\nvereinbarten Festeinlagen zu verteilen, wenn nicht im Vertrag uber die stille\nGesellschaft etwas anderes vereinbart wurde. Eine solche abweichende Regelung\nist nicht erfolgt. \n--- \n| 62 \n--- \n| Zwar stand Kommanditisten nach § 12 I u. II des KG-Vertrags bei eigener\nKundigung lediglich eine Auszahlung ihres Kapitalkontos unter Verrechnung der\nSalden ihrer Verrechnungs-, Darlehens- oder Privatkonten zum Buchwert zu. Nach\n§ 12 III des KG-Vertrags richtete sich bei Kundigung durch den Komplementar\njedoch das Auseinandersetzungsguthaben nach einer Auseinandersetzungsbilanz,\ndie nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes zu erstellen war. Im Fall der\nLiquidation standen dem nicht mit einer Festeinlage beteiligten Komplementar\ngemaß § 12 IV des KG-Vertrags 20 v.H. des Liquidationserloses zu, wahrend der\nRest entsprechend den Festeinlagen zuzuglich sonstiger Kapitalguthaben zu\nverteilen war. \n--- \n| 63 \n--- \n| Der Umstand, dass die Kommanditisten-GmbH im Falle einer eigenen Kundigung\nlediglich zum Buchwert abgefunden werden sollte, hindert die Annahme eines\nausreichenden Mitunternehmerrisikos nicht. Zwar ist fur die Annahme einer\nausreichenden Mitunternehmerinitiative grundsatzlich erforderlich, dass der\nKommanditist bzw. der stille Gesellschafter nicht nur am laufenden\nUnternehmenserfolg, sondern im Fall seines Ausscheidens oder der Beendigung\nder Gesellschaft auch an den stillen Reserven und am Geschaftswert beteiligt\nist. Seine Beteiligung kann allerdings fur den Fall seines vorzeitigen\nAusscheidens ausgeschlossen oder eingeschrankt werden (BFH-Urteil vom 12.\nNovember 1985 VIII R 364/83, BStBl II 1986, 311, 314). \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Auch eine ausreichende Mitunternehmerinitiative der Kommanditisten-GmbH ist\ngegeben, denn der Kommanditisten-GmbH standen nach dem KG-Vertrag mindestens\ndie Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte zu, die das HGB fur einen\nKommanditisten vorsieht. Einschrankungen solcher gesetzlichen Rechte erfolgten\ndurch den KG-Vertrag nicht. Es wurde vielmehr in § 5 II des KG-Vertrags fur\ndie dort genannten Maßnahmen der Geschaftsfuhrung das Erfordernis der\nZustimmung der Gesellschafterversammlung konstituiert, obwohl § 161 Abs. 2 HGB\nin Verbindung mit - i.V.m. - § 116 Abs. 2 HGB einen solchen Beschluss nur fur\nsog. außergewohnlichen Geschafte vorsieht. Diese Zustimmung nach § 5 II des\nKG-Vertrags erfordert nach § 161 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 119 Abs. 1 HGB\n- mangels anderweitiger Regelung im Gesellschaftsvertrag der Klin - einen\neinstimmigen Beschluss der Gesellschafterversammlung und damit die Zustimmung\nder Kommanditisten-GmbH. Das Erfordernis der Zustimmung der Kommanditisten-\nGmbH weist dieser gegenuber den gesetzlichen Regelungen der §§ 161 Abs. 2, 116\nAbs. 2 HGB sowie des § 164 Satz 1, 2. Halbsatz HGB sogar eine erhohte\nMitunternehmerinitiative zu. Denn nach § 164 Satz 1, 2. Halbsatz HGB durfen\nKommanditisten einer Handlung der personlich haftenden Gesellschafter nicht\nwidersprechen, es sei denn, dass die Handlung uber den gewohnlichen Betrieb\ndes Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgeht. \n--- \n| 65 \n--- \n| Zwar hat die Kommanditisten-GmbH nach § 3 des "Grundungsvertrags uber\natypisch stille Gesellschaft" zwischen der Klin und der Kommanditisten-GmbH\naus ihrer stillen Beteiligung kein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung\nund ihr Informationsrecht beschrankt sich auf die Mitteilung der jahrlichen\nBilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung. Doch betrifft diese Regelung - wie\naus ihrer Verankerung im "Grundungsvertrag uber atypisch stille Gesellschaft"\nzwischen der Klin und der Kommanditisten-GmbH ersichtlich ist - lediglich die\nStellung der Kommanditisten-GmbH als stille Beteiligte und nicht ihre Stellung\nals Kommanditistin, die sich aus dem KG-Vertrag ergibt. \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Nach der vorzunehmenden Gesamtbildbetrachtung ist die Kommanditisten-GmbH\nsomit als Mitunternehmerin der Klin anzusehen, was zwischen den Beteiligten\nauch unstreitig ist. Denn der Kommanditisten-GmbH standen im Wesentlichen die\nRechte zu, die das HGB fur einen Kommanditisten vorsieht. Der Umstand, dass §\n161 Abs. 2 i.V.m. § 105 Abs. 2 a.F. bzw. Abs. 3 n.F. HGB und § 738 Abs. 1 Satz\n2 BGB eine Beteiligung des Kommanditisten an den stillen Reserven auch fur den\nFall der Eigenkundigung vorsehen, wahrend im Streitfall eine Beteiligung der\nKommanditisten-GmbH an den stillen Reserven und dem Geschaftswert der Klin\nnach § 12 des KG-Vertrags nur bei Kundigung seitens der Komplementarin sowie\nim Falle der Liquidation der Gesellschaft gegeben ist und ansonsten lediglich\neine Auszahlung des Buchkapitals erfolgt, kann das Gesamtbild nicht\nerschuttern. Denn dieses Minus an Mitunternehmerrisiko wird durch die erhohte\nMitunternehmerinitiative, die der Kommanditisten-GmbH aufgrund ihrer\nweitreichenden Zustimmungserfordernisse zukommt, ausgeglichen. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| 2) -A- war im Streitjahr als atypisch stiller Gesellschafter\nmitunternehmerisch an der Kommanditisten-GmbH beteiligt. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Stiller Gesellschafter ist, wer sich am Handelsgewerbe, das ein anderer\nbetreibt, mit einer Vermogenseinlage beteiligt (§ 230 HGB). Er ist im\nGrundsatz - als sog. typischer stiller Gesellschafter - nicht Mitunternehmer\ndes Betriebs, an dem er beteiligt ist, sondern bezieht in diesem Fall aus\nseiner stillen Beteiligung Einkunfte aus Kapitalvermogen im Sinne des § 20\nAbs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG. Eine atypisch stille Gesellschaft und damit eine\nMitunternehmerschaft liegt dagegen vor, wenn die durch den\nGesellschaftsvertrag begrundete Rechtsstellung des stillen Gesellschafters von\nden §§ 230 ff HGB derart abweicht, dass sie nach dem Gesamtbild dem Typus des\nMitunternehmers entspricht. Dies ist dann der Fall, wenn er allein oder\nzusammen mit anderen Personen Unternehmerinitiative entfalten kann und\nUnternehmerrisiko tragt. Beide Merkmale (Mitunternehmerrisiko und -initiative)\nmussen kumulativ vorliegen. Jedoch kann die geringere Auspragung eines\nMerkmals im Rahmen der gebotenen Gesamtbeurteilung der Umstande des\nEinzelfalls durch eine starkere Auspragung des anderen Merkmals ausgeglichen\nwerden (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2002 VIII R 20/01, BFH/NV 2003, 601, 602\nm.w.N.). \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Die Annahme einer Mitunternehmerschaft des still Beteiligten setzt voraus,\ndass er den Rechten eines Kommanditisten vergleichbare Befugnisse hat, am\nlaufenden Unternehmenserfolg beteiligt ist und i.d.R. im Falle der Beendigung\ndes Gesellschaftsverhaltnisses und bei Auflosung der Gesellschaft - nicht\nnotwendig bei vorzeitigem Ausscheiden (BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R\n364/83, BStBl II 1986, 311, 314; BFH-Urteil vom 18. Februar 1993 IV R 132/91,\nBFH/NV 1993, 647, 648, 649) - entsprechend seinem Gewinnanteil Anspruch auf\nden Zuwachs der stillen Reserven des Betriebsvermogens einschließlich des\nZuwachses am Firmenwert hat (BFH-Urteile vom 25. Juni 1981 IV R 61/78, BStBl\nII 1982, 59; BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BStBl II 1986,\n311, 314; BFH-Urteil vom 27. Mai 1993 IV R 1/92, BStBl II 1994, 700, 701; BFH-\nUrteil vom 6. Juli 1995 IV R 79/94, BStBl II 1996, 269, 270; BFH-Urteil vom 9.\nDezember 2002 VIII R 20/01, BFH/NV 2003, 601 - 603 m.w.N). \n--- \n| 70 \n--- \n| Die Beteiligung an den stillen Reserven und am Geschaftswert bei Beendigung\nder Gesellschaft ist Regelvoraussetzung, denn nur dann wird der Gewerbebetrieb\nim Innenverhaltnis, d.h. mit schuldrechtlicher Wirkung, auf gemeinsame\nRechnung und Gefahr des Geschaftsinhabers sowie des stillen Gesellschafters\ngefuhrt (BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BStBl II 1986, 311,\n314; BFH-Urteil vom 9. Dezember 2002 VIII R 20/01, BFH/NV 2003, 601, 603).\nDieses Erfordernis entspricht der nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gebotenen\nAngleichung an die Mitunternehmerstellung des Kommanditisten, der nach den\nhandelsrechtlichen Bestimmungen (§§ 161 Abs. 2, 155, 138 a.F., 131 Abs. 1 Satz\n1 Nr. 3 n.F., 105 Abs. 2 a.F., 105 Abs. 3 n.F. HGB, § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB)\nnicht nur bei Beendigung einer KG, sondern auch im Falle seines Ausscheidens\naus einer fortbestehenden Gesellschaft an den stillen Reserven unter\nEinschluss des Geschaftswerts beteiligt ist (BFH-Urteil vom 12. November 1985\nVIII R 364/83, BStBl II 1986, 311, 314). Es erlangt daruber hinaus aber auch\nfur die Abgrenzung von typischer und atypischer (d.h. mitunternehmerischer)\nstiller Gesellschaft besondere Bedeutung, weil zum einen die\nMitunternehmerinitiative des Stillen in beiden Fallen nach den §§ 230 ff HGB\nim Wesentlichen auf Kontrollrechte beschrankt ist sowie zum anderen auch das\nVorliegen eines typisch stillen Gesellschaftsverhaltnisses zwingend an die\nTeilhabe am Gewinn gebunden ist (§ 231 Abs. 2, 2. Halbsatz HGB) und auch fur\nden typisch stillen Gesellschafter die Teilhabe am Verlust des Unternehmens\nvereinbart werden kann (§ 231 Abs. 1 HGB; BFH-Urteil vom 18. Februar 1993 IV R\n132/91, BFH/NV 1993, 647, 648; BFH-Urteil vom 9. Dezember 2002 VIII R 20/01,\nBFH/NV 2003, 601 - 603 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| Ist der stille Gesellschafter an den stillen Reserven und am Geschaftswert\nbeteiligt, genugt es, dass er Mitunternehmerinitiative nur durch Ausubung von\nKontrollrechten nach § 233 HGB entfalten kann (BFH-Urteil vom 27. Januar 1994\nIV 114/91, BStBl II 1994, 635, 636; BFH-Urteil vom 10. August 1994 I R 133/93,\nBStBl II 1995, 171, 173). Selbst ohne Teilhabe an den stillen Reserven ist der\nstille Gesellschafter aber Mitunternehmer, wenn er eine hohe Beteiligung am\nBilanzgewinn hat und ihm typische unternehmerische Entscheidungen im Bereich\nder laufenden Geschaftsfuhrung ubertragen sind (BFH-Urteil vom 16. Dezember\n2003 VIII R 6/93, BFH/NV 2004, 1080, 1082 m.w.N.). Bei stiller Beteiligung an\neiner GmbH u. Co. KG kann dieser Voraussetzung unter besonderen Umstanden auch\ngenugt sein, wenn der stille Gesellschafter z.B. nur mittelbar, d.h. als\nAnteilseigner und Geschaftsfuhrer der GmbH, die Geschafte der KG fuhrt (BFH-\nUrteil vom 20. November 1990 VIII R 10/87, BFHE 163, 336; BFH-Urteil vom 11.\nDezember 1990 VIII R 122/86, Betriebsberater - BB - 1991, 1022, 1023; BFH-\nBeschluss vom 18. Juni 2001 IV B 88/00, BFH/NV 2001, 1550) oder gegenuber der\nGmbH weisungsbefugt ist und zudem entsprechend seiner hohen Einlage am Gewinn\nund Verlust beteiligt ist (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 18/98, BStBl\nII 1999, 286, 287, 288 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| Unter Berucksichtigung vorstehender Grundsatze, denen der Senat folgt, ist\neine atypisch stille Beteiligung des -A- an der Kommanditisten-GmbH und somit\neine Mitunternehmerschaft zwischen -A- und der Kommanditisten-GmbH gegeben.\nDenn -A- trug im Streitjahr - ebenso wie die andere stille Beteiligte, -C- -\nein erhebliches Mitunternehmerrisiko und ubte auch eine ausreichende\nMitunternehmerinitiative aus. \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| Mit seiner Einlage von - im Streitjahr - 610.000 DM leistete -A- - ebenso\nwie die andere stille Beteiligte, -C- - einen wesentlichen Beitrag zur\nKapitalausstattung der Kommanditisten-GmbH, die wiederum im Wesentlichen die\nKlin mit Kapital ausstattete. Auch nahmen die stillen Gesellschafter nach § 4\ndes Vertrages uber die - von den Vertragsparteien so bezeichnete - "atypisch\nstille Gesellschaft" weitgehend am Gewinn- und Verlust der Kommanditisten-GmbH\nteil. Damit hatten die stillen Gesellschafter -A- und -C- in erheblichem\nUmfang Anteil am wirtschaftlichen Erfolg der Kommanditisten-GmbH und und\nhatten somit ein erhebliches Mitunternehmerrisiko inne. Die stille Beteiligung\ndes -A- (und der -C-) hebt sich somit von einer typischen stillen Beteiligung\nbereits dadurch ab, dass der still Beteiligte ein erhohtes wirtschaftliches\nRisiko tragt und - spiegelbildlich hierzu - einen erhohten Anteil am\nUnternehmensgewinn hat. \n--- \n| 74 \n--- \n| Zwar sollten die stillen Gesellschafter nach § 5 des Vertrages uber die\n"atypische stille Gesellschaft" im Falle der Kundigung der stillen\nGesellschaft - unabhangig davon, von welcher Seite die Kundigung erfolgt -\nlediglich ihr Buchkapital ausgezahlt erhalten und sollten nur im Fall der\nLiquidation an den stillen Reserven der Kommanditisten-GmbH beteiligt sein,\nwobei die Verlustubernahme bei negativem Ergebnis der Liquidation nur bis zur\nHohe des vereinbarten Festkapitals des jeweiligen stillen Gesellschafters\nabzuglich seiner Verlustvortrage reichen sollte. Diese Abweichung gegenuber\nder gesetzlichen Regelung fur einen Kommanditisten (§§ 161 Abs. 2, 138 a.F.,\n131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 n.F., 105 Abs. 2 a.F., 105 Abs. 3 n.F. HGB, § 738 Abs.\n1 Satz 2 BGB) fuhrt jedoch aufgrund der weitreichenden Beteiligung der stillen\nGesellschafter am laufenden Gewinn und Verlust der Kommanditisten-GmbH nur zu\neiner geringfugigen Einschrankung des hohen Mitunternehmerrisikos des -A-.\nEntgegen der Auffassung der Klin ist die Entstehung stiller Reserven im Fall\nder Liquidation der Kommanditisten-GmbH auch nicht ausgeschlossen. Denn die\nKommanditisten-GmbH ist fur den Fall der Liquidation der Klin an deren stillen\nReserven beteiligt. Da diese operativ tatig ist und das Betriebsgrundstuck in\nihrem Eigentum steht, ist das Entstehen stiller Reserven bei der Klin und\nsomit - im Fall der Liquidation - ein Anspruch der Kommanditisten-GmbH auf\neinen entsprechenden Anteil hieran, nicht ausgeschlossen. Der Umstand, dass\ndie stillen Gesellschafter -A- und -C- im Falle der Kundigung der stillen\nGesellschaft von der Teilhabe an den stillen Reserven der Kommanditisten-GmbH\nausgeschlossen sind, reicht - wie oben bereits dargestellt - fur sich allein\nfur die Versagung einer Mitunternehmerschaft nicht aus. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Indem -A- als alleinvertretungsberechtigter Geschaftsfuhrer der\nKomplementar-GmbH die Geschafte der Klin fuhrte, konnte er in besonders\nstarkem Maße bei der Klin Mitunternehmerinitiative entfalten. Da die Klin\nweitgehend zum Vorteil bzw. auf Gefahr der Kommanditisten-GmbH handelte, ist\ndie Mitunternehmerinitiative, die -A- bei der Klin ausubte, als ausreichend\nanzusehen. Hierbei ist auch zu berucksichtigten, dass im Streitfall letztlich\ndie Frage nach einer - mittelbaren - Beteiligung an der Klin zu beantworten\nist. Daruber hinaus konnte -A- aufgrund seiner halftigen Beteiligung an der\nKomplementar-GmbH auch in der Gesellschafterversammlung der Klin\nMitunternehmerinitiative entfalten. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| Die stille Beteiligung des -A- an der Kommanditisten-GmbH ist aufgrund des\nhiernach gegebenen erheblichen Mitunternehmerrisikos und auch der erheblichen\nMitunternehmerinitiative nach dem Gesamtbild der Verhaltnisse als atypisch\nstill anzusehen. -A- ist mit dem wirtschaftlichen Wohl und Wehe der\nKommanditisten-GmbH deutlich starker verbunden, als dies von den Regelungen\ndes HGB uber die stille Gesellschaft vorgesehen ist. Aufgrund seiner\nGeschaftsfuhrertatigkeit fur die Komplementar-GmbH und damit auch fur die Klin\nubt er auch eine Mitunternehmerinitiative aus, die erheblich starker ist als\ndie eines typisch stillen Gesellschafters. \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| 3) Der Beurteilung des -A- als mittelbar uber eine Personengesellschaft an\nder Klin Beteiligter steht im Streitfall kein "Verbot des Durchgriffs durch\neine Kapitalgesellschaft" (hier: durch die Kommanditisten-GmbH) entgegen. \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| Zwar ist anerkannt, dass nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG nur der\nmittelbar uber eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligte\nGesellschafter dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleichsteht und dass\neine mittelbare Beteiligung uber eine Kapitalgesellschaft die Voraussetzungen\ndieser Norm nicht erfullt. Denn fur einen solchen "Durchgriff durch die\nKapitalgesellschaft" auf ihre Gesellschafter bedurfte es einer ausdrucklichen\ngesetzlichen Regelung (BFH-Urteil vom 28.10.1999 VIII R 66-70/97, BStBl II\n2000, 183, 185 m.w.N.; Wacker, in: L. Schmidt, EStG, a.a.O., § 15 Rz. 624;\nAxel Schmidt, Einkommensteuerrechtliche Behandlung mittelbarer\nLeistungsbeziehungen bei Personengesellschaften, S. 103 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| Ein solcher Durchgriff durch die Kommanditisten-GmbH auf ihre\nGesellschafter erfolgt indes durch die Annahme einer mittelbaren Beteiligung\ndes -A- an der Klin nicht. Es liegt vielmehr eine Hintereinanderschaltung\nzweier Mitunternehmerschaften, namlich der Mitunternehmerschaft zwischen der\nKlin und der Kommanditisten-GmbH sowie der Mitunternehmerschaft zwischen der\nKommanditisten-GmbH und dem atypisch still Beteiligten -A-, vor. \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| Zwar ist die atypisch stille Gesellschaft, bestehend aus -A- und der\nKommanditisten-GmbH, weder Kommanditistin der KG noch ist sie - die GmbH &\natypisch Still - atypisch still an der KG beteiligt. Es ist vielmehr die\nKommanditisten-GmbH selbst, die Kommanditistin der KG sowie an dieser atypisch\nstill beteiligt ist. Diesem Umstand kommt jedoch fur den Streitfall keine\nentscheidende Bedeutung zu. Denn die stille Gesellschaft ist dadurch\ngekennzeichnet, dass der stille Gesellschafter am Handelsgewerbe des\nGeschaftsinhabers beteiligt ist und die Einlage des stillen Gesellschafters\nkeiner gesamthanderischen Bindung unterliegt, sondern in das Vermogen des\nGeschaftsinhabers zu leisten ist (BFH-Urteil vom 13. Mai 1998 VIII R 81/96,\nBFH/NV 1999, 355, 357; BFH-Urteil vom 10. Juli 2001 VIII R 45/98, BStBl II\n2002, 339, 340). Der Inhaber des Handelsgeschafts tritt im Rahmen des § 15\nAbs. 1 Nr. 2 EStG an die Stelle der Gesellschaft (so fur die Frage, ob fur die\nAnnahme gewerblicher Einkunfte eine gewerbliche Tatigkeit der atypisch stillen\nGesellschaft erforderlich ist oder ob die gewerbliche Tatigkeit des Inhabers\ndes Handelsgeschafts ausreicht: BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R\n364/83, BStBl II 1986, 311, 313, 314; zur Gleichbehandlung wirtschaftlich\nvergleichbarer Sachverhalte der Beteiligung uber eine Außengesellschaft und\nuber eine Innengesellschaft vgl. auch BFH-Urteil vom 2. Oktober 1997 IV R\n75/96, BStBl II 1998, 137, 138). \n--- \n--- \n| 81 \n--- \n| -A- ist mithin uber eine Kette von Mitunternehmerschaften, also mittelbar\nuber eine Personengesellschaft, an der Klin beteiligt, so dass sein Gehalt\ngemaß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satze 1 und 2 EStG als Sondervergutung, also\nals Gewinnanteil, anzusehen ist. \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n--- \n| 83 \n--- \n| Die Revision war gemaß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. \n---\n\n
142,361
lg-karlsruhe-2006-08-25-6-o-19205
135
Landgericht Karlsruhe
lg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
6 O 192/05
2006-08-25
2019-01-09 08:13:00
2019-01-17 12:02:31
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Klager\nmindestens eine Betriebsrente zu gewahren, die dem Betrag der Berechnung der\nZusatzrente nach § 65 Abs. 8, § 40 Abs. 4 ihrer Satzung in der Fassung der 41.\nÄnderung entspricht.\n\n2\\. Es wird festgestellt, dass die Beklagte bei der Berechnung der\nStartgutschrift verpflichtet ist, den Altersfaktor gemaß § 36 (3) VBLS n. F.\nanzuwenden.\n\n3\\. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.\n\n4\\. Von den Kosten des Rechtsstreits tragt der Klager vorab die durch Anrufung\ndes unzustandigen Amtsgerichts Karlsruhe entstandenen Kosten. Von den ubrigen\nKosten des Rechtsstreits tragen der Klager 2/3 und die Beklagte 1/3.\n\n5\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Der Klager und die Beklagte durfen\njeweils die Vollstreckung durch die Gegenseite gegen Sicherheitsleistung in\nHohe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die\nGegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der im offentlichen Dienst beschaftigte Klager wendet sich mit seiner Klage\nnach Umstellung der Zusatzversorgung im offentlichen Dienst von einem\nGesamtversorgungssystem auf ein Punktesystem gegen die ihm von der beklagten\nZusatzversorgungseinrichtung erteilte Startgutschrift fur eine den Rentennahen\ngleichgestellte, voll erwerbsgeminderte Person (§ 79 Abs. 3a VBLS n.F.) und\ndie darauf basierende Rentenberechnung. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager ist am 05.07.1942 geboren. Bis zum 31.12.2001 hat er als\nBeschaftigter im offentlichen Dienst 166 Umlagemonate bei der Beklagten\nzuruckgelegt (AH 239). Seine Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung\naußerhalb des offentlichen Dienstes - sogenannte Vordienstzeiten - belaufen\nsich auf 196 Monate (AH 239). \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Klager erhalt von dem zustandigen Rentenversicherungstrager seit dem\n01.11.2002 eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung in Hohe von\nzunachst EUR 999,58/brutto (AH 133) bzw. EUR 912,63/netto (AS 131). Im\nzugehorigen Rentenbescheid der LVA Berlin vom 14.07.2003 ist außerdem\nausgefuhrt, dass die Anspruchsvoraussetzungen sei 16.04.2002 erfullt seien (AH\n133) und dass er auf einem Vergleich vom 10.06.2003 beruhe (AH 131). \n--- \n| 4 \n--- \n| Fur den Klager bestehen zwei Fortgeltung beanspruchende\nStartgutschriftmitteilungen: \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Mitteilung vom 07.09.2004 wurde die Rentenanwartschaft des Klagers zum\n31.12.2001 auf EUR 152,60 errechnet und ihm dementsprechend eine\nStartgutschrift gemaß § 79 Abs. 1 VBLS n.F. (fur eine rentenferne Person) in\nHohe von 38,15 Punkten erteilt (AH 281). \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Mitteilung vom 08.09.2004 wurde angesichts der vollen Erwerbsminderung\ndes Klagers eine erganzende Rentenanwartschaft des Klagers zum 31.12.2001 von\n15,41 Versorgungspunkten errechnet und ihm dementsprechend eine Gesamt-\nStartgutschrift gemaß § 79 Abs. 3a VBLS n.F. (fur eine voll erwerbsgeminderte\nPerson in Hohe der Startgutschrift fur eine rentennahe Person) lautend auf EUR\n214, 24 bzw. 53,56 Punkten erteilt (AH 307). \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Mitteilungen uber die Startgutschrift beruhen auf der Neufassung der\nSatzung der Beklagten zum 01. Januar 2001 (im Folgenden: VBLS n. F.). Bei der\nErrechnung der Startgutschrift wurde jeweils die Steuerklasse III/0 zugrunde\ngelegt (AH 295/ 325). \n--- \n| 8 \n--- \n| Fur die Zeit ab 01.11.2002 errechnete die Beklagte fur den Klager eine\nmonatliche Betriebsrente fur Versicherte in Hohe von zunachst EUR\n318,36/brutto (AH 191). In der zugehorigen Mitteilung vom 09.09.2004 (AH 187)\nkalkulierte die Beklagte die Betriebsrente unter Zugrundelegung der\nVersorgungspunkte aus der Startgutschrift vom 08.09.2004 und unter\nHerabsetzung der Versorgungspunkte wegen vorzeitiger Renteninanspruchnahme;\naußerdem wurden die seit dem 01.01.2002 zusatzlich erworbenen\nVersorgungspunkte sowie die auf der „sozialen Komponente" des § 37 Abs. 2 VBLS\nn.F. beruhenden Versorgungspunkte berucksichtigt (AH 191). \n--- \n| 9 \n--- \n| Wegen des gleichzeitigen Bezugs von Krankengeld und unter Anwendung der\nRuhensvorschrift des § 41 Abs. 4 VBLS n.F. (vgl. AH 197) kam es jedoch fur die\nMonate November 2002 bis einschließlich Februar 2003 zu keiner Rentenzahlung\nseitens der Beklagten (AH 187). Betriebsrentenzahlungen erfolgen erst sei Marz\n2003. \n--- \n| 10 \n--- \n| Den genannten Mitteilungen waren weitere Mitteilungen (insbesondere vom\n24.07.2003, AH 95 ff.; vom 18.09.2003, AH 225 ff.; vom 09.10.2003, AH 203 ff.)\nvorausgegangen, die jedoch mittlerweile gegenstandslos sind. \n--- \n| 11 \n--- \n| Am 04.12.2001 hatte die Beklagte dem Klager eine Rentenauskunft erteilt (AH\n1 ff.). Bei dieser Auskunft legte die Beklagte einen vom 28.03.2001\ndatierenden Versicherungsfall und einen Rentenbeginn ab 01.04.2001 zugrunde\n(AH 2) und errechnete dem Klager eine Versorgungsrente nach altem\nSatzungsrecht in Hohe von EUR 506,32/brutto (AH 2). \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beklagte hat auf Verlangen des Gerichts mit Schriftsatz vom 24.05.2006\n(AS 63) Fiktivberechnungen vorgelegt, die den Vergleich mit den Betragen\nermoglichen, die sich bei Anwendung der bisherigen Satzung in der Fassung der\n41. Änderung (im Folgenden VBLS a.F.) ergeben wurden. Die Beklagte hat\nfolgende Betrage errechnet (vgl. AH 81 ff. ff., 101 ff. und 123 f.): \n--- \n| 13 \n--- \n| 1\\. Erste Fiktivberechnung nach VBLS a.F. zum 31.12.2001: EUR 421,79 (AH\n249), wobei der Betrag nach § 40 Abs. 1 VBLS a.F. maßgeblich war; \n--- \n| 14 \n--- \n| 2\\. Zweite Fiktivberechnung nach VBLS a.F. zum 01.11.2002 (Zeitpunkt des\ntatsachlichen Rentenbeginns): EUR 269,93 (AH 115), wobei der Betrag nach § 40\nAbs. 1 VBLS a.F. maßgeblich war; die Berechnungsblatter zur zweiten\nFiktivberechnung weisen den Betrag der Versorgungsrente in Hohe der\nVersicherungsrente (§ 40 Abs. 4 VBLS a.F.) zum 01.11.2002 mit EUR 163,19 (AH\n277) aus; unter diesen Betrag ware der Klager nach den Ruhensbestimmungen des\nalten Satzungsrechts (§ 65 Abs. 8 VBLS a.F.) niemals gefallen (AS 105); \n--- \n| 15 \n--- \n| 3\\. Dritte Fiktivberechnung nach VBLS n.F. zum 01.11.2002 (Zeitpunkt des\ntatsachlichen Rentenbeginns): EUR 318,36 (AH 105). \n--- \n| 16 \n--- \n| Bei den Fiktivberechnungen Nr. 2. und Nr. 3. zum Zeitpunkt des\ntatsachlichen Rentenbeginns sind die zum 31.12.2001 maßgebenden\nBerechnungswerte ubernommen worden. Bei der zweiten Fiktivberechnung wurde die\nZeit vom 01.01.2002 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres der\ngesamtversorgungsfahigen Zeit als weitere Umlagemonate und Zeiten in der\ngesetzlichen Rentenversicherung zugrunde gelegt. Bei der Errechnung der Rente\naus der gesetzlichen Rentenversicherung wurde unterstellt, dass eine gleiche\nZahl von Entgeltpunkten wie im Jahre 2001 in den Folgejahren bis zur\nVollendung des 65.Lebensjahres erzielt werden wurde. Bei der dritten\nFiktivberechnung wurde das zusatzversorgungspflichtige Entgelt aus dem Jahre\n2002 fur die Folgejahre bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zugrunde\ngelegt. Ebenso wie bei der zweiten Fiktivberechnung wurde eine Dynamisierung\ndes Entgelts nicht vorgenommen. Bonuspunkte sind nicht berucksichtigt worden. \n--- \n| 17 \n--- \n| (Vom Abdruck des Urteils in der gesamten Lange wurde an dieser Stelle\nabgesehen.) \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Klager tragt vor: \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Übertragung der bisher erworbenen Anwartschaften mittels der\nangefochtenen Startgutschrift bewirke massive Eingriffe in bereits erdiente\nAnwartschaften, fur die keine zwingenden Grunde gegeben seien. Dem Klager\nmusse die Versorgungsrente erhalten bleiben, die er sich nach altem Recht bis\nzum 31.12.2001 erworben habe. Der zustehende Betrag ergebe sich aus der alten\nRentenauskunft aus dem Jahr 2001, auf deren Grundlage der Klager bereits im\nNovember 2001 die Rente beantragt habe. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Klager beantragt: \n--- \n| 21 \n--- \n| Unter Aufhebung des Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 09. Oktober 2003\nwird die monatlich durch die Beklagte zu leistende Versorgungsrente des\nKlagers auf EUR 506,32 festgesetzt. \n--- \n| 22 \n--- \n| Hilfsweise: \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Klager\nmindestens eine Betriebsrente zu gewahren, die dem Betrag der Berechnung der\nZusatzrente nach § 65 Abs. 8, § 40 Abs. 4 ihrer Satzung in der Fassung der 41.\nÄnderung entspricht. \n--- \n| 24 \n--- \n| 2\\. Es wird festgestellt, dass die Beklagte bei der Berechnung der\nStartgutschrift verpflichtet ist, den Altersfaktor gemaß § 36 (3) VBLS n. F.\nanzuwenden. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Beklagte stellt den Antrag, \n--- \n| 26 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Beklagte tragt vor: \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Startgutschrift fur rentennahe Pflichtversicherte werde in enger\nAnlehnung an die Berechnung der Versorgungsrente nach dem bisherigen\nGesamtversorgungsmodell errechnet. Die in § 79 Abs. 3a, Abs. 2 VBLS n.F.\nvorgesehene Hochrechnung auf das 63. Lebensjahrs sei eine von den\nTarifvertragsparteien getroffene Grundentscheidung. \n--- \n| 29 \n--- \n| (Vom Abdruck des Urteils in der gesamten Lange wurde an dieser Stelle\nabgesehen.) \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 30 \n--- \n| 1\\. Der bereits schriftsatzlich angekundigte Hauptantrag wurden im Lichte\nder im Kammertermin gestellten zusatzlichen Hilfsantrage ausgelegt und ist\nebenso zulassig, wie es diese Hilfsantrage sind, jedoch nur in dem Umfang\nbegrundet, als es die Hilfsantrage auch sind. Zwischen den Parteien besteht\nein Rechtsverhaltnis in Form eines privatrechtlichen\nGruppenversicherungsvertrages, bei dem die Beklagte Versicherer, der\nArbeitgeber des Klagers Versicherungsnehmer und der Klager Begunstigter ist\n(so schon BGH VersR 1988/577). \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Klage ist jedoch nur in dem Umfang der Hilfsantrage Ziff. 1 und Ziff. 2\nbegrundet (Im Folgenden soll nur noch von diesen Hilfsantragen die Rede sein). \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kammer sieht auch in Kenntnis der inzwischen ergangenen Entscheidungen\ndes Oberlandesgerichts Karlsruhe zu Startgutschriften rentenferner\nVersicherter keinen Anlass zu einer Änderung ihrer Rechtsprechung (vgl. Urteil\ndes Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22.09.2005 - Az. 12 U 99/04; im Folgenden\naus dem Umdruck mit den Seitenzahlen wie folgt zitiert: UOLGS ). \n--- \n| 33 \n--- \n| (Vom Abdruck des Urteils in der gesamten Lange wurde an dieser Stelle\nabgesehen.) \n--- \n**II.** \n--- \n| 34 \n--- \n| 1\\. Der Hilfsantrag Ziffer 1 ist begrundet, weil insoweit unzulassigerweise\nin die Rentenanwartschaft eingegriffen worden ist. Soweit der Eingriff\nunzulassig ist, muss dem Rentenanwartschaftsberechtigten die\nRentenanwartschaft verbleiben. Dies geschieht dadurch, dass die Betriebsrente\nbei Eintritt des Versicherungsfalles mindestens den geringeren Betrag nach den\nbisherigen Vorschriften erreichen muss, der sich zum Zeitpunkt der\nSystemanderung bzw. zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles\nergibt. Aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls und der\nBedeutsamkeit der Ruhensvorschriften (vgl. insbesondere § 65 Abs. 8 VBLS a.F.)\nkann dieser bestandsgeschutzte Betrag schon jetzt als die\nMindestversorgungsrente in Hohe der Versicherungsrente (§ 40 Abs. 4 VBLS a.F.)\nbestimmt werden. \n--- \n| 35 \n--- \n| (Vom Abdruck des Urteils in der gesamten Lange wurde an dieser Stelle\nabgesehen.) \n--- \n| 36 \n--- \n| h) ... Hinsichtlich des geschutzten Besitzstandes hat die Kammer in\nParallelverfahren ausgesprochen, dass die Betriebsrente bei Eintritt des\nVersicherungsfalles mindestens den geringeren Betrag nach den bisherigen\nVorschriften erreichen muss, der sich zum Zeitpunkt der Systemanderung bzw.\nzum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles ergibt. \n--- \n| 37 \n--- \n| Im vorliegenden Fall ist die Rentenanwartschaft nach altem Satzungsrecht\nzum 31.12.2001 (laut 1. Fiktivberechnung: EUR 421,79) hoher als die\nAnwartschaft nach altem Satzungsrecht zum Eintritt des Versicherungsfalls am\n01.11.2002 (laut 2. Fiktivberechnung: EUR 269,93). Mithin ist lediglich der\nletztgenannte Betrag im Sinne der zitierten Kammerrechtsprechung\nbestandsgeschutzt. Allerdings ist diese bestandsgeschutzte Anwartschaft, die\nauf einen Zeitpunkt in der Vergangenheit bezogen ist und sich ihrer Hohe nach\nsicher bestimmen lasst, nicht hoher als die tatsachlich ab 01.03.2003 gezahlte\nRente (EUR 318,36). Deshalb ist kein Raum dafur, dem Klager die ubliche\nTenorierung der Kammer zur Frage des Bestandschutzes angedeihen zu lassen. \n--- \n| 38 \n--- \n| Allerdings ist der Klager insbesondere fur den Zeitraum vom 01.11.2002 bis\nzum 28.02.2003 (aber auch im Falle der etwaigen Wiederaufnahme der\nArbeitstatigkeit mit erneuter Verrentung und mit erneutem Krankengeldbezug)\ndurch das neue Satzungsrecht benachteiligt: Den Betrag der\nMindestversorgungsrente in Hohe der Versicherungsrente in Hohe von EUR 163,19\nkann der Klager nach dem Wortlaut der neuen Ruhensvorschriften anders als nach\naltem Satzungsrecht (§ 65 Abs. 8 VBLS a.F.) nicht mehr verlangen. \n--- \n| 39 \n--- \n| (Vom Abdruck des Urteils in der gesamten Lange wurde an dieser Stelle\nabgesehen.) \n--- \n| 40 \n--- \n| l) Der geltend gemachte uber den Tenor Ziff. 1 hinausgehende Anspruch auf\neine hohere Betriebsrente kann nicht aus der im Schreiben der Beklagten vom\n04.12.2001 gem. § 70 a VBLS a.F. in Verbindung mit den zugehorigen\nAusfuhrungsbestimmungen erteilten Rentenauskunft abgeleitet werden. Die\nAuskunft als solche kann als Grundlage fur einen entsprechenden Anspruch schon\ndeshalb nicht in Betracht kommen, weil es sich um eine rechtlich\nunverbindliche Mitteilung handelt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.03.2005,\nAz.: 12 U 312/04, S. 8 ; Urteil vom 17.08.2000, 12 U 310/99, Seite 8 unter\nHinweis auf Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des\nÖffentlichen Dienstes, § 70 a Satzung der VBL, Anm. 10; LG Karlsruhe, Urteil\nvom 04.02.2005, Az.: 6 O 7/04, S. 5; Urteil vom 28.02.2003; AZ: 6 0 307/02, S.\n7). Es ist auch in der Rentenauskunft vom 04.12.2001 durch die Beklagte\nausdrucklich hingewiesen worden, dass eine Auskunft unter Berucksichtigung der\nneuen Regelungen damals noch nicht moglich war. Es heißt dort wortlich: „Wir\nweisen darauf hin, dass mit dieser Auskunft keine Zusage uber die\nBerechnungsweise und die Hohe der bei Eintritt des Versicherungsfalls\nzustehenden Leistungen verbunden ist." (AH 1). \n--- \n| 41 \n--- \n| Die deutlichen Differenzen zwischen der Auskunft vom 04.12.2001 und der\nStartgutschrift vom 08.09.2004 erklaren sich aus dem stark abweichenden Ansatz\nder gesetzlichen Rente (EUR 1.273,19 statt EUR 632,07 als Abzugsposten; vgl.\nAH 327/ AH 11) bei zwar absolut deutlich, aber doch relativ geringer\ngestiegener Gesamtversorgung zur Vollendung des 63. Lebensjahres (EUR 1.657,56\nstatt EUR 1.138,39) und dem erheblichen Abzug fur die noch erreichbaren Punkte\nim Versorgungspunktemodell (EUR 170,12; AH 337). Die zweite Fiktivberechnung\nzeigt im Übrigen, dass zwischen dem 28.03.2001 (Relevanzzeitpunkt der\nRentenauskunft) und dem tatsachlichen Versicherungsfall (01.11.2002) die\nGesamtversorgung nur maßig auf EUR 1.259,18 (AH 271) steigen konnte, wahrend\ndie abzuziehende gesetzliche Rente bereits auf EUR 989,25 hochgeschnellt war.\nFur letzteres Phanomen durften die Zurechnungszeiten verantwortlich zeichnen,\nvon denen bei Erteilung der Rentenauskunft noch nichts erkennbar war (vgl. AH\n155). \n--- \n| 42 \n--- \n| Berechnungsfehler in der Rentenauskunft oder in einer der Mitteilungen\nvermochte der Klager nicht aufzuzeigen und sind auch nicht ersichtlich. \n--- \n| 43 \n--- \n| m) Die von der Beklagten in anderem Zusammenhang schon thematisierte\n„Rosinentheorie" steht der Tenorierung gemaß Ziff. 1 nicht entgegen.\nZutreffend ist zwar, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, die\nVersicherten durch das Übergangsrecht besser zu stellen als nach altem Recht\n(vgl. Kammerurteil vom 05.11.2004, 6 O 354/03, sub II.1.f.; Kammerurteil vom\n18.06.2004, 6 O 964/03, sub. III.5; BGH, Urteil vom 16.03.1988, IVa ZR 154/87,\nBGHZ 103, 370 ff., sub. I.2c). \n--- \n| 44 \n--- \n| Nach den Fiktivberechnungen stellt sich der Klager namlich ab 01.03.2003\ndurch das neue Recht besser als nach dem alten Recht. Es mag daher sein, dass\nzu einem bestimmten Betrachtungszeitpunkt im vorliegenden Fall die Anwendung\nder neuen Vorschriften den Klager besser stellt als die Anwendung des alten\nSatzungsrechts. Dies ist jedoch keine Besonderheit des vorliegenden Falles,\nsondern ein Phanomen, das auch im Rahmen anderer Verfahren ausweislich der\ndort vorgelegten Fiktivberechnungen bereits aufgetreten ist. \n--- \n| 45 \n--- \n| Es ist jedoch nicht Aufgabe des Gerichts, sondern allenfalls Aufgabe des\nSatzungsgebers, eine Regelung zu finden, die es ausschließt, dass ein\nRentenberechtigter durch das neue Recht besser gestellt wird als durch das\nalte Recht (Kammerurteil vom 18.06.2004, 6 O 964/03, sub. III.5). \n--- \n| 46 \n--- \n| Darum kann sich der Klager fur die Monate, in denen eine solche\nBesserstellung nicht eintritt, sondern im Gegenteil eine Verschlechterung\neintritt, insbesondere auch auf das alte Satzungsrecht berufen. \n--- \n| 47 \n--- \n| 2\\. (Vom Abdruck des Urteils in der gesamten Lange wurde an dieser Stelle\nabgesehen.) \n--- \n**III.** \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. \n--- \n| 49 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708\nZiff. 11, 711 ZPO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 30 \n--- \n| 1\\. Der bereits schriftsatzlich angekundigte Hauptantrag wurden im Lichte\nder im Kammertermin gestellten zusatzlichen Hilfsantrage ausgelegt und ist\nebenso zulassig, wie es diese Hilfsantrage sind, jedoch nur in dem Umfang\nbegrundet, als es die Hilfsantrage auch sind. Zwischen den Parteien besteht\nein Rechtsverhaltnis in Form eines privatrechtlichen\nGruppenversicherungsvertrages, bei dem die Beklagte Versicherer, der\nArbeitgeber des Klagers Versicherungsnehmer und der Klager Begunstigter ist\n(so schon BGH VersR 1988/577). \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Klage ist jedoch nur in dem Umfang der Hilfsantrage Ziff. 1 und Ziff. 2\nbegrundet (Im Folgenden soll nur noch von diesen Hilfsantragen die Rede sein). \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kammer sieht auch in Kenntnis der inzwischen ergangenen Entscheidungen\ndes Oberlandesgerichts Karlsruhe zu Startgutschriften rentenferner\nVersicherter keinen Anlass zu einer Änderung ihrer Rechtsprechung (vgl. Urteil\ndes Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22.09.2005 - Az. 12 U 99/04; im Folgenden\naus dem Umdruck mit den Seitenzahlen wie folgt zitiert: UOLGS ). \n--- \n| 33 \n--- \n| (Vom Abdruck des Urteils in der gesamten Lange wurde an dieser Stelle\nabgesehen.) \n--- \n**II.** \n--- \n| 34 \n--- \n| 1\\. Der Hilfsantrag Ziffer 1 ist begrundet, weil insoweit unzulassigerweise\nin die Rentenanwartschaft eingegriffen worden ist. Soweit der Eingriff\nunzulassig ist, muss dem Rentenanwartschaftsberechtigten die\nRentenanwartschaft verbleiben. Dies geschieht dadurch, dass die Betriebsrente\nbei Eintritt des Versicherungsfalles mindestens den geringeren Betrag nach den\nbisherigen Vorschriften erreichen muss, der sich zum Zeitpunkt der\nSystemanderung bzw. zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles\nergibt. Aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls und der\nBedeutsamkeit der Ruhensvorschriften (vgl. insbesondere § 65 Abs. 8 VBLS a.F.)\nkann dieser bestandsgeschutzte Betrag schon jetzt als die\nMindestversorgungsrente in Hohe der Versicherungsrente (§ 40 Abs. 4 VBLS a.F.)\nbestimmt werden. \n--- \n| 35 \n--- \n| (Vom Abdruck des Urteils in der gesamten Lange wurde an dieser Stelle\nabgesehen.) \n--- \n| 36 \n--- \n| h) ... Hinsichtlich des geschutzten Besitzstandes hat die Kammer in\nParallelverfahren ausgesprochen, dass die Betriebsrente bei Eintritt des\nVersicherungsfalles mindestens den geringeren Betrag nach den bisherigen\nVorschriften erreichen muss, der sich zum Zeitpunkt der Systemanderung bzw.\nzum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles ergibt. \n--- \n| 37 \n--- \n| Im vorliegenden Fall ist die Rentenanwartschaft nach altem Satzungsrecht\nzum 31.12.2001 (laut 1. Fiktivberechnung: EUR 421,79) hoher als die\nAnwartschaft nach altem Satzungsrecht zum Eintritt des Versicherungsfalls am\n01.11.2002 (laut 2. Fiktivberechnung: EUR 269,93). Mithin ist lediglich der\nletztgenannte Betrag im Sinne der zitierten Kammerrechtsprechung\nbestandsgeschutzt. Allerdings ist diese bestandsgeschutzte Anwartschaft, die\nauf einen Zeitpunkt in der Vergangenheit bezogen ist und sich ihrer Hohe nach\nsicher bestimmen lasst, nicht hoher als die tatsachlich ab 01.03.2003 gezahlte\nRente (EUR 318,36). Deshalb ist kein Raum dafur, dem Klager die ubliche\nTenorierung der Kammer zur Frage des Bestandschutzes angedeihen zu lassen. \n--- \n| 38 \n--- \n| Allerdings ist der Klager insbesondere fur den Zeitraum vom 01.11.2002 bis\nzum 28.02.2003 (aber auch im Falle der etwaigen Wiederaufnahme der\nArbeitstatigkeit mit erneuter Verrentung und mit erneutem Krankengeldbezug)\ndurch das neue Satzungsrecht benachteiligt: Den Betrag der\nMindestversorgungsrente in Hohe der Versicherungsrente in Hohe von EUR 163,19\nkann der Klager nach dem Wortlaut der neuen Ruhensvorschriften anders als nach\naltem Satzungsrecht (§ 65 Abs. 8 VBLS a.F.) nicht mehr verlangen. \n--- \n| 39 \n--- \n| (Vom Abdruck des Urteils in der gesamten Lange wurde an dieser Stelle\nabgesehen.) \n--- \n| 40 \n--- \n| l) Der geltend gemachte uber den Tenor Ziff. 1 hinausgehende Anspruch auf\neine hohere Betriebsrente kann nicht aus der im Schreiben der Beklagten vom\n04.12.2001 gem. § 70 a VBLS a.F. in Verbindung mit den zugehorigen\nAusfuhrungsbestimmungen erteilten Rentenauskunft abgeleitet werden. Die\nAuskunft als solche kann als Grundlage fur einen entsprechenden Anspruch schon\ndeshalb nicht in Betracht kommen, weil es sich um eine rechtlich\nunverbindliche Mitteilung handelt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.03.2005,\nAz.: 12 U 312/04, S. 8 ; Urteil vom 17.08.2000, 12 U 310/99, Seite 8 unter\nHinweis auf Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des\nÖffentlichen Dienstes, § 70 a Satzung der VBL, Anm. 10; LG Karlsruhe, Urteil\nvom 04.02.2005, Az.: 6 O 7/04, S. 5; Urteil vom 28.02.2003; AZ: 6 0 307/02, S.\n7). Es ist auch in der Rentenauskunft vom 04.12.2001 durch die Beklagte\nausdrucklich hingewiesen worden, dass eine Auskunft unter Berucksichtigung der\nneuen Regelungen damals noch nicht moglich war. Es heißt dort wortlich: „Wir\nweisen darauf hin, dass mit dieser Auskunft keine Zusage uber die\nBerechnungsweise und die Hohe der bei Eintritt des Versicherungsfalls\nzustehenden Leistungen verbunden ist." (AH 1). \n--- \n| 41 \n--- \n| Die deutlichen Differenzen zwischen der Auskunft vom 04.12.2001 und der\nStartgutschrift vom 08.09.2004 erklaren sich aus dem stark abweichenden Ansatz\nder gesetzlichen Rente (EUR 1.273,19 statt EUR 632,07 als Abzugsposten; vgl.\nAH 327/ AH 11) bei zwar absolut deutlich, aber doch relativ geringer\ngestiegener Gesamtversorgung zur Vollendung des 63. Lebensjahres (EUR 1.657,56\nstatt EUR 1.138,39) und dem erheblichen Abzug fur die noch erreichbaren Punkte\nim Versorgungspunktemodell (EUR 170,12; AH 337). Die zweite Fiktivberechnung\nzeigt im Übrigen, dass zwischen dem 28.03.2001 (Relevanzzeitpunkt der\nRentenauskunft) und dem tatsachlichen Versicherungsfall (01.11.2002) die\nGesamtversorgung nur maßig auf EUR 1.259,18 (AH 271) steigen konnte, wahrend\ndie abzuziehende gesetzliche Rente bereits auf EUR 989,25 hochgeschnellt war.\nFur letzteres Phanomen durften die Zurechnungszeiten verantwortlich zeichnen,\nvon denen bei Erteilung der Rentenauskunft noch nichts erkennbar war (vgl. AH\n155). \n--- \n| 42 \n--- \n| Berechnungsfehler in der Rentenauskunft oder in einer der Mitteilungen\nvermochte der Klager nicht aufzuzeigen und sind auch nicht ersichtlich. \n--- \n| 43 \n--- \n| m) Die von der Beklagten in anderem Zusammenhang schon thematisierte\n„Rosinentheorie" steht der Tenorierung gemaß Ziff. 1 nicht entgegen.\nZutreffend ist zwar, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, die\nVersicherten durch das Übergangsrecht besser zu stellen als nach altem Recht\n(vgl. Kammerurteil vom 05.11.2004, 6 O 354/03, sub II.1.f.; Kammerurteil vom\n18.06.2004, 6 O 964/03, sub. III.5; BGH, Urteil vom 16.03.1988, IVa ZR 154/87,\nBGHZ 103, 370 ff., sub. I.2c). \n--- \n| 44 \n--- \n| Nach den Fiktivberechnungen stellt sich der Klager namlich ab 01.03.2003\ndurch das neue Recht besser als nach dem alten Recht. Es mag daher sein, dass\nzu einem bestimmten Betrachtungszeitpunkt im vorliegenden Fall die Anwendung\nder neuen Vorschriften den Klager besser stellt als die Anwendung des alten\nSatzungsrechts. Dies ist jedoch keine Besonderheit des vorliegenden Falles,\nsondern ein Phanomen, das auch im Rahmen anderer Verfahren ausweislich der\ndort vorgelegten Fiktivberechnungen bereits aufgetreten ist. \n--- \n| 45 \n--- \n| Es ist jedoch nicht Aufgabe des Gerichts, sondern allenfalls Aufgabe des\nSatzungsgebers, eine Regelung zu finden, die es ausschließt, dass ein\nRentenberechtigter durch das neue Recht besser gestellt wird als durch das\nalte Recht (Kammerurteil vom 18.06.2004, 6 O 964/03, sub. III.5). \n--- \n| 46 \n--- \n| Darum kann sich der Klager fur die Monate, in denen eine solche\nBesserstellung nicht eintritt, sondern im Gegenteil eine Verschlechterung\neintritt, insbesondere auch auf das alte Satzungsrecht berufen. \n--- \n| 47 \n--- \n| 2\\. (Vom Abdruck des Urteils in der gesamten Lange wurde an dieser Stelle\nabgesehen.) \n--- \n**III.** \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. \n--- \n| 49 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708\nZiff. 11, 711 ZPO. \n---\n\n
142,555
vg-karlsruhe-2006-10-19-a-6-k-1033504
158
Verwaltungsgericht Karlsruhe
vg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
A 6 K 10335/04
2006-10-19
2019-01-09 09:14:17
2019-01-17 12:02:42
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass fur die Klagerin die\nVoraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG im Hinblick auf den Iran erfullt sind.\n\nDer Bescheid des Bundesamtes fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge vom\n22.01.2004 wird, soweit er dem entgegensteht und einschließlich der die\nKlagerin betreffenden Abschiebungsandrohung, aufgehoben.\n\nIm Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n2\\. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Klagerin zu 1/3\nund die Beklagte zu 2/3. Der beteiligte Bundesbeauftragte fur\nAsylangelegenheiten tragt seine außergerichtlichen Kosten selbst.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin, eine Staatsangehorige des Iran, begehrt ihre Anerkennung als\nAsylberechtigte sowie die Feststellung von Abschiebungshindernissen durch die\nBeklagte. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die am ....1967 in Teheran geborene Klagerin ursprunglich islamisch-\nschiitischen Glaubens ist verheiratet und besitzt die persische\nVolkszugehorigkeit. Eigenen Angaben zufolge reiste sie zusammen mit ihren zwei\n1998 geborenen Kindern am 08.09.2001 auf dem Luftweg von Teheran kommend in\ndas Bundesgebiet ein, worauf sie am 10.09.2001 um die Gewahrung von Asyl\nnachsuchte. Am 27.09.2001 wurde sie seitens des Bundesamtes fur die\nAnerkennung auslandischer Fluchtlinge personlich zu ihren Asylgrunden\nangehort. Wegen der Einzelheiten ihrer Angaben gegenuber dem Bundesamt wird\nauf den Inhalt der hieruber gefertigten Niederschrift Bezug genommen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 22.01.2004 lehnte das Bundesamt fur die Anerkennung\nauslandischer Fluchtlinge die Antrage der Klagerin sowie ihrer beiden Kinder\nauf Anerkennung als Asylberechtigte ab und stellte fest, dass die\nVoraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG nicht vorliegen und\nAbschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht gegeben sind. Zugleich forderte\nes die Klagerin und ihre Kinder auf, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats\nnach Bekanntgabe dieser Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb\neines Monats nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, zu\nverlassen, und fur den Fall der nicht fristgerechten Ausreise drohte es ihnen\ndie Abschiebung in den Iran an. Der Bundesamtsbescheid wurde mit an die\nehemaligen Bevollmachtigten der Klagerin gerichtetem Einschreibebrief am\n06.02.2004 zur Post gegeben. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klagerin sowie ihre zwei Kinder haben am 13.02.2004 Klagen erhoben. \n--- \n| 5 \n--- \n| Zur Begrundung der Klagen wird vorgetragen, die Klagerin sei am 11.04.2004\ngetauft worden und zum Christentum ubergetreten. Sie besuche den Gottesdienst\nin einer Methodisten-Kirche in ... sowie zweimal monatlich einen Bibelkreis.\nAufgrund ihres Übertritts zum Christentum sei das Verhaltnis zu ihrer Mutter\nund zu ihrem Ehemann beeintrachtigt. Auf ein Vorfluchtgeschehen werde die\nKlage nicht gestutzt. \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Klagebegrundung hat die Klagerin die Kopie einer Taufbescheinigung, ein\nSchreiben ihres Gemeindepfarrers sowie weitere Unterlagen beigefugt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| den Bescheid des Bundesamtes fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge\nvom 22.01.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als\nAsylberechtigte anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des\n§ 60 Abs.1 AufenthG erfullt sind; \n--- \n| 9 \n--- \n| hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass\nAbschiebungshindernisse nach § 60 Abs.2-5 und 7 AufenthG vorliegen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Sie nimmt auf die Begrundung der angefochtenen Entscheidung Bezug. \n--- \n| 13 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung hat die Klagerin erganzt, sie gehe\nkontinuierlich in die Kirche, was eine Herzenssache von ihr sei. Sie mache\ndies aus Überzeugung. In ihrer Gemeinde sei sie wie ein Familienmitglied\naufgenommen worden. Durch den Bibelunterricht sei sie fur eine langere Zeit\nauf die Taufe vorbereitet worden. Im Falle einer Ruckkehr in den Iran musste\nsie ihre christliche Glaubenszugehorigkeit offenbaren. Sie konnte ihren\nGlauben im Iran nicht verleugnen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Das Verfahren der Kinder der Klagerin ist von dem Verfahren der Klagerin\nabgetrennt worden. \n--- \n| 15 \n--- \n| Dem Gericht liegt die einschlagige Akte des Bundesamtes fur die Anerkennung\nauslandischer Fluchtlinge uber die Klagerin vor. Wegen der weiteren\nEinzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behordenakte, der\ngewechselten Schriftsatze und der Niederschrift uber die mundliche Verhandlung\nBezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Das Gericht konnte in Abwesenheit von Beteiligten uber die Klage verhandeln\nund entscheiden, da die diesen rechtzeitig zugestellten Ladungen einen\nentsprechenden Hinweis enthielten (§ 102 Abs.2 VwGO) bzw. auf die\nFormlichkeiten der Ladung verzichtet wurde. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die zulassige Klage ist zu einem Teil begrundet. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Bescheid des Bundesamtes fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge\nist - soweit er auf die Klage der Klagerin hin zum Gegenstand des Verfahrens\ngemacht worden ist - in seiner Nr.1 rechtmaßig und verletzt die Klagerin nicht\nin ihren Rechten. Denn sie hat keinen Anspruch auf Anerkennung als\nAsylberechtigte (§ 113 Abs.1 Satz 1, Abs.5 Satz 1 VwGO). Hingegen kommt der\nKlagerin gegenuber der Beklagten ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens\nder Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG im Hinblick auf den Iran zu. Der\nBundesamtsbescheid vom 22.01.2004 ist daher, soweit er dem entgegensteht und\neinschließlich der die Klagerin betreffenden Abschiebungsandrohung,\naufzuheben. Einer Entscheidung uber den von der Klagerin gestellten\nHilfsantrag bedurfte es deswegen nicht. \n--- \n| 19 \n--- \n| Ein Anspruch der Klagerin auf Anerkennung als Asylberechtigte im Sinne von\nArt.16a Abs.1 GG ist vorliegend schon wegen Art. 16a Abs.2 Satz 1 GG i.V.m. §\n26a AsylVfG ausgeschlossen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das\nGericht auf die insoweit zutreffenden Ausfuhrungen in dem Bescheid des\nBundesamtes vom 22.01.2004 (dort Seiten 2/3) Bezug; es schließt sich dieser\nBegrundung an (§ 77 Abs.2 AsylVfG). \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Klagerin kommt indes ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der\nVoraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs.1 AufenthG gegen die\nBeklagte zu. \n--- \n| 21 \n--- \n| Gemaß § 60 Abs.1 Satz 1 AufenthG darf ein Auslander in Anwendung des\nAbkommens vom 28.07.1951 uber die Rechtsstellung der Fluchtlinge (Genfer\nFluchtlingskonvention) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein\nLeben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehorigkeit,\nseiner Zugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner\npolitischen Überzeugung bedroht ist. Hinsichtlich der Verfolgungshandlung, des\ngeschutzten Rechtsguts und des politischen Charakters der Verfolgung stimmen\ndie Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG nach der bisherigen standigen\nRechtsprechung im Wesentlichen mit den Voraussetzungen des Asylanspruchs nach\nArt.16a Abs.1 GG uberein (vgl. zu § 51 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urt. v.\n18.02.1992, DVBl.1992, 843 und Urt. v. 18.01.1994, NVwZ 1994, 497). Im\nUnterschied zu Art.16a Abs.1 GG konnen die Voraussetzungen eines\nAbschiebungsverbots nach § 60 Abs.1 AufenthG aber auch dann vorliegen, wenn\neine Verfolgung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht (vgl. § 60 Abs.1 Satz 4\nlit. c AufenthG), wenn sie auf einem Umstand beruht, den der Asylbewerber erst\nnach dem Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen\nhat, ohne dabei eine feste, bereits im Herkunftsland erkennbar betatigte\nÜberzeugung fortzufuhren (§ 28 Abs.1 AsylVfG), oder wenn der Asylsuchende eine\nin einem anderen Land bestehende Sicherheit ohne Not aufgegeben hat (vgl. §§\n26a, 27 AsylVfG). \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klagerin, die im Bundesgebiet zu einer glaubigen Christin geworden ist,\nhat im Falle ihrer nunmehrigen Ruckkehr in den Iran mit beachtlicher\nWahrscheinlichkeit mit im Rahmen des § 60 Abs.1 AufenthG relevanten\nVerfolgungsmaßnahmen seitens des iranischen Staates in Anknupfung an ihren\nÜbertritt vom Islam zum Christentum zu rechnen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Dabei geht das Gericht davon aus, dass sich mit dem Ablauf des 10.10.2006\neine Rechtsanderung ergeben hat, aus welcher sich im Gegensatz zu der bis\ndahin geltenden Rechtslage ein wesentlich umfangreicherer Schutz der\npersonlichen Glaubensbetatigung ableiten lasst. Gegenuber der bisherigen\nAnnahme der verfassungs- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, wonach\nsowohl Artikel 16a Abs.1 GG als auch § 60 Abs.1 AufenthG lediglich das sog.\nreligiose Existenzminimum schutzt (vgl. im Einzelnen BVerfG Urt. v.\n01.07.1987, BVerfGE 76, 143, Urt. v. 27.06.1991, InfAuslR 1991, 288;\ninsbesondere zur Situation der Apostaten im Iran: BVerwG, Urt. v. 20.01.2004,\nNVwZ 2004, 1000; vgl. auch zusammenfassend Hailbronner, Auslanderrecht, Komm.,\nRN 116 ff. zu Art. 16 a GG), sind seit dem 11.10.2006 nach der Auffassung des\nGerichts zur Auslegung des Begriffes der Religion im Zusammenhang mit der\nPrufung von Verfolgungsgrunden die Maßgaben der Richtlinie 2004/83/EG des\nRates der Europaischen Union vom 29.04.2004 uber Mindestnormen fur die\nAnerkennung und den Status von Drittstaatsangehorigen oder Staatenlosen als\nFluchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz\nbenotigen, und uber den Inhalt des zu gewahrenden Schutzes - sog.\nQualifikationsrichtlinie - (Amtsblatt der Europaischen Union L 304/12 vom\n30.09.2004) zu beachten. Diese Richtlinie war von den Mitgliedsstaaten bis zum\n10.10.2006 in nationales Recht umzusetzen (Art. 38 Abs.1 Satz 1 der\nRichtlinie), wobei es ausreichte, in den nationalen Vorschriften selbst oder\ndurch einen Hinweis bei der amtlichen Veroffentlichung auf die Richtlinie\nBezug zu nehmen (Art. 38 Abs.1 Satz 3 der Richtlinie). In der Bundesrepublik\nDeutschland fehlt es bislang an einer vollstandigen Umsetzung der\nQualifikationsrichtlinie; dieses ist indes im Rahmen der Verabschiedung eines\nGesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der\nEuropaischen Union aller Voraussicht nach im Jahr 2007 zu erwarten. Nach der\nRechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs kann sich der Einzelne zu seinen\nGunsten gegenuber dem Staat aber auch unmittelbar auf die Bestimmung einer\nRichtlinie berufen, wenn die Richtlinie innerhalb der Umsetzungsfrist nicht\noder nur unzulanglich in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist, wenn die\neinschlagigen Bestimmungen der Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend\ngenau sind und wenn die berufene Bestimmung dem Einzelnen ein subjektives\nRecht oder jedenfalls eine reflexartige Begunstigung vermittelt (vgl.\nAhlt/Deisenhofer, Europarecht, 3. Aufl. Seite 40 ff. m. Nachw. aus der\nRechtsprechung des EuGH). Solches ist im Hinblick auf die hier\nentscheidungserhebliche Regelung in Art. 10 Abs.1 Satz 1 b der\nQualifikationsrichtlinie nach der Auffassung des Gerichts der Fall. Nach\ndieser Bestimmung berucksichtigen die Mitgliedsstaaten bei der Prufung der\nVerfolgungsgrunde, dass der Begriff der Religion auch theistische,\nnichttheistische und atheistische Glaubensuberzeugungen, die Teilnahme bzw.\nNichtteilnahme an religiosen Riten im privaten oder offentlichen Bereich,\nallein oder in Gemeinschaft mit anderen, sowie sonstige religiose Betatigungen\noder Meinungsaußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft,\ndie sich auf eine religiose Überzeugung stutzen oder nach dieser\nvorgeschrieben sind, umfasst. Diese Regelung ist inhaltlich unbedingt sowie\nhinreichend genau und sie soll auch gerade dem Einzelnen ein subjektives Recht\nvermitteln. Dass sie sich ihrem Wortlaut nach lediglich an die\nMitgliedsstaaten richtet, steht der Einraumung eines subjektiven Rechtes\ninsbesondere deswegen nicht entgegen, weil - wie ausgefuhrt - eine Umsetzung\nin nationales Recht, welches die Anerkennung und den Status von\nDrittstaatsangehorigen oder Staatenlosen als Fluchtlinge regelt, allein im\nWege einer bloßen Bezugnahme auf die Richtlinie vorgesehen ist (vgl. Art.38\nAbs.1 Satz 3 der Richtlinie). \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Qualifikationsrichtlinie dient der Vereinheitlichung der Asylpolitik\nder Staaten der Europaischen Union und es ist ihr wesentliches Ziel, ein\nMindestmaß an Schutz in allen Mitgliedsstaaten fur Personen zu gewahrleisten,\ndie tatsachlich Schutz benotigen (vgl. die Nummern 1 und 6 der Praambel der\nRichtlinie). Sie zielt insbesondere darauf ab, die uneingeschrankte Wahrung\nder Menschenwurde, des Asylrechts fur Asylsuchende und die sie begleitenden\nFamilienangehorigen sicherzustellen (Nr.10). Mit ihr sollen Mindestnormen fur\ndie Bestimmung und die Merkmale der Fluchtlingseigenschaft festgelegt werden,\num die zustandigen innerstaatlichen Behorden der Mitgliedsstaaten bei der\nAnwendung der Genfer Konvention zu leiten (Nr.16). Dabei sollten gemeinsame\nKriterien fur die Anerkennung von Asylbewerbern als Fluchtlinge im Sinne von\nArtikel 1 der Genfer Konvention eingefuhrt werden (Nr.17). Die Angleichung der\nRechtsvorschriften uber die Anerkennung und den Inhalt der\nFluchtlingseigenschaft und des subsidiaren Schutzes soll dazu beitragen, die\nSekundarmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedsstaaten einzudammen (Nr.\n7). Im Sinne der Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Fluchtling" einen\nDrittstaatsangehorigen, der aus der begrundeten Furcht vor Verfolgung wegen\nseiner Rasse, Religion, Staatsangehorigkeit, politischen Überzeugung oder\nZugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes\nbefindet, dessen Staatsangehorigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes\nnicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch\nnehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten\nGrunden außerhalb des Landes seines vorherigen gewohnlichen Aufenthaltes\nbefindet und nicht dorthin zuruckkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht\ndorthin zuruckkehren will und auf welchen Ausschlussregelungen nicht zutreffen\n(Art. 2 c der Richtlinie). \n--- \n| 25 \n--- \n| Wie bereits ausgefuhrt, umfasst im Rahmen der Prufung der Verfolgungsgrunde\nder Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und\natheistische Glaubensuberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an\nreligiosen Riten im privaten oder offentlichen Bereich, allein oder in\nGemeinschaft mit anderen, sowie sonstige religiose Betatigungen oder\nMeinungsaußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die\nsich auf eine religiose Überzeugung stutzen oder nach dieser vorgeschrieben\nsind (Art. 10 Abs.1 Satz 1 b der Richtlinie). Mit dieser - mittlerweile\nunmittelbar anwendbaren - Bestimmung ist der Schutz vor politischer Verfolgung\nwegen der Zugehorigkeit zu einer Religion aus den dargestellten Grunden einer\neinheitlichen europaischen Asylpolitik verhaltnismaßig weit gefasst worden. Im\nGegensatz zu dem bisher auf der nationalen Ebene der Bundesrepublik\nDeutschland lediglich gewahrten Schutzes des sog. religiosen Existenzminimums\n(s.o.) ist die Regelung des Art. 10 Abs.1 Satz 1 b der\nQualifikationsrichtlinie nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts in der\nWeise zu verstehen, dass nunmehr die religiose Identitat des Einzelnen einem\numfassenden Schutz unterliegt. Insbesondere mit der Bestimmung, dass der\nBegriff der Religion auch die Teilnahme an religiosen Riten nicht nur im\nprivaten, sondern auch im offentlichen Bereich umfasst und daruber\nhinausgehend sogar auch alle sonstigen religiosen Betatigungen oder\nMeinungsaußerungen sowie Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft\nbeinhaltet, geht eine erhebliche Ausweitung des - bislang in Deutschland\nangenommenen - Schutzbereichs einher. Unter den Begriff der Ausubung\nreligioser Riten im offentlichen Bereich rechnen insbesondere die ungehinderte\nTeilnahme an offentlichen bzw. offentlich zuganglichen Gottesdiensten in\nGotteshausern aber auch unter freiem Himmel, wie sie etwa fur die christliche\nReligion allgemein ublich und vorgesehen ist. Die Qualifikationsrichtlinie\nlehnt sich insoweit an Artikel 9 Abs.1 der Europaischen Konvention zum Schutze\nder Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - (BGBl. II 685, 953) an, wonach\ndie jedermann zustehende Religionsfreiheit insbesondere die Freiheit des\nEinzelnen zum Wechsel der Religion sowie die Freiheit, seine Religion einzeln\noder in Gemeinschaft mit anderen offentlich oder privat durch Gottesdienst,\nUnterricht sowie durch die Ausubung und Beachtung religioser Gebrauche\nauszuuben, umfasst. Eine Beschrankung des Schutzes auf die Religionsausubung\nim privaten oder nachbarschaftlichen Rahmen ist danach nicht vorgesehen. Das\nmit der Richtlinie erstrebte Ziel, einen gemeinsamen europaischen\nFluchtlingsbegriff zu schaffen, ist auch nur erreichbar, wenn eine moglichst\nenge Anlehnung an die mit der Richtlinie festgelegten Definitionen erfolgt;\ndie Anerkennungsvoraussetzungen sind daher moglichst wortgetreu zu ubernehmen.\nZusammengenommen steht nach allem nunmehr auch das im offentlichen Bereich -\nsei es durch die Vornahme bestimmter religioser Riten, sei es durch die\nKundgabe einer bloßen religiosen Meinungsaußerung - erfolgte Bekenntnis zu\neinem bestimmten Glauben unter dem Schutz vor politischer Verfolgung. Der von\netwaiger - aufgrund ihrer Erheblichkeit relevanter - Verfolgung Betroffene\nkann im Gegensatz zu der vormaligen Rechtslage seit der unmittelbaren Geltung\nder Qualifikationsrichtlinie nicht mehr darauf verwiesen werden, seinen\nGlauben bzw. die nach seinem Glauben wesentlichsten Riten allein im Rahmen\nseiner Privatsphare zu verrichten. Letztlich schutzt die Neuregelung die\nreligiose Identitat des Einzelnen in allen seinen Aspekten, zu welchen auch\ndas bloße Bekenntnis zum Glauben in der Öffentlichkeit rechnet. Dadurch, dass\nArt. 10 Abs.1 Satz 1 b der Qualifikationsrichtlinie samtliche theistischen,\nnichttheistischen und atheistischen Glaubensuberzeugungen gleichermaßen\nberucksichtigt, ergibt sich aber zugleich auch eine Begrenzung des Schutzes\nder religiosen Betatigung: Soweit diese mit einer Beeintrachtigung oder\nBelastigung Anders- oder Nichtglaubiger einhergeht, kann sie einen Schutz\nnicht mehr beanspruchen. Ein aggressives oder auch nur als belastigend\nempfundenes Missionieren kann nach wie vor - entsprechend der bisherigen\neinhelligen Rechtsprechung - keinen besonderen Schutz beanspruchen, genauso\nwenig wie das offentliche, auf ihre Beseitigung gerichtete Infragestellen\neiner etwa bestehenden Staatsreligion. Art. 10 Abs.1 Satz 1 b der\nQualifikationsrichtlinie hat nach allem die auch offentliche Darstellung der\neigenen religiosen Identitat im Wege der Glaubensbetatigung - ohne dass diese\njedoch zugleich gegen andere Glaubensuberzeugungen gerichtet sein darf - im\nBlick. \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach der Überzeugung des Gerichts konnte die Klagerin indes im Falle ihrer\nnunmehrigen Ruckkehr in den Iran keine derartige - offentliche -\nGlaubensbetatigung vornehmen, ohne mit der erforderlichen beachtlichen\nWahrscheinlichkeit von im Rahmen des § 60 Abs.1 AufenthG relevanten\nVerfolgungsmaßnahmen betroffen zu werden. Im Falle einer offentlichen\nBekundung ihres Abfalls vom Islam und ihrer Zuwendung zum Christentum sowie\neiner Glaubensbetatigung in der Öffentlichkeit, wie etwa der Teilnahme an\noffentlichen Gottesdiensten oder der Vornahme von Gebeten unter freiem Himmel\nallein oder in Gemeinschaft mit anderen wurde die Klagerin sich der\nbeachtlichen Gefahr staatlicher Willkurmaßnahmen aussetzen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Dabei kann es dahinstehen, ob, wie in der verwaltungsgerichtlichen\nRechtsprechung einhellig angenommen, der bloße Umstand des Abfalls vom Islam\nals solcher im Iran aller Voraussicht nach - auch im Falle seines\nBekanntwerdens - keine verfolgungsrelevanten Maßnahmen nach sich zieht (vgl.\ninsoweit BVerwG, Urt. v. 20.01.2004, aaO.; Sachs. OVG, Urt. v. 04.05.2005 - A\n2 B 524/04 -, juris; BayVGH, Urt. v. 02.05.2005 - 14 B 02.30703 -, juris; VG\nKarlsruhe, Urt. v. 04.05.2006 - A 6 K 11574/04 -). \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Klagerin wurde aber mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit durch gegen\nihre nach Artikel 10 Abs.1 Satz 1 b der Qualifikationsrichtlinie geschutzte\nGlaubensbetatigung gerichteten staatlichen Maßnahmen - landesweit - jedenfalls\nin ihrer Freiheit beeintrachtigt werden. \n--- \n| 29 \n--- \n| Nach der dem Gericht zur Verfugung stehenden einhelligen Auskunftslage\nleben zwar die Muslime im Iran mit den Angehorigen der drei weiteren durch die\nVerfassung anerkannten Religionsgemeinschaften, (Christentum, Zoroastrismus\nund Judentum) im Wesentlichen friedlich nebeneinander. Die anerkannten\nreligiosen Minderheiten sind weitestgehend frei in der Ausubung ihrer\nReligion, insbesondere die christlichen Kirchengemeinden, die ihre Arbeit\nausschließlich auf die Angehorigen ihrer eigenen Religion beschranken, werden\nvom Staat nicht systematisch behindert oder verfolgt (Lagebericht des AA v.\n21.09.2006). Anhanger der traditionellen Kirchen wie die armenischen,\nassyrischen und chaldaischen Christen haben daher im Iran grundsatzlich keine\nVerfolgung zu befurchten (Schweizerische Fluchtlingshilfe, Themenpapier\n„Christen und Christinnen im Iran" vom 18.10.2005). Demgegenuber konnen\nMitglieder solcher religioser Minderheiten, denen zum Christentum konvertierte\nMuslime angehoren, staatlichen Repressionen ausgesetzt sein. Dies gilt\ninsbesondere fur alle missionierenden Christen. Es kommt aber nach der\nEinschatzung des Auswartigen Amts auch vor, dass nicht missionierende, zum\nChristentum konvertierte Iraner bis hin zur Ausgrenzung benachteiligt werden\n(Lagebericht v. 21.09.2006). Eine noch erheblichere Gefahrdung als das\nAuswartige Amt sieht die Schweizerische Fluchtlingshilfe in dem erwahnten\nBericht vom 18.10.2005: Die Zunahme der Konversionen vom Islam zum Christentum\nsei nach Ansicht von Experten ein neues Phanomen. Erklart werde dies\neinerseits durch die zunehmende Ablehnung der stets islamisch-restriktiv\nargumentierenden iranischen Regierungselite durch die zumeist jungen\nmuslimischen Iraner und Iranerinnen, die ihre Hinwendung zum Christentum als\nProtest gegen die islamische Regierung verstunden. Andererseits intensivierten\nsich aber auch die Missionierungsbestrebungen christlicher Gruppierungen im\nIran. Konvertiten seien einer erhohten Gefahrdungssituation ausgesetzt. Grund\nhierfur sei die Vermutung der Behorden, mit der Konversion gehe eine\nregimekritische Handlung einher. Berichten zufolge wurden Konvertiten, sobald\nihr Übertritt den Behorden bekannt werde, zum Informationsministerium zitiert,\nwo sie wegen ihres Verhaltens scharf verwarnt wurden. Sollten sie weiter in\nder Öffentlichkeit auffallen, beispielsweise durch Besuche von Gottesdiensten,\nMissionsaktivitaten oder ahnlichem, konnten sie nach Belieben von den\niranischen Behorden mit Hilfe konstruierter Vorwurfe wie Spionage, Aktivitaten\nin illegalen Gruppen oder aus anderen Grunden vor Gericht gestellt werden. Ob\nein Konvertit durch den iranischen Staat verfolgt werde oder nicht, hange im\ngroßen Ausmaß mit seinem Verhalten in der Öffentlichkeit zusammen. Ein\nKonvertit, der im Ausland zum Christentum ubergetreten sei, konne nur solange\nwirklich ungefahrdet wieder zuruckkehren, wie die iranischen Behorden keine\nKenntnis bezuglich seiner Konversion erhielten. Solange Konvertiten ihren\nGlauben unbemerkt von den iranischen Behorden und unbemerkt von\nFamilienangehorigen, Nachbarn und Bekannten ausubten, drohe ihnen keine Gefahr\ndurch den iranischen Staat. Sie wurden nach wie vor offiziell weiter als\nMuslime gelten und sich prasentieren. Im Iran bestunden etwa 100 christliche\nHausgemeinschaften, an denen Apostaten teilnahmen. Sollten diese sich in der\nÖffentlichkeit allerdings auffallig verhalten oder gar missionieren, mussten\nsie mit einschneidenden Maßnahmen der Regierung rechnen. Sollten\nFamilienangehorige der Apostaten extrem fanatische Muslime sein, konne der\nÜbertritt zum Christentum zu nachhaltiger Denunzierung bei iranischen\nSicherheitsdiensten fuhren. Zugleich konne der Übertritt immer auch als\nHochverrat, Staatsverrat und Abfall von der eigenen Sippe und dem eigenen\nStamm angesehen werden. Dies konne zu zahlreichen Anzeigen von\nFamilienangehorigen sowie zu schweren korperlichen Misshandlungen und unter\nUmstanden langeren Verhaftungen durch iranische Sicherheitsdienste fuhren. Die\nSchweizerische Fluchtlingshilfe beruft sich bei ihrer Beurteilung der\nGefahrdungslage in erster Linie auf die Stellungnahmen und Auskunfte des\nDeutschen Orient-Instituts, welche auch zum Gegenstand des vorliegenden\nVerfahrens gemacht wurden (vgl. insbesondere dessen Auskunfte vom 06.09.2004\nan das VG Koln, vom 22.11.2004 an das VG Kassel, vom 06.12.2004 an das OVG\nBautzen). Diesen Auskunften ist zusammenfassend zu entnehmen, dass Apostaten\nim Falle ihrer offentlichen christlichen Glaubensbetatigung im Iran einer\nerheblichen Gefahrdung ausgesetzt sind. Eine Gefahrdung bestunde nur dann\nnicht, wenn religiose Handlungen in privaten Raumen in der Weise vorgenommen\nwurden, dass hiervon niemand etwas erfahre. Sobald allerdings uber diesen\nprivaten Bereich hinausgegangen werde, sei es wahrscheinlich, dass iranische\nSicherheitskrafte in der Glaubensbetatigung eine verbotene oppositionelle\nAktivitat unter dem Deckmantel der Religion vermuteten. Insgesamt sei das\nVorgehen iranischer Sicherheitskrafte insoweit willkurlich und nicht im\nEinzelnen berechenbar, zumal Referenzfalle und Vergleichsmoglichkeiten\nfehlten. In Betracht komme insbesondere die Einleitung eines Verfahrens wegen\nHochverrats, oder die Angelegenheit werde entweder uber die Vorschriften, die\nwegen Tatigkeit in verbotenen Gruppen bestehe, oder uber den Verstoß gegen den\nislamischen ordre public geregelt. \n--- \n| 30 \n--- \n| Nach der Auffassung des Gerichts ist aufgrund dieser Erkenntnislage von dem\nVorliegen einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit fur gegen die Klagerin\ngerichtete zumindest freiheitsentziehende Maßnahmen auszugehen (vgl. ebenso VG\nBayreuth, Urt. v. 27.04.2006 - B 3 K 06.30073 -, juris, sowie VG Dusseldorf,\nUrt. v. 15.08.2006, Asylmagazin 2006, Heft 10, S. 22). Selbstredend kann\ninsoweit kein bestimmter Prozentsatz hinsichtlich der\nVerfolgungswahrscheinlichkeit angegeben werden. Politische Verfolgung ist aber\nbereits dann als beachtlich wahrscheinlich anzunehmen, wenn bei einer\nqualifizierten Betrachtungsweise die fur eine Verfolgung sprechenden Umstande\nein großeres Gewicht besitzen und deshalb gegenuber den dagegen sprechenden\nTatsachen uberwiegen (BVerwG, Urt. v. 05.11.1991, BVerwGE 89, 162 und Urt. v.\n14.12.1993, DVBl.1994, 524). Entscheidend ist dabei eine wertende\nBetrachtungsweise, die auch die Schwere des befurchteten Verfolgungseingriffs\nberucksichtigt. Je gravierender die moglichen Rechtsverletzungen sind, desto\nweniger kann es dem Betroffenen zugemutet werden, sich der Verfolgungsgefahr\nauszusetzen. Die fur eine Verfolgung sprechenden Umstande mussen nach ihrer\nIntensitat und Haufigkeit von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei\nobjektiver Betrachtung fur den Auslander, der Abschiebungsschutz nach § 60\nAbs.1 AufenthG begehrt, die begrundete Furcht ableiten lasst, selbst ein Opfer\nsolcher Verfolgungsmaßnahmen zu werden. Letztlich maßgebend ist in diesem\nZusammenhang der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der Ruckkehr (BVerwG, Urt. v.\n23.02.1988, Buchholz 402.25 AsylVfG, § 1 Nr.80 sowie Urt. v. 23.07.1991,\nBVerwGE 88, 367). Bestimmend hierfur ist eine objektive Beurteilung der\nVerfolgungsgefahr. Bei der Entscheidung, ob aus der Sicht eines besonnenen und\nvernunftig denkenden Menschen in der Lage des Schutzsuchenden nach Abwagung\naller bekannten Umstande eine Ruckkehr in den Heimatstaat als unzumutbar\nerscheint, sind nicht nur die Zahl der Referenzfalle stattgefundener\npolitischer Verfolgung, sondern auch das Vorhandensein eines feindseligen\nKlimas und die besondere Schwere des befurchteten Eingriffs in die Betrachtung\neinzubeziehen (BVerwG, Urt. v. 05.11.1991, aaO.). \n--- \n| 31 \n--- \n| Die von der Klagerin zu befurchtenden angesprochenen Verfolgungsmaßnahmen\nmussen danach als beachtlich wahrscheinlich angesehen werden. Zwar steht nicht\nzu erwarten, dass der iranische Staat jeden vom islamischen Glauben\nabgefallenen und zum christlichen Glauben ubergetretenen Staatsangehorigen\nverfolgen wird. Aufgrund der Willkur des iranischen Regimes ist aber nach der\nAuffassung des Gerichts bei einer offenen Darstellung des Glaubensubertritts\nsowie im Falle einer nicht verheimlichten Religionsausubung jedenfalls in\neiner betrachtlichen Anzahl der Falle mit der Einleitung von\nVerfolgungsmaßnahmen zu rechnen. Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, dass\nim Iran Folter bei Verhoren, in der Untersuchungs- und in regularer Haft\nvorkommt. Es gibt im Iran auch weiterhin willkurliche Festnahmen sowie lang\nandauernde Haft ohne Anklage oder Urteil. Seit der Wahl von Mahmoud\nAhmadinejad zum iranischen Staatsprasidenten im Jahr 2005 ist die\nReformpolitik seines Vorgangers vollstandig zum Erliegen gekommen. Die\nHoffnungen eines umfassenden Menschenrechtsdialogs zwischen der Europaischen\nUnion und dem Iran, der Anfang Dezember 2002 in Teheran aufgenommen worden\nist, haben sich bislang nicht erfullt (Lagebericht des AA v. 21.09.2006).\nSchließlich kann bei der Beurteilung des Grades der Wahrscheinlichkeit der von\nder Klagerin zu erwartenden Verfolgungsmaßnahmen auch nicht ganzlich außer\nBetracht bleiben, dass der Abfall vom Islam zwar nach dem kodifizierten\niranischen Strafrecht nicht mit Strafe bedroht ist, es aber eine\nungeschriebene religios- gesetzliche Strafbarkeit der Apostasie gibt, die im\nislamischen Kulturkreis nicht mit einer personlich-seelischen\nGewissensentscheidung, sondern mit dem politischen Hochverrat an der\nGemeinschaft der Glaubigen in Verbindung gebracht und deswegen als\ntodeswurdiges Verbrechen eingestuft wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.01.2004,\naaO.). \n--- \n| 32 \n--- \n| Der Schutz des § 60 Abs.1 AufenthG kommt der Klagerin schließlich auch\ndeswegen zu, weil das Gericht von der Ernsthaftigkeit ihres Übertritts zum\nchristlichen Glauben uberzeugt ist. Die Klagerin hat sowohl schriftlich als\nauch in der mundlichen Verhandlung ihre personlichen Beweggrunde dargelegt und\nglaubhaft ihre Entwicklung hin zum christlichen Glauben sowie ihre Aktivitaten\nfur die Glaubensgemeinschaft geschildert. Sie ist nach der Überzeugung des\nGerichts fester Bestandteil der Gemeinde der methodistischen Kirche in ....\nDort nimmt sie regelmaßig an Gottesdiensten und Bibelkreisen teil. Vor ihrer\nTaufe, die erst eine geraume Zeit nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet\nvorgenommen worden ist, hat sie sich zunachst durch die Teilnahme an\nverschiedenen Unterrichten mit dem christlichen Glauben vertraut gemacht, so\ndass ihr Übertritt zum christlichen Glauben durch die Taufe nicht als eine\nbloße plakative Handlung zur Unterstutzung ihres Asylbegehrens, sondern als\neine wirkliche Hinwendung zum christlichen Glauben aus eigener Überzeugung\nanzusehen ist. Schließlich hat auch ihr Gemeindepfarrer noch unter dem\n26.09.2006 die Hinwendung der Klagerin zum christlichen Glauben detailliert\nund nachvollziehbar beschrieben. \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Klagerin steht nach allem ein Anspruch gegen die Beklagte auf\nFeststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG im\nHinblick auf den Iran in Anknupfung an ihre Religionszugehorigkeit zu.\nDementsprechend ist die gegenteilige Feststellung in dem Bescheid des\nBundesamtes fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge vom 22.01.2003\n(Nr.2) aufzuheben. \n--- \n| 34 \n--- \n| Weil danach kein Anlass mehr fur eine Entscheidung uber das Vorliegen\nweiterer auslanderrechtlicher Abschiebungshindernisse besteht (vgl. § 31 Abs.\n3 S. 2 Nr. 2 AsylVfG), ist auch die Entscheidung des Bundesamtes, dass\nAbschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen (Nr. 3), aufzuheben. \n--- \n| 35 \n--- \n| Daneben ist auch die gegenuber der Klagerin ergangene Abschiebungsandrohung\n(Nr.4 des Bescheids) aufzuheben. Soll ein Auslander abgeschoben werden, bei\ndem die Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG vorliegen, kann zwar nicht\ndavon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene\nAusreisefrist zu setzen (§ 60 Abs.10 Satz 1 AufenthG). In der Androhung sind\naber die Staaten zu bezeichnen, in die der Auslander nicht abgeschoben werden\ndarf (§ 60 Abs.10 Satz 2 AufenthG). Vor dem Hintergrund dieser Regelungen muss\ndie der Klagerin gegenuber ergangene Abschiebungsandrohung als rechtswidrig\nangesehen werden, denn sie sieht gerade den Staat, in den diese nicht\nabgeschoben werden darf, als Zielland der Abschiebung vor, und im Übrigen ist\neine Entscheidung daruber, ob die Klagerin uberhaupt abgeschoben werden soll,\nobgleich bei ihr die Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG gegeben sind,\nnoch gar nicht getroffen wurden. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs.1 S. 1, 162 Abs.3 VwGO. \n--- \n| 37 \n--- \n| Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Das Gericht konnte in Abwesenheit von Beteiligten uber die Klage verhandeln\nund entscheiden, da die diesen rechtzeitig zugestellten Ladungen einen\nentsprechenden Hinweis enthielten (§ 102 Abs.2 VwGO) bzw. auf die\nFormlichkeiten der Ladung verzichtet wurde. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die zulassige Klage ist zu einem Teil begrundet. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Bescheid des Bundesamtes fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge\nist - soweit er auf die Klage der Klagerin hin zum Gegenstand des Verfahrens\ngemacht worden ist - in seiner Nr.1 rechtmaßig und verletzt die Klagerin nicht\nin ihren Rechten. Denn sie hat keinen Anspruch auf Anerkennung als\nAsylberechtigte (§ 113 Abs.1 Satz 1, Abs.5 Satz 1 VwGO). Hingegen kommt der\nKlagerin gegenuber der Beklagten ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens\nder Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG im Hinblick auf den Iran zu. Der\nBundesamtsbescheid vom 22.01.2004 ist daher, soweit er dem entgegensteht und\neinschließlich der die Klagerin betreffenden Abschiebungsandrohung,\naufzuheben. Einer Entscheidung uber den von der Klagerin gestellten\nHilfsantrag bedurfte es deswegen nicht. \n--- \n| 19 \n--- \n| Ein Anspruch der Klagerin auf Anerkennung als Asylberechtigte im Sinne von\nArt.16a Abs.1 GG ist vorliegend schon wegen Art. 16a Abs.2 Satz 1 GG i.V.m. §\n26a AsylVfG ausgeschlossen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das\nGericht auf die insoweit zutreffenden Ausfuhrungen in dem Bescheid des\nBundesamtes vom 22.01.2004 (dort Seiten 2/3) Bezug; es schließt sich dieser\nBegrundung an (§ 77 Abs.2 AsylVfG). \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Klagerin kommt indes ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der\nVoraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs.1 AufenthG gegen die\nBeklagte zu. \n--- \n| 21 \n--- \n| Gemaß § 60 Abs.1 Satz 1 AufenthG darf ein Auslander in Anwendung des\nAbkommens vom 28.07.1951 uber die Rechtsstellung der Fluchtlinge (Genfer\nFluchtlingskonvention) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein\nLeben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehorigkeit,\nseiner Zugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner\npolitischen Überzeugung bedroht ist. Hinsichtlich der Verfolgungshandlung, des\ngeschutzten Rechtsguts und des politischen Charakters der Verfolgung stimmen\ndie Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG nach der bisherigen standigen\nRechtsprechung im Wesentlichen mit den Voraussetzungen des Asylanspruchs nach\nArt.16a Abs.1 GG uberein (vgl. zu § 51 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urt. v.\n18.02.1992, DVBl.1992, 843 und Urt. v. 18.01.1994, NVwZ 1994, 497). Im\nUnterschied zu Art.16a Abs.1 GG konnen die Voraussetzungen eines\nAbschiebungsverbots nach § 60 Abs.1 AufenthG aber auch dann vorliegen, wenn\neine Verfolgung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht (vgl. § 60 Abs.1 Satz 4\nlit. c AufenthG), wenn sie auf einem Umstand beruht, den der Asylbewerber erst\nnach dem Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen\nhat, ohne dabei eine feste, bereits im Herkunftsland erkennbar betatigte\nÜberzeugung fortzufuhren (§ 28 Abs.1 AsylVfG), oder wenn der Asylsuchende eine\nin einem anderen Land bestehende Sicherheit ohne Not aufgegeben hat (vgl. §§\n26a, 27 AsylVfG). \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klagerin, die im Bundesgebiet zu einer glaubigen Christin geworden ist,\nhat im Falle ihrer nunmehrigen Ruckkehr in den Iran mit beachtlicher\nWahrscheinlichkeit mit im Rahmen des § 60 Abs.1 AufenthG relevanten\nVerfolgungsmaßnahmen seitens des iranischen Staates in Anknupfung an ihren\nÜbertritt vom Islam zum Christentum zu rechnen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Dabei geht das Gericht davon aus, dass sich mit dem Ablauf des 10.10.2006\neine Rechtsanderung ergeben hat, aus welcher sich im Gegensatz zu der bis\ndahin geltenden Rechtslage ein wesentlich umfangreicherer Schutz der\npersonlichen Glaubensbetatigung ableiten lasst. Gegenuber der bisherigen\nAnnahme der verfassungs- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, wonach\nsowohl Artikel 16a Abs.1 GG als auch § 60 Abs.1 AufenthG lediglich das sog.\nreligiose Existenzminimum schutzt (vgl. im Einzelnen BVerfG Urt. v.\n01.07.1987, BVerfGE 76, 143, Urt. v. 27.06.1991, InfAuslR 1991, 288;\ninsbesondere zur Situation der Apostaten im Iran: BVerwG, Urt. v. 20.01.2004,\nNVwZ 2004, 1000; vgl. auch zusammenfassend Hailbronner, Auslanderrecht, Komm.,\nRN 116 ff. zu Art. 16 a GG), sind seit dem 11.10.2006 nach der Auffassung des\nGerichts zur Auslegung des Begriffes der Religion im Zusammenhang mit der\nPrufung von Verfolgungsgrunden die Maßgaben der Richtlinie 2004/83/EG des\nRates der Europaischen Union vom 29.04.2004 uber Mindestnormen fur die\nAnerkennung und den Status von Drittstaatsangehorigen oder Staatenlosen als\nFluchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz\nbenotigen, und uber den Inhalt des zu gewahrenden Schutzes - sog.\nQualifikationsrichtlinie - (Amtsblatt der Europaischen Union L 304/12 vom\n30.09.2004) zu beachten. Diese Richtlinie war von den Mitgliedsstaaten bis zum\n10.10.2006 in nationales Recht umzusetzen (Art. 38 Abs.1 Satz 1 der\nRichtlinie), wobei es ausreichte, in den nationalen Vorschriften selbst oder\ndurch einen Hinweis bei der amtlichen Veroffentlichung auf die Richtlinie\nBezug zu nehmen (Art. 38 Abs.1 Satz 3 der Richtlinie). In der Bundesrepublik\nDeutschland fehlt es bislang an einer vollstandigen Umsetzung der\nQualifikationsrichtlinie; dieses ist indes im Rahmen der Verabschiedung eines\nGesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der\nEuropaischen Union aller Voraussicht nach im Jahr 2007 zu erwarten. Nach der\nRechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs kann sich der Einzelne zu seinen\nGunsten gegenuber dem Staat aber auch unmittelbar auf die Bestimmung einer\nRichtlinie berufen, wenn die Richtlinie innerhalb der Umsetzungsfrist nicht\noder nur unzulanglich in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist, wenn die\neinschlagigen Bestimmungen der Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend\ngenau sind und wenn die berufene Bestimmung dem Einzelnen ein subjektives\nRecht oder jedenfalls eine reflexartige Begunstigung vermittelt (vgl.\nAhlt/Deisenhofer, Europarecht, 3. Aufl. Seite 40 ff. m. Nachw. aus der\nRechtsprechung des EuGH). Solches ist im Hinblick auf die hier\nentscheidungserhebliche Regelung in Art. 10 Abs.1 Satz 1 b der\nQualifikationsrichtlinie nach der Auffassung des Gerichts der Fall. Nach\ndieser Bestimmung berucksichtigen die Mitgliedsstaaten bei der Prufung der\nVerfolgungsgrunde, dass der Begriff der Religion auch theistische,\nnichttheistische und atheistische Glaubensuberzeugungen, die Teilnahme bzw.\nNichtteilnahme an religiosen Riten im privaten oder offentlichen Bereich,\nallein oder in Gemeinschaft mit anderen, sowie sonstige religiose Betatigungen\noder Meinungsaußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft,\ndie sich auf eine religiose Überzeugung stutzen oder nach dieser\nvorgeschrieben sind, umfasst. Diese Regelung ist inhaltlich unbedingt sowie\nhinreichend genau und sie soll auch gerade dem Einzelnen ein subjektives Recht\nvermitteln. Dass sie sich ihrem Wortlaut nach lediglich an die\nMitgliedsstaaten richtet, steht der Einraumung eines subjektiven Rechtes\ninsbesondere deswegen nicht entgegen, weil - wie ausgefuhrt - eine Umsetzung\nin nationales Recht, welches die Anerkennung und den Status von\nDrittstaatsangehorigen oder Staatenlosen als Fluchtlinge regelt, allein im\nWege einer bloßen Bezugnahme auf die Richtlinie vorgesehen ist (vgl. Art.38\nAbs.1 Satz 3 der Richtlinie). \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Qualifikationsrichtlinie dient der Vereinheitlichung der Asylpolitik\nder Staaten der Europaischen Union und es ist ihr wesentliches Ziel, ein\nMindestmaß an Schutz in allen Mitgliedsstaaten fur Personen zu gewahrleisten,\ndie tatsachlich Schutz benotigen (vgl. die Nummern 1 und 6 der Praambel der\nRichtlinie). Sie zielt insbesondere darauf ab, die uneingeschrankte Wahrung\nder Menschenwurde, des Asylrechts fur Asylsuchende und die sie begleitenden\nFamilienangehorigen sicherzustellen (Nr.10). Mit ihr sollen Mindestnormen fur\ndie Bestimmung und die Merkmale der Fluchtlingseigenschaft festgelegt werden,\num die zustandigen innerstaatlichen Behorden der Mitgliedsstaaten bei der\nAnwendung der Genfer Konvention zu leiten (Nr.16). Dabei sollten gemeinsame\nKriterien fur die Anerkennung von Asylbewerbern als Fluchtlinge im Sinne von\nArtikel 1 der Genfer Konvention eingefuhrt werden (Nr.17). Die Angleichung der\nRechtsvorschriften uber die Anerkennung und den Inhalt der\nFluchtlingseigenschaft und des subsidiaren Schutzes soll dazu beitragen, die\nSekundarmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedsstaaten einzudammen (Nr.\n7). Im Sinne der Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Fluchtling" einen\nDrittstaatsangehorigen, der aus der begrundeten Furcht vor Verfolgung wegen\nseiner Rasse, Religion, Staatsangehorigkeit, politischen Überzeugung oder\nZugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes\nbefindet, dessen Staatsangehorigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes\nnicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch\nnehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten\nGrunden außerhalb des Landes seines vorherigen gewohnlichen Aufenthaltes\nbefindet und nicht dorthin zuruckkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht\ndorthin zuruckkehren will und auf welchen Ausschlussregelungen nicht zutreffen\n(Art. 2 c der Richtlinie). \n--- \n| 25 \n--- \n| Wie bereits ausgefuhrt, umfasst im Rahmen der Prufung der Verfolgungsgrunde\nder Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und\natheistische Glaubensuberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an\nreligiosen Riten im privaten oder offentlichen Bereich, allein oder in\nGemeinschaft mit anderen, sowie sonstige religiose Betatigungen oder\nMeinungsaußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die\nsich auf eine religiose Überzeugung stutzen oder nach dieser vorgeschrieben\nsind (Art. 10 Abs.1 Satz 1 b der Richtlinie). Mit dieser - mittlerweile\nunmittelbar anwendbaren - Bestimmung ist der Schutz vor politischer Verfolgung\nwegen der Zugehorigkeit zu einer Religion aus den dargestellten Grunden einer\neinheitlichen europaischen Asylpolitik verhaltnismaßig weit gefasst worden. Im\nGegensatz zu dem bisher auf der nationalen Ebene der Bundesrepublik\nDeutschland lediglich gewahrten Schutzes des sog. religiosen Existenzminimums\n(s.o.) ist die Regelung des Art. 10 Abs.1 Satz 1 b der\nQualifikationsrichtlinie nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts in der\nWeise zu verstehen, dass nunmehr die religiose Identitat des Einzelnen einem\numfassenden Schutz unterliegt. Insbesondere mit der Bestimmung, dass der\nBegriff der Religion auch die Teilnahme an religiosen Riten nicht nur im\nprivaten, sondern auch im offentlichen Bereich umfasst und daruber\nhinausgehend sogar auch alle sonstigen religiosen Betatigungen oder\nMeinungsaußerungen sowie Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft\nbeinhaltet, geht eine erhebliche Ausweitung des - bislang in Deutschland\nangenommenen - Schutzbereichs einher. Unter den Begriff der Ausubung\nreligioser Riten im offentlichen Bereich rechnen insbesondere die ungehinderte\nTeilnahme an offentlichen bzw. offentlich zuganglichen Gottesdiensten in\nGotteshausern aber auch unter freiem Himmel, wie sie etwa fur die christliche\nReligion allgemein ublich und vorgesehen ist. Die Qualifikationsrichtlinie\nlehnt sich insoweit an Artikel 9 Abs.1 der Europaischen Konvention zum Schutze\nder Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - (BGBl. II 685, 953) an, wonach\ndie jedermann zustehende Religionsfreiheit insbesondere die Freiheit des\nEinzelnen zum Wechsel der Religion sowie die Freiheit, seine Religion einzeln\noder in Gemeinschaft mit anderen offentlich oder privat durch Gottesdienst,\nUnterricht sowie durch die Ausubung und Beachtung religioser Gebrauche\nauszuuben, umfasst. Eine Beschrankung des Schutzes auf die Religionsausubung\nim privaten oder nachbarschaftlichen Rahmen ist danach nicht vorgesehen. Das\nmit der Richtlinie erstrebte Ziel, einen gemeinsamen europaischen\nFluchtlingsbegriff zu schaffen, ist auch nur erreichbar, wenn eine moglichst\nenge Anlehnung an die mit der Richtlinie festgelegten Definitionen erfolgt;\ndie Anerkennungsvoraussetzungen sind daher moglichst wortgetreu zu ubernehmen.\nZusammengenommen steht nach allem nunmehr auch das im offentlichen Bereich -\nsei es durch die Vornahme bestimmter religioser Riten, sei es durch die\nKundgabe einer bloßen religiosen Meinungsaußerung - erfolgte Bekenntnis zu\neinem bestimmten Glauben unter dem Schutz vor politischer Verfolgung. Der von\netwaiger - aufgrund ihrer Erheblichkeit relevanter - Verfolgung Betroffene\nkann im Gegensatz zu der vormaligen Rechtslage seit der unmittelbaren Geltung\nder Qualifikationsrichtlinie nicht mehr darauf verwiesen werden, seinen\nGlauben bzw. die nach seinem Glauben wesentlichsten Riten allein im Rahmen\nseiner Privatsphare zu verrichten. Letztlich schutzt die Neuregelung die\nreligiose Identitat des Einzelnen in allen seinen Aspekten, zu welchen auch\ndas bloße Bekenntnis zum Glauben in der Öffentlichkeit rechnet. Dadurch, dass\nArt. 10 Abs.1 Satz 1 b der Qualifikationsrichtlinie samtliche theistischen,\nnichttheistischen und atheistischen Glaubensuberzeugungen gleichermaßen\nberucksichtigt, ergibt sich aber zugleich auch eine Begrenzung des Schutzes\nder religiosen Betatigung: Soweit diese mit einer Beeintrachtigung oder\nBelastigung Anders- oder Nichtglaubiger einhergeht, kann sie einen Schutz\nnicht mehr beanspruchen. Ein aggressives oder auch nur als belastigend\nempfundenes Missionieren kann nach wie vor - entsprechend der bisherigen\neinhelligen Rechtsprechung - keinen besonderen Schutz beanspruchen, genauso\nwenig wie das offentliche, auf ihre Beseitigung gerichtete Infragestellen\neiner etwa bestehenden Staatsreligion. Art. 10 Abs.1 Satz 1 b der\nQualifikationsrichtlinie hat nach allem die auch offentliche Darstellung der\neigenen religiosen Identitat im Wege der Glaubensbetatigung - ohne dass diese\njedoch zugleich gegen andere Glaubensuberzeugungen gerichtet sein darf - im\nBlick. \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach der Überzeugung des Gerichts konnte die Klagerin indes im Falle ihrer\nnunmehrigen Ruckkehr in den Iran keine derartige - offentliche -\nGlaubensbetatigung vornehmen, ohne mit der erforderlichen beachtlichen\nWahrscheinlichkeit von im Rahmen des § 60 Abs.1 AufenthG relevanten\nVerfolgungsmaßnahmen betroffen zu werden. Im Falle einer offentlichen\nBekundung ihres Abfalls vom Islam und ihrer Zuwendung zum Christentum sowie\neiner Glaubensbetatigung in der Öffentlichkeit, wie etwa der Teilnahme an\noffentlichen Gottesdiensten oder der Vornahme von Gebeten unter freiem Himmel\nallein oder in Gemeinschaft mit anderen wurde die Klagerin sich der\nbeachtlichen Gefahr staatlicher Willkurmaßnahmen aussetzen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Dabei kann es dahinstehen, ob, wie in der verwaltungsgerichtlichen\nRechtsprechung einhellig angenommen, der bloße Umstand des Abfalls vom Islam\nals solcher im Iran aller Voraussicht nach - auch im Falle seines\nBekanntwerdens - keine verfolgungsrelevanten Maßnahmen nach sich zieht (vgl.\ninsoweit BVerwG, Urt. v. 20.01.2004, aaO.; Sachs. OVG, Urt. v. 04.05.2005 - A\n2 B 524/04 -, juris; BayVGH, Urt. v. 02.05.2005 - 14 B 02.30703 -, juris; VG\nKarlsruhe, Urt. v. 04.05.2006 - A 6 K 11574/04 -). \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Klagerin wurde aber mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit durch gegen\nihre nach Artikel 10 Abs.1 Satz 1 b der Qualifikationsrichtlinie geschutzte\nGlaubensbetatigung gerichteten staatlichen Maßnahmen - landesweit - jedenfalls\nin ihrer Freiheit beeintrachtigt werden. \n--- \n| 29 \n--- \n| Nach der dem Gericht zur Verfugung stehenden einhelligen Auskunftslage\nleben zwar die Muslime im Iran mit den Angehorigen der drei weiteren durch die\nVerfassung anerkannten Religionsgemeinschaften, (Christentum, Zoroastrismus\nund Judentum) im Wesentlichen friedlich nebeneinander. Die anerkannten\nreligiosen Minderheiten sind weitestgehend frei in der Ausubung ihrer\nReligion, insbesondere die christlichen Kirchengemeinden, die ihre Arbeit\nausschließlich auf die Angehorigen ihrer eigenen Religion beschranken, werden\nvom Staat nicht systematisch behindert oder verfolgt (Lagebericht des AA v.\n21.09.2006). Anhanger der traditionellen Kirchen wie die armenischen,\nassyrischen und chaldaischen Christen haben daher im Iran grundsatzlich keine\nVerfolgung zu befurchten (Schweizerische Fluchtlingshilfe, Themenpapier\n„Christen und Christinnen im Iran" vom 18.10.2005). Demgegenuber konnen\nMitglieder solcher religioser Minderheiten, denen zum Christentum konvertierte\nMuslime angehoren, staatlichen Repressionen ausgesetzt sein. Dies gilt\ninsbesondere fur alle missionierenden Christen. Es kommt aber nach der\nEinschatzung des Auswartigen Amts auch vor, dass nicht missionierende, zum\nChristentum konvertierte Iraner bis hin zur Ausgrenzung benachteiligt werden\n(Lagebericht v. 21.09.2006). Eine noch erheblichere Gefahrdung als das\nAuswartige Amt sieht die Schweizerische Fluchtlingshilfe in dem erwahnten\nBericht vom 18.10.2005: Die Zunahme der Konversionen vom Islam zum Christentum\nsei nach Ansicht von Experten ein neues Phanomen. Erklart werde dies\neinerseits durch die zunehmende Ablehnung der stets islamisch-restriktiv\nargumentierenden iranischen Regierungselite durch die zumeist jungen\nmuslimischen Iraner und Iranerinnen, die ihre Hinwendung zum Christentum als\nProtest gegen die islamische Regierung verstunden. Andererseits intensivierten\nsich aber auch die Missionierungsbestrebungen christlicher Gruppierungen im\nIran. Konvertiten seien einer erhohten Gefahrdungssituation ausgesetzt. Grund\nhierfur sei die Vermutung der Behorden, mit der Konversion gehe eine\nregimekritische Handlung einher. Berichten zufolge wurden Konvertiten, sobald\nihr Übertritt den Behorden bekannt werde, zum Informationsministerium zitiert,\nwo sie wegen ihres Verhaltens scharf verwarnt wurden. Sollten sie weiter in\nder Öffentlichkeit auffallen, beispielsweise durch Besuche von Gottesdiensten,\nMissionsaktivitaten oder ahnlichem, konnten sie nach Belieben von den\niranischen Behorden mit Hilfe konstruierter Vorwurfe wie Spionage, Aktivitaten\nin illegalen Gruppen oder aus anderen Grunden vor Gericht gestellt werden. Ob\nein Konvertit durch den iranischen Staat verfolgt werde oder nicht, hange im\ngroßen Ausmaß mit seinem Verhalten in der Öffentlichkeit zusammen. Ein\nKonvertit, der im Ausland zum Christentum ubergetreten sei, konne nur solange\nwirklich ungefahrdet wieder zuruckkehren, wie die iranischen Behorden keine\nKenntnis bezuglich seiner Konversion erhielten. Solange Konvertiten ihren\nGlauben unbemerkt von den iranischen Behorden und unbemerkt von\nFamilienangehorigen, Nachbarn und Bekannten ausubten, drohe ihnen keine Gefahr\ndurch den iranischen Staat. Sie wurden nach wie vor offiziell weiter als\nMuslime gelten und sich prasentieren. Im Iran bestunden etwa 100 christliche\nHausgemeinschaften, an denen Apostaten teilnahmen. Sollten diese sich in der\nÖffentlichkeit allerdings auffallig verhalten oder gar missionieren, mussten\nsie mit einschneidenden Maßnahmen der Regierung rechnen. Sollten\nFamilienangehorige der Apostaten extrem fanatische Muslime sein, konne der\nÜbertritt zum Christentum zu nachhaltiger Denunzierung bei iranischen\nSicherheitsdiensten fuhren. Zugleich konne der Übertritt immer auch als\nHochverrat, Staatsverrat und Abfall von der eigenen Sippe und dem eigenen\nStamm angesehen werden. Dies konne zu zahlreichen Anzeigen von\nFamilienangehorigen sowie zu schweren korperlichen Misshandlungen und unter\nUmstanden langeren Verhaftungen durch iranische Sicherheitsdienste fuhren. Die\nSchweizerische Fluchtlingshilfe beruft sich bei ihrer Beurteilung der\nGefahrdungslage in erster Linie auf die Stellungnahmen und Auskunfte des\nDeutschen Orient-Instituts, welche auch zum Gegenstand des vorliegenden\nVerfahrens gemacht wurden (vgl. insbesondere dessen Auskunfte vom 06.09.2004\nan das VG Koln, vom 22.11.2004 an das VG Kassel, vom 06.12.2004 an das OVG\nBautzen). Diesen Auskunften ist zusammenfassend zu entnehmen, dass Apostaten\nim Falle ihrer offentlichen christlichen Glaubensbetatigung im Iran einer\nerheblichen Gefahrdung ausgesetzt sind. Eine Gefahrdung bestunde nur dann\nnicht, wenn religiose Handlungen in privaten Raumen in der Weise vorgenommen\nwurden, dass hiervon niemand etwas erfahre. Sobald allerdings uber diesen\nprivaten Bereich hinausgegangen werde, sei es wahrscheinlich, dass iranische\nSicherheitskrafte in der Glaubensbetatigung eine verbotene oppositionelle\nAktivitat unter dem Deckmantel der Religion vermuteten. Insgesamt sei das\nVorgehen iranischer Sicherheitskrafte insoweit willkurlich und nicht im\nEinzelnen berechenbar, zumal Referenzfalle und Vergleichsmoglichkeiten\nfehlten. In Betracht komme insbesondere die Einleitung eines Verfahrens wegen\nHochverrats, oder die Angelegenheit werde entweder uber die Vorschriften, die\nwegen Tatigkeit in verbotenen Gruppen bestehe, oder uber den Verstoß gegen den\nislamischen ordre public geregelt. \n--- \n| 30 \n--- \n| Nach der Auffassung des Gerichts ist aufgrund dieser Erkenntnislage von dem\nVorliegen einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit fur gegen die Klagerin\ngerichtete zumindest freiheitsentziehende Maßnahmen auszugehen (vgl. ebenso VG\nBayreuth, Urt. v. 27.04.2006 - B 3 K 06.30073 -, juris, sowie VG Dusseldorf,\nUrt. v. 15.08.2006, Asylmagazin 2006, Heft 10, S. 22). Selbstredend kann\ninsoweit kein bestimmter Prozentsatz hinsichtlich der\nVerfolgungswahrscheinlichkeit angegeben werden. Politische Verfolgung ist aber\nbereits dann als beachtlich wahrscheinlich anzunehmen, wenn bei einer\nqualifizierten Betrachtungsweise die fur eine Verfolgung sprechenden Umstande\nein großeres Gewicht besitzen und deshalb gegenuber den dagegen sprechenden\nTatsachen uberwiegen (BVerwG, Urt. v. 05.11.1991, BVerwGE 89, 162 und Urt. v.\n14.12.1993, DVBl.1994, 524). Entscheidend ist dabei eine wertende\nBetrachtungsweise, die auch die Schwere des befurchteten Verfolgungseingriffs\nberucksichtigt. Je gravierender die moglichen Rechtsverletzungen sind, desto\nweniger kann es dem Betroffenen zugemutet werden, sich der Verfolgungsgefahr\nauszusetzen. Die fur eine Verfolgung sprechenden Umstande mussen nach ihrer\nIntensitat und Haufigkeit von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei\nobjektiver Betrachtung fur den Auslander, der Abschiebungsschutz nach § 60\nAbs.1 AufenthG begehrt, die begrundete Furcht ableiten lasst, selbst ein Opfer\nsolcher Verfolgungsmaßnahmen zu werden. Letztlich maßgebend ist in diesem\nZusammenhang der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der Ruckkehr (BVerwG, Urt. v.\n23.02.1988, Buchholz 402.25 AsylVfG, § 1 Nr.80 sowie Urt. v. 23.07.1991,\nBVerwGE 88, 367). Bestimmend hierfur ist eine objektive Beurteilung der\nVerfolgungsgefahr. Bei der Entscheidung, ob aus der Sicht eines besonnenen und\nvernunftig denkenden Menschen in der Lage des Schutzsuchenden nach Abwagung\naller bekannten Umstande eine Ruckkehr in den Heimatstaat als unzumutbar\nerscheint, sind nicht nur die Zahl der Referenzfalle stattgefundener\npolitischer Verfolgung, sondern auch das Vorhandensein eines feindseligen\nKlimas und die besondere Schwere des befurchteten Eingriffs in die Betrachtung\neinzubeziehen (BVerwG, Urt. v. 05.11.1991, aaO.). \n--- \n| 31 \n--- \n| Die von der Klagerin zu befurchtenden angesprochenen Verfolgungsmaßnahmen\nmussen danach als beachtlich wahrscheinlich angesehen werden. Zwar steht nicht\nzu erwarten, dass der iranische Staat jeden vom islamischen Glauben\nabgefallenen und zum christlichen Glauben ubergetretenen Staatsangehorigen\nverfolgen wird. Aufgrund der Willkur des iranischen Regimes ist aber nach der\nAuffassung des Gerichts bei einer offenen Darstellung des Glaubensubertritts\nsowie im Falle einer nicht verheimlichten Religionsausubung jedenfalls in\neiner betrachtlichen Anzahl der Falle mit der Einleitung von\nVerfolgungsmaßnahmen zu rechnen. Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, dass\nim Iran Folter bei Verhoren, in der Untersuchungs- und in regularer Haft\nvorkommt. Es gibt im Iran auch weiterhin willkurliche Festnahmen sowie lang\nandauernde Haft ohne Anklage oder Urteil. Seit der Wahl von Mahmoud\nAhmadinejad zum iranischen Staatsprasidenten im Jahr 2005 ist die\nReformpolitik seines Vorgangers vollstandig zum Erliegen gekommen. Die\nHoffnungen eines umfassenden Menschenrechtsdialogs zwischen der Europaischen\nUnion und dem Iran, der Anfang Dezember 2002 in Teheran aufgenommen worden\nist, haben sich bislang nicht erfullt (Lagebericht des AA v. 21.09.2006).\nSchließlich kann bei der Beurteilung des Grades der Wahrscheinlichkeit der von\nder Klagerin zu erwartenden Verfolgungsmaßnahmen auch nicht ganzlich außer\nBetracht bleiben, dass der Abfall vom Islam zwar nach dem kodifizierten\niranischen Strafrecht nicht mit Strafe bedroht ist, es aber eine\nungeschriebene religios- gesetzliche Strafbarkeit der Apostasie gibt, die im\nislamischen Kulturkreis nicht mit einer personlich-seelischen\nGewissensentscheidung, sondern mit dem politischen Hochverrat an der\nGemeinschaft der Glaubigen in Verbindung gebracht und deswegen als\ntodeswurdiges Verbrechen eingestuft wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.01.2004,\naaO.). \n--- \n| 32 \n--- \n| Der Schutz des § 60 Abs.1 AufenthG kommt der Klagerin schließlich auch\ndeswegen zu, weil das Gericht von der Ernsthaftigkeit ihres Übertritts zum\nchristlichen Glauben uberzeugt ist. Die Klagerin hat sowohl schriftlich als\nauch in der mundlichen Verhandlung ihre personlichen Beweggrunde dargelegt und\nglaubhaft ihre Entwicklung hin zum christlichen Glauben sowie ihre Aktivitaten\nfur die Glaubensgemeinschaft geschildert. Sie ist nach der Überzeugung des\nGerichts fester Bestandteil der Gemeinde der methodistischen Kirche in ....\nDort nimmt sie regelmaßig an Gottesdiensten und Bibelkreisen teil. Vor ihrer\nTaufe, die erst eine geraume Zeit nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet\nvorgenommen worden ist, hat sie sich zunachst durch die Teilnahme an\nverschiedenen Unterrichten mit dem christlichen Glauben vertraut gemacht, so\ndass ihr Übertritt zum christlichen Glauben durch die Taufe nicht als eine\nbloße plakative Handlung zur Unterstutzung ihres Asylbegehrens, sondern als\neine wirkliche Hinwendung zum christlichen Glauben aus eigener Überzeugung\nanzusehen ist. Schließlich hat auch ihr Gemeindepfarrer noch unter dem\n26.09.2006 die Hinwendung der Klagerin zum christlichen Glauben detailliert\nund nachvollziehbar beschrieben. \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Klagerin steht nach allem ein Anspruch gegen die Beklagte auf\nFeststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG im\nHinblick auf den Iran in Anknupfung an ihre Religionszugehorigkeit zu.\nDementsprechend ist die gegenteilige Feststellung in dem Bescheid des\nBundesamtes fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge vom 22.01.2003\n(Nr.2) aufzuheben. \n--- \n| 34 \n--- \n| Weil danach kein Anlass mehr fur eine Entscheidung uber das Vorliegen\nweiterer auslanderrechtlicher Abschiebungshindernisse besteht (vgl. § 31 Abs.\n3 S. 2 Nr. 2 AsylVfG), ist auch die Entscheidung des Bundesamtes, dass\nAbschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen (Nr. 3), aufzuheben. \n--- \n| 35 \n--- \n| Daneben ist auch die gegenuber der Klagerin ergangene Abschiebungsandrohung\n(Nr.4 des Bescheids) aufzuheben. Soll ein Auslander abgeschoben werden, bei\ndem die Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG vorliegen, kann zwar nicht\ndavon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene\nAusreisefrist zu setzen (§ 60 Abs.10 Satz 1 AufenthG). In der Androhung sind\naber die Staaten zu bezeichnen, in die der Auslander nicht abgeschoben werden\ndarf (§ 60 Abs.10 Satz 2 AufenthG). Vor dem Hintergrund dieser Regelungen muss\ndie der Klagerin gegenuber ergangene Abschiebungsandrohung als rechtswidrig\nangesehen werden, denn sie sieht gerade den Staat, in den diese nicht\nabgeschoben werden darf, als Zielland der Abschiebung vor, und im Übrigen ist\neine Entscheidung daruber, ob die Klagerin uberhaupt abgeschoben werden soll,\nobgleich bei ihr die Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG gegeben sind,\nnoch gar nicht getroffen wurden. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs.1 S. 1, 162 Abs.3 VwGO. \n--- \n| 37 \n--- \n| Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG). \n---\n\n
143,063
vghbw-2007-06-13-3-s-3907
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 S 39/07
2007-06-13
2019-01-09 15:01:24
2019-01-17 12:03:13
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts\nFreiburg vom 29. September 2006 - 2 K 1085/05 - geandert.\n\nDie Klage gegen die Verfugung der Beklagten vom 08.07.2004 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheids des Regierungsprasidiums Freiburg vom 14.12.2004 wird\nabgewiesen.\n\nDie Klager tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszugen mit Ausnahme\nder außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behalten.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager wenden sich gegen eine Abbruchsanordnung. Sie sind Eigentumer des\nGrundstucks Flst.-Nr. 3861/1 (...), die Beigeladenen sind Eigentumer des\nsudlich angrenzenden Grundstucks Flst.-Nr. 3861 (...) in ... . Beide mit\nEinfamilienhausern bebauten Grundstucke liegen im Geltungsbereich des\nBebauungsplans „Im Blechleacker, Im Schuppenacker, Hinterm Dorf, Im Buhl und\nVorderhard" der Gemeinde Ohlsbach in der Fassung der Änderung vom 23.02.1988\nmit Bebauungsvorschriften (BBV) vom 07.12.1987 und schriftlichem Teil vom\n10.06.1969. Der Bebauungsplan setzt Baufenster mit auf den einzelnen\nGrundstucken unterschiedlichen seitlichen - nicht vermaßten - Baugrenzen fest.\nAuf den nicht uberbaubaren Grundstucksflachen sind keine Nebenanlagen\nzulassig, außer Garagen und den erforderlichen Abstellplatzen. Nach § 8 Abs. 1\nund 2 der BBV („Grenz- und Gebaudeabstand") muss der seitliche Grenzabstand\nder Hauptgebaude von den Nachbargrenzen mindestens 4,00 m betragen und darf\nder Mindestabstand zwischen den Hauptgebauden jeweils 8,00 m nicht\nunterschreiten. Nach § 8 Abs. 3 der BBV gelten „im ubrigen …. die Bestimmungen\nder §§ 7, 8 u. 9 der Landesbauordnung … vom 06.04.1964 … in der Fassung vom\n28. Nov.1983 …". \n--- \n| 2 \n--- \n| Das Wohnhaus der Klager weist auf der Nordseite eine Grenzgarage mit einem\nangebauten uberdachten Wascheplatz aus Holz auf; die Grenzlange betragt\ninsgesamt ca. 17 m. Eine „Überdachung eines Wascheplatzes" wurde 1978\ngenehmigt. Auf der Gebaudesudseite befinden sich Balkone im EG und OG mit\neinem Grenzabstand von 2,91 m (Unterseite, vgl. Aufmaßskizze). Den Balkonen\nschrag gegenuber, ca. 2 m bis 2,20 m nach Westen versetzt, steht auf dem\nGrundstuck der Beigeladenen eine 9 m lange Grenzgarage mit Pultdach.\nWiderspruch und Klage der Klager gegen die Genehmigung dieser Garage blieben\nerfolglos (vgl. Urteil des VG Freiburg vom 17.05.1995 - 2 K 1141/94 -). Im\nApril 1996 beantragten die Klager eine Baugenehmigung zum Umbau des\nvorhandenen Sudbalkons im Erdgeschoss in einen Wintergarten mit einem\nGrenzabstand von 2,50 m. Diesen Antrag zogen sie nach Hinweis der Beklagten\nauf den vorgeschriebenen Grenzabstand und auf Einwendungen der Beigeladenen im\nAugust 1996 zuruck. Im Januar 1998 reichten die Klager „Nachtragsplane" \\- zum\nUmbau des Balkons in einen Wintergarten und zur Erweiterung des\ndarunterliegenden Gerateraums mit jeweils einem Grenzabstand von 2,50 m ein.\nAuch insoweit wies die Beklagte darauf hin, dass die vorgeschriebene Baugrenze\nerheblich uberschritten werde. Im Juli 2004 wurde festgestellt, dass die\nKlager unterhalb des Balkons einen nach Suden auskragenden, 5,94 m langen\nKelleranbau samt Tur im Rohbau mit einem Grenzabstand von 1,44 m (vgl. Fotos\nsowie Aufmaßskizze) errichtet hatten. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Verfugung vom 08.07.2004 gab die Beklagte den Klagern auf, den\nungenehmigten Erweiterungsbau des Kellergeschosses innerhalb von zwei Monaten\nab Bestandskraft zu beseitigen und setzte hierfur eine Gebuhr von 100,-- EUR\nfest. Der Erweiterungsbau, der Teil des Hauptgebaudes sei, widerspreche, wie\ndie Klager wussten, den Festsetzungen des Bebauungsplans bezuglich\nGrenzabstand und Baugrenze von jeweils 4,00 m. Eine Befreiung von diesen\nnachbarschutzenden Festsetzungen sei nicht moglich, da sich die Beigeladenen\nin ihren Rechten verletzt sahen, sich auch so geaußert hatten und eine\nEinigung nicht gelungen sei. Zur Herstellung baurechtmaßiger Zustande sehe man\nim Rahmen des Ermessens keine andere Moglichkeit, als den Abbruch des\nungenehmigt errichteten Anbaus anzuordnen. Den Widerspruch der Klager, den sie\nunter Hinweis auf die Zulassigkeit des Anbaus als Nebenraum nach § 6 Abs. 1 S.\n2 LBO und auf § 14 BauNVO - mit der Zulassungsmoglichkeit nach § 23 Abs. 5\nBauNVO - sowie mit Bedenken gegen die Wirksamkeit von § 8 der\nBebauungsvorschriften begrundeten, wies das Regierungsprasidium Freiburg im\nAnschluss an einen Ortstermin (mit Aufmaßskizze) mit Bescheid vom 14.12.2004\nzuruck: Der Anbau widerspreche den eindeutigen nachbarschutzenden\nFestsetzungen des Bebauungsplans zum Grenzabstand. Die Erweiterung sei auch\nmehr als nur geringfugig i.S.v. § 23 Abs. 3 BauNVO. Die entsprechenden\nErmessensuberlegungen im Ausgangsbescheid seien daher nicht zu beanstanden.\nEine Privilegierung nach § 6 Abs. 1 LBO sei schon deswegen ausgeschlossen,\nweil die entsprechenden Maximalmaße des § 6 Abs. 1 S. 4 LBO (15 m\nGrenzbebauung) schon durch die Garage mit insgesamt rund 17 m uberschritten\nwurden. Der Widerspruchsbescheid wurde den Klagern durch Anordnung per\nEinschreiben, abgesandt am 25.04.2005, erneut zugestellt. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit ihrer am 19.05.2005 erhobenen Klage beantragten die Klager, die\nVerfugung der Beklagten und den Widerspruchsbescheid aufzuheben. Erganzend zum\nbisherigen Vorbringen machten sie geltend: Der Anbau sei nach der LBO\nprivilegiert im Grenzbereich zulassig. Die Maße des § 6 Abs. 1 S. 2 LBO wurden\neingehalten, es handle sich auch um einen privilegierten Nebenraum ohne\nVerbindung zum Hauptgebaude. § 6 Abs. 1 S. 4 LBO stehe nicht entgegen, selbst\nwenn die bestehende Grenzbebauung insgesamt 15 m uberschreiten sollte. Auf die\nHochstmaße des § 6 Abs. 1 S. 4 LBO werde der streitige Anbau nicht\nangerechnet, weil er einen Grenzabstand von mindestens 1,44 m einhalte. Die\nBeklagte habe auch versaumt, eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zu prufen.\nDas Vorhaben store niemanden, die Beigeladenen wurden nicht beeintrachtigt und\nauch die Vorgeschichte sei von der Beklagten nicht berucksichtigt worden. Der\nAbbruch sei insgesamt unverhaltnismaßig. Die Beklagte trat der Klage entgegen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht Freiburg hat - nach erfolgsloser Durchfuhrung eines\nMediationsverfahrens - der Klage mit Urteil vom 29.09.2006 - 2 K 1085/05 -\nstattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben: Ob die\nTatbestandsvoraussetzungen des § 65 S. 1 LBO vorlagen, konne offenbleiben.\nJedenfalls leide die Abbruchsanordnung an Ermessensfehlern. Die Beklagte habe\ndie Moglichkeit einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 der\nBebauungsvorschriften und § 7 Abs. 3 S. 1 der LBO 1983 nicht gesehen und auch\nnicht gepruft. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 S. 1 Ziff. 2 LBO 1983 lagen\nvor. Von der streitigen Kellererweiterung gehe keine tatsachliche\nBeeintrachtigung nachbarlicher Interessen der Beigeladenen aus, da der Anbau\nweitgehend durch deren eigene Grenzgarage abgeschirmt werde. Schon deswegen,\nweil die Beklagte die faktisch wohl ganzlich fehlende Beeintrachtigung der\nKlager nicht berucksichtigt habe, sei die Abbruchsverfugung\nermessensfehlerhaft. Zwar sei es in der Regel als Ermessenserwagung nicht zu\nbeanstanden, wenn die Behorde zur Herstellung rechtmaßiger Zustande den\nAbbruch anordne. Dies gelte aber nicht, wenn Ausnahmegrunde vorlagen, was bei\neiner fehlenden faktischen Beeintrachtigung gegeben sei. Dieser Umstand hatte\nvorliegend besonders deswegen berucksichtigt werden mussen, weil\nbauordnungsrechtlich die Abstandsflachenvorschriften nicht verletzt wurden.\nDer streitige Anbau falle unter § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 bzw. Abs. 6 LBO. Die\nHochstmaße des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LBO wurden nicht uberschritten. § 6 Abs.\n1 S. 4 LBO stehe, soweit er im Rahmen des § 6 Abs. 6 LBO uberhaupt Anwendung\nfinde, schon deshalb nicht entgegen, weil es sich bei dem streitigen Anbau\nnicht um einen Grenzbau handle. \n--- \n| 6 \n--- \n| Auf Antrag der Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 03.01.2007,\nabgesandt am 08.01.2007, die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der\nRichtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts zugelassen. Mit ihrer am\n08.02.2007 eingegangenen Berufungsbegrundung macht die Beklagte\nzusammengefasst geltend: Die Annahme des Verwaltungsgerichts, § 8 Abs. 3 der\nBebauungsvorschriften (BBV) stelle eine Ausnahmeregelung i.S.d. § 31 Abs. 1\nBauGB dar, sei unzutreffend. Der Verweis in § 8 Abs. 3 der BBV auf die §§ 7\nbis 9 der LBO 1983 beinhalte lediglich einen Hinweis auf die damalige\nbauordnungsrechtliche Rechtslage. Abgesehen davon lagen aber auch die\nVoraussetzungen des § 7 Abs. 3 S. 1 Ziff. 2 LBO 1983 fur eine Ausnahme nicht\nvor. Nachbarliche Belange der Beigeladenen wurden im Sinne dieser Vorschrift\ndurchaus noch „erheblich" beeintrachtigt. Denn der streitige Anbau werde nur\nauf einer Lange von 3,80 m durch die Grenzgarage der Beigeladenen abgeschirmt,\nauf einer Lange von ca. 2,20 m sei er hingegen von deren Grundstuck aus\nsichtbar. Demnach konne der Beklagten auch nicht vorgehalten werden, bei der\nErmessensausubung die fehlende faktische Beeintrachtigung der Beigeladenen\nnicht berucksichtigt zu haben. Schließlich sei der Anbau auch\nbauordnungsrechtlich nicht nach § 6 Abs. 1 S. 2 LBO zulassig. § 6 Abs. 1 S. 4\nLBO stehe nicht entgegen. Die Vorschrift finde auch auf solche Bauten\nAnwendung, die - wie hier - noch innerhalb des 2,50 m-Grenzabstands errichtet\nseien. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29.09.2006 - 2 K 1085/05 -\nzu andern und die Klage abzuweisen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Klager beantragen, \n--- \n| 10 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Sie halten das angefochtene Urteil fur zutreffend: Das Verwaltungsgericht\nsei zu Recht von einer normativen Regelung in § 8 Abs. 3 der BBV ausgegangen.\nAuch wenn man diese Vorschrift lediglich als Hinweis auf die Beachtlichkeit\nder §§ 7 ff. LBO 1983 ansehe, sei verkannt worden, dass § 7 Abs. 3 LBO 1983\ntatbestandlich erfullt sei und eine geringere Abstandsflachentiefe daher\nzugelassen werden konne. Das Grundstuck der Beigeladenen weise die von § 7\nAbs. 3 S. 1 Nr. 2 LBO 1983 geforderte Besonderheit in Gestalt einer\ngeminderten Schutzwurdigkeit auf. Durch die 9,00 m lange wuchtige Grenzgarage\nmit Pultdach werde die Besonnung des klagerischen Grundstucks stark\nbeeintrachtigt. In Verlangerung der Garagen hatten die Beigeladenen einen\nnahezu undurchsichtigen Zaun von etwa 2,00 m Hohe errichtet und sich dadurch\ninsgesamt regelrecht abgeschottet. Der Zaun uberrage den streitigen Anbau\nhohenmaßig deutlich. Es spiele daher keine Rolle, dass der Anbau etwa 2,00 m\nuber die Garage hinausrage. Die konkrete Situation auf dem Nachbargrundstuck\nwerde durch den Anbau in keiner Weise nachteilig verandert. Im Übrigen sei die\nAbbruchsverfugung allein deswegen rechtswidrig, weil der Aspekt fehlender\nfaktischer Beeintrachtigungen in die Ermessensentscheidung nicht eingeflossen\nsei und die Behorde die Interessen der Klager mit keinem Wort berucksichtigt\nhabe. Der Anbau solle u.a. die altersbedingt erschwerte Gartentatigkeit\nerleichtern. Die Beklagte sei auch nicht auf das Austauschangebot der Klager\neingegangen, den streitigen Anbau gegen Genehmigung des fruher beantragten\nWintergartens abzubrechen und dadurch rechtmaßige Zustande herzustellen.\nAbstandsflachen musse der Anbau schon nach § 6 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 LBO nicht\neinhalten, der nicht auf § 6 Abs. 1 S. 4 LBO verweise. Ob die Voraussetzungen\neiner Ausnahme nach § 8 Abs. 3 der BBV vorliegen, habe die Beklagte von sich\naus ohne ausdrucklichen Antrag prufen mussen. \n--- \n| 12 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung hat der Senat das Grundstuck der Klager und\ndessen nahere Umgebung in Augenschein genommen. Wegen der dabei getroffenen\nFeststellungen wird auf die Niederschrift verwiesen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Dem Senat liegen außer den behordlichen Bauakten die Gerichtsakten des\nvorliegenden und des Verfahrens - 2 K 1141/94 - (Klage gegen die Grenzgarage\nder Beigeladenen) sowie die Bebauungsplanakten vor. Wegen weiterer\nEinzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Der nachgereichte Schriftsatz der Klager vom 22.06.2007 nebst Anlagen gibt\nkeinen Anlass, die mundliche Verhandlung gem. § 104 Abs. 3 S. 2 VwGO wieder zu\neroffnen, da es auf die Frage, ob und in welchem Umfang die „Überdachung eines\nWascheplatzes" durch den auszugsweise vorgelegten Baubescheid vom 24.08.1978\ngenehmigt worden ist, fur die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Berufung der Beklagten ist zulassig und auch begrundet. Das\nVerwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage der Klager zu Unrecht\nstattgegeben. Entgegen seiner Auffassung ist die streitige\nTeilabbruchsanordnung vom 08.07.2004 der Beklagten in der Fassung des\nWiderspruchsbescheids vom 14.12.2004 rechts- und ermessensfehlerfrei ergangen\nund verletzt damit Rechte der Klager nicht (§§ 113 Abs. 1 S. 1, 114 VwGO). \n--- \n| 16 \n--- \n| Nach § 65 Satz 1 LBO kann der (wie hier) teilweise Abbruch einer Anlage\nangeordnet werden (Ermessensseite), wenn sie formell baurechtswidrig ist und\nseit ihrer Errichtung fortdauernd im Widerspruch zu materiellen offentlich-\nrechtlichen Vorschriften steht und nicht auf andere Weise (durch nachtragliche\nBaugenehmigung, Abweichungen, Ausnahmen oder Befreiungen) rechtmaßige Zustande\nhergestellt werden konnen (Tatbestandsseite; vgl. dazu VGH Bad.-Wurtt., Urteil\nvom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -; Sauter, LBO, § 65 RdNr. 22). Diesen\nAnforderungen werden die angefochtenen Bescheide gerecht. \n--- \n| 17 \n--- \n| I. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 65 Satz 1 LBO liegen vor. Genehmigt\nist auf der Sudseite des Wohnhauses der Klager ein Balkon im Dachgeschoss und\nim Erdgeschoss. Der Erdgeschossbalkon von 5,94 m Lange und ca. 2,20 m Tiefe\nhalt zur sudlichen Grundstucksgrenze einen Abstand von 2,91 m ein (Unterseite,\nvgl. Aufmaßskizze in Bauakten). Der vom Abbruch betroffene Gebaudeteil\nbetrifft einen unterhalb des Balkons liegenden, nach Suden auskragenden\nKelleranbau mit abfallendem Dach von 5,98 m Lange und einem Grenzabstand von\n1,44 m. Der Anbau ist auf der Westseite mit einer Außentur versehen. Innen ist\ner geschlossen, Verbindungen zum sonstigen Keller gibt es nicht. Der Raum\ndient als Abstellraum fur Gartengerate und Holz. Die Hohe der grenznahen\nAußenwand des Anbaus betragt 1,64 m (uber Gelande Nachbargrundstuck) bzw. 1,50\nm (uber Gelande Baugrundstuck) an seiner Westecke und 0,90 m bzw. 0,80 m an\nder Ostecke (vgl. ebenfalls die Aufmaßskizze). \n--- \n| 18 \n--- \n| 1\\. Mit diesen Ausmaßen und Grenzabstanden ist das vom Abbruch betroffene\nVorhaben formell baurechtswidrig. Zwar sind nach § 50 Abs. 1 LBO i.V.m. Nr. 10\ndes Anhangs Vorbauten ohne Aufenthaltsraume bis 40 cbm Rauminhalt\nverfahrensfrei. Jedoch ist das Vorhaben vorliegend wegen seiner grenznahen\nLage jedenfalls bauplanungsrechtlich befreiungsbedurftig (dazu nachfolgend)\nund die diesbezuglich nach § 51 Abs. 5 S. 1 LBO erforderliche Befreiung der\nBaurechtsbehorde wurde weder beantragt noch erteilt. \n--- \n| 19 \n--- \n| 2\\. Der streitige Vorbau ist seit seiner Errichtung jedenfalls in\nbauplanungsrechtlicher Hinsicht auch fortdauernd materiell baurechtswidrig.\nDenn er verstoßt gegen Festsetzungen des Bebauungsplans fur die Gewanne „Im\nBlechleacker, Im Schuppenacker, Hinterm Dorf, Im Buhl und Vorderhard " der\nGemeinde Ohlsbach in der Fassung vom 23.02.1988. Durchgreifende rechtliche\nBedenken gegen diesen Bebauungsplan sind weder geltend gemacht noch\nersichtlich. Insbesondere sind solche Bedenken nicht gegen § 8 Abs. 3 der\nBebauungsvorschriften (BBV) vom 07.12.1987 zu erheben. Diese Bestimmung,\nwonach „im ubrigen... die Bestimmungen der §§ 7,8, u. 9 der Landesbauordnung\n..... vom 6.4.1964 ... in der Fassung vom 28. Nov. 1983" gelten, ware zwar\nunzulassig, sollte sie als eigenstandige planungsrechtliche Regelung mit\nstatischer Bezugnahme auf die damals geltenden bauordnungsrechtlichen\nAbstandsflachenbestimmungen auszulegen sein. Denn § 9 Abs. 1 Nr. 2 BBauG in\nder damaligen Fassung (BBauG 1977/1986 - anders heute § 9 Abs. 1 Nr. 2 a BauGB\n2004) ermachtigt nicht unmittelbar zur Festsetzung von Abstandsflachen,\nsondern gestattet nur die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen und\nBebauungstiefen nach § 23 Abs. 1 BauNVO mit den sich daraus gem. § 23 Abs. 2 -\n5 BauNVO ergebenden Rechtsfolgen (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom\n10.01.2006 - 5 S 2335/05 -, VBlBW 2006, 350). § 8 Abs. 3 der BBV trifft\nersichtlich aber keine eigenstandige planungsrechtliche Regelung, sondern\nenthalt - wie bereits § 8 Abs. 3 der vorangegangenen BBV vom 12.08.1969 -\neinen bloßen (deklaratorischen) Hinweis auf die jeweilige\nbauordnungsrechtliche Rechtslage (so zutreffend auch VGH Bad.-Wurtt. a.a.O. in\neiner vergleichbaren Konstellation). Nur dieses Verstandnis des § 8 Abs. 3 der\nBBV macht auch Sinn im Zusammenhang mit der Regelung in § 8 Abs. 1 der BBV\n(dazu nachfolgend). \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Verstoß gegen das Bauverbot nach § 23 Abs. 2 S. 1 BauNVO a.F. kann auch\nnicht durch eine Abweichungsentscheidung beseitigt werden. Vielmehr scheidet\ndie Herstellung (bauplanungsrechtlich) rechtmaßiger Zustande durch eine -\nallein in Betracht kommende - Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO a.F. (dazu\n2.1) oder eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB a.F. (dazu 2.2.) schon aus\nRechtsgrunden aus. \n--- \n| 21 \n--- \n| 2.1 Die Voraussetzungen einer Zulassung des Vorbaus im Ermessensweg nach §\n23 Abs. 5 BauNVO liegen nicht vor. \n--- \n| 22 \n--- \n| a) Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 5 S. 1 BauNVO a.F. sind offensichtlich\nnicht erfullt. Zum einen ist der streitige Erweiterungsbau Teil des\nHauptgebaudes und damit schon keine Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO (so\nin einem vergleichbaren Fall BVerwG, Beschluss vom 14.02.1994 - 4 B 18.94 -,\nUPR 1994, 263 sowie Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., § 14 RdNr. 4.11). Zum\nanderen schließt der Bebauungsplan nach § 7 Abs. 2 BBV auf den nicht\nuberbaubaren Grundstucksflachen aber auch alle Nebenanlagen aus, soweit es\nsich nicht um Garagen und um erforderliche Abstellplatze handelt. \n--- \n| 23 \n--- \n| b) Der Vorbau ist entgegen der Auffassung der Klager ferner auch nicht nach\n§ 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO a.F. zulassungsfahig. Danach konnen auf den nicht\nuberbaubaren Grundstucksflachen bauliche Anlagen zugelassen werden, soweit sie\nnach Landesrecht in den Abstandsflachen zulassig sind oder zugelassen werden\nkonnen. Die Vorschrift regelt das Zusammenspiel der mit den Mitteln des § 23\nAbs. 1 BauNVO bewirkten Festsetzung einer Bauverbotsflache und den\nlandesrechtlichen Abstandsflachenbestimmungen. Sie gewahrleistet, dass\nletztere auch innerhalb der nach Planungsrecht nicht uberbaubaren\nGrundstucksflachen zum Tragen kommen konnen, es sei denn, der Bebauungsplan\nregelt ausdrucklich Abweichendes. Solche abweichenden Regelungen konnen je\nnach Willen des Plangebers nach Umfang und Reichweite unterschiedlich\nausfallen. So ist der Plangeber im weitestgehenden Fall - bezogen auf das\nLandesrecht in Baden-Wurttemberg - berechtigt, samtliche nach § 6 Abs. 1 bis 3\nLBO privilegierten Gebaude- oder Gebaudeteile, deren Zulassung als Abweichung\nnach § 6 Abs. 4 LBO und auch deren Zulassungsfahigkeit als Ausnahme oder\nBefreiung nach § 56 LBO auszuschließen, sofern dafur stadtebauliche Grunde ins\nFeld gefuhrt werden konnen. Der Plangeber kann uber § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO\ndie abstandsrechtliche Privilegierung von Vorhaben aber auch nur teilweise\neinschranken, etwa indem er nur bestimmte Nutzungen und Anlagetypen ausnimmt.\nIn gleicher Weise ist es moglich, alle oder bestimmte privilegierten Anlagen\nnicht auf der gesamten Bauverbotsflache, sondern nur auf Teilen davon zu\nunterbinden. § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO lasst nach seinem Wortlaut wie nach\nseinem Zweck all diese Differenzierungen zu (zur Zulassigkeit\nteilgebietsbezogenen Festsetzungen vgl. auch Fickert/Fieseler a.a.O. § 23 Rn.\n22). Im Umfang des jeweiligen Ausschlusses geht der Bebauungsplan dann den\nlandesrechtlichen Bestimmungen als speziellere Vorschrift vor; letztere konnen\nnur insoweit ausgenutzt werden, als die aufgrund § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO\ngetroffene Festsetzung dies gestattet (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O mit\nRechtsprechungshinweisen); maßgeblich fur Art und Umfang des Ausschlusses sind\ndabei die jeweils im Beurteilungszeitpunkt aktuell geltenden landesrechtlichen\nVorschriften (dynamische Verweisung, vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom\n06.09.1995 - 8 S 2388/95 -, BauR 1996, 222). \n--- \n| 24 \n--- \n| Gemessen daran war die Beklagte hier schon aus Rechtsgrunden gehindert, die\nZulassung des Kellervorbaus nach § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO a.F. zu prufen. Zwar\nstellt der streitige Kellererweiterungs- oder -vorbau sowohl nach seinen\nAusmaßen als auch nach seiner Beschaffenheit und Nutzung (Abstellen von\nGartengeraten und Brennholzlagerung) einen nach § 6 Abs. 1 S. 2 LBO\nprivilegierten Gebaudeteil mit Nebenraum dar (zu den Kriterien eines\nNebenraums vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -,\nJuris). Jedoch steht § 8 Abs. 1 der BBV, wonach der seitliche Grenzabstand der\nHauptgebaude von den Nachbargrenzen mindestens 4 m betragen muss, der\nAusnutzung dieses landesrechtlichen Privilegs entgegen. § 8 Abs. 1 der BBV\nkann nach seinem Wortlaut und nach seiner systematischen Stellung nicht als\nbaugestalterische Regelung im Rahmen ortlicher Bauvorschriften verstanden\nwerden (zu dieser Moglichkeit vgl. § 74 Abs. 1 Nr. 6 LBO n.F. sowie § 111 Abs.\n1 Nr. 7 LBO a.F.). Vielmehr enthalt diese Vorschrift eine nach § 23 Abs. 5\nSatz 2 BauNVO zulassige bauplanungsrechtliche (sachliche und raumliche)\nTeilausschlussregelung fur bestimmte abstandsflachenrechtlich privilegierte\nAnlagen. § 8 Abs. 1 BBV bestimmt bei richtiger Auslegung, dass Hauptgebaude\nauch mit privilegierten Gebaudeteilen bauplanungsrechtlich ausgeschlossen\nsind, soweit sie - wie hier - naher als 4 m an die Nachbargrenze heranrucken.\nIm Übrigen sollen, wie sich aus dem Hinweis in § 8 Abs. 3 der BBV ergibt, die\njeweils aktuellen landesrechtlichen Bestimmungen des Abstandsflachenrechts\nfortgelten. \n--- \n| 25 \n--- \n| 2.2. Die damit allein noch zu prufenden Voraussetzungen einer Befreiung von\nden Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB liegen schon aus\nRechtsgrunden nicht vor. Denn der streitige Vorbau beruhrt ersichtlich bereits\nGrundzuge der Planung. Wie sich aus § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 2\nder BBV vom 07.12.1987 ergibt, die wortlich mit den entsprechenden Regelungen\nim ursprunglichen Bebauungsplan ubereinstimmen (vgl. §§ 8 Abs. 1 und 7 Abs. 2\nder BBV vom 12.08.1969), war es - im maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen\nSatzungsbeschlusse (vgl. dazu Senatsurteil vom heutigen Tag - 3 S 881/06 -)\nein durchgangiges Konzept des Plangebers, die Wohnhauser (Hauptgebaude)\nausnahmslos mindestens 4 m von den Nachbargrenzen fernzuhalten, innerhalb\ndieses Bereichs im wesentlichen nur Garagen und notwendige Stellplatze\nzuzulassen und dadurch eine großzugige aufgelockerte Bebauung des Plangebiets\nzu erreichen (zu diesem uber § 23 Abs. 5 Satz 2 zu sichernden Planungsgrundzug\nvgl. auch Fickert/Fieseler a.a.O § 23 Rn. 22) . Dieses Konzept ist, wovon der\nSenat sich beim Augenschein uberzeugen konnte, in der Umgebung des\nklagerischen Grundstucks auch weitgehend umgesetzt worden, der Bebauungsplan\nist insofern keinesfalls funktionslos geworden. Wurde den Klagern eine\nBefreiung erteilt, so konnten sich in gleicher Weise auch eine Vielzahl\nanderer von der Festsetzung des § 8 Abs. 1 BBV betroffener Eigentumer im\nPlangebiet in gleicher Weise darauf berufen. Die Befreiung wurde in diesem\nFall als unzulassiger Planersatz wirken und damit die Entscheidung des\nPlangebers im dafur vorgesehenen Verfahren unzulassig vorweg nehmen. Auch\ndeswegen ist von einem Grundzug der Planung auszugehen (vgl. VGH Bad.-Wurtt.,\nUrteil vom 02.11.2006 - 8 S 361/06 -). \n--- \n| 26 \n--- \n| 2.3. Darauf, ob der Kellervorbau im Grenzabstand von 1,44 m\nbauordnungsrechtlich zulassig ware, kommt es nach Vorstehendem nicht mehr an.\nDer Senat bemerkt gleichwohl, dass dies wohl nicht der Fall ware. Denn nach §\n6 Abs. 1 S. 4 LBO darf die Grenzbebauung mit privilegierten Vorhaben - dazu\ngehort auch die grenznahe Bebauung innerhalb der Abstandsflachen - entlang der\neinzelnen Nachbargrenzen insgesamt 15 m nicht uberschreiten. Die Klager haben\nindessen bereits an ihrer Nordgrenze als Anbau (privilegierter Abstellraum) an\nihre Grenzgarage einen seitlich „uberdachten Wascheplatz" (Gesamtlange ca. 17\nm) errichtet, wobei offen bleiben kann, ob dieser genehmigt (so nachtraglich\ndie Klager) oder nur geduldet ist. Damit musste der Kelleranbau objektiv-\nrechtlich wie in seinem nachbarschutzenden Teil einen Abstand von 2,50 m\neinhalten (vgl. § 6 Abs. 7 LBO). Diese Abstandsflachentiefe wird aber bei\nweitem unterschritten. Ein Anspruch auf Zulassung einer geringeren\nAbstandsflachentiefe nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 LBO kame nicht in Betracht. Denn,\nwie der Augenschein gezeigt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass\nnachbarliche Belange der Beigeladenen „nicht erheblich" beeintrachtigt werden.\nDie Auslegung des Begriffs der nicht erheblichen Beeintrachtigung unterliegt\nnach der Rechtsprechung aller Senate des erkennenden Gerichtshofs strengen\nVoraussetzungen. Die Unterschreitung des nachbarschutzenden Teils der\nAbstandsflache stellt nach der Systematik des Gesetzes grundsatzlich eine\nnicht mehr zumutbare und somit „erhebliche" Beeintrachtigung nachbarlicher\nBelange dar, ohne dass es auf das Ausmaß der Unterschreitung oder auf die\ntatsachliche Intensitat der Beeintrachtigung ankommt. Eine Ausnahme gilt nur\ndann, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstuck durch\nBesonderheiten gekennzeichnet ist, die dieses Interesse der Nachbarn an der\nEinhaltung des nachbarschutzenden Teils der Abstandsflache deutlich mindern\noder als weniger schutzwurdig erscheinen lassen als im Regelfall; m.a.W.\nmussen auf dem Nachbargrundstuck Umstande vorliegen, die eine vom Regelfall\nabweichende Beurteilung rechtfertigen (vgl. etwa Beschlusse vom 18.07.1996 - 3\nS 76/96 -, vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -, vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 - und\nvom 25.01.2000 - 5 S 2996/99 -). Solche Besonderheiten hat der erkennende\nGerichtshof etwa dann in Erwagung gezogen, wenn dem in Rede stehenden Vorhaben\nauf seiner gesamten Breite/Tiefe eine (gemeinsame) Grenzmauer gegenuberliegt\nmit der Folge, dass sich keinerlei nachteilige Veranderungen auf dem\nNachbargrundstuck ergeben (Beschluss vom 25.01.2000, a.a.O.). Damit ist der\nvorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Der Kelleranbau und die\nGrenzgarage der Beigeladenen liegen sich nur teilweise, nicht aber\ndeckungsgleich gegenuber. Vielmehr ragt der Kellervorbau der Klager westlich\nca. 2,10 m uber die Garage hinaus und wird durch die ihm in diesem Bereich\ngegenuberliegende niedrige Grenzmauer mit aufgesetztem Maschendrahtzaun nicht\nverdeckt, sondern bleibt gut sichtbar. Auch ist die hinter dem\nMaschendrahtzaun befindliche Kirschlorbeerhecke nicht durchgehend angelegt,\nsondern endet etwa auf Hohe der ostlichen Außenwand des streitigen Vorbaus.\nWeiter bis zur Garage kann die Hecke nicht gefuhrt werden, weil sonst die\nZufahrt zur Garage verengt und damit behindert wurde. \n--- \n| 27 \n--- \n| 3\\. Angesichts der mithin „unheilbaren" Rechtswidrigkeit des von den Klagern\nerrichteten Kellervorbaus, lag es im pflichtgemaßen Ermessen der Beklagten,\ndie Beseitigung anzuordnen. Dieses Ermessen hat die Beklagte (in der Fassung\ndes Widerspruchsbescheids) fehlerfrei ausgeubt (§ 114 S. 1 VwGO) Es entspricht\nregelmaßig ordnungsgemaßer Ermessensbetatigung, unter dem Gesichtspunkt der\nGleichbehandlung und zur Vermeidung von Prazedenzfallen die Beseitigung eines\nformell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines\nrechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn konkrete Anhaltspunkte\ndafur sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (vgl. VGH Bad.-Wurtt.,\nUrteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -). Solche besonderen Umstande auf Seiten\nder Klager liegen nicht vor. Die Klager konnen sich insbesondere nicht auf\nVertrauensschutz berufen. Sie haben mehrfach Bauantrage gestellt und wieder\nzuruckgezogen. Die Beklagte hat jeweils auf die Bestimmungen des\nBebauungsplans bezuglich der uberbaubaren Grundstucksflache hingewiesen. Die\nbauplanungsrechtliche Situation war den Klagern uber Jahre bekannt, gleichwohl\nhaben sie ohne die erforderliche Baugenehmigung bzw. jedenfalls ohne die\nerforderliche Abweichungsentscheidung unerlaubt gebaut. Vor diesem Hintergrund\nerscheint die Beseitigung des Vorbaus nicht unverhaltnismaßig, selbst wenn die\nBeigeladenen tatsachlich nur in recht geringem Umfang beeintrachtigt werden.\nDabei ist zu berucksichtigen, dass der Klager nach Angaben seines Sohnes\nbereit und in der Lage ist, den Abbruch selbst und damit preiswert\ndurchzufuhren. Dem offentlichen Interesse an der Durchsetzung des Baurechts\ngebuhrt unter diesen Umstanden, wovon der Beklagte zutreffend ausgeht, der\nVorrang. Der Beklagte ist bei seinen Erwagungen auch nicht von falschen\nTatsachen ausgegangen. Er hat die Verfugung nicht angenommen, dass die\nBeigeladenen durch das angegriffene Vorhaben in faktisch schwerwiegender Weise\nbeeintrachtigt wurden. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2\nVwGO nicht vorliegen. \n--- \n| 30 \n--- \n| **Beschluss vom 13. Juni 2007** \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Streitwert fur das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt\n(§ 52 Abs. 2 GKG). \n--- \n| 32 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Der nachgereichte Schriftsatz der Klager vom 22.06.2007 nebst Anlagen gibt\nkeinen Anlass, die mundliche Verhandlung gem. § 104 Abs. 3 S. 2 VwGO wieder zu\neroffnen, da es auf die Frage, ob und in welchem Umfang die „Überdachung eines\nWascheplatzes" durch den auszugsweise vorgelegten Baubescheid vom 24.08.1978\ngenehmigt worden ist, fur die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Berufung der Beklagten ist zulassig und auch begrundet. Das\nVerwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage der Klager zu Unrecht\nstattgegeben. Entgegen seiner Auffassung ist die streitige\nTeilabbruchsanordnung vom 08.07.2004 der Beklagten in der Fassung des\nWiderspruchsbescheids vom 14.12.2004 rechts- und ermessensfehlerfrei ergangen\nund verletzt damit Rechte der Klager nicht (§§ 113 Abs. 1 S. 1, 114 VwGO). \n--- \n| 16 \n--- \n| Nach § 65 Satz 1 LBO kann der (wie hier) teilweise Abbruch einer Anlage\nangeordnet werden (Ermessensseite), wenn sie formell baurechtswidrig ist und\nseit ihrer Errichtung fortdauernd im Widerspruch zu materiellen offentlich-\nrechtlichen Vorschriften steht und nicht auf andere Weise (durch nachtragliche\nBaugenehmigung, Abweichungen, Ausnahmen oder Befreiungen) rechtmaßige Zustande\nhergestellt werden konnen (Tatbestandsseite; vgl. dazu VGH Bad.-Wurtt., Urteil\nvom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -; Sauter, LBO, § 65 RdNr. 22). Diesen\nAnforderungen werden die angefochtenen Bescheide gerecht. \n--- \n| 17 \n--- \n| I. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 65 Satz 1 LBO liegen vor. Genehmigt\nist auf der Sudseite des Wohnhauses der Klager ein Balkon im Dachgeschoss und\nim Erdgeschoss. Der Erdgeschossbalkon von 5,94 m Lange und ca. 2,20 m Tiefe\nhalt zur sudlichen Grundstucksgrenze einen Abstand von 2,91 m ein (Unterseite,\nvgl. Aufmaßskizze in Bauakten). Der vom Abbruch betroffene Gebaudeteil\nbetrifft einen unterhalb des Balkons liegenden, nach Suden auskragenden\nKelleranbau mit abfallendem Dach von 5,98 m Lange und einem Grenzabstand von\n1,44 m. Der Anbau ist auf der Westseite mit einer Außentur versehen. Innen ist\ner geschlossen, Verbindungen zum sonstigen Keller gibt es nicht. Der Raum\ndient als Abstellraum fur Gartengerate und Holz. Die Hohe der grenznahen\nAußenwand des Anbaus betragt 1,64 m (uber Gelande Nachbargrundstuck) bzw. 1,50\nm (uber Gelande Baugrundstuck) an seiner Westecke und 0,90 m bzw. 0,80 m an\nder Ostecke (vgl. ebenfalls die Aufmaßskizze). \n--- \n| 18 \n--- \n| 1\\. Mit diesen Ausmaßen und Grenzabstanden ist das vom Abbruch betroffene\nVorhaben formell baurechtswidrig. Zwar sind nach § 50 Abs. 1 LBO i.V.m. Nr. 10\ndes Anhangs Vorbauten ohne Aufenthaltsraume bis 40 cbm Rauminhalt\nverfahrensfrei. Jedoch ist das Vorhaben vorliegend wegen seiner grenznahen\nLage jedenfalls bauplanungsrechtlich befreiungsbedurftig (dazu nachfolgend)\nund die diesbezuglich nach § 51 Abs. 5 S. 1 LBO erforderliche Befreiung der\nBaurechtsbehorde wurde weder beantragt noch erteilt. \n--- \n| 19 \n--- \n| 2\\. Der streitige Vorbau ist seit seiner Errichtung jedenfalls in\nbauplanungsrechtlicher Hinsicht auch fortdauernd materiell baurechtswidrig.\nDenn er verstoßt gegen Festsetzungen des Bebauungsplans fur die Gewanne „Im\nBlechleacker, Im Schuppenacker, Hinterm Dorf, Im Buhl und Vorderhard " der\nGemeinde Ohlsbach in der Fassung vom 23.02.1988. Durchgreifende rechtliche\nBedenken gegen diesen Bebauungsplan sind weder geltend gemacht noch\nersichtlich. Insbesondere sind solche Bedenken nicht gegen § 8 Abs. 3 der\nBebauungsvorschriften (BBV) vom 07.12.1987 zu erheben. Diese Bestimmung,\nwonach „im ubrigen... die Bestimmungen der §§ 7,8, u. 9 der Landesbauordnung\n..... vom 6.4.1964 ... in der Fassung vom 28. Nov. 1983" gelten, ware zwar\nunzulassig, sollte sie als eigenstandige planungsrechtliche Regelung mit\nstatischer Bezugnahme auf die damals geltenden bauordnungsrechtlichen\nAbstandsflachenbestimmungen auszulegen sein. Denn § 9 Abs. 1 Nr. 2 BBauG in\nder damaligen Fassung (BBauG 1977/1986 - anders heute § 9 Abs. 1 Nr. 2 a BauGB\n2004) ermachtigt nicht unmittelbar zur Festsetzung von Abstandsflachen,\nsondern gestattet nur die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen und\nBebauungstiefen nach § 23 Abs. 1 BauNVO mit den sich daraus gem. § 23 Abs. 2 -\n5 BauNVO ergebenden Rechtsfolgen (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom\n10.01.2006 - 5 S 2335/05 -, VBlBW 2006, 350). § 8 Abs. 3 der BBV trifft\nersichtlich aber keine eigenstandige planungsrechtliche Regelung, sondern\nenthalt - wie bereits § 8 Abs. 3 der vorangegangenen BBV vom 12.08.1969 -\neinen bloßen (deklaratorischen) Hinweis auf die jeweilige\nbauordnungsrechtliche Rechtslage (so zutreffend auch VGH Bad.-Wurtt. a.a.O. in\neiner vergleichbaren Konstellation). Nur dieses Verstandnis des § 8 Abs. 3 der\nBBV macht auch Sinn im Zusammenhang mit der Regelung in § 8 Abs. 1 der BBV\n(dazu nachfolgend). \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Verstoß gegen das Bauverbot nach § 23 Abs. 2 S. 1 BauNVO a.F. kann auch\nnicht durch eine Abweichungsentscheidung beseitigt werden. Vielmehr scheidet\ndie Herstellung (bauplanungsrechtlich) rechtmaßiger Zustande durch eine -\nallein in Betracht kommende - Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO a.F. (dazu\n2.1) oder eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB a.F. (dazu 2.2.) schon aus\nRechtsgrunden aus. \n--- \n| 21 \n--- \n| 2.1 Die Voraussetzungen einer Zulassung des Vorbaus im Ermessensweg nach §\n23 Abs. 5 BauNVO liegen nicht vor. \n--- \n| 22 \n--- \n| a) Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 5 S. 1 BauNVO a.F. sind offensichtlich\nnicht erfullt. Zum einen ist der streitige Erweiterungsbau Teil des\nHauptgebaudes und damit schon keine Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO (so\nin einem vergleichbaren Fall BVerwG, Beschluss vom 14.02.1994 - 4 B 18.94 -,\nUPR 1994, 263 sowie Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., § 14 RdNr. 4.11). Zum\nanderen schließt der Bebauungsplan nach § 7 Abs. 2 BBV auf den nicht\nuberbaubaren Grundstucksflachen aber auch alle Nebenanlagen aus, soweit es\nsich nicht um Garagen und um erforderliche Abstellplatze handelt. \n--- \n| 23 \n--- \n| b) Der Vorbau ist entgegen der Auffassung der Klager ferner auch nicht nach\n§ 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO a.F. zulassungsfahig. Danach konnen auf den nicht\nuberbaubaren Grundstucksflachen bauliche Anlagen zugelassen werden, soweit sie\nnach Landesrecht in den Abstandsflachen zulassig sind oder zugelassen werden\nkonnen. Die Vorschrift regelt das Zusammenspiel der mit den Mitteln des § 23\nAbs. 1 BauNVO bewirkten Festsetzung einer Bauverbotsflache und den\nlandesrechtlichen Abstandsflachenbestimmungen. Sie gewahrleistet, dass\nletztere auch innerhalb der nach Planungsrecht nicht uberbaubaren\nGrundstucksflachen zum Tragen kommen konnen, es sei denn, der Bebauungsplan\nregelt ausdrucklich Abweichendes. Solche abweichenden Regelungen konnen je\nnach Willen des Plangebers nach Umfang und Reichweite unterschiedlich\nausfallen. So ist der Plangeber im weitestgehenden Fall - bezogen auf das\nLandesrecht in Baden-Wurttemberg - berechtigt, samtliche nach § 6 Abs. 1 bis 3\nLBO privilegierten Gebaude- oder Gebaudeteile, deren Zulassung als Abweichung\nnach § 6 Abs. 4 LBO und auch deren Zulassungsfahigkeit als Ausnahme oder\nBefreiung nach § 56 LBO auszuschließen, sofern dafur stadtebauliche Grunde ins\nFeld gefuhrt werden konnen. Der Plangeber kann uber § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO\ndie abstandsrechtliche Privilegierung von Vorhaben aber auch nur teilweise\neinschranken, etwa indem er nur bestimmte Nutzungen und Anlagetypen ausnimmt.\nIn gleicher Weise ist es moglich, alle oder bestimmte privilegierten Anlagen\nnicht auf der gesamten Bauverbotsflache, sondern nur auf Teilen davon zu\nunterbinden. § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO lasst nach seinem Wortlaut wie nach\nseinem Zweck all diese Differenzierungen zu (zur Zulassigkeit\nteilgebietsbezogenen Festsetzungen vgl. auch Fickert/Fieseler a.a.O. § 23 Rn.\n22). Im Umfang des jeweiligen Ausschlusses geht der Bebauungsplan dann den\nlandesrechtlichen Bestimmungen als speziellere Vorschrift vor; letztere konnen\nnur insoweit ausgenutzt werden, als die aufgrund § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO\ngetroffene Festsetzung dies gestattet (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O mit\nRechtsprechungshinweisen); maßgeblich fur Art und Umfang des Ausschlusses sind\ndabei die jeweils im Beurteilungszeitpunkt aktuell geltenden landesrechtlichen\nVorschriften (dynamische Verweisung, vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom\n06.09.1995 - 8 S 2388/95 -, BauR 1996, 222). \n--- \n| 24 \n--- \n| Gemessen daran war die Beklagte hier schon aus Rechtsgrunden gehindert, die\nZulassung des Kellervorbaus nach § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO a.F. zu prufen. Zwar\nstellt der streitige Kellererweiterungs- oder -vorbau sowohl nach seinen\nAusmaßen als auch nach seiner Beschaffenheit und Nutzung (Abstellen von\nGartengeraten und Brennholzlagerung) einen nach § 6 Abs. 1 S. 2 LBO\nprivilegierten Gebaudeteil mit Nebenraum dar (zu den Kriterien eines\nNebenraums vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -,\nJuris). Jedoch steht § 8 Abs. 1 der BBV, wonach der seitliche Grenzabstand der\nHauptgebaude von den Nachbargrenzen mindestens 4 m betragen muss, der\nAusnutzung dieses landesrechtlichen Privilegs entgegen. § 8 Abs. 1 der BBV\nkann nach seinem Wortlaut und nach seiner systematischen Stellung nicht als\nbaugestalterische Regelung im Rahmen ortlicher Bauvorschriften verstanden\nwerden (zu dieser Moglichkeit vgl. § 74 Abs. 1 Nr. 6 LBO n.F. sowie § 111 Abs.\n1 Nr. 7 LBO a.F.). Vielmehr enthalt diese Vorschrift eine nach § 23 Abs. 5\nSatz 2 BauNVO zulassige bauplanungsrechtliche (sachliche und raumliche)\nTeilausschlussregelung fur bestimmte abstandsflachenrechtlich privilegierte\nAnlagen. § 8 Abs. 1 BBV bestimmt bei richtiger Auslegung, dass Hauptgebaude\nauch mit privilegierten Gebaudeteilen bauplanungsrechtlich ausgeschlossen\nsind, soweit sie - wie hier - naher als 4 m an die Nachbargrenze heranrucken.\nIm Übrigen sollen, wie sich aus dem Hinweis in § 8 Abs. 3 der BBV ergibt, die\njeweils aktuellen landesrechtlichen Bestimmungen des Abstandsflachenrechts\nfortgelten. \n--- \n| 25 \n--- \n| 2.2. Die damit allein noch zu prufenden Voraussetzungen einer Befreiung von\nden Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB liegen schon aus\nRechtsgrunden nicht vor. Denn der streitige Vorbau beruhrt ersichtlich bereits\nGrundzuge der Planung. Wie sich aus § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 2\nder BBV vom 07.12.1987 ergibt, die wortlich mit den entsprechenden Regelungen\nim ursprunglichen Bebauungsplan ubereinstimmen (vgl. §§ 8 Abs. 1 und 7 Abs. 2\nder BBV vom 12.08.1969), war es - im maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen\nSatzungsbeschlusse (vgl. dazu Senatsurteil vom heutigen Tag - 3 S 881/06 -)\nein durchgangiges Konzept des Plangebers, die Wohnhauser (Hauptgebaude)\nausnahmslos mindestens 4 m von den Nachbargrenzen fernzuhalten, innerhalb\ndieses Bereichs im wesentlichen nur Garagen und notwendige Stellplatze\nzuzulassen und dadurch eine großzugige aufgelockerte Bebauung des Plangebiets\nzu erreichen (zu diesem uber § 23 Abs. 5 Satz 2 zu sichernden Planungsgrundzug\nvgl. auch Fickert/Fieseler a.a.O § 23 Rn. 22) . Dieses Konzept ist, wovon der\nSenat sich beim Augenschein uberzeugen konnte, in der Umgebung des\nklagerischen Grundstucks auch weitgehend umgesetzt worden, der Bebauungsplan\nist insofern keinesfalls funktionslos geworden. Wurde den Klagern eine\nBefreiung erteilt, so konnten sich in gleicher Weise auch eine Vielzahl\nanderer von der Festsetzung des § 8 Abs. 1 BBV betroffener Eigentumer im\nPlangebiet in gleicher Weise darauf berufen. Die Befreiung wurde in diesem\nFall als unzulassiger Planersatz wirken und damit die Entscheidung des\nPlangebers im dafur vorgesehenen Verfahren unzulassig vorweg nehmen. Auch\ndeswegen ist von einem Grundzug der Planung auszugehen (vgl. VGH Bad.-Wurtt.,\nUrteil vom 02.11.2006 - 8 S 361/06 -). \n--- \n| 26 \n--- \n| 2.3. Darauf, ob der Kellervorbau im Grenzabstand von 1,44 m\nbauordnungsrechtlich zulassig ware, kommt es nach Vorstehendem nicht mehr an.\nDer Senat bemerkt gleichwohl, dass dies wohl nicht der Fall ware. Denn nach §\n6 Abs. 1 S. 4 LBO darf die Grenzbebauung mit privilegierten Vorhaben - dazu\ngehort auch die grenznahe Bebauung innerhalb der Abstandsflachen - entlang der\neinzelnen Nachbargrenzen insgesamt 15 m nicht uberschreiten. Die Klager haben\nindessen bereits an ihrer Nordgrenze als Anbau (privilegierter Abstellraum) an\nihre Grenzgarage einen seitlich „uberdachten Wascheplatz" (Gesamtlange ca. 17\nm) errichtet, wobei offen bleiben kann, ob dieser genehmigt (so nachtraglich\ndie Klager) oder nur geduldet ist. Damit musste der Kelleranbau objektiv-\nrechtlich wie in seinem nachbarschutzenden Teil einen Abstand von 2,50 m\neinhalten (vgl. § 6 Abs. 7 LBO). Diese Abstandsflachentiefe wird aber bei\nweitem unterschritten. Ein Anspruch auf Zulassung einer geringeren\nAbstandsflachentiefe nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 LBO kame nicht in Betracht. Denn,\nwie der Augenschein gezeigt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass\nnachbarliche Belange der Beigeladenen „nicht erheblich" beeintrachtigt werden.\nDie Auslegung des Begriffs der nicht erheblichen Beeintrachtigung unterliegt\nnach der Rechtsprechung aller Senate des erkennenden Gerichtshofs strengen\nVoraussetzungen. Die Unterschreitung des nachbarschutzenden Teils der\nAbstandsflache stellt nach der Systematik des Gesetzes grundsatzlich eine\nnicht mehr zumutbare und somit „erhebliche" Beeintrachtigung nachbarlicher\nBelange dar, ohne dass es auf das Ausmaß der Unterschreitung oder auf die\ntatsachliche Intensitat der Beeintrachtigung ankommt. Eine Ausnahme gilt nur\ndann, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstuck durch\nBesonderheiten gekennzeichnet ist, die dieses Interesse der Nachbarn an der\nEinhaltung des nachbarschutzenden Teils der Abstandsflache deutlich mindern\noder als weniger schutzwurdig erscheinen lassen als im Regelfall; m.a.W.\nmussen auf dem Nachbargrundstuck Umstande vorliegen, die eine vom Regelfall\nabweichende Beurteilung rechtfertigen (vgl. etwa Beschlusse vom 18.07.1996 - 3\nS 76/96 -, vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -, vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 - und\nvom 25.01.2000 - 5 S 2996/99 -). Solche Besonderheiten hat der erkennende\nGerichtshof etwa dann in Erwagung gezogen, wenn dem in Rede stehenden Vorhaben\nauf seiner gesamten Breite/Tiefe eine (gemeinsame) Grenzmauer gegenuberliegt\nmit der Folge, dass sich keinerlei nachteilige Veranderungen auf dem\nNachbargrundstuck ergeben (Beschluss vom 25.01.2000, a.a.O.). Damit ist der\nvorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Der Kelleranbau und die\nGrenzgarage der Beigeladenen liegen sich nur teilweise, nicht aber\ndeckungsgleich gegenuber. Vielmehr ragt der Kellervorbau der Klager westlich\nca. 2,10 m uber die Garage hinaus und wird durch die ihm in diesem Bereich\ngegenuberliegende niedrige Grenzmauer mit aufgesetztem Maschendrahtzaun nicht\nverdeckt, sondern bleibt gut sichtbar. Auch ist die hinter dem\nMaschendrahtzaun befindliche Kirschlorbeerhecke nicht durchgehend angelegt,\nsondern endet etwa auf Hohe der ostlichen Außenwand des streitigen Vorbaus.\nWeiter bis zur Garage kann die Hecke nicht gefuhrt werden, weil sonst die\nZufahrt zur Garage verengt und damit behindert wurde. \n--- \n| 27 \n--- \n| 3\\. Angesichts der mithin „unheilbaren" Rechtswidrigkeit des von den Klagern\nerrichteten Kellervorbaus, lag es im pflichtgemaßen Ermessen der Beklagten,\ndie Beseitigung anzuordnen. Dieses Ermessen hat die Beklagte (in der Fassung\ndes Widerspruchsbescheids) fehlerfrei ausgeubt (§ 114 S. 1 VwGO) Es entspricht\nregelmaßig ordnungsgemaßer Ermessensbetatigung, unter dem Gesichtspunkt der\nGleichbehandlung und zur Vermeidung von Prazedenzfallen die Beseitigung eines\nformell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines\nrechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn konkrete Anhaltspunkte\ndafur sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (vgl. VGH Bad.-Wurtt.,\nUrteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -). Solche besonderen Umstande auf Seiten\nder Klager liegen nicht vor. Die Klager konnen sich insbesondere nicht auf\nVertrauensschutz berufen. Sie haben mehrfach Bauantrage gestellt und wieder\nzuruckgezogen. Die Beklagte hat jeweils auf die Bestimmungen des\nBebauungsplans bezuglich der uberbaubaren Grundstucksflache hingewiesen. Die\nbauplanungsrechtliche Situation war den Klagern uber Jahre bekannt, gleichwohl\nhaben sie ohne die erforderliche Baugenehmigung bzw. jedenfalls ohne die\nerforderliche Abweichungsentscheidung unerlaubt gebaut. Vor diesem Hintergrund\nerscheint die Beseitigung des Vorbaus nicht unverhaltnismaßig, selbst wenn die\nBeigeladenen tatsachlich nur in recht geringem Umfang beeintrachtigt werden.\nDabei ist zu berucksichtigen, dass der Klager nach Angaben seines Sohnes\nbereit und in der Lage ist, den Abbruch selbst und damit preiswert\ndurchzufuhren. Dem offentlichen Interesse an der Durchsetzung des Baurechts\ngebuhrt unter diesen Umstanden, wovon der Beklagte zutreffend ausgeht, der\nVorrang. Der Beklagte ist bei seinen Erwagungen auch nicht von falschen\nTatsachen ausgegangen. Er hat die Verfugung nicht angenommen, dass die\nBeigeladenen durch das angegriffene Vorhaben in faktisch schwerwiegender Weise\nbeeintrachtigt wurden. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2\nVwGO nicht vorliegen. \n--- \n| 30 \n--- \n| **Beschluss vom 13. Juni 2007** \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Streitwert fur das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt\n(§ 52 Abs. 2 GKG). \n--- \n| 32 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
159,949
sg-karlsruhe-2007-12-20-s-4-r-349106
150
Sozialgericht Karlsruhe
sg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
S 4 R 3491/06
2007-12-20
2019-01-10 10:07:25
2019-01-17 12:04:47
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nKosten sind nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager begehrt die Gewahrung einer Rente wegen verminderter\nErwerbsfahigkeit. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der am ... 1958 geborene Klager erlernte von September 1975 bis Juli 1977\nden Beruf des Tischlerhelfers (Fachrichtung Holz). Anschließend war er von\n1977 bis 2004 in diesem Beruf versicherungspflichtig beschaftigt. Von Oktober\n2004 bis April 2006 bezog er sodann Leistungen der Arbeitsverwaltung. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 03. Januar 2006 beantragte der Klager bei der Beklagten die Gewahrung von\nErwerbsminderungsrente. In dem am 19. Januar 2006 bei der Beklagten\neingegangenen amtlichen Formularvordruck begrundete der Klager seinen Antrag\nunter Hinweis auf eine Handgelenksentzundung links und Beschwerden im linken\nArm sowie unter weiteren Hinweis darauf, dass er seit Geburt Legastheniker\nsei. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Daraufhin veranlasste die Beklagte die gutachtliche Untersuchung des Klagers\ndurch die Radiologin und Sozialmedizinerin ... Im Gutachten vom 08. Februar\n2006 teilte die Ärztin ... fur den damals 176 cm großen und 76,5 kg schweren\nKlager folgende Diagnosen mit: \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| \n--- \n| \\- Chronische Belastungsbeschwerden im linken Arm unklarer Genese und \n--- \n| \\- Legasthenie. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Vor seiner Ausbildung zum Schreinerhelfer in einer betreuten Einrichtung\nhabe der Klager acht Jahre lang eine Sonderschule besucht. Aufgrund der\nbestehenden Legasthenie konne er heute noch nicht richtig schreiben. Von 1977\nbis 2003 habe er in einem Schreinereibetrieb in ... gearbeitet. Dort habe er\nschwere Spanplatten heben und transportieren mussen. Im Rahmen einer Leistung\nzur Teilhabe am Arbeitsleben im Juli 2005 habe er eine Ausbildung zum\nGabelstaplerfahrer durchlaufen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Herz-Lungenbefund sei unauffallig gewesen, ebenso der knocherne Status\nvon Halswirbelsaule, linkem Ellenbogen und linkem Handgelenk. Aufgrund der\nGesundheitsbeschwerden am linken Arm sei der Klager als Schreinerhelfer nur\nnoch arbeitstaglich drei bis unter sechs Stunden belastbar. Korperlich leichte\nbis mittelschwere Tatigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts im Wechsel von\nStehen, Gehen und Sitzen in Tages-, Fruh-, Spat- und Nachtschicht konne der\nKlager aber arbeitstaglich sechs und mehr Stunden verrichten.\nLeistungsausschlusse bestunden allein fur Arbeiten, die die volle\nKraftentfaltung des linken Arms erforderten, sowie fur Tatigkeiten, die\nRechtschreibefahigkeiten erforderlich machten. Daraufhin lehnte die Beklagte\nden Rentenantrag mit Bescheid vom 21. April 2006 unter Hinweis darauf ab, der\nKlager sei noch in der Lage, unter den ublichen Bedingungen des allgemeinen\nArbeitsmarktes mindestens sechs Stunden taglich korperlich leichte\nTatigkeiten, etwa als Museumsaufsicht oder als Pfortner in einer Nebenpforte,\nerwerbstatig zu sein. Bei diesem Leistungsvermogen liege weder eine volle noch\neine teilweise Erwerbsminderung bzw. Berufsunfahigkeit vor. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Den dagegen vom Klager am 27. April 2006 erhobenen Widerspruch wies die\nBeklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2006 als unbegrundet zuruck.\nZur Begrundung hieß es: Der Klager sei weder voll noch teilweise\nerwerbsgemindert, weil er noch in der Lage sei, korperlich leichte bis\nmittelschwere Arbeiten unter Berucksichtigung der festgestellten Erkrankungen\nmindestens sechs Stunden taglich zu verrichten. Auch konne dem Klager keine\nRente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfahigkeit gewahrt werden.\nBisheriger Beruf des Klagers sei die von ihm zuletzt ausgeubte\nversicherungspflichtige Beschaftigung als Schreinerhelfer. Diese Tatigkeit sei\ndem Leitberuf des angelernten Arbeiters des oberen Bereichs zuzuordnen.\nAufgrund der vorhandenen Gesundheitsstorungen sei es dem Klager zwar nicht\nmehr moglich, mindestens sechs Stunden arbeitstaglich als Schreinerhelfer\ntatig zu sein. Als oberer Angelernter konne der Klager auf die Tatigkeit einer\nMuseumsaufsicht, eines Pfortners an einer Nebenpforte oder als\nGabelstaplerfahrer verwiesen werden. Solche Beschaftigungen seien dem Klager\nunter Berucksichtigung seiner gesundheitlichen Leistungseinschrankungen\nmindestens sechs Stunden arbeitstaglich zumutbar. Daher liege keine\nBerufsunfahigkeit vor. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Am 25. Juli 2007 hat der Klager zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager ist weiter der Auffassung, aufgrund seiner Gesundheitsstorungen\nund Funktionseinschrankungen nicht mehr in der Lage zu sein, arbeitstaglich\nmindestens drei oder sechs Stunden erwerbstatig zu sein. Er beantrage, die ihm\nbehandelnden Ärzte zu horen und den Sachverhalt medizinisch aufzuklaren. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| den Bescheid der Beklagten vom 21. April 2006 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 19. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte zu\nverurteilen, ihm bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Rente wegen voller,\nhilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen\nteilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfahigkeit ab Antragstellung in\ngesetzlicher Hohe zu gewahren. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Das Gericht hat zunachst die vom Klager als behandelnden Ärzte benannten\nMediziner schriftlich als sachverstandige Zeugen vernommen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Allgemeinmediziner Dr. ..., Karlsruhe, hat dem Gericht unter dem 18.\nSeptember 2006 mitgeteilt, den Klager vom 04. Marz 1999 bis zuletzt am 06.\nMarz 2006 ambulant behandelt zu haben. Am linken Arm habe er ihn allerdings\nzuletzt im Dezember 2000 behandelt; seither werde er wegen seiner\nArmbeschwerden nur noch facharztlich betreut. Eine Tatigkeit als Schreiner sei\nfur den Klager aus seiner Sicht nur schwer vorstellbar; korperlich leichtere\nTatigkeiten sollte der Klager aber noch verrichten konnen, ohne dass insoweit\nzeitliche Begrenzungen erforderlich seien. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Orthopade Dr. ..., Karlsruhe, hat dem Gericht unter dem 23. Oktober 2006\nberichtet, den Klager seit Januar 2000 bis zuletzt im Mai 2006 behandelt zu\nhaben. Dabei habe er die Diagnosen eines HWS-Syndroms mit Hypomobilitat C5/6\nlinks, Hypomobilitat des Artik. costovertebralis Th5 links und Zustand nach\nCPRS I der linken Hand gestellt. Schmerzen im linken Handgelenk traten beim\nKlager bei forcierter Handgelenksextension sowie bei Belastung des Handgelenks\nauf. Bei Arbeiten ohne Belastung des linken Handgelenks sei der Klager\nhingegen nicht wesentlich eingeschrankt. Daher halte er den Klager fur in der\nLage, korperlich leichte Tatigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts\narbeitstaglich mindestens sechs Stunden verrichten zu konnen. Die fur die\nBeurteilung der beruflichen Leistungsfahigkeit des Klagers maßgeblichen Leiden\nlagen auf orthopadischem und zusatzlich neurologischem Fachgebiet, Letzteres\nwegen der Lese- und Schreibschwache des Klagers. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Aus den vom Gericht des Weiteren beigezogenen Akten des Versorgungsamts ...\nhat sich ergeben, dass dem Klager durch Abhilfebescheid des Versorgungsamts\n... vom 13. Januar 2007 unter Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB)\nvon 70 seit dem 14. August 2003 Schwerbehinderteneigenschaft zuerkannt worden\nist. Die Versorgungsverwaltung hat dem folgende Funktionseinschrankungen\nzugrunde gelegt: kognitive Teilleistungsschwache, Gebrauchseinschrankung des\nlinken Arms, Gebrauchseinschrankung der linken Hand und chronisches\nSchmerzsyndrom. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Im Folgenden hat das Gericht zunachst eine neurologisch-psychiatrische und\ndarauf folgend eine orthopadische gutachtliche Untersuchung des Klagers von\nAmts wegen veranlasst. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Neurologe und Psychiater Dr. ..., hat dem Gericht mit unter dem 12.\nFebruar 2007 erstatteten Gutachten folgende von ihm diagnostizierte\nGesundheitsstorungen mitgeteilt: \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| \n--- \n| \\- Belastungsabhangige Handgelenksschmerzen links, die von orthopadischer\nSeite als Residuum eines komplex-regionalen Schmerzsyndroms Typ I\n(Algodystrophie, Morbus Sudeck) anzusehen seien, \n--- \n| \\- Entwicklungsstorung mit Lese- und Rechtschreibstorung sowie\nRechenschwache und \n--- \n| \\- leichte Sprechstorungen in Form einer Balbuties (Stottern) und einem\nleichten Sigmatismus (Lispeln). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Aufgrund der chronischen, belastungsabhangigen Handgelenksschmerzen links\ndurfe der Klager die linke Hand nicht mehr belasten. Der Klager konne daher\nnur noch leichte Tatigkeiten verrichten, die uberwiegend mit der rechten Hand\ndurchgefuhrt wurden und bei denen die linke Hand nur unterstutzend, ohne\nBelastung eingesetzt werde. Tatigkeiten, die die volle Funktionsfahigkeit der\nlinken Hand und die volle Gebrauchsfahigkeit beider Hande voraussetzten, konne\nder Klager nicht mehr verrichten. Hierzu sollte aber von orthopadischer Seite\nnochmals Stellung genommen werden. Tatigkeiten, bei denen der Klager durch die\nfunktionelle Einarmigkeit sich selbst oder andere gefahrden konnte, z.B.\ngefahrliche Tatigkeiten, Tatigkeiten auf Leitern und Gerusten oder ahnliches\nseien fur den Klager ungeeignet. Tatigkeiten, die eine uneingeschrankte Lese-\nund Rechtschreibfahigkeit sowie eine ungestorte Rechenfahigkeit voraussetzten,\nseien ebenso ausgeschlossen. Fur Tatigkeiten mit Publikumsverkehr oder\nTatigkeiten, die eine ungestorte Kommunikation voraussetzten, z.B. auch\nTatigkeiten im Telefondienst, sei der Klager wegen seines leichten Stotterns\nund des leichten Sigmatismus ungeeignet. Schließlich seien Akkord- und\nFließbandarbeiten dem Klager verschlossen, da hierbei die volle\nGebrauchsfahigkeit beider Hande notwendig sei. Unter Berucksichtigung dieser\nLeistungsausschlusse sei aus neurologisch-psychiatrischer Sicht allerdings\neine quantitative Leistungsminderung nicht anzunehmen. In Betracht kamen aber\nnur einfache, praktische Arbeiten auf Anlernebene ohne eigenverantwortliche\nTatigkeiten. Eine Tatigkeit als Museumsaufsicht ware denkbar, wenn bei dieser\nim Speziellen keine Anforderungen an die Lese- und Schreibfahigkeit gestellt\nwerden. Als Pfortner sei der Klager Publikumsverkehr ausgesetzt und musse\nhaufig auch Auskunfte geben konnen. Aus diesem Grunde halte er den Klager fur\neine solche Tatigkeit fur ungeeignet. Inwieweit der Klager fur eine Tatigkeit\nals Gabelstaplerfahrer geeignet sei, konne er nicht sicher beurteilen; dazu\nsollte von orthopadischer Seite Stellung genommen werden. Eine Tatigkeit, bei\nder die qualitativen Leistungseinschrankungen beachtet wurden, konnte der\nKlager aus neurologisch-psychiatrischer Sicht noch acht Stunden arbeitstaglich\nverrichten, ohne dafur besonderer Arbeitsbedingungen zu bedurfen. Der Klager\nsei auch wegefahig. Der festgestellte Gesundheitszustand bestehe seit dem\nDatum der Antragstellung und habe sich seither nicht wesentlich geandert. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Mit Gutachten vom 04. Oktober 2007 hat der Orthopade Dr. ..., ..., folgende\nbei dem Klager festgestellte Gesundheitsstorungen mitgeteilt: \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| \n--- \n| \\- Endgradige Funktionseinschrankung des linken Handgelenks nach einer\nhinsichtlich Art und Umfang nicht bekannten Verletzung am linken Ellenbogen,\nUnterarm und/oder Handgelenk, \n--- \n| \\- belastungsabhangige Schmerzen im linken Arm und der Hand nach 2003\nmoglicherweise durchgemachten CRPS der linken Hand und des linken Handgelenks\nund \n--- \n| \\- Muskelminderung der linken oberen Extremitat und Minderung der Handkraft\nlinks. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Der linke Oberarm sei gegenuber der Vergleichseite gering verschmachtigt.\nUmrisszeichnung der Ellenbogengelenke seien aber unauffallig. In anatomischer\n„Nullposition" scheine ein leichter Drehfehler im linken Ellenbogengelenk\nvorzuliegen. Der linke Unterarm sei gegenuber dem rechten ebenfalls\nverschmachtigt. Der Faustschluss gelinge dem Klager beidseitig komplett, werde\nvon ihm aber links endgradig als schmerzhaft angegeben. Die Einsetzbarkeit des\nlinken Arms und der linken Hand des Klagers sei eingeschrankt. Sie sei aber\nnicht aufgehoben, weil der Klager nach eigener Aussage seine linke Hand\nzumindest noch als Beihand einsetzen und sogar dann auch starker belasten\nkonne, wenn er seine mit einer beugeseitigen Verstarkung versehene\nHandgelenksstutze trage. \n--- \n| 26 \n--- \n| Qualitativ sei dem Klager die Verrichtung folgender Arbeiten nicht mehr\nmoglich: schwere und mittelschwere Arbeiten, zu denen die linke Hand\neingesetzt werden musse, das Heben und Tragen von Lasten mit der linken Hand\nvon uber 5 kg Gewicht bei angelegter Handgelenksstutze, Tatigkeiten auf\nLeitern und Gerusten, Akkord- und Fließbandarbeit sowie Arbeiten unter\nstandigem Einfluss von Nasse, Kalte und Zugluft. Umgekehrt seien dem Klager\nnoch moglich: korperlich leichte Tatigkeiten im Sitzen, Stehen und Gehen, mit\nBucken, Treppen gehen, in die Hocke gehen, im Knien, Schicht- und Nachtarbeit,\nin temperierten Raumen und im Freien sowie alle Arbeiten, die keinen\nuneingeschrankten Einsatz der linken Hand voraussetzten. Als Staplerfahrer\noder Werksbote konne der Klager noch vollschichtig berufstatig sein.\nBesonderer Arbeitsbedingungen bedurfe der wegefahige Klager dafur nicht. Der\nfestgestellte Gesundheitszustand bestehe seit Antragstellung im Wesentlichen\nunverandert fort. Eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustands des\nKlagers sei unwahrscheinlich. Die von der Vorgutachterin Lux erhobenen Befunde\nhatten sich anlasslich seiner Untersuchung im Wesentlichen bestatigt; der von\nihr getroffenen Leistungsbeurteilung sei zuzustimmen. Ebenso zuzustimmen sei\nden sachverstandigen Zeugenaußerungen des Orthopaden Dr. .... Mit Vorgutachter\nDr. ... teile er die Bedenken bezuglich eines Einsatzes des Klagers als\nPfortner oder Museumsaufsicht oder zu anderen administrativen Tatigkeiten aus\nden vorgenannten Grunden. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Wegen der weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf die Akten der\nBeklagten und die Akten des Gerichts (S 4 R 3491/06) Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber unbegrundet. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und der gerichtlichen Beweisaufnahme\nsteht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der angefochtene Bescheid der\nBeklagten vom 21. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.\nJuli 2006 rechtmaßig ist. Dem Klager steht keine Erwerbsminderungsrente zu,\nweil er erwerbsfahig ist. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur\nVollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den\nletzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeitrage fur\neine versicherte Beschaftigung oder Tatigkeit zuruckgelegt und vor Eintritt\nder Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfullt haben (s. hierzu § 43\nAbs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll\nerwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf\nnicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den ublichen Bedingungen des\nallgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden taglich erwerbstatig zu sein\n(§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis\nzur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind,\nin den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre\nPflichtbeitrage fur eine versicherte Beschaftigung oder Tatigkeit zuruckgelegt\nund vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfullt haben\n(s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind\nVersicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit\naußerstande sind, unter den ublichen Bedingungen des allgemeinen\nArbeitsmarktes mindestens 6 Stunden taglich erwerbstatig zu sein (§ 43 Abs. 2\nSatz 2 SGB VI). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Daruber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert,\nwer unter den ublichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6\nStunden taglich erwerbstatig sein kann; dabei ist die jeweilige\nArbeitsmarktlage nicht zu berucksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Klager ist, an diesem Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Gerichts\nnicht erwerbsgemindert. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 1\\. Eine Erwerbsminderung des Klagers, d.h. ein Absinken seiner beruflichen\nund korperlichen Leistungsfahigkeit auf ein Leistungsvermogen auf dem\nallgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden arbeitstaglich, lasst\nsich zur Überzeugung der Kammer nicht hinreichend sicher belegen. Dies ergibt\nsich insbesondere aus der Gesamtwurdigung des im Verwaltungsverfahren\neingeholten Gutachtens der Sozialmedizinerin ... (08. Februar 2006), das im\nWege des Urkundsbeweises verwertet wird, sowie der im Gerichtsverfahren von\nder Kammer von Amts wegen aktuell eingeholten sachverstandigen arztlichen\nAuskunfte der den Klager behandelnden Mediziner Dres. … (18. September 2006)\nund ... (18. Oktober 2006) sowie und vor allem aufgrund der von der Kammer\ndaruber hinaus veranlassten neurologisch-psychiatrischen und orthopadischen\nUntersuchungen und Begutachtungen des Klagers durch die Dres. ... (12. Februar\n2007) und ... (04. Oktober 2007). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Der Klager leidet danach zur Überzeugung der Kammer an folgenden, fur seine\nkorperliche Leistungsfahigkeit bedeutsamen Gesundheitsstorungen: \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| \n--- \n| \\- Endgradige Funktionseinschrankung des linken Handgelenks nach einer\nhinsichtlich Art und Umfang nicht bekannten Verletzung am linken Ellenbogen,\nUnterarm und/oder Handgelenk, \n--- \n| \\- belastungsabhangige Schmerzen im linken Arm und der linken Hand nach 2003\nmoglicherweise durchgemachtem CRPS der linken Hand und des linken Handgelenks, \n--- \n| \\- Muskelminderung der linken oberen Extremitat und Minderung der Handkraft\nlinks, \n--- \n| \\- Entwicklungsstorung mit Lese- und Rechtschreibstorung sowie\nRechenschwache und \n--- \n| \\- leichte Sprechstorung in Form von Stottern und Lispeln. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die vorstehend als relevant festgestellten Gesundheitsstorungen schranken\ndie berufliche Leistungsfahigkeit des Klagers zwar in qualitativer, nicht aber\nin quantitativer Hinsicht ein. Aus medizinischer Sicht sind dem Klager derzeit\nund absehbar jedenfalls noch leichte bis gelegentlich mittelschwere\nTatigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts im Wechsel von Sitzen, Stehen und\nGehen bei uberwiegendem Sitzen unter Beachtung bestimmter qualitativer\nLeistungsausschlusse - schwere und mittelschwere Arbeiten, zu denen die linke\nHand eingesetzt werden muss, Heben und Tragen von Lasten mit der linken Hand\nvon uber 5 kg Gewicht bei angelegter Handgelenksstutze, Tatigkeiten auf\nLeitern und Gerusten, Akkord- und Fließbandarbeit, Arbeiten unter standigem\nEinfluss von Nasse, Kalte und Zugluft, Tatigkeiten, die eine ungestorte Lese-\nund Rechtschreibfahigkeit voraussetzen, Tatigkeiten mit Publikumsverkehr -\njedenfalls uber sechs und mehr Stunden arbeitstaglich zumutbar. Bei alledem\nist der Klager auch fußlaufig wegefahig und damit in der Lage, unter allgemein\nzumutbaren Bedingungen auch mit offentlichen Verkehrsmitteln von seiner\nWohnung zu einer Arbeitsstatte und zuruck zu gelangen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Entgegen seiner Auffassung ist der Klager auch in der Zusammenschau seiner\nim Wesentlichen orthopadisch und neurologisch-psychiatrisch bedingten\nGesundheitsstorungen gegenwartig und auf absehbare Zeit in quantitativer\nHinsicht in der Lage, arbeitstaglich uber sechs Stunden hinweg korperlich\nleichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Dauer zu verrichten. Die\ninsoweit ubereinstimmende Leistungsbeurteilung aller den Klager behandelnden\noder gutachtlich untersuchenden Ärzte - Sozialmedizinerin ..., Dr. ..., Dr.\n..., Dr. ... und Dr. ... - schließt sich die Kammer aufgrund eigener\nUrteilsbildung nach grundlichem Studium der Akten an. Dabei stimmt die Kammer\nnachdrucklich den insbesondere von Dr. ... beschriebenen\nLeistungseinschrankungen qualitativer Art zu. Aufgrund der Kombination von\northopadischen Leiden (nur eingeschrankte Gebrauchsfahigkeit der linken Hand\nund des linken Arms) und neurologisch-psychiatrischen Leistungsschwachen\n(Lese- und Rechtschreibstorung) kommen fur den Klager von vornherein nur\neinfache, praktische Arbeiten auf Anlernebene in Betracht. Dass dem so ist,\nergibt sich fur die Kammer besonders plastisch daraus, dass der Klager zuletzt\nnoch bei der Firma ... uber einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen\nprobeweise als Gabelstaplerfahrer eingesetzt worden ist und ihm diese\nBeschaftigung - auch seinen eigenen Angaben zufolge - problemlos moglich\ngewesen ist. Dies korrespondiert mit der Angabe von Dr. ... in der\nschriftlichen sachverstandigen Zeugenaussage vom 18. Oktober 2006, in der\ndieser ausdrucklich mitteilt, dass bei Arbeiten ohne Belastung des linken\nHandgelenks im Wesentlichen keine orthopadisch bedingten\nLeistungseinschrankungen beim Klager bestehen. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Zusammenfassend ist der Klager danach noch in der Lage, jedenfalls\nkorperlich leichte Tatigkeiten mit den genannten qualitativen Einschrankungen\nmindestens sechs und mehr Stunden arbeitstaglich auszuuben. Der Klager ist\nsomit nicht erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen\nGesundheitsstorungen kein Leistungsvermogen von taglich weniger als sechs\nStunden begrundet. Insbesondere muss fur die Verneinung von Erwerbsminderung\nbei mindestens sechs Stunden taglich leistungsfahigen Versicherten - anders\nals bei Teilzeitkraften - weder eine konkrete Tatigkeit benannt werden noch\nist die Frage zu prufen, ob es genugend Arbeitsplatze gibt. Vielmehr ist davon\nauszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt fur in diesem Umfang\nleistungsfahige Angelernte des unteren Bereichs sowie Ungelernte geeignete\nArbeitsplatze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlusse des Großen\nSenats des BSG vom 19. Dezember 1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies\nstimmt mit dem erklarten Willen des Gesetzgebers uberein, der durch § 43 Abs.\n3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den\nublichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden\ntaglich erwerbstatig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu\nberucksichtigen ist. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Dem Klager ist somit keine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewahren, und\nzwar unabhangig davon, ob die fur ihn zustandige Agentur fur Arbeit einen\nihrem Leistungsvermogen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten konnte. Denn das\nRisiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-,\nsondern grundsatzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR\n2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem\nallgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplatze gibt, immer dann zu klaren, wenn eine\nSummierung ungewohnlicher Leistungseinschrankungen oder eine schwere\nspezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und\n117) oder wenn Arbeitskrafte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen\nArbeitsplatzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr\neiner Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht\nkommende Tatigkeiten nicht unter betriebsublichen Bedingungen ausgeubt werden\nkonnen oder entsprechende Arbeitsplatze aufgrund gesundheitlicher\nBeeintrachtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur\nvereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247\nNrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14). \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Es liegt aber auch keine Summierung ungewohnlicher Leistungseinschrankungen\nvor. Denn bei den genannten Einschrankungen handelt es sich im Wesentlichen um\nsolche, denen durch die Begrenzung auf leichte korperliche Arbeit hinreichend\nRechnung getragen wird. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Unfahigkeit des Klagers, hinreichend deutsch zu schreiben und zu lesen,\nerschwert zwar den Zugang zum Arbeitsmarkt, muss aber als Kriterium im Rahmen\nder Prufung einer Summierung ungewohnlicher Leistungseinschrankungen außer\nAcht bleiben, weil dies im Ergebnis auf eine Besserstellung von Analphabeten\nund auslandischen Versicherten erheblichen Umfangs hinauslaufen wurde und der\ngesetzlichen Rentenversicherung ein prinzipiell unkalkulierbares Risiko\naufgeburdet wurde (zuletzt BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003, B 5 RJ 64/02 R,\njuris-dok). \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Analphabetismus eines Versicherten ist im Rahmen der Prufung eines\nSummierung ungewohnlicher Leistungseinschrankungen nur dann zu\nberucksichtigen, wenn dessen Vorliegen - ggf. durch einen geeigneten Test -\nsicher festgestellt ist und dem Versicherten das weite Feld der Tatigkeiten,\nwelche die Fahigkeit des Lesens und Schreibens nicht unbedingt erfordern (z.B.\nleichte Verpackungs- und Montagetatigkeiten, Kuchenhilfsdienste) auf Grund\nweiterer hinzutretender Behinderungen nicht mehr offen steht. Denn bei\n(geschatzt) ca. vier Millionen Analphabeten in der Bundesrepublik Deutschland,\ndie zum Großteil in rentenversicherungspflichtigen Beschaftigungsverhaltnissen\nstehen, kann nicht von einem von vornherein verschlossenen Arbeitsmarkt allein\nwegen des Analphabetismus ausgegangen werden (zuletzt BSG, Urteil vom 10.\nDezember 2003, B 5 RJ 64/02 R, juris-dok). Dies zeigt auch der berufliche\nWerdegang der Klagers, die in fruheren Jahren durchaus in der Lage war, eine\nangemessene rentenversicherungspflichtige Tatigkeit als Tischlerhelfer zu\nfinden und sich hier, ggf. mit entsprechenden Anpassungstechniken, zu\nbewahren, zuletzt als Gabelstaplerfahrer. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Die Kammer vermag nicht festzustellen, dass die genannten qualitativen\nEinschrankungen den Zugang des Klagers zu dem weiten Feld der leichten\nVerpackungs- und Montagetatigkeiten, fur welche die Fahigkeiten des Lesens und\nSchreibens nicht unbedingt erforderlich sind, in erheblichem Umfang\nerschweren. Denn es handelt sich bei den genannten Einschrankungen im\nWesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte korperliche\nArbeit hinreichend Rechnung getragen wird. So sind die dem Klager allein noch\nzumutbaren leichten korperlichen Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen von vorn\nherein mit schweren und mittelschweren Arbeiten, zu denen die linke Hand\neingesetzt werden musse, dem Heben und Tragen von Lasten mit der linken Hand\nvon uber 5 kg Gewicht bei angelegter Handgelenksstutze, Tatigkeiten auf\nLeitern und Gerusten, Akkord- und Fließbandarbeit sowie Arbeiten unter\nstandigem Einfluss von Nasse, Kalte und Zugluft verbunden. Die benannten\nLeistungs- und Funktionsausschlusse fuhren zu keiner Summierung ungewohnlicher\nLeistungseinschrankungen, da die dem Klager auch unter besonderer\nBerucksichtigung des bei ihm vorliegenden Teil-Analphabetismus noch zumutbaren\nArbeiten (z.B. Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier-, Etikettier- und\nKlebarbeiten) uberwiegend in geschlossenen wohltemperierten Raumen\ndurchgefuhrt werden und auch nicht regelmaßig mit besonderem Zeitdruck (z.B.\nStaplerfahren) oder Schichtarbeiten verbunden sind. Solche dem Klager noch\nzumutbaren Tatigkeiten setzen auch keine besondere, uber das allgemeine Maß\nhinausgehende geistige Leistungsfahigkeit und Verantwortlichkeit voraus. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| 2\\. Der Klager hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser\nErwerbsminderung bei Berufsunfahigkeit oder wegen teilweiser Erwerbsminderung. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfahigkeit\nhaben nach § 240 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - bei\nErfullung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65.\nLebensjahres Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfahig\nsind. Berufsunfahig sind Versicherte, deren Erwerbsfahigkeit wegen Krankheit\noder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfahigkeit von korperlich, geistig und\nseelisch gesunden Versicherten mit ahnlicher Ausbildung und gleichwertigen\nKenntnissen und Fahigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240\nAbs. 2 S. 1 SGB VI). Der Kreis der Tatigkeiten, nach denen die\nErwerbsfahigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tatigkeiten,\ndie ihren Kraften und Fahigkeiten entsprechen und ihnen unter Berucksichtigung\nder Dauer und des Umfangs ihres bisherigen Berufs und der besonderen\nAnforderungen ihrer bisherigen Berufstatigkeit zugemutet werden konnen (§ 240\nAbs. 2 Satz 2 SGB VI). \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Entscheidend fur die damit angesprochene Frage des Berufsschutzes kommt es\nauf die soziale Zumutbarkeit einer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt\nangebotenen Verweisungstatigkeit an, die sich nach der Wertigkeit des\nbisherigen Berufs auf der Grundlage des vom Bundessozialgericht entwickelten\nMehrstufenschemas bemisst (vgl. naher: BSG, Großer Senat, Urteil vom 19.\nDezember 1996, GS 2/95, BSGE 80, 24 <38 ff>; BSG, Urteil vom 3. Juli 2002, B 5\nRJ 18/01 R, JURIS; BSG, Urteil vom 22. August 2002, B 13 RJ 19/02 R, JURIS).\nDie in diesem Mehrstufenschema genannten Berufsgruppen sind ausgehend von der\nBedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung fur die Qualitat eines Berufs\nhaben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die\nLeitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion und des besonders hoch\nqualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf\nmit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters\n(sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten\nbis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (z.B. BSGE\n59, 201 = SozR 2200 § 1246 Nr. 132; BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.138, 140). Die\nGruppe mit dem Leitberuf des Angelernten ist eine inhomogene und\nvielschichtige Gruppe, denn zu ihr zahlen nicht nur Versicherte, deren\nQualifikation durch eine betriebliche Ausbildung von nur drei Monaten\ngekennzeichnet ist, sondern auch Versicherte, die einen staatlich anerkannten\nAusbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit von bis zu\nzwei Jahren ausuben. Daher wird in der Gruppe der Angelernten zwischen den\n„oberen Angelernten" mit einer regelmaßigen auch betrieblichen Ausbildungs-\noder Anlernzeit von uber 12 bis zu 24 Monaten und den „unteren Angelernten"\nmit einer Anlernzeit von drei bis 12 Monaten unterschieden. Wahrend die\nunteren Angelernten grundsatzlich uneingeschrankt auf alle Tatigkeiten des\nallgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sind, sind Versicherten der Gruppe der\noberen Angelernten, die ihre bisherige Tatigkeit aus gesundheitlichen Grunden\nnicht mehr verrichten konnen, konkrete Verweisungstatigkeiten zu benennen, die\nsich durch Qualitatsmerkmale, etwa das Erfordernis einer Einweisung und\nEinarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher\nVorkenntnisse auszeichnen (vgl. hierzu Niesel, in Kasseler Kommentar § 240 SGB\nVI Rn. 35, 36, 101 und 114 mit weiteren Nachweisen). \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Ausschlaggebend fur die Zuordnung einer bestimmten Tatigkeit zu einer der\nGruppen des Mehrstufenschemas ist allein die Qualitat der verrichteten Arbeit,\ndas heißt der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit\nfur den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 240\nAbs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der\nAusbildung, bisheriger Beruf, besondere Anforderungen der bisherigen\nBerufstatigkeit) umschrieben wird (BSG SozR 3-2000 § 1246 Nrn. 27, 33).\nIndizien fur die gebotene Gesamtschau sind auch, wenn eine Ausbildung nicht\nabsolviert wurde, die Dauer der Berufsausubung und die Hohe der Entlohnung,\nwenn von dieser auf die Qualitat der verrichteten Arbeit geschlossen werden\nkann (Niesel, a.a.O., Rn. 43, 60, 61 m. w. N.) \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| In Anwendung dieser Kriterien ist der vor dem 01. Januar 1961 geborene\nKlager nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als oberer Angelernter mit einer\nAnlernzeit von 12 bis 24 Monaten einzustufen. Der Klager hat eine knapp\nzweijahrige Ausbildung als Tischlerhelfer erfolgreich absolviert und ist\nanschließend in diesem Beruf versicherungspflichtig beschaftigt gewesen. Als\noberer Angelernter ist der Klager aber von der Beklagten in jedenfalls\nrechtlich nicht zu beanstandender Art und Weise sozial und gesundheitlich\nzumutbar auf den Beruf eines Gabelstaplerfahrers verwiesen worden. Diesem\nBeruf ist der Klager gesundheitlich gewachsen, wie seine Angaben gegenuber Dr.\n... anlasslich der gutachtlichen Untersuchung am 04. Oktober 2007\nnachdrucklich belegen. Sozial ist dem Klager eine Tatigkeit als Staplerfahrer\nschon deshalb zuzumuten, weil Gabelstaplerfahrer von der Bundesagentur fur\nArbeit als sonstige Fachkrafte registriert sind und als solche im Berufenet\nbeworben werden. Im Übrigen hat sieht sich der Klager auch selbst in der Lage,\ndiesen Beruf auszuuben. Die Tatsache des fehlenden Arbeitsplatzes hat die\nArbeitslosen- und nicht die Rentenversicherung zu tragen. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Nach alledem hat dem Klager auch keine Rente wegen teilweiser\nErwerbsminderung bei Berufsunfahigkeit zugesprochen werden konnen. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Entsprechendes gilt fur die weiter hilfsweise nach § 43 Abs. 1 SGB VI\ngeltend gemachte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, weil der Klager -\nwie unter 1. ausgefuhrt - arbeitstaglich sechs und mehr Stunden korperlich\nleichte Tatigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten kann. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber unbegrundet. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und der gerichtlichen Beweisaufnahme\nsteht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der angefochtene Bescheid der\nBeklagten vom 21. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.\nJuli 2006 rechtmaßig ist. Dem Klager steht keine Erwerbsminderungsrente zu,\nweil er erwerbsfahig ist. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur\nVollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den\nletzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeitrage fur\neine versicherte Beschaftigung oder Tatigkeit zuruckgelegt und vor Eintritt\nder Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfullt haben (s. hierzu § 43\nAbs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll\nerwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf\nnicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den ublichen Bedingungen des\nallgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden taglich erwerbstatig zu sein\n(§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis\nzur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind,\nin den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre\nPflichtbeitrage fur eine versicherte Beschaftigung oder Tatigkeit zuruckgelegt\nund vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfullt haben\n(s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind\nVersicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit\naußerstande sind, unter den ublichen Bedingungen des allgemeinen\nArbeitsmarktes mindestens 6 Stunden taglich erwerbstatig zu sein (§ 43 Abs. 2\nSatz 2 SGB VI). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Daruber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert,\nwer unter den ublichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6\nStunden taglich erwerbstatig sein kann; dabei ist die jeweilige\nArbeitsmarktlage nicht zu berucksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Klager ist, an diesem Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Gerichts\nnicht erwerbsgemindert. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 1\\. Eine Erwerbsminderung des Klagers, d.h. ein Absinken seiner beruflichen\nund korperlichen Leistungsfahigkeit auf ein Leistungsvermogen auf dem\nallgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden arbeitstaglich, lasst\nsich zur Überzeugung der Kammer nicht hinreichend sicher belegen. Dies ergibt\nsich insbesondere aus der Gesamtwurdigung des im Verwaltungsverfahren\neingeholten Gutachtens der Sozialmedizinerin ... (08. Februar 2006), das im\nWege des Urkundsbeweises verwertet wird, sowie der im Gerichtsverfahren von\nder Kammer von Amts wegen aktuell eingeholten sachverstandigen arztlichen\nAuskunfte der den Klager behandelnden Mediziner Dres. … (18. September 2006)\nund ... (18. Oktober 2006) sowie und vor allem aufgrund der von der Kammer\ndaruber hinaus veranlassten neurologisch-psychiatrischen und orthopadischen\nUntersuchungen und Begutachtungen des Klagers durch die Dres. ... (12. Februar\n2007) und ... (04. Oktober 2007). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Der Klager leidet danach zur Überzeugung der Kammer an folgenden, fur seine\nkorperliche Leistungsfahigkeit bedeutsamen Gesundheitsstorungen: \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| \n--- \n| \\- Endgradige Funktionseinschrankung des linken Handgelenks nach einer\nhinsichtlich Art und Umfang nicht bekannten Verletzung am linken Ellenbogen,\nUnterarm und/oder Handgelenk, \n--- \n| \\- belastungsabhangige Schmerzen im linken Arm und der linken Hand nach 2003\nmoglicherweise durchgemachtem CRPS der linken Hand und des linken Handgelenks, \n--- \n| \\- Muskelminderung der linken oberen Extremitat und Minderung der Handkraft\nlinks, \n--- \n| \\- Entwicklungsstorung mit Lese- und Rechtschreibstorung sowie\nRechenschwache und \n--- \n| \\- leichte Sprechstorung in Form von Stottern und Lispeln. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die vorstehend als relevant festgestellten Gesundheitsstorungen schranken\ndie berufliche Leistungsfahigkeit des Klagers zwar in qualitativer, nicht aber\nin quantitativer Hinsicht ein. Aus medizinischer Sicht sind dem Klager derzeit\nund absehbar jedenfalls noch leichte bis gelegentlich mittelschwere\nTatigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts im Wechsel von Sitzen, Stehen und\nGehen bei uberwiegendem Sitzen unter Beachtung bestimmter qualitativer\nLeistungsausschlusse - schwere und mittelschwere Arbeiten, zu denen die linke\nHand eingesetzt werden muss, Heben und Tragen von Lasten mit der linken Hand\nvon uber 5 kg Gewicht bei angelegter Handgelenksstutze, Tatigkeiten auf\nLeitern und Gerusten, Akkord- und Fließbandarbeit, Arbeiten unter standigem\nEinfluss von Nasse, Kalte und Zugluft, Tatigkeiten, die eine ungestorte Lese-\nund Rechtschreibfahigkeit voraussetzen, Tatigkeiten mit Publikumsverkehr -\njedenfalls uber sechs und mehr Stunden arbeitstaglich zumutbar. Bei alledem\nist der Klager auch fußlaufig wegefahig und damit in der Lage, unter allgemein\nzumutbaren Bedingungen auch mit offentlichen Verkehrsmitteln von seiner\nWohnung zu einer Arbeitsstatte und zuruck zu gelangen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Entgegen seiner Auffassung ist der Klager auch in der Zusammenschau seiner\nim Wesentlichen orthopadisch und neurologisch-psychiatrisch bedingten\nGesundheitsstorungen gegenwartig und auf absehbare Zeit in quantitativer\nHinsicht in der Lage, arbeitstaglich uber sechs Stunden hinweg korperlich\nleichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Dauer zu verrichten. Die\ninsoweit ubereinstimmende Leistungsbeurteilung aller den Klager behandelnden\noder gutachtlich untersuchenden Ärzte - Sozialmedizinerin ..., Dr. ..., Dr.\n..., Dr. ... und Dr. ... - schließt sich die Kammer aufgrund eigener\nUrteilsbildung nach grundlichem Studium der Akten an. Dabei stimmt die Kammer\nnachdrucklich den insbesondere von Dr. ... beschriebenen\nLeistungseinschrankungen qualitativer Art zu. Aufgrund der Kombination von\northopadischen Leiden (nur eingeschrankte Gebrauchsfahigkeit der linken Hand\nund des linken Arms) und neurologisch-psychiatrischen Leistungsschwachen\n(Lese- und Rechtschreibstorung) kommen fur den Klager von vornherein nur\neinfache, praktische Arbeiten auf Anlernebene in Betracht. Dass dem so ist,\nergibt sich fur die Kammer besonders plastisch daraus, dass der Klager zuletzt\nnoch bei der Firma ... uber einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen\nprobeweise als Gabelstaplerfahrer eingesetzt worden ist und ihm diese\nBeschaftigung - auch seinen eigenen Angaben zufolge - problemlos moglich\ngewesen ist. Dies korrespondiert mit der Angabe von Dr. ... in der\nschriftlichen sachverstandigen Zeugenaussage vom 18. Oktober 2006, in der\ndieser ausdrucklich mitteilt, dass bei Arbeiten ohne Belastung des linken\nHandgelenks im Wesentlichen keine orthopadisch bedingten\nLeistungseinschrankungen beim Klager bestehen. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Zusammenfassend ist der Klager danach noch in der Lage, jedenfalls\nkorperlich leichte Tatigkeiten mit den genannten qualitativen Einschrankungen\nmindestens sechs und mehr Stunden arbeitstaglich auszuuben. Der Klager ist\nsomit nicht erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen\nGesundheitsstorungen kein Leistungsvermogen von taglich weniger als sechs\nStunden begrundet. Insbesondere muss fur die Verneinung von Erwerbsminderung\nbei mindestens sechs Stunden taglich leistungsfahigen Versicherten - anders\nals bei Teilzeitkraften - weder eine konkrete Tatigkeit benannt werden noch\nist die Frage zu prufen, ob es genugend Arbeitsplatze gibt. Vielmehr ist davon\nauszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt fur in diesem Umfang\nleistungsfahige Angelernte des unteren Bereichs sowie Ungelernte geeignete\nArbeitsplatze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlusse des Großen\nSenats des BSG vom 19. Dezember 1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies\nstimmt mit dem erklarten Willen des Gesetzgebers uberein, der durch § 43 Abs.\n3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den\nublichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden\ntaglich erwerbstatig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu\nberucksichtigen ist. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Dem Klager ist somit keine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewahren, und\nzwar unabhangig davon, ob die fur ihn zustandige Agentur fur Arbeit einen\nihrem Leistungsvermogen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten konnte. Denn das\nRisiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-,\nsondern grundsatzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR\n2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem\nallgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplatze gibt, immer dann zu klaren, wenn eine\nSummierung ungewohnlicher Leistungseinschrankungen oder eine schwere\nspezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und\n117) oder wenn Arbeitskrafte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen\nArbeitsplatzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr\neiner Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht\nkommende Tatigkeiten nicht unter betriebsublichen Bedingungen ausgeubt werden\nkonnen oder entsprechende Arbeitsplatze aufgrund gesundheitlicher\nBeeintrachtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur\nvereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247\nNrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14). \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Es liegt aber auch keine Summierung ungewohnlicher Leistungseinschrankungen\nvor. Denn bei den genannten Einschrankungen handelt es sich im Wesentlichen um\nsolche, denen durch die Begrenzung auf leichte korperliche Arbeit hinreichend\nRechnung getragen wird. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Unfahigkeit des Klagers, hinreichend deutsch zu schreiben und zu lesen,\nerschwert zwar den Zugang zum Arbeitsmarkt, muss aber als Kriterium im Rahmen\nder Prufung einer Summierung ungewohnlicher Leistungseinschrankungen außer\nAcht bleiben, weil dies im Ergebnis auf eine Besserstellung von Analphabeten\nund auslandischen Versicherten erheblichen Umfangs hinauslaufen wurde und der\ngesetzlichen Rentenversicherung ein prinzipiell unkalkulierbares Risiko\naufgeburdet wurde (zuletzt BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003, B 5 RJ 64/02 R,\njuris-dok). \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Analphabetismus eines Versicherten ist im Rahmen der Prufung eines\nSummierung ungewohnlicher Leistungseinschrankungen nur dann zu\nberucksichtigen, wenn dessen Vorliegen - ggf. durch einen geeigneten Test -\nsicher festgestellt ist und dem Versicherten das weite Feld der Tatigkeiten,\nwelche die Fahigkeit des Lesens und Schreibens nicht unbedingt erfordern (z.B.\nleichte Verpackungs- und Montagetatigkeiten, Kuchenhilfsdienste) auf Grund\nweiterer hinzutretender Behinderungen nicht mehr offen steht. Denn bei\n(geschatzt) ca. vier Millionen Analphabeten in der Bundesrepublik Deutschland,\ndie zum Großteil in rentenversicherungspflichtigen Beschaftigungsverhaltnissen\nstehen, kann nicht von einem von vornherein verschlossenen Arbeitsmarkt allein\nwegen des Analphabetismus ausgegangen werden (zuletzt BSG, Urteil vom 10.\nDezember 2003, B 5 RJ 64/02 R, juris-dok). Dies zeigt auch der berufliche\nWerdegang der Klagers, die in fruheren Jahren durchaus in der Lage war, eine\nangemessene rentenversicherungspflichtige Tatigkeit als Tischlerhelfer zu\nfinden und sich hier, ggf. mit entsprechenden Anpassungstechniken, zu\nbewahren, zuletzt als Gabelstaplerfahrer. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Die Kammer vermag nicht festzustellen, dass die genannten qualitativen\nEinschrankungen den Zugang des Klagers zu dem weiten Feld der leichten\nVerpackungs- und Montagetatigkeiten, fur welche die Fahigkeiten des Lesens und\nSchreibens nicht unbedingt erforderlich sind, in erheblichem Umfang\nerschweren. Denn es handelt sich bei den genannten Einschrankungen im\nWesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte korperliche\nArbeit hinreichend Rechnung getragen wird. So sind die dem Klager allein noch\nzumutbaren leichten korperlichen Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen von vorn\nherein mit schweren und mittelschweren Arbeiten, zu denen die linke Hand\neingesetzt werden musse, dem Heben und Tragen von Lasten mit der linken Hand\nvon uber 5 kg Gewicht bei angelegter Handgelenksstutze, Tatigkeiten auf\nLeitern und Gerusten, Akkord- und Fließbandarbeit sowie Arbeiten unter\nstandigem Einfluss von Nasse, Kalte und Zugluft verbunden. Die benannten\nLeistungs- und Funktionsausschlusse fuhren zu keiner Summierung ungewohnlicher\nLeistungseinschrankungen, da die dem Klager auch unter besonderer\nBerucksichtigung des bei ihm vorliegenden Teil-Analphabetismus noch zumutbaren\nArbeiten (z.B. Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier-, Etikettier- und\nKlebarbeiten) uberwiegend in geschlossenen wohltemperierten Raumen\ndurchgefuhrt werden und auch nicht regelmaßig mit besonderem Zeitdruck (z.B.\nStaplerfahren) oder Schichtarbeiten verbunden sind. Solche dem Klager noch\nzumutbaren Tatigkeiten setzen auch keine besondere, uber das allgemeine Maß\nhinausgehende geistige Leistungsfahigkeit und Verantwortlichkeit voraus. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| 2\\. Der Klager hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser\nErwerbsminderung bei Berufsunfahigkeit oder wegen teilweiser Erwerbsminderung. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfahigkeit\nhaben nach § 240 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - bei\nErfullung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65.\nLebensjahres Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfahig\nsind. Berufsunfahig sind Versicherte, deren Erwerbsfahigkeit wegen Krankheit\noder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfahigkeit von korperlich, geistig und\nseelisch gesunden Versicherten mit ahnlicher Ausbildung und gleichwertigen\nKenntnissen und Fahigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240\nAbs. 2 S. 1 SGB VI). Der Kreis der Tatigkeiten, nach denen die\nErwerbsfahigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tatigkeiten,\ndie ihren Kraften und Fahigkeiten entsprechen und ihnen unter Berucksichtigung\nder Dauer und des Umfangs ihres bisherigen Berufs und der besonderen\nAnforderungen ihrer bisherigen Berufstatigkeit zugemutet werden konnen (§ 240\nAbs. 2 Satz 2 SGB VI). \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Entscheidend fur die damit angesprochene Frage des Berufsschutzes kommt es\nauf die soziale Zumutbarkeit einer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt\nangebotenen Verweisungstatigkeit an, die sich nach der Wertigkeit des\nbisherigen Berufs auf der Grundlage des vom Bundessozialgericht entwickelten\nMehrstufenschemas bemisst (vgl. naher: BSG, Großer Senat, Urteil vom 19.\nDezember 1996, GS 2/95, BSGE 80, 24 <38 ff>; BSG, Urteil vom 3. Juli 2002, B 5\nRJ 18/01 R, JURIS; BSG, Urteil vom 22. August 2002, B 13 RJ 19/02 R, JURIS).\nDie in diesem Mehrstufenschema genannten Berufsgruppen sind ausgehend von der\nBedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung fur die Qualitat eines Berufs\nhaben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die\nLeitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion und des besonders hoch\nqualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf\nmit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters\n(sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten\nbis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (z.B. BSGE\n59, 201 = SozR 2200 § 1246 Nr. 132; BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.138, 140). Die\nGruppe mit dem Leitberuf des Angelernten ist eine inhomogene und\nvielschichtige Gruppe, denn zu ihr zahlen nicht nur Versicherte, deren\nQualifikation durch eine betriebliche Ausbildung von nur drei Monaten\ngekennzeichnet ist, sondern auch Versicherte, die einen staatlich anerkannten\nAusbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit von bis zu\nzwei Jahren ausuben. Daher wird in der Gruppe der Angelernten zwischen den\n„oberen Angelernten" mit einer regelmaßigen auch betrieblichen Ausbildungs-\noder Anlernzeit von uber 12 bis zu 24 Monaten und den „unteren Angelernten"\nmit einer Anlernzeit von drei bis 12 Monaten unterschieden. Wahrend die\nunteren Angelernten grundsatzlich uneingeschrankt auf alle Tatigkeiten des\nallgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sind, sind Versicherten der Gruppe der\noberen Angelernten, die ihre bisherige Tatigkeit aus gesundheitlichen Grunden\nnicht mehr verrichten konnen, konkrete Verweisungstatigkeiten zu benennen, die\nsich durch Qualitatsmerkmale, etwa das Erfordernis einer Einweisung und\nEinarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher\nVorkenntnisse auszeichnen (vgl. hierzu Niesel, in Kasseler Kommentar § 240 SGB\nVI Rn. 35, 36, 101 und 114 mit weiteren Nachweisen). \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Ausschlaggebend fur die Zuordnung einer bestimmten Tatigkeit zu einer der\nGruppen des Mehrstufenschemas ist allein die Qualitat der verrichteten Arbeit,\ndas heißt der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit\nfur den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 240\nAbs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der\nAusbildung, bisheriger Beruf, besondere Anforderungen der bisherigen\nBerufstatigkeit) umschrieben wird (BSG SozR 3-2000 § 1246 Nrn. 27, 33).\nIndizien fur die gebotene Gesamtschau sind auch, wenn eine Ausbildung nicht\nabsolviert wurde, die Dauer der Berufsausubung und die Hohe der Entlohnung,\nwenn von dieser auf die Qualitat der verrichteten Arbeit geschlossen werden\nkann (Niesel, a.a.O., Rn. 43, 60, 61 m. w. N.) \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| In Anwendung dieser Kriterien ist der vor dem 01. Januar 1961 geborene\nKlager nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als oberer Angelernter mit einer\nAnlernzeit von 12 bis 24 Monaten einzustufen. Der Klager hat eine knapp\nzweijahrige Ausbildung als Tischlerhelfer erfolgreich absolviert und ist\nanschließend in diesem Beruf versicherungspflichtig beschaftigt gewesen. Als\noberer Angelernter ist der Klager aber von der Beklagten in jedenfalls\nrechtlich nicht zu beanstandender Art und Weise sozial und gesundheitlich\nzumutbar auf den Beruf eines Gabelstaplerfahrers verwiesen worden. Diesem\nBeruf ist der Klager gesundheitlich gewachsen, wie seine Angaben gegenuber Dr.\n... anlasslich der gutachtlichen Untersuchung am 04. Oktober 2007\nnachdrucklich belegen. Sozial ist dem Klager eine Tatigkeit als Staplerfahrer\nschon deshalb zuzumuten, weil Gabelstaplerfahrer von der Bundesagentur fur\nArbeit als sonstige Fachkrafte registriert sind und als solche im Berufenet\nbeworben werden. Im Übrigen hat sieht sich der Klager auch selbst in der Lage,\ndiesen Beruf auszuuben. Die Tatsache des fehlenden Arbeitsplatzes hat die\nArbeitslosen- und nicht die Rentenversicherung zu tragen. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Nach alledem hat dem Klager auch keine Rente wegen teilweiser\nErwerbsminderung bei Berufsunfahigkeit zugesprochen werden konnen. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Entsprechendes gilt fur die weiter hilfsweise nach § 43 Abs. 1 SGB VI\ngeltend gemachte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, weil der Klager -\nwie unter 1. ausgefuhrt - arbeitstaglich sechs und mehr Stunden korperlich\nleichte Tatigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten kann. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n---\n\n
159,982
vg-freiburg-2008-06-02-1-k-59008
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 K 590/08
2008-06-02
2019-01-10 11:47:20
2019-01-17 12:04:49
Beschluss
## Tenor\n\nDie Vollstreckungsglaubigerin wird ermachtigt, **unter Mitwirkung ihres\nSachbearbeiters Herrn ...** die Wohnung und Nebenraume des\nVollstreckungsschuldners in 78048 Villingen-Schwenningen, ..., zum Zwecke der\nSicherstellung folgender Waffen\n\n**eine Armbrust** \n--- \n**4 Samuraischwerter** \n**ein Dolch** \n**4 Kampfmesser** \n \nzu durchsuchen; sie kann dabei verschlossene Raume und Behaltnisse offnen oder\noffnen lassen.\n\nDiese Durchsuchungsanordnung ist bis zum 31.8.2008 befristet.\n\nDie Vollstreckungsglaubigerin wird mit der Zustellung dieses Beschlusses im\nWege der Amtshilfe beauftragt.\n\nDer Vollstreckungsschuldner tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag auf Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des\nVollstreckungsschuldners ist zulassig. Gemaß § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG durfen\ndie Beauftragten der zustandigen Behorde die Wohnung eines Betroffenen\nbetreten und nach u.a. Waffen und Munition durchsuchen. Anders als das\nschlichte Betreten ist die Durchsuchung der Wohnung - also das ziel- und\nzweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur\nErmittlung eines Sachverhalts (zur Abgrenzung von Betreten und Durchsuchung:\nBVerwG, Beschl. v. 7.6.2006 - 4 B 36/06 - NJW 2006, 2504) - allerdings\n(ausgenommen bei Gefahr im Verzug) nur auf Grund einer richterlichen Anordnung\nzulassig, wobei Zweck der Maßnahme die in § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG geregelte\nsofortige Sicherstellung von Waffen bzw. Munition sein muss. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Soweit die bundesrechtlichen Vorschriften nichts vorgeben, sind erganzend\ndie Vorschriften des Polizeirechts und des\nLandesverwaltungsvollstreckungsrechts anzuwenden. Vergleichbar der\nBeschlagnahme (§ 33 PolG) ist die Sicherstellung nach § 46 WaffG eine\nwaffenrechtliche Standard- bzw. Einzelmaßnahme und stellt einen Verwaltungsakt\ndar, mit dem der Waffenbesitzer verpflichtet wird, zwecks vorubergehender\nAbsicherung eines bestehenden Waffenbesitzverbots die Waffe herauszugeben bzw.\nihre Wegnahme und die anschließende Begrundung amtlichen Gewahrsams zu dulden\n(Steindorff, WaffR, 8. Aufl. 2007, § 37 Rdnr. 7; vgl. in diesem Sinne auch\nBVerwG, Urt. v. 18.2.1983 - 1 C 144/80 - NJW 1984, 1192, zum\nWaffenbesitzverbot und zur Sicherstellung nach § 40 Abs. 1 WaffG 1976; ferner\nMeyer, GewArch 1998, 89, 98). Kommt der Waffenbesitzer dieser Grundverfugung\nnicht freiwillig nach, gelten erganzend fur die dann erforderliche\nVollstreckung die allgemeinen Vorschriften der §§ 49 ff. PolG bzw. gemaß § 1\nAbs. 1, Abs. 3 LVwVG dessen Regelungen, insbesondere ist dann das\nVerwaltungsgericht fur den Erlass einer im Rahmen der Vollstreckung\nerforderlichen Durchsuchungsanordnung zustandig (§ 6 Abs. 2 Satz 1 LVwVG). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Antrag auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung ist auch begrundet. Die\nallgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Die\nVollstreckungsglaubigerin ist zustandige Vollstreckungsbehorde i.S.v. § 4 Abs.\n1 LVwVG, denn sie hat den Verwaltungsakt vom 15.5.2008 erlassen, mit welchem\ndem Vollstreckungsschuldner unter gleichzeitiger Anordnung des Sofortvollzugs\nder Erwerb und Besitz von erlaubnisfreien Waffen und Munition verboten (Nr. 1\nund Nr. 3) und zugleich u.a. die Sicherstellung bestimmt bezeichneter, bei ihm\nnoch vorhandener Waffen verfugt wird (Nr. 2 Satz 1, zweiter Halbsatz). Der\nZweck der Vollstreckung ist noch nicht erreicht und es hat sich auch nicht\ngezeigt, dass er durch Anwendung von Vollstreckungsmitteln nicht erreicht\nwerden konnte (§ 11 LVwVG). Der Vollstreckungsschuldner hat namlich die\ngenannte Verfugung am 20.5.2008 zugestellt erhalten, ohne dass bislang eine\nHerausgabe der genannten, von der Sicherstellung betroffenen Waffen erfolgt\nware; schließlich ist es auch nicht ersichtlich, dass er diese Waffen nicht\nmehr in seinem Besitz hatte. Durch die - entgegen ihrer ursprunglichen Absicht\n(= zeitgleiche Zustellung von Verfugung und Durchsuchungsanordnung) -\nvorherige Bekanntgabe der Grundverfugung hat die Vollstreckungsglaubigerin\nBedenken der Kammer gegen eine Durchsuchungsanordnung „auf Vorrat" (zur\nZulassigkeit eines solchen Vorgehens vgl. allerdings VG Ansbach, Beschl. v.\n10.8.2005 - AN 15 X 05.02416 - juris) ausgeraumt. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Verfugung vom 15.5.2008 ist ferner als Grundlage der Vollstreckung und\neiner hierfur erforderlichen Durchsuchung auch vollziehbar i.S.v. § 2 Nr. 2\nLVwVG. Fur die hier maßgebliche sofortige Sicherstellung bestimmt § 46 Abs. 4\nSatz 3 WaffG (i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO), dass Widerspruch und\nAnfechtungsklage hiergegen keine aufschiebende Wirkung haben (in diesem Sinne\nauch Steindorf, a.a.O., § 46 Rdnr. 12; Konig/Papsthart, Das neue Waffenrecht,\n1. Aufl. 2004, Rdnr. 741; **a.A.:** Apel/Bushardt, Waffenrecht Band 2, 9.\nAufl. 2004, § 46 Rdnr. 12, wonach Abs. 4 Satz 3 nur die sofortige\nVollziehbarkeit der Durchsuchungsanordnung betreffen soll). Äußere und innere\nWirksamkeit (hier beide mit Zustellung am 20.5.2008) sowie Vollziehbarkeit der\nGrundverfugung genugen an sich, d.h. die Rechtmaßigkeit des zu vollstreckenden\nGrundverwaltungsakts ist grundsatzlich keine Voraussetzung fur die\nZulassigkeit der Vollstreckung und in der Folge fur die Anordnung der\nWohnungsdurchsuchung (VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 16.6.1999 - 4 S 861/99 - NJW\n1999, 3506; allgemein zum Vollstreckungsrecht: Ruder/Schmitt, Polizeirecht 7.\nAufl. 2005, Rdnr. 666a, m.w.N.). Ausnahmsweise kann allerdings dann etwas\nanderes gelten, wenn sich die Rechtswidrigkeit der Grundverfugung geradezu\naufdrangt; denn der Richtervorbehalt nach Art. 13 Abs. 2 GG bzw. § 46 Abs. 4\nSatz 2 WaffG ist keine bloße Formsache, sondern soll mittels\neigenverantwortlicher Prufung der Eingriffsvoraussetzungen dem Schutz des\nregelmaßig ohne vorherige Anhorung Betroffenen dienen (BVerfG, Beschl. v.\n28.9.2004 - 2 BvR 2105/03 - NJW 2005, 275; VG Ansbach, a.a.O.; Ruder/Schmitt\na.a.O., m.w.N.). \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Im vorigen Sinne relevante Zweifel an der Rechtmaßigkeit der Verfugung vom\n15.5.2008 bestehen jedoch nicht. Die Vollstreckungsglaubigerin ist als\nKreispolizeibehorde gemaß § 48 Abs. 1 WaffG i.V.m. § 1 Abs. 1 DVOWaffG und §\n62 Abs. 3 PolG sowie § 13 Abs. 1 Nr. 1 (i.V.m. § 16) LVwG zustandig. Das von\nihr in Nr. 1 der Verfugung ausgesprochene Waffenverbot beruht zutreffend auf §\n41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG. Danach kann die zustandige Behorde den Besitz\nund Erwerb von erlaubnisfreien Waffen untersagen, wenn dem betreffenden\nAdressaten die hierfur erforderliche Zuverlassigkeit fehlt. Dies ist beim\nVollstreckungsschuldner evident der Fall. Aus § 5 Abs. 1 Nr. 1b WaffG ergibt\nsich zwingend und unwiderleglich, dass er unzuverlassig ist. Danach besitzen\nPersonen die erforderliche Zuverlassigkeit nicht, wenn sie rechtskraftig wegen\neiner vorsatzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem\nJahr verurteilt worden sind, und wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der\nVerurteilung 10 Jahre noch nicht verstrichen sind. Auf eine etwaige Aussetzung\nder Strafe zur Bewahrung kommt es dabei nicht an (Steindorf, a.a.O., § 5 Rdnr.\n4 m.w.N.). Der Vollstreckungsschuldner erfullt diese Voraussetzung, weil er\nwegen gemeinschaftlichen Handeltreibens mit Betaubungsmitteln in vier Fallen\nmit Urteil des AG Villingen-Schwenningen vom 30.7.1998, rechtskraftig seit\n6.10.1998, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt\nwurde. Ferner liegt eine Regelunzuverlassigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1a WaffG\nvor, denn der Vollstreckungsschuldner ist wegen einer vorsatzlichen Straftat\n(gefahrliche Korperverletzung in Tateinheit mit Notigung und\nHausfriedensbruch) durch weiteres Urteil des AG Villingen-Schwenningen vom\n6.12.2007 (rechtskraftig seit 14.12.2007) zu einer Freiheitsstrafe von 11\nMonaten auf Bewahrung verurteilt worden. Anhaltspunkte fur eine\neinzelfallbezogene Ausnahme von der Unzuverlassigkeitsvermutung gibt es nicht;\nebenso sind seit dem Eintritt der Rechtskraft noch keine funf Jahre\nverstrichen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Rechtliche Bedenken dahin, die Vollstreckungsglaubigerin habe das ihr bei\nder Untersagung zustehende Entschließungsermessen fehlerhaft ausgeubt,\nbestehen nicht. Da sie das Waffenverbot zugleich im evident uberwiegenden\noffentlichen Interesse fur sofort vollziehbar angeordnet hat (Nr. 3 der\nVerfugung vom 15.5.2008), sind ferner die Voraussetzungen fur eine\nSicherstellung erfullt. Dass sich die Vollstreckungsglaubigerin hierbei nicht\nfur eine Sicherstellung nach § 46 Abs. 3 WaffG, sondern fur die sofortige\nSicherstellung nach § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WaffG entschieden hat, ist nicht\nzu beanstanden. Auf der Grundlage dieser Vorschrift konnen alle Waffen, auf\ndie sich ein Verbot nach § 41 WaffG erstreckt, sichergestellt werden, d.h.\nauch hier betroffene erlaubnisfreie Waffen wie Armbrust, Samuraischwerter,\nDolch und Kampfmesser. Die Vollstreckungsglaubigerin hat schließlich in der\nBegrundung ihrer Verfugung deutlich und zutreffend hervorgehoben, dass diese\nMaßnahme wegen der im August 2007 vom Vollstreckungsschuldner begangenen Taten\n(gefahrliche Korperverletzung, Notigung, Hausfriedensbruch) sowie der hierbei\nzu Tage getretenen Brutalitat und Unberechenbarkeit erfolgt ist. Diese\nUmstande rechtfertigten es, eine sofortige Sicherstellung fur erforderlich zu\nhalten. Mit der in § 46 Abs. 4 WaffG eroffneten Moglichkeit, im Fall eines\nvollziehbaren Verbots nach § 41 WaffG eine sofortige Sicherstellung und eine\ndafur erforderliche Wohnungsdurchsuchung anzuordnen, soll ein Unterlaufen der\nBesitzuntersagung vermieden werden. Ein solches umgehendes Vorgehen der\nVollstreckungsglaubigerin ist im vorliegenden Fall angebracht, da zu\nbefurchten ist, dass der Vollstreckungsschuldner die Waffen bei Seite schafft,\nwenn ihm eine Frist zur Herausgabe bzw. zum Unbrauchbarmachen der Waffen\ngesetzt wird. Ein Handeln nach § 46 Abs. 3 WaffG ist daher im vorliegenden\nFall nicht geeignet. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Auch die weiteren besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Die\nVollstreckungsglaubigerin beabsichtigt, die Verpflichtung des\nVollstreckungsschuldners im Wege des unmittelbaren Zwanges durch Wegnahme zu\nvollstrecken, falls dieser die Waffen bei der (nunmehr erforderlichen)\nVorsprache der Behordenbeauftragten nicht freiwillig herausgibt bzw. vorgibt,\ndiese nicht mehr zu besitzen oder aber nicht angetroffen wird. Am Grundsatz\nder Verhaltnismaßigkeit gemessen (vgl. § 19 Abs. 2, Abs. 3 LVwVG), gibt es an\nder Wahl dieses Zwangsmittels keine Bedenken, weil die Androhung bzw.\nFestsetzung eines Zwangsgeldes evident ungeeignet ware. Die\nVollstreckungsglaubigerin hat uberzeugend dargetan, dass sich der\nVollstreckungsschuldner als leidenschaftlicher Waffensammler begreift. Es ist\ndeshalb ernsthaft zu befurchten, dass er bei Anwendung des notwendigerweise\ngestreckten bzw. zeitaufwandigen Zwangsgeldverfahrens die Waffen verschwinden\nlasst, statt sie herauszugeben. Unschadlich ist schließlich, dass die\nVollstreckungsglaubigerin die Androhung unmittelbaren Zwanges nicht bereits im\nBescheid vom 15.5.2008 vorgenommen hat. Aus der Systematik des § 46 Abs. 3 und\nAbs. 4 WaffG sowie insbesondere aus dem Zweck der sofortigen Sicherstellung\nergibt sich i.V.m. der erganzenden Anwendungen des allgemeinen Polizeirechts,\ndass dies nicht erforderlich war. Gemaß § 52 Abs. 2 PolG (i. V. m. § 49 Abs. 2\nPolG) ist unmittelbarer Zwang vor seiner Anwendung anzudrohen, soweit es die\nUmstande zulassen. Hierfur sind - insoweit abweichend von § 20 Abs. 1 LVwVG -\nweder Schriftform noch Fristsetzung erforderlich (vgl. Wolf/Stephan, PolG, 4.\nAufl. 1995, § 52 Rdnr. 10), sodass im vorliegenden Fall die Beauftragten der\nVollstreckungsglaubigerin die Androhung auch noch bei Vorsprache mundlich\ngegenuber dem Vollstreckungsschuldner aussprechen konnen, aber grundsatzlich\nauch mussen. Nur dann, wenn dieser nicht angetroffen werden oder bereits bei\nschlichter Vorsprache Anstalten zur Widerstandsleistung (Verriegeln der\nWohnung bzw. kurzfristiges Verbergen der Waffen) machen sollte, lagen Umstande\nvor, die einen Verzicht auf eine vorherige Androhung rechtfertigten; im\nÜbrigen ergabe sich die Zulassigkeit dann auch aus § 52 Abs. 4 PolG i. V. m. §\n21 LVwVG, da dann Gefahr im Verzug vorlage. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Im Hinblick auf die - wie dargelegt - anders nicht durchsetzbare Wegnahme\nder Waffen sowie insbesondere das Erfordernis, sie wegen der Unzuverlassigkeit\ndes Vollstreckungsschuldners sofort sicherzustellen, ist schließlich auch die\nDurchsuchungsanordnung als eigenstandige, das Grundrecht aus Art. 13 GG\nberuhrende Maßnahme, geeignet, erforderlich und im engeren Sinn\nverhaltnismaßig. Das Recht des Vollstreckungsschuldners auf Unverletzlichkeit\nseiner Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG), zu der auch Nebenraume gehoren, (zum\nweiten Wohnungsbegriff vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.4.1997 - 2 BvR 1992/92 - NJW\n1997, 2165; Ruthig, JuS 1998, 506 [509], m.w.N.; Ruder/Schmitt, a.a.O., Rdnr.\n603 ff. m.w.N.), wird durch eine kurzzeitige Durchsuchung nicht unzumutbar\neingeschrankt; im ubrigen werden die Beauftragten der\nVollstreckungsglaubigerin ihm - sollten sie ihn antreffen - zuvor Gelegenheit\ngeben mussen, die Wohnungsdurchsuchung durch freiwillige Herausgabe der Waffen\nabzuwenden. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Erlass der Durchsuchungsanordnung scheitert schließlich auch nicht\ndaran, dass die Vollstreckungsglaubigerin keinen schriftlichen (an die\nVollzugsbeamten gerichteten und vom Antrag auf Erlass der Anordnung an des VG\nzu unterscheidenden) Vollstreckungsauftrag i.S.v. § 5 LVwVG vorgelegt hat. Der\nzustandige Sachbearbeiter der Vollstreckungsglaubigerin hat auf telefonische\nNachfrage angegeben, neben Polizeivollzugsbeamten werde in jedem Fall auch er\nanwesend sein, wenn beim Vollstreckungsschuldner vorgesprochen und eine etwa\nerforderliche Durchsuchung durchgefuhrt werde. Das Verwaltungsgericht darf die\nDurchsuchung nur anordnen, wenn es sich aufgrund eigenverantwortlicher Prufung\ndes Sachverhalts uberzeugt hat, dass die Maßnahme verhaltnismaßig ist. Es hat\nzudem durch eine geeignete Fassung der Durchsuchungsanordnung im Rahmen des\nMoglichen sicherzustellen, dass der Grundrechtseingriff angemessen begrenzt\nwird sowie messbar und kontrollierbar bleibt. Mithin hat die richterliche\nDurchsuchungsanordnung die rechtliche Grundlage der konkreten Maßnahme zu\nschaffen und muss Rahmen, Grenzen und Ziel der Durchsuchung definieren (vgl.\nim Kontext des strafprozessualen Durchsuchungsbeschlusses: BVerfG, Beschl. v.\n28.9.2004, a.a.O.; Beschl. v. 30.4.1997, a.a.O.). Fur die Vollstreckung\nverwaltungsrechtlicher Gebote folgt daraus grundsatzlich, dass das\nVerwaltungsgericht bei Erlass der Durchsuchungsanordnung anhand des\nVollstreckungsauftrages bzw. des Vollstreckungsersuchens ersehen konnen muss,\nin welchem Umfang der zu vollstreckende Verwaltungsakt Grundlage der begehrten\nVollstreckungsmaßnahme ist und in welchem Umfang danach der\nVollstreckungsbeamte oder die ersuchte Behorde zu Vollstreckungshandlungen\nermachtigt werden soll. Nur so ist es in der Lage, dem Betroffenen, der - so\nhier - im Verfahren auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung nicht angehort\nwird, umfassend den in § 6 Abs. 2 Satz 1 LVwVG vorgesehenen vorbeugenden\nGrundrechtsschutz zu gewahren (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschlusse vom 10.12.1999\n- 11 S 240/99 - juris, und vom 16.6.1999, a.a.O.). Diesen Anforderungen ist\nnach Auffassung der Kammer hier ausnahmsweise dadurch genugt, dass sich die\nherauszugebenden Gegenstande aus der Grundverfugung vom 15.5.2008 und dem\nDurchsuchungsantrag vom 27.3.2008 ergeben. Hierdurch konnen sie, so wie\ngeschehen, im Beschlusstenor bezeichnet werden. Schließlich ist zwingend\nvorgegeben, dass der mit dem Fall befasste Sachbearbeiter an der Durchsuchung\nteilnimmt und hierdurch sicherstellt, dass die Suche auf das Erforderliche\nbegrenzt wird (in diesem Sinne ebenfalls fur die Entbehrlichkeit eines\nschriftlichen Vollstreckungsauftrags VG Sigmaringen, Beschl. v. 24.2.2005 - 7\nK 301/05 - juris -, m.w.N.). \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Schließlich ist die Durchsuchungsanordnung im gebotenen Umfang zu befristen\n(BVerfG, Beschluss vom 27.5.1997, a.a.O.), wobei die Kammer, wie aus dem Tenor\nersichtlich, einen Zeitraum von 3 Monaten fur ausreichend halt. Klarstellend\nist allerdings hinzuzufugen, dass die vorliegende Anordnung innerhalb dieses\nZeitraums nur eine Durchsuchung beim Vollstreckungsschuldner ermoglicht. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Durchsuchungsanordnung kann bzw. muss ohne vorherige Anhorung des\nVollstreckungsschuldners ergehen, denn es ist zu befurchten, dass dieser\nansonsten seine Waffen - soweit sie sich noch in seinem Besitz befinden -\nanderweitig unterbringt und damit den Erfolg der durchzufuhrenden Durchsuchung\ngefahrdet. In diesen Fallen ist eine Verweisung des Betroffenen auf\nnachtragliche Anhorung mit dem Grundsatz des Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar.\nGleiches gilt auch fur die Zustellung des Durchsuchungsbeschlusses. Die\nVollstreckungsglaubigerin ist daher im Wege der Amtshilfe zu beauftragen, den\nBeschluss gemaß § 14 VwGO dem Vollstreckungsschuldner unmittelbar bei Beginn\nder Durchsuchungsmaßnahme durch Übergabe zuzustellen (vgl. VG Sigmaringen,\nBeschl. v. 24.2.2005, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n---\n\n
161,032
olgstut-2008-07-15-8-w-26408-8-w-265
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
8 W 264/08; 8 W 265/08
2008-07-15
2019-01-10 12:11:08
2019-02-12 12:21:59
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die sofortigen Beschwerden der Beklagten vom 8. Mai 2008 gegen die\nKostenfestsetzungsbeschlusse vom 6. Mai 2008 (22 0H 17/05 u. 22 O 312 /07)\nwerden\n\n**z u r u c k g e w i e s e n .**\n\n2\\. Die Beklagte tragt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\n3\\. Beschwerdewert: | 22 OH 17/05 : 583,70 EUR \n---|--- \n| 22 O 312/07 : 430,40 EUR \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 12. 12. 2005 beim Landgericht\nStuttgart beantragt, ein selbstandiges Beweisverfahren einzuleiten mit dem\nZiel, durch Einholung eines Sachverstandigengutachtens festzustellen, ob 3 im\neinzelnen naher bezeichnete Kraftfahrzeuge Lackmangel aufweisen. Auf Antrag\nder Parteien wurde am 31. 1. 2005 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nach\nWiederanrufung wurde durch Beschluss vom 26. 6. 2006 die Einholung eines\nSachverstandigengutachtens beschlossen. Am 10. Januar 2007 hat der\nSachverstandige sein Gutachten uberreicht. Am 22. 2. 2007 hat das Gericht den\nStreitwert auf 9.000,00 EUR festgesetzt. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 13. 7. 2007 hat der Antragsteller nunmehr als Klager die\nBeklagte auf Zahlung von 7.414,45 EUR nebst Zinsen sowie auf Feststellung in\nAnspruch genommen. Durch ein am 31. Marz 2008 verkundetes Urteil hat das\nLandgericht die Beklagte zur Zahlung von 1.788,45 EUR nebst Zinsen verurteilt\nund im ubrigen die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits hat es\ndem Klager 80 % und der Beklagten 20 % auferlegt. Die Kosten des selbstandigen\nBeweisverfahrens wurden in vollem Umfang der Beklagten auferlegt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Klager hat zunachst einen\nKostenausgleichsantrag/Kostenfestsetzungsantrag vom 8. 4. 2008 eingereicht.\nAuf die Ruge des Beklagten, dass die Verfahrensgebuhr des selbstandigen\nBeweisverfahrens auf die Verfahrensgebuhr im Hauptsacheverfahren anzurechnen\nsei, hat der Klager am 29. 4. 2008 einen uberarbeiteten\nKostenausgleichsantrag/Kostenfestsetzungsantrag eingereicht (Bl. 171/172 d.\nA.). In diesem Kostenausgleichsantrag hat er die Kosten der Hauptsache mit\n1.632,80 EUR angesetzt. Dabei blieb die 1,3 Verfahrensgebuhr in Hohe von\n583,70 EUR wegen der Anrechnungsbestimmung gemaß Vorbemerkung 3 Abs. 5 VVG-RVG\naußer Ansatz. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Fur das selbstandige Beweisverfahren wurde demgegenuber die 1,3\nVerfahrensgebuhr in Hohe von 583,70 EUR in Ansatz gebracht. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Kostenfestsetzungsbeschlussen vom 6. 5. 2008 setzte der Rechtspfleger\ndes Landgerichts Stuttgart fur das Beweisverfahren 4.834,36 EUR nebst Zinsen\nin Hohe von 5 % Punkten uber dem Basiszinssatz seit 30. 4. 2008 als\nerstattungsfahig fest und entsprach damit dem Antrag des Klagervertreters in\nseinem geanderten Kostenausgleichsantrag vom 8. 4. 2008. In dem Verfahren 22 0\n312/07 setzte der Rechtspfleger mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. 5. 2008\n623,44 EUR nebst Zinsen als zu erstatten von dem Klager an die Beklagte fest\n(Bl. 173/175 d. A.). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| In der Beweissicherungssache wurde der Kostenfestsetzungsbeschluss der\nBeklagten am 8. 5. 2008 zugestellt. Ihre sofortige Beschwerde gegen diesen\nBeschluss ging am 9. 5. 2008 ein. Im Hauptsacheverfahren wurde der\nKostenfestsetzungsbeschluss der Beklagten am 14. 5. 2008 zugestellt. Die\nsofortige Beschwerde war am 7. 5. 2008 bei Gericht eingegangen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Zur Begrundung seiner sofortigen Beschwerde hat der Beklagtenvertreter\nvorgebracht, der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. 5. 2008 sei schon deshalb\naufzuheben, weil er verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei, indem nicht\nausreichend rechtliches Gehor gewahrt worden sei. Im ubrigen sei der\nKostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers auch in der Sache falsch, da er\n(zunachst) nur die Kosten des selbstandigen Beweisverfahrens, nicht aber die\nKosten des Hauptsacheverfahrens festgesetzt habe. Richtigerweise musse die\nVerfahrensgebuhr im Hauptsacheverfahren Bestand haben und im Wege der\nAnrechnung die Verfahrensgebuhr im Beweissicherungsverfahren ganz oder\nteilweise in Wegfall kommen. Unter Berucksichtigung dieser Vorgabe und unter\nBerucksichtigung einer Quotelung im Hauptsacheprozess ergebe sich ein\nErstattungsanspruch der Beklagten. Dieser sei vom Erstattungsanspruch des\nKlagers fur das selbstandige Beweisverfahren abzuziehen, weshalb dort mit\nSicherheit keine 4.834,36 EUR festgesetzt werden konnten. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager ist den sofortigen Beschwerden der Beklagten entgegengetreten. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 9 \n--- \n| Die gem. §§ 104 Abs. 3 Satz 1,567 Abs. 1 Nr.1, Abs. 2, 568 ff ZPO, § 11 Abs.\n1 RpflG zulassigen sofortigen Beschwerden der Beklagten erweisen sich als in\nder Sache nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| 1\\. Zu Recht hat der Rechtspfleger des Landgerichts die gemaß Vorbemerkung 3\nAbs. 5 VV-RVG gebotene Anrechnung der Verfahrensgebuhr dergestalt vorgenommen,\ndass die zeitlich zuvor entstandene Verfahrensgebuhr im selbstandigen\nBeweisverfahren Bestand hat und die Verfahrensgebuhr im Hauptsacheverfahren\ndurch Anrechnung in Wegfall kommt. Fur diese Sichtweise spricht, dass der\nBundesgerichtshof nunmehr in standiger Rechtsprechung bei der Frage der\nAnrechnung der Geschaftsgebuhr auf die Verfahrensgebuhr die Auffassung\nvertritt, dass der klare Wortlaut der Anrechnungsbestimmung in Vorbemerkung 3\nAbs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG dafur spreche, dass die Anrechnung dergestalt\nerfolgen musse, dass die Verfahrensgebuhr im gerichtlichen Verfahren gekurzt\nwerde (vgl. BGH NJW 2007, 3500; BGH VersR 2007, 1098; BGH NJW 2007, 2050).\nAuch fur die Verhaltnisse des selbstandigen Beweisverfahrens hat der\nBundesgerichtshof ausgefuhrt, dass nichts anderes zu gelten habe und dass auch\nin diesem Zusammenhang eine Geschaftsgebuhr auf eine im selbstandigen\nBeweisverfahren entstandene Beweisgebuhr dergestalt anzurechnen sei, dass die\nVerfahrensgebuhr im Gerichtsverfahren reduziert werde. Im Hinblick darauf,\ndass die Formulierung von Vorbemerkung 3 Abs. 4 (Anrechnung von\nGeschaftsgebuhren) und Vorbemerkung 3 Abs. 5 (Anrechnung der Verfahrensgebuhr\nbei Vorliegen eines selbstandigen Beweisverfahrens und eines\nHauptsacheverfahrens) sprachlich gleich ist, sind die vorgenannten Grundsatze,\ndie im Zusammenhang mit der Anrechnung der Geschaftsgebuhr entwickelt worden\nsind, auch auf die Anrechnung der Verfahrensgebuhr im selbstandigen\nBeweisverfahren bzw. Hauptsacheverfahren anzuwenden (anders noch Riedel-\nSussbauer, Rechtsanwaltsvergutungsgesetz, 9. Auflage, Rn 72 VV Teil 3\nVorbemerkung 3). Durchgreifende Gesichtspunkte , die fur eine unterschiedliche\nBewertung im Rahmen von Vorbemerkung 3 Abs. 4 und Abs. 5 sprechen, sind weder\ndargetan noch sonst ersichtlich. Mithin ist die Verfahrensgebuhr zutreffend\nbei der Kostenabrechnung im Beweissicherungsverfahren berucksichtigt worden\nund beim Hauptsacheverfahren außer Ansatz geblieben. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| 2\\. Soweit die Beklagte die Verletzung des rechtlichen Gehors rugt, ist\nfestzustellen, dass jedenfalls in der Beschwerdeinstanz der Beklagten\nrechtliches Gehor gewahrt worden ist und die angefochtene Entscheidung nicht\nauf der Verletzung rechtlichen Gehors beruht, sondern auf Grund erneuter\nPrufung durch das Beschwerdegericht Bestand hat. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| 3\\. Es war auch nicht verfahrensfehlerhaft, dass der Rechtspfleger die vom\nKlagervertreter in einem Schriftsatz zusammengefassten\nKostenfestsetzungsantrage fur das Hauptsacheverfahren und das selbstandige\nBeweisverfahren in zwei getrennten Beschlussen beschieden hat. Immerhin ist zu\nbedenken, dass bei der Kostenberechnung fur das Hauptsacheverfahren auf Grund\nder Kostenentscheidung des Landgerichts von einer Quotierung auszugehen war,\nwahrend die Kosten des Beweisverfahrens in vollem Umfang von der Beklagten zu\ntragen waren. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| 4\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. \n---\n\n
161,229
fg-baden-wurttemberg-2008-09-23-4-k-13807
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
4 K 138/07
2008-09-23
2019-01-16 06:39:50
2019-01-17 12:06:16
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist, ob die Einkunfte des Klagers (Kl), die er von der X-AG mit\nSitz in A/Schweiz fur Tatigkeiten in solchen asiatischen Staaten erhalten hat,\nmit denen die Bundesrepublik Deutschland keine Abkommen zur Vermeidung der\nDoppelbesteuerung (DBA) geschlossen hat, im Inland zu versteuern sind. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Kl war im Streitjahr (2002) vom 1. Januar bis zum 30. April\nnichtselbstandig als Unternehmensberater fur die T-Consulting Group, vom 1.\nJuni bis 31. Oktober selbstandig als Unternehmensberater und vom 1. Juli bis\n31. Dezember nichtselbstandig als Geschaftsfuhrer der X-AG (Schweiz) tatig.\nAus diesen Tatigkeiten erzielte der Kl im Streitjahr insgesamt Einkunfte in\nHohe von 126.123 EUR.Die Tatigkeiten fur die X-AG fuhrte er in der Schweiz\nsowie in mehreren asiatischen Staaten aus, wobei der Anteil der\nGehaltszahlungen der X-AG, der auf die Tatigkeiten des Kl in den einzelnen\nStaaten, in denen er fur die X-AG tatig war, entfiel, nicht bekannt ist. In\nder Zeit vom 1. November bis zum 31. Dezember 2002 war der Kl außerdem fur die\nX-GmbH mit Sitz in Z/Deutschland tatig und bezog hierfur Einnahmen aus\nnichtselbstandiger Arbeit in Hohe von 11.267,80 EUR. \n--- \n| 3 \n--- \n| Wahrend des gesamten Streitjahres unterhielt der Kl eine angemietete Wohnung\nin der ..str. in A. Seit dem 10. Juni 2002 war er außerdem mit Zweitwohnsitz\nim ... in Z gemeldet, da ihm von der X-GmbH dort eine 1-Zimmer-Wohnung zur\ngelegentlichen Übernachtung wahrend beruflich bedingter Aufenthalte in Z zur\nVerfugung gestellt worden war. Ab dem 1. November 2002 hatte er\nuneingeschrankte Verfugungsmacht uber diese Wohnung. Aufgrund der vom Kl\ndargelegten erheblichen personlichen Beziehungen zur Schweiz ist zwischen den\nBeteiligten unstreitig, dass er wahrend des gesamten Streitjahrs seinen\nMittelpunkt der Lebensinteressen im Sinne des Art. 4 Abs. 2 lit. a) Satz 2 des\nAbkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen\nEidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der\nSteuern vom Einkommen und vom Vermogen (DBA-CH) in der Schweiz hatte. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 25. Februar 2004 (Eingang beim Beklagten - Bekl -) reichte der Kl seine\nEinkommensteuer(ESt)-Erklarung beim Bekl ein. Darin gab er an, er sei vom 1.\nNovember 2002 bis zum 31. Dezember 2002 in Deutschland ansassig gewesen. Auf\nNachfrage des Bekl fuhrte er aus, die 1-Zimmer-Wohnung in Z sei ihm von der\nX-GmbH unentgeltlich und ohne eigene Verfugungsmacht uberlassen worden, da\nseine Tatigkeit fur die X-GmbH zunachst auf ein Projekt und somit auf kurzere\nZeit befristet gewesen sei. Erst im Laufe der Projektarbeiten sei ihm von der\nX-GmbH die Position des Geschaftsfuhrers angeboten worden. Im Zusammenhang mit\nseiner Bestellung zum Geschaftsfuhrer zum 1. November 2002 sei ihm dann auch\ndie Verfugungsmacht uber die 1-Zimmer-Wohnung in Z verschafft worden. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 31. Marz 2006 erließ der Bekl unter dem Vorbehalt der Nachprufung den\nESt-Bescheid fur 2002, mit dem die ESt auf 3.872 EUR festgesetzt wurde. Dabei\nwurden der Besteuerung Einnahmen aus nichtselbstandiger Arbeit in Hohe von\n12.000 EUR zugrundegelegt. Bei diesen Einnahmen handelte es sich um den vom\nBekl geschatzten Anteil der Lohneinnahmen des Kl von der X-AG, die auf\nTatigkeiten des Kl entfielen, die er in solchen asiatischen Staaten verrichtet\nhat, mit denen die Bundesrepublik Deutschland keine DBA abgeschlossen hat. Der\nubrige Arbeitslohn des Kl, den er von der X-AG bezogen hat, wurde vom Bekl\nebenso unter Progressionsvorbehalt von der inlandischen Besteuerung\nfreigestellt wie der Arbeitslohn aus der Tatigkeit fur die T-Consulting Group\nund der Gewinn aus der selbstandigen Tatigkeit des Kl als Unternehmensberater.\nInsgesamt wurden vom Bekl auslandische Einkunfte in Hohe von 114.123 EUR im\nRahmen des Progressionsvorbehalts in die Berechnung des Steuersatzes\neinbezogen. Der Ansatz des von der X-GmbH erhaltenen Lohnes des Kl unterblieb\nin diesem Steuerbescheid. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Schriftsatz seiner damaligen Bevollmachtigten vom 26. April 2006 legte\nder Kl Einspruch ein. Zur Begrundung ließ er zunachst vortragen, die\nschweizerische Steuer sei, soweit die Lohnzahlungen der X-AG sowohl in\nDeutschland als auch in der Schweiz der Besteuerung unterworfen worden seien,\nnamlich in Hohe von 20 %, auf die deutsche ESt anzurechnen. Außerdem begehrte\ner, die Beitrage zur Altersvorsorge in Hohe von 35.000 SFr anteilig mit 20\nv.H. (= 4.778 EUR) als Sonderausgaben zu berucksichtigen. Weiter teilte der Kl\nmit, dass sein Arbeitslohn aus der nichtselbstandigen Tatigkeit fur die X-GmbH\nim angefochtenen ESt-Bescheid nicht angesetzt worden sei. In diesem\nZusammenhang begehrte der Kl die Anrechnung der Lohnsteuer, der Kirchensteuer\nund des Solidaritatszuschlags entsprechend dem Ausweis auf der\nLohnsteuerkarte. Außerdem begehrte er die Berucksichtigung der bezahlten\nKirchensteuer als Sonderausgabe. Mit Schriftsatz seiner\nProzessbevollmachtigten vom 13. Marz 2007 beantragte er dann unter Hinweis auf\ndas BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, alle Einkunfte aus seiner\nTatigkeit fur die X-AG unter Progressionsvorbehalt von der inlandischen\nBesteuerung freizustellen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Einspruchsentscheidung vom 26. April 2007 setzte der Bekl die ESt unter\nAbanderung des ESt-Bescheids vom 31. Marz 2006 auf 5.570 EUR fest. Der\nVorbehalt der Nachprufung wurde nach § 164 Abs. 3 Satz 1 Abgabenordnung (AO)\naufgehoben.Bei den Einkunften aus nichtselbstandiger Arbeit wurde der\nArbeitslohn fur die Tatigkeit bei der X-GmbH in Hohe von 11.267,80 EUR laut\nLohnsteuerkarte angesetzt. Die insoweit erhobenen Steuerabzugsbetrage wurden\nangerechnet. Außerdem wurden die geschatzten Einnahmen des Kl, die er von der\nX-AG fur Tatigkeiten in solchen asiatischen Staaten erhalten hat, mit denen\ndie Bundesrepublik Deutschland keine DBA abgeschlossen hat, von 12.000 EUR auf\n6.000 EUR ermaßigt. Von den Beitragen zur Altersversorgung wurden 2.389 EUR\ndem Grunde nach als Sonderausgaben anerkannt. Unter Berucksichtigung der\nHochstbetrage des § 10 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) wurden davon 2.015\nEUR zum Abzug zugelassen.Die gezahlte Kirchensteuer in Hohe von 286 EUR wurde\nebenfalls als Sonderausgabe angesetzt. Wie bereits im ursprunglichen ESt-\nBescheid wurden auslandische Einkunfte des Kl in Hohe von 114.123 EUR im\nRahmen des Progressionsvorbehalts berucksichtigt. \n--- \n| 8 \n--- \n| Zur Frage des Besteuerungsrechts fuhrte der Bekl aus, der Kl sei nach § 1\nAbs. 1 EStG ab Juni 2002 in der Bundesrepublik Deutschland unbeschrankt\nsteuerpflichtig. Zwar gelte der Kl gemaß Art. 4 Abs. 2 lit. a) Satz 2 DBA-CH\nals in der Schweiz ansassig, da sich dort im Streitjahr der Mittelpunkt seiner\nLebensinteressen befunden habe. Doch ergebe sich das Besteuerungsrecht der\nBundesrepublik Deutschland fur die streitgegenstandlichen Einkunfte aus Art. 4\nAbs. 3 Satz 1 DBA-CH, da die Ausnahmevorschrift des Art. 4 Abs. 3 Satz 2 DBA-\nCH nicht einschlagig sei, weil die streitgegenstandlichen Einkunfte nicht „aus\nder Schweiz stammten". Entscheidend fur die inlandische Besteuerung sei nach\ndem Wortlaut der Norm, ob der Kl fur die X-AG in der Schweiz oder auch in\nanderen Staaten arbeite. Der Bundesrepublik Deutschland stehe daher - neben\ndem Besteuerungsrecht fur die Lohnzahlungen der X-GmbH, was zwischen den\nBeteiligten unstreitig ist - das Besteuerungsrecht fur die Lohnzahlungen der\nX-AG zu, soweit sie auf Tatigkeiten entfielen, die der Kl in solchen\nasiatischen Staaten verrichtet habe, mit denen die Bundesrepublik Deutschland\nkeine DBA geschlossen habe. Diese steuerpflichtigen Einkunfte aus\nnichtselbstandiger Arbeit seien nach § 162 Abs. 1 und 2 AO zu schatzen\ngewesen, weil der Kl keine Angaben uber die Dauer der Tatigkeiten in Asien\ngemacht habe. Im Schatzungswege sei ein Betrag von 6.000 EUR (ca. 10 % der\nEinkunfte, die der Kl von der X-AG bezogen habe) angesetzt worden. Bei der\nSchatzung sei berucksichtigt worden, dass der Kl im selben Zeitraum auch\nEinkunfte aus selbstandiger Arbeit in Deutschland erzielt habe. Zu Gunsten des\nKl sei davon ausgegangen worden, dass er sich zur Erfullung dieser Aufgabe in\nDeutschland und der Schweiz aufgehalten habe. Infolge der zeitlichen Belastung\ndurch zwei Arbeitsplatze in Europa sei angenommen worden, dass sich der Kl nur\nzeitweise in Asien aufgehalten habe. Berucksichtigt worden sei auch, dass mit\neinigen Staaten in Asien DBA bestunden, nach denen die Einkunfte in\nDeutschland steuerfrei sein konnten. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch\nnicht unter Berucksichtigung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25.\nOktober 2006 I R 81/08, weil sich die Sachverhalte unterschieden. Der BFH habe\nin diesem Urteil uber einen Fall entschieden, bei dem der Steuerpflichtige\nabkommensrechtlich in Deutschland ansassig gewesen sei. Im Streitfall habe der\nKl jedoch sowohl einen Wohnsitz in Deutschland als auch in der Schweiz und sei\nin beiden Staaten unbeschrankt steuerpflichtig. Ansassig im Sinne des Art. 4\nAbs. 2 DBA-CH sei er in der Schweiz, weil sich dort sein Lebensmittelpunkt\nbefinde. Da der Kl somit als in der Schweiz ansassig gelte, greife Art. 15\nAbs. 4 DBA-CH nicht ein, denn diese Norm regle die Besteuerung, wenn eine\nPerson in einem anderen Staat ansassig sei als die Kapitalgesellschaft. Von\nden Vorsorgeaufwendungen des Kl hatten nur 10 v.H. als Sonderausgaben\nberucksichtigt werden konnen, da auch nur 10 v.H. des von der X-AG bezogenen\nGehalts des Kl als im Inland steuerpflichtig angesetzt worden seien. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmachtigten vom 25. Mai 2007 erhob der Kl\nKlage. Zur Begrundung ließ er im Wesentlichen vortragen, die gesamten\nEinkunfte aus seiner Tatigkeit als Geschaftsfuhrer der X-AG seien gemaß Art. 4\nAbs. 3 Satz 2 in Verbindung mit (i.V.m.) Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d, Art. 15 Abs. 4\nDBA-CH, § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von\nder Einkommensbesteuerung freizustellen. Zur Begrundung bezog sich der Kl auf\ndie Urteile des Finanzgerichts Koln vom 24. Mai 2004 10 K 494/2000, EFG 2005,\n22 sowie des BFH vom 25. Oktober 2006 I R 81/04. Hiernach werde die Tatigkeit\neines in Deutschland ansassigen leitenden Angestellten fur eine schweizerische\nKapitalgesellschaft, die unter Art. 15 Abs. 4 DBA-CH falle, auch dann im Sinne\nvon Art. 15 Abs. 4, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH „in der Schweiz ausgeubt",\nwenn sie tatsachlich uberwiegend außerhalb der Schweiz verrichtet werde. Die\nbeiden genannten Urteile konnten sich dabei auf eine langjahrige standige\nRechtsprechung des BFH stutzen, wobei der Kl auf die Entscheidung des großen\nSenats des BFH vom 15. November 1971, GrS 1/71, BStBl II 1972, 68, das BFH-\nUrteil vom 5. Oktober 1994 I R 67/93, BStBl II 1995, 95 und den BFH-Beschluss\nvom 15. Dezember 1998 I B 45/98, BFH/NV 1999, 751 hinweise. Nach den zitierten\nUrteilen scheide ein Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich der Einkunfte\neines leitenden Angestellten einer schweizerischen Gesellschaft aus, und zwar\nauch bzw. selbst dann, wenn und soweit die Tatigkeit uberwiegend außerhalb der\nSchweiz ausgeubt werde. Das FG Koln und der BFH hatten maßgeblich darauf\nabgestellt, dass Art. 15 Abs. 4 DBA-CH eine Fiktion des Tatigkeitsortes\nenthalte. Wegen dieser Fiktion gelte die Tatigkeit eines leitenden\nAngestellten nach Ansicht des FG Koln und des BFH als im Staat der\nAnsassigkeit der Kapitalgesellschaft, im Streitfall also in der Schweiz,\nausgeubt. Folge sei die Anwendung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH, wonach\nDeutschland die Einkunfte unter Progressionsvorbehalt freistelle, da die\nArbeit aufgrund der Fiktion von Art. 15 Abs. 4 DBA-CH als in der Schweiz\nausgeubt gelte und dort auch besteuert worden sei. Wegen des weiteren\nVorbringens des Kl wird auf seinen schriftsatzlichen Vortrag Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Kl beantragt sinngemaß, den geanderten ESt-Bescheid fur das Jahr 2002\nvom 26. April 2007 dahingehend abzuandern, dass alle Einkunfte, die der Kl von\nder X-AG Schweiz AG bezogen hat, unter Berucksichtigung von dem\nProgressionsvorbehalt unterliegenden Einkunften in Hohe von 126.123 EUR von\nder inlandischen Besteuerung freigestellt werden und die ESt somit auf 2.996\nEUR festgesetzt wird, hilfsweise den geanderten ESt-Bescheid fur das Jahr 2002\nvom 26. April 2007 dahingehend abzuandern, dass die auf die\nstreitgegenstandlichen Einkunfte entfallenden schweizerischen Steuern in Hohe\nvon 1.446,76 EUR angerechnet werden und die festzusetzende ESt um diesen\nBetrag vermindert wird, die Beiziehung eines Bevollmachtigten im Vorverfahren\nfur notwendig zu erklaren, hilfsweise fur den Fall des Unterliegens im\nHauptantrag die Revision zuzulassen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Bekl beantragt, die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Er erwidert, der Kl beziehe sich zu Unrecht auf das BFH-Urteil vom 25.\nOktober 2006 I R 81/07, da sich der streitgegenstandliche Sachverhalt von dem\nSachverhalt, der dem genannten BFH-Urteil zugrundeliege, unterscheide. Der BFH\nhabe uber einen Fall entschieden, bei dem der Kl abkommensrechtlich in\nDeutschland ansassig gewesen sei. Der Kl habe jedoch sowohl einen Wohnsitz in\nDeutschland als auch in der Schweiz und sei in beiden Staaten unbeschrankt\nsteuerpflichtig. Ansassig im Sinne des Art. 4 Abs. 2 DBA-CH sei er in der\nSchweiz, weil sich dort sein Lebensmittelpunkt befinde. Art. 15 Abs. 4 DBA-CH\ngreife daher nicht ein. Denn diese Norm regle die Besteuerung, wenn eine\nPerson in einem anderen Staat ansassig sei als die Kapitalgesellschaft. Der Kl\nsei der Auffassung, dass Art. 15 Abs. 4 DBA-CH, der das Besteuerungsrecht\nhinsichtlich der Einkunfte leitender Angestellter regle, eine Fiktion des\nArbeitsorts leitender Angestellter am Ort der Ansassigkeit der beschaftigenden\nKapitalgesellschaft enthalte und auch fur die Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr.\n1d DBA-CH gelte. Die deutsche Steuerverwaltung sei hingegen der Meinung, dass\nArt. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH nach dessen eindeutigem Wortlaut so zu verstehen\nsei, dass lediglich Einkunfte aus der physisch in der Schweiz ausgeubten\nTatigkeit von der deutschen Steuer freizustellen seien. Die Regelung des\nBesteuerungsrechts des Ansassigkeitsstaats der Kapitalgesellschaft in Art. 15\nAbs. 4 DBA-CH erfordere keine uber den Wortlaut hinausgehende Auslegung des\nBegriffs der „Ausubung der Tatigkeit" in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH. Denn\nArt. 15 Abs. 4 DBA-CH regle ein konkurrierendes und kein ausschließliches\nBesteuerungsrecht des Unternehmensstaats. Da Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH\nvoraussetze, dass die Arbeit in der Schweiz ausgeubt werde, und diese\nVoraussetzung nicht erfullt sei, seien die streitgegenstandlichen Einkunfte im\nInland zu versteuern. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beteiligten haben sich im Erorterungstermin vom 30. April 2008 mit einer\nEntscheidung ohne mundliche Verhandlung einverstanden erklart. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der geanderte ESt-Bescheid vom 26. April 2007 ist rechtswidrig und verletzt\nden Kl in seinen Rechten. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Einkunfte, die der Kl von der X-AG fur seine Tatigkeit in solchen\nasiatischen Staaten bezogen hat, mit denen die Bundesrepublik Deutschland\nkeine DBA abgeschlossen hat, sind im Inland steuerfrei und nur im Rahmen des\nProgressionsvorbehalts zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 DBA-CH kann die Bundesrepublik Deutschland eine\nnaturliche Person ungeachtet anderer Bestimmungen dieses Abkommens nach den\nVorschriften uber die unbeschrankte Steuerpflicht besteuern, wenn diese\nPerson, die in der Bundesrepublik Deutschland uber eine standige Wohnstatte\nverfugt oder dort ihren gewohnlichen Aufenthalt von mindestens sechs Monaten\nim Kalenderjahr hat, nach Absatz 2 als in der Schweiz ansassig gilt. Nach Art.\n4 Abs. 3 Satz 2 DBA-CH wendet die Bundesrepublik Deutschland jedoch Art. 24\nAbsatz 1 Nr. 1 DBA-CH auf die dort genannten, aus der Schweiz stammenden\nEinkunfte und in der Schweiz belegenen Vermogenswerte an. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach Artikel 24 Abs. 1 Nr. 1 DBA-CH wird bei einer Person, die in der\nBundesrepublik Deutschland ansassig ist, die Doppelbesteuerung wie folgt\nvermieden: \n--- \n| 19 \n--- \n| Von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer werden die folgenden aus\nder Schweiz stammenden Einkunfte, die nach den vorstehenden Artikeln in der\nSchweiz besteuert werden konnen, ausgenommen: \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| \n--- \n| a) ... \n--- \n| b) ... \n--- \n| c) ... \n--- \n| d) Gehalter, Lohne und ahnliche Vergutungen im Sinne des Artikels 15, soweit\nsie nicht unter Artikel 17 fallen, vorausgesetzt, die Arbeit wird in der\nSchweiz ausgeubt. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Zwar steht der Bundesrepublik Deutschland gemaß Art. 4 Abs. 3 Satz 1 DBA-CH\ndas grundsatzliche Recht zu, den Kl nach den Vorschriften uber die\nunbeschrankte Steuerpflicht zu besteuern. Denn er unterhielt im Streitjahr\njedenfalls ab November 2002 sowohl in der Schweiz als auch in der\nBundesrepublik Deutschland eine standige Wohnstatte im Sinne des Art. 4 Abs. 2\nlit. a) DBA-CH, hatte im Streitjahr aufgrund seiner von ihm geschilderten\nerheblichen personlichen Beziehungen zur Schweiz dort seinen Mittelpunkt der\nLebensinteressen und gilt deshalb fur das Streitjahr gemaß Art. 4 Abs. 2 lit.\na) Satz 2 DBA-CH als in der Schweiz ansassig. Dies ist auch zwischen den\nBeteiligten unstreitig. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die streitgegenstandlichen Einkunfte des Kl sind jedoch gemaß Art. 4 Abs. 3\nSatz 2 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH im Inland steuerfrei und nur im\nWege des Progressionsvorbehalts zu berucksichtigen. Denn diese Einkunfte\nkonnen gemaß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH\ngrundsatzlich in der Schweiz versteuert werden und wurden - wie der Kl unter\nVorlage der schweizerischen Steuerbescheide unter Beweis gestellt hat - auch\ntatsachlich in der Schweiz versteuert. Auch hat der Kl die Tatigkeit, die dem\nErhalt dieser Einkunfte in Hohe von - unstreitig zutreffend geschatzten -\n6.000 EUR zugrunde lag, im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH „in der\nSchweiz ausgeubt". \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des BFH wird die Tatigkeit eines in Deutschland\nansassigen leitenden Angestellten fur eine schweizerische Kapitalgesellschaft,\ndie unter Art. 15 Abs. 4 DBA-CH fallt, auch dann im Sinne des Art. 24 Abs. 1\nNr. 1d DBA-CH "in der Schweiz ausgeubt", wenn sie tatsachlich uberwiegend\naußerhalb der Schweiz verrichtet wird (BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I R\n81/04, BFHE 215, 237; BFH/NV 2007, 593). Bei der Anwendung des DBA-CH hatte\nsich in langjahriger Rechtsprechung und Praxis der Grundsatz herausgebildet,\ndass die Tatigkeit von Direktoren und Geschaftsfuhrern einer\nKapitalgesellschaft am Ort des Sitzes der Gesellschaft "ausgeubt" werde,\nsofern sie nicht lediglich im Ausland sich auswirkende Aufgaben umfasst (vgl.\nBFH-Urteil vom 12. August 1960 VI 300/58 S, BFHE 71, 514, BStBl III 1960, 441\nm.w.N.;Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15. November 1971 GrS 1/71,\nBFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68; BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 I R 67/93,\nBFHE 175, 424, BStBl II 1995, 95; BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04,\nBFHE 215, 237, BFH/NV 2007, 593 m.w.N.). Denn die Zuweisung des\nBesteuerungsrechts in Art. 15 Abs. 4 DBA-CH 1992 (vormals Art. 15 Abs. 5 DBA-\nCH) spiegelt erkennbar die Vorstellung des Gesetzgebers wider, dass ein\nleitender Angestellter seine Leitungstatigkeit regelmaßig am Ort der\nAnsassigkeit der Kapitalgesellschaft ausubt (BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I\nR 81/04, BFHE 215, 237, BFH/NV 2007, 593 m.w.N.).Art. 15 Abs. 4 DBA-CH enthalt\ndaher fur seinen Anwendungsbereich eine Fiktion des Tatigkeitsortes. Diese\nBedeutung des Art. 15 Abs. 4 DBA-CH als Fiktion des Tatigkeitsortes muss auch\nbei der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 DBA-CH berucksichtigt werden (BFH-Urteil\nvom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, BFH/NV 2007, 593 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Ausgehend von diesen Erwagungen, denen der Senat folgt, wird die Tatigkeit\neines leitenden Angestellten einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in der\nSchweiz, der nicht in Deutschland, sondern wegen des Mittelpunkts seiner\nLebensinteressen gemaß Art. 4 Abs. 2 lit. a) DBA-CH als in der Schweiz\nansassig gilt, in der Schweiz ausgeubt. Dies ergibt sich aus dem dargestellten\nGrundsatz, der sich zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der\nSchweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung\nentwickelt hat, wonach die Tatigkeit eines leitenden Angestellten einer\nKapitalgesellschaft grundsatzlich als am Sitz der Kapitalgesellschaft als\nausgeubt gilt. Die Erwagungen, die der Einfuhrung des Art. 15 Abs. 4 DBA-CH\n1992 (vormals Art. 15 Abs. 5 DBA-CH) sowie der dargestellten Rechtsprechung\ndes BFH zugrunde liegen, sind auf den im Streitfall gegebenen Sachverhalt erst\nrecht anzuwenden. Denn es ware nicht einzusehen, weshalb die Einkunfte eines\nSteuerpflichtigen im Sinne des Art. 15 Abs. 4 DBA-CH, der als leitender\nAngestellter einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in der Schweiz tatig ist,\ndessen Mittelpunkt der Lebensinteressen im Sinne des Art. 4 Abs. 2 lit. a)\nSatz 2 DBA-CH sich aber in Deutschland befindet und der deshalb nach dieser\nRegelung als in Deutschland ansassig gilt, nach Art. 15 Abs. 4 DBA-CH i.V.m.\nArt. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH in der Schweiz versteuert werden, wahrend er\ndann, wenn er den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen - wie im Streitfall der\nKl - in der Schweiz und somit einen noch starkeren Bezug zur Schweiz hat,\ndiese Einkunfte in Deutschland versteuern musste. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Da die streitigen Einkunfte in Hohe von 6.000 EUR hiernach von der\nBemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, sind sie gemaß Art.\n24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG im Rahmen des\nProgressionsvorbehalts zu berucksichtigen. Gleichermaßen im Rahmen des\nProgressionsvorbehalts anzusetzen war ein weiterer Betrag von 6.000 EUR, den\nder Bekl bislang zu Unrecht ganzlich unberucksichtigt gelassen hat. Hierbei\nhandelt es sich um den Betrag, um den der ursprungliche - mit 12.000 EUR\ngeschatzte - Ansatz der Einkunfte des Kl, die er von der X-AG fur Tatigkeiten\nin solchen asiatischen Staaten erhalten hat, mit denen die Bundesrepublik\nDeutschland keine DBA geschlossen hat, im Rahmen der Einspruchsentscheidung\nauf - ebenfalls geschatzte - 6.000 EUR reduziert wurde. Eine dieser\nReduzierung der im Inland zu versteuernden Einkunfte korrespondierende\nErhohung des Betrags, der im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu\nberucksichtigen ist, wurde vom Bekl indes nicht vorgenommen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Ausspruch uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs.\n3; 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11; 711 bzw. 709 Zivilprozessordnung (ZPO). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Revision war wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache gemaß § 115\nAbs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren\nwar gemaß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO fur notwendig zu erklaren, da dem Verfahren\nein Sachverhalt zugrunde lag, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein\nals einfach zu beurteilen war und die fachkundige Geltendmachung des Begehrens\ndes Kl die Vertretung durch einen Angehorigen der steuerberatenden Berufe\ndeshalb erfordert hat. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der geanderte ESt-Bescheid vom 26. April 2007 ist rechtswidrig und verletzt\nden Kl in seinen Rechten. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Einkunfte, die der Kl von der X-AG fur seine Tatigkeit in solchen\nasiatischen Staaten bezogen hat, mit denen die Bundesrepublik Deutschland\nkeine DBA abgeschlossen hat, sind im Inland steuerfrei und nur im Rahmen des\nProgressionsvorbehalts zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 DBA-CH kann die Bundesrepublik Deutschland eine\nnaturliche Person ungeachtet anderer Bestimmungen dieses Abkommens nach den\nVorschriften uber die unbeschrankte Steuerpflicht besteuern, wenn diese\nPerson, die in der Bundesrepublik Deutschland uber eine standige Wohnstatte\nverfugt oder dort ihren gewohnlichen Aufenthalt von mindestens sechs Monaten\nim Kalenderjahr hat, nach Absatz 2 als in der Schweiz ansassig gilt. Nach Art.\n4 Abs. 3 Satz 2 DBA-CH wendet die Bundesrepublik Deutschland jedoch Art. 24\nAbsatz 1 Nr. 1 DBA-CH auf die dort genannten, aus der Schweiz stammenden\nEinkunfte und in der Schweiz belegenen Vermogenswerte an. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach Artikel 24 Abs. 1 Nr. 1 DBA-CH wird bei einer Person, die in der\nBundesrepublik Deutschland ansassig ist, die Doppelbesteuerung wie folgt\nvermieden: \n--- \n| 19 \n--- \n| Von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer werden die folgenden aus\nder Schweiz stammenden Einkunfte, die nach den vorstehenden Artikeln in der\nSchweiz besteuert werden konnen, ausgenommen: \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| \n--- \n| a) ... \n--- \n| b) ... \n--- \n| c) ... \n--- \n| d) Gehalter, Lohne und ahnliche Vergutungen im Sinne des Artikels 15, soweit\nsie nicht unter Artikel 17 fallen, vorausgesetzt, die Arbeit wird in der\nSchweiz ausgeubt. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Zwar steht der Bundesrepublik Deutschland gemaß Art. 4 Abs. 3 Satz 1 DBA-CH\ndas grundsatzliche Recht zu, den Kl nach den Vorschriften uber die\nunbeschrankte Steuerpflicht zu besteuern. Denn er unterhielt im Streitjahr\njedenfalls ab November 2002 sowohl in der Schweiz als auch in der\nBundesrepublik Deutschland eine standige Wohnstatte im Sinne des Art. 4 Abs. 2\nlit. a) DBA-CH, hatte im Streitjahr aufgrund seiner von ihm geschilderten\nerheblichen personlichen Beziehungen zur Schweiz dort seinen Mittelpunkt der\nLebensinteressen und gilt deshalb fur das Streitjahr gemaß Art. 4 Abs. 2 lit.\na) Satz 2 DBA-CH als in der Schweiz ansassig. Dies ist auch zwischen den\nBeteiligten unstreitig. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die streitgegenstandlichen Einkunfte des Kl sind jedoch gemaß Art. 4 Abs. 3\nSatz 2 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH im Inland steuerfrei und nur im\nWege des Progressionsvorbehalts zu berucksichtigen. Denn diese Einkunfte\nkonnen gemaß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH\ngrundsatzlich in der Schweiz versteuert werden und wurden - wie der Kl unter\nVorlage der schweizerischen Steuerbescheide unter Beweis gestellt hat - auch\ntatsachlich in der Schweiz versteuert. Auch hat der Kl die Tatigkeit, die dem\nErhalt dieser Einkunfte in Hohe von - unstreitig zutreffend geschatzten -\n6.000 EUR zugrunde lag, im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH „in der\nSchweiz ausgeubt". \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des BFH wird die Tatigkeit eines in Deutschland\nansassigen leitenden Angestellten fur eine schweizerische Kapitalgesellschaft,\ndie unter Art. 15 Abs. 4 DBA-CH fallt, auch dann im Sinne des Art. 24 Abs. 1\nNr. 1d DBA-CH "in der Schweiz ausgeubt", wenn sie tatsachlich uberwiegend\naußerhalb der Schweiz verrichtet wird (BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I R\n81/04, BFHE 215, 237; BFH/NV 2007, 593). Bei der Anwendung des DBA-CH hatte\nsich in langjahriger Rechtsprechung und Praxis der Grundsatz herausgebildet,\ndass die Tatigkeit von Direktoren und Geschaftsfuhrern einer\nKapitalgesellschaft am Ort des Sitzes der Gesellschaft "ausgeubt" werde,\nsofern sie nicht lediglich im Ausland sich auswirkende Aufgaben umfasst (vgl.\nBFH-Urteil vom 12. August 1960 VI 300/58 S, BFHE 71, 514, BStBl III 1960, 441\nm.w.N.;Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15. November 1971 GrS 1/71,\nBFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68; BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 I R 67/93,\nBFHE 175, 424, BStBl II 1995, 95; BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04,\nBFHE 215, 237, BFH/NV 2007, 593 m.w.N.). Denn die Zuweisung des\nBesteuerungsrechts in Art. 15 Abs. 4 DBA-CH 1992 (vormals Art. 15 Abs. 5 DBA-\nCH) spiegelt erkennbar die Vorstellung des Gesetzgebers wider, dass ein\nleitender Angestellter seine Leitungstatigkeit regelmaßig am Ort der\nAnsassigkeit der Kapitalgesellschaft ausubt (BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I\nR 81/04, BFHE 215, 237, BFH/NV 2007, 593 m.w.N.).Art. 15 Abs. 4 DBA-CH enthalt\ndaher fur seinen Anwendungsbereich eine Fiktion des Tatigkeitsortes. Diese\nBedeutung des Art. 15 Abs. 4 DBA-CH als Fiktion des Tatigkeitsortes muss auch\nbei der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 DBA-CH berucksichtigt werden (BFH-Urteil\nvom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, BFH/NV 2007, 593 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Ausgehend von diesen Erwagungen, denen der Senat folgt, wird die Tatigkeit\neines leitenden Angestellten einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in der\nSchweiz, der nicht in Deutschland, sondern wegen des Mittelpunkts seiner\nLebensinteressen gemaß Art. 4 Abs. 2 lit. a) DBA-CH als in der Schweiz\nansassig gilt, in der Schweiz ausgeubt. Dies ergibt sich aus dem dargestellten\nGrundsatz, der sich zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der\nSchweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung\nentwickelt hat, wonach die Tatigkeit eines leitenden Angestellten einer\nKapitalgesellschaft grundsatzlich als am Sitz der Kapitalgesellschaft als\nausgeubt gilt. Die Erwagungen, die der Einfuhrung des Art. 15 Abs. 4 DBA-CH\n1992 (vormals Art. 15 Abs. 5 DBA-CH) sowie der dargestellten Rechtsprechung\ndes BFH zugrunde liegen, sind auf den im Streitfall gegebenen Sachverhalt erst\nrecht anzuwenden. Denn es ware nicht einzusehen, weshalb die Einkunfte eines\nSteuerpflichtigen im Sinne des Art. 15 Abs. 4 DBA-CH, der als leitender\nAngestellter einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in der Schweiz tatig ist,\ndessen Mittelpunkt der Lebensinteressen im Sinne des Art. 4 Abs. 2 lit. a)\nSatz 2 DBA-CH sich aber in Deutschland befindet und der deshalb nach dieser\nRegelung als in Deutschland ansassig gilt, nach Art. 15 Abs. 4 DBA-CH i.V.m.\nArt. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-CH in der Schweiz versteuert werden, wahrend er\ndann, wenn er den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen - wie im Streitfall der\nKl - in der Schweiz und somit einen noch starkeren Bezug zur Schweiz hat,\ndiese Einkunfte in Deutschland versteuern musste. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Da die streitigen Einkunfte in Hohe von 6.000 EUR hiernach von der\nBemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, sind sie gemaß Art.\n24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG im Rahmen des\nProgressionsvorbehalts zu berucksichtigen. Gleichermaßen im Rahmen des\nProgressionsvorbehalts anzusetzen war ein weiterer Betrag von 6.000 EUR, den\nder Bekl bislang zu Unrecht ganzlich unberucksichtigt gelassen hat. Hierbei\nhandelt es sich um den Betrag, um den der ursprungliche - mit 12.000 EUR\ngeschatzte - Ansatz der Einkunfte des Kl, die er von der X-AG fur Tatigkeiten\nin solchen asiatischen Staaten erhalten hat, mit denen die Bundesrepublik\nDeutschland keine DBA geschlossen hat, im Rahmen der Einspruchsentscheidung\nauf - ebenfalls geschatzte - 6.000 EUR reduziert wurde. Eine dieser\nReduzierung der im Inland zu versteuernden Einkunfte korrespondierende\nErhohung des Betrags, der im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu\nberucksichtigen ist, wurde vom Bekl indes nicht vorgenommen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Ausspruch uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs.\n3; 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11; 711 bzw. 709 Zivilprozessordnung (ZPO). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Revision war wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache gemaß § 115\nAbs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren\nwar gemaß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO fur notwendig zu erklaren, da dem Verfahren\nein Sachverhalt zugrunde lag, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein\nals einfach zu beurteilen war und die fachkundige Geltendmachung des Begehrens\ndes Kl die Vertretung durch einen Angehorigen der steuerberatenden Berufe\ndeshalb erfordert hat. \n---\n\n
193,833
vg-trier-2008-09-25-5-k-55708tr
920
Verwaltungsgericht Trier
vg-trier
Trier
Rheinland-Pfalz
Verwaltungsgerichtsbarkeit
5 K 557/08.TR
2008-09-25
2019-02-12 09:30:41
2019-02-12 14:03:28
Urteil
ECLI:DE:VGTRIER:2008:0925.5K557.08.TR.0A
#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDer Klager, der im Schuljahr 2007/2008 die Klasse 7a des ...-Gymnasiums in ...\nbesuchte, begehrt die Änderung der Jahreszeugnisnote "Verhalten" sowie die\nAufhebung eines schriftlichen Schulverweises des Schulleiters und eines\nschriftlichen Tadels der Deutschlehrerin.\n\n \n\n2\n\n \n\nUnter dem 07. Marz 2008 fertigte die Deutschlehrerin des Klagers, Frau ...,\nein mit den Worten "Verweis fur Ihren Sohn ..." uberschriebenes Schreiben, in\nwelchem sinngemaß ausgefuhrt ist, der Klager habe die unzutreffende Behauptung\naufgestellt, sie habe ihm ein Buch auf die Hand geschlagen. Der Klager habe\nsich ihr gegenuber ungebuhrlich verhalten und Anweisungen nicht befolgt.\n\n \n\n3\n\n \n\nMit Datum vom 27. Mai 2008 erteilte der Schulleiter einen schriftlichen\nVerweis, in welchem dem Klager ein tatlicher Angriff auf einen Mitschuler\nvorgeworfen wird.\n\n \n\n4\n\n \n\nDas Jahreszeugnis vom 16. Juni 2008 enthalt fur den Klager im "Verhalten" die\nBewertung "unbefriedigend" und die Bemerkung: "... hat wiederholt und in\nerheblichem Maße gegen die Ordnung in der Schule verstoßen.". Weiter enthalt\nes den Hinweis, dass der Klager auf Beschluss der Klassenkonferenz vom 13.\nJuni 2008 nicht versetzt wird.\n\n \n\n5\n\n \n\nAm 08. August 2008 hat der Klager die vorliegende Klage erhoben und\ngleichzeitig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt,\nden die Kammer mit Beschluss vom 18. August 2008 - 5 L 558/08.TR - mit der\nBegrundung, dass bezuglich des schriftlichen Verweises des Schulleiters das\nerforderliche Vorverfahren nicht durchgefuhrt sei und bezuglich der weiteren\nBegehren das erforderliche Rechtsschutzbedurfnis fehle, als unzulassig\nabgelehnt hat.\n\n \n\n6\n\n \n\nZur Begrundung seiner Klage macht der Klager geltend, sowohl bei dem\nJahreszeugnis als auch bei den Verweisen handele es sich um rechtswidrige und\nihn in seinen Rechten verletzende Verwaltungsakte. Zu Unrecht werde ihm im\n"Verhalten" die Note unbefriedigend mit der Bemerkung, dass er mehrfach gegen\ndie Ordnung der Schule verstoßen habe, erteilt. Wegen der um die "Verweise"\nrankenden Ereignisse bestehe dringender Gesprachsbedarf. Alle Versuche, einen\nTermin zwecks Besprechung der Angelegenheit zu erhalten, seien jedoch fehl\ngeschlagen. Die gegen ihn erhobenen Vorwurfe in den Verweisen vom 07. Marz und\nvom 27. Mai seien zu Unrecht erhoben. Zu dem Vorfall mit der Deutschlehrerin\nsei zu sagen, dass diese am 29. Februar 2008 wahrend des Deutschunterrichts\nalle Schuler aufgefordert habe, das Deutschbuch aufzuschlagen. Er habe sich\ngerade Notizen in seinem College-Block gemacht und danach das Deutschbuch\naufschlagen wollen. Dieses habe unter dem College-Block gelegen. Die\nDeutschlehrerin habe sich ihm genahert, sein Deutschbuch herausgezogen und es\nihm auf seine rechte Hand geschlagen, da er ihrer Auffassung nach ihrer\nAufforderung nicht nachgekommen sei. Diesen Vorfall bestreite die\nDeutschlehrerin jetzt. Demnach sei er in dem Schreiben vom 07. Marz 2008 zu\nUnrecht als Lugner betitelt worden. Zu dem Schreiben des Schulleiters vom 27.\nMai 2008 sei zu sagen, dass der darin erhobene Vorwurf, er habe einen\nMitschuler tatlich angegriffen, so nicht zutreffend sei. Er sei Tage zuvor in\neine Rangelei mit anderen Mitschulern verwickelt gewesen. Dabei sei er von\nMitschulern beleidigt worden. Die Beleidigung habe sich gegen seine Herkunft\ngerichtet. Am darauffolgenden Tag habe er den betreffenden Schuler in der\nzweiten Pause darauf angesprochen, warum er seine Familie beleidige. Zwar habe\ner den Schuler am Oberkorper gepackt und ihn an die Außenwand des\nSchulgebaudes gestellt. Er habe ihn jedoch keinesfalls korperlich angegriffen,\nsondern lediglich eine Erklarung erwartet und auch verlangt. Als sich seine\nSchwester ... in den Streit eingemischt habe, habe er von dem Schuler\nabgelassen. Seine Leistungen in den Fachern Biologie und Franzosisch seien zu\nUnrecht mit mangelhaft bewertet worden. Außerdem sei er ohne jeden Grund von\nder Teilnahme an den Waldjugendspielen am 03. Juni 2008 ausgeschlossen worden.\nVon der Deutschlehrerin werde er seit Marz 2008 im Schulunterricht\nschikaniert.\n\n \n\n7\n\n \n\nDer Klager beantragt,\n\n \n\n8\n\n \n\nden Beklagten zu verurteilen, die Note im Verhalten im Jahreszeugnis vom 16.\nJuni 2008 von "unbefriedigend" auf "befriedigend" zu andern und die Bemerkung\n"... hat wiederholt und in erheblichem Maße gegen die Ordnung in der Schule\nverstoßen" sowie die schriftlichen Verweise vom 07. Marz 2008 und vom 27. Mai\n2008 zuruckzunehmen.\n\n \n\n9\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n \n\n10\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n11\n\n \n\nZur Begrundung seines Antrages fuhrt er aus, der Klager sei erstmals mit\nBeginn der 6. Klasse auffallig geworden, weil er physische Gewalt gegen einen\nMitschuler angewandt habe. Wahrend der Klassenstufe 7 habe sich sein\nLeistungsbild verschlechtert. Im Verlauf dieser Klasse sei es dann auch\nmehrfach zu disziplinarischem Fehlverhalten gekommen. Seine Fachlehrer\nbezeichneten ihn als durchaus begabt aber gleichzeitig sehr undiszipliniert,\noberflachlich und wenig anstrengungsbereit. Haufig nicht oder nur\nunvollstandig erledigte Hausaufhaben kennzeichneten seinen unterrichtlichen\nEinsatz. Nach Eindruck des Schulleiters sei er nur widerstrebend bereit,\nweibliche Lehrpersonen als Respektpersonen anzusehen. Bei der Verhaltensnote\nhandele es sich um einen rechtmaßigen Konferenzbeschluss. Diese sei aufgrund\nder in der Schulerakte dokumentierten Vorfalle auch zweifelsfrei\ngerechtfertigt. Die Behauptungen uber die Deutschlehrerin mussten mit aller\nEntschiedenheit zuruckgewiesen werden. Neben den in dem schriftlichen Verweis\ndes Schulleiters und dem Schreiben der Deutschlehrerin in Bezug genommenen\nVorfallen seien eine Reihe weiterer Vorfalle zu erwahnen, bei denen der Klager\nnegativ in Erscheinung getreten sei.\n\n \n\n12\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\nSchriftsatze der Beteiligten verwiesen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n13\n\n \n\nDie Klage, die sich gegen das Land Rheinland-Pfalz richtet, ist nicht\nzulassig.\n\n \n\n14\n\n \n\nSoweit der Klager die Änderung der Verhaltensnote von "unbefriedigend" in\n"befriedigend" begehrt, steht ihm ein diesbezuglicher Anspruch ohnehin nicht\nzu. Ebenfalls nicht mit Erfolg durchzusetzen vermag er mangels\nRechtsschutzbedurfnisses einen Neubewertungsanspruch. Zur Vermeidung von\nWiederholungen nimmt die Kammer insoweit zunachst jeweils Bezug auf die\nAusfuhrungen ihres Beschlusses vom 18. August 2008 - 5 L 558/08.TR -.\n\n \n\n15\n\n \n\nAuch im Klageverfahren hat der nach allgemeinen Beweisgrundsatzen insoweit\nnachweispflichtige Klager weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen,\ndass die Note in "Verhalten" fur seine weitere schulische Laufbahn bzw. sein\nberufliches Fortkommen von Bedeutung ist. Sein diesbezugliches Vorbringen\nbeschrankt sich - wie bereits im Eilverfahren - vielmehr auf die pauschale\nBehauptung, von anderen Gymnasien wegen seiner Verhaltensnote nicht\naufgenommen worden zu sein. Dass die im Ermessen der jeweiligen Schule\nstehende Auswahlentscheidung, die ohnehin nur im Rahmen der Aufnahmekapazitat\n(vgl. § 11 Abs. 2 der ubergreifenden Schulordnung vom 14. Mai 1989 (GVBl. S.\n129) - Übergreifende Schulordnung -) besteht, jedoch ausschließlich von der\nVerhaltensnote beeinflusst gewesen ist, liegt in Anbetracht des Umstandes,\ndass der Klager nicht in die Klassenstufe 8 versetzt worden ist, nicht ohne\nweiteres auf der Hand. Schon aus diesem Grunde hatte es dem Klager oblegen,\ndiesbezuglich substantiiertere Angaben zu machen.\n\n \n\n16\n\n \n\nDass die erfolgte Bewertung in "Verhalten" den Klager fortdauernd und\nnachhaltig in seinem in Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - verankerten\nPersonlichkeitsrecht beeintrachtigt, ist ebenfalls weder dargetan noch\nanderweitig erkennbar, sodass ein i.S.d. Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03. Dezember 1979 - 7 B\n179/79) vernunftiger Zweck der Rechtsverfolgung nach wie vor nicht erkennbar\nist und es der Klage mithin am erforderlichen Rechtsschutzbedurfnis mangelt.\n\n \n\n17\n\n \n\nWas das Anfechtungsbegehren gegen den schriftlichen Verweis des Schulleiters\nvom 27. Mai 2008 angeht, ist die Klage deshalb unzulassig, weil der Klager,\nder im Beschluss der Kammer vom 18. August 2008 - 5 L 558/08.TR - auf die\nfehlende Widerspruchseinlegung hingewiesen worden ist, das erforderliche\nVorverfahren nicht durchgefuhrt hat. Eine Widerspruchseinlegung durch den\nbereits vor Klageerhebung anwaltlich vertretenen Klager ist ausweislich der\nvon ihm vorgelegten schriftlichen Einlassungen aus der Zeit nach Erlass des\nVerweises nicht dokumentiert.\n\n \n\n18\n\n \n\nHinsichtlich des Schreibens der Deutschlehrerin vom 07. Marz 2008 ist zunachst\nzu sehen, dass es sich bei diesem um eine erzieherische Maßnahme und nicht um\neine Ordnungsmaßnahme im Sinne der §§ 82 ff. der Übergreifenden Schulordnung\nund somit nicht um einen mit der Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt\nhandelt.\n\n \n\n19\n\n \n\nFur eine auf Rucknahme dieser erzieherischen Maßnahme gerichteten\nLeistungsklage fehlt dem Klager das erforderliche Rechtschutzbedurfnis, das\nimmer dann fehlt, wenn mit der Klage keinerlei rechtlichen oder tatsachlichen\nVorteile erlangt werden konnen. Der schriftliche Tadel stellt zunachst keinen\nschwerwiegenden und nachhaltigen Angriff auf das allgemeine\nPersonlichkeitsrecht dar. Er entfaltet auch keine unmittelbaren rechtlichen\noder tatsachlichen Auswirkungen. Sofern er in einem spateren Verfahren auf\nErlass einer formlichen Ordnungsmaßnahme i.S.v. §§ 82 ff. der Übergreifenden\nSchulordnung Auswirkungen entfalten sollte, weil er dort abwagungsrelevant in\ndie Entscheidungsfindung einfließt, ist der Klager auf den gegen die formliche\nOrdnungsmaßnahme moglichen Rechtsschutz zu verweisen.\n\n \n\n20\n\n \n\nNach alledem ist die Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden\nKostenfolge abzuweisen.\n\n \n\n21\n\n \n\nDie Entscheidung zur vorlaufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der\nKosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung\n- ZPO -.\n\n \n\n22\n\n \n\nGrunde, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.\n\n
194,017
lagrlp-2008-07-23-7-sa-18808
899
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
lagrlp
Rheinland-Pfalz
Arbeitsgerichtsbarkeit
7 Sa 188/08
2008-07-23
2019-02-12 09:36:25
2019-02-12 14:03:57
Urteil
ECLI:DE:LAGRLP:2008:0723.7SA188.08.0A
### ![Diese Entscheidung wird\nzitiert ausblenden](/jportal/cms/technik/media/img/prodjur/icon/minus.gif)Diese\nEntscheidung wird zitiert\n\n \n\n#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Die Berufung der Klagerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom\n27.02.2008 Az.: 1 Ca 1818/07 wird kostenpflichtig zuruckgewiesen.\n\n \n\n \n\n2\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kundigung\nsowie um die gerichtliche Auflosung des Arbeitsverhaltnisses gegen Zahlung\neiner Abfindung.\n\n \n\n2\n\n \n\nVon einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des\nerstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemaß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und\nauf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 27.02.2008\n(dort Seite 3 - 10 = Bl. 227 - 234 d. A.) Bezug genommen.\n\n \n\n3\n\n \n\n**Die Kl agerin hat beantragt,**\n\n4\n\n \n\n1\\. a) festzustellen, dass das Arbeitsverhaltnis der Klagerin durch die\nfristlose Kundigung vom 14. August 2007, der Klagerin am gleichen Tag\nzugegangen, nicht beendet ist;\n\n \n\n5\n\n \n\nb) festzustellen, dass das Arbeitsverhaltnis auch nicht durch die hilfsweise\nordentliche Kundigung vom 14. August 2007, der Klagerin am gleichen Tag\nzugegangen, zum 31. Januar 2008 endet;\n\n \n\n6\n\n \n\n2\\. a) festzustellen, dass das Arbeitsverhaltnis auch nicht durch die\nfristlose Kundigung vom 14. August 2007, den Prozessbevollmachtigten der\nKlagerin am 14. August 2007 vorab per Fax und am 16. August 2007 im Original\nzugegangen, beendet ist;\n\n \n\n7\n\n \n\nb) festzustellen, dass das Arbeitsverhaltnis auch nicht durch die hilfsweise\nordentliche Kundigung vom 14. August 2007, den Prozessbevollmachtigten der\nKlagerin am selben Tag per Fax vorab und am 16. August 2007 im Original\nzugegangen, zum 31. Januar 2008 endet;\n\n \n\n8\n\n \n\n3\\. die Beklagte zu verurteilen, der Klagerin ein wohlwollendes,\nberufsforderndes, qualifiziertes Beendigungszeugnis zu erteilen;\n\n \n\n9\n\n \n\n4\\. das Arbeitsverhaltnis durch das Gericht zum 31. Januar 2008 aufzulosen und\ndie Beklagte zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, die den\nBetrag von EUR 44.000,00 nicht unterschreiten sollte;\n\n \n\n10\n\n \n\n**hilfsweise**\n\n \n\n11\n\n \n\n5\\. das Arbeitsverhaltnis durch das Gericht zum 14. August 2007 aufzulosen und\ndie Beklagte zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, die den\nBetrag von EUR 44.000,00 nicht unterschreiten sollte.\n\n \n\n12\n\n \n\n**Die Beklagte hat beantragt,**\n\n13\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n14\n\n \n\nDas Arbeitsgericht Mainz hat mit Urteil vom 27.02.2008 (Bl. 225 ff. d. A.)\nfestgestellt, dass das Arbeitsverhaltnis der Klagerin durch die fristlose\nKundigung vom 14.08.2007, der Klagerin am gleichen Tag zugegangen und den\nProzessbevollmachtigten der Klagerin am 14.08.2007 vorab per Fax und am\n16.08.2007 im Original zugegangen, nicht beendet worden ist. Des Weiteren hat\nes die Beklagte verurteilt, der Klagerin ein wohlwollendes, qualifiziertes\nBeendigungszeugnis zu erteilen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage\nabgewiesen und die Auflosungsantrage der Klagerin zuruckgewiesen.\n\n \n\n15\n\n \n\nSoweit mit der Abweisung der Klage die Feststellung verbunden war, dass das\nBeschaftigungsverhaltnis durch die (hilfsweise) ordentliche Kundigung vom\n14.08.2007 beendet worden ist, hat das Arbeitsgericht zur Begrundung dieser\nEntscheidung im Wesentlichen ausgefuhrt, die ordentliche Kundigung sei\nrechtswirksam, insbesondere ergebe sich kein Unwirksamkeitsgrund aus § 1 des\nvollumfanglich anwendbaren Kundigungsschutzgesetzes. Die ordentliche Kundigung\nsei namlich aus verhaltensbedingten Grunden sozial gerechtfertigt, da die\nKlagerin ihre Pflicht zur Wahrung der Interessen der Beklagten in\nschwerwiegender Weise verletzt habe als sie am 26.06.2007 ca. 4.000\nÜberstunden - mit einem von der Beklagten angegebenen Gegenwert von knapp\n50.000,00 EUR Personalkosten - aus dem EDV-Programm der Beklagten geloscht und\ndiese am 04.07.2007 durch die Bereichsleiterin Systeme/Verwaltung, Frau X.\nwieder habe einpflegen lassen. Dies nachdem zuvor die Geschaftsleitung in\nAbsprache mit dem Betriebsrat in monatelanger Kleinarbeit eine Überprufung der\ntatsachlich angefallenen Überstunden der Arbeitnehmer aus der Vergangenheit\ndurchgefuhrt habe, was einen Bestand von ca. 26.000 Überstunden ergeben habe.\nDiese Überprufungsarbeit sei von der Klagerin zusammen mit Frau X. und Herrn\nW. letztlich ad absurdum gefuhrt worden, als sich diese nach gemeinsamer\nBeratung am 29.06. aufgrund einer rein uberschlagigen Betrachtung entschlossen\nhatten, einfach rund 4.000 Überstunden aus dem System zu loschen.\n\n \n\n16\n\n \n\nEinen Entschuldigungsgrund fur dieses Verhalten gebe es nicht. Aufgabe des\nTeams um Herrn W. sei es gewesen, den Betrieb in C-Stadt zu sanieren und nicht\ndurch unzulassige Eingriffe in das EDV-System nur die Zahlen hinsichtlich der\nPersonalkosten zu "schonen". Dies sei insbesondere mit der\nverantwortungsvollen Aufgabe einer Personalchefin im Betrieb, welche mit\numfangreichen Zugriffs- und Entscheidungsrechten und einer besonders\nvertrauensvollen Stellung verbunden sei, nicht zu vereinbaren.\n\n \n\n17\n\n \n\nEs komme nicht entscheidend darauf an, ob die Klagerin sich durch ihr Vorgehen\neinen eigenen Vermogensvorteil habe verschaffen wollen. Allerdings sei nicht\nzu ubersehen, dass die Klagerin uber den Zeitpunkt des Datenabzugs der\nBeklagten fur den anzufertigenden Geschaftsabschluss (03.07.2007) durch das\nMemo der Beklagten "Anwenderhilfe fur die Abwicklung des Jahresabschlusses"\ninformiert gewesen sei und die Daten kurz vor diesem Termin geloscht und einen\nTag spater wieder eingepflegt habe. Ein spaterer Kontrollabzug der Daten fur\ndas Geschaftsjahr 2006/2007, ware zwar unstreitig ublich gewesen, ware jedoch\nbezogen auf den Stichtag 30.06.2007 erfolgt. Eine Wiedereinpflegung der\nÜberstunden sei im Übrigen ohnedies unumganglich gewesen, da sich eine\nMitarbeiterin des Kassenbereichs bereits am 30.06.2007 daruber beschwert habe,\ndass sie bei der Betatigung des Zeiterfassungsgerats den zutreffenden Stand\nihrer Überstunden nicht habe feststellen konnen.\n\n \n\n18\n\n \n\nEine vorausgegangene Abmahnung sei zur Wirksamkeit der ordentlichen Kundigung\nnicht erforderlich gewesen, da das Verhalten der Klagerin einen\nschwerwiegenden Verstoß darstelle, bei dem die Wiederherstellung des\nVertrauens nicht zu erwarten gewesen sei. Aufgrund der Position der Klagerin\nals Personalleiterin im Unternehmen der Beklagten sei in Verbindung mit ihrem\nFehlverhalten von einer schwerwiegenden Pflichtverletzung auszugehen, so dass\neine Abmahnung eine Wiederherstellung des Vertrauens der Beklagten nicht\nbewirkt hatte.\n\n \n\n19\n\n \n\nIm Rahmen der Interessenabwagung seien neben den Sozialdaten der Klagerin und\ndem Gewicht des Kundigungsgrundes auch die besonderen Umstande des\nEinzelfalles zu berucksichtigen. Auch wenn man von einem Bestand des\nArbeitsverhaltnisses seit dem 01.09.1992 ausgehe sei andererseits zu beachten,\ndass die Klagerin noch relativ jung sei und keine Unterhaltsverpflichtungen\ntrage. Entscheidend sei, dass das verantwortungslose und vertrauenszerstorende\nVerhalten so schwer wiege, dass das Interesse der Beklagten an einer\nBeendigung des Arbeitsverhaltnisses das Fortsetzungsinteresse der Klagerin\nuberwiege.\n\n \n\n20\n\n \n\nDie klageerweiternd gestellten Auflosungsantrage der Klagerin seien\nzuruckzuweisen gewesen. Eine gerichtliche Auflosung des Arbeitsverhaltnisses\nzum 31.01.2008, mithin unter Einhaltung der Kundigungsfrist, hatte\nvorausgesetzt, dass die ordentliche Kundigung sozialwidrig sei, woran es aber\nfehle. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Auflosung des Arbeitsverhaltnisses\nzum 14.01.2007 bleibe unter Berucksichtigung von § 13 Abs. 1 S. 3 KSchG\nebenfalls erfolglos, zumal die fristlose Kundigung ausschließlich wegen\nVersaumung der Kundigungserklarungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB unwirksam sei,\nobwohl ein wichtiger Grund fur die sofortige Beendigung des\nArbeitsverhaltnisses vorgelegen habe. Aufgrund dessen sei der Klagerin die\nFortsetzung des zwischenzeitlich ohnehin beendeten Arbeitsverhaltnisses nicht\nunzumutbar.\n\n \n\n21\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgrunde des Arbeitsgerichtes\nwird auf Seite 10 ff. des Urteils vom 27.02.2008 (Bl. 234 ff. d. A.)\nverwiesen.\n\n \n\n22\n\n \n\nDie Klagerin hat gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichtes, die ihr am\n10.03.2008 zugestellt worden ist, am 09.04.2008 Berufung zum\nLandesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 10.06.2008 ihr\nRechtsmittel begrundet nachdem die Berufungsbegrundungsfrist bis\neinschließlich 10.06.2008 verlangert worden war.\n\n \n\n23\n\n \n\nDie Klagerin macht geltend,\n\n24\n\n \n\ndie ordentliche Kundigung vom 14.08.2007 sei gemaß § 1 KSchG rechtsunwirksam,\nda es an einem verhaltensbedingten Kundigungsgrund fehle. Das Arbeitsgericht\nhabe nicht hinreichend berucksichtigt, dass die Klagerin im Einverstandnis und\nnach Beratung mit dem damaligen Geschaftsleiter, Herrn W., der ihr\nVorgesetzter gewesen sei, und Frau X. gehandelt habe, wobei sie die Absicht\ngehabt habe, der unubersehbar gewordenen Überstundenflut Herr zu werden und\neine gewisse Ordnung wiederherzustellen. Nicht nachvollziehbar sei fur die\nKlagerin, wenn das Arbeitsgericht aus "zu den Akten gereichten Unterlagen (Bl.\n171 ff. d. A.)" ableite, es sei notwendig gewesen, bei der Loschung der\nÜberstunden das Stundenkonto jeden einzelnen Mitarbeiters aufzurufen, was mit\neinem erheblichen Zeitaufwand verbunden gewesen sei. Ihr sei unklar, was das\nArbeitsgericht mit den "zu den Akten gereichten Unterlagen (Bl. 171 ff. d.\nA.)" meine. Dementsprechend liege eine Verletzung der Prozessleitungspflicht\ndurch das erstinstanzliche Gericht vor.\n\n \n\n25\n\n \n\nSie, die Klagerin habe stets in der Absicht gehandelt, der unubersehbar\ngewordenen Überstunden irgendwie Herr zu werden. Die beteiligten Personen\nhatten allem voran die Überlegung angestellt, dass Überstunden, fur die keine\nRuckstellungen gebildet worden seien, in der Bilanz nicht erfasst werden\nkonnten, was letztlich negative steuerliche Auswirkungen gehabt hatte.\n\n \n\n26\n\n \n\nSie habe die Loschung wie auch deren Ruckgangigmachung nicht verheimlichen\nwollen. Es sei klar gewesen, dass es sich bei dem Datenabzug vom 03.07.2007\nnicht um den letzten Datenabzug handeln wurde, sondern dass weitere\nfortlaufende Abfragen erfolgen wurden, die im Rahmen der Erstellung des\nJahresabschlusses bis zur Beendigung der dafur notwendigen Arbeiten taglich\nwiederholt wurden, um jede Veranderung noch zu erfassen. Weder die Klagerin\nnoch Herr W. und Frau X. seien davon ausgegangen, dass die Loschung sowie die\nWiedereingabe der Überstunden in das EDV-System unbemerkt bleiben wurden.\n\n \n\n27\n\n \n\nAußerdem habe sie im Rahmen der ihr erteilten Kompetenz gehandelt. Nach Ziffer\n5.4 der Arbeits- und Betriebsordnung - C. C-Stadt durften nur die\nPersonalabteilung, die Teamleiter und deren Beauftragte Korrekturen der durch\ndas Zeiterfassungsgerat und des Personaleinsatzplanes erfassten Arbeitszeit\nvornehmen. Eine Anweisung, unter welchen Voraussetzungen dabei Korrekturen\nvorgenommen werden durften, sei nicht enthalten.\n\n \n\n28\n\n \n\nZudem handele es sich bei dem Vorgehen der Klagerin nicht um ein - wie vom\nArbeitsgericht aber angenommen - schwerwiegendes Verhalten, zumal ihr eine\nBereicherungsabsicht nicht vorgeworfen werden konne. Einen Anspruch auf eine\nErfolgspramie in Hohe von 2.000,00 EUR hatte sie nur fur den Fall erworben,\ndass sie die Überstunden im Vergleich zum Vorjahr um 50 % senke. Diese Quote\nhatte sie aber insbesondere durch die Loschung von ca. 4.000 Überstunden von\nvornherein nicht erreichen konnen. Daruber hinaus hatte die Beklagte unter\nBeachtung des Grundsatzes der Verhaltnismaßigkeit auf das Verhalten der\nKlagerin, soweit hierin tatsachlich eine Pflichtverletzung zu sehen sei,\nzunachst mit einer Abmahnung reagieren mussen. Dass eine derartige Maßnahme\nausreichend gewesen sei, zeige das Verhalten der Klagerin, die ihren zunachst\nnicht als solchen erkannten Fehler durch ihre Mitwirkung bei der Wiedereingabe\nder Daten korrigiert habe.\n\n \n\n29\n\n \n\nZudem fehle es an einer negativen Prognose, welche zwingend Bestandteil einer\nverhaltensbedingten Kundigung sei. Eine solche Prognose konne nur angestellt\nwerden, wenn es nach einer ordnungsgemaßen Abmahnung zu einer erneuten\neinschlagigen Pflichtverletzung komme. Hieran fehle es hier. Zudem zeige das\nRuckgangigmachen der Loschung des Überstundenkontingentes, dass auch unter\ndiesem Gesichtspunkt eine negative Prognose nicht angestellt werden konne.\n\n \n\n30\n\n \n\nSchließlich habe das Arbeitsgericht bei der vorzunehmenden Interessenabwagung\nnicht alle Einzelfallumstande umfassend berucksichtigt. Die Klagerin habe die\nin sie gesetzten Erwartungen bei ihrem Wechsel von dem Betrieb B-Stadt in den\nBetrieb C-Stadt erfullt, zumal sie den Krankenstand und die\nPersonalkostenquote im Vergleich zum Vorjahr habe um 50 % senken konnen.\nDaruber hinaus habe sie auch das sogenannte "R." im Unternehmen der Beklagten\neingefuhrt, so dass drei von vier vereinbarten Zielen erreicht worden seien.\nDemgegenuber habe das Arbeitsgericht in seinen Entscheidungsgrunden lediglich\ndie Sozialdaten der Klagerin zu deren Gunsten berucksichtigt.\n\n \n\n31\n\n \n\nDer in der Berufungsinstanz weiterverfolgte Auflosungsantrag sei bereits im\nerstinstanzlichen Schriftsatz vom 05.02.2008 hinreichend begrundet worden.\n\n \n\n32\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegrundung wird auf den\nSchriftsatz der Klagerin vom 10.06.2008 (Bl. 315 ff. d. A.) Bezug genommen.\n\n \n\n33\n\n \n\n**Die Kl agerin beantragt,**\n\n34\n\n \n\nunter Abanderung des am 27.02.2008 verkundeten und am 10.03.2008 zugestellten\nUrteils des Arbeitsgerichts Mainz, Az. 1 Ca 1818/07\n\n \n\n35\n\n \n\n1\\. festzustellen, dass das Arbeitsverhaltnis der Klagerin durch die\nhilfsweise ordentliche Kundigung vom 14.08.2007, der Klagerin am gleichen Tag\nzugegangen und den Prozessbevollmachtigten der Klagerin am 14.08.2007 vorab\nper Fax und am 16.08.2007 im Original zugegangen, nicht beendet wurde,\n\n \n\n36\n\n \n\n2\\. das Arbeitsverhaltnis durch das Gericht zum 31.01.2008 aufzulosen und die\nBeklagte zur Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung\nzu verurteilen.\n\n \n\n37\n\n \n\n**Die Beklagte beantragt,**\n\n38\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n \n\n39\n\n \n\nDie Beklagte fuhrt aus,\n\n40\n\n \n\ndas Arbeitsgericht habe fehlerfrei festgestellt, dass das\nBeschaftigungsverhaltnis durch die ordentliche Kundigung vom 14.08.2007\nbeendet worden sei. Der Klagerin sei bekannt gewesen, dass die maßgeblichen\nDaten aus dem EDV-System bis zum 03.07.2007 von der Beklagten abgezogen und am\n04.07.2007 verbucht und so in den Jahresabschluss eingehen wurden. Dies habe\nsich aus der eindeutigen Anweisung der Beklagten ergeben. Ein zweiter Abruf\nder Daten sei am 04.07.2007 nur aufgrund einer Panne bei der Datenubertragung\nvom 03.07.2007 erfolgt. Die Klagerin habe die Wiedereinpflege der Daten einzig\nund allein deshalb durchgefuhrt, weil sie Angst vor weiteren Ruckfragen der\nMitarbeiter und der Entdeckung des Betruges gehabt habe. Durch die Reklamation\nder Teamleiterin Kasse sei fur die Klagerin plotzlich absehbar geworden, dass\ndas bloße Streichen der Überstunden von den Arbeitnehmern nicht hingenommen\nwerden wurde. Die verzogerte Eingabe der Daten nach dem vorgegebenen Stichtag\nhabe das aus Sicht der Klagerin bessere Geschaftsergebnis "gerettet" und sei\nein Beitrag fur die Entstehung ihres Pramienanspruches sowie jenes des Herrn\nW. gewesen.\n\n \n\n41\n\n \n\nHinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf die\nSchriftsatze der Beklagten vom 11.07.2008 (Bl. 368 ff. d. A.) und 14.07.2008\n(Bl. 381 f. d. A.) verwiesen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n42\n\n \n\nDie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemaß §§ 64 ff. ArbGG, 512\nff. ZPO zwar zulassig, in der Sache jedoch nicht begrundet.\n\n \n\n43\n\n \n\nDas zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhaltnis wurde durch die\nordentliche Kundigung vom 14.08.2007 rechtswirksam zum 31.01.2008 beendet; die\nrechtlichen Voraussetzungen fur die von der Klagerin beantragte Auflosung des\nArbeitsverhaltnisses gegen Zahlung einer Abfindung sind nicht erfullt. Dieses\nvon der Berufungsfuhrerin angegriffene Prozessergebnis hat das Arbeitsgericht\nMainz in seinem Urteil vom 27.02.2008 zu Recht festgestellt. Die\nBerufungskammer macht sich die rechtliche Begrundung des Ergebnisses durch das\nArbeitsgericht (vgl. Seite 14 ff. des erstinstanzlichen Urteiles = Bl. 238 ff.\nd. A.) nach Maßgabe der nachfolgenden Erganzungen zu Eigen und sieht von einer\nwiederholenden Darstellung gemaß § 69 Abs. 2 ArbGG ab.\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n44\n\n \n\nDie von der Klagerin mit ihrer Berufung gegen die Wirksamkeit der ordentlichen\nKundigung vom 14.08.2007 geltend gemachten Einwendungen greifen nicht durch.\nHierzu im Einzelnen:\n\n \n\n45\n\n \n\n**1.** Soweit die Klagerin die Auffassung vertritt, es fehle bereits an einem\npflichtwidrigen Verhalten, da die Loschung und Wiedereingabe von ca. 4.000\nÜberstunden in das EDV-System im Einverstandnis mit dem Geschaftsleiter, Herrn\nW. erfolgt sei, folgt dem die Berufungskammer nicht. Der Loschungs- und\nEinbuchungsvorgang beruhte nicht auf einer einseitigen Entscheidung des\nGeschaftsleiters und einer anschließenden Weisung an die Klagerin. Vielmehr\nhat die Klagerin - nach ihrem eigenen Sachvortrag - diese Vorgehensweise mit\ndem Geschaftsleiter und der Bereichsleiterin Systeme/Verwaltung Frau X.\ngemeinsam beraten und beschlossen, wobei alle drei Beteiligten die\nVorgehensweise nicht nur billigten, sondern mittrugen. Nimmt man die\nbetrieblich herausgehobene Stellung der Klagerin als Personalleiterin und\nihrer aktive Mitwirkung bei der Loschung und Wiedereinpflege der Überstunden\nhinzu, andert sich nichts dadurch am Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, dass\nder vorgesetzte Geschaftsleiter sein Einverstandnis erklart hat.\n\n \n\n46\n\n \n\nAußerdem steht auch der vorgetragene Umstand, Herr W. sei als Geschaftsleiter\nbei der Sanierung des Marktes C-Stadt von der Beklagten freie Hand eingeraumt\nworden, der Pflichtwidrigkeit nicht entgegen. "Freie Hand" konnte von Herrn W.\nund den ihm zugewiesenen Mitarbeitern jedenfalls nicht so verstanden werden,\ndass sie schalten und walten konnten wie sie wollten. Die Loschung von ca.\n4.000 tatsachlich angefallenen Überstunden aus dem EDV-System vor einem\nDatenabzug zur Erstellung des Geschaftsergebnisses durch die Beklagte und die\nkommentarlose anschließende Wiedereinstellung dieser Überstunden in das System\nnach Durchfuhrung des Datenabzugs war eine Manipulation, die mit der\nEinraumung der "freien Hand" fur jedermann erkennbar nichts zu tun hatte.\n\n \n\n47\n\n \n\n**2.** Das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass zur Loschung der\nÜberstunden der Aufruf des Stundenkontos jeden einzelnen Mitarbeiters\nnotwendig gewesen und hiermit ein erheblicher Zeitaufwand verbunden gewesen\nsei; es hat in diesem Zusammenhang auf "zu den Akten gereichte Unterlagen (Bl.\n171 ff. d. A.)" verwiesen. Wenn die Klagerin in diesem Zusammenhang eine\nVerletzung der Prozessleitungspflicht durch das Arbeitsgericht gerugt hat,\nweil ihr diese Unterlagen unbekannt seien, ist lediglich festzustellen, dass\ndie Klagerin aus der bloßen Aktenblattzahl nicht entnehmen konnte, welche\nUnterlagen das Arbeitsgericht meint. Jedoch ergibt sich aus dem Zusammenhang\nder arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgrunde, dass es sich nur um die Anlagen\nzu dem erstinstanzlichen Schriftsatz der Beklagten vom 20.12.2007 gehandelt\nhaben kann. Nur dort sind die Loschungsvorgange fur jeden einzelnen\nMitarbeiter wie auch die Wiedereingabevorgange im einzelnen dokumentiert. Die\nAnlagen B 7 ff. zum Schriftsatz der Beklagten vom 20.12.2007 lagen der\nKlagerin wahrend des erstinstanzlichen Verfahrens rechtzeitig vor der\nmundlichen Verhandlung des Arbeitsgerichtes vor.\n\n \n\n48\n\n \n\nUnabhangig hiervon hat die Klagerin den Inhalt des vom Arbeitsgericht hier\nverwerteten Sachverhaltes - erheblicher Zeitaufwand fur das Loschen der Daten\n- weder erst- noch zweitinstanzlich bestritten, so das dessen Verwertung nach\nAuffassung der Berufungskammer nichts entgegensteht.\n\n \n\n49\n\n \n\n**3.** Die Klagerin fuhrt weiter aus, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon\nausgegangen, die Loschung und Wiedereingabe der Daten sei erfolgt, "um\nPersonalkosten zu schonen"; dies sei unzutreffend, da man lediglich der\nÜberstunden "habe Herr werden wollen" und gleichzeitig steuerliche Nachteile\nwegen fehlender Ruckstellung habe vermeiden wollen. Nach Überzeugung der\nBerufungskammer war aber fur die Klagerin Hauptmotiv fur ihr Vorgehen, die\nAbsicht zu verhindern, dass das Ansehen der Mitarbeiter A., X. und W. als\nerfahrenes und bislang erfolgreiches Sanierungsteam im Unternehmen nicht durch\nzu hohe Personalkosten Schaden nimmt. Sie hat hierdurch indirekt auch ihren\neigenen weiteren beruflichen Werdegang bei der Beklagten absichern wollen.\nDies wird insbesondere dadurch deutlich, dass sie in ihrer Berufungsbegrundung\n(Seite 10 unten = Bl. 324 d. A.) wie auch wahrend der Berufungsverhandlung\nerlautert hat, die drei genannten Mitarbeiter hatten durch das gemeinsame\nVorgehen nicht fur die auf ca. 26.000 aufgelaufene Anzahl von Überstunden\ninsgesamt verantwortlich gemacht werden sollen; der großte Teil dieser\nÜberstunden stamme aus einer Zeit, wahrend der die Mitarbeiter A., X. und W.\nnoch gar nicht in C-Stadt tatig gewesen seien. Die hier zutage tretende\nIntention einer Absicherung der eigenen beruflichen Karriere war fur die\nKlagerin zwar nicht mit unmittelbaren finanziellen Vorteilen verbunden, hatte\naber langerfristig zu solchen Vorteilen jedenfalls beitragen konnen.\n\n \n\n50\n\n \n\nMithin ist die vom Arbeitsgericht festgestellte Motivation, Personalkosten zu\nschonen, zum Zeitpunkt der Loschung der Überstunden in jedem Fall gegeben\ngewesen. Demgegenuber ist der Einwand der Klagerin, sie habe der unubersehbar\ngewordenen Zahl von Überstunden Herr werden wollen, kein Rechtfertigungsgrund\nfur die Loschung. Man wird nicht auf legale Weise einer bestehenden Anzahl von\ndokumentierten Überstunden Herr, indem man die Dokumentation rechtswidrig\nloscht. Des Weiteren ist auch klar ersichtlich, dass die Loschung nicht mit\nfehlenden Ruckstellungen im Jahresabschluss begrundet werden kann. Die\ngeloschten Überstunden waren namlich tatsachlich angefallen, so dass\nnachtragliche Ruckstellungen hierfur im Jahresabschluss von der Beklagten\nhatten gebildet werden mussen, auch wenn hierdurch das von dem Sanierungsteam\nerzielte Betriebsergebnis weniger positiv ausgefallen ware. Der Hinweis auf\ndie Vermeidung von Ruckstellungen ist mithin ein Versuch der Klagerin, ihr\npflichtwidriges Verhalten mit bilanztechnischen Grunden zu rechtfertigen, die\naber tatsachlich nicht gegeben waren.\n\n \n\n51\n\n \n\n**4.** Unzutreffend ist auch der Einwand der Klagerin, sie habe die Vorgange\nnicht verheimlicht, also nicht manipulativ gehandelt, weil die Existenz der\nursprunglich geloschten ca. 4.000 Überstunden nach Wiedereinpflege in das\nSystem der Beklagten im Zuge weiter Datenabzuge habe bekannt werden mussen.\n\n \n\n52\n\n \n\nZunachst einmal hat die Klagerin den Grund fur die Loschung der Überstunden\ngegenuber einer nachfragenden Arbeitnehmerin falsch dargestellt und schon\ninsoweit manipulativ gehandelt. Auf Nachfrage der Teamleiterin Kasse Frau S.\nvom 30.09.2007, wo denn die ursprunglich erfassten 154 Überstunden einer\nKassiererin verblieben seien, antwortete die Klagerin unstreitig, man ube\ngerade den Jahresabschluss, es scheine nicht zu klappen, sie werde die Stunden\nuberprufen, man solle jetzt mal die Überstunden der Leute nicht beachten, da\ndie Abschlusse liefen und es auch mal zur Korrekturbuchungen kommen konne.\nDiese unwahren Angaben verschleierten den wahren Sachverhalt und stehen auch\nin Widerspruch zu der im laufenden Rechtsstreit von der Klagerin angegebenen\nMotivation fur die Loschung und Wiedereingabe der Überstunden.\n\n \n\n53\n\n \n\nDaruber hinaus war die Wiedereingabe der Überstunden in das EDV-System vom\n04.07.2007, veranlasst durch die Klagerin und durchgefuhrt von Frau X., ohne\njegliche Mitteilung an die Beklagte erfolgt. Im Unterlassen dieser Mitteilung\nist angesichts der Gesamtumstande ein Beitrag zur Verheimlichung der Vorgange\nzu sehen. Selbst wenn man namlich unterstellt, dass die Beklagte routinemaßig\nweitere Datenabzuge nach dem 03.07.2007 durchgefuhrt hatte, die sich auf den\nInhalt des Jahresabschlusses noch hatten auswirken konnen - von einer solchen\nUnterstellung geht die Berufungskammer im Unterschied zum erstinstanzlichen\nGericht durchgehend aus - hatte angesichts des außergewohnlichen Umstandes,\ndass ca. 4.000 Überstunden fur mehrere Tage, darunter auch fur den Tag des von\nder Beklagten ausdrucklich angekundigten und durchgefuhrten Datenabzugs aus\ndem EDV-System "verschwunden" waren, eine ausdruckliche Klarstellung und\nOffenlegung des gesamten Vorganges gegenuber der Unternehmensleitung erfolgen\nmussen. Die kommentarlose Wiedereinstellung der Überstunden vom 04.07.2007\nmusste der Beklagten als Fortsetzung des von einer Verschleierungsabsicht\ngetragenen Handelns der Klagerin erscheinen. Dies umso mehr als die\nWiedereinstellung der Überstunden aus Sicht der Beklagten vor allem durch die\nRuge der Teamleiterin Kasse und der in diesem Zusammenhang von der Klagerin\ngegebenen Erklarung veranlasst sein konnte und nicht, um die Beklagte in\nErwartung weiterer Datenabzuge zu informieren. Eine solche indirekte\nInformation hatte zudem vorausgesetzt, dass die unterschiedlichen Angaben bei\nden Datenabzugen von der Beklagten bemerkt und zutreffend verwertet werden.\nDies konnte nicht von vornherein fur die Klagerin selbstverstandlich sein.\n\n \n\n54\n\n \n\n**5.** Wenn die Klagerin weiter ausfuhrt, sie habe im Rahmen der ihr\nubertragenen Kompetenzen gehandelt, ist dies fur die Berufungskammer nicht\nnachvollziehbar. Unter Ziffer 5.4 der Arbeits- und Betriebsordnung - C.\nC-Stadt heißt es: "Nur die Personalabteilung, die Teamleiter und deren\nBeauftragte durfen Korrekturen der durch das Zeiterfassungsgerat und des\nPersonaleinsatzplanes erfassten Arbeitszeit vornehmen."\n\n \n\n55\n\n \n\nVorliegend ging es aber nicht um eine bloße Korrektur der erfassten\nArbeitszeit. Bei der Loschung der angefallen ca. 4.000 Überstunden war eine\nArbeitszeit betroffen, die nach vorheriger Beratung und Übereinkunft zwischen\nMarktleitung und Betriebsrat als tatsachlich angefallen zu behandeln war. Die\nbloße Loschung von tatsachlich angefallen Überstunden ist keine Korrektur im\nSinne der oben zitierten Arbeits- und Betriebsordnung, sondern eine\nunzulassige Manipulation der EDV-Dokumentation.\n\n \n\n56\n\n \n\nDurch die Wiedereingabe der ca. 4.000 Überstunden in das EDV-System vom\n04.07.2007 wurde zwar die zutreffende Arbeitszeit wieder dokumentiert und -\nrein technisch gesehen - die unrichtige Dokumentation korrigiert. Dies\nrechtfertigt aber nicht die von der Klagerin vorgenommene Wertung, der\nGesamtvorgang sei durch die ihr als Personalleiterin eingeraumten Kompetenzen\ngedeckt. Vielmehr muss der Einzelvorgang der Wiedereingabe der Überstunden im\nGesamtzusammenhang - die Teamleiterin Kasse rugt fehlende Überstunden, ein\nDatenabzug ohne die geloschten Überstunden ist gerade erfolgt, die\nWiedereingabe wird ohne Mitteilung an die Beklagte durchgefuhrt - gesehen und\nbewertet werden. Dabei kann nach Überzeugung der Berufungskammer nicht\nfestgestellt werden, dass das Verhalten der Klagerin durchgehend im Rahmen ihr\nubertragener Kompetenzen erfolgte.\n\n \n\n57\n\n \n\n**6.** Auch der Auffassung der Klagerin, ihr (Fehl-)verhalten sei nicht\nschwerwiegend, da sie ohne Bereicherungsabsicht gehandelt habe, folgt die\nBerufungskammer nicht. Wie oben bereits ausgefuhrt war das Verhalten der\nKlagerin wesentlich dadurch gepragt, dass sie das Ansehen des Sanierungsteams\nund damit ihr eigenes berufliches Fortkommen absichern wollte. Dass sie durch\ndie Manipulation der Überstundendokumentation keinen unmittelbaren\nwirtschaftlichen Vorteil erlangte, kann daher nicht dazu fuhren, dass man ihr\nVerhalten als eine nicht schwerwiegende Vertrauenspflichtverletzung einstuft.\n\n \n\n58\n\n \n\n**7.** Die Entbehrlichkeit einer Abmahnung vor Ausspruch der\nstreitgegenstandlichen ordentlichen Kundigung hat das Arbeitsgericht\nzutreffend festgestellt. Die Entbehrlichkeit entfallt nicht - wie aber von der\nKlagerin ausgefuhrt - dadurch, dass die Loschung der Überstunden ruckgangig\ngemacht wurde. Selbst wenn man auch hier unterstellt, dass weitere Datenabzuge\ndurch die Beklagte nach dem 03.07.2007 erfolgen sollten und diese auch noch\nEinfluss auf den Jahresabschluss haben konnten, handelt es sich insgesamt um\neine schwere Pflichtverletzung, deren Billigung seitens der Beklagten von der\nKlagerin unter keinen Umstanden erwartet werden konnte.\n\n \n\n59\n\n \n\nDie Wiedereinpflege der Überstunden in das EDV-System durch die Klagerin\nstellte sich aus Sicht der Beklagten insbesondere als Reaktion auf die Ruge\nder Teamleiterin Kasse vom 30.06.2007 dar. Diese Sichtweise ist angesichts des\nzeitlichen Ablaufs auch objektiv nachvollziehbar. Des Weiteren war der\nZeitpunkt der Wiedereingabe so gewahlt, dass der angekundigte Datenabzug vom\n03.07.2007 bereits erfolgt war und das Verstreichenlassen dieses Termins ohne\nvorherige Wiedereingabe von Daten zunachst zu einem fehlerhaften Datenbestand\nbei der Beklagten fuhrte. Dadurch dass zudem die Wiedereingabe der Überstunden\nvollkommen kommentarlos erfolgte und die vorausgegangene Loschung eine klare\nPflichtwidrigkeit bildete, wurde das Vertrauen der Beklagten in die von ihr\nals Personalleiterin beschaftigte Klagerin so schwerwiegend gestort, dass\ndiese nicht erwarten konnte, die Beklagte werde ihr Verhalten unter Umstanden\nbilligen.\n\n \n\n60\n\n \n\nUnzutreffend ist des Weiteren die Annahme der Klagerin, ihr Fehlverhalten\nrechtfertige keine negative Prognose. Die Loschung und Wiedereinstellung von\nabgeleisteter Arbeitszeit in das EDV-System musste aus Sicht der Beklagten den\nEindruck erwecken, dass die Klagerin den gerade gegeben außeren\nZwangslaufigkeiten Tribut zollt: Wurde das Geschaftsergebnis durch notwendigen\nRuckstellung verschlechtert, werden Überstunden geloscht. Beschwert sich eine\nMitarbeiterin uber die geloschten Überstunden, werden diese wieder in das EDV-\nSystem eingepflegt. Es konnte der Beklagten zumindest nicht ausgeschlossen\nerscheinen, dass die Klagerin auch in Zukunft sich weiter entsprechend\nverhalt, wenn die außeren Umstande dies veranlassen. Angesichts der Stellung\nder Klagerin im Betrieb und der Bedeutung des Gesamtvorganges fur die Beklagte\nwie auch fur die von ihr beschaftigten Arbeitnehmer im Markt C-Stadt, bestand\nkein Anlass fur die Beklagte, eine Wiederholung ahnlicher Verhaltensweisen der\nKlagerin fur die Zukunft mit der notwendigen Sicherheit auszuschließen.\n\n \n\n61\n\n \n\n**8.** Schließlich hat das Arbeitsgericht in der Interessenabwagung zu Recht\nlediglich die Beschaftigungszeit der Klagerin zu deren Gunsten bewertet.\n\n \n\n62\n\n \n\nDie Wiedereingabe der Überstunden in das EDV-System hat angesichts der oben\nbereits dargestellten Gesamtumstande nicht die rechtfertigende oder\nentschuldigende Bedeutung, die ihr die Klagerin beimessen will. Das\nVertrauensverhaltnis zwischen den Parteien ist schwerwiegend gestort, nicht\nzuletzt da die Wiedereingabe der Daten in das EDV-System ohne jegliche\nerlauternde Mitteilung der Klagerin erfolgte, die Rechtsanspruche der\nArbeitnehmer auf Überstundenvergutung durch die befristete Herausnahme der\nÜberstunden aus der EDV-Dokumentation ohne schutzenswerte Rechtfertigung\ngefahrdet wurden und die Klagerin als Personalleiterin eine hervorgehobene\nbetriebliche Position innehatte, ohne dass sie der hiermit verbundenen\nVerantwortung und Bezahlung beim Umgang mit den dokumentierten Überstunden\ngerecht worden ware. Entgegen der Auffassung der Klagerin kann dies auch nicht\ndadurch aufgewogen werden, dass sie im bisherigen Verlauf des\nArbeitsverhaltnisses drei von vier mit der Beklagten vereinbarten Arbeitsziele\nerreicht hat. Bisherige gute Arbeitsleistungen vermogen den vorliegenden\nschweren Vertrauensbruch nicht ungeschehen zu machen. Der Beklagten ist eine\nFortsetzung des Arbeitsverhaltnisses alles in allem nicht mehr zumutbar.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n63\n\n \n\nDie rechtlichen Voraussetzungen aus §§ 9, 10 KSchG fur eine Auflosung des\nArbeitsverhaltnisses gegen Zahlung einer Abfindung zum 31.01.2008 sind nicht\nerfullt. Auf die vollumfanglich zutreffenden Ausfuhrungen des Arbeitsgerichtes\nhierzu wird verwiesen. Die Klagerin hat in der Berufungsbegrundung - gegenuber\nihrem erstinstanzlichen Vortrag - keine neuen rechtlichen oder tatsachlichen\nAusfuhrungen gemacht. Daher ist auch eine weitere, erganzende Begrundung fur\ndie Abweisung dieses Klageantrages seitens der Berufungskammer nicht\nveranlasst.\n\n \n\n64\n\n \n\nNach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO\nzuruckzuweisen.\n\n \n\n65\n\n \n\nFur die Zulassung der Revision fehlte es unter Berucksichtigung von § 72 Abs.\n2 ArbGG an einem gesetzlich begrundeten Anlass.\n\n
103,744
olgrost-2008-12-11-i-wsrh-4208
483
Oberlandesgericht Rostock
olgrost
Mecklenburg-Vorpommern
Oberlandesgericht
I WsRH 42/08
2008-12-11
2018-11-23 16:30:06
2019-02-11 05:56:14
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\n \n\nDie sofortige Beschwerde wird als unbegrundet verworfen.\n\n \n\n \n\nKosten werden nicht erhoben. Ihre im Beschwerdeverfahren entstandenen\nnotwendigen Auslagen tragt die Antragstellerin selbst.\n\n#### Grunde\n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDie Antragstellerin ist die Tochter des im Jahre 1952 verstorbenen Eduard F.\nC. B., der nach dem Antragsvorbringen mit dem Fuhrunternehmer Kurt B.\n(Betroffener) identisch ist. Sie ist als solche nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 StrRehaG\nantragsberechtigt.\n\n2\n\n \n\nDer Betroffene war unter der Berufsbezeichnung "Fuhrunternehmer" im Grundbuch\nvon A. als Eigentumer des Hausgrundstucks S. Str. 10 (heute S. Str. 3) in A.\nmit einer Große von 743 qm eingetragen (Grundbuch von A. - S., Band 00, Blatt\n000).\n\n \n\n3\n\n \n\nNoch vor Kriegsende war der Betroffene am 27.04.1945 in die britischen\nBesatzungszone nach N./O. geflohen, um seiner drohenden Verhaftung zu\nentgehen. Er sei, so der Betroffene in einem Schreiben vom 19.03.1947 an die\nHaupttreuhandstelle Schwerin (Bl. 51 d.A.) - als Autobus - Unternehmer von der\nDeutschen Luftwaffe gezwungen worden, im Rahmen der Absetzbewegung einen\nTransport nach F. durchzufuhren. In die sowjetische Besatzungszone war er\nnicht mehr zuruckgekehrt. Sein Grundstuck wurde im Zuge des SMAD-Befehls Nr.\n124 vom 30.10.1945 - _Auferlegung von Sequestrierungsma ßnahmen und Übernahme\nin die zeitweilige Verwaltung von bestimmten Vermogenskategorien in\nDeutschland_ \\- sequestriert.\n\n4\n\n \n\nAufgrund dieses Befehls wurde das auf dem von der Roten Armee besetzten Gebiet\nbefindliche Vermogen bestimmter Personengruppen als unter Sequestration\nbefindlich erklart, und zwar u.a. das Vermogen der Amtspersonen der NSDAP,\nihrer fuhrenden Mitglieder und hervortretenden Anhanger (Ziffer 1b), weiterhin\nder Personen, die von dem Sowjetischen Militarkommando in besonderen\nVerzeichnissen oder auf anderen Wegen angegeben wurden (Ziffer 1f), sowie\nherrenlose Vermogen (Ziffer 2). Nach Ziffer 3 des SMAD-Befehls Nr. 154/181 vom\n21.05.1946 _betreffend die Nutzung der auf Grund der Befehle Nr. 124 und Nr.\n126 sequestrierten und konfiszierten G uter_ hatte die Übergabe der\nbetreffenden Vermogenswerte in Besitz und Verfugung deutscher\nSelbstverwaltungen der Lander und Bundesgebiete unter Aufstellung entsprechend\nrechtskraftig gestalteter Verzeichnisse zu erfolgen. Laut Ziffer 8 dieses\nSMAD-Befehls sollten die Prasidenten der Lander eine genaue Überprufung des\nkonfiszierten und sequestrierten Gutes durchfuhren und hierzu die ortlichen\nSelbstverwaltungsorgane heranziehen, weil der Verdacht bestand, dass die\nBefehle Nr. 124 und 126 im Einzelfall nicht richtig angewendet worden waren.\n\n5\n\n \n\nIn einer "Liste A" fur den Kreis U., betreffend _sonstige Verm ogenswerte, die\nnicht an den Eigentumer zuruckgegeben werden_ (Bl. 64 d.A.), wurde "Kurt B.,\nA., S. Str. 10" mit dem Vermogenswert Hausgrundstuck und dem\nBeschlagnahmegrund "SS-Mann" unter der laufenden Nr. 2 gefuhrt. Laut einem\nProtokoll der Sitzung der Landeskommission fur Sequestrierung und\nBeschlagnahme vom 16.10.1946 wurde bei der Überprufung der Sequestrierung des\nHausgrundstucks des Betroffenen einstimmig die Zuordnung zur "Liste A"\nbestatigt (Bl. 65 d.A.). Nach § 1 des _Gesetzes Nr. 4 zur Sicherung des\nFriedens durch Überfuhrung von Betrieben (Eigentumskategorien) der\nfaschistischen und Kriegsverbrecher in die Hande des Volkes_ vom 16.08.1946\nwurde das gesamte durch den Befehl Nr. 124 erfasste Vermogen enteignet und\ngem. § 2 des Gesetzes zu Eigentum der Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommerns\nerklart.\n\n \n\n6\n\n \n\nGemaß Beschluss der Deutschen Wirtschaftskommission vom 21.09.1948 wurde das\nGrundstuck schließlich in volkseigenes Vermogen uberfuhrt. Mit\nÜbertragungsurkunde Nr. 000/0 vom 01.09.1949 ubertrug die Landesregierung\nMecklenburg - Ministerium des Inneren - die Verwaltung des Hausgrundstucks dem\nKommunalen Wirtschaftsunternehmen der Gemeinde S. A., das zusatzlich zu der\nbestehenden Eintragung "Eigentum des Volkes" am 23.02.1950 als Eigentumer in\ndas Grundbuch eingetragen wurde.\n\n \n\n7\n\n \n\nDie Antragstellerin hatte zunachst vor dem Verwaltungsgericht Greifswald auf\nRuckubertragung des Grundstucks nach dem Gesetz zur Regelung offener\nVermogensfragen (VermG) geklagt, die Klage wurde jedoch mit Urteil vom\n19.02.1998 unter Hinweis auf § 1 Abs. 8 Buchst. a) VermG mit der Begrundung\nabgewiesen, die erfolgte Enteignung sei auf besatzungshoheitlicher Grundlage\nerfolgt.\n\n \n\n8\n\n \n\nDie Antragstellerin begehrt nunmehr die strafrechtliche Rehabilitierung des\nBetroffenen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG). Im\nEinzelnen beantragt sie,\n\n \n\n9\n\n \n\n1\\. den von der Kommission fur Beschlagnahme und Sequestration beim\nInnenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern gegen Kurt B. erhobenen\nSchuldvorwurf, Kurt B. sei Kriegsverbrecher gewesen, weil er mit seinem von\nder Wehrmacht requirierten Autobus Soldaten von der Ostfront nach Westen\ntransportiert habe,\n\n \n\n10\n\n \n\n2\\. die Anordnung der Einziehung des betrieblichen und sonstigen privaten\nVermogens des Kurt B.\n\n \n\n11\n\n \n\njeweils fur rechtsstaatswidrig zu erklaren und aufzuheben.\n\n \n\n12\n\n \n\nMit Beschluss vom 28.08.2008 - dem Verfahrensbevollmachtigten zugestellt am\n02.10.2008 - hat die zustandige Rehabilitierungskammer des Landgerichts\nSchwerin (Az.: 97 Rh 121/02) den Rehabilitierungsantrag als unzulassig\nzuruckgewiesen.\n\n \n\n13\n\n \n\nHiergegen richtet sich die am 08.10.2008 beim Landgericht eingegangene\nBeschwerde, mit welcher die Antragstellerin die strafrechtliche\nRehabilitierung ihres Vaters unverandert weiterverfolgt.\n\n \n\n**II.**\n\n14\n\n \n\nDie gemaß § 13 Abs.1 StrRehaG statthafte und auch im ubrigen zulassige\nBeschwerde ist unbegrundet.\n\n \n\n15\n\n \n\n1\\. Das Landgericht Schwerin war fur die angefochtene Entscheidung ortlich\nzustandig, § 8 Abs. 1 StrRehaG.\n\n \n\n16\n\n \n\nDie ortliche Zustandigkeit wird - abschließend - begrundet durch den Ort, an\ndem die angegriffene Entscheidung getroffen worden ist (Pfister/Mutze,\nRehabilitierungsrecht, 1994, § 8 Rn. 5 und 6). Die Beschwerdefuhrerin wendet\nsich mit ihrem Rehabilitierungsbegehren ausdrucklich gegen den Beschluss der\nLandeskommission fur Sequestrierung und Beschlagnahme in Schwerin vom\n16.10.1946, mit dem die endgultige Zuordnung des streitgegenstandlichen\nHausgrundstucks zur "Liste A" der sequestrierten Vermogenswerte erfolgte, was\nwiederum Grundlage fur die nachfolgende Überfuhrung in Volkseigentum war.\n\n \n\n17\n\n \n\n2\\. Zu Recht und mit einer in jeder Hinsicht zutreffenden Begrundung, auf die\nder Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, hat das Landgericht\ndas Rehabilitierungs-begehren der Antragstellerin als unzulassig\nzuruckgewiesen. Die zur rehabilitierungsrechtlichen Überprufung gestellte\nEntscheidung der Kommission fur Beschlagnahme und Sequestration beim\nInnenministerium des Landes Mecklenburg ist keine **strafrechtliche** Maßnahme\nim Sinne von § 1 Abs. 5 StrRehaG.\n\n \n\n18\n\n \n\nDas umfangliche Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung der\nSach- und Rechtslage. Fur die von der Antragstellerin erstrebte\nstrafrechtliche Rehabilitierung des Betroffenen gibt es keine gesetzliche\nGrundlage.\n\n \n\n19\n\n \n\n**1.** Zwar findet nach § 1 Abs. 5 StrRehaG das Strafrechtliche\nRehabilitierungsgesetz (StrRehaG) auch auf solche Maßnahmen Anwendung, bei\ndenen es sich - wie hier - nicht um eine gerichtliche Entscheidung im Sinne\nvon § 1 Abs. 1 StrRehaG handelt. Zudem erfasst § 1 Abs. 5 StrRehaG nicht nur\nsolche Maßnahmen, die in einem formlichen Strafverfahren erfolgt sind. Da\ndiese Norm auch systembedingtes Unrecht im Vorfeld einer geordneten\nstrafrechtlichen Verfolgung erfassen soll, kommt ihre Anwendung daruber\nhinausgehend auch auf alle solchen staatlichen Zwangsmaßnahmen in Betracht,\nbei denen ein inhaltlicher oder thematischer Zusammenhang mit dem Vorwurf\neiner nach den Gesetzen der fruheren DDR oder ihrer Rechtspraxis strafbaren\nHandlung besteht (vgl. Bruns/Schroder/Tappert, StrRehaG, § 1 Rn. 185;\nKammergericht, VIZ 1993, 88; OLG Rostock [2. Senat], OLG-NL 1996, 288; ebenso\nOLG Dresden, Beschluss vom 09.05.2007 - 1 Reha Ws 32/06 -). Voraussetzung ist\naber - nicht zuletzt im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes -\nstets, dass der jeweiligen Maßnahme ein strafrechtlicher Charakter zukommt,\nmit der zu beurteilenden Zwangsmaßnahme mithin aus damaliger Sicht eine\nspezifisch strafrechtliche Vergeltung fur das missbilligte individuelle\nVerhalten bezweckt war. Das ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall.\n\n \n\n20\n\n \n\n**2.** Der Senat verkennt nicht, dass im Rahmen der Beschlagnahme bzw.\nSequestration von Vermogenswerten, die in der damaligen sowjetischen\nBesatzungszone durchgefuhrt wurden, grobes Unrecht geschehen sein kann. Dies\nrechtfertigt indes nicht eine weder vom Gesetzeswortlaut ("strafrechtliche\nMaßnahmen") noch vom Gesetzeszweck gedeckte erweiternde Auslegung des § 1 Abs.\n5 StrRehaG gegen den ausdrucklichen Willen des Gesetzgebers, wie sie der\nVerfahrensbevollmachtigte der Antragstellerin offenbar erstrebt.\n\n \n\n21\n\n \n\nZwar kann - wie ausgefuhrt - nach § 1 Abs. 5 StrRehaG eine Rehabilitierung\nauch fur solche Maßnahmen in Betracht kommen, die keine gerichtlichen\nEntscheidungen sind. Dies kann indes nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes,\naber auch nach dem ausdrucklichen Willen des Gesetzgebers, nur fur politisch\nmotivierte Maßnahmen **strafrechtlichen** Charakters gelten, die außerhalb\neines formlichen Strafverfahrens und ohne Beteiligung eines Gerichts ergangen\nsind. Dem Gesetzgeber standen im damaligen Gesetzgebungsverfahren insoweit die\nIngewahrsamnahme von Personen durch das Ministerium fur Staatssicherheit (MfS)\nohne Beachtung rechtsstaatlicher Grundsatze sowie die Beschlagnahme von\nVermogenswerten in einem spater eingestellten Ermittlungsverfahren oder die\n"Sicherstellung" von Vermogenswerten durch das MfS außerhalb eines geregelten\nStrafverfahrens vor Augen (vgl. BT-Drucksache 12/1608, S.18), nicht aber auch\nEntscheidungen der auf besatzungshoheitlicher Grundlage operierenden\nLandesregierungen bei der Umsetzung von SMAD-Befehlen, hier der Befehle Nr.\n124 und 64. Hatte der Gesetzgeber auch diese als nach dem StrRehaG zu\nrehabilitierende und gegebenenfalls zu entschadigende Maßnahmen ansehen\nwollen, ware dies ausdrucklich bestimmt worden. Weder dem Wortlaut des\nGesetzes noch der amtlichen Begrundung ist ein entsprechender Wille des\nGesetzgebers zu entnehmen.\n\n22\n\n \n\nDiese Grundentscheidung des Gesetzgebers, an die die Gerichte gebunden sind,\nwurde missachtet, wenn derartige Vorgange nunmehr im Wege der Analogie unter\nstrafrechtlichen Gesichtspunkten einer Rehabilitierung zuganglich gemacht\nwurden (vgl. Beschluss des Senats vom 27.05.2008 - I WsRH 22/07 - fur\nEntscheidungen der Entnazifizierungskommissionen). Die Rechtsprechung des\nSenates befindet sich insofern im Einklang mit der allgemeinen\nobergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. die von der Generalstaatsanwaltschaft\nzitierte Rechtsprechung in ihrer Zuschrift vom 05.11.2008).\n\n \n\n23\n\n \n\n**3.** Auch der Umstand, dass der Gesetzgeber die damaligen Enteignungen auf\nbesatzungshoheitlicher Grundlage ausdrucklich der verwaltungsrechtlichen\nRehabilitierung entzogen hat (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG i. V. m. § 1 Abs.\n8 lit a VermG), kann nicht dazu fuhren, sie stattdessen im Wege einer uber den\neindeutigen Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 5 StrRehaG hinausgehenden Auslegung\nder strafrechtlichen Rehabilitierung zuganglich zu machen (standige\nRechtsprechung des Senat, vgl. Beschluss vom 24.09.2008 - I WsRH 30/08\nm.w.N.).\n\n \n\n24\n\n \n\nDamit ist auch fur eine Entscheidung, ob die von der Sequesterkommission\nerfolgte Einordnung des Betroffenen als "SS-Mann" zutreffend war, kein Raum.\nSoweit die Beschwerdefuhrerin die Ansicht vertritt, auf ihrem Vater laste\nallein aufgrund seines damaligen sozialen Status postmortal der Makel der\npolitischen Verfolgung, ist dieser Umstand ebenfalls einer strafrechtlichen\nRehabilitierung nicht zuganglich. Die Anordnung der Einziehung des im\nHausgrundstuck verkorperten Vermogens des Betroffenen stellt keine politisch\nmotivierte Strafverfolgung als Ausdruck von Missbrauch staatlicher Strafgewalt\ndar, weil ihr - wie bereits festgestellt - kein auf einen individuellen\nSchuldvorwurf (in Form eines Verstoßes gegen ein bestimmtes Strafgesetz)\ngegrundetes Straf- oder Ermittlungsverfahren vorausging. Deswegen ist dem\nSenat auch eine Feststellung verwehrt, ob der vom Gesetz Nr. 4 erfasste\nPersonenkreis als pauschal verfolgt anzusehen bzw. die Einziehung seines\nVermogens als Mittel des Klassenkampfes zu werten ist.\n\n \n\n25\n\n \n\nDer Senat hat keine Veranlassung, die Sache gem. § 13 Abs. 4 StrRehaG i.V.m. §\n121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof vorzulegen, weil die gesetzlichen\nVoraussetzungen hierfur nicht erfullt sind. Es ist nichts dafur ersichtlich,\ndass der Senat mit seiner Entscheidung von der Entscheidung eines anderen\nOberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofes abweicht.\n\n \n\n**III.**\n\n26\n\n \n\nDie Entscheidung uber die Gebuhren folgt aus § 14 Abs. 1 StrRehaG; die\nEntscheidung uber die der Antragstellerin entstandenen notwendigen Auslagen\naus § 14 Abs. 4 StrRehaG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.\n\n
103,904
lagmv-2008-09-16-2-sa-11908
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
2 Sa 119/08
2008-09-16
2018-11-23 17:30:16
2019-02-14 06:18:04
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nI. Die Berufung der Klägerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.\n\n \n\nII. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten darüber, inwieweit die Beklagte der Klägerin zu\nSchadensersatz- und Schmerzensgeldzahlungen im Zusammenhang mit einem\nVerkehrsunfall vom 17. Dezember 2004 verpflichtet ist.\n\n2\n\n \n\nAm 17. Dezember 2004 fuhr die Klägerin im Rahmen ihrer betrieblichen Tätigkeit\nzur Ausbildung als Fahrausweisprüferin zusammen mit zwei Kollegen in einer\nStraßenbahn der Beklagten, als es zu einer Bremsung kam, deren Intensität\nstreitig ist. Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich geltend gemacht, die\nBremsung sei durch einen bis heute unbekannt gebliebenen Pkw-Fahrer verursacht\nworden, der der Straßenbahn die Vorfahrt genommen habe. Es habe sich um eine\nNotbremsung gehandelt. Eine Kollegin der Klägerin sei gegen sie gestürzt und\nsie sei sodann über eine hinter ihr befindliche Sitzlehne gestürzt. Sie habe\nsich zwar mit der Hand an der Sitzlehne festgehalten, dies habe jedoch nicht\nausgereicht, den Sturz zu verhindern. Sie habe unter massiven Beschwerden im\nBereich der Wirbelsäule gelitten.\n\n3\n\n \n\nHinsichtlich des weiteren Sachverhaltes wird auf den Tatbestand des Urteils\ndes Arbeitsgerichts Rostock vom 26.02.2008 - 3 Ca 2482/06 - Bezug genommen.\n\n4\n\n \n\nEine Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld, Schadensersatz und einer\nmonatlichen Schadensersatzrente sowie der Feststellung, dass die Beklagte\nverpflichtet sei, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden\naus dem Vorfall vom 17.12.2004 zu ersetzen, hat das Arbeitsgericht Rostock\ndurch die vorgenannte Entscheidung abgewiesen.\n\n5\n\n \n\nEs hat ausgeführt, sämtliche etwaigen Pflichtverletzungen der Beklagten, die\nzum Unfall der Klägerin am 17.12.2004 führten, seien vom Haftungsprivileg des\nArbeitgebers aus § 104 SGB VII ersetzt. Ein Wegeunfall liege nicht vor. Die\nKlägerin könne ihre Forderungen auch nicht auf eine vom Arbeitsunfall\nlosgelöste, eigenständige Schadensersatzpflicht des beklagten Arbeitgebers\nstützen. Es seien zwar Fallkonstellationen denkbar, in denen der Arbeitgeber\nseinem Arbeitnehmer auch nach Vorliegen eines Arbeitsunfalles zum Ersatz von\nPersonenschäden verpflichtet sei. Dies komme beispielsweise in Betracht, wenn\nein Arbeitgeber pflichtwidrig den Namen des betriebsfremden Schädigers nicht\noffenbare. Das Haftungsprivileg gelte für Personenschäden aus einem\nArbeitsunfall, nicht für Vermögensschäden aus anderweitigen\nPflichtverletzungen. Im vorliegenden Fall sei der Tatsachenvortrag der\nKlägerseite jedoch viel zu unvollständig. Im Übrigen wird auf die\nEntscheidungsgründe Bezug genommen.\n\n6\n\n \n\nDieses Urteil ist der Klägerin am 08.04.2008 zugestellt worden. Sie hat\ndagegen Berufung eingelegt, die am 18.04.2008 beim Landesarbeitsgericht\neingegangen ist. Nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Grund eines\nrechtzeitig eingegangenen Antrages bis zum 09.07.2008 verlängert worden ist,\nist die Berufungsbegründung am 04.07.2008 beim Landesarbeitsgericht\neingegangen.\n\n7\n\n \n\nDie Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe ihr gegenüber eine\nFürsorgepflicht verletzt, weil sie keine Vorkehrungen dafür getroffen habe,\ndass das Kennzeichen des die Bremsung verursachenden Kraftfahrzeuges\nfestgehalten wird. Eine derartige Verpflichtung sei noch nicht einmal in\nDienstanweisungen festgehalten. Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründung\nBezug genommen.\n\n8\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n9\n\n \n\nunter Abänderung des am 26.02.2008 verkündeten und 08.04.2008 zugestellten\nUrteils des Arbeitsgerichts Rostock (Az: 3 Ca 2482/06)\n\n10\n\n \n\n1\\. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes\nSchmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem\nBasiszinssatz seit 15.08.2006 zu zahlen.\n\n11\n\n \n\n2\\. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8.139,99 EUR nebst Zinsen in\nHöhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 9.073,10 EUR seit\n15.08.2006 bis 13.12.2007 und auf 8.139,99 EUR seit 14.12.2007 zu zahlen.\n\n12\n\n \n\n3\\. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ab Februar 2007 eine\nmonatliche Schadensersatzrente für entgangenen Verdienst in Höhe von vorläufig\n397,52 EUR zu zahlen.\n\n13\n\n \n\n4\\. Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche\nmateriellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Klägerin ab\nRechtshängigkeit aus dem Unfall in der Straßenbahn der Beklagten vom\n17.12.2004 entstehen werden, soweit diese nicht infolge Legalzession auf\nSozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.\n\n14\n\n \n\nAußerdem wird der Rechtsstreit hinsichtlich des Klagantrages zu 2) in Höhe von\n933,11 EUR für erledigt erklärt und insoweit beantragt,\n\n15\n\n \n\ndie Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.\n\n16\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n17\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n18\n\n \n\nSie tritt der angefochtenen Entscheidung bei. Hinsichtlich des weiteren\nVorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst\nAnlagen Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n19\n\n \n\nDie zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht\ndie Klage abgewiesen.\n\n20\n\n \n\n1\\. Entgegen der Auffassung der ersten Instanz sind die Ansprüche der Klägerin\ngegen die Beklagte schon deshalb ausgeschlossen, weil ein Arbeitsunfall gem. §\n104 SGB VII vorliegt. Unstreitig ist das schädigende Ereignis für die Klägerin\nein Versicherungsfall gewesen, also ein Arbeitsunfall, der ein\nVersicherungsfall im Sinne des § 104 Abs. 1 SGB VII darstellt. Liegt jedoch\nein Arbeitsunfall vor, können die hier geltend gemachten Ansprüche gegen die\nBeklagte nach der vorgenannten Vorschrift nur dann geltend gemacht werden,\nwenn die Beklagte den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt oder es sich\num einen Wegeunfall gehandelt hätte. Weder eine vorsätzliche Verursachung der\nBeklagten noch ein Wegeunfall liegt vor.\n\n21\n\n \n\nEs besteht zwar im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass die Klägerin zur\nBegründung ihres Anspruches nicht die Verursachung der im Einzelnen streitigen\nBremsung und den dadurch weiterhin streitigen Personenschaden der Beklagten\nvorwirft. Die Klägerin wirft der Beklagten vielmehr vor, sie habe es\npflichtwidrig unterlassen, dafür Sorge zu tragen, dass das Pkw-Kennzeichen des\nUnfallverursachers festgehalten wird.\n\n22\n\n \n\nDieses Unterlassen war selbstverständlich nicht kausal für die Verletzungen\nder Klägerin. Darauf kommt es jedoch bei § 104 SGB VII nicht an. Paragraph 104\nSGB VII stellt den Arbeitgeber grundsätzlich von Personenschäden frei, wenn\nein Arbeitsunfall vorliegt. Ob der Personenschaden vom Arbeitgeber verursacht\nworden ist, indem er für eine Verletzungshandlung einen Tatbeitrag geleistet\nhat, oder ob er im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall Fürsorgepflichten\nverletzt hat, ist unerheblich. Die sozialpolitische Begründung für die\nAbweichung vom allgemeinen deliktischen und vertraglichen Haftungsprinzip wird\ndarin gesehen, dass die gesetzliche Unfallversicherung, die derartige\nPersonenschäden abdeckt, ausschließlich aus Arbeitgeberbeiträgen finanziert\nwird. Die Haftungsbefreiung ist eine Gegenleistung für diese Beiträge.\n\n23\n\n \n\nEin weiteres, ebenso wichtiges Motiv ist das Friedensargument. Die\nArbeitsbeziehungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer sowie\ninnerhalb der Gruppe der Arbeitnehmer soll entlastet werden. Beide Argumente\ntreffen auch für den Fall zu, dass der Arbeitgeber sonstige Fürsorgepflichten\nim Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall verletzt hat. Entscheidend bleibt,\ndass die Klägerin Ersatz von Schäden begehrt, die aus einem Arbeitsunfall\nstammen. Die letztlich entscheidende Kausalität dafür, dass die Klägerin von\nder Beklagten Geld haben will, ist nämlich nicht die Verletzung von\nFürsorgepflichten, sondern der Umstand, dass die Klägerin einen\nPersonenschaden erlitten hat.\n\n24\n\n \n\nDas Argument, dass es aber unbefriedigend sei, wenn der Arbeitgeber einen\nSchädiger seines Arbeitnehmers ohne die Feststellung von Personalien\nweitergehen lasse und so verhindere, dass der Arbeitnehmer den Schädiger\ndirekt in Anspruch nehmen könne, ist unerheblich. Wenn der Arbeitgeber\nvorsätzlich eine Personalienfeststellung unterlässt, wird man in\nentsprechender Anwendung des § 104 eine Anwendung des Haftungsprivileges\nverneinen müssen. Bei einem fahrlässigen Unterlassen der Feststellung haben\ndie zuvor aufgeführten Argumente der Finanzierung und des Friedens im Betrieb\ndie gleiche Bedeutung, wie bei einem Kausalitätsbeitrag des Arbeitgebers zu\ndem eigentlichen Arbeitsunfall.\n\n25\n\n \n\n2\\. Lediglich aus Befriedigungsgründen sei auch noch darauf hingewiesen, dass\nder Anspruch auch aus tatsächlichen Gründen nicht besteht. Insoweit kann\nzunächst auf die zutreffenden Ausführungen der ersten Instanz Bezug genommen\nwerden.\n\n26\n\n \n\nDie Klägerin ist für die Tatsachen, auf Grund derer sie ihre Ansprüche gegen\ndie Beklagte begehrt, darlegungs- und beweispflichtig. Zu dieser Darlegungs-\nund Beweispflicht gehört auch, dass die Klägerin eine Verpflichtung der\nStraßenbahnfahrerin darlegt, das Kennzeichen des angeblich den Vorfall\nverursachenden Pkw\'s zu erfassen.Hierzu wäre erforderlich, dass die Klägerin\nzumindest Anhaltspunkte dafür unter Beweis stellt, dass die Bremsung von einer\nIntensität war, die Schäden bei den Fahrgästen als möglich erscheinen lassen.\n\n27\n\n \n\nDie Beklagte hat lediglich eine Bremsung eingeräumt. Eine Straßenbahnfahrerin\nist nicht bei jeder Bremsung verpflichtet, das Kennzeichen von einem Pkw, der\nfür die Bremsung ursächlich geworden ist, festzuhalten. Eine derartige Pflicht\nwird man nur dann annehmen können, wenn die Bremsung von einer Intensität war,\ndass mit Personenschäden bei den Fahrgästen gerechnet werden muss. Indizien\nfür eine derartige Notbremsung hat die Klägerin nicht unter Beweis gestellt.\nObwohl sie bei dem Vorfall mit zwei Arbeitskollegen zusammen war, die den\nVorfall ebenso wahrgenommen haben müssen wie sie selbst, hat sie sowohl für\ndie angebliche Notbremsung als auch dafür, dass sie rückwärts über die\nSitzlehne gestürzt sei, lediglich Beweis durch Parteivernehmung ihrer selbst\nangeboten. Schließlich scheitert der Anspruch noch aus folgender Überlegung:\n\n28\n\n \n\nSelbst wenn man unterstellt, dass die Beklagte es pflichtwidrig unterlassen\nhat, die Straßenbahnfahrerin zu dem Feststellen von Kennzeichen in derartigen\nFällen anzuweisen, ist es immer noch fraglich, ob dieses Unterlassen für den\nSchaden kausal geworden ist. Selbst bei korrekten Anweisungen der Beklagten an\nihre Straßenbahnfahrer wäre nämlich immer noch erforderlich, dass die\nStraßenbahnfahrerin überhaupt in der Lage gewesen wäre, das Kennzeichen\nfestzuhalten. Dass hierfür nach der Bremsung noch ausreichend Zeit für den\nStraßenbahnfahrer war, das Kennzeichen aufzuschreiben, ist im vorliegenden\nFall reine Spekulation. Auch ein Sachverständiger wird derartige\nFeststellungen ohne Informationen darüber, mit welcher Geschwindigkeit der Pkw\nsich bewegt hat, nicht machen können.\n\n29\n\n \n\n3\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 5 ArbGG in Verbindung mit § 97\nZPO. Soweit die Klägerin den Rechtsstreit hinsichtlich eines Klageantrages in\nHöhe von 933,11 EUR für erledigt erklärt hat, führt dies zu keiner\nabweichenden Kostenentscheidung. Dies wäre nur dann denkbar, wenn die Klage\nanfänglich hinsichtlich dieses Betrages zulässig und begründet gewesen wäre.\nDies ist angesichts der vorangegangenen Ausführungen nicht der Fall.\n\n30\n\n \n\nZur Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG bestand kein Anlass.\n\n
105,673
fg-schleswig-holsteinisches-2007-11-29-5-k-14305
1,067
Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht
fg-schleswig-holsteinisches
Schleswig-Holsteinisches
Schleswig-Holstein
Finanzgerichtsbarkeit
5 K 143/05
2007-11-29
2018-11-24 13:30:18
2019-02-26 18:38:13
Urteil
ECLI:DE:FGSH:2007:1129.5K143.05.0A
#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nZwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Mitnahme von anderen\nArbeitnehmern zur Arbeitsstätte durch den Kläger als Geschäftsführer einer\nGmbH mittels eines ihm von der GmbH - u. a. auch für diesen Zweck - zur\nVerfügung gestellten PKW eine steuerbefreite unentgeltliche oder verbilligte\nSammelbeförderung von Arbeitnehmern im Sinne des § 3 Nr. 32 EStG darstellt.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Kläger ist Gesellschafter-Geschäftsführer der ... GmbH mit Sitz in X\n(nachfolgend GmbH). Geschäftsgegenstand der GmbH ist die .... Die GmbH übt\nihre operative Geschäftstätigkeit im Schlachthofzentrum in Y aus, welches 80\nkm von X entfernt ist. Dem Kläger wurde von der GmbH ein Dienstwagen auch für\nprivate Nutzungszwecke zur Verfügung gestellt. Er fährt mit dem Dienstwagen\nregelmäßig zur Arbeitsstätte im Schlachthofzentrum Y, wobei er weitere\nMitarbeiter der GmbH, welche teilweise auch in seinem Haus in X - dem\nVerwaltungssitz der GmbH - bzw. in dem Kläger dort gehörenden Räumlichkeiten\nwohnen, mitnimmt. Die GmbH und der Kläger trafen am 30. November 2001 die\nfolgende Vereinbarung:\n\n \n\n3\n\n \n\n“Die Gesellschaft stellt Ihnen einen firmeneigenen PKW zur Verfügung.\n\n4\n\n \n\nSie sind verpflichtet, mit diesem PKW weitere Arbeitnehmer der Gesellschaft\nfür den betrieblichen Einsatz, soweit es notwendig ist, zu den jeweiligen\nArbeitsorten mitzunehmen”.\n\n \n\n5\n\n \n\nDie GmbH führte wegen der Überlassung des Dienstwagens an den Kläger\nLohnsteuer auf der Grundlage der 1%-Regelung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2\nEinkommensteuergesetz (EStG) ab. Die Nutzungsmöglichkeit des PKW auch für\nFahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte blieb unversteuert. Die GmbH ging\ninsoweit von einer gemäß § 3 Nr. 32 EStG steuerfreien Sammelbeförderung des\nArbeitgebers aus, so dass § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht anzuwenden sei. Im\nAnschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung bei der GmbH gelangte der Beklagte -\ndas Finanzamt - zu der Überzeugung, dass der Befreiungstatbestand des § 3 Nr.\n32 EStG nicht einschlägig sei und erließ gegenüber dem Kläger wegen des\ngeldwerten Vorteils der Nutzung des Fahrzeugs auch für Fahrten zwischen\nWohnung und Arbeitsstätte am 16. März 2005 einen\nLohnsteuernachforderungsbescheid für den Zeitraum Januar bis einschließlich\nSeptember 2004 über insgesamt 2.872,06 EUR (Lohnsteuer 2.508, 31 EUR;\nSolidaritätszuschlag 138,03 EUR; evangel. Kirchensteuer 225,72 EUR).\n\n \n\n6\n\n \n\nHiergegen erhob der Kläger am 21. März 2005 Einspruch. Zur Begründung führte\ner im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen des § 3 Nr. 32 EStG erfüllt\nseien. Die Mitnahme der weiteren Arbeitnehmer sei schon wegen der ungünstigen\nArbeitszeiten im Schlachthofzentrum (Beginn 6:00 Uhr morgens)\nbetriebsnotwendig. Darüber hinaus sei ein einheitlicher Arbeitsbeginn\nunerlässlich. Die GmbH beschäftige auch ausländische Mitarbeiter, welche an\nihrem Verwaltungssitz Unterkunft erhielten und weder Auto noch Führerschein\nhätten. Die Mitnahme der Arbeitnehmer erfolge auch nicht aus eigenem Antrieb\ndes Klägers heraus, sondern im Interesse und im Auftrage der GmbH.\n\n \n\n7\n\n \n\nDer Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2005\nzurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass steuerbefreit eine\nSammelbeförderung nur dann sei, wenn sie mit einem vom Arbeitgeber gestellten\nFahrzeug erfolge, wobei das Fahrzeug dem betreffenden Personenkreis\ngleichermaßen zur Verfügung stehen müsse. Das sei hier wegen der vorrangigen\nÜberlassung des Fahrzeuges an den Kläger nicht der Fall.\n\n \n\n8\n\n \n\nMit der am 18. August 2005 erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen\ngeltend: Die Beurteilung des Finanzamts sei unzutreffend. Die Mitnahme der\nweiteren Arbeitnehmer erfolge nicht freiwillig, sondern aufgrund der Auflage\ndes Arbeitgebers in der Vereinbarung vom 30. November 2001. Im Übrigen komme\nes entscheidend auf die betriebliche Notwendigkeit der Mitnahme der weiteren\nArbeitnehmer an, welche hier gegeben sei. Der frühe Arbeitsbeginn sowie die\nNotwendigkeit einer gleichzeitigen Arbeitsaufnahme ließen eine Beförderung mit\nöffentlichen Verkehrsmitteln nicht in jedem Fall zu. Zwar würden einige\nArbeitnehmer der GmbH - insbesondere auch aus Y und Umgebung - mit dem eigenen\nFahrzeug zur Arbeitsstätte gelangen. Vielfach hätten aber vor allem auch\nausländische Arbeitnehmer, die auch im hier streitigen Zeitraum beschäftigt\nworden seien, kein eigenes Fahrzeug zur Verfügung. Der Kläger habe - wie\nbereits bei der vorangegangenen Lohnsteuer-Außenprüfung festgestellt - auch\nvor der getroffenen Vereinbarung aus dem Jahr 2001 bereits Arbeitnehmer in\nseinem Fahrzeug zur Arbeitsstätte mitgenommen. Im hier streitigen Zeitraum sei\nder Kläger auch nicht erkrankt gewesen oder habe Urlaub gehabt, so dass\ndurchgängig von ihm Arbeitnehmer zur Arbeitsstätte transportiert worden seien.\n\n \n\n9\n\n \n\nDer Kläger beantragt, den Lohnsteuernachforderungsbescheid des Beklagten vom\n16. März 2005 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2005\naufzuheben, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren\nanzuerkennen.\n\n \n\n \n\n10\n\n \n\nDer Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.\n\n \n\n11\n\n \n\nEr verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2005.\n\n \n\n12\n\n \n\nAm 10. August 2006 hat der erkennende Senat einen Gerichtsbescheid erlassen,\nmit dem der angefochtene Lohnsteuernachforderungsbescheid in der Fassung der\nEinspruchsentscheidung aufgehoben wurde.\n\n \n\n13\n\n \n\nHiergegen hat der Beklagte mit am 15. September 2006 bei Gericht eingegangenem\nSchriftsatz mündliche Verhandlung beantragt. Zur Begründung dieses\nRechtsmittels hat er ergänzend zu seinen bisherigen Ausführungen im\nWesentlichen geltend gemacht:\n\n14\n\n \n\nVorliegend sei bereits fraglich, ob die Sammelbeförderung überhaupt\nbetriebsnotwendig sei. Jedenfalls liege aber - wovon auch die mehrheitliche\nLiteraturauffassung ausgehe - in der vorliegenden Konstellation eines einem\nArbeitnehmer unentgeltlich/verbilligt überlassenen Fahrzeugs kein vom\nArbeitgeber **gestelltes** Beförderungsmittel vor. Zu berücksichtigen sei\ndabei auch, dass bei der klassischen unentgeltlichen oder verbilligten\nSammelbeförderung der Arbeitgeber sämtliche Kosten trage und der Arbeitnehmer\nallenfalls eine Zuzahlung in bar leiste, während bei der Überlassung eines\nFahrzeugs auch zur privaten Nutzung - wie hier - der Arbeitnehmer zumindest\ndie laufenden Kosten für Treibstoff, Öl etc. trage. Zudem sei der vorliegende\nFall dem Fall vergleichbar, in dem ein Arbeitgeber ein Fahrzeug des\nArbeitnehmers anmiete, um es ihm dann wieder für die Sammelbeförderung zur\nVerfügung zu stellen. Hierin sei aber ein Gestaltungsmissbrauch zu sehen.\nZudem seien die unterschiedlichen Bedeutungen von “Überlassen” und “Gestellen”\nzu beachten. Ein bereits “überlassenes” Fahrzeug könne nicht noch einmal\n“gestellt” werden. Der PKW könne auch nicht teilweise “überlassen” und\nteilweise “gestellt” werden.\n\n \n\n15\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\nzwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den\nInhalt der beigezogenen Steuerakte verwiesen.\n\n \n\n#### Entscheidungsgründe\n\n16\n\n \n\nDie zulässige Klage ist begründet.\n\n \n\n17\n\n \n\nDer angefochtene Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 16. März 2005 in der\nFassung der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2005 ist rechtswidrig und\nverletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).\n\n \n\n18\n\n \n\nZwar konnte grundsätzlich gegen den Kläger auch nach Ablauf des Kalenderjahres\nein Lohnsteuernachforderungsbescheid ergehen (vgl. Drenseck in Schmidt, EStG,\n26. Aufl. § 42 d Rn 22) Die hier streitgegenständliche Lohnsteuernachforderung\nfür den Zeitraum 1/04 bis 9/04 ist jedoch zu Unrecht erhoben worden. Denn die\nhier zu beurteilende PKW-Überlassung auch für Fahrten zwischen Wohnung und\nArbeitsstätte stellt keinen geldwerten Vorteil des Klägers im Sinne des § 8\nAbs. 2 Satz 3 EStG dar, weil das Fahrzeug für eine gemäß § 3 Nr. 32 EStG\nsteuerlich privilegierte Sammelbeförderung von Arbeitnehmern genutzt wurde.\nDie hiergegen vom FA vorgebrachten Einwände rechtfertigen keine andere\nBeurteilung.\n\n \n\n19\n\n \n\nGemäß § 3 Nr. 32 EStG ist die unentgeltliche oder verbilligte\nSammelbeförderung eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit\neinem vom Arbeitgeber gestellten Beförderungsmittel steuerfrei, soweit die\nSammelbeförderung für den betrieblichen Einsatz des Arbeitnehmers notwendig\nist. Die Voraussetzungen dieses Steuerbefreiungstatbestandes sind im\nStreitfall erfüllt.\n\n \n\n \n\n20\n\n \n\nDie Klägerseite hat zunächst einmal in plausibler Weise dargelegt, dass eine\nSammelbeförderung des Klägers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im\nstreitgegenständlichen Zeitraum vorlag und diese für den betrieblichen Einsatz\nnotwendig war. Sammelbeförderung meint die durch den Arbeitgeber organisierte\noder zumindest veranlasste Beförderung mehrerer (mindestens zweier)\nArbeitnehmer (vgl. v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, Komm., §\n3 Nr. 32, B 32/31; Paus, StWa 1989, 193, 194). Der Kläger hat substantiiert\ndargelegt, dass im maßgeblichen Zeitraum - wie auch in den vorherigen Jahren -\njeweils Arbeitnehmer von seinem Wohnort in X, der zugleich der Verwaltungssitz\nder GmbH ist, bzw. in der Nähe befindlichen Orten zu der Arbeitsstätte im\nSchlachtbetrieb in Y von ihm befördert wurden. Angesichts der in der\nVereinbarung über die Überlassung des PKW an den Kläger vom 30. November 2001\ndiesem hinsichtlich der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gemachten\nAuflage ist auch zumindest von einer Veranlassung der Beförderung mehrerer\nArbeitnehmer durch den Arbeitgeber - hier der GmbH - auszugehen. Insoweit\nunterscheidet sich der hier vorliegende Fall auch von dem Fall einer\nfreiwilligen Bildung von Fahrgemeinschaften, die auch dann nicht steuerlich\nbegünstigt wäre, wenn ein Teilnehmer der Beförderungsgemeinschaft ein ihm zur\nprivaten Nutzung überlassenes Fahrzeug des Arbeitgebers zu gemeinsamen Fahrten\nzwischen Wohnung und Arbeitsstätte einsetzte.\n\n \n\n21\n\n \n\nDiese Sammelbeförderung war auch für den betrieblichen Einsatz des\nArbeitnehmers im Sinne des § 3 Nr. 32 EStG notwendig. Dieses\nTatbestandsmerkmal ist erfüllt, wenn gerade die gemeinsame Beförderung zweier\noder mehrerer Arbeitnehmer an den besonderen Betriebsgegebenheiten\nausgerichtet ist (vgl.v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Komm. §\n3 Nr. 32, B 32/38). Dies wird - teilweise im Anschluss an eine Rechtsprechung\ndes BFH im Umsatzsteuerrecht (vgl. Urt. vom 9. Juli 1998 V R 105/92, BStBl II\n1998, 635) - nach R 21 LStR 2007 zutreffend z. B. in den Fällen bejaht, in\ndenen\n\n \n\n22\n\n \n--- \n\\- die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht oder nur mit\nunverhältnismäßig hohem Zeitaufwand durchgeführt werden könnte, \n\\- die Arbeitnehmer an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder\nverschiedenen Stellen eines weiträumigen Arbeitsgeländes eingesetzt werden\noder \n\\- der Arbeitsablauf eine gleichzeitige Arbeitsaufnahme der beförderten\nArbeitnehmer erfordert. \n \n \n\n23\n\n \n\nAusgehend hiervon kann im Streitfall angenommen werden, dass gerade die\ngemeinsame Beförderung an den betrieblichen Gegebenheiten der GmbH\nausgerichtet ist. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass der\nregelmäßige Arbeitsbeginn im Schlachthofzentrum in Y um 6:00 Uhr sei. Seine\nAnwesenheit sowie der gleichzeitige Arbeitsbeginn seiner Arbeitnehmer seien\ndann zwingend erforderlich, da er die Aufträge des Schlachthofzentrums zu\ndieser Zeit entgegennehme und sodann die durchzuführenden Arbeiten von ihm\neingeteilt würden. Der Kläger hat ferner in der mündlichen Verhandlung\nglaubhaft dargelegt, dass bereits ab ca. 5.10 Uhr seine Anwesenheit sowie die\nAnwesenheit eines “Teams” von mindestens 13 Mitarbeitern erforderlich sei, um\nVorbereitungen für den von dem Auftraggeber, dem Schlachthofzentrum Y,\ngeforderten pünktlichen Arbeitsbeginn um 6:00 Uhr zu treffen und insbesondere\nbereits die Maschinen zu starten. Vor diesem Hintergrund erscheint eine\nSammelbeförderung der weiter entfernt - etwa in X und Umgebung - wohnenden\nArbeitnehmer betriebsnotwendig. Dies gilt zum einen deshalb, weil ihre\nBeförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu den einzuhaltenden\nArbeitszeiten unter Berücksichtigung der Entfernung zur Arbeitsstätte und der\nbestehenden Verkehrsverbindungen in diesem eher ländlich geprägten Bereich\nnicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Zeitaufwand durchführbar ist. Der\nKläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargestellt, dass es zu den\nmaßgeblichen Zeiten von X und näherer Umgebung keine Verbindungen mit\nöffentlichen Verkehrsmitteln nach Y gibt, die ein rechtzeitiges Eintreffen an\nder Arbeitsstätte gewährleisten würden. Dies stimmt auch mit den vom Gericht\nvorgenommenen Recherchen im Internet überein. Zum anderen liegt eine\nbetriebliche Notwendigkeit der Sammelbeförderung aber auch vor, da wegen der\nBesonderheiten des Schlachtbetriebes und des von dem Kläger geschilderten\norganisatorischen Ablaufs eine gleichzeitige Arbeitsaufnahme der Arbeitnehmer\nim Schlachthofzentrum Y erforderlich ist.\n\n \n\n24\n\n \n\nDie Sammelbeförderung wurde zudem mit einem vom Arbeitgeber **gestellten**\nBeförderungsmittel durchgeführt. Das Fahrzeug wird vom Arbeitgeber gestellt,\nwenn es von ihm oder in dessen Auftrag von einem Dritten eingesetzt wird (vgl.\nv. Beckerath in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, Komm., § 3 Nr. 32, B 32/36),\nwobei das Fahrzug im Eigentum des Arbeitgebers stehen oder von diesem\nangemietet sein soll (vgl. Paus, StWa 1989, 193, 194). Die Zahlung von\nKostenersatz für die Benutzung des privaten Personenkraftwagens reicht dagegen\nnach einhelliger Auffassung nicht aus (vgl. v. Beckerath in Kirchhof/\nSöhn/Mellinghoff, EStG, Komm. § 3 Nr. 32 B 32/36; Wagner in Heuermann/ Wagner,\nLohnsteuer, E 305; Paus, StWa 1989, 193, 194; Bergkemper in Herrmann/Heuer/\nRaupach, EStG und KStG, § 3 Nr. 32 EstG, Anm 2). Ausgehend von diesen\nVoraussetzungen trifft es zwar zu, dass dieses Tatbestandsmerkmal auch dann\nregelmäßig nicht erfüllt ist, wenn der Dienstwagen lediglich einem\nArbeitnehmer zur exklusiven Nutzung zur Verfügung gestellt wird und dieser bei\nihm passender Gelegenheit auch andere Mitarbeiter auf dem Weg von und zur\nArbeit mitnimmt. Es fehlt dann an dem erforderlichen Einsatz des\nBeförderungsmittels durch den Arbeitgeber. Ein solcher Fall liegt hier jedoch\nnicht vor. Denn zum einen ist die Mitnahme der weiteren Arbeitnehmer durch\nschriftliche Vereinbarung mit dem Arbeitgeber geregelt, so dass der - nach dem\nunwidersprochenen Vortrag des Klägers im Eigentum der GmbH stehende - PKW für\nden Bereich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht mehr exklusiv und\nohne Einschränkung dem Kläger für dessen private Nutzung im Sinne des § 8 Abs.\n2 Sätze 2 und 3 EStG zur Verfügung gestellt ist. Das Fahrzeug wird vielmehr\nangesichts der vorliegenden Vereinbarung im Auftrag des Arbeitgebers - der\nGmbH - von dem Kläger zur Sammelbeförderung eingesetzt. Unerheblich ist dabei\n- wenn (wie vorliegend) die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind -, dass es\nsich bei dem Kläger selbst um einen Arbeitnehmer handelt. Zum anderen erfolgt\ndie Mitnahme der weiteren Arbeitnehmer im Streitfall wegen der besonderen\nbetrieblichen Strukturen auch nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig. Die\nMitnahme mit seinem Fahrzeug wird nach der Einlassung des Klägers im\nWesentlichen auch von diesem - gerade auch in seiner Funktion als\nGeschäftsführer der GmbH - organisiert. Nach den Angaben des Klägers werden\ndabei auch betriebliche Notwendigkeiten berücksichtigt. So muss zur\nVorbereitung des pünktlichen Arbeitsbeginns ein “Team” zusammengestellt\nwerden, das mit den jeweils zu bedienenden Maschinen vertraut ist.\n\n \n\n25\n\n \n\nDie weiteren vom Finanzamt vorgetragenen Voraussetzungen für die\nPrivilegierung gemäß § 3 Nr. 32 EStG finden keine hinreichende Stütze im\nGesetzestext. Dieser stellt entsprechend dem Gesetzeszweck (vgl. dazu\neingehend v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 32 Rn. B\n32/1 - B32/5 und B32/19) entscheidend auf die betriebliche Notwendigkeit der\nSammelbeförderung ab. Ist diese nachgewiesen, dann sind die näheren\nModalitäten der Durchführung der Sammelbeförderung nur von untergeordneter\nBedeutung. Entscheidend für die Gestellung kann allein sein, dass sie vom\nArbeitgeber organisiert ist und eine uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit für\nFahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für den Arbeitnehmer mit dem ihm\nbereitgestellten PKW nicht besteht. Das ist hier im Hinblick auf die in der\nVereinbarung enthaltene Auflage der Fall. Darauf, dass der Kläger den\nDienstwagen außerhalb des Bereichs “Fahrten zwischen Wohnung und\nArbeitsstätte” exklusiv privat nutzen kann, kommt es nicht an, weil dieser\nSachverhalt bereits als geldwerter Vorteil gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG\nbesteuert wurde (So auch Paus, StWa 1989, 193, 194; a. A. Wagner in Heuermann/\nWagner, Lohnsteuer, E 305).\n\n \n\n26\n\n \n\nEin Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO, der in der Literatur etwa dann\nangenommen wird, wenn ein dem Arbeitnehmer gehörendes Fahrzeug dem Arbeitgeber\nvermietet wird und dieser dem Arbeitnehmer das Fahrzeug unmittelbar zur\nSammelbeförderung wieder zur Verfügung stellt (vgl. Paus, StWa 1989, 193, 194;\nv. Beckerath in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, Komm. § 3 Nr. 32, B 32/36),\nist hier nicht ersichtlich. Das Fahrzeug steht nach dem unstreitigen Vortrag\ndes Klägers im Eigentum der GmbH. Die Privilegierung scheitert vor diesem\nHintergrund auch nicht - wie der Beklagte meint - an der mangelnden\nVerfügungsgewalt des Arbeitgebers über das Fahrzeug, zumal der Kläger als\nGeschäftsführer zugleich auch die GmbH nach außen vertritt. Auch eine\nNotwendigkeit, dass das Fahrzeug (ausschließlich) **zur** Sammelbeförderung\neingesetzt werden müsse, lässt sich entgegen der Annahme des Beklagten dem\nGesetzeswortlaut nicht entnehmen. Schließlich ergibt sich auch nicht aus der\nVerwendung des Begriffs “Überlassen (zur Nutzung)” in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4\nSatz 2 und Nr. 5 Satz 6 EStG in den im maßgeblichen Zeitraum geltenden\nFassungen gegenüber der Verwendung des Begriffs “Gestellen” in § 3 Nr. 32\nEStG, dass ein gleichzeitiges “Überlassen” und “Gestellen” eines PKW durch den\nArbeitgeber ausgeschlossen wäre. Denn zum einen zeigt bereits § 9 Abs. 1 Satz\n3 Nr. 4 Satz 3 EStG, der die Nichtgeltung der Entfernungspauschale für\nStrecken mit steuerfreier Sammelbeförderung nach § 3 Nr. 32 EStG für **alle\nFälle** des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG anordnet, dass der Gesetzgeber\nnicht notwendigerweise davon ausging, dass ein “Überlassen (zur Nutzung)” und\nein “Gestellen” nach § 3 Nr. 32 EStG sich ausschließen. Zum anderen spricht\nauch die in § 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 EStG vorgenommene Differenzierung zwischen\nder allgemeinen privaten Nutzung und den Fahrten zwischen Wohnung und\nArbeitsstätte hinsichtlich des geldwerten Vorteils dafür, dass in diesen\nbeiden Bereichen unterschiedliche gesetzliche Regelungen greifen können, so\ndass vor diesem Hintergrund nach Auffassung des Senats auch bei einer\n“Überlassung eines PKW zur grundsätzlich privaten Nutzung” durchaus auch für\ndie Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine steuerbefreite\nSammelbeförderung in Betracht kommen kann, wenn - wie hier durch die Auflage\nder GmbH - gesichert ist, dass die Durchführung der Sammelbeförderung nicht in\ndas Belieben des Arbeitnehmers gestellt ist.\n\n \n\n27\n\n \n\nKonkrete Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Vereinbarung vom 30.\nNovember 2001 um einen Scheinvertrag und/oder eine tatsächlich nicht ernstlich\ndurchgeführte Abrede handelt, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.\nHiergegen spricht indiziell auch die in der mündlichen Verhandlung noch einmal\nglaubhaft dargestellte betriebliche Notwendigkeit der Sammelbeförderung.\n\n \n\n28\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs.1 FGO. Die Erforderlichkeit der\nHinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß 139 Abs. 3 Satz\n3 FGO im Hinblick auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage\nauszusprechen.\n\n \n\n29\n\n \n\nDie Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1\nFGO. Die Frage, ob eine Überlassung eines PKW an den Arbeitnehmer auch zur\nprivaten Nutzung generell eine “Gestellung” dieses Fahrzeugs durch den\nArbeitgeber zur unentgeltliche oder verbilligten Sammelbeförderung im Sinne\ndes § 3 Nr. 32 EStG ausschließt, ist in der Rechtsprechung - soweit\nersichtlich - bislang nicht entschieden. In der Literatur werden hierzu - wie\noben dargestellt - unterschiedliche Auffassungen vertreten.\n\n \n\n
105,819
vg-schleswig-holsteinisches-2007-07-13-7-b-3007
1,071
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht
vg-schleswig-holsteinisches
Schleswig-Holsteinisches
Schleswig-Holstein
Verwaltungsgerichtsbarkeit
7 B 30/07
2007-07-13
2018-11-24 14:30:14
2019-02-26 18:43:12
Beschluss
ECLI:DE:VGSH:2007:0713.7B2007.30.00
#### Tenor\n\n \n\nDer Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin abgelehnt.\n\n#### Gründe\n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDie Antragstellerin hat mit Antragsschrift vom 18.06.2007 im Verfahren auf\nErlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Sicherung des\nRechtszustandes in der A. folgendes beantragt:\n\n2\n\n \n\n1\\. Es wird festgestellt, dass auf der Genossenschaftsversammlung am\n02.02.2005 satzungsgemäß und rechtswirksam ein Vorstand der Jagdgenossenschaft\ngewählt worden ist, der besteht aus\n\n3\n\n \n\ndem Jagdvorsteher: X.\n\n4\n\n \n\ndem Beisitzer und stellvertretenden Jagdvorsteher: X.\n\n5\n\n \n\ndem 2. Beisitzer und Kassenverwalter: X.\n\n6\n\n \n\n2\\. Es wird festgestellt, dass X. als Schriftwartin zur Stellvertreterin im\nSinne § 5 Abs. 2 der Satzung gewählt worden ist.\n\n7\n\n \n\n3\\. Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Beklagten an den\nAmtsvorsteher Ostholstein-Mitte, als Notjagdvorstand zu einer\nGenossenschaftsversammlung einzuladen und die Wahl eines Jagdvorstandes\ndurchzuführen, rechtswidrig und unwirksam ist, da die Jagdgenossenschaft über\neinen rechtmäßig gewählten Vorstand verfügt.\n\n8\n\n \n\nDiese im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen\nSicherung des Rechtszustandes begehrten Feststellungen der Antragstellerin\nbleiben ohne Erfolg.\n\n9\n\n \n\nEs ist bereits zweifelhaft, ob der vorliegende Antrag auf Erlass einer\neinstweiligen Anordnung nicht bereits deswegen unzulässig ist, weil die von\nRechtsanwältin vorgelegte Prozessvollmacht nicht von allen Mitgliedern des\nVorstandes der Jagdgenossenschaft – in der von der Antragstellerin selbst\nbehaupteten Zusammensetzung - unterschrieben worden ist.\n\n10\n\n \n\nNach § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren\nein Beteiligter jederzeit durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die\nBevollmächtigung ist gemäß § 67 Abs. 3 VwGO durch eine schriftliche Vollmacht\nnachzuweisen. Das Vorliegen einer den gesetzlichen Erfordernissen\nentsprechenden Vollmacht ist vom Gericht jedenfalls dann von Amts wegen zu\nprüfen, wenn – wie hier – Zweifel an einer wirksamen Bevollmächtigung gegeben\nsind. Bedenken an einer wirksamen Bevollmächtigung sind im vorliegenden Fall\nbereits deswegen veranlasst, weil ein Beschluss des Jagdvorstandes der\nAntragstellerin, wonach Rechtsanwältin … mit der Durchführung dieses\ngerichtlichen Eilverfahrens beauftragt wird, nach Aktenlage nicht existiert.\nStattdessen ist dem Gericht eine Rechtsanwältin … ermächtigende\nProzessvollmacht vom 14.06.2007 vorgelegt worden, die zwar von den\nVorstandsmitgliedern … und … sowie Frau …, nicht jedoch von Herrn …\nunterzeichnet worden ist, obwohl dieser nach der von der Antragstellerin\nbegehrten Feststellung als Beisitzer und stellvertretender Jagdvorsteher in\nden Jagdvorstand der Antragstellerin gewählt worden sein soll.\n\n11\n\n \n\nDie Vorlage einer ordnungsgemäßen Prozessvollmacht beim Verwaltungsgericht ist\nWirksamkeitsvoraussetzung für eine Klage oder einen Eilantrag. Fehlt es an der\nVorlage einer Vollmacht, muss die Klage bzw. der Antrag auf einstweiligen\nRechtsschutz als unzulässig abgewiesen werden. Im vorliegenden Fall weist die\nvorgelegte Prozessvollmacht nicht die Unterschriften aller Mitglieder des – so\ndie Antragstellerin selbst in ihrer Antragsschrift – gewählten Jagdvorstandes\nder A. aus. Das ist indessen zwingend erforderlich. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1\nBJagdG wird die Jagdgenossenschaft, die in Schleswig-Holstein eine\nKörperschaft des öffentlichen Rechts ist (§ 8 Satz 1 LJagdG), durch den\nJagdvorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Im Falle der\nAntragstellerin besteht dieser nach ihrer Satzung aus dem Jagdvorsteher und\nzwei Beisitzern (§ 5 Abs. 1 der Satzung der Antragstellerin vom 06. April\n19094). Eine Regelung, die anordnet, auch einzelnen Vorstandsmitgliedern eine\nVertretung zu ermöglichen, enthält das Bundesjagdrecht weder in § 9 BJagdG\nnoch in einer anderen Bestimmung. Das Jagdrecht hat zudem keine den Regelungen\nder Schleswig-Holsteinischen Gemeindeordnung bzw. vergleichbaren\nländerrechtlichen Bestimmung entsprechende Normen statuiert, wonach der\nVorstand durch bestimmte herausgehobene Mitglieder dieses Organs vertreten\nwird. Hieraus folgt, dass die Mitglieder des Jagdvorstandes die\nJagdgenossenschaften nur gemeinschaftlich nach außen vertreten können. Folgt\nman daher der von der Antragstellerin selbst begehrten Feststellung, dass der\nJagdvorstand der A. aus den Herren …, … und … besteht, so ergeben sich die\nerheblichen Zweifel an einer wirksamen Bevollmächtigung der Rechtsanwältin …\nfür das vorliegende Verfahren bereits aus dem Umstand, dass die Vollmacht\nnicht auch von Herrn … unterzeichnet worden ist und zugleich nachvollziehbare\nGründe dafür, warum dieser die Vollmacht nicht unterzeichnet hat, nicht\ndargelegt worden sind.\n\n12\n\n \n\nDiese Zweifel des Gerichts an einer wirksamen Bevollmächtigung der\nRechtsanwältin … und damit an der Zulässigkeit dieses Verfahrens können aber\ndahingestellt bleiben. Denn das vorläufige Rechtsschutzbegehren der\nAntragstellerin bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.\n\n13\n\n \n\nGemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Erhebung einer\nKlage eine einstweilige Anordnung in Bezug auf einen Streitgegenstand treffen,\nwenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes\ndie Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich\nerschwert werden könnte. Die einstweilige Anordnung dient damit lediglich der\nSicherung eines bestehenden Zustandes, soweit dies erforderlich ist, um die\nVereitelung oder Beeinträchtigung eines Rechts der Antragstellerin zu\nverhindern. Deshalb kann das Gericht zwar nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO\nbestandsschützende Maßnahmen treffen, grundsätzlich jedoch nicht die\nEntscheidung einer Hauptsache vorwegnehmen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz\nwird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nur für den Fall\nanerkannt, dass ein wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht zu\nerreichen ist und dies für die Antragstellerin zu unzumutbaren Folgen führen\nwürde. Die Notwendigkeit der einstweiligen Sicherung (Anordnungsgrund) und der\ngeltend gemachte materielle Anspruch (Anordnungsanspruch) sind von der\nAntragstellerin glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO iVm § 920 Abs. 2 ZPO).\n\n14\n\n \n\nAusgehend von diesen Voraussetzungen steht der begehrten einstweiligen\nAnordnung nicht bereits das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen, da\ndie Anträge der Antragstellerin sinngemäß dahingehend auszulegen sind, dass\ndie angestrebten Feststellungen vorläufig und zeitlich befristet bis zu einer\nEntscheidung im Hauptsacheverfahren begehrt werden.\n\n15\n\n \n\nDem Antrag der Antragstellerin steht im vorliegenden Fall auch nicht das\nFehlen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Notwendigkeit der einstweiligen\nSicherung entgegen. Der Antragsgegner hat als untere Jagdbehörde den\nAmtsvorsteher des Amtes Ostholstein-Mitte mit Schreiben vom 23.04.2007 unter\nHinweis auf § 9 Abs. 2 Satz 2 BJagdG davon in Kenntnis gesetzt, dass die A.\nderzeit über keinen Vorstand verfügt und der Amtsvorsteher in diesem Fall zu\neiner erneuten Genossenschaftsversammlung einladen müsse, um einen neuen\nJagdvorstand wählen zu lassen. Dieses Schreiben begründet nachvollziehbar\neinen Anordnungsgrund für das vorliegende Verfahren, da mit hinreichender\nWahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass der Amtsvorsteher dieser\nAufforderung alsbald nachkommen wird.\n\n16\n\n \n\nIndessen steht dem vorläufigen Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin\nentgegen, dass sie bei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen\nBetrachtungsweise keinen Anordnungsanspruch, d. h. einen materiellen Anspruch\nfür die von ihr begehrten Feststellungen glaubhaft gemacht haben.\n\n17\n\n \n\n1\\. Die Antragstellerin begehrt zunächst mit der Antragsschrift die\nFeststellung, dass auf der Genossenschaftsversammlung am 02.02.2005\nsatzungsgemäß und rechtswirksam ein Vorstand der Jagdgenossenschaft gewählt\nworden ist, der besteht aus dem Jagdvorsteher …, dem Beisitzer und\nstellvertretenden Jagdvorsteher … und dem 2. Beisitzer und Kassenverwalter … .\n\n18\n\n \n\nDieser Antrag kann keinen Erfolg haben, weil die Antragstellerin für die\nbegehrte Feststellung keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat.\nVoraussetzung für die begehrte Feststellung wäre, dass der Jagdvorstand in der\nvon der Antragstellerin behaupteten Zusammensetzung tatsächlich in der\nGenossenschaftsversammlung am 02.02.2005 ordnungsgemäß gewählt worden ist. Das\nist nach Aktenlage indessen nicht der Fall. Im Gegenteil, weder der Inhalt der\ndem Gericht vorliegenden Akten, noch die Erklärungen der Beteiligten lassen\neinen rechtlichen Anspruch der Antragstellerin auf die begehrte Feststellung\nzu.\n\n19\n\n \n\nGemäß § 8 Satz 1 LJagdG ist die Jagdgenossenschaft eine Körperschaft des\nöffentlichen Rechts. Sie untersteht nach Satz 2 dieser Vorschrift der Aufsicht\nder Jagdbehörde nach § 52 des Landesverwaltungsgesetzes und ergibt sich nach\nSatz 3 dieser Vorschrift eine Satzung, die der Jagdbehörde spätestens einen\nMonat nach der Beschlussfassung, zusammen mit der Versammlungsniederschrift zu\nübersenden ist; dies gilt auch bei Satzungsänderungen. Nach Satz 4 dieser\nVorschrift bedürfen die Satzung und ihre Änderungen der Genehmigung der\nJagdbehörde, wenn sie von der Mustersatzung, die die oberste Jagdbehörde\nerlässt, abweichen. Ausgehend von diesen Regelungen hat sich die A. in der\nGenossenschaftsversammlung am Mittwoch, dem 06. April 1994 eine Satzung\ngegeben. Nach § 4 dieser Satzung sind Organe der Jagdgenossenschaft der\nJagdvorstand und die Genossenschaftsversammlung.\n\n20\n\n \n\n§ 5 der Satzung lautet wie folgt:\n\n21\n\n \n\n1\\. Der Jagdvorstand besteht aus dem Jagdvorsteher und zwei Beisitzern, von\ndenen der eine als ständiger Vertreter des Jagdvorstehers und der andere als\nKassenverwalter zu wählen sind. Die Amtszeit des Jagdvorstandes beträgt vier\nJahre. Er bleibt bis zur Wahl des neuen Jagdvorstandes tätig. Der neue\nJagdvorstand ist innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Amtszeit des\nalten Jagdvorstandes zu wählen.\n\n22\n\n \n\n2\\. Bei der Wahl des Jagdvorstandes sind gleichzeitig zwei Stellvertreter zu\nwählen.\n\n23\n\n \n\n3\\. Die Mitglieder des Jagdvorstandes sind ehrenamtlich tätig. Sie können für\nihre baren Auslagen, soweit sie angemessen und unabweisbar notwendig sind,\nErsatz verlangen.\n\n24\n\n \n\n§ 6 Der Satzung lautet wie folgt:\n\n25\n\n \n\n1\\. Der Jagdvorstand vertritt die Jagdgenossenschaft gerichtlich und\naußergerichtlich. Er verwaltet ihre Angelegenheiten und ist an die Beschlüsse\nder Genossenschaftsversammlung gebunden.\n\n26\n\n \n\n2\\. Der Jagdvorstand fasst seine Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. Eine\nBeschlussfassung kann nur unter dem Vorsitz des Jagdvorstehers oder seines\nständigen Vertreters erfolgen.\n\n27\n\n \n\n3\\. Kein Mitglied des Jagdvorstandes darf bei einer Angelegenheit der\nJagdgenossenschaft beratend oder entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung\nihn selbst, seinem Ehegatten, seinem Verwandten bis zum 3. oder seinem\nverschwägerten bis zum 2. Grad oder einer von ihm kraft Gesetzes oder\nrechtsgeschäftlicher Vollmacht vertretenden Person einen unmittelbaren Vorteil\noder Nachteil bringen kann.\n\n28\n\n \n\n4\\. In Angelegenheiten, die der Beschlussfassung durch die\nGenossenschaftsversammlung unterliegen (§ 8), entscheidet der Jagdvorstand,\nfalls die Erledigung keinen Aufschub duldet, in diesen Fällen hat der\nJagdvorsteher alsbald die Zustimmung der Genossenschaftsversammlung\neinzuholen.\n\n29\n\n \n\n5\\. Über Beschlüsse des Jagdvorstandes ist eine Niederschrift zu fertigen und\nvon den Teilnehmern zu unterzeichnen.\n\n30\n\n \n\nAusgehend von diesen Regelungen in der Satzung der Antragstellerin ist nicht\nerkennbar, dass in der Genossenschaftsversammlung am 02.02.2005 rechtswirksam\nein Jagdvorstand nach Maßgabe der Satzungsbestimmungen gewählt worden ist. In\neinem dem Antragsgegner als unterer Jagdbehörde übermittelten Protokoll der\nGenossenschaftsversammlung vom 02.02.2005 heißt es zu Punkt 7 (Wahlen des\ngesamten Vorstandes) wörtlich wie folgt:\n\n31\n\n \n\n„Herr … übernimmt vorübergehend den Vorsitz der Jagdgenossen. Er dankt Herrn …\nfür sein großes Engagement und auch für den guten neuen Jagdpächter. Herr …\nschlägt Herrn … zur Wiederwahl vor. Da keine weiteren Vorschläge sind, wählt\ndie Genossenschaft einstimmig per Handzeichen Herrn … wieder zu ihrem\nVorsitzenden.\n\n32\n\n \n\nHerr … bedankt sich bei den anwesenden Genossen. Sein Amt macht ihm nach wie\nvor sehr viel Spaß. Er fragt, ob jemand aus der Versammlung dagegen ist, dass\nder restliche Vorstand en Block gewählt wird. Diesem Vorschlag wird einstimmig\nzugestimmt. Einstimmig werden en Block per Handzeichen der stellvertretende\nJagdvorsteher Herr …, der Kassenführer … und die Schriftführerin …\nwiedergewählt.“\n\n33\n\n \n\nDiese durch das Protokoll dokumentierte Wahl stellt bei der in diesem\nVerfahren gebotenen summarischen Betrachtungsweise keine ordnungsgemäße Wahl\ndes Vorstandes der Jagdgenossenschaft dar. Die Jagdgenossenschaft ist, wie\nbereits dargelegt, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 8 Satz 1\nLJagdG) und bedarf schon wegen dieser Stellung in Rechtsverkehr\nnotwendigerweise eines entsprechend den Bestimmungen ihrer jeweiligen Satzung\ngewählten Vorstandes. Nur soweit dies gesetzes- und satzungsgemäß geschehen\nist, kann der gewählte Vorstand die Genossenschaft auch gerichtlich und\naußergerichtlich vertreten. Jedes Abweichen von den satzungsgemäßen\nBestimmungen führt angesichts dieser besonderen Rechtsstellung einer\nJagdgenossenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu einem für den\nRechtsverkehr untragbaren Zustand. Maßgeblich kann daher auch nicht sein, wie\ndie Jagdgenossenschaft Wahlen in der Vergangenheit durchgeführt hat und ob\ndiese mit Rechtsfehlern behaftet gewesen ist. Demzufolge hätte im vorliegenden\nFall in der Genossenschaftsversammlung am 02.02.2005 mit hinreichender\nBestimmtheit und Nachvollziehbarkeit der Vorstand bestehend aus dem\nJagdvorsteher und zwei Beisitzern gemäß § 5 Abs. 1 der Satzung der\nAntragstellerin und gleichzeitig zwei Stellvertreter gewählt werden müssen (§\n5 Abs. 2 der Satzung). Dies ist indessen nicht geschehen. Dem Protokoll ist\nzwar zu entnehmen, dass Herr … in einer Einzelwahl als Jagdvorsteher gewählt\nworden ist. Demgegenüber soll ausweislich des Protokolls der restliche\nVorstand „en Block“ gewählt worden sein. Dem Wortlaut des Protokolls zufolge\nist danach Herr … als stellvertretender Jagdvorsteher und Herr … als\nKassenführer gewählt worden. Dies mag noch als hinreichende Bestimmung dafür\nangesehen werden, dass diese beiden Personen als Beisitzer in den Jagdvorstand\ngewählt worden sind, obwohl das Protokoll insoweit eine eindeutige\nFormulierung vermissen lässt. Das gilt indessen nicht, soweit es die Wahl von\nFrau … zur Schriftführerin betrifft. Die Funktion einer Schriftführerin gibt\nes nach der Satzung der Antragstellerin nicht. In welche Funktion daher Frau …\nbei der Wahl des restlichen – so das Protokoll - Vorstandes „en Block“ gewählt\nworden ist, ob als Beisitzerin im Jagdvorstand nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 der\nSatzung oder als Stellvertreterin in einer – der Wortlaut des Protokolls lässt\ndies aber nicht erkennen - gleichzeitig stattfindenden Stellvertreterwahl nach\nMaßgabe des § 5 Abs. 2 der Satzung ist dem Protokoll nicht zu entnehmen mit\nder Folge, dass das Protokoll folgende Wahlvarianten zulässt: Entweder ist in\nder Genossenschaftsversammlung am 02.02.2005 entgegen den eindeutigen\nBestimmungen der Satzung ein Jagdvorstand bestehend aus dem Jagdvorsteher und\n„en Block“ drei Beisitzern oder aber es ist ein Jagdvorstand bestehend aus dem\nJagdvorsteher sowie zwei Beisitzern und gleichzeitig „en Block“ ein\nStellvertreter – dann aber ohne die notwendige sprachliche Bezeichnung - nach\nMaßgabe des § 5 Abs. 2 der Satzung gewählt worden ist, obwohl die Satzung im\nÜbrigen ausdrücklich bestimmt, dass gleichzeitig mit der Wahl des\nJagdvorstandes zwei Stellvertreter zu wählen sind. Das Protokoll der\nVersammlung vom 02.02.2005 dokumentiert damit nicht den Ablauf einer Wahl, der\nmit der für die Sicherheit im Rechtsverkehr erforderlichen Klarheit und\nBestimmtheit den Schluss auf eine ordnungsgemäße Wahl des Jagvorstandes der\nAntragstellerin zulässt. Denn sofern das Protokoll dahingehend ausgelegt wird,\ndass neben dem Jagdvorsteher, dem stellvertretenden Jagdvorsteher und dem\nKassenverwalter auch Frau … in den Jagdvorstand gewählt worden ist,\nwiderspricht dies der Bestimmung des § 5 Abs. 1 der Satzung der\nAntragstellerin, die eine eindeutige Festlegung der Zusammensetzung des\nVorstandes enthält und eine Erweiterung des Vorstandes durch die Wahl von\nweiteren Personen nicht zulässt. Sofern indessen der Wortlaut des Protokolls\ndahingehend ausgelegt wird, dass ein Jagdvorsteher, ein stellvertretender\nJagdvorsteher und ein Kassenverwalter gewählt worden sind, würde dies zwar den\nBestimmungen zur Zusammensetzung des Vorstandes nach Maßgabe des § 5 Abs. 1\nder Satzung entsprechen, allerdings hätte die Jagdversammlung in diesem Falle\ndann ebenso wie im Fall der ersten Alternative zumindest nach dem Wortlaut des\nProtokolls vom 02.02.2005 keine Stellvertreter nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 der\nSatzung gewählt, obwohl nach dieser Vorschrift bei der Wahl des Jagdvorstandes\ngleichzeitig zwei Stellvertreter zu wählen sind und auch insoweit kein\nHandlungsspielraum für die Genossenschaftsversammlung erkennbar ist. Das ist\nindessen zumindest dem Wortlaut des Protokolls zufolge nicht geschehen, denn\nFrau … ist ausdrücklich nur als Schriftführerin, nicht jedoch als\nStellvertreterin gewählt worden. Dies gilt umso mehr, als die Satzung der\nAntragstellerin die (Vorstands)funktion einer Schriftführerin nicht kennt.\n\n34\n\n \n\nInsgesamt betrachtet lässt das Protokoll der Genossenschaftsversammlung vom\n02.02.2005 daher mehrere Auslegungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Wahl und\nZusammensetzung des Jagdvorstandes sowie die Wahl der Stellvertreter zu,\nobwohl die Genossenschaft keine Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der\nMitgliederzahl des Vorstandes bzw. der Anzahl der Stellvertreter hat.\n\n35\n\n \n\nDas Protokoll der Genossenschaftsversammlung vom 02.02.2005 weist damit nicht\nmit der gebotenen Sicherheit für den Rechtsverkehr aus, dass nach Maßgabe der\neindeutigen Satzungsbestimmungen ein Jagdvorstand und gleichzeitig zwei\nStellvertreter ordnungsgemäß gewählt worden sind. Aufgrund der Beweiskraft des\nProtokolls im Rechtsverkehr hat dies zur Folge, dass die Vorstandswahl bei der\nin diesem Verfahren notwendigen summarischen Betrachtungsweise nicht zu einer\nordnungsgemäßen Wahl des Jagdvorstandes der A. geführt hat, weil die\nmaßgeblichen Bestimmungen der Satzung offensichtlich nicht beachtet worden\nsind; zumindest lässt die sprachliche Fassung des Protokolls dies nicht\nerkennen.\n\n36\n\n \n\nDem stehen auch nicht die eidesstattlichen Versicherungen des Herrn …, des\nHerrn … und der Frau … entgegen, die im Klageverfahren 7 A 95/07 zur\nGerichtsakte gereicht worden sind. Danach wird zwar übereinstimmend\neidesstattlich versichert, dass sich alle an der\nJagdgenossenschaftsversammlung Beteiligten darüber im klaren gewesen seien,\ndass Herr … zum Jagdvorsteher, Herr … zum stellvertretenden Jagdvorsteher und\nHerr … als Kassenführer zum 2. Beisitzer des Jagdvorstandes sowie Frau … bei\ndieser Wahl als Schriftführerin zur Stellvertreterin iSd § 5 Abs. 2 der\nSatzung gewählt worden sei. Diese eidesstattlichen Versicherungen sind\nindessen nicht geeignet, den Wahlvorgang in der Genossenschaftsversammlung am\n02.02.2005, so wie er im Protokoll dieser Versammlung dokumentiert ist, in\neinem anderen Licht, nämlich als rechtmäßigen Wahlvorgang, erscheinen zu\nlassen. Bei diesen eidesstattlichen Versicherungen handelt es sich um nichts\nanderes als persönliche Auffassungen bzw. Deutungen von Vorgängen, die nicht\ngeeignet sind, den Wortlaut des Protokolls der Genossenschaftsversammlung vom\n02.02.2005, dass schließlich auch der unteren Jagdbehörde in dieser Fassung\nübergeben worden ist, zu widerlegen. Es mag zwar sein, dass die\nGenossenschaftsversammlung all das, was in diesen eidesstattlichen\nVersicherungen dargestellt worden ist, so gemeint hat, indessen weist das\nProtokoll dieses so nicht aus; außerdem steht diesen nachträglichen\nErläuterungen und Darlegungen eines Wahlvorganges von einigen, wenigen\nMitgliedern der Jagdgenossenschaft entgegen, dass es sich bei einer\nJagdgenossenschaft um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt und\nschon deswegen die Ordnungsgemäßheit der Wahl des Jagdvorstandes sich zwingend\nund eindeutig aus dem Protokoll ergeben muss und nicht erst nachträglicher\nErklärungen sowie Deutungen - und sei es auch in der Form von eidesstattlichen\nVersicherungen - bedarf. Dies ist schon der besonderen Rechtspersönlichkeit\neiner Jagdgenossenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts und der\nSicherheit im Rechtsverkehr geschuldet.\n\n37\n\n \n\nDiesen Feststellungen steht auch nicht die im laufenden Gerichtsverfahren mit\nSchriftsatz vom 28.06.2007 von Herrn …, Herrn … und Frau … am 22.06.2007\nerstellte Protokollberichtigung der Genossenschaftsversammlung vom 02.02.2005\n(Blatt 24 f der Gerichtsakte) entgegen. Zwar wird in dieser\nProtokollberichtigung, die immerhin mehr als zwei Jahre nach der\nGenossenschaftsversammlung und erst im laufenden Gerichtsverfahren (!) erfolgt\nist, nunmehr klargestellt, dass neben Herrn … als Jagdvorsteher Herr … als\nständiger Vertreter des Jagdvorstehers, 1. Beisitzer gemäß § 5 Abs. 1 der\nSatzung und Herr … als Kassenwart, 2. Beisitzer gemäß § 5 Abs. 1 der Satzung\nund Frau …, Schriftführerin als Stellvertreterin gemäß § 5 Abs. 2 der Satzung\ngewählt worden sein sollen. Abgesehen davon indessen, dass diese\nProtokollberichtigung noch nicht einmal von denjenigen drei Personen\nunterschrieben worden ist, die das ursprüngliche Protokoll der\nGenossenschaftsversammlung vom 02.02.2005 unterschrieben haben - es fehlt\nnämlich die Unterschrift des stellvertretenden Jagdvorstehers … - vermag diese\nProtokollberichtigung schon deswegen keine wirksame Vorstandswahl in der\nGenossenschaftsversammlung am 02.02.2005 zu dokumentieren, weil weder das\nUrsprungsprotokoll vom 02.02.2005, noch diese Protokollberichtigung vom\n22.06.2007 ausweislich der dem Gericht bekannten Umstände jemals von der\nGenossenschaftsversammlung genehmigt worden sind, obwohl dies angesichts der\nerkennbaren Umstände geboten gewesen wäre. Nicht nachvollziehbar ist insoweit\nauch nicht, warum der stellvertretende Jagdvorsteher … diese\nProtokollberichtigung nicht unterzeichnet hat, obwohl er Mitunterzeichner des\nUrsprungsprotokolls gewesen ist. Hinzu kommt, dass ein nach Maßgabe des § 6\nAbs. 5 der Satzung ordnungsgemäß dokumentierter Beschluss des Vorstandes der\nJagdgenossenschaft, in dem die Gründe für die Erforderlichkeit der\nProtokollberichtigung und die Gründe für eine fehlende Mitwirkung bzw.\nfehlende Befugnis des … zur Mitunterzeichnung dargelegt werden, dem Gericht\nnicht bekannt ist und auch nicht vorgelegt worden ist, so dass auch aus diesem\nGrunde zumindest an der Befugnis von Frau … zur Unterzeichnung der\nProtokollberichtigung erhebliche Zweifel bestehen. Im Übrigen bestärkt auch\nder Umstand, dass die drei die Protokollberichtigung unterzeichnenden Personen\nim nachhinein noch unter dem 10.06.2007 Beschlüsse, die der Vorstand der\nJagdgenossenschaft bereits in den Jahren 2005 bzw. 2006 gefasst haben soll,\nschriftlich gegenüber der unteren Jagdaufsichtsbehörde bestätigt haben (vgl.\nBl. 172 Beiakte A), ohne dass insoweit zuvor offenbar eine ordnungsgemäße\nDokumentation der – teilweise sehr weitreichenden - Beschlüsse (z.B. wird\nnachträglich ein Ausschluss des stellv. Jagvorstehers … von einer\nBeschlussfassung des Vorstandes wegen Befangenheit schriftlich bestätigt) nach\nMaßgabe des § 6 Abs. 5 der Satzung erfolgt ist, die Zweifel des Gericht an dem\nInhalt der Protokollberichtigung, die keine Schreibfehler oder ähnliche Fehler\nzum Gegenstand hat, sondern den Inhalt des ursprünglichen Protokolls vom\n02.02.2005 um wesentliche inhaltliche Aussagen ergänzt bzw. erweitert, die für\nden Ausgang der laufenden Gerichtsverfahren 7 A 161/06 und 7 A 95/07 von\nmaßgeblicher Bedeutung sein könnten. Ungeachtet der vom Antragsgegner zu der\nvorgelegten Protokollberichtigung bereits vorgetragenen Bedenken vermag diese\nBerichtigung des Protokolls bereits aus den dargelegten Gründen das erkennende\nGericht nicht zu überzeugen.\n\n38\n\n \n\nIm Ergebnis vermag das erkennende Gericht daher bei der in diesem Verfahren\ngebotenen summarischen Betrachtungsweise keinen Anspruch der Antragstellerin,\n, für die mit dem ersten Antrag begehrte Feststellung zu erkennen. Im\nGegenteil, die Aktenlage bzw. die im vorliegenden Verfahren, wie auch in den\nVerfahren 7 A 95/07 und 7 A 161/06 abgegebenen Erklärungen weisen\nUngereimtheiten auf, die in keiner Weise geeignet sind, eine ordnungsgemäße\nVorstandswahl auf der Genossenschaftsversammlung am 02.02.2005 im Nachhinein\nzu dokumentieren.\n\n39\n\n \n\n2\\. Soweit die Antragstellerin die Feststellung begehrt, dass … als\nSchriftwartin zur Stellvertreterin iSd § 5 Abs. 2 der Satzung der\nAntragstellerin gewählt worden ist, hat die Antragstellerin bei der in diesem\nVerfahren gebotenen summarischen Betrachtungsweise aus den oben bereits zu\nZiffer 1 dargelegten Gründen ebenfalls keinen Anordnungsanspruch, d. h. einen\nmateriellen Anspruch für die von ihr begehrten Feststellungen glaubhaft\ngemacht.\n\n40\n\n \n\n3\\. Soweit die Antragstellerin die Feststellung begehrt, dass die Anordnung\ndes Beklagten an den Amtsvorsteher des Amtes Ostholstein-Mitte, als\nNotjagdvorstand zu einer Genossenschaftsversammlung einzuladen und die Wahl\neines Jagdvorstandes durchzuführen, rechtswidrig und unwirksam ist, da die\nJagdgenossenschaft über einen rechtmäßig gewählten Vorstand verfüge, hat sie\nbei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Betrachtungsweise ebenfalls\naus den bereits zu Ziffer 1 dargelegten Gründen keinen Anordnungsanspruch, d.\nh. einen materiellen Anspruch für die von ihr begehrte Feststellung glaubhaft\ngemacht. Ergänzend ist insoweit hinzuzufügen, dass gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2\nBJagdG die Geschäfte des Jagdvorstandes vom Gemeindevorstand wahrgenommen\nwerden, solange die Jagdgenossenschaft keinen Vorstand gewählt hat. Aus den\nbereit oben zu Ziffer 1 genannten Gründen hat die A. zumindest bei der in\ndiesem Verfahren gebotenen summarischen Betrachtungsweise auf der\nGenossenschaftsversammlung am 02.02.2005 keine ordnungsgemäße Wahl eines\nJagdvorstandes durchgeführt, so dass schon aus diesem Grunde die Aufforderung\ndes Antragsgegners in seinem Schreiben vom 23.04.2007 an den Amtsvorstehers\ndes Amtes Ostholstein-Mitte, zu einer erneuten Genossenschaftsversammlung\neinzuladen, um einen neuen Jagdvorstand wählen zu lassen, keinen rechtlichen\nBedenken begegnet. Im Gegenteil, diese Aufforderung erscheint angesichts der\nin Ziffer 1 dieses Beschlusses dargelegten Gründe nachvollziehbar und\nerforderlich.\n\n41\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.\n\n \n\n
106,496
lg-flensburg-2007-01-04-4-o-17805
1,062
Landgericht Flensburg
lg-flensburg
Flensburg
Schleswig-Holstein
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
4 O 178/05
2007-01-04
2018-11-24 21:30:19
2019-02-26 19:15:47
Urteil
ECLI:DE:LGFLENS:2007:0104.4O178.05.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\n \n\nDer Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.\n\n \n\nDas Urteil ist für die Beklagte hinsichtlich ihrer Kosten gegen\nSicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages\nvorläufig vollstreckbar.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDer Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen vermeintlicher\nSchlechterfüllung eines Anwaltsvertrages.\n\n2\n\n \n\nDer Kläger, Herr H. K. und Frau C. K. sind die Kinder und gesetzlichen Erben\nihrer am 27. Juli 1999 verstorbenen Mutter A. M. P.. Die Mutter hatte den\nGeschwistern des Klägers im Jahre 1994 unter Vorbehalt eines\nNießbrauchsrechtes Grundstücke unentgeltlich übertragen. Zum Zeitpunkt des\nErbfalls war der Nachlass vermögenslos.\n\n3\n\n \n\nDer Kläger beauftragte die Beklagte vor diesem Hintergrund mit der\nGeltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen gegen seine Geschwister.\nDas entsprechende Verfahren wurde beim Landgericht Flensburg zum Aktenzeichen\n4 O 255/02 geführt.\n\n4\n\n \n\nDie Beklagte stellte für den Kläger in jenem Verfahren zunächst einen\nProzesskostenhilfeantrag, der am 25.06.2002 beim Gericht einging und aufgrund\neiner entsprechenden Verfügung vom 01.07.2002 am 02.07.2002 an die Geschwister\nals Antragsgegner übersandt wurde. Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens\nmeldeten sich die Rechtsanwälte Dr. A. und Partner für die Schwester des\nKlägers, der Bruder des Klägers äußerte sich zum Prozesskostenhilfeantrag\nnicht.\n\n5\n\n \n\nIm November 2002 wurde auf Anregung des Gerichts nach § 65 Abs. 7 Nr. 4 GKG\nschon vor einer Entscheidung über die Prozesskostenhilfe die Zustellung der\nKlageschrift veranlasst, jedoch nur an die Rechtsanwälte Dr. A. und Partner.\nMit Beschluss vom 13.01.2003 wurde dem Kläger die beantragte\nProzesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt Dr. M. aus F.\nbeigeordnet. Der Beschluss wurde am gleichen Tage der Geschäftsstelle\nunterschrieben übergeben.\n\n6\n\n \n\nIm September 2003 fragte die Beklagte beim Gericht nach, ob die Bekanntgabe\ndes Prozesskostenhilfeantrages und die Zustellung der Klage nicht nur an die\nSchwester, sondern auch an den Bruder des Klägers erfolgt seien. Auf die\nMitteilung, dass die Klage dem Bruder bisher nicht zugestellt worden sei,\nreichte die Beklagte eine neue Klageschrift ein, die am 28.10.2003 beim\nGericht einging und dem Bruder am 08.11.2003 zugestellt wurde.\n\n7\n\n \n\nDer Bruder erhob die Einrede der Verjährung. Der Rechtsstreit 4 O 255/02\nendete schließlich dadurch, dass sich der Kläger mit seinen Geschwistern\nverglich. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Rechtsanwälte S.\nund Dr. O. vom 12.03.2004 (Bl. 20 ff. d. A.) Bezug genommen. Wegen der\nweiteren Einzelheiten des Vorprozesses wird auf die beigezogene Akte 4 O\n255/02 verwiesen.\n\n8\n\n \n\nDer Kläger meint, die Beklagte habe seine Interessen im Vorprozess schuldhaft\nnicht optimal gewahrt, weil sie keine ausreichenden Maßnahmen zur Verhinderung\nder Verjährung seines Pflichtteilsergänzungsanspruches gegen seinen Bruder\nergriffen habe. Die Verjährung sei eingetreten, weil die durch die Einreichung\ndes Prozesskostenhilfeantrages zunächst ausgelöste Hemmung bereits mit der\nBewilligung von Prozesskostenhilfe am 13.01.2003 geendet habe und die\nKlagezustellung an seinen Bruder im November 2003 zu spät erfolgt sei. Auf das\nBeschwerderecht der Staatskasse könne es für das Ende der Hemmung nicht\nankommen. Die Beklagte habe jedoch noch rechtzeitig vor Eintritt der\nVerjährung erkennen können und müssen, dass eine Klagezustellung an seinen\nBruder bisher nicht erfolgt sei, und diese gegenüber dem Gericht veranlassen\nmüssen.\n\n9\n\n \n\nDer Kläger behauptet, er habe den Vergleich mit seinen Geschwistern im\nVorprozess gerade nur vor dem Hintergrund der eingetretenen Verjährung\nabgeschlossen. Anderenfalls hätte er gegen seinen Bruder einen - in der\nKlageschrift näher berechneten - Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe der\nKlageforderung durchsetzen können.\n\n10\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n11\n\n \n\ndie Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.567,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5\nProzentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2006 zu zahlen.\n\n12\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n13\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n14\n\n \n\nDie Beklagte meint, dass ihr bzw. dem Rechtsanwalt Dr. M. kein schuldhaftes\nFehlverhalten zur Last falle. Außerdem behauptet sie, dass sich der Kläger\nauch unabhängig von der Verjährungsproblematik mit seinen Geschwistern\nverglichen hätte und dass der vom Kläger angesetzte Wert der Grundstücke, die\nseine Mutter an seine Geschwister verschenkt habe, unzutreffend hoch sei.\n\n15\n\n \n\nWegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten\nSchriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n16\n\n \n\nDie Klage ist nicht begründet.\n\n17\n\n \n\nDabei kommt es nicht darauf an, ob dem Kläger gegen seinen Bruder ein\nPflichtteilsergänzungsanspruch in der von ihm jetzt geltend gemachten Höhe\nzugestanden hat, und ob er auf diesen Anspruch im Rahmen des im Vorprozess 4 O\n255/02 abgeschlossenen Vergleiches auch dann verzichtet hätte, wenn er nicht\ndavon ausgegangen wäre, dass dieser Anspruch verjährt sei. Ihm steht gegen die\nBeklagte nämlich schon dem Grunde nach gar kein Schadensersatzanspruch zu,\nweil die Beklagte seinen (angeblichen) Pflichtteilsergänzungsanspruch im\nVorprozess gar nicht hat verjähren lassen.\n\n18\n\n \n\nNach § 2332 Abs. 2 BGB verjährte der Anspruch grundsätzlich in 3 Jahren nach\ndem Tode der Mutter der Parteien, die Verjährungsfrist lief somit zunächst bis\nzum 27.07.2002.\n\n19\n\n \n\nDer Prozesskostenhilfeantrag vom 21.06.2002 hat sodann nach § 204 Abs. 1 Nr.\n14 BGB zu einer Verjährungshemmung geführt. Die Hemmung hat bereits mit der\nEinreichung des Antrages begonnen, der am 25.06.2002 beim Gericht eingegangen\nist. Die Bekanntgabe an den Bruder des Klägers ist anschließend nämlich mit\nVerfügung vom 01.07.2002 und damit "demnächst" veranlasst worden. Da der Tag,\nin dessen Verlauf der Hemmungsgrund entsteht, schon zur Hemmungszeit gehört\n(Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Auflage, § 209 Rdnr. 1), standen bei Eintritt der\nHemmung noch 33 Tage aus der ursprünglichen Verjährungsfrist offen.\n\n20\n\n \n\nDie Hemmung hat dann nach § 204 Abs. 2 BGB 6 Monate nach der Beendigung des\nProzesskostenhilfeverfahrens geendet, dabei tritt die Beendigung mit der\nUnanfechtbarkeit der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ein\n(Anwaltskommentar Schuldrecht-Mansel, § 204 Rdnr. 51). Der\nProzesskostenhilfebeschluss vom 13.01.2003 ist mit Ablauf des 13.04.2003\nunanfechtbar geworden. Bis dahin bestand ein Beschwerderecht der Staatskasse\nnach § 127 Abs. 3 ZPO, weil dem Kläger die Prozesskostenhilfe ohne\nRatenzahlungen bewilligt worden war. Der Beschluss war der Staatskasse nicht\nförmlich bekannt gegeben worden, sodass für sie die Frist von 3 Monaten seit\nder Übergabe der unterschriebenen Entscheidung an die Geschäftsstelle nach §\n127 Abs. 3 Satz 4, 5 ZPO galt.\n\n21\n\n \n\nEntgegen der Auffassung des Klägers ist das Beschwerderecht der Staatskasse\nbei der Frage, wann ein Prozesskostenhilfeverfahren "beendet" ist, zu\nberücksichtigen. Nach allgemeinem Verständnis ist ein Verfahren nämlich nicht\nschon mit dem Erlass einer gerichtlichen Entscheidung abgeschlossen, sondern\nerst mit deren Unanfechtbarkeit. So ist nach einhelliger Auffassung ein\nProzesskostenhilfeverfahren nicht vor Ablauf der Beschwerdefrist zugunsten des\nAntragstellers beendet (Palandt-Heinrichs, a. a. O., § 204 Rdnr. 45). Dieses\ngilt nicht nur, wenn ihm Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht\nversagt worden ist, sondern ebenso, wenn die Versagung auf fehlende\nHilfsbedürftigkeit gestützt worden ist oder dem Antragsteller nur\nProzesskostenhilfe unter Ratenzahlung bewilligt worden ist, er selbst aber\ngeltend machen will, es seien keine oder geringere Raten festzusetzen. Auch\nsolange nur die Frage einer Ratenhöhe offen ist, kann das\nProzesskostenhilfeverfahren nicht als beendet angesehen werden. Auf dieser\nGrundlage muss aber für das Beschwerderecht der Staatskasse dasselbe gelten\nwie für ein Beschwerderecht des Antragstellers.\n\n22\n\n \n\nDiese Auslegung des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB steht auch im Einklang mit der\nGesetzesbegründung. Darin heißt es zu § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB\n(Bundestagsdrucksache 14/6040, Seite 117):\n\n23\n\n \n\n"Bei dem Verfahren auf Erlass eines Arrestes, einer einstweiligen Verfügung\noder einer einstweiligen Anordnung (Abs. 1 Nr. 9) richtet sich das Vorliegen\neiner rechtskräftigen Entscheidung oder einer sonstigen Erledigung nach den\nprozessordnungsrechtlichen Vorschriften.\n\n24\n\n \n\nLetzteres gilt auch für das Prozesskostenhilfeverfahren (Abs. 1 Nr. 14).\n\n25\n\n \n\nDiesbezüglich wird auf eine ergänzende Regelung, die näher bestimmen soll,\nwann das zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingeleitete Verfahren als\nerledigt anzusehen ist, verzichtet. Probleme können sich hier etwa aus dem\nUmstand ergeben, dass eine die Bewilligung ablehnende Entscheidung von dem\nAntragsteller gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO mit der unbefristeten Beschwerde\nangefochten werden kann. Auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann nach\nMaßgabe des § 127 Abs. 3 ZPO von der Staatskasse angefochten werden. Eine\nähnliche, wenn auch nicht allzu häufige Situation kann sich bei dem\nselbstständigen Beweisverfahren (Abs. 1 Nr. 7) ergeben: Dort ist der\nBeschluss, mit dem die Durchführung des beantragten Verfahrens abgelehnt wird,\nmit der unbefristeten Beschwerde anfechtbar. Indes sehen schon der bisherige §\n477 Abs. 2 und der bisherige § 639 Abs. 1 eine Verjährungshemmung durch das\nselbstständige Beweisverfahren vor, die mit "Beendigung" des Verfahrens endet.\nNennenswerte praktische Probleme mit der Anwendung dieser Bestimmung sind\nnicht bekannt geworden. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass der Entwurf\neines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses (Bundestagsdrucksache 14/4722)\neine Abschaffung der unbefristeten Beschwerde vorsieht."\n\n26\n\n \n\nDaraus folgt, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers die "Beendigung"\neines Prozesskostenhilfeverfahrens im Falle einer Entscheidung über den\nProzesskostenhilfeantrag grundsätzlich erst mit dem Eintritt der formellen\nRechtskraft dieser Entscheidung angenommen werden soll. Die formelle\nRechtskraft tritt dann, wenn (wie im vorliegenden Fall) eine Beschwerde der\nStaatskasse statthaft ist, erst ein, wenn auch die Frist für die - in der\nGesetzesbegründung ausdrücklich aufgeführte - Beschwerde der Staatskasse\nabgelaufen ist. Eine solche Auslegung des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB ist\nsachgerecht, weil die Prozesskostenhilfe beantragende Partei erst nach der\nrechtskräftigen Entscheidung über die Frage, inwieweit sie ihr Einkommen und\nVermögen für die Prozessführung einzusetzen hat, sachgerecht darüber\nentscheiden kann, ob sie den Prozess auch unter Berücksichtigung der damit\nmöglicherweise für sie konkret verbundenen finanziellen Einschränkungen\ndurchführen will.\n\n27\n\n \n\nAn den Eintritt der Unanfechtbarkeit am 13.04.2003 schloss sich noch die Frist\nvon 6 Monaten nach § 204 Abs. 2 BGB an, sodass die Hemmung der Verjährung am\n13.10.2003 geendet hat. Ab dem 14.10.2003 liefen noch die letzten, vor Beginn\nder Hemmung noch nicht verstrichenen 33 Tage der Verjährungsfrist, sodass die\nVerjährungsfrist nunmehr bis zum 15.11.2003 dauerte.\n\n28\n\n \n\nDem damaligen Antragsgegner/Beklagten zu 1) - H. K. - ist die Klageschrift im\nVorprozess 4 O 255/02 aber bereits am 08.11.2003 zugestellt worden, dadurch\nist die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB erneut gehemmt worden. Wegen §\n167 ZPO ist sogar schon auf den Zeitpunkt des Eingangs der (erneuten)\nKlageschrift beim Gericht am 28.10.2003 abzustellen. Diese neuerliche Hemmung\nhat bis zum Ende des Mandats der Beklagten und bis zum Abschluss des\nVergleichs zwischen dem Kläger und seinen Geschwistern fortbestanden.\n\n29\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die\nvorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.\n\n \n\n
108,550
vg-schleswig-holsteinisches-2006-08-25-9-a-81604
1,071
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht
vg-schleswig-holsteinisches
Schleswig-Holsteinisches
Schleswig-Holstein
Verwaltungsgerichtsbarkeit
9 A 816/04
2006-08-25
2018-11-26 01:30:11
2019-02-14 08:30:00
Urteil
ECLI:DE:VGSH:2006:0825.9A816.04.0A
#### Tenor\n\n \n\nDer Bescheid vom 23. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom\n21. Oktober 2004 wird aufgehoben.\n\n \n\nDie Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.\n\n \n\nDas Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt\nnachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %\ndes beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit\nin gleicher Höhe geleistet hat.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines sogenannten\nFeststellungsbescheides nach § 251 Abs. 3 Abgabenordnung - AO -.\n\n2\n\n \n\nMit Bescheid vom 19. März 2002 setzte die Beklagte gegen die XY GmbH einen\nErschließungsbeitrag in Höhe von 175.994,77 € fest. Der hiergegen erhobene\nWiderspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08. April 2003 als unbegründet\nzurückgewiesen. Hiergegen erhob die XY GmbH am 02. Mai 2003 Klage - 9 A 147/03\n-. Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der XY GmbH mit Beschluss\ndes Amtsgerichts Eutin vom 17. Juni 2004 eröffnet worden war, war der\nRechtsstreit zunächst gemäß § 167 VwGO iVm § 240 ZPO unterbrochen, bis der\nInsolvenzverwalter mit Schriftsatz vom 11. November 2004 die Aufnahme des\nRechtsstreites erklärte. Über dieses Klageverfahren ist nach mündlicher\nVerhandlung am 23. August 2006 mit Urteil vom 25. August 2006 entschieden\nworden.\n\n3\n\n \n\nDie Beklagte meldete u. a. die Erschließungsbeitragsforderung in Höhe von\n175.994,77 € zur Insolvenztabelle an und verwies auf Nachfrage des Klägers\ndarauf, dass wegen dieser Forderung ein Rechtsstreit anhängig sei. Nachdem im\nPrüfungstermin vor dem Amtsgericht am 03. September 2004 die\nErschließungsbeitragsforderung vom Kläger bestritten worden war, erließ die\nBeklagte am 23. September 2004 einen Festsetzungsbescheid, mit dem sie den\nErschließungsbeitrag für die Grundstücke „Am Seestern“ in Höhe von 175.994,77\n€ zur Insolvenztabelle feststellte. Dem Bescheid fügte sie eine Kopie des\nFestsetzungsbescheides vom 19. März 2002 sowie eine Kopie des\nWiderspruchsbescheides vom 08. April 2003 zur Information bei.\n\n4\n\n \n\nHiergegen erhob der Kläger Widerspruch, zu dessen Begründung er sich auf die\nim Klageverfahren 9 A 147/03 vorgebrachten Einwände bezog.\n\n5\n\n \n\nMit Bescheid vom 21. Oktober 2004 wies die Beklagte den Widerspruch als\nunbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass Gegenstand des\nFeststellungsbescheides nicht die Rechtmäßigkeit des den Beitrag festsetzenden\nBescheides sei, sondern dass dem Beitragsgläubiger eine bestimmte\nBeitragsforderung als Insolvenzforderung zustehe, mithin, dass der angemeldete\nund bestrittene Beitragsanspruch bestehe und angemeldet sei. Die Begründung\ndes Klägers beziehe sich auf den bereits anhängigen Rechtsstreit (9 A 147/03)\nund damit auf die Rechtmäßigkeit des Festsetzungsbescheides. Vorliegend gehe\nes aber zunächst um die Anmeldung der bestrittenen Forderung (zur\nInsolvenztabelle). Über die Höhe der Forderung könne erst nach Abschluss des\nKlageverfahrens 9 A 147/03 entschieden werden.\n\n6\n\n \n\nHiergegen hat der Kläger am 08. November 2004 Klage erhoben.\n\n7\n\n \n\nDer Kläger ist der Auffassung, dass nicht zwei Klageverfahren um dieselbe\nBeitragsforderung geführt werden könnten. Nach der Insolvenz könne keine\nLeistung mehr vom Schuldner gefordert werden, sondern nur noch eine\nFeststellung zur Insolvenztabelle begehrt werden. Da der Beklagten durch die\nstreitgegenständlichen Erschließungsmaßnahmen keine Kosten entstanden seien,\nsei die Festsetzung eines Erschließungsbeitrages auch in der Sache\nrechtswidrig.\n\n8\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n9\n\n \n\nden Bescheid der Beklagten vom 23. September 2004 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 21. Oktober 2004 aufzuheben.\n\n10\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n11\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n12\n\n \n\nDie Beklagte ist der Auffassung, der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig. Zum\nZeitpunkt des Bestreitens der Erschließungsbeitragsforderung durch den Kläger\nim Insolvenzverfahren habe dieser sich noch nicht in dem Parallelverfahren 9 A\n147/03 dahingehend erklärt, ob er den anhängigen Verwaltungsrechtsstreit\naufnehmen wolle. Ihr sei daher nur die Möglichkeit geblieben, nach § 179\nInsolvenzordnung - InsO - vorzugehen, d. h., sie habe die Feststellung gegen\nden Bestreitenden betreiben müssen. Für das Beitragsrecht gelte insoweit gemäß\n§§ 20, 11 Kommunalabgabengesetz - KAG - § 251 Abs. 3 AO. Hieraus rechtfertige\nsich ihr angegriffener Bescheid. Dieser sei auch dem Grunde nach nicht zu\nbeanstanden, da ihr ein beitragsfähiger Aufwand entstanden sei.\n\n13\n\n \n\nAuch der Bundesfinanzhof halte einen Bescheid nach § 251 Abs. 3 AO immer dann\nfür erforderlich, wenn der Insolvenzverwalter der angemeldeten Steuerforderung\n- dies gelte entsprechend für eine Beitragsforderung - widerspreche und zwar\nungeachtet der Frage, ob der Steueranspruch durch Steuerbescheid tituliert\nsei. Insoweit verweist sie außerdem auf einen Erlass des Bundesministeriums\nder Finanzen vom 17. Dezember 1998 unter Ziffer 6.2.\n\n14\n\n \n\nDie Kammer hat mit Beschluss vom 29. Juni 2006 den Rechtsstreit der\nBerichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.\n\n15\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die\nGerichtsakte einschließlich der Gerichtsakten 9 A 147/03, 9 A 145/03 und 9 A\n146/03 nebst der jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die\nGegenstand der (gemeinsamen) mündlichen Verhandlung waren.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n16\n\n \n\nDie Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom 23. September 2004 in\nGestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2004 ist rechtswidrig und\nverletzt den Kläger in seinen Rechten, so dass er aufzuheben war (vgl. § 113\nAbs. 1 Satz 1 VwGO).\n\n17\n\n \n\nEin Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO hätte aufgrund der bereits\nerfolgten und mit der Klage angegriffenen Festsetzung des\nErschließungsbeitrages hier nicht mehr ergehen dürfen. Liegt nämlich im\nZeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bereits ein vom Schuldner\nangefochtener Steuer- oder Abgabenbescheid über die im Prüfungstermin von der\nBehörde angemeldete und vom Insolvenzverwalter bestrittene Steuer- oder\nAbgabeforderung vor, so ist nach § 180 Abs. 2 i.V.m. § 185 InsO die\nFeststellung durch Aufnahme des durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen\nRechtsbehelfsverfahrens oder - wie hier - bei Anhängigkeit einer Klage durch\nAufnahme des Rechtsmittelverfahrens zu betreiben (vgl. Frotscher, Besteuerung\nbei Insolvenz, 5. Aufl., S. 261 f.; Loose in Tipke/ Kruse Loseblattkommentar\nzur AO, § 251 AO Rdnr. 67; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 251\nRdnr. 32; Weis in Hess/Weis/ Wienberg, Kommentar zur Insolvenzordnung, 2.\nAufl., § 185 Rdnr. 13; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 185 Rdnr. 5;\nMünchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 180 Rdnr. 18; Greger in Zöller -\nZPO-Kommentar, 24. Aufl., § 240 Rdnr. 13; Farr, Die Reichweite\nrechtsfehlerhafter Feststellungsbescheide, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ--\n2003, 345, 347, BFH, Urteil vom 23. Februar 2005 - VII R 63/03, Juris).\nErlässt die Behörde trotz Vorliegens eines Steuer- oder Abgabenbescheides\neinen Feststellungsbescheid, ist dieser zwar wirksam, jedoch als rechtswidrig\nanzusehen (vgl. Urteil des FG Nürnberg vom 29. Mai 2002 III 65/1999,\nEntscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2002, 1274, Loose aaO, BFH aaO).\n\n18\n\n \n\nFür einen gesonderten Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO ist neben\neinem fortzuführenden Rechtsbehelfsverfahren deshalb kein Raum, weil es an der\nErforderlichkeit eines Feststellungsverfahrens fehlt. Denn auch im Rahmen des\nfortzuführenden Klageverfahrens hat die Prüfung der Berechtigung der Behörde\nzu erfolgen, eine bestimmte Abgabenforderung als Insolvenzforderung zur\nTabelle anzumelden. Zwar ist eigentlicher Gegenstand des Urteils im\nfortzuführenden Klageverfahren - ebenso wie Gegenstand eines\nFeststellungsbescheides nach § 251 Abs. 3 AO - nicht die Rechtmäßigkeit des\nden Erschließungsbeitrag festsetzenden Bescheides, sondern die rechtmäßige\nBeanspruchung des Erschließungsbeitrages als Insolvenzforderung (vgl. Greger\naaO Rdnr. 14; BFH-Urteil vom 26. November 1987 - V R 133/81 -, BFHE 151, 345,\nBStBl II 1988, 199), doch setzt das Haftungsrecht der Behörde an der Masse\nneben der Anmeldbarkeit der geltend gemachten Forderung im Insolvenzverfahren\nauch den Bestand der Abgabenforderung voraus (vgl. Greger aaO; Münchener\nKommentar zur Insolvenzordnung, § 180 Rdnr. 18; BFH, Urteil vom 23. Februar\n2005 - VII R 63/03, Juris). Die Begründung des Urteils im fortzuführenden\nKlageverfahren wie auch die Begründung eines nach § 251 Abs. 3 AO zu\nerlassenden Feststellungsbescheides hat sich daher auch auf die Rechtmäßigkeit\nder Abgabenforderung zu erstrecken (vgl. Jaeger, Konkursordnung, 8. Aufl., §\n146 Rdnr. 20; danach ist der Feststellungsbescheid nicht als Abgabenbescheid,\nsondern als reine, die Widerspruchsgründe würdigende Feststellung zu erlassen,\nBFH aaO).\n\n19\n\n \n\nAuf den so verstandenen Prüfungsumfang weist auch die Entstehungsgeschichte\nvon § 251 AO hin. Dessen Vorgängervorschrift (§ 226a RAO) wurde durch § 162\nNr. 39 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vom 6. Oktober 1965 (BGBl I, 1477)\neingeführt. Damit wurde erstmals eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für den\nErlass eines Feststellungsbescheides geschaffen. Ausweislich der\nGesetzesbegründung sollte zugleich die Frage geklärt werden, ob die\nordentlichen Gerichte oder die Finanzgerichte bei Anmeldung von\nSteuerforderungen als bevorrechtigte Konkursforderungen über das\nKonkursvorrecht zu entscheiden haben. Mit dem Entwurf sollte die Frage dahin\ngehend geklärt werden, dass die dem Steuerrecht angehörige Entscheidung über\ndas Bestehen der Steuerforderung und über den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit dem\nFinanzgericht zusteht (BTDrucks IV/1446, S. 62 f.; vgl. zum Ganzen ebenso: BFH\naaO). Dasselbe gilt bei Abgabenbescheiden im Verhältnis zu den\nVerwaltungsgerichten.\n\n20\n\n \n\nIn Anbetracht dieses Befundes ist ein Erfordernis zum Erlass eines\nFeststellungsbescheides dann nicht anzuerkennen, wenn bereits ein\nangefochtener Abgabenbescheid existiert und die Begründetheit des vom\nInsolvenzverwalter erhobenen Widerspruchs im Rahmen des fortzuführenden\nRechtsbehelfs- oder Rechtsmittelverfahrens überprüft werden könnte. Auch aus\nGründen der Prozessökonomie und der Rechtssicherheit verbietet es sich, zwei\nvoneinander unabhängige Rechtsbehelfsverfahren über dieselben\nAbgabenforderungen zu betreiben und den Schuldner zwei parallel zu führenden\nVerfahren auszusetzen. Ein Wahlrecht der Behörde, das durch die\nInsolvenzeröffnung unterbrochene Widerspruchs- oder Klageverfahren aufzunehmen\noder einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO zu erlassen, besteht\ndemnach nicht (vgl. zum Ganzen ebenso: BFH aaO).\n\n21\n\n \n\nIm Streitfall hat der Insolvenzverwalter das vor Insolvenzeröffnung anhängige\nKlageverfahren in der nach der InsO gebotenen Weise wieder aufgenommen (zur\nBerechtigung des Gläubigers zur Wiederaufnahme des Rechtsstreits vgl. Urteil\ndes Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 1988 - 8 C 73.85 - , NJW 1989,\n314; Frotscher, a.a.O., S. 361; Uhlenbruck, a.a.O., § 180 Rdnr. 13; BFH,\nUrteil vom 7. März 2006 - VII R 11/05 -, Juris: in der die hier gegebenen\nFallkonstellation des Bestreitens der zur Tabelle angemeldeten\nBeitragsforderung durch den Insolvenzverwalter hätte die Beklagte den\nunterbrochenen Rechtsstreit 9 A 147/03 als Passivprozess iSd § 86 InsO nach §§\n179 Abs. 1 iVm 180 Abs. 2 InsO aufnehmen können), in dem mit Urteil vom selben\nTag die Klage abgewiesen wurde (9 A 147/03). Aus der Entscheidung folgt\nzugleich eine Zurückweisung der vom Insolvenzverwalter im Prüfungstermin\nerhobenen Widerspruchs.\n\n22\n\n \n\nSelbst wenn sich das Urteil nur zur Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden\nBeitragsforderung verhielte und darin eine fehlende oder unzureichende\nBegründung und damit eine Verletzung der oben dargestellten Begründungspflicht\nhinsichtlich der Rechtmäßigkeit der geltend gemachten Insolvenzforderung\ngesehen werden könnte, würde dies nicht zur Unwirksamkeit der Entscheidung,\nsondern lediglich zu deren Rechtswidrigkeit führen (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O.,\n§ 366 AO 1977 Rdnr. 16; Wedel in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 366\nAO 1977 Rdnr. 10; sowie BFH-Beschluss vom 9. Mai 1996 IV B 58/95, BFH/NV 1996,\n871). Ein bestandskräftiger Feststellungsbescheid sowie eine rechtskräftige\nEntscheidung, durch die eine Forderung festgestellt wird, entfaltet\nRechtswirkung gegenüber allen Insolvenzgläubigern (§ 183 Abs. 1 InsO). Die\nrechtskräftige Entscheidung bildet auch die Anspruchsgrundlage für eine vom\nInsolvenzgericht auf Antrag der obsiegenden Partei vorzunehmende Berichtigung\nder Insolvenztabelle (§ 183 Abs. 2 InsO). Insofern bedarf es keiner\nwiederholten gerichtlichen Feststellung, dass mit einer bestandskräftig\ngewordenen Verwaltungsentscheidung die Insolvenzforderungen festgestellt\nworden seien (vgl. zum Ganzen ebenso: BFH, Urteil vom 23. Februar 2005 - VII R\n63/03, Juris).\n\n23\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur\nvorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711\nZPO. Gründe, die Berufung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 VwGO), lagen nicht vor.\n\n \n\n
114,426
olgk-1999-09-28-2-ws-50299
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
2 Ws 502/99
1999-09-28
2018-11-28 11:28:43
2019-02-12 08:36:07
Beschluss
ECLI:DE:OLGK:1999:0928.2WS502.99.00
## Tenor\n\n \n1\n\n**G r u n d e :**\n\n2\n\nDer ehemalige Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 7. Marz\n1997 zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden, deren\nVollstreckung zur Bewahrung ausgesetzt worden ist. In dem in der\nHauptverhandlung verkundeten Bewahrungsbeschluss hat das Amtsgericht die\nBewahrungszeit auf 3 Jahre festgesetzt und dem Beschwerdefuhrer die Zahlung\neiner Geldbuße von 30.000,--DM auferlegt.\n\n3\n\nAuf die Berufung des Angeklagten ist das Urteil am 24. Oktober 1997 durch die\n1. kleine Strafkammer des Landgerichts Aachen unter Verwerfung des\nRechtsmittels im ubrigen im Schuldspruch abgeandert worden, wobei ein -\nerneuter - Bewahrungsbeschluss nicht ergangen ist. Nach erfolgreich\ndurchgefuhrter Revision des Angeklagten hat vor der 2. kleinen Strafkammer des\nLandgerichts Aachen eine weitere Hauptverhandlung stattgefunden. In Abanderung\ndes erstinstanzlichen Rechtsfolgenausspruches ist der Angeklagte am 19. Januar\n1999 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten verurteilt worden. Auch\nin dieser Hauptverhandlung ist ein Bewahrungsbeschluss unterlassen worden.\n\n4\n\nNach Rechtskraft des Urteils hat der ehemalige Angeklagte durch seinen\nVerteidiger mit Schriftsatz vom 1. Juli 1999 den Erlass eines\nBewahrungsbeschlusses gem. § 268 a StPO beantragt mit der Bitte, von der\nVerhangung einer Geldauflage im Hinblick auf die zwischenzeitliche\nVerschlechterung seiner finanziellen Verhaltnisse abzusehen. Die Strafkammer\nhat unter dem 2. August 1999 entschieden, dass es bei den Bewahrungsauflagen\nund der Bewahrungszeitfestsetzung gemaß dem amtsgerichtlichen Beschluss vom 7.\nMarz 1997 verbleibe. Dagegen richtet sich die Beschwerde des ehemaligen\nAngeklagten, mit der er die Aufrechterhaltung der Geldauflage rugt. Die\nStrafkammer hat nicht abgeholfen.\n\n5\n\nII.\n\n6\n\nDie Beschwerde ist gem. § 304 Abs. 1 Satz 1 StPO statthaft und auch im ubrigen\nzulassig. In der Sache erweist sich das Rechtsmittel im Rahmen der\neingeschrankten Überprufbarkeit nach § 305 a Abs. 1 Satz 2 StPO auch als\nbegrundet.\n\n7\n\nDie Aufrechterhaltung der im amtsgerichtlichen Beschluss vom 7. Marz 1997 dem\nBeschwerdefuhrer auferlegten Geldbuße stellt eine gesetzwidrige Anordnung dar.\n\n8\n\nEs kann dahinstehen, ob die Strafkammer den gem. § 268 a StPO obligatorischen,\noffensichtlich aber versehentlich unterlassenen Beschluss in entsprechender\nAnwendung von § 453 StPO nachholen durfte (grundsatzlich befurwortend: OLG\nKoblenz MDR 1981, 423; OLG Dusseldorf MDR 1982, 1042; Kleinknecht/Meyer-\nGroßner, StPO, 44. Aufl., § 268 a Rdnr. 8; KK-Fischer, StPO, 4. Aufl., § 453\nRdnr. 4; a.A. LG Freiburg StV 1994, 534; LG Kempten NJW 1978, 839; fur eine\neingeschrankte Nachholung: KMR-Paulus, StPO, § 453 Rdnr. 7).\n\n9\n\nEs bedarf auch keiner Klarung der Frage, ob die als Berufungsgericht tatig\ngewordene Kammer nach Eintritt der Rechtskraft des von ihr verkundeten Urteils\nfur die nachtraglich getroffene Entscheidung - deren grundsatzliche\nZulassigkeit unterstellt - zustandig gewesen ist oder ob uber hieruber gemaß §\n462 a Abs. 2 StPO das Amtsgericht zu befinden gehabt hatte (vgl. hierzu\ngrundlegend: Senat in JR 1981, 473 ff.).\n\n10\n\nDie Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung, soweit diese beanstandet\nwird, folgt daraus, dass die Strafkammer - annahernd 7 Monate nach Beendigung\nder Hauptverhandlung - die zu Lasten des Beschwerdefuhrers auferlegte Geldbuße\naufrechterhalten hat. Jedenfalls eine solche Entscheidung war ihr im\nnachhinein verwehrt.\n\n11\n\nAuflagen gemaß § 56 b Abs. 2 StGB - insbesondere solche nach Nr. 4 der\nVorschrift - dienen der Genugtuung fur das in der Tatbegehung zu Tage\ngetretene Unrecht; im Gegensatz zu Weisungen gem. § 56 c StGB haben sie einen\nrepressiven, sanktionsahnlichen Charakter. Die Entscheidung daruber, ob eine\nAuflage als solche zu erteilen und in welcher Art sie auszugestalten ist,\nsteht in engem Zusammenhang mit der verurteilenden Erkenntnis selbst und\nbildet mit dieser eine Regelungseinheit. So ist gewahrleistet, dass die\nRechtsfolgen der Tat insgesamt aufeinander abgestimmt sind. Die Entscheidung\ngemaß § 268 a StPO ist daher von den bei der Urteilsfindung beteiligten\nPersonen, d.h. unter Mitwirkung der Schoffen, in der Hauptverhandlung zu\ntreffen.\n\n12\n\nDa aus den genannten Grunden fur die Verhangung von Auflagen die Sicht der\nHauptverhandlung maßgeblich ist, wird im Schrifttum die - unter den\nVoraussetzungen der §§ 56 e, 56 b StGB vom Gesetzgeber grundsatzlich fur\nstatthaft erachtete - nachtragliche Abanderung von Auflagen, unter\nrechtsstaatlichen und kriminalpolitischen Grunden als unzulassig angesehen,\nsoweit diese nicht die Schadenswiedergutmachung zum Inhalt haben. Denn es\nerscheint nicht legitim, dem Gericht die Befugnis zuzuerkennen, das\nGenugtuungsbedurfnis wahrend der Bewahrungszeit anders zu beurteilen, als dies\nbei Erlass des Urteils geschehen ist (vgl. Schonke/Schroder-Stree, StGB, 25.\nAufl., § 56 e Rdnr. 3 m.w.N.). Der Senat halt diese Bedenken jedenfalls dann\nfur durchgreifend, wenn es von vorneherein an einem Bewahrungsbeschluss\ngefehlt hat und eine Geldauflage in einem erheblichen zeitlichen Abstand von\nder Hauptverhandlung und ohne erkennbaren Bezug zu deren Inhalt verhangt\nworden ist (so im Ergebnis auch LG Osnabruck, NStZ 1985, 378 f.). Dies gilt\nzumal deshalb, weil die Formulierung in der angefochtenen Entscheidung, es\nsolle bei den Auflagen aus dem amtsgerichtlichen Beschluss vom 7. Marz 1997\nverbleiben, besorgen lasst, dass die Strafkammer in diesem Zusammenhang\nunzutreffenderweise davon ausgegangen ist, es komme auf den Zeitpunkt ihrer\neigenen (Berufungs-)Entscheidung nicht an.\n\n13\n\nHinzu kommt, dass die Feststellungen des Berufungsurteils im Hinlick auf die\nwirtschaftlichen Verhaltnisse des Angeklagten auch keine tragfahige Grundlage\nfur eine nachtragliche Entscheidung bilden, bei der die Strafkammer die in der\nBeschwerde im einzelnen vorgetragene und teils durch Urkunden belegte\nzwischenzeitliche Verschlechterung der Situation bei Beachtung des\nRechtsgedankens des § 56 e StGB im ubrigen nicht außer Acht lassen durfte\n(vgl. OLG Frankfurt, aaO., S. 24).\n\n14\n\nDie Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung\nvon § 467 Abs. 1 StPO.\n\n
114,518
olgk-1999-09-13-17-w-36299
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
17 W 362/99
1999-09-13
2018-11-28 11:28:50
2019-02-11 10:39:21
Beschluss
ECLI:DE:OLGK:1999:0913.17W362.99.00
## Tenor\n\nDie sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Kosten des\nBeschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin. \n1\n\n**G r u n d e**\n\n2\n\nDie sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den angefochtenen\nKostenfestsetzungsbeschluß ist zulassig; in der Sache selbst bleibt das\nRechtsmittel jedoch ohne Erfolg.\n\n3\n\nDie Rechtspflegerin hat fur die Verfahrensbevollmachtigten der Antragsgegnerin\nim selbstandigen Beweisverfahren mit Recht nur eine 5/10 Prozeßgebuhr in\nAnsatz gebracht, §§ 48, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO. Dabei ist zutreffend darauf\nabgestellt worden, daß Seitens der Antragsgegnerin kein Sachantrag gestellt\nworden sei.\n\n4\n\nDie Prozeßgebuhr entsteht auf Seiten des Antragsgegners eines selbstandigen\nBeweisverfahrens mit Einreichung eines Gegenantrags (vergleiche von Eicken in\nGerold/Schmidt/Mabert, BRAGO, 14. Auflage, § 48 Randziffer 5; Hartmann, BRAGO,\n28. Auflage, § 48 Randziffer 5). Die zu fordernde Gegenerklarung muß nach\nAuffassung des Senats eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Antrag auf\nDurchfuhrung des selbstandigen Beweisverfahrens beinhalten. Bloße\nVerfahrensanregungen reichen hierzu nicht aus. Dies ergibt sich aus dem\nRegelungszusammenhang des § 32 Abs. 1 BRAGO.\n\n5\n\nEntgegen der Beschwerdebegrundung besteht keine Veranlassung, die Vorschrift\ndes § 32 BRAGO im selbstandigen Beweisverfahren als nicht einschlagig zu\nbehandeln. Nachdem die Vorschriften der §§ 31, 48 BRAGO nunmehr die\nZubilligung der vollen Anwaltsgebuhren eroffnen, laßt sich insbesondere keine\nHandhabe dahingehend ersehen, im Rahmen des selbstandigen Beweisverfahrens\ndadurch eine zusatzliche Privilegierung der Verfahrensbevollmachtigten durch\nden Geltungsausschuß des § 32 BRAGO zu bewirken (vergleiche von Eicken am\nangegebenen Ort; Hartmann am angegebenen Ort). Im Rahmen der §§ 32 Abs. 1, 48\nBRAGO ist der Begriff des Sachantrags, bezogen auf die Anforderungen des\nselbstandigen Beweisverfahrens, angemessen auszufullen.\n\n6\n\nDabei ist dem Ausgangspunkt hervorzuheben, daß Sachantrage sich grundsatzlich\nunmittelbar auf den streitigen Anspruch beziehen und mit dieser Zielrichtung\neine Auseinandersetzung mit dem Gegenstand eines Beweisantrags enthalten musse\n(vergleiche von Eicken am angegebenen Ort § 32 Randziffer 14 ff). Zwar wird im\nselbstandigen Beweisverfahren kein Gegenantrag zu fordern sein, wie er im\nHauptsacheverfahren etwa mit Klageerwiderung ublicher Weise vorgebracht wird.\nZu fordern ist jedoch nach Sinn und Zweck des § 32 BRAGO eine die Sache\nbetreffende Gegenerklarung. Bloße verfahrensrechtliche Anregungen reichen\nhierzu nicht aus (vergleiche von Eicken am angegebenen Ort § 32 Randziffer\n17).\n\n7\n\nVorliegend fehlt es an einer entsprechenden Gegenerklarung Seitens der\nAntragsgegnerin. Die Entaußerung bloßer Zweifel gegen die Zustandigkeit des\nangerufenen Gerichts sowie der Vorschlag, bestimmte Sachverstandige zu\nbestellen, spiegeln fur sich keine dem Gegenstand des Beweisantrags\nwiderstreitende Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin wieder. Die\nAntragsgegnerin hat vielmehr ihre Gewehrleistungsbereitschaft grundsatzlich\nbekraftigt, ohne der Antragsbegrundung im ubrigen sachlich entgegengetreten zu\nsein.\n\n8\n\nOb auch die Wahrnehmung eines vom Sachverstandigen anberaumten Ortstermins\nausreiche, um die Prozeßgebuhr fur den Verfahrensbevollmachtigten im\nselbstandigen Beweisverfahren auszulosen, kann hier offen bleiben. Zwar ist\nSeitens der Antragsgegner in zunachst ein entsprechender Kostenanfall in den\nFestsetzungsantrag eingestellt worden. Gegen die Absetzung dieser Aufwendungen\nim angefochtenen Beschluß wendet sich das Rechtsmittel jedoch nicht. Von der\nTeilnahme an einem Ortstermin ist daher hier nicht auszugehen.\n\n9\n\nLetztlich ist auch der von der Antragsgegnerin gestellte Antrag, den\nAntragstellern gemaß § 494 a Abs. 1 eine Frist zur Klageerhebung zu setzen,\nnicht dazu angetan, die volle Prozeßgebuhr zu rechtfertigen. Dieser Antrag ist\nebenso wie der nachfolgende Kostenantrag gemaß § 494 a Abs. 2 ZPO nur auf die\nHerbeifuhrung eine bestimmten Kostenfolge gerichtet, ohne im ubrigen eine\nsachliche Gegenerklarung im vorstehend aufgezeigten Sinne zu umschreiben.\nSoweit die Antrage aus § 494 a Abs. 1 und Abs 2 ZPO mit der Prozeßgebuhr des\nVerfahrensbevollmachtigten aus §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 48 BRAGO abgegeuten sind\n(vergleiche hierzu Zoller/Herget, ZPO, 21. Auflage, § 494 a Randziffer 8),\nkann daraus nicht im Umkehr schlußgefolgert werden, daß die Stellung solcher\nAntrage ihrerseits der Anfall der - vollen - Prozeßgebuhr rechtfertigt.\nInsofern hat es vielmehr bei den aufgezeigten Grundsatzen zu verbleiben,\nwonach Verfahrensantrage, welche dem Gegenstand des selbstandigen\nBeweisverfahrens als solche nicht betreffen, bei der Gebuhrenbemessung\nunberucksichtigt zu bleiben haben.\n\n10\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.\n\n11\n\nGegenstandswert fur das Beschwerdeverfahren: 297,50 DM.\n\n
128,054
ovgsl-2003-11-19-3-m-103
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 M 1/03
2003-11-19
2019-01-07 09:28:29
2019-02-12 14:04:46
Beschluss
## Tenor\n\nDas Oberverwaltungsgericht ist instanziell unzustandig.\n\nDer Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht des Saarlandes verwiesen.\n\n## Gründe\n\nDer Klager wendet sich gegen die nachtragliche immissions-schutzrechtliche\nAnordnung nach § 17 BImSchG des Beklagten vom 30.9.2003 und hat entsprechend\nderen Rechtsmittelbelehrung die Klage unmittelbar beim Oberverwaltungsgericht\nerhoben.\n\nDas Oberverwaltungsgericht ist ungeachtet des Umfangs der betroffenen Anlage\nnach Sinn und Zweck der Großvorhabenzustandigkeit des § 48 I Nr. 5 VwGO in der\nab 1.1.1997 geltenden Fassung des Gesetzes vom 1.11.1996 (BGBl. I S. 1626) fur\nnachtragliche immissionsschutzrechtliche Anordnungen nicht zustandig. Ihrem\nWortlaut nach weist die Zustandigkeitsvorschrift allerdings eine im\nProzessrecht ungewohnliche Unscharfe auf.\n\nSchoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Januar 2003, § 48 Rdnr. 14.\n\nDie Formulierung "Verfahren fur die Errichtung, den Betrieb und die\nwesentliche Änderung von ...Anlagen" lasst allerdings ohne Weiteres eine\nEinbeziehung der nachtraglichen Anordnung nach § 17 BImSchG zu, denn die\nnachtragliche Anordnung betrifft den Anlagenbetrieb und schrankt ihn\ngegebenenfalls ein.\n\nJarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, 4. Auflage 1999, § 17 Rdnrn. 21 und 22.\n\nDie zutreffende Auslegung ergibt sich nach der uberzeugenden Auffassung des\nVGH Baden-Wurttemberg aus der Reichweite des gesetzlichen\nBeschleunigungszwecks fur Großvorhaben.\n\nVGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 23.7.1999 - 10 S 373/99 -, S. 2 des\nJuris-Ausdrucks; ebenso im Ergebnis OVG Luneburg, Beschluss vom 1.7.2003 - 7\nKS 115/03 - fur nachtragliche Schutzauflagen.\n\nDie erstinstanzliche Zustandigkeit des Oberverwaltungsgerichts soll die\nGesamtverfahrensdauer verkurzen. Nach den gesetzgeberischen Erwagungen\nerschwert die uberlange Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren bei\nGroßprojekten die Investitionstatigkeit der Wirtschaft.\n\nSchoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Januar 2003, § 48 Rdnr. 3 unter\nBezugnahme auf die Bundestagsdrucksache 10/171.\n\nZur Verwirklichung der Investitionsvorhaben bedarf es indessen\nimmissionsschutzrechtlich nur der Genehmigung (§ 4 BImSchG) und erganzend der\nÄnderungsgenehmigung (§ 16 BImSchG). Fur nachtragliche Maßnahmen stellt das\nImmissionsschutzrecht die drei Instrumente der nachtraglichen Anordnung nach §\n17 BImSchG, das Verbot des Anlagenbetriebs nach § 20 BImSchG sowie den\nWiderruf nach § 21 BImSchG zur Verfugung.\n\nZu dieser Zusammenfassung Jarass, BImSchG, § 17 Rdnr. 1.\n\nAlle nachtraglichen Maßnahmen betreffen den Betrieb der Anlage. Entscheidend\nist aber die unterschiedliche Zweckrichtung: Nur die Genehmigungsverfahren\ndienen der Verwirklichung der Investitionsvorhaben der Wirtschaft und damit\ndem Zweck der Beschleunigungsvorschrift, die nachtraglichen Maßnahmen\nschranken umgekehrt die Investitionsvorhaben ein. Fur diesen Zweck greift der\nBeschleunigungszweck der Großvorhabenzustandigkeit nicht, und deshalb\nverbleibt es fur alle nachtraglichen immissionsschutzrechtlichen Maßnahmen bei\nder Regelzustandigkeit des Verwaltungsgerichts nach § 45 VwGO.\n\nDie hier bestehende instanzielle Unzustandigkeit des Oberverwaltungsgerichts\nist verfahrensmaßig nach den Vorschriften der §§ 83 VwGO, 17 a und 17 b GVG zu\nbehandeln.\n\nBader u.a. VwGO, 1999, § 83 Rdnr. 3; Redeker/von Oertzen, VwGO, 13. Auflage\n2000, § 83 Rdnr. 1.\n\nMithin stellt das Oberverwaltungsgericht nach der hier erfolgten Anhorung der\nBeteiligten seine Unzustandigkeit von Amts wegen fest und verweist den\nRechtsstreit zugleich an das zustandige Verwaltungsgericht des Saarlandes (§§\n83 VwGO, 17 a II 1 GVG). Abweichend von der Rechtsmittelregelung des § 17 a IV\nGVG ist nach § 83 Satz 2 VwGO der Verweisungsbeschluss unanfechtbar. Die vor\ndem angerufenen Oberverwaltungsgericht entstandenen Kosten werden nach § 17 b\nII GVG als Teil der Kosten vor dem Verwaltungsgericht behandelt; fur die\nMehrkosten kann gegebenenfalls die durch die Rechtsmittelbelehrung veranlasste\nAnrufung des Oberverwaltungsgerichts von Bedeutung sein.\n\nVgl. Redeker/von Oertzen VwGO, 13. Auflage, § 17 b GVG im Anhang zu § 41 VwGO,\nRdnr. 20, ungeachtet der Normierung des § 17 b II 2 GVG, wonach der Klager die\nMehrkosten tragt.\n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar.\n\n
128,265
olgsl-2004-11-03-5-u-19004-26
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
5 U 190/04 - 26
2004-11-03
2019-01-07 09:30:33
2019-02-12 14:05:13
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das am 2.3.2004 verkundete Urteil des\nLandgerichts Saarbrucken, Az. 14 O 429/02, wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Der Klager darf die Vollstreckung\ndurch Sicherheitsleistung in Hohe von 115 % des vollstreckbaren Betrages\nabwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Hohe Sicherheit leistet.\n\n4\\. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 80.170,56 Euro\nfestgesetzt.\n\n5\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n<Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofes: Der Tatbestand\nwurde vom Gericht nicht mitgeteilt.>\n\nA.\n\nDer Klager nimmt die Beklagte aus einem Unfallversicherungsvertrag auf Zahlung\nin Hohe von 76.693,78 Euro in Anspruch und begehrt weiterhin die Feststellung,\ndass die Beklagte verpflichtet ist, weitere vertragliche Leistungen in Form\neiner Kurkostenbeihilfe in Hohe von 1.789,52 Euro und kosmetische Operationen\nbis 2.556,46 Euro, soweit die Anspruche nicht auf Sozialversicherungstrager\nubergegangen sind, zu zahlen.\n\nDer Klager hatte gemaß Antrag vom 2.6.1999 (Bl. 122 d.A.) bzw. 4.6.1999 (Bl.\n79 d.A.) bei der Beklagten mit Wirkung zum 1.7.1999 eine Unfallversicherung,\nVersicherungsschein- Nummer, unter Einbeziehung der Allgemeinen\nUnfallversicherungs-Bedingungen (AUB 94) abgeschlossen (Bl. 7 ff d.A.). In dem\nformularmaßigen Versicherungsantrag beantwortete er die Frage "Leidet oder\nlitt die zu versichernde Person in den letzten 4 Jahren an korperlichen\nFehlern, Gebrechen oder erheblichen Krankheiten (Fehlsichtigkeit nur ab 8\nDioptrien)?" jeweils mit "nein"; in dem Antragsformular vom 4.6.1999 ist zudem\nein entsprechender Eintrag in der Rubrik "ja, bitte erlautern (evtl. auf\ngesondertem Blatt)" unleserlich gemacht worden und finden sich weder in dem\nAntragsformular noch auf einem Beiblatt die fur diese Rubrik geforderten\nErlauterungen.\n\nAm 18.9.2000 verursachte der Klager, gegen den am 21.3.2001 wegen fahrlassiger\nKorperverletzung ein - nach Rucknahme des Einspruchs rechtskraftiger -\nStrafbefehl des Amtsgerichts Jever erging (Bl. 107 ff d.A.), einen\nVerkehrsunfall, bei dem er schwere Verletzungen erlitt. Gemaß Diagnose des die\nErstbehandlung durchfuhrenden Arztes Prof. Dr. Dr. P., Stadt. Kliniken g GmbH,\nin denen sich der Klager vom 18.9. bis 16.10.2000 befand, wurden bei ihm "eine\nMittelgesichtstrummerfraktur, Nasenbeintrummerfraktur, doppelte UK-Fraktur,\nmultiple Weichteilverletzungen, Polytrauma, Lungenkontusion, Hirnkontusion,\nCalcaneusfraktur links, Epilepsie" festgestellt (Bl. 118 d.A.); nach dem\nBericht der Stadtischen Klinken vom 20.6.2001 an die fur den Klager zustandige\nBerufsgenossenschaft befand sich der Klager in einem "Zustand nach Polytrauma\nam 18.9.2000 mit Mittelgesichtstrummerfraktur, Nasenbeintrummerfrakturen,\nUnterkiefer-Mehrfragment-Frakturen, Intra- und extraorale\nGesichtsweichteilverletzungen, nicht dislozierte Calcaneusfraktur links,\nLungenkontusion linker Unterlappen, Thoraxkontusion, Schurfwunden\nUnterschenkel bds., Verdacht auf Hirnkontusion" (Bl. 18 ff d.A.).\n\nMit Schreiben vom 16.12.2001 (Bl. 61/100 d.A.), eingegangen bei der Beklagten\nam 18.12.2001(Bl. 62 d.A.), zeigte der Klager den Unfall vom 18.9.2000 an; in\ndiesem Schreiben teilte er der Beklagten Namen und Anschrift der ihn\nbehandelnden Ärzte, Krankenhauser und sonstigen Einrichtungen mit und wies\ndarauf hin, dass weitere Informationen bei der (naher bezeichneten)\nBerufsgenossenschaft zu erhalten seien. Die Beklagte wies den Klager mit\nSchreiben vom 19.12.2001 (Bl. 63/101 d.A.) darauf hin, dass bezuglich des\nUnfalles bisher keine Unterlagen eingereicht worden seien und die verspatete\nMeldung eine Obliegenheitsverletzung darstelle, die Anspruche jedoch\nunverbindlich gepruft wurden. In der Folgezeit reichte der Klager - die Grunde\nfur den mittlerweile eingetretenen Zeitablauf sind zwischen den Parteien\nstreitig- mit einem am 23.4.2002 unterschriebenen Formblatt der Beklagten eine\nvon ihm ausgefullte "Unfall-Schaden-Anzeige" bei der Beklagten ein. In der\nRubrik "Besteht oder bestand bei dem Verletzten ein Anfallsleiden,\n...Epilepsie?" war von dem Klager eingetragen worden "vor dem Unfall nein,\nseit dem Unfall ja". Mit Schreiben vom 7.5.2002 bestatigte die Beklagte den\nEingang der Unfall-Schaden-Anzeige sowie der arztlichen Unterlagen, sie wies\nden Klager darauf hin, dass noch Angaben zum Unfallhergang benotigt wurden,\nebenso die Unterlagen zu dem stationaren Krankenhausaufenthalt im\nerstbehandelnden Krankenhaus; ferner teilte sie dem Klager mit, dass, sobald\ndie Unterlagen vollstandig vorlagen, sie in die Regulierung eintreten werde\n(Bl. 105 d.A.). Nach weiterem Schriftwechsel forderte die Beklagte nochmals\nmit Schreiben vom 8.10.2002 "den Unfallhergang" an und teilte mit, dass nach\nVorlage in die Regulierung eingetreten werde (Bl. 75 d.A.). Mit Schreiben vom\n24.10.2002 (Bl. 77/78 d.A.) lehnte die Beklagte unter Hinweis darauf, dass\nsowohl die Meldung des Unfalls als auch die Geltendmachung eines\nInvaliditatsschadens nach Ablauf der geltenden Fristen erfolgt sei, Leistungen\nab. Der Klager bezog wegen einer Minderung der Erwerbsfahigkeit gemaß\nMitteilungen der Berufsgenossenschaft vom 15.8.2002 (Bl. 22 ff d.A.) und vom\n25.4.2003 (Bl. 270 ff d.A.) seit dem 18.3.2002 und gemaß Bescheid der BfA vom\n8.10.2002 (Bl. 26 ff d.A.) eine monatliche Rente.\n\nNachdem der Klager mit bei dem Landgericht am 16.12.2002 eingegangenem\nSchriftsatz Klage auf Zahlung und Feststellung erhoben hat, erklarte die\nBeklagte mit außerprozessualem Schreiben vom 8.1.2003 (Bl. 120/121 d.A.) den\nRucktritt vom Vertrag wegen schuldhafter Verletzung der vorvertraglichen\nAnzeigepflicht unter Hinweis auf den Entlassungsbericht der Waldklinik vom\n5.11.2001, aus dem entnommen worden sei, dass bei dem Klager jahrelang ein\nAnfallsleiden bestanden habe, sowie (vorsorglich) die Anfechtung wegen\narglistiger Tauschung.\n\nDer Klager hat im ersten Rechtszug im Hinblick auf bei ihm festgestellte\nVerletzungen, namlich komplexe Gesichtsschadelverletzungen im Mittelgesicht\nund Unterkiefer, Lungenkontusion linker Unterlappen, Thoraxkontusion,\nCalcaneusfraktur links, stumpfes Bauchtraume mit kurzstreckigen\nDunndarmeinblutungen und Schadelhirntrauma, geltend gemacht, dass Invaliditat\nim Sinne des Versicherungsvertrages vorliege; dauernde Folgen des\nVerkehrsunfalls bzw. der hierbei erlittenen Verletzungen seien\nBewegungseinschrankungen und Belastungsschmerzen im unteren linken\nSprunggelenk, leichte Muskelminderung im Bereich des linken Unterschenkels und\nKraftminderung im gesamten linken Bein wegen des Fersenbeinbruchs, ferner\nbestehe ein hirnorganisches Anfallsleiden sowie ein Erinnerungsverlust fur\nalle Dinge vor dem Unfallereignis. Vor dem Unfall bzw. zum Zeitpunkt des\nAbschlusses des Versicherungsvertrages habe er nicht an einem cerebralen bzw.\ngeneralisierten Anfallsleiden gelitten, sondern dieses sei erst\nposttraumatisch aufgetreten; dies erschließe sich auch daraus, dass sich im\nRahmen der routinemaßigen arztlichen Untersuchungen bei der Bundeswehr, denen\ner sich wahrend seiner 12-jahrigen Dienstzeit habe unterziehen mussen, nie\neine solche Diagnose ergeben habe. Die Invaliditat sei innerhalb eines Jahres\nbzw. von funfzehn Monaten vom Unfalltag an gerechnet festgestellt worden, wie\nsich dies aus den arztlichen Berichten und insbesondere dem neurologischen\nBefundbericht der Ärzte B., J. und W., L., vom 3.8.2001 ergebe (Bl. Bl. 249\nff/256 d.A.).Insoweit reiche auch eine Feststellung der MdE fur die\nInvaliditatsfeststellung aus. Auch habe er seinen Invaliditatsanspruch\nrechtzeitig vor Fristablauf geltend gemacht; die Unfallmeldung unter Hergabe\nder Adressen der ihn behandelnden Ärzte stelle eine Anspruchsanmeldung im\nSinne der einschlagigen Vorschriften dar. Weiterhin sei zu berucksichtigen,\ndass er die Pflicht, den Unfall unverzuglich anzuzeigen, weder vorsatzlich\nnoch grob fahrlassig verletzt habe, da er sich sechs Tage nach dem Unfall im\nKoma befunden habe und er sich im Hinblick auf die eingetretene -retrograde-\nAmnesie nicht mehr habe erinnern konnen, uberhaupt eine Unfallversicherung\nabgeschlossen zu haben; dies habe er erst durch die Pramienrechnung im Oktober\n2001 erfahren.\n\nUnter Berucksichtigung der Verletzungen, insbesondere aber der\nCalcaneusfraktur, liege auf der Grundlage der vertraglichen Bedingungen\n(Progressionsmodell 350 %) ein Invaliditatsgrad (50 %) vor, nach welchem er\n100 % der Versicherungssumme und somit einen Betrag in Hohe von 150.000 DM =\n76.693,78 Euro beanspruchen konne.\n\nDer Klager hat beantragt,\n\n1\\. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 76.693,78 Euro nebst 5 % Zinsen uber\ndem Basiszinssatz gemaß § 247 BGB seit Rechtshangigkeit zu zahlen,\n\n2\\. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle weiteren\nvertraglichen Leistungen aus dem Vertrag zur Versicherungsscheinnummer der\nParteien in Form von Kurkostenbeihilfe in Hohe von 1.789,52 Euro, kosmetische\nOperationen bis 2.556,46 Euro zu zahlen, soweit die Anspruche nicht auf\nSozialleistungstrager ubergegangen sind.\n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\ndie Klage abzuweisen.\n\nDie Beklagte hat im Wesentlichen eingewandt, wegen Obliegenheitsverletzungen\ndes Klagers gemaß § 9 Abs. 1 und 2 AUB (verspatete Meldung des Unfalls sowie\nunterlassene Angaben zum Unfallhergang) sowie wegen Nichteinhaltung der\nFristen fur die Feststellung bzw. Geltendmachung der Invaliditat gemaß § 7 AUB\nleistungsfrei zu sein. Die angebliche Invaliditat sei erstmals mit der\nSchadensmeldung vom 23.4.2002 und damit außerhalb Jahresfrist geltend gemacht\nworden; die bloße Übersendung von Arztadressen genuge ebenso wenig wie der\nVerweis auf eine Diagnose, die der Klager noch nicht einmal ubergeben habe,\nden insoweit geltenden Anforderungen; gleiches gelte fur den Hinweis auf die\nMoglichkeit, sich Informationen von der Berufsgenossenschaft zu verschaffen.\nWeiterhin hat sich die Beklagte darauf gestutzt, mit außerprozessualem\nSchreiben vom 8.1.2003 wirksam den Rucktritt vom Versicherungsvertrag bzw. die\nAnfechtung wegen arglistiger Tauschung erklart zu haben. Denn erstmals mit Fax\nvom selben Tag habe sie Kenntnis von dem Bericht des Krankenhauses vom\n8.6.2000 (Bl. 239 ff d.A.) erhalten, aus dem sich ergeben habe, dass bei dem\nKlager schon seit 10 Jahren ein Anfallsleiden bekannt sei. Zwar sei auch in\ndem Entlassungsbericht der Waldklinik auf ein nach Aktenlage seit Jahren\nbestehendes Anfallsleiden hingewiesen worden. Sie habe von diesen Akten jedoch\nkeine Kenntnis gehabt, auch habe der Klager immer wieder erklart, vor dem\nUnfall kein Krampfleiden gehabt zu haben, anderslautende Arztberichte beruhten\nauf einem Missverstandnis. Auch in der Schadensmeldung habe der Klager\nerklart, vor dem Unfall nicht an Epilepsie gelitten zu haben, er habe ihr mit\ndem Schreiben vom 23.4.2002 acht Befundberichte zukommen lassen, nicht jedoch\n- auch nicht zu einem spateren Zeitpunkt - den Bericht des - Krankenhauses.\nAuch den Bericht der Klinik vom 30.12.2001 (Bl. 165 ff d.A.), in dem auf das\nbekannte cerebrale Krampfleiden hingewiesen werde, habe der Klager nicht\nvorgelegt; hiervon habe sie erstmals mit dem Schriftsatz vom 28.2.2003\nKenntnis erhalten. Nach ihren Aufnahmerichtlinien wurden jedoch Personen, die\nan Epilepsie litten, nicht versichert, auch ware der Vertrag bei Offenbarung\nder epileptischen Erkrankung nicht abgeschlossen worden. Im Übrigen\nrechtfertigten die festgestellten Beeintrachtigungen keine\nInvaliditatsentschadigung.\n\nDas Landgericht hat nach Einholung schriftlicher Zeugenaussagen (Bl. 384 ff,\n389 ff, 392 ff und 403 d.A.) gemaß Beweisbeschluss vom 12.8.2003 (Bl. 366, 367\nd.A.) die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begrundet, dass die\nBeklagte wirksam vom Versicherungsvertrag wegen vorvertraglicher\nAnzeigepflichtverletzung zuruckgetreten sei, § 16 VVG. Denn der Klager habe\ndie ihm in dem Vertragsformular gestellte Frage, ob er in den letzten vier\nJahren an korperlichen Fehlern, Gebrechen oder erheblichen Krankheiten\ngelitten habe, mit "nein" und damit falsch beantwortet, weil er in dem\nerfragten Zeitraum wiederholt an Anfallen gelitten habe, die zur\nBewusstlosigkeit gefuhrt hatten, was zur Überzeugung des Gerichts auf Grund\nder durchgefuhrten Beweisaufnahme, so insbesondere den schriftlichen\nAusfuhrungen des Zeugen Prof. Dr. R., aber auch des Dr. W. feststehe; auf\nGrund der Antragsfragen habe fur den Klager auch nicht zweifelhaft sein\nkonnen, dass sich die Offenbarungspflicht auf solche uber Jahre in\nregelmaßigen Abstanden auftretenden Anfalle unabhangig von einer arztlichen\nDiagnose bezogen habe.\n\nHiergegen wendet sich der Klager mit der Berufung. Er vertritt die Auffassung,\ndass der von der Beklagten erklarte Rucktritt verfristet sei, weil die\nBeklagte bereits durch den mit Schreiben vom 23.4.2002 ubersandten\nEntlassungsbericht des Therapiezentrums Waldklinik Kenntnis erhalten habe,\ndass bei ihm "laut Aktenlage" seit Jahren ein Anfallsleiden bestehe. In der\nFolgezeit habe die Beklagte auch nichts unternommen, um diesen Angaben\nnachzugehen. Warum sie nicht nach Erhalt dieses Berichtes, der fur die\nBeklagte offensichtlich ausreichend gewesen sei, den Rucktritt erklart habe,\nsei nicht nachvollziehbar. Auch habe er nicht die in dem Antragsformular\ngestellten Fragen falsch beantwortet, weil die angebliche Epilepsie von keinem\nder behandelnden Ärzte vor dem Jahr 2000 diagnostiziert worden sei.\nInsbesondere ergebe sich Entsprechendes nicht aus dem Entlassungsbericht des\n-Krankenhauses vom 5.7.1996. Im Übrigen hatte eine Falschbeantwortung keinen\nSinn gemacht, weil Unfalle in Folge epileptischer oder sonstiger Krampfanfalle\nvom Ausschluss gemaß § 2 AUB erfasst seien. Auch sei der Unfall nicht auf ein\nKrampfleiden zuruckzufuhren. Dies habe die Beklagte jedenfalls nicht\nnachgewiesen. Er sei jedenfalls nur aus Unachtsamkeit auf das vor ihm fahrende\nFahrzeug aufgefahren. Von daher sei insgesamt festzustellen, dass die Beklagte\neintrittspflichtig sei.\n\nDer Klager beantragt,\n\nunter Abanderung des Urteils des Landgerichts Saarbrucken vom 2.3.2004, Az. 14\nO 429/02,\n\n1\\. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 76.693,78 Euro nebst 5 % Zinsen uber\ndem Basiszinssatz gemaß § 247 BGB seit Rechtshangigkeit zu zahlen,\n\n2\\. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle weiteren\nvertraglichen Leistungen aus dem Vertrag zur Versicherungsscheinnummer der\nParteien in Form von Kurkostenbeihilfe in Hohe von 1.789,52 Euro, kosmetische\nOperationen bis 2.556,46 Euro zu zahlen, soweit die Anspruche nicht auf\nSozialversicherungstrager ubergegangen sind.\n\nDie Beklagte beantragt,\n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\nDie Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.\n\nB.\n\nDie gemaß den §§ 511 Abs. 2 Nr. 1, 513, 517, 519, 520 ZPO zulassige Berufung\ndes Klagers hat keinen Erfolg.\n\nDenn die Beklagte ist zur Erbringung von Leistungen auf der Grundlage des\nzwischen den Parteien zum 1.7.1999 abgeschlossenen\nUnfallversicherungsvertrages, Versicherungsschein-Nr. …, nicht verpflichtet.\nZwar ist die Leistungsfreiheit der Beklagten nicht bereits auf Grund einer\nVersaumung der in § 7 Ziffer I Abs. 1 AUB genannten Fristen (1) bzw. eines\nRucktritts vom Versicherungsvertrag gemaß § 16 VVG (2) eingetreten. Die\nLeistungsfreiheit der Beklagten ergibt sich jedoch daraus, dass diese am\n8.1.2003 den Versicherungsvertrages wirksam wegen arglistiger Tauschung gemaß\n§ 22 VVG i.V.m. § 123 BGB angefochten hat (3).\n\n(1)\n\nDie Beklagte ist nicht wegen Versaumung der gemaß § 7 Ziffer I Abs. 1 AUB\neinzuhaltenden Fristen leistungsfrei.\n\nNach § 7 Ziffer I Abs. 1 AUB (Bl. 13 d.A.) muss die Invaliditat innerhalb\neines Jahres nach dem Unfall eingetreten sowie spatestens vor Ablauf einer\nFrist von weiteren drei Monaten arztlich festgestellt und geltend gemacht\nsein. Bei dem Erfordernis des Eintritts der Invaliditat binnen Jahresfrist und\nderen arztlichen Feststellung spatestens innerhalb von 15 Monaten handelt es\nsich nicht um die Begrundung einer Obliegenheit, sondern um eine die\nEntschadigungspflicht des Versicherers begrenzende Anspruchsvoraussetzung. Auf\nein Verschulden des Versicherungsnehmers kommt es nicht an. Die Klausel\nbezweckt, dass der Versicherer unabhangig vom Verhalten des\nVersicherungsnehmers nicht fur regelmaßig schwer aufklarbare und unubersehbare\nSpatschaden eintreten muss. An die arztliche Feststellung der Invaliditat sind\nkeine hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere braucht zu einem bestimmten\nGrad der Invaliditat noch nicht abschließend Stellung genommen zu sein (BGH,\nUrt. v. 6.11.1996 - IV ZR 215/95, VersR 1997, 442 = NJW-RR 1997, 277). Erst\nrecht ist nicht erforderlich, dass die Feststellung einen an der Gliedertaxe\nausgerichteten Invaliditatsgrad enthalt (BGH, Urt. v. 9.12.1990 - IV ZR\n255/89, NJW-RR 1991, 539). Die arztliche Feststellung braucht nicht einmal\nrichtig und auch dem Versicherer nicht innerhalb der Frist zugegangen zu sein\n(BGH, Urt. v. 16.12.1987 - IVa ZR 195/86, MDR 1988, 387 = VersR 1988, 286).\nDie 15-Monats-Frist zur Geltendmachung der Invaliditat ist hingegen eine\nAusschlussfrist, deren Versaumung entschuldigt werden kann. Es genugt zur\nWahrung dieser Frist, dass innerhalb derselben dem Versicherer gegenuber\nbehauptet wird, es sei eine Invaliditat eingetreten (vgl. BGH, Urt. v.\n5.7.1995 - IV ZR 43/94, BGHZ 130, 171 [173 f.]).\n\nSoweit der Klager erstmals mit bei der Beklagten am 18.12.2001 und somit noch\ninnerhalb der 15-Monatsfrist zugegangenem Schreiben (Bl. 61/62 d.A.) einen\n"Wegeunfall vom 18.9.2000" anzeigte sowie die Namen und Adressen der ihn\nbehandelnden Ärzte, Krankenhauser und sonstigen Einrichtungen mitteilte, kann\nzwar nicht festgestellt werden, dass der Klager innerhalb der Frist\nInvaliditat geltend gemacht hat. Die Geltendmachung der Invaliditat setzt\nnamlich die ordnungsgemaße Meldung des Unfalls voraus und muss die Behauptung\nenthalten, es sei Invaliditat dem Grunde nach eingetreten, ohne dass bestimmte\nInvaliditatsgrade genannt werden mussen oder sich der Versicherte auf\narztliche Feststellungen berufen bzw. zur Begrundung ein arztliches Zeugnis\nuber die Art des Dauerschadens und die ihn kennzeichnenden Symptome beifugen\nmuss. Nicht ausreichend fur die Geltendmachung der Invaliditat ist jedoch eine\nUnfallanzeige gemaß § 9 Ziffer I und II AUB, auch wenn eine Verletzung\nangezeigt ist, oder eine bloße Unfallschilderung, es sei denn, aus Anzeige\noder Unfallschilderung ergibt sich bereits eindeutig, dass der Arzt einen\nDauerschaden festgestellt hat und deshalb Invaliditatsanspruche erhoben\nwerden. In keinem Fall reicht der Verweis auf die Diagnose in einer arztlichen\nBescheinigung (vgl. Grimm, Unfallversicherung, 2. Aufl. 1994, § 7 Rdnr. 15\nm.w.N.). Unter Berucksichtigung dessen hat auch der Klager mit seinem\nSchreiben vom 16.12.2000 eine Invaliditat nicht angezeigt. Allein der Hinweis\nauf einen Unfall ohne nahere Unfallschilderung, aus der mit hinreichender\nDeutlichkeit das Vorliegen von Dauerschaden verursachende Verletzungen\nentnommen werden kann, genugt hierfur nicht. Dass der Klager Namen und\nAnschrift der ihn behandelnden Ärzte, Krankenhauser und sonstigen\nEinrichtungen mitgeteilt hat, vermag die hierfur notwendige Angaben vor dem\nHintergrund, dass noch nicht einmal der Verweis auf die Diagnose in einer\narztlichen Bescheinigung ausreichend ist, um Invaliditat geltend zu machen,\nnicht zu ersetzen. Von daher liegt eine den inhaltlichen Anforderungen des § 7\nZiffer 1 Abs. 1 AUB entsprechende Geltendmachung der Invaliditat innerhalb der\nFrist nicht vor.\n\nSoweit der Klager die geltend gemachten Invaliditatsleistungen nicht nur auf\neine bei dem Verkehrsunfall erlittene Fußverletzung (Calcaneusfraktur) mit\nnaher bezeichneten Dauerschaden (Bl. 2, 6, 254 d.A.), sondern auch auf ein\nerlittenes hirnorganisches Anfallsleiden, einhergehend mit einem\nErinnerungsverlust fur alle Dinge vor dem Unfallereignis (Bl. 2, 249 ff d.A.),\nstutzt, ist zudem nicht ersichtlich, dass insoweit Invaliditat innerhalb eines\nJahres eingetreten und innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten\narztlich festgestellt ist. Erforderlich ist namlich die innerhalb des\nvorgenannten Zeitraums schriftlich niedergelegte Prognose, dass die auf das\nUnfallereignis zuruckzufuhrenden Gesundheitsschadigungen bzw. die\nBeeintrachtigung der korperlichen und geistigen Leistungsfahigkeit von Dauer\nsein wird; fehlt diese Wertung des Arztes und liegen nur Befunde vor, kann\nnicht von einer arztlichen Feststellung gesprochen werden, ebenso fehlt es an\neiner Feststellung der Invaliditat, wenn der Arzt darauf verweist, dass mit\neinem Dauerschaden zu rechnen sei, ein Dauerschaden noch nicht abschatzbar\nbzw. vorhersehbar sei oder hierzu noch keine Aussage bzw. eine solche erst zu\neinem spateren Zeitpunkt moglich sei (vgl. Grimm, aaO, Rdnr. 11, m.z.w.N.).\nWahrend eine solche Prognose dem Entlassungsbericht des Therapiezentrums\nWaldklinik vom 5.11.2001 (Bl. 37 ff. d.A.) in Bezug auf die durch die\nCalcaneusfraktur verbliebenen Gesundheitsschaden entnommen werden kann (Bl. 42\nd.A.), ist eine solche Prognose diesem Entlassungsbericht nicht in Bezug auf\ndie geltend gemachten hirnorganischen Leiden zweifelsfrei zu entnehmen (Bl. 41\nd.A. "zur Zeit", Bl. 42 d.A. "zur Zeit, momentan"). Auch die weiteren,\ninnerhalb der 15-Monatsfrist erstellten arztlichen Berichte (Stadtische\nKliniken vom 6.4.2001, Bl. 35 ff d.A., Klinik vom 13.11.2001, Bl. 138 ff d.A.,\nPraxis B./W. vom 3.8.2001, Bl. 256 d.A.) lassen eine solche Prognose nicht mit\nhinreichender Klarheit erkennen.\n\nDer Beklagten ist es jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich\nauf eine fehlerhafte Geltendmachung der Invaliditat bzw. eine nicht\nrechtzeitige arztliche Feststellung zu berufen.\n\nTreuwidrig ist die Berufung auf die Versaumung der in § 7 Ziffer I Abs. 1 AUB\ngenannten Fristen in der Regel dann, wenn der Versicherer durch sein Verhalten\noder durch seine oder ihm zurechenbare Erklarungen Vertrauenstatbestande\nschafft, auf Grund deren der Versicherungsnehmer den Eindruck gewinnen muss,\nder Versicherer werde den Fristablauf nicht geltend machen (vgl. Grimm, aaO,\nRdnr. 12, m.w.N.). Hierfur genugt grundsatzlich nicht, dass der Versicherer\nauch noch nach Fristablauf Gutachten eingeholt hat und in die sachliche\nPrufung des geltend gemachten Leistungsanspruches eingetreten ist oder eine\nKulanzprufung zugesagt hat (vgl. OLG Frankfurt, RuS 1995, S. 474, 475; OLG\nFrankfurt, OLGR Frankfurt 2001, S. 159 ff, m.w.N.;OLG Hamm, RuS 1992, S. 322\nff). Gerade weil im Interesse aller Versicherten dem Versicherer die\nMoglichkeit gegeben sein muss, auch nach Fristablauf auf der Grundlage einer\nmedizinischen Klarung eine kulanzweise Regelung zu erwagen bzw. zu\nentscheiden, ob er Fristversaumung geltend machen will oder nicht, kann dem\nEintritt in eine Sachprufung grundsatzlich kein Verzichtswille beigemessen\nwerden. Andernfalls ware der Versicherer gehalten, zum Nachteil aller\nVersicherten mit Ablauf der 15-Monats-Frist jegliches Bemuhen um medizinische\nKlarung und damit der Ermoglichung kulanzweiser Regelungen einzustellen, um\nnicht den Einwand der Fristversaumung aufs Spiel zu setzen; vielmehr mussen\nweitere Umstande hinzutreten, um den Einwand der Treuwidrigkeit zu begrunden\n(vgl. OLG Frankfurt, OLGR Frankfurt 2001, S. 159 ff, m.z.w.N.). Ein solcher\nUmstand kann beispielsweise dann gegeben sein, wenn die dem\nVersicherungsnehmer zugemuteten Untersuchungen mit erheblichen korperlichen\nund seelischen Unannehmlichkeiten verbunden waren, die dieser im Zweifel nicht\nauf sich genommen hatte, wenn er hatte gegenwartigen mussen, dass der\nVersicherer sich nachtraglich doch auf den Fristablauf beruft (OLG Hamm, aaO;\nOLG Frankfurt, aaO; OLG Frankfurt, VersR 1996, S. 618 ff, jeweils unter\nHinweis auf BGH, VersR 1978, S. 1037), aber auch darin liegen, dass der\nVersicherer im Zusammenhang mit der Anforderung medizinischer Unterlagen\nangekundigt hat, in die Sachprufung einzutreten (OLG Dusseldorf, RuS 1990, S.\n431).\n\nUnter Berucksichtigung dessen ist auch der Beklagten unter dem Gesichtspunkt\nvon Treu und Glauben eine Berufung auf den Fristablauf verwehrt. Zwar hat die\nBeklagte den Klager nach dessen Unfallanzeige vom 16.12.2001, ihr zugegangen\nam 18.12.2001(s.o.), darauf hingewiesen, dass nach den Allgemeinen\nVersicherungsbedingungen ein Unfall unverzuglich anzuzeigen sei und die\nverspatete Meldung eine Obliegenheitsverletzung darstelle, die\nLeistungsfreiheit zur Folge haben konne; auch hat die Beklagte darauf\nhingewiesen, die Anspruche „unverbindlich" zu prufen und um die Übersendung\nnaher bezeichneter Unterlagen gebeten (Bl. 63 d.A.). Nachdem weiterer\nSchriftwechsel gefuhrt worden war und der Klager mit Schreiben vom 23.4.2002\ndie dort genannten Arztberichte (Bl. 69 d.A.) ubersandt hatte, bat die\nBeklagte mit Schreiben vom 7.5.2002 um weitere Unterlagen. Wortlich heißt es\naber weiter: "Sobald die Unterlagen vollstandig vorliegen, werden wir in die\nRegulierung eintreten". Nach weiterem Schriftwechsel forderte die Beklagte,\nobwohl ihr zu diesem Zeitpunkt der Strafbefehl des Amtsgerichts Jever (Bl. 107\nff d.A.) vorlag (Bl. 95 d.A.), nochmals mit Schreiben vom 8.10.2002 (Bl. 75\nd.A.) den Unfallhergang (Unfallbericht oder Aktenzeichen oder Anschrift der\nPolizeidienststelle oder der Staatsanwaltschaft) an und wies darauf hin, dass\nnach Vorlage „in die Regulierung eingetreten" werde.\n\nBei dieser Sachlage hat die Beklagte einen Vertrauenstatbestand geschaffen,\nauf Grund dessen der Klager als Versicherungsnehmer den Eindruck gewinnen\nmusste, der Versicherer werde den Fristablauf nicht geltend machen. Die\nBeklagte hat in ihrem ersten an den Klager gerichteten Schreiben weder auf\neine Versaumung der Fristen fur den Eintritt der Invaliditat sowie die\narztliche Feststellung der Invaliditat noch auf die Versaumung der Frist fur\ndie Geltendmachung der Invaliditat hingewiesen, sondern ausschließlich die\nnicht rechtzeitige Anzeige des Unfalles (§ 9 AUB) gerugt. Weiterhin hat die\nBeklagte nach Übersendung von Unterlagen durch den Klager ohne Hinweis auf den\neingetretenen Fristablauf eine Sachprufung angekundigt und zwecks Prufung\nihrer Leistungspflicht weitere Unterlagen angefordert. Auch hat sie ungeachtet\ndes eingetretenen Fristablaufs angekundigt, nach Vorliegen bestimmter\nUnterlagen zu regulieren; anders konnen die Formulierung der Beklagten in den\nSchreiben vom 7.5.2002 und 8.10.2002 nicht verstanden werden. Unter\nBerucksichtigung dieser Erklarungen der Beklagten durfte der Klager darauf\nvertrauen, dass die Beklagte Leistungen aus der Unfallversicherung unabhangig\nvon der Einhaltung der in § 7 Ziffer 1 Abs. 1 AUB genannten Fristen erbringen\nwird. Hinzu kommt, dass der Beklagten alle geforderten Unterlagen vorgelegen\nhaben; denn die gemaß Schreiben vom 8.10.2002 (Bl. 75 d.A.) zum Unfallhergang\ngeforderten Angaben (Unfallbericht oder Aktenzeichen oder Anschrift der\nPolizeidienststelle oder der Staatsanwaltschaft) waren, was unstreitig ist,\ndem mit Schreiben vom 14.6.2002 beigefugten Strafbefehl des Amtsgerichts Jever\n(Bl. 106 ff d.A.) unschwer zu entnehmen; dass der Strafbefehl entgegen den\nAusfuhrungen in diesem Schreiben nicht beigefugt gewesen sein sollte, hat die\nBeklagte nicht, insbesondere nicht in ihrem Antwortschreiben vom 25.6.2002,\ngeltend gemacht (Bl. 112 d.A.).Damit waren aus der Sicht des Klagers alle\nVoraussetzungen, wie sie die Beklagte fur einen Eintritt in die Regulierung\nformuliert hat, gegeben, so dass es der Beklagten insgesamt verwehrt ist, sich\nauf eine Fristversaumung gemaß § 7 Ziffer I Abs. 1 AUB 94 zu berufen.\n\nDie gleichen Erwagungen gelten, soweit die Beklagte ihre Leistungsfreiheit mit\neiner Obliegenheitsverletzung gemaß § 9 Ziffer 1 AUB - verspatete\nUnfallmeldung - begrundet hat.\n\n(2)\n\nDie Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf Leistungsfreiheit in Folge\nRucktritts vom Versicherungsvertrag gemaß § 16 Abs.1, 2 VVG wegen Nichtanzeige\neines gefahrerheblichen Umstandes berufen. Denn der von der Beklagten erklarte\nRucktritt vom Versicherungsvertrag ist nicht fristgerecht erfolgt.\n\nGemaß § 20 Abs. 1 VVG kann der Rucktritt nur innerhalb eines Monats erfolgen\n(Satz 1). Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Versicherer\nKenntnis von der Verletzung der Anzeigepflicht erlangt (Satz 2). Fehlt diese\nKenntnis, liegen aber konkrete Anhaltspunkte fur eine Anzeigepflichtverletzung\nvor, muss der Versicherer geeignete Ruckfragen veranlassen; unterlasst er\ndies, lauft die Frist trotzdem. Fuhrt namlich das dem Versicherer bereits\nvorliegende Tatsachenmaterial vor Augen, dass ein Rucktritt wegen\nObliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers ernstlich in Betracht kommt,\nkann der Versicherer die Wahrung der einmonatigen Rucktrittsfrist gemaß § 20\nVVG nicht dadurch beeinflussen, dass er die zur Vervollstandigung seiner\nKenntnisse fur geboten erachteten Ruckfragen unterlasst. Er ist dann\nverpflichtet, innerhalb angemessener Zeit durch Ruckfrage bei den Ärzten seine\nKenntnisse zu vervollstandigen. Wann die Rucktrittsfrist in Lauf gesetzt\nworden ist, hat der Versicherungsnehmer zu beweisen (BGH Z 108, S. 326 ff\nsowie BGH, VersR 1991, S. 170 ff).\n\nUnter Berucksichtigung dieser Grundsatze war der von der Beklagten erklarte\nRucktritt nicht mehr fristgerecht.\n\nDie Beklagte hat den Rucktritt mit außerprozessualem Schreiben vom 8.1.2003\n(Bl. 120 d.A.) erklart und als Grund ein zum Zeitpunkt des Antrages seit\nJahren bestehendes Anfallsleiden angegeben. Die Beklagte hat sich in diesem\nZusammenhang zur Begrundung eines bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung\nbestehenden Anfallsleidens auf den Entlassungsbericht der Waldklinik vom\n5.11.2001 (Bl. 37 ff d.A.) gestutzt, der ihr mit Schreiben des Klagers vom\n23.4.2002 (Bl. 69 d.A.) ubersandt worden ist und in dem die Diagnose\n"generalisiertes Anfallsleiden bei mesialer Sklerose" genannt bzw. ausweislich\nder Anamnese von einem " laut Aktenlage schon seit Jahren bestehenden\nAnfallsleiden" die Rede ist. Dass ihr der in dem Schreiben vom 23.4.2002\nangegebene Bericht der Waldklinik mit diesem Schreiben uberlassen worden ist,\nhat die Beklagte, wie dies das Landgericht zu Recht festgestellt hat (Seite 7\ndes Urteils = Bl. 418 d.A.), im ersten Rechtszug nicht bestritten, sondern hat\nlediglich geltend gemacht, dass ihr der Bericht des Krankenhauses nicht\nuberlassen worden sei (Bl. 237 d.A.). Soweit sie erstmals im\nBerufungserwiderungsschriftsatz geltend macht, dass die entsprechende\nBehauptung des Klagers insoweit unzutreffend sei (Bl. 448 d.A.), ist dieses\nunsubstantiierte Vorbringen nicht geeignet, die vom Landgericht insoweit\ngetroffenen Feststellungen in Frage zu stellen.\n\nAllerdings ist der Entlassungsbericht der Klinik allein nicht geeignet, eine\nKenntnis im Sinne von § 20 VVG zu begrunden. Erforderlich ist namlich die\nsichere und zuverlassige Kenntnis des Versicherers, dass der\nVersicherungsnehmer seine Anzeigepflicht verletzt hat. Der Versicherer ist\nnicht gehalten, einen Rucktritt "auf Verdacht" auszusprechen. Er darf sich\ndeshalb zunachst davon vergewissern, ob dem Versicherungsnehmer angelastet\nwerden kann, erfragte, ihm bei Antragstellung bekannte oder vor\nVertragsabschluss bekannt gewordene Gefahrumstande nicht oder nicht zutreffend\nangegeben zu haben. Gerade die Prufung, ob dem Versicherungsnehmer die\nbetreffenden Gefahrumstande tatsachlich bekannt waren, wird haufig nur durch\nRuckfragen bei den Ärzten, die ihn behandelt haben, ermoglicht (BGH, aaO; OLG\nHamm, RuS 1990, S. 37 ff; Romer/Langheid, aaO, § 20, Rdnr. 1, m.z.w.N.). Unter\nBerucksichtigung dessen ist der Entlassungsbericht der Waldklinik nicht\ngeeignet, eine die Frist des § 20 Abs. 1 VVG auslosende Kenntnis der Beklagten\nzu begrunden. Der Bericht stutzt sich weder auf eigene Untersuchungen wahrend\ndes in dem Bericht genannten Zeitraums, noch enthalt dieser prazisierende\nAngaben zu Beginn, Art und Umfang in Bezug auf das genannte Anfallsleiden.\nAuch hat der Klager das Vorliegen eines Anfallsleidens sowohl vorprozessual\nals auch wahrend des Rechtsstreits stets bestritten. Von daher war die\nBeklagte nicht verpflichtet, gleichsam auf Verdacht den Rucktritt nach Erhalt\ndieses Entlassungsberichts auszusprechen, sondern sie durfte weitere\nNachforschungen anstellen.\n\nDass die Beklagte die auf Grund dieses Berichts aber gebotenen Nachforschungen\ninnerhalb eines angemessenen Zeitraumes angestellt hat, kann indes nicht\nfestgestellt werden. Zwar muss der Klager, der die Kenntnis des Versicherers\nvon der Anzeigepflichtverletzung nachweisen muss (s.o.), insoweit auch\ndarlegen und nachweisen, dass die Beklagte als Versicherer mogliche\nVersaumnisse bei der gebotenen Ruckfrage nach Kenntnisnahme von konkreten\nAnhaltspunkten, die auf ein Anfallsleiden bereits bei Abschluss des\nVersicherungsvertrages hindeuten, treffen, diese also nicht innerhalb\nangemessener Zeit die gebotene Ruckfrage genommen hat. Da die Umstande, aus\ndenen sich solche Versaumnisse ergeben, in der Regel jedoch in den\nVerantwortungs- und Risikobereich des Versicherers, in den der\nVersicherungsnehmer keinen Einblick hat, fallen, hat der Versicherer im Rahmen\nder ihm insoweit obliegenden sekundaren Darlegungslast vorzutragen, wann und\nwelche Maßnahmen er nach Kenntnisnahme von konkreten Anhaltspunkten, die auf\nein Anfallsleiden bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrages hindeuten,\nunternommen hat, um seinen Kenntnisstand zu vervollstandigen und abzurunden.\n\nIm Streitfall hat die Beklagte auf den - zunachst ausreichenden - Einwand des\nKlagers, die Beklagte habe nach Erhalt des Entlassungsberichtes der Klinik mit\nseinem Schreiben vom 23.4.2002 nichts unternommen, um den Angaben in diesem\nBericht nachzugehen, jedoch nichts vorgetragen. Zwar zeigt das der Beklagten\nausweislich des Sendeberichts vom 8.1.2003 von der Berufsgenossenschaft der\nFeinmechanik und Elektrotechnik (BGFE BJ5) zugesandte Faxschreiben eines\nBerichtes des Krankenhauses vom 8.6.2000 (Bl. 239 d.A.), dass die Beklagte\nnachgefragt hat. Dass die Beklagte ihrer Nachforschungs- und Ruckfragepflicht\njedoch zeitnah bzw. innerhalb angemessener Frist zu dem ihr mit Schreiben vom\n23.4.1999 ubersandten Bericht des Therapiezentrums nachgekommen ist, ist nicht\nersichtlich. Der zwischen Erhalt des ubersandten Berichts des Therapiezentrums\nmit Schreiben vom 23.4.1999 bis zur Rucktrittserklarung am 8.1.2003\nverstrichene Zeitraum lasst jedenfalls nicht erkennen, dass die Beklagte ihrer\nNachforschungspflicht innerhalb angemessener Zeit, die auch einige Wochen\nbetragen kann, nachgekommen ist. Hierzu hat die Beklagte nichts, auch nicht\nauf den Hinweis des Senats in der mundlichen Verhandlung vom 22.9.2004 (Bl.\n464/465 d.A.), vorgetragen.\n\nIst deshalb davon auszugehen, dass die Beklagte die Nachforschungen und\nRuckfragen, die aus Anlass des ihr mit Schreiben vom 23.4.2002 ubersandten\nEntlassungsberichts der Klinik geboten waren, nicht innerhalb angemessener\nZeit vorgenommen hat, begann die einmonatige Frist fur die Erklarung des\nRucktritts dennoch zu laufen und war diese nach Erhalt des Berichtes mit\nSchreiben vom 23.4.1999 jedenfalls am 8.1.2003 abgelaufen.\n\nDie namlichen Erwagungen gelten, soweit die Beklagte im Verlauf des\nRechtsstreits mit Schriftsatz vom 30.6.2003 (Bl. 349 ff/354 d.A.) den\nRucktritt und die Anfechtung darauf gestutzt hat, erst jetzt von dem\nAufenthalt des Klagers in der Neurologie im Jahre 1996 erfahren zu haben.\nDieser Aufenthalt war durch das Anfallsleiden bedingt, hinsichtlich dessen mit\ndem am 23.4.2002 ubersandten Bericht der Klinik konkrete Anhaltspunkte, die\nauf ein Anfallsleiden bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrages\nhindeuteten, vorlagen. Da in Folge des Unterlassens der gebotenen Nachfrage\ndie einmonatige Frist fur die Erklarung des Rucktritts nach Erhalt des\nBerichtes mit Schreiben vom 23.4.1999 jedenfalls am 8.1.2003 abgelaufen, war\ndie Rucktrittsfrist erst recht am 30.6.2003 abgelaufen.\n\nVon daher ist der von der Beklagten erklarte Rucktritt insgesamt verfristet.\n\n(3)\n\nDie Beklagte ist jedoch leistungsfrei, weil sie den Vertrag wirksam wegen\narglistiger Tauschung angefochten hat, § 22 VVG i.V.m. § 123 BGB.\n\nDie am 8.1.2003 erklarte Anfechtung ist nicht verfristet. Die Anfechtung muss\nbinnen Jahresfrist ab sicherer Kenntnis von der Tauschung erklart werden, §\n124 BGB. Diese Frist ist unabhangig davon gewahrt, ob die Beklagte bereits mit\nÜbersendung des Berichtes der Klinik mit Schreiben des Klagers vom 23.4.2002\noder erst mit Zusendung des Faxschreibens der Betriebsgenossenschaft der\nFeinmechanik und Elektrotechnik vom 8.1.2003 Kenntnis von der\nAnzeigepflichtverletzung erlangt hat.\n\nVoraussetzung fur das Vorliegen einer arglistigen Tauschung ist, dass der\nVersicherungsnehmer mit der wissentlich falschen Angabe von Tatsachen bzw. dem\nVerschweigen anzeigen- und offenbarungspflichtiger Umstande auf die\nEntschließung des Versicherers, seinen Versicherungsantrag anzunehmen,\nEinfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer moglicherweise\nseinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde,\nwenn er wahrheitsgemaße Angaben mache. Dabei gibt es keinen allgemeinen Satz\nder Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von\nFragen nach dem Gesundheitszustand oder fruheren Behandlungen immer oder nur\nin der Absicht gemacht zu werden pflegt, auf den Willen des Versicherers\nEinfluss zu nehmen. Denn haufig werden unrichtige Angaben uber den\nGesundheitszustand auch aus falsch verstandener Scham, aus Gleichgultigkeit,\naus Tragheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass die erlittenen\nKrankheiten bedeutungslos seien. Deshalb muss der Versicherer entsprechend den\nallgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit\nHilfe der Abgabe einer falschen Erklarung auf den Willen des Versicherers\neinwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag\nnicht oder moglicherweise nur mit erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der\nVersicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemaß beantworten wurde. Da es sich\nbei dem Bewusstsein des Versicherungsnehmers um eine innere Tatsache handelt,\nkann in der Praxis der Beweis meist nur durch einen Indizienbeweis gefuhrt\nwerden. Dies bedeutet, dass i.d.R., wenn schwere Erkrankungen oder erkennbar\nchronische Erkrankungen oder Krankenhausaufenthalte verschwiegen worden sind,\nein solches Bewusstsein anzunehmen ist, dagegen beim Verschweigen leichterer\nErkrankungen oder solcher, die vom Versicherungsnehmer als solche angesehen\nwerden, der Beweis als nicht gefuhrt angesehen werden muss (vgl. OLG Koblenz,\nOLGReport Koblenz 2003, 335, in Anknupfung an BGH VersR 1985, 156 [157]; VersR\n1987, 91; OLG Koblenz, NVersZ 2001, 74; NVersZ 1999, 72 f.; NVersZ 1999, 472\nf.; NVersZ 2001, 503 = VersR 2002, 222; OLG Koln, VersR 1973, S. 1161 ff; OLG\nKoln, VersR 1996, S. 1531 ff; Romer/Langheid, aaO, § 22, Rdnr. 6, m.w.N. ;\nBerliner Kommentar zum VVG/Voit, aaO, § 22,. Rdnr. 30, m.z.w.N.). Liegen\nobjektive Falschangaben vor, ist es Sache des Versicherungsnehmers,\nsubstantiiert plausibel zu machen, warum und wie es zu diesen objektiv\nfalschen Angaben gekommen ist, und zumindest den außeren Tatbestand seiner\nAngaben muss er auch beweisen (vgl. Romer/Langheid, aaO, § 22, Rdnr. 6,\nm.w.N.; OLG Munchen, VersR 2000, 711 ff, m.w.N.).\n\nUnter Berucksichtigung dieser Grundsatze ist auch im Streitfall von einem\narglistigen Verschweigen auszugehen. Denn der Klager hat, indem er ein bei ihm\nzum Zeitpunkt der Antragstellung bereits bestehendes Anfallsleiden nicht\nangegeben hat, uber seinen Gesundheitszustand unwahre Angaben gemacht, um den\nAbschluss des Versicherungsvertrages nicht zu gefahrden.\n\n(1)\n\nDer Klager war gehalten, das bei ihm zum Zeitpunkt der Antragstellung\nbestehende Anfallsleiden zu offenbaren.\n\n(a)\n\nDie vorvertragliche Anzeige des Anfallsleidens war nicht bereits im Hinblick\nauf die Ausschlussklausel in § 2 Ziffer I Abs. 1 AUB entbehrlich.\n\nNach dieser Bestimmung fallen Unfalle durch Geistes- oder\nBewusstseinsstorungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen, sowie durch\nSchlaganfalle, epileptische Anfalle oder andere Krampfanfalle, die den ganzen\nKorper des Versicherten ergreifen, nicht unter den Versicherungsschutz. Zweck\ndieser Ausschlussklauseln ist es, fur den Versicherer nicht uberschaubare und\nnicht berechenbare Risiken auszuklammern. Bei Vorliegen einer der vorgenannten\nAusschlussgrunde liegt eine uber das normale Maß hinausgehende Gefahrdung vor,\nfur die der Versicherer die Deckung nicht ubernehmen will (vgl. Grimm, aaO, §\n2, Rdnr. 2 ff, 23, m.w.N.).\n\nSinn und Zweck dieser Ausschlussklausel machen jedoch die dem\nVersicherungsnehmer gemaß § 16 Abs. 1 VVG obliegende vorvertragliche\nAnzeigepflicht, entgegen der vom Klager vertretenen Auffassung (Bl. 444 d.A.),\nnicht entbehrlich. Der Versicherungsnehmer ist grundsatzlich gehalten, den\nVersicherer auch uber solche Umstande aufzuklaren, die einem\nAusschlusstatbestand unterfallen. Denn die vorvertragliche Anzeigepflicht des\nAntragstellers/zukunftigen Versicherungsnehmers dient der richtigen\nRisikoeinschatzung durch den Versicherer, der durch die Angaben des\nAntragstellers in die Lage versetzt werden soll, das zu versichernde Risiko\numfassend und zutreffend einschatzen, die Zuordnung des Antragstellers zu\neinem bestimmten Risikokollektiv vorzunehmen und die Pramie zutreffend zu\nberechnen bzw. bestimmte Leistungsausschlusse festzulegen. Der Versicherer\nsoll im Rahmen des auch im Versicherungsvertragsrecht (und so auch in der\nUnfallversicherung) geltenden Grundsatzes der Vertragsfreiheit mittels der\nAngaben des Antragstellers frei entscheiden konnen, ob und zu welchen\nBedingungen er ein bestimmtes Risiko versichert; hierfur ist er auf die\nAngaben des Antragstellers angewiesen. Ist der Versicherer folglich nicht\nverpflichtet, einen Versicherungsnehmer, der unter einer der in § 2 Ziffer I\nAbs. 1 AUB genannten Gesundheitsstorung leidet, zu versichern, wenn dieser\nvorvertraglich eine der vorbezeichneten Gesundheitsstorungen (hier:\nAnfallsleiden) anzeigt, ist die vorvertragliche Anzeige bereits aus diesem\nGrund weder entbehrlich noch uberflussig.\n\nAndererseits entbehrt die Ausschlussklausel des § 2 Ziffer I Abs. 1 AUB trotz\nder Geltung der vorvertraglichen Anzeigepflicht nicht eines eigenstandigen\nRegelungsgehalts. Denn von der Ausschlussklausel des § 2 Ziffer I Abs. 1 AUB\nund insbesondere von den hier in Rede stehenden Ausschlusstatbestanden\n"epileptische Anfalle oder Krampfanfalle, die den ganzen Korper ergreifen"\nwerden auch solche Gefahrdungstatbestande erfasst, die erstmals aufgetreten\nsind und zu einem Unfall gefuhrt haben und die deshalb auch bei Beachtung der\nvorvertraglichen Anzeigepflicht nicht hatten offenbart werden konnen.\n\n(b)\n\nDer Klager wusste auch um sein Anfallsleiden und war somit verpflichtet,\ndieses der Beklagten im Hinblick auf die in dem Antragsformular gestellten\nFragen anzuzeigen.\n\nIn dem formularmaßigen Versicherungsantrag (Bl. 122/123 d.A.) lautet die unter\n"Gesundheit/Sport" gestellte Frage: "Leidet oder litt die zu versichernde\nPerson in den letzten 4 Jahren an korperlichen Fehlern, Gebrechen oder\nerheblichen Krankheiten (Fehlsichtigkeit nur ab 8 Dioptrien)?" Die\nAntragsfrage ist damit sowohl nach allgemeinem Sprachgebrauch als auch der\nVerstandnismoglichkeit und -fahigkeit eines durchschnittlichen Befragten so\ngefasst, dass Schaden bzw. Gesundheitsbeeintrachtigungen von einigem Gewicht,\ndie also nicht offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen, im Rahmen der\ngestellten Fragen zu offenbaren sind, auch wenn der Versicherungsnehmer\nbestimmten Umstanden selbst keine Gefahrrelevanz beimisst; er ist deshalb\ngehalten alles anzugeben, was fur die Einschatzung des Risikos von Bedeutung\nsein konnte. Deswegen darf er, auch bei fehlenden oder unklaren Fragen, nicht\nbagatellisieren, zumal er auch ohne schriftliche Fragen zu vollstandigen\nAntworten verpflichtet ist, soweit es nicht erkennbar unerhebliche Krankheits-\noder Beschwerdebilder betrifft; von daher sind nicht erfragte Umstande auch\ndann mitzuteilen, wenn sich eine Frage konkludent auch auf sie bezieht, oder\nwenn ihre Mitteilung als selbstverstandlich erscheint. Von daher muss der\nVersicherungsnehmer, wenn ihm Krankheitssymptome bekannt sind, jedoch eine\nDiagnose des Arztes aussteht und deshalb Kenntnis von einer Krankheit nicht\nbesteht, insbesondere auch im Rahmen von Antragsfragen die Symptome angeben,\nweil in diesem Fall die Symptome selbst den gefahrrelevanten Umstand\ndarstellen; bereits ihr Vorhandensein kann - ohne Rucksicht auf die arztliche\nDiagnose - die Entscheidung des Versicherers beeinflussen (vgl. BGH, VersR\n1994, S. 711 ff; OLG Koblenz, VersR 1996, S. 1222 ff; BGH, VersR 1989, S. 689;\nRomer/Langheid, aaO, §§ 16,17, Rdnr.12, 13, m.w.N.; Berliner Kommentar zum\nVVG/Voit, 15. Bearb., § 16, Rdnr. 47 ff, m.w.N.; Prolss/Martin, VVG, 26.\nAufl., §§ 16, 17, Rdnr. 10, m.w.N.).\n\nSoweit der Versicherungsnehmer in dem Antragsschreiben die vorbezeichnete\nFrage ausnahmslos mit "Nein" beantwortet hat, liegt eine objektiv unrichtige\nAntwort vor. Denn bei dem Klager lag zum Zeitpunkt der Antragstellung ein seit\nJahren bestehendes Anfallsleiden (mit Verdacht auf Epilepsie) und damit ein\nGebrechen im Sinne der gestellten Antragsfragen vor. Um ein Gebrechen handelt\nes sich immer dann, wenn ein dauernder, vom Normalzustand abweichender\nGesundheitszustand vorliegt, der eine einwandfreie Ausubung der normalen\nKorperfunktionen nicht mehr zulasst; dies ist bei regelmaßig wiederkehrenden\nAnfallen, die mit einem Bewusstseinsverlust einhergehen, unzweifelhaft der\nFall. Dass bei dem Klager die Krankheit „Epilepsie" (noch) nicht\ndiagnostiziert war, ist von daher ohne Belang.\n\nDass bei dem Klager bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung seit Jahren ein\nAnfallsleiden mit regelmaßig wiederkehrenden Anfallen bestand, ergibt sich\nzweifelsfrei aus den insoweit vom Landgericht auf der Grundlage der im ersten\nRechtszug durchgefuhrten Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen, wonach der\nKlager in den der Antragstellung vorangegangenen vier Jahren wiederholt an\nAnfallen gelitten habe, die zur Bewusstlosigkeit gefuhrt hatten. Das\nLandgericht stellt in diesem Zusammenhang entscheidend darauf ab, dass der\nZeuge Prof. Dr. R. in seiner schriftlichen Aussage ausgefuhrt hat, der Klager\nselbst habe anlasslich seines stationaren Aufenthaltes am 22./23.5.1996\nangegeben, dass er 1990, 1995 und 1996 jeweils Anfalle gehabt habe, und auch\nbei seiner stationaren Aufnahme im Jahre 2000 habe dieser selbst angegeben,\nseit 10 Jahren durchschnittlich alle 8 Wochen Episoden erlebt zu haben, bei\ndenen er - uberwiegend nachts aus dem Schlaf heraus - plotzlich das\nBewusstsein verloren und an Armen und Beinen gezuckt habe.\n\nAn diese Feststellungen ist der Senat gebunden, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Denn\nes liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit\nund Vollstandigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begrunden und\ndeshalb eine erneute Feststellung gebieten. Insbesondere aus der vom\nLandgericht eingeholten schriftlichen Stellungnahme des Prof. Dr. R.,\nNeurologische Klinik, - Krankenhaus, vom 7.11.2003 (Bl. 389 ff d.A.), in der\nsich der Klager, wie unstreitig ist, erstmals 1996 auf Grund der Überweisung\ndes Stabsarztes Dr. U. (Bl. 374 d.A.) wegen Verdachts auf Epilepsie einer\nstationaren Behandlung unterzogen hatte, ergibt sich zweifelsfrei, dass bei\ndem Klager nach eigenen Angaben bereits seit 10 Jahren regelmaßig Anfalle, wie\nsie auch 1995/1996 aufgetreten sind, stattfanden. Wie Prof. Dr. R. ausgefuhrt\nhat, hatten sich auf Grund der anlasslich der Überweisung im Jahre 1996\nvorgenommenen Untersuchungen (Ruhe-EEG, Schlafableitungen) zwar keine\nepilepsietypischen Veranderungen im Hirnstrombild (EEG) gefunden und habe sich\ndie definitive Diagnose einer Epilepsie nicht stellen lassen. Allerdings habe\nder Klager anlasslich seines ersten stationaren Aufenthaltes von einem Tag\n(22. auf 23.5.1996) mitgeteilt, dass drei Ereignisse, wie sie in der Rubrik\n"Anamnese" des Berichtes aus dem Jahre 1996 (vgl. Bl. 459 ff d.A.) im\nEinzelnen aufgefuhrt seien, aufgetreten seien, und zwar das erste 1990, das\nzweite 1995 und das dritte 1996; 1996 sei es am 5.3. nach einem Streit mit der\nNoch-Ehefrau um die gemeinsame Tochter zu einem Ereignis, wie dies 1995 im\nSchlaf der Fall gewesen sei, gekommen, weiterhin am Karfreitag des selben\nJahres in den fruhen Morgenstunden nach einem Streit mit dem Vater. Bei seiner\nAufnahme im Jahre 2000 habe der Klager gegenuber der aufnehmenden Ärztin\nangegeben, dass solche Episoden seit 10 Jahren durchschnittlich alle acht\nWochen auftraten (Bl. 239 ff d.A.).Die jeweiligen Eintragungen in den\narztlichen Unterlagen seien, wie dies in der Medizin ublich sei, auf Grund der\nAngaben des Klagers uber die erlebten Beschwerden (Rubrik Anamnese) erfolgt.\n\nUmstande, die zu Zweifeln an den Ausfuhrungen von Prof. Dr. R. berechtigten,\nliegen nicht vor; solche hat der Klager auch weder im Anschluss an die\nschriftliche Äußerung von Prof. Dr. R. im erstinstanzlichen Verfahren\nformuliert noch in der Berufungsbegrundung vorgetragen. In der\nBerufungsbegrundung hat der Klager in diesem Zusammenhang ausschließlich\ngeltend gemacht, dass bei ihm ausweislich der schriftlichen Aussage des Zeugen\nProf. Dr. R. kein Anfallsleiden im Sinne einer Epilepsie festgestellt worden\nsei, nicht jedoch, dass dessen Aussage, er, der Klager, habe gegenuber der\naufnehmenden Ärztin angegeben, die beschriebenen Episoden traten seit 10\nJahren durchschnittlich alle acht Wochen auf, falsch sei (Bl. 442 d.A.).\nInsoweit besteht auch kein Anlass zu zweifeln, dass die von dem Klager den\nbehandelnden Ärzten gegenuber gemachten Angaben von Anfallen/Episoden, wie sie\nin den Anamnesen ihren Niederschlag gefunden haben, stattgefunden haben; denn\nes ist nicht ersichtlich, aus welchen Grunden der Klager den Ärzten die in\nRede stehenden Ereignisse angegeben haben sollte, wenn sie nicht auf\ntatsachlich Erlebtem beruhten. Von daher bestatigen letztlich auch die\nAusfuhrungen von Dr. W. (Klinik) in seinem Gutachten vom 12.6.2002, in dem aus\nden Originalkrankenunterlagen der Stadtischen Kliniken zitiert wird (Bl. 313\nff d.A.) und wonach "laut Patientenangaben hauptsachlich nachtliche Anfalle\n[aufgetreten seien], Beginn 24./25. Lebensjahr; initiale Abklarung stationar\nneurologisch in; Anfallsfrequenz zwei - bis funfmal pro Jahr" (Bl. 318 d.A.),\ndass der Klager das vorbezeichnete Anfallsleiden selbst gegenuber den\nbehandelnden Ärzten vorgetragen hat.\n\nDamit steht fest, dass der Klager nach eigenen Angaben in der Zeit vor\nAntragstellung seit ca. 10 Jahren regelmaßig unter Anfallen gelitten hat. Dass\ndas Landgericht die streitentscheidenden Feststellungen bei der Prufung eines\nder Beklagten zustehenden Rucktrittsrechts getroffen hat, ist ohne Belang.\nSowohl fur die Frage eines der Beklagten zustehenden Rucktritts- als auch\neines der Beklagten zustehenden Anfechtungsrechts ist entscheidend, ob der\nKlager ein bei ihm bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung seit Jahren\nbestehendes Anfallsleiden verschwiegen hat. Die tatsachlichen Grundlagen, die\nim Rahmen der Prufung der tatbestandlichen Voraussetzungen der von der\nBeklagten zwecks Begrundung ihrer Leistungsfreiheit geltend gemachten\nRechtsbehelfe heranzuziehen sind, sind insoweit identisch.\n\nEs liegen auch keine sonstigen Umstande vor, die eine abweichende Beurteilung\nrechtfertigten.\n\nSoweit der Klager im Schriftsatz vom 6.2.2003 fur seine Behauptung, er habe\nvor dem Abschluss des Vertrages nicht an einem generalisierten Anfallsleiden\ngelitten, Beweis anbietet durch Vernehmung der Zeugen Dr. W., Dr. N.- D. und\nDr. S., ist dieses Beweisangebot nicht geeignet, seinen Sachvortrag zu\nbelegen. Denn die von den Ärzten Dr. W. und Dr. N.- D., ebenso wie Dr. W.\n(s.o.) in der Klinik mit der Behandlung des Klagers betraut, haben in dem\nBericht vom 16.11.2001 (Bl. 138 ff d.A.), auf den sich der Klager im Rahmen\nseines Beweisangebotes ausdrucklich bezieht, als Vorbefund aufgenommen\n"unfallunabhangiges bekanntes Krampfleiden" (Bl. 138, 146 d.A.); die Diagnose\n"posttraumatische Epilepsie" wird dort nicht gestellt. Weiterhin wird in dem\narztlichen Entlassungsbericht der Klinik vom 30.12.2001 (Bl. 165 ff d.A.) als\nDiagnose ausdrucklich vermerkt "bekanntes cerebrales Krampfleiden" (BL. 165\nd.A.) bzw. als Vorbefund festgehalten "unfallunabhangiges bekanntes\nKrampfleiden" (Bl. 173 d.A.). Dass diese Berichte als Vorbefund auf der\nGrundlage eines arztlichen Zwischenberichtes der Stadtischen Kliniken vom\n6.4.2001 auch "Epilepsie posttraumatisch" ausweisen (Bl.146, 173 d.A.), ist\nohne Belang. Hiermit wird weder die Diagnose "Epilepsie posttraumatisch"\ngestellt bzw. ein - im Übrigen vom Klager in den jeweiligen Anamnesen\nangegebenes (s.o.) - Anfallsleiden, also ein unfallunabhangiges Krampfleiden\nin Frage gestellt, noch die Diagnose "bekanntes cerebrales Krampfleiden"\nnegiert oder in Zweifel gezogen. Auf welcher Grundlage die vorbezeichneten\nÄrzte von dieser Diagnose abweichende Erkenntnisse haben sollten, ist im\nÜbrigen nicht ersichtlich. Von daher ist das Beweisangebot des Klagers nicht\ngeeignet, seinen Sachvortrag nachzuweisen. Die namlichen Erwagungen gelten,\nsoweit der Klager sich auf das Zeugnis des Dr. S. bezieht; dieser hat in\nseinem Bericht vom 21.5.2002 die Diagnose u.a. "Epilepsie, unfallunabhangig\nseit dem 10. Lebensjahr", gestellt (Bl. 57 d.A.).Im Übrigen haben die\nvorbezeichneten Ärzte den Klager, im Gegensatz zu den Ärzten im - Krankenhaus\n(s.o.), in dem fraglichen Zeitraum (vor 1999) nicht behandelt.\n\nAuch die von dem Klager in diesem Zusammenhang weiter vorgebrachten Argumente,\nvertieft im Schriftsatz vom 3.6.2003 (Bl. 282 ff d.A.), wonach gegen ein\ncerebrales Anfallsleiden seine insoweit unauffallige Zeit bei der Bundeswehr\nsowie fehlende arztliche Rechnungen aus der Zeit von 1997 bis 1999 sprachen,\nsind unbehelflich. Auch wenn man den Sachvortrag des Klagers als wahr\nunterstellt, ist dieses Vorbringen nicht geeignet zu widerlegen, dass der\nKlager - nach eigenen Angaben gegenuber den jeweils behandelnden Ärzten - vor\nAntragstellung seit Jahren an Krampfanfallen gelitten hat und deswegen 1996\nvon dem Bundeswehrarzt Dr. U. - also wahrend der Bundeswehrzeit - sogar mit\ndem Verdacht auf Epilepsie an das -Krankenhaus uberwiesen worden war (s.o.).\n\nZu keiner anderen Beurteilung fuhrt der Umstand, dass der Klager erstmals im\nnachgelassenen Schriftsatz vom 7.10.2004 behauptet, die Aussage von Herrn\nProf. Dr. R. sei falsch, er habe nie davon gesprochen, in den letzten 10\nJahren regelmaßig einen Anfall erlitten zu haben (Bl. 472 ff d.A.). Dieses\nVorbringen des Klagers kann gemaß § 531 Abs. 2 ZPO namlich keine\nBerucksichtigung finden. Nach dieser Vorschrift sind Angriffs- und\nVerteidigungsmittel nur zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen,\nder vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar ubersehen oder fur\nunerheblich gehalten worden ist (1), infolge eines Verfahrensmangels im ersten\nRechtszug nicht geltend gemacht wurden (2) oder im ersten Rechtszug nicht\ngeltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlassigkeit der\nPartei beruht (3). Diese Voraussetzungen sind samtlich nicht erfullt. Im\nHinblick darauf, dass der in Rede stehende Sachvortrag erstmals im Schriftsatz\nvom 7.10.2004 erfolgt ist, liegt ein Fall des § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO\noffensichtlich nicht vor. Dass die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO\ngegeben sind, kann ebenfalls nicht festgestellt werden, weil die Frage der\nKenntnis des Klagers von einem Anfallsleiden bereits zum Zeitpunkt der\nAntragstellung den zentralen Streitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens,\nuber den ausfuhrlich Beweis erhoben worden ist, betroffen hat. Letztlich kann\nnicht festgestellt werden, dass die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO\nvorliegen. Er betrifft in der Regel nur solche Angriffs- und\nVerteidigungsmittel, die erst nach Schluss der mundlichen Verhandlung in\nerster Instanz entstanden sind, im Übrigen ist darauf abzustellen, ob der\nPartei das neue Angriffs- und Verteidigungsmittel bis zum Schluss der\nerstinstanzlichen mundlichen Verhandlung oder bis zum Ende des schriftlichen\nVerfahrens hatte bekannt sein mussen (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers, ZPO,\n60. Aufl., § 531, Rdnr. 16, m.w.N.). Auch diese Voraussetzungen sind nicht\ngegeben, weil dem Klager bereits mit Vorliegen der Stellungnahme des Prof. Dr.\nR. im erstinstanzlichen Verfahren die entscheidenden Ausfuhrungen bekannt\nwaren, ohne dass er dagegen Einwendungen erhoben hat. Dass das Landgericht die\nAusfuhrungen von Prof. Dr. R. bei der Prufung eines der Beklagten zustehenden\nRucktrittsrechts und nicht im Rahmen eines der Beklagten zustehenden\nAnfechtungsrechts berucksichtigt und die maßgeblichen tatsachlichen\nFeststellungen getroffen hat, ist unerheblich, weil sich die tatsachlichen\nGrundlagen, die fur das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der von\nder Beklagten geltend gemachten und auf eine Verletzung der dem Klager\nobliegenden vorvertraglichen Anzeigepflicht gestutzten Rechtsbehelfe maßgebend\nsind, nicht unterscheiden; in beiden Fallen ist entscheidend, dass der Klager\nnach eigenen Angaben zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits seit Jahren und\ndamit auch in dem erfragten relevanten Zeitraum an einem Anfallsleiden\ngelitten hat.\n\nIm Zeitpunkt der Antragstellung hatte der Klager auch Kenntnis von dem\nAnfallsleiden und damit von einem Gebrechen im Sinne der von der Beklagten\ngestellten Gesundheitsfragen fur den erfragten Zeitraum. Dem Klager waren die\nvorgenannten Episoden bekannt. Die von dem Klager erlebten Krampfanfalle\nstellten insoweit auch keine bloßen Befindlichkeitsstorungen oder belanglosen\nBeschwerden dar, sondern waren als Storungen von erheblichem Gewicht bzw. als\nGebrechen im Sinne der Gesundheitsfragen einzuordnen. Dass die Krampfanfalle\nnicht als bloße Bagatelle zu qualifizieren waren, zeigt gerade der Umstand,\ndass der Klager durch den Stabsarzt Dr. U. mit Verdacht auf Epilepsie an das -\nKrankenhaus uberwiesen worden war (s.o.). Dass sich anlasslich der ersten\nstationaren Untersuchung in diesem Krankenhaus die definitive Diagnose einer\nEpilepsie nicht hatte stellen lassen, ist ohne Belang. Auch wenn die konkreten\nStorungen, also die standig wiederkehrenden bzw. regelmaßig stattgehabten\nAnfalle auf Grund der im Krankenhaus durchgefuhrten Untersuchungen einer\nbestimmten Krankheit (noch) nicht hatten zugeordnet werden konnen, so lagen\ndoch hinreichende (Krankheits-)Symptome vor, die auf einen nicht unerheblich\nvom Normalzustand abweichenden Gesundheitszustand und damit zweifellos auf das\nVorliegen eines Fehlers bzw. eines Gebrechens im Sinne der Antragsfrage\nschließen ließen (OLG Karlsruhe, VersR 1996, S. 1222).\n\n(2)\n\nIm Hinblick darauf, dass der Klager wegen der standig wiederkehrenden bzw.\nregelmaßig stattgehabten Anfalle sowie der Einweisung in ein Krankenhaus 1996\nmit Verdacht auf Epilepsie Kenntnis von einer wesentlichen Abweichung seines\nGesundheitszustandes vom Normalzustand und somit von einem Gebrechen im Sinne\nder in dem Antragsformular gestellten Gesundheitsfragen hatte, ist davon\nauszugehen, dass der Klager mittels der Falschangaben den Vertragsabschluss\nnicht hat gefahrden wollen. Die vorgenannten Indiztatsachen lassen namlich nur\nden Schluss zu, dass der Klager mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklarung\nauf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der\nVersicherer werde seinen Antrag auf Abschluss einer Unfallversicherung nicht\noder moglicherweise nur mit erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der\nVersicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemaß beantworten wurde. Auf Grund\ndessen ist nach der Lebenserfahrung auch davon auszugehen, dass die Beklagte\nden Versicherungsvertrag in Kenntnis der verschwiegenen Umstande nicht\nabgeschlossen hatte, worauf sie sich auch ausdrucklich gestutzt hat (Bl. 202\nd.A.).\n\nIn diesem Zusammenhang hat der Klager auch nicht plausibel gemacht, wie es zu\nden objektiv falschen Angaben im Antragsformular gekommen ist. Soweit er\nerstmals im Schriftsatz vom 7.10.2004 darauf verweist (Bl. 474/475 d.A.), dass\nin dem von ihm unterschriebenen Antragsformular vom 4.6.1999 die\nGesundheitsfragen sowohl mit „ja" als auch mit „nein" angekreuzt worden seien\n(Bl. 79 d.A.), einen Antrag, bei dem die Gesundheitsfragen nur mit „nein"\nangekreuzt worden seien (Bl.122 d.A.), habe er nicht unterschrieben, vermag\ndieses Vorbringen ungeachtet der Frage, ob es uberhaupt zuzulassen ist,\njedenfalls nicht zu erklaren, wie es im Hinblick auf das bei dem Klager\nvorliegende Gebrechen und insbesondere das von ihm selbst beschriebene\nBeschwerdebild, namlich uber einen Zeitraum von mehreren Jahren\ndurchschnittlich alle 8 Wochen auftretende Anfalle, uberhaupt zu einem\nAnkreuzen der Rubrik „nein" in dem Antragsformular kommen konnte. Insoweit\nlasst das von dem Klager in Bezug genommene und von ihm unterschriebene\nAntragsformular auch nicht erkennen, dass die Rubrik „nein" durchgestrichen\noder die Ungultigkeit der Verneinung in sonstiger Wiese kenntlich gemacht\nworden ware. Im Gegenteil ist dem Antragsformular vom 4.6.1999 zweifelsfrei zu\nentnehmen, dass die in dem fur die Antwort „ja" vorgesehenen freien Feld\nvorgenommene Eintragung durchgestrichen worden ist. Unter Berucksichtigung des\nUmstandes, dass in dem Antragsformular die Gesundheitsfrage sodann eindeutig\nmit „nein" beantwortet worden ist, bestehen auch aus der Sicht eines\nobjektiven Empfangers keine Zweifel, dass die gestellte Gesundheitsfrage nach\nkorperlichen Fehlern, Gebrechen oder erheblichen Krankheiten in den letzten 4\nJahren verneint werden sollte, zumal weder auf dem Antragsformular noch auf\neinem Beiblatt die - bejahendenfalls - notwendigen Erlauterungen von dem\nKlager gemacht worden sind.\n\nDie Beklagte war, entgegen der Auffassung des Klagers, auch nicht\nverpflichtet, im Hinblick auf die Gestaltung des von ihm in Bezug genommenen\nAntragsformulars, dessen Zugang die Beklagte im Übrigen bestritten hat (Bl.\n477/478 d.A.), wegen der „angekreuzten Kastchen" bei dem Klager Ruckfrage zu\nhalten. Zum einen wird durch ein Verhalten des Versicherungsnehmers, der es in\nsubtiler Weise mit einem „versteckten Hinweis" darauf anlegt, sich die Fruchte\nseiner unerkennbaren arglistigen Tauschung derart zu erhalten, dass er dem\nVersicherer die erkennbare Moglichkeit zur Nachfrage gibt, um sich bei einem\nUnterlassen des Versicherers auf die unterbliebene Nachfrage zu berufen, ein\nAnfechtungsrecht des Versicherers nicht ausgeschlossen. (vgl. Romer/Langheid,\naaO, § 22, Rdnr. 8, m.w.N.; Berliner-Kommentar zum VVG/Voit, 1999, § 22, Rdnr.\n18, m.w.N.). Zum anderen waren die Erklarungen des Klagers in dem\nAntragsformular eindeutig, so dass es bereits einer Nachfrage seitens der\nBeklagten nicht bedurfte; die gestellte Gesundheitsfrage nach korperlichen\nFehlern, Gebrechen oder erheblichen Krankheiten in den letzten 4 Jahren war\nverneint worden, die in dem fur die Antwort „ja" vorgesehenen freien Feld\nvorgenommene Eintragung war durchgestrichen und die - bejahendenfalls -\nnotwendigen Erlauterungen waren weder auf dem Antragsformular noch auf einem\nBeiblatt vorgenommen worden.\n\nIm Hinblick auf die arglistige Tauschung des Klagers war die Beklagte zu einer\nAnfechtung des Versicherungsvertrages berechtigt ist. Damit ist der\nVersicherungsvertrag gemaß § 142 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen, was\nzur Folge hat, dass dem Klager aus dem Vertrag keine Versicherungsleistungen\nzustehen.\n\nDemnach hat die Berufung keinen Erfolg und war diese mit der Kostenfolge aus §\n97 Abs. 1 ZPO zuruckzuweisen.\n\nDie Entscheidung zur vorlaufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10,\n711 ZPO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3, 5 ZPO.\n\nDie Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht\nzuzulassen.\n\n
128,697
ovgsl-2006-05-10-3-q-1906
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 Q 19/06
2006-05-10
2019-01-07 09:34:45
2019-02-12 12:11:38
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mundlichen\nVerhandlung vom 31. August 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des\nSaarlandes - 11 K 18/05.A - wird zuruckgewiesen.\n\nDie außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien\nBerufungszulassungsverfahrens hat der Klager zu tragen.\n\n## Gründe\n\nDem Antrag des Klagers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom\n31.8.2005, mit dem das Verwaltungsgericht sein Begehren abgewiesen hat, die\nBeklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26.10.2004 zu verpflichten\nfestzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 Satz 1\nAufenthaltsG vorliegen, kann nicht entsprochen werden.\n\nDer Klager, ein serbisch-montenegrinischer Staatsangehoriger aus dem Kosovo,\nder im Februar 1999 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und nach\nseinen Angaben im Verwaltungsverfahren der Volksgruppe der Ashkali angehort,\nhat nach erfolglosem Asyl- und ebenfalls erfolglosem Asylfolgeantrag mit\nSchriftsatz vom 4.10.2004, bei der Beklagten eingegangen am 5.10.2004,\nbeantragt, „bezuglich einer Ruckkehr nach Serbien-Montenegro"\nAbschiebungshindernisse gemaß § 53 Abs. 6 AuslG anzuerkennen und unter Vorlage\neines Attestes von Dr. med. O. Al-M. Neurologe und Psychiater, vom 28.9.2004\ngeltend gemacht, er leide an einer posttraumatischen Belastungsstorung und\nmusse bei einer Ruckkehr nach Serbien-Montenegro mit einer dramatischen\nVerschlechterung seines Gesundheitszustandes rechnen. Des Weiteren erscheine\neine ausreichende Versorgung psychischer Erkrankungen im Kosovo nicht gegeben\nzu sein.\n\nDie Beklagte hat dieses Begehren mit Bescheid vom 26.10.2004 abgelehnt und zur\nBegrundung ausgefuhrt, der Klager habe keine glaubhaften Ausfuhrungen zu einer\nindividuellen Gefahrenlage gemacht. Das vorgelegte facharztliche Attest sei\nschon nicht geeignet, substantiiert darzutun, dass der Klager unter einer\nbehandlungsbedurftigen Erkrankung leide, aus der sich bei einer Ruckkehr in\nsein Heimatland eine konkrete, erhebliche und individuelle Gefahr im\nVerstandnis von § 53 Abs. 6 AuslG ergebe. Der Umstand, dass sich der Klager\nbereits seit funf Jahren in der Bundesrepublik Deutschland befinde, ohne dass\ner sich wegen der nunmehr geltend gemachten Belastungsstorung in arztliche\nBehandlung begeben habe, zeige deutlich, dass er seine psychischen Probleme\nnicht als so gravierend angesehen habe, dass er eine arztliche Behandlung fur\nerforderlich gehalten habe. Es sei davon auszugehen, dass die dem\nAntragsteller attestierten psychischen Probleme in erster Linie in\nZusammenhang mit der drohenden Abschiebung zu sehen seien. Der Antragsteller\nbefinde sich seit 1999 in der Bundesrepublik Deutschland, habe sich jedoch\nerst am 25.3.2004, sechs Tage nach dem Ausfertigungsdatum der Ladung zur\nmundlichen Verhandlung in dem Gerichtsverfahren betreffend seinen\nAsylfolgeantrag in facharztliche Behandlung begeben. Insoweit liege kein\nzielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, sondern allenfalls ein\ninlandsbezogenes Vollstreckungshindernis vor, uber das im vorliegenden\nVerfahren nicht zu befinden sei. Unabhangig von der Frage des Vorliegens eines\nVollstreckungshindernisses lasse sich nach dem Inhalt entsprechender Auskunfte\nund Gerichtsentscheidungen feststellen, dass posttraumatische\nBelastungsstorungen im Kosovo medikamentos und durch kontinuierliche\nnervenarztliche beziehungsweise psychotherapeutische Betreuung behandelbar\nseien.\n\nDie im Anschluss an diesen Bescheid erhobene Verpflichtungsklage, mit der der\nKlager vorgetragen hat, seine Mutter und zwei Geschwister seien im Marz 1998\nOpfer eines Massakers geworden, und vier weitere Atteste von Dr. med. Al-M.\nvorgelegt hat, hat das Verwaltungsgericht mit dem vorbezeichneten Urteil\nabgewiesen und zur Begrundung ausgefuhrt, ein Anspruch auf Wiederaufgreifen\ndes Verfahrens gemaß § 71 Abs. 1 AsylVfG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 - 3\nVwVfG scheide aus, weil der Klager den von ihm einzig geltend gemachten\nWiederaufgreifensgrund - fehlende medizinische Behandlungsmoglichkeit seiner\nposttraumatischen Erkrankung im Kosovo - nicht substantiiert innerhalb der\nDrei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG vorgebracht habe. Der Klager habe\nerstmals in der mundlichen Verhandlung vom 5.5.2004 in dem\nverwaltungsgerichtlichen Verfahren betreffend seinen Asylfolgeantrag\nvorgetragen, wegen der Erlebnisse in seiner Heimat seit einiger Zeit in\nBehandlung zu sein. Er habe ausweislich des Sitzungsprotokolls aber nicht\nvorgetragen, deswegen bei einer Ruckkehr gefahrdet zu sein. Er habe auch keine\nfacharztliche Bescheinigung vorgelegt. Das habe er erstmals mit seinem\nFolgeantrag vom 5.10.2004 getan. Da er sich jedoch ausweislich des Attests vom\n28.9.2004 seit dem 25.3.2004 in Behandlung befinde, sei er damit am 5.10.2004\nprakludiert gewesen.\n\nLagen danach die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vor, so\nhabe die Beklagte gemaß § 51 Abs. 5 VwVfG in Verbindung mit den §§ 48, 49\nVwVfG nach pflichtgemaßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskraftige\nfruhere Entscheidung zu § 53 AuslG zuruckgenommen oder widerrufen werde. Diese\nErmessensentscheidung sei vorliegend nicht zu beanstanden, insbesondere liege\nkeine Ermessenreduzierung auf Null zugunsten des Klagers vor. Die Beklagte\nhabe zutreffend ausgefuhrt, dass der Klager in der Zeit von Februar 1999 bis\nMarz 2004 nicht in einer facharztlichen Behandlung wegen der von ihm geltend\ngemachten Traumatisierung gewesen sei. Er habe also in dieser Zeit sein Leben\ngut meistern konnen. Ausweislich der beigezogenen Auslanderakte sei er auch in\nder Lage gewesen, seit dem 1.6.2001 regelmaßig als Raumpfleger beziehungsweise\nHausmeister in Nachtschicht zu arbeiten. Zu berucksichtigen sei zudem, dass er\nin der mundlichen Verhandlung uber seinen Asylantrag vom 28.3.2000 vor dem\nVerwaltungsgericht keine psychischen Probleme geltend gemacht habe und auf\nsolche Probleme erstmals in der mundlichen Verhandlung vom 5.5.2004 betreffend\nseinen Folgeantrag hingewiesen habe. Das zeige, dass die Geltendmachung der\nposttraumatischen Belastungsstorung eng mit dem Misserfolg seines\nAsylverfahrens zusammenhange. Von daher und unter Berucksichtigung der\nstandigen Rechtsprechung der Kammer, wonach im Kosovo selbst schwerere\nseelische Erkrankungen jedenfalls medikamentos behandelt werden konnten und es\ngerichtsbekannt sei sowie der Auskunftslage entspreche, dass\nGesprachstherapien moglich seien, sei die Entscheidung der Beklagten nicht zu\nbeanstanden. Hinsichtlich der vorgelegten Atteste des behandelnden Arztes Dr.\nmed. Al-M. sei anzumerken, das unter dem 25.7.2005 zwei Bescheinigungen\nausgestellt worden seien, wobei - bei sonst gleichem Wortlaut - in der in der\nmundlichen Verhandlung vorgelegten Bescheinigung ausgefuhrt sei, eine erneute\nSuizidgefahr sei nicht auszuschließen. Das verwundere, da weder der Klager\nnoch sein ihn behandelnder Arzt im gesamten bisherigen Verfahren jemals einen\nSuizidversuch erwahnt hatten.\n\nMit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil rugt der\nKlager die Verletzung rechtlichen Gehors und fuhrt aus, zum einen werde\nwesentlicher Parteivortrag nicht beachtet und zum anderen ein Sachverhalt\nunterstellt, dessen Vorliegen alles andere als logisch zwingend sei. Soweit\ndas Verwaltungsgericht beanstande, dass die Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3\nVwVfG nicht gewahrt sei, sei darauf hinzuweisen, dass er eine psychische\nBeeintrachtigung bereits bei seiner Anhorung durch das Bundesamt - „zur Zeit\netwas psychisch blockiert" \\- vorgetragen habe. Abgesehen hiervon sei nicht\ndie Frage entscheidend, seit wann eine psychische Beeintrachtigung vorliege\nund seit wann er sich behandeln lasse; ausschlaggebend sei vielmehr, seit wann\nbei ihm eine derart schwerwiegende Beeintrachtigung vorliege, dass die\nVoraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthaltsG erfullt seien, und er\nhiervon gewusst habe. Sicherlich sei er in der Zeitspanne nach dem Vorfall\nstark traumatisiert gewesen. Sehr wahrscheinlich sei mit der gelungenen Flucht\nnach Deutschland eine gewisse Beruhigung eingetreten. Nachvollziehbar sei eine\ngravierende Verschlechterung bei der Konfrontation mit einer kurz\nbevorstehenden Ruckfuhrung an den Ort der traumatisierenden Erlebnisse. Das\nVerwaltungsgericht hatte nicht einfach unterstellen durfen, dass der Klager zu\neinem beliebig fruheren Zeitpunkt derart psychisch beeintrachtigt gewesen sei,\nwie dies innerhalb von drei Monaten vor der Antragsstellung der Fall gewesen\nsei. Unzulassig sei auch die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, er\nhabe, weil er in der Zeit von Februar 1999 bis Marz 2004 nicht in einer\nfacharztlichen Behandlung bezuglich der Traumatisierung gewesen sei, sein\nLeben „gut meistern" konnen. Er sei zwar erst seit Marz 2004 in\npsychiatrischer Behandlung; seit Juli 2000 sei er ausweislich eines Attestes\nvom 5.9.2005 in Behandlung seines Hausarztes und seit Anfang 2004 ausweislich\neiner Bescheinigung des Deutschen Roten Kreuzes vom 26.3.2004 in\npsychologischer Beratung gewesen, also vor der Terminsladung in dem\nVorprozess. Nicht logisch sei ferner der Schluss von einer bescheinigten\n„erneuten Suizidgefahr" auf einen fruheren Suizidversuch. Gefolgert werden\nkonnte allenfalls auf eine fruhere Suizidgefahr. Schließlich sei die\nErwerbstatigkeit kein Zeichen dafur, dass er sein Leben gut habe meistern\nkonnen. Die Erwerbstatigkeit habe allenfalls geholfen, die Traumatisierung\netwas zuruckzudrangen. Das Verwaltungsgericht habe den Grundsatz des\nrechtlichen Gehors verletzt, weil es die jeweils ungunstigsten\nTatsachengestaltungen unterstellt und gunstigere Konstellationen nicht in\nErwagung gezogen habe.\n\nDieses Vorbringen, das den Umfang der gerichtlichen Nachprufung in dem\nvorliegenden Zulassungsverfahren begrenzt, rechtfertigt die erstrebte\nBerufungszulassung auf der Grundlage des der Sache nach geltend gemachten\nZulassungstatbestandes des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138\nNr. 3 VwGO nicht.\n\nEntgegen der Darstellung des Klagers hat das Verwaltungsgericht die\nangefochtene Entscheidung nicht unter Verletzung des Anspruches des Klagers\nauf rechtliches Gehor getroffen.\n\nDer durch Art. 103 Abs. 1 GG grundsatzlich gewahrleistete Anspruch auf\nrechtliches Gehor verpflichtet das Gericht dazu, das tatsachliche und\nrechtliche Vorbringen eines Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine\nErwagungen mit einzubeziehen. Allerdings folgt hieraus nicht, dass das Gericht\nsich in den Entscheidungsgrunden mit jedem Einzelaspekt des\nBeteiligtenvorbringens ausdrucklich befassen muss. Eine Verletzung von Art.\n103 Abs. 1 GG ist vielmehr erst dann gegeben, wenn im Einzelfall besondere\nUmstande deutlich ergeben, dass Vorbringen eines Beteiligten uberhaupt nicht\nzur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen\nworden ist\n\nvgl. zum Beispiel BVerfG, Beschluss vom 27.5.1998 - 2 BvR 378/98 - NVwZ - RR\n1999, 217 m.w.N..\n\nFehler der Sachverhalts- oder der Beweiswurdigung sind hingegen, selbst wenn\nsie vorliegen, grundsatzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem\nmateriellen Recht zuzuordnen. Derartige Fehler und daraus gegebenenfalls\nresultierend die „Unrichtigkeit" der erstinstanzlichen Entscheidung eroffnen\naufgrund der Rechtsmittelbeschrankung in Asylverfahren (§ 78 AsylVfG)\ngrundsatzlich nicht die Berufungsmoglichkeit\n\nvgl. zum Beispiel OVG des Saarlandes, Beschlusse vom 17.3.1999 - 3 Q 47/99 -\nund vom 28.1.2004 - 1 Q 10/04 -.\n\nBei Zugrundelegung dieser Maßstabe ist zunachst festzuhalten, dass das\nVerwaltungsgericht ausweislich des Inhaltes des angefochtenen Urteils das\nVorbringen des Klagers und die von ihm vorgelegten, teils im Urteilstatbestand\nerwahnten, teils in den Entscheidungsgrunden angesprochenen Atteste\nberucksichtigt und in seine Erwagungen einbezogen hat. Dass die\nBerucksichtigung nicht mit dem vom Klager gewunschten Ergebnis erfolgt ist\nbeziehungsweise der Klager die vorgenommene Wurdigung fur unzutreffend halt,\nberuhrt nicht die Gewahrung rechtlichen Gehors sondern die\n(materiell-)rechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes. Dass das\nVerwaltungsgericht das hausarztliche Attest vom 5.9.2005, in dem die\nAllgemeinmediziner D. und H. eine Behandlung des Klagers wegen reaktiver\nangstlicher Depressionen im Juli 2000 bescheinigen, nicht berucksichtigen\nkonnte, liegt auf der Hand. Der Klager hat dieses Attest erstmals im\nBerufungszulassungsverfahren vorgelegt, wahrend er noch in der mundlichen\nVerhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklart hatte, fur eine angeblich zwei\nJahre dauernde Therapie in Oberkirchen „heute" keine Belege zu haben. Die\nVorlage entsprechender Belege hat er indes, obwohl ihm bereits in dem\nangefochtenen Bescheid vorgehalten worden ist, sich wahrend der ersten funf\nJahre seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland wegen seiner\nbehaupteten Traumatisierung nicht in arztliche Behandlung begeben zu haben,\nund er damit rechnen musste, dass dieser Aspekt auch im gerichtlichen\nVerfahren von Bedeutung sein konnte, ausweislich des Sitzungsprotokolls weder\nangekundigt noch einen Vertagungsantrag gestellt. Im Übrigen bescheinigt das\nvorgelegte Attest eine Behandlung fur den Monat Juli 2000 und keine zwei Jahre\ndauernde Therapie. Im Ergebnis das Gleiche gilt fur die ebenfalls erstmals im\nBerufungszulassungsverfahren vorgelegte „psychologische Bescheinigung" der\nDRK-Beratungsstelle A-Stadt vom 26.3.2004, nach der sich der Klager seit\n8.1.2004 in psychologischer Beratung befindet.\n\nDie Einwande des Klagers gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, er habe\ndie fehlende Behandlungsmoglichkeit seiner posttraumatischen Erkrankung im\nKosovo nicht substantiiert innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3\nVwVfG dargelegt, betrifft die rechtliche Wurdigung des Tatsachenmaterials\ndurch das Gericht und nicht die Frage einer ausreichenden Gewahrung\nrechtlichen Gehors. Die hierzu angestellten Erwagungen des Verwaltungsgerichts\nverstoßen auch nicht gegen die Denkgesetze. Das Verwaltungsgericht hat der\nSache nach aus dem Umstand, dass der Klager sich ausweislich des mit seinem\nWiederaufgreifensantrag vom 5.10.2004 vorgelegten Attestes seit 25.3.2004\nwegen posttraumatischer Belastungsstorungen in facharztlicher Behandlung\nbefand und - anwaltlich vertreten - in der mundlichen Verhandlung vor dem\nVerwaltungsgericht am 5.5.2004 betreffend seinen Asylfolgeantrag geltend\ngemacht hatte, er sei wegen der Erlebnisse in der Heimat traumatisiert und\ndeswegen „seit einiger Zeit" in Behandlung, gefolgert, dass der Klager bereits\nfruher als drei Monate vor Stellung seines Wiederaufgreifensantrages in der\nLage gewesen ware, eine Gesundheitsgefahrdung nach Ruckkehr wegen fehlender\nBehandlungsmoglichkeiten im Kosovo geltend zu machen. Das ist nicht zu\nbeanstanden, zumal der Klager, dessen Sache es gewesen ware, auch die\nEinhaltung der Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG schlussig darzutun\n\nvgl. Renner, Auslanderrecht, 8. Auflage 2005, § 71 Rdnr. 21;\nGemeinschaftskommentar zum AsylVfG, Stand September 2005, § 71 Rdnr. 164,\n\nnichts dafur vorgetragen hat, dass er erst innerhalb einer Zeitspanne von drei\nMonaten vor Stellung des Wiederaufgreifensantrags Kenntnis von der Schwere\nseiner Erkrankung und der angeblich fehlenden Behandlungsmoglichkeiten im\nKosovo sowie einer hieraus resultierenden schweren Gesundheitsgefahrdung\nerlangt habe. Zu dahingehenden Darlegungen hatte er umso mehr Veranlassung\ngehabt, als er ausweislich des von ihm vorgelegten Attestes bereits sei\n25.3.2004 in Behandlung war und sich bereits in der mundlichen Verhandlung vom\n5.5.2004 auf die Traumatisierung berufen hatte.\n\nEbenfalls die rechtliche Wurdigung des Sachverhaltes betroffen ist, soweit der\nKlager sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts wendet, aus dem Umstand,\ndass er in der Zeit von Februar 1999 (Einreise in die Bundesrepublik\nDeutschland) bis Marz 2004 nicht in facharztlicher Behandlung wegen der von\nihm geltend gemachten Traumatisierung gewesen sei und seit 1.6.2001 regelmaßig\ngearbeitet habe, konne gefolgert werden, dass er sein Leben gut habe meistern\nkonnen. Diesen Ausfuhrungen liegt ersichtlich die auch in dem angefochtenen\nBescheid angestellte Erwagung zugrunde, dass der Klager uber funf Jahre hinweg\nseine psychischen Probleme nicht als so schwerwiegend angesehen habe, dass er\neine facharztliche Behandlung beziehungsweise Therapie fur notwendig erachtet\nhabe. Zudem sei die Beeintrachtigung durch die geltend gemacht\nposttraumatische Belastungsstorung nicht so gravierend gewesen, dass sie den\nKlager an regelmaßiger Erwerbstatigkeit gehindert habe. Dass das\nVerwaltungsgericht mit dieser Begrundung und unter anderem mit der - von dem\nKlager im vorliegenden Verfahren nicht angegriffenen - Annahme, im Kosovo\nkonnten selbst schwere seelische Erkrankungen medikamentos behandelt werden,\nzudem sei es gerichtsbekannt und entspreche der Auskunftslage, dass\nGesprachstherapien moglich seien, die der Ermessensentscheidung der Beklagten\nzugrunde liegende Beurteilung, dem Klager drohe bei Ruckkehr in den Kosovo\nkeine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlimmerung seiner Erkrankung\ngebilligt hat, lasst keine Verletzung des Anspruchs des Klagers auf Gewahrung\nrechtlichen Gehors erkennen.\n\nZuzugeben ist dem Klager freilich, dass die in dem in der mundlichen\nVerhandlung vorgelegten Attest von Dr. med. Al- M. vom 25.7.2005 nicht\nausgeschlossene erneute Suizidgefahr logisch nicht zwingend voraussetzt, dass\ner bereits einen Suizidversuch unternommen hat. Gleichwohl lasst sich den\nzuvor vorgelegten Attesten auch nichts fur eine fruhere Suizidgefahr\nentnehmen. Zudem war diese Erwagung des Verwaltungsgerichts offenkundig nicht\nentscheidungstragend. Das ergibt sich schon daraus, dass sie erst auf die\nzusammenfassende Aussage des Gerichts folgt, die Entscheidung der Beklagten\nsei rechtlich nicht zu beanstanden, und als „Anmerkung" bezeichnet ist.\n\nVon einer weiteren Begrundung des Nichtzulassungsbeschlusses wird abgesehen (§\n78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG).\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b AsylVfG.\n\nDer Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.\n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar.\n\n
128,975
olgsl-2007-04-05-8-u-16906-41
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
8 U 169/06 - 41
2007-04-05
2019-01-07 09:37:21
2019-02-12 12:12:21
Urteil
## Tenor\n\nI. Die Berufung des Klagers gegen das am 10.02.2006 verkundete Urteil des\nLandgerichts Saarbrucken - 1 O 224/05 - wird zuruckgewiesen.\n\nII. Der Klager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\nIII. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDem Klager wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden,\nes sei denn, die Beklagte leistet zuvor Sicherheit in gleicher Hohe.\n\nIV. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n**A.**\n\nDer Klager wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskraftigen\nVersaumnisurteil des Landgerichts Saarbrucken vom 04.12.1995 (1 O 351/95), mit\ndem er als Burge zur Zahlung von 130.405,97 DM (66.675,52 EUR) zuzuglich\nNebenforderungen verurteilt worden ist. Diesem lagen Anspruche aus einem unter\ndem 02.02.1995 gekundigten Kontokorrentkredit zu Grunde, den die\nRechtsvorgangerin der Beklagten der Firma A. GmbH, deren Gesellschafter und\nGeschaftsfuhrer der Klager war, gewahrt und fur den dieser eine betragsmaßig\nunbeschrankte Burgschaft ubernommen hatte. Die von der Hauptschuldnerin unter\ndem 01.02.1995 beantragte Eroffnung des Konkursverfahrens uber ihr Vermogen\nwurde durch Beschluss des Amtsgerichtes St. Wendel vom 02.05.1995 mangels\nMasse abgelehnt. Am 06.11.1996 wurde die vermogenslose Hauptschuldnerin im\nsaarlandischen Handelsregister geloscht.\n\nZahlreiche, seit 1996 eingeleitete Vollstreckungsversuche gegen den Klager,\nzuletzt der Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung der Abgabe der\neidesstattlichen Versicherung durch das Amtsgericht St. Wendel am 21.10.2003\n(Bl. 118) und der Pfandungsbeschluss des Amtsgerichts St. Wendel vom\n17.12.2004 wegen eines Teilbetrages in Hohe von 50.000 EUR (Bl. 119) blieben\nerfolglos. Gegen die Hauptschuldnerin verfolgten weder die Beklagte noch deren\nRechtsvorgangerin ihre Anspruche aus dem gekundigten Kontokorrentkredit.\n\nDer Klager hat im Wege der Vollstreckungsabwehrklage die Einrede der\nVerjahrung der Hauptschuld erhoben und die Herausgabe des Vollstreckungstitels\nverlangt.\n\nDurch das angefochtene Urteil (Bl. 136 ff), auf dessen tatsachliche und\nrechtliche Feststellungen vollumfanglich gemaß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO\nBezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Verjahrung\nder gesamten Hauptschuld habe gemaß § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB zuletzt am\n22.10.2003 neu begonnen, und zwar infolge des Haftbefehls des Amtsgerichts St.\nWendel vom 21.10.2003, und konne nicht vor Ablauf des 20.10.2006 eintreten.\nVollstreckungshandlungen gegen den Klager seien zur Unterbrechung der\nVerjahrung der Hauptschuld auch ausreichend, nachdem die Hauptschuldnerin\nwegen Vermogenslosigkeit im Handelsregister geloscht worden sei.\n\nMit seiner Berufung verfolgt der Klager sein Klagebegehren weiter. Eine\nUnterbrechung der Verjahrung der Hauptschuld nach dem Wegfall der\nHauptschuldnerin durch Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Klager aus dem\nVersaumnisurteil des Landgerichts vom 04.12.1995 - 1 O 351/95 - nach § 212 BGB\nn. F. anzunehmen, widerspreche der Akzessorietat der Burgschaft und komme\nnicht in Betracht, da nach dieser Vorschrift lediglich die Verjahrung bereits\nrechtskraftig festgestellter Anspruche - hier der Burgschaftsforderung -\nunterbrochen werden konne. Hiervon sei die selbststandige Hauptforderung zu\nunterscheiden, deren Verjahrung die Beklagte nur durch eine rechtzeitig vor\nVollbeendigung der Rechtsperson der Hauptschuldnerin erhobene Klage hatte\nunterbrechen konnen.\n\nDer Klager beantragt (Bl. 174, 244),\n\n> > 1\\. unter Abanderung des angefochtenen Urteils die Zwangsvollstreckung aus\n> dem Versaumnisurteil des Landgerichts Saarbrucken, Az. 1 O 351/95 vom\n> 04.12.1995, fur unzulassig zu erklaren,\n\n> > 2\\. unter Abanderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu\n> verurteilen, die ihr erteilte vollstreckbare Ausfertigung des in Ziffer 1\n> genannten Urteils an den Klager herauszugeben.\n\nDie Beklagte beantragt (Bl. 163, 244),\n\n> > die Berufung zuruckzuweisen.\n\nSie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt der Berufung unter\nWiederholung und Vertiefung ihres fruheren Vorbringens entgegen.\n\nWegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den\nParteien zur Vorbereitung der mundlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz\ngewechselten Schriftsatze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift\nvom 22.03.2007 (Bl. 244 f) Bezug genommen.\n\n**B.**\n\nDie Berufung des Klagers ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO\nstatthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begrundet worden, mithin\nzulassig.\n\nIn der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung\nberuht weder auf einer kausalen Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch\nrechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere\nEntscheidung (§ 513 ZPO).\n\n**I.**\n\nDie Zwangsvollstreckung aus dem Versaumnisurteil des Landgerichts Saarbrucken\nvom 04.12.1995 - 1 O 351/95 - ist weder fur die Hauptforderung noch fur die\ntitulierten Nebenforderungen unzulassig.\n\n**1.** Dem Klager steht gegen die titulierte Hauptforderung mangels Verjahrung\nder Hauptschuld keine Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO zu.\n\n**a.** Zwar kann sich der Klager als Burge gemaß § 768 Abs. 1 i. V. m. § 214\nAbs. 1 BGB auf die Einrede der Verjahrung der Hauptschuld berufen, denn diese\ngehort zu den dem Hauptschuldner zustehenden Einreden. Deren Geltendmachung\nwird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Burgschaftsklage vor\nVollendung dieser Verjahrung erhoben wurde (BGH NJW 1980, 1460 unter II. 4. a.\n= BGHZ 76, 223 ff.; NJW 1998, 2972, 2973 unter II. 1. = BGHZ 139, 214 ff.)\noder der Burge bereits rechtskraftig verurteilt wurde; er kann dann die\nVerjahrungseinrede gegenuber dem titulierten Anspruch gemaß §§ 768 BGB, 767\nZPO einwenden (BGH NJW 1999, 278, 279 unter I. 2.). Dabei kann er sich hierauf\nsogar dann noch berufen, wenn der Hauptschuldner wegen Vermogenslosigkeit\nund/oder Loschung im Handelsregister als Rechtsperson untergegangen ist (BGH\nNJW 2003, 1250, 1251 unter II. 2.; ebenso OLG Dusseldorf NJW-RR 2005, 1495\nunter II. 3.).\n\n**b.** Im Streitfall kann sich der Klager jedoch nicht auf die Verjahrung der\nHauptschuld berufen, da der Lauf der Verjahrungsfrist durch die - nach Wegfall\nder Hauptschuldnerin durch Loschung im Handelsregister zum 06.11.1996 -\nzwischen dem 01.01.2002 und dem 31.12.2004 gegenuber dem Klager vorgenommenen\nVollstreckungshandlungen mehrfach neu begonnen hat, § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB.\n\n**aa.** Die Hauptschuld - die Anspruche aus dem unter dem 02.02.1995\ngekundigten Kontokorrentkredit der Firma A. GmbH - verjahrte ursprunglich in\nder alten regelmaßigen Verjahrungsfrist von 30 Jahren, § 195 BGB a. F.. Gemaß\nArt. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB lief ab 01.01.2002 die neue - kurzere -\nregelmaßige Verjahrungsfrist von drei Jahren, § 195 BGB n. F., die mit dem\n31.12.2004 abgelaufen ware.\n\n**bb.** Diese neue regelmaßige Verjahrungsfrist von drei Jahren begann jedoch\nzuletzt durch den Erlass des Haftbefehls des Amtsgerichts St. Wendel vom\n21.10.2003 (Bl. 118) gegen den Klager fur die gesamte Hauptschuld gemaß § 212\nAbs. 1 Nr. 2 BGB ab dem 22.10.2003 neu zu laufen.\n\n**(1)** Zwar handelt es sich hier um eine Vollstreckungshandlung gegenuber dem\nKlager aufgrund der gegen ihn titulierten Burgschaftsforderung, die eine von\nder Verbindlichkeit des Hauptschuldners verschiedene, einseitig ubernommene\nVerbindlichkeit des Burgen darstellt (BGH NJW 1991, 975, 976; NJW 1998, 2356).\nDie Unterbrechung der Verjahrung der Burgenschuld hat deshalb grundsatzlich\nkeinen Einfluss auf die Verjahrung der Hauptschuld. Vielmehr mussen zur\nUnterbrechung der Verjahrung der Hauptschuld Maßnahmen gegen den\nHauptschuldner ergriffen werden.\n\n**(2)** Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn dieser als Rechtsperson\naufgrund Loschung im Handelsregister infolge Vermogenslosigkeit untergegangen\nist. Mit dem Wegfall des Hauptschuldners verselbststandigt sich die\nBurgschaftsforderung. Dies folgt aus dem Zweck der Burgschaft, dem Glaubiger\nSicherheit gerade fur den Fall der Zahlungsunfahigkeit des Schuldners zu\ngeben, was dazu fuhrt, dass sie dann zwar vom Bestand der Hauptforderung\nunabhangig wird, eine irgendwie geartete Änderung des Inhalts oder des Umfangs\nder Haftung des Burgen damit jedoch nicht verbunden ist (BGH NJW 1982, 875,\n876 m. w. N.). Dann muss allerdings den schutzwurdigen Interessen des\nGlaubigers an der Unterbrechung der Verjahrung der Hauptschuld dadurch\nRechnung getragen werden, dass hierfur Unterbrechungsmaßnahmen gegen den\nBurgen genugen. Dies bedeutet, dass eine dem Burgen gegenuber herbeigefuhrte\nHemmung oder Unterbrechung der Verjahrung ausreicht, um diesem die Einrede der\nVerjahrung bezuglich der Hauptschuld abzuschneiden (BGH NJW 2003, 1250, 1252;\nOLG Karlsruhe Urteil vom 08.09.2006 - 17 U 311/05 - zitiert nach juris Rn. 34;\nvergleiche auch OLG Dusseldorf NJW-RR 2005, 1495 f; OLG Munchen Beschluss vom\n23.05.2005 - 5 W 1516/05 - zitiert nach juris Rn 8; MunchKomm(BGB)-Habersack,\n4. Aufl. 2004, § 767 Rn 6). Dies ist auch interessengerecht, da damit zum\neinen dem Burgen vor Augen gefuhrt wird, dass die Glaubigerin - nach Wegfall\ndes Hauptschuldners - an der Durchsetzung ihrer Forderungen festhalt, die sie\nnur noch ihm gegenuber geltend machen kann. Zum anderen wird aber auch\ngewahrleistet, dass die fur die Hauptschuld geltende Verjahrungsfrist fur den\nBurgen maßgeblich ist, wenn diese kurzer ist als die fur die Burgschaftsschuld\ngeltende regelmaßige Verjahrungsfrist.\n\n**(3)** Zu solchen verjahrungsunterbrechenden oder -hemmenden Maßnahmen gehort\nauch eine Vollstreckungshandlung ( § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB) gegenuber dem\nBurgen, wenn dieser bereits vor Untergang des Hauptschuldners rechtskraftig\naus der Burgschaft verurteilt worden war, was allerdings die Verjahrung der\nHauptschuld nicht beeinflusst hat (BGH NJW 1980, 1460 ff; NJW 1998, 2972,\n2973; NJW 1999, 278, 279; OLG Karlsruhe, Urt. Vom 08.09.2006 - 17 U 311/05,\nzitiert nach juris Rn. 34; OLG Munchen NJW-RR 2005, 1495, 1496). Eine erneute\nKlage gegen den Burgen kommt dann nicht in Betracht, so dass der Glaubiger\ndarauf angewiesen ist, innerhalb der regelmaßigen Verjahrungsfrist\nUnterbrechungshandlungen gemaß § 212 BGB vorzunehmen.\n\n**(4)** Im Streitfall begann die Verjahrung der Hauptschuld nach den einzelnen\nVollstreckungsmaßnahmen gegen den Klager in der Zeit zwischen dem 01.01.2002\nund dem 31.12.2004 jeweils neu, § 212 Abs. 1 BGB. Zu diesem Zeitpunkt war die\nHauptschuldnerin als Rechtsperson namlich untergegangen. Hiervon ist im Falle\neiner GmbH dann auszugehen, wenn diese vermogenslos ist und ihre Loschung im\nHandelsregister eingetragen wird (vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. § 65 Rn\n19). Die Loschung der Hauptschuldnerin wurde nach Ablehnung des Antrages auf\nEroffnung des Konkursverfahrens mangels Masse durch Beschluss des\nAmtsgerichtes St. Wendel vom 02.05.1995 am 06.11.1996 im Handelsregister\neingetragen, so dass ab diesem Zeitpunkt Unterbrechungsmaßnahmen nur noch\ngegen den Klager als Burgen moglich waren.\n\n**(5)** Entgegen der Auffassung des Klagers steht einem Neubeginn der\nVerjahrung gemaß § 212 Abs. 1 BGB nicht entgegen, dass die Beklagte zum\nZeitpunkt der Erhebung der Klage gegen ihn auch noch gegen die\nHauptschuldnerin hatte vorgehen konnen, da diese damals noch nicht wegen\nVermogenslosigkeit geloscht war. Denn zu diesem Zeitpunkt bestand fur die\nBeklagte keine Veranlassung, allein zum Zwecke der Verjahrungsunterbrechung\ngerichtliche Schritte gegen die offensichtlich vermogenslose Hauptschuldnerin\n- die Eroffnung des Konkursverfahrens war bereits beantragt - einzuleiten, da\neine Verjahrung der Hauptschuld - die Verjahrungsfrist betrug gemaß § 195 BGB\na. F. 30 Jahre - auf absehbare Zeit nicht drohte. Dies entspricht auch der in\n§ 773 Abs. 1 Nr. 3 u. 4 BGB zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertung,\nwonach der Burge sich dann nicht auf die Einrede der Vorausklage berufen kann,\nwenn uber das Vermogen des Hauptschuldners das Insolvenzverfahren eroffnet\nwurde oder wenn anzunehmen ist, dass eine Zwangsvollstreckung gegen ihn nicht\nzum Erfolg fuhrt. Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass der\nGlaubiger nicht gezwungen werden soll, zunachst gegen den Hauptschuldner\nvorgehen zu mussen, obwohl er dort aufgrund dessen Vermogenslosigkeit keine\nBefriedigung erwarten kann. Da in diesem Fall immer mit dem Wegfall des\nHauptschuldners zu rechnen ist, wenn er eine GmbH ist, ware die Glaubigerin -\ndie Auffassung des Klagers unterstellt - trotzdem gezwungen, zwecks\nUnterbrechung der Verjahrung eine aussichtslose Klage anzustrengen, damit der\nBurge sich spater nicht auf die Einrede der Verjahrung der Hauptschuld berufen\nkann. Dies entspricht weder den gesetzlichen Vorgaben noch kann dies dem\nUrteil des BGH vom 28.01.2003 (NJW 2003, 1250 ff) entnommen werden.\n\nSchließlich ergab sich fur die Beklagte erst nach Neuordnung der\nVerjahrungsregeln im Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2002 und Verkurzung der\nregelmaßigen Verjahrungsfrist von 30 auf 3 Jahre die Situation, dass sie die\nVerjahrung der Hauptschuld unterbrechen musste, um eine erfolgreiche Berufung\ndes Klagers hierauf zu verhindern. Zu diesem Zeitpunkt war aber die\nHauptschuldnerin infolge Vermogenslosigkeit bereits im Handelsregister\ngeloscht worden und damit untergegangen, so dass sie Unterbrechungsmaßnahmen\nnur noch gegenuber dem Klager als Burgen ergreifen konnte.\n\nDass dies ausreicht, bestatigt auch der BGH in seiner oben zitierten\nEntscheidung (NJW 2003, 1250 ff), in der er klar ausgefuhrt hat, dass es nach\ndem Wegfall der Hauptschuld und Verselbststandigung der Burgenschuld zum\nSchutz des Glaubigers ausreichen muss, dass dieser Unterbrechungsmaßnahmen\ngegenuber dem Burgen, die ja nur noch die (verselbstandigte) Burgenschuld\nbetreffen konnen, ergreift. Dies ist auch interessengerecht, weil der Burge\nnach Wegfall des Hauptschuldners weiß, dass nur er noch in Anspruch genommen\nwerden kann, so dass Vertrauensgesichtspunkte in Bezug auf die Verjahrung der\nakzessorischen Hauptschuld dann keine Rolle mehr spielen, wenn ihm gegenuber\nUnterbrechungsmaßnahmen ergriffen werden. Dies muss auch fur den Fall gelten,\ndass der Hauptschuldner erst nach rechtskraftiger Verurteilung des Burgen\nweggefallen ist, da auch in diesem Fall der Glaubiger darauf angewiesen ist,\ndie Verjahrung der Hauptschuld zu verhindern. Dies kann er dann zwar nicht\nmehr durch Erhebung einer Klage gegen den Burgen, allerdings fuhrt jede\nweitere, diesem gegenuber vorgenommene Unterbrechungshandlung zum Neubeginn\nder Verjahrungsfrist gemaß § 212 Abs. 1 BGB.\n\nFur seine gegenteilige Auffassung kann sich der Klager auch nicht auf die\nEntscheidung des OLG Dusseldorf (NJW-RR 2005, 1495 f) berufen. Dieses hat sich\nlediglich der Auffassung des BGH angeschlossen, wonach die Verjahrungseinrede\ndes Burgen selbst dann beachtlich ist, denn die Verjahrung der Hauptschuld\nerst nach Insolvenz des Hauptschuldners oder gar nach dessen Loschung im\nHandelsregister eingetreten ist. Dabei bestatigt es auch, dass die vor\nEintritt der Verjahrung der Hauptverbindlichkeit gegen den Burgen erhobene\nKlage lediglich den Burgschaftsanspruch und nicht die selbststandige\nHauptschuld betrifft. Auf die Frage, ob und wie die Verjahrung der Hauptschuld\nnach Wegfall des Hauptschuldners gehemmt oder unterbrochen werden kann, kam es\nin diesem Fall jedoch nicht an, da uber das Vermogen der Hauptschuldnerin das\nInsolvenzverfahren eroffnet worden war, diese also noch nicht weggefallen war.\nEine Unterbrechung der Verjahrung der Hauptschuld hatte zu diesem Zeitpunkt\nnoch - kostengunstig - im Wege der Anmeldung der Forderung im\nInsolvenzverfahren erfolgen konnen.\n\nEtwas anderes lasst sich auch aus der von dem Klager zitierten Entscheidung\ndes OLG Karlsruhe vom 08.09.2006 - 17 U 311/05 - nicht herleiten. Auch in\ndiesem Falle wurden verjahrungsunterbrechende Maßnahmen - Beantragung eines\nMahnbescheides - nur gegen den Burgen ergriffen, und zwar zu einem Zeitpunkt,\nin dem die Hauptschuldnerin noch nicht weggefallen war. Entsprechend der oben\ndargelegten Rechtsprechung des BGH konnten diese Maßnahmen deshalb eine\nVerjahrung der Hauptschuld nicht verhindern.\n\nDanach steht dem Klager hinsichtlich der titulierten Hauptforderung die aus §§\n768 Abs. 1, 195 BGB folgende Einrede der Verjahrung und damit eine die\nZwangsvollstreckung hindernde Einwendung nicht zu, da die Verjahrungsfrist\nzunachst infolge des Haftbefehls des Amtsgerichts St. Wendel vom 21.10.2003\n(Bl. 118) bezuglich der gesamten Hauptforderung neu begonnen hat und\nschließlich durch den Vollstreckungsauftrag vom 28.09.2006 (Bl. 215) und die\ndaraufhin durch Beschluss des Senats vom 24.11.2006 (Bl. 216 f) gemaß § 769\nAbs. 1 ZPO angeordnete Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem\nVersaumnisurteil des Landgerichts Saarbrucken - 1 O 351/95 - vom 04.12.1995\nerneut unterbrochen wurde (BGHZ 122, 287, 293 f).\n\n**2\\. a.** Zu Recht und mit zutreffender Begrundung, auf die zur Vermeidung\nvon Wiederholungen Bezug genommen werden kann, hat das Landgericht\nfestgestellt, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Versaumnisurteil vom\n04.12.1995 (1 O 351/95) auch im Hinblick auf die titulierten Nebenforderungen\nnicht unzulassig ist, weil mangels Verjahrung der Hauptschuld der\nZahlungsverzug des Klagers nicht beendet worden ist.\n\n**b.** Zudem hat der Klager in Bezug auf die Nebenforderungen die Einrede der\nVerjahrung weder erhoben noch seine Vollstreckungsabwehrklage hierauf\ngestutzt. Sie wurde wohl auch nicht durchgreifen.\n\nZwar verjahren die Anspruche auf kunftig fallig werdende regelmaßig\nwiederkehrende Leistungen, auch wenn der zu Grunde liegende Anspruch\nrechtskraftig festgestellt ist, gemaß §§ 197, 218 Abs. 2 BGB in der bis zum\n31.12.2001 geltenden Fassung in vier Jahren, beginnend mit dem Schluss des\nJahres, in dem Falligkeit eingetreten ist (§ 201 BGB a. F.) bzw. gemaß §§ 197\nAbs. 2, 195, 199 Abs. 1 BGB in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung in drei\nJahren, ebenfalls beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem sie entstanden\nsind. Danach waren die nach Rechtskraft des Versaumnisurteils des Landgerichts\nSaarbrucken vom 04.12.1995 (1 O 351/95) fallig gewordenen Zinsanspruche bis\nzum Jahr 2003 verjahrt, wenn die Beklagte den Lauf der Verjahrungsfrist nicht\ndurch Vollstreckungsmaßnahmen unterbrochen hatte (§ 216 BGB a. F. bzw. § 212\nBGB n. F.). So hat sie unwidersprochen vorgetragen, in den Jahren 1996, 1998,\n1999, 2000, 2002 und 2003 zahlreiche Vollstreckungsversuche gegen den Klager\neingeleitet zu haben (vgl. Schriftsatz vom 09.01.2006, Bl. 93 ff).\n\n**II.**\n\nOhne Rechtsfehler hat das Landgericht auch einen Anspruch des Klagers auf\nHerausgabe des Schuldtitels gegen die Beklagte verneint.\n\nDanach hat die Berufung des Klagers insgesamt keinen Erfolg.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 i. V. m. 709 Satz 2\nZPO.\n\nDie Revision war nicht zuzulassen, da es an den erforderlichen Voraussetzungen\nfehlt (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Ziffer 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der\nSenat folgt der Rechtsprechung des BGH und weicht auch nicht von den oben\nzitierten Entscheidungen des OLG Dusseldorf und des OLG Karlsruhe ab. Andere\nabweichende Entscheidungen von Oberlandesgerichten (KG, NJW-RR 1999, 1206; KG-\nReport 2002, 294; _OLG Celle_ , OLG-Report 2001, 87) liegen vor der\nmaßgeblichen Entscheidung des BGH vom 28.01.2003 (NJW 2003, 1250 ff).\n\n
129,072
ovgsl-2007-07-10-1-q-4006
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 Q 40/06
2007-07-10
2019-01-07 09:38:19
2019-02-12 12:12:36
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag des Klagers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der\nmundlichen Verhandlung vom 5. September 2006 ergangene Urteil des\nVerwaltungsgerichts des Saarlandes - 3 K 195/06 - wird zuruckgewiesen.\n\nDie Kosten des Zulassungsverfahrens fallen dem Klager zur Last.\n\nDer Streitwert wird fur das Zulassungsverfahren und in Abanderung des\nBeschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 5. September 2006 auch\nfur das erstinstanzliche Verfahren auf 1.059,84 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n**I.**\n\nDurch aufgrund mundlicher Verhandlung vom 05.09.2006 ergangenes Urteil hat das\nVerwaltungsgericht das Begehren des Klagers zuruckgewiesen, die Beklagte zu\nverpflichten, die Versorgungsbezuge des Klagers nach dem vor dem In-Kraft-\nTreten des Versorgungsanderungsgesetzes 2001 geltenden Recht zu berechnen. Zur\nBegrundung ist in dem Urteil dargelegt, dass Art. 1 Nr. 48 des\nVersorgungsanderungsgesetzes 2001, insbesondere § 69e BeamtVG, weder gegen\nhergebrachte Grundsatze des Berufsbeamtentums noch gegen das\nGleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Dagegen richtet sich der\nrechtzeitig gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung, der mit am 13.11.2006\nund damit innerhalb der einschlagigen Frist beim Oberverwaltungsgericht\neingegangenem Schriftsatz begrundet wurde.\n\n**II.**\n\nDer Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.\n\nDas, was der Klager in seinem Schriftsatz vom 13.11.2006 vorgetragen hat und\nden Prufungsumfang durch den Senat begrenzt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), gibt\nkeine Veranlassung, das genannte Urteil einer Überprufung in einem\nBerufungsverfahren zuzufuhren.\n\nWeder bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen\nUrteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch weist die Rechtssache besondere\ntatsachliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).\nSie hat auch keine grundsatzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).\n\nErnstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn\nerhebliche Grunde dafur sprechen, dass die Entscheidung des\nVerwaltungsgerichts einer rechtlichen Prufung wahrscheinlich nicht standhalten\nwird. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne werden in der Zulassungsschrift nicht\naufgezeigt.\n\nDies gilt zunachst bezuglich der Ruge des Klagers, das Verwaltungsgericht habe\nzu Unrecht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27.09.2005\n\n> > - 2 BvR 1387/02 -, BVerfGE 114, 258 = DVBl 2005, 1441 = NVwZ 2005, 1294 =\n> DÖD 2006, 24 = ZBR 2005, 378 = BayVBl 2006, 241,\n\nauf seinen Fall ubertragen.\n\nDamit sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen\nUrteils nicht dargelegt. Denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom\n27.09.2005 ist, wie vom Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, auch fur den\nFall des Klagers einschlagig. So hat sich das Bundesverfassungsgericht in\nseinem Urteil insgesamt mit der Verfassungsmaßigkeit des Art. 1 Nr. 48 des\nVersorgungsanderungsgesetzes 2001 (VersÄndG 2001), insbesondere der Vorschrift\ndes § 69e BeamtVG, auseinandergesetzt. Dabei gelangte das\nBundesverfassungsgericht zum Ergebnis, dass § 69e BeamtVG weder gegen die\nhergebrachten Grundsatze des Berufsbeamtentums im Verstandnis des Art. 33 Abs.\n5 GG noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßt.\nVor allem greife Art. 1 Nr. 48 VersÄndG 2001 nicht in den Kernbestand des\nAlimentationsprinzips ein. Art. 1 Nr. 48 VersÄndG 2001 verstoße auch weder\ngegen das verfassungsrechtliche Ruckwirkungsverbot noch gegen den\nrechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes.\n\nNach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber bei\nder Konkretisierung der aus Art. 33 Abs. 5 GG resultierenden Pflicht zur\namtsangemessenen Alimentierung einen weiten Entscheidungsspielraum\n\n> > vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.06.1958 - 1 BvR 1/52, 1 BvR 46/52 -, BVerfGE\n> 8, 1 = DÖV 1958, 620; Urteil vom 27.09.2005, a.a.O., m.w.N..\n\nDer Beamte kann dabei nicht beanspruchen, dass ihm die fur die Bemessung der\nBezuge maßgeblichen Regelungen, unter denen er in das Beamten- und\nRuhestandsverhaltnis eingetreten ist, unverandert erhalten bleiben. Art. 33\nAbs. 5 GG garantiert nicht die unverminderte Hohe der Bezuge. Der Gesetzgeber\ndarf sie vielmehr kurzen, wenn dies aus sachlichen Grunden gerechtfertigt ist\n\n> > vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.06.1958, a.a.O.; Beschluss vom 15.07.1999 -\n> 2 BvR 544/97 -, NVwZ 1999, 1328 = DVBl 1999, 1421 = DÖD 1999, 228 = IÖD\n> 1999, 262 = ZBR 1999, 381 = Schutz BeamtR ES/C I 1 Nr 6; Urteil vom\n> 27.09.2005, a.a.O. .\n\nDass das Urteil des Verwaltungsgerichts bei Berucksichtigung dieser\nverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ernstlichen Zweifeln im Sinne des §\n124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begegnet, ist auch bei Berucksichtigung des Vorbringens\ndes Klagers im Zulassungsverfahren nicht zu erkennen.\n\nDenn gerade im Urteil vom 27.09.2005 hat sich das Bundesverfassungsgericht\ndamit auseinandergesetzt, dass Art. 1 Nr. 48 VersÄndG 2001 eine Absenkung der\nVersorgungsbezuge bewirken kann. So wird in dieser Entscheidung ausgefuhrt,\ndass § 69e Abs. 3 und 4 BeamtVG im Falle einer Kurzung der Bezuge sogar dazu\nfuhren kann, dass das Einkommen der Versorgungsempfanger starker verringert\nwird als durch das entsprechende Anpassungsgesetz allein. Insofern setzt sich\ndie Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entgegen der Einschatzung des\nKlagers sehr wohl damit auseinander, dass § 69e Abs. 3 und 4 BeamtVG nicht nur\nzu einer geringeren Erhohung der Versorgungsbezuge fuhren kann, sondern sogar\nzu deren Verringerung, und zwar starker als bei den aktiven Beamten.\nGleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Regelungen\ndes Art. 1 Nr. 48 VersÄndG 2001 mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Insofern\nbesteht auch fur den beschließenden Senat keine Veranlassung, die\nVerfassungsmaßigkeit des Art. 1 Nr. 48 VersÄndG 2001, insbesondere des § 69e\nBeamtVG, im Hinblick auf die bei Versorgungsempfangern eintretenden\nfinanziellen Folgen in Frage zu stellen.\n\nDabei ist im Falle des Klagers festzustellen, dass seit dem Inkrafttreten des\nVersÄndG 2001 keine Verringerung der Besoldung bzw. Versorgung eingetreten\nist, sondern es auf Grund der zum 01.04.2003 bzw. 01.07.2003, 01.04.2004 und\n01.08.2004 erfolgten allgemeinen Besoldungs- und Versorgungserhohungen auch zu\neiner Erhohung der Versorgungsbezuge des Klagers gekommen ist. Insoweit kann\nauf die eigene Berechnung des Klagers im Schriftsatz vom 17.05.2006 verwiesen\nwerden. Dass die Anwendung des § 69e Abs. 3 BeamtVG zu einer geringeren\nErhohung der Bezuge fur Versorgungsempfanger gegenuber den aktiven Beamten\ngefuhrt hat, ist unstreitig, jedoch unter Berucksichtigung der Rechtsprechung\ndes Bundesverfassungsgerichts hinzunehmen. So ist im Urteil vom 27.09.2005\nausgefuhrt, dass Art. 1 Nr. 48 VersÄndG 2001 im Hinblick auf die\nUngleichbehandlung der aktiven Beamten und der Ruhestandsbeamten nicht gegen\nArt. 3 Abs. 1 GG verstoßt. Es existiere auch kein hergebrachter Grundsatz des\nBerufsbeamtentums, der den Gesetzgeber verpflichte, bei Anpassungen der Bezuge\neine strikte Parallelitat der Besoldungs- und Versorgungsentwicklung zu\ngewahrleisten.\n\nIm Hinblick darauf, dass die Frage der Verfassungsmaßigkeit des Art. 1 Nr. 48\nVersÄndG 2001 durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27.09.2005\numfassend und nicht nur bezogen auf bestimmte Besoldungsgruppen geklart ist,\nist nicht ersichtlich, inwieweit das vorliegende Verfahren besondere\ntatsachliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweisen oder grundsatzliche\nBedeutung haben soll, auch wenn die Vorschrift nicht nur fur den Klager,\nsondern fur alle Ruhestandsbeamten gilt.\n\nErst recht kommt der vom Klager aufgeworfenen Rechtsfrage, ob eine monatliche\n„Rentenkurzung" - gemeint ist wohl eine Kurzung der Versorgungsbezuge - in\nHohe von 44,16 Euro rechtmaßig sei und ob er mit einem Ruckgang der Bezuge\nzukunftig leben musse, keine grundsatzliche Bedeutung zu. Denn dieser Vortrag\nbetrifft offensichtlich den Einzelfall und hat keine grundsatzliche Bedeutung.\nIm Übrigen wurden die Versorgungsbezuge des Klagers nicht um 44,16 Euro\n„gekurzt"; dieser Betrag stellt lediglich, wie vom Verwaltungsgericht in\nseinem Urteil vom 05.09.2006 zutreffend ausgefuhrt, die Differenz zwischen den\ndem Klager bei und ohne Anwendung des § 69e BeamtVG zustehenden\nVersorgungsbezugen dar. Eine echte Kurzung der Versorgungsbezuge des Klagers\nist dagegen nicht eingetreten.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.\n\nDie Streitwertfestsetzung rechtfertigt sich aus den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1,\n47 Abs. 3 GKG. Der Senat folgt der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts\n\n> > vgl. ausfuhrlich Beschluss vom 13.9.1999 - 2 B 53.99 -, NVwZ - RR 2000,\n> 188 (189); zuletzt Streitwertbeschluss zum Urteil vom 28.2.2007 -2 C 18.06\n> -, insoweit nicht veroffentlicht,\n\ndass auf die Streitwertfestsetzung in Prozessen betreffend die Hohe\nbeamtenrechtlicher Versorgungsbezuge - entgegen der Annahme des\nVerwaltungsgerichts - § 42 Abs. 3 und 5 GKG weder direkte noch entsprechende\nAnwendung findet, sondern § 52 Abs. 1 GKG einschlagig ist und dass die danach\nmaßgebliche Bedeutung der Sache fur den Klager mit dem pauschalierten\nzweifachen Jahresbetrag der Differenz zwischen begehrter und gewahrter\nVersorgung zu veranschlagen ist\n\n> > so auch Ziffer 10.4 des Streitwertkatalogs fur die\n> Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 07./08. 7. 2004\n> beschlossenen Änderungen - NVwZ 2004, 1327.\n\nDen Jahresbetrag ermittelt der Senat dabei mit Blick auf den inzwischen\nerfolgten weitgehenden Wegfall der Sonderzahlungen nunmehr - anders als bisher\n- nicht mehr anhand des 13-, sondern nur noch des 12-fachen Monatsbetrags der\nVersorgungsbezuge\n\nso auch BVerwG, Streitwertbeschluss zum Urteil vom 21.9.2006\n\n> > \\- 2 C 22.05 -, insoweit nicht veroffentlicht.\n\nDaraus resultiert fallbezogen ein Streitwert sowohl fur das Zulassungs- als\nauch das Klageverfahren von (44,16 EUR x 24 = ) 1.059,84 EUR. Die abweichende\nFestsetzung fur das erstinstanzliche Verfahren durch das Verwaltungsgericht\nist von Amts wegen abzuandern ( § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG ).\n\nDieser Beschluss ist nicht anfechtbar.\n\n
129,168
olgsl-2007-10-15-5-w-26407-89
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
5 W 264/07 - 89
2007-10-15
2019-01-07 09:39:04
2019-02-12 12:12:51
Beschluss
## Tenor\n\nDie sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des\nLandgerichts Saarbrucken vom 03.08.2007 (5 T 357/07) wird mit der Maßgabe\nzuruckgewiesen, dass dieser dahingehend abgeandert wird, dass die sofortige\nBeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Saarbrucken vom 09.07.2007 (7\nXIV 30/07) als unzulassig verworfen wird.\n\n## Gründe\n\n**I.**\n\nGegen den Betroffenen ist durch Beschluss des Amtsgerichts Saarbrucken vom\n24.04.2007 (Bl. 16 d. A.) Zuruckschiebehaft bis zum 23.10.2007 angeordnet\nworden. Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene kein Rechtsmittel eingelegt.\n\nMit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmachtigten vom 26.06.2007 (Bl. 23 d.\nA.) hat der Betroffene Aufhebung des Beschlusses vom 24.04.2007 gemaß § 10\nFEVG beantragt. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 09.07.2007\n(Bl. 25 d. A.) zuruckgewiesen.\n\nGegen den Beschluss vom 09.07.2007 hat der Betroffene mit Schriftsatz seiner\nVerfahrensbevollmachtigten vom 12.07.2007 (Bl. 29 d. A.) sofortige Beschwerde\neingelegt. Diese hat das Landgericht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss\nvom 13.09.2007 (Bl. 65 d. A.) als zwar zulassig, jedoch unbegrundet\nzuruckgewiesen. Hiergegen hat der Betroffene mit Schriftsatz seiner\nVerfahrensbevollmachtigten vom 01.10.2007 (Bl. 79 d. A.) sofortige weitere\nBeschwerde eingelegt und zur Begrundung lediglich auf sein Vorbringen vor dem\nLandgericht Bezug genommen.\n\n**II.**\n\nDie sofortige weitere Beschwerde ist zulassig, jedoch im Ergebnis nicht\nbegrundet.\n\nDie Haftanordnung vom 24.04.2007 ist in Rechtskraft erwachsen, da der\nBetroffene nicht innerhalb der Notfrist von zwei Wochen sofortige Beschwerde\neingelegt hat. Gegen die Zuruckweisung des Antrags auf Aufhebung der\nHaftanordnung gemaß § 10 Abs. 2 FEVG ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (vgl.\nOLG Dusseldorf - Beschl. v. 16.04.2003 - I-3 Wx 116/03 - juris Rdnr. 2). Daher\nhatte das Landgericht die sofortige Beschwerde als unzulassig verwerfen\nmussen. Entsprechend war der angefochtene Beschluss abzuandern. Da die\nsofortige Beschwerde jedoch als unbegrundet zuruckgewiesen wurde und daher aus\nanderen Grunden ohne Erfolg geblieben ist, war die sofortige weitere\nBeschwerde zuruckzuweisen.\n\nSelbst wenn die sofortige Beschwerde zulassig ware, wurde sich insoweit nichts\nanderes ergeben. Da der Beschwerdefuhrer zur Begrundung seiner sofortigen\nweiteren Beschwerde nichts vorgebracht hat, kann diesbezuglich auf die\nzutreffenden Grunde des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Bezug\ngenommen werden. Hinzuzufugen ist lediglich, dass Gegenstand des\nAufhebungsverfahrens gemaß § 10 Abs. 2 FEVG nicht die Rechtmaßigkeit der\nursprunglichen Haftanordnung ist, sondern lediglich die Frage, ob diese auf\nGrund geanderter Umstande aufzuheben ist. Aus den Grunden des angefochtenen\nBeschlusses ergibt sich jedoch mit hinreichender Deutlichkeit, dass Letzteres\nnicht der Fall ist.\n\nEine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Ebenso wenig bedarf es der\nFestsetzung eines Beschwerdewertes.\n\n
135,276
arbg-stuttgart-2004-03-02-20-ca-61603
124
Arbeitsgericht Stuttgart
arbg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Arbeitsgerichtsbarkeit
20 Ca 616/03
2004-03-02
2019-01-07 11:09:19
2019-01-17 11:55:17
Urteil
## Tenor\n\n1. | | Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhaltnis der Parteien nicht durch die Kundigung der Beklagten vom 27.02.2003 beendet wurde. \n---|---|--- \n \n2. | | Die Beklagte wird verurteilt, die Klagerin bis zum rechtskraftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveranderten Arbeitsbedingungen als Naherin weiterzubeschaftigen. \n---|---|--- \n \n3. | | Die Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits. \n---|---|--- \n \n4. | | Streitwert: EUR 3.750,00. \n---|---|--- \n \n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten uber die Wirksamkeit einer ordentlichen,\nkrankheitsbedingten Arbeitgeberkundigung. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin wurde am 19.03.1952 geboren, ist verwitwet und gegenuber einem\nKind unterhaltsverpflichtet. Sie ist seit 25.04.1989 bei der Beklagten als\nNaherin beschaftigt. Die Beklagte betreibt eine Matratzenfabrik und\nbeschaftigt ca. 200 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist nicht vorhanden. Bei\neiner Teilzeitbeschaftigung im Umfang von 24 Wochenstunden betrug das\nmonatliche Bruttoarbeitsentgelt der Klagerin zuletzt EUR 1.250,00. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Seit Beginn des Arbeitsverhaltnisses kam es zu folgenden\nkrankheitsbedingten \n--- \nFehlzeiten: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| \n--- \n| Datum \n--- \n| ausgefallene Arbeitstage \n--- \n| Entgeltfortzahlungstage \n--- \n| Entgeltfortzahlungskosten \n--- \n| 1989: \n--- \n| 3 \n--- \n| 3 \n--- \n| DM 173,25 \n--- \n| 1990: \n--- \n| 20 \n--- \n| 20 \n--- \n| DM 2.166,88 \n--- \n| 1991: \n--- \n| 19 \n--- \n| 19 \n--- \n| DM 2.142,07 \n--- \n| 1992: \n--- \n| 19 \n--- \n| 19 \n--- \n| DM 1.327,04 \n--- \n| 1993: \n--- \n| 11 \n--- \n| 11 \n--- \n| DM 805,56 \n--- \n| 1994: \n--- \n| 9 \n--- \n| 9 \n--- \n| DM 676,36 \n--- \n| 1995: \n--- \n| 3 \n--- \n| 3 \n--- \n| DM 238,56 \n--- \n| 1996: \n--- \n| 8 \n--- \n| 8 \n--- \n| DM 722,18 \n--- \n| 1997: \n--- \n| 7 \n--- \n| 7 \n--- \n| DM 765,98 \n--- \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| \n--- \n| Datum \n--- \n| ausgefallene Arbeitstage \n--- \n| Entgeltfortzahlungstage \n--- \n| Entgeltfortzahlungskosten \n--- \n| Diagnosen lt. Diagnosenaufstellung der Krankenkasse \n--- \n| 1998: \n--- \n| | | \n| 16.01. \n--- \n| 1 \n--- \n| 1 \n--- \n| DM 104,61 \n--- \n| Pharyngo-Bronchitis \n--- \n| 23.03.-24.03., 30.03. \n--- \n| 1 \n--- \n| 1 \n--- \n| DM 323,17 \n--- \n| Unterbauchschmerzen \n--- \n| 07.04.-30.04. \n--- \n| 16 \n--- \n| 16 \n--- \n| DM 1.726,50 \n--- \n| Schmerz-Symptom Laparoskopie, Abrasio, Adhaesiolyse, Unterbauchschmerzen \n--- \n| 11.11.-13.11. \n--- \n| 3 \n--- \n| 3 \n--- \n| DM 333,04 \n--- \n| Paronychie \n--- \n| 02.12.-18.12. \n--- \n| 13 \n--- \n| 13 \n--- \n| DM 1.295,56 \n--- \n| Paronychie \n--- \n| 1999: \n--- \n| | | \n| 17.03.-18.03. \n--- \n| 2 \n--- \n| 2 \n--- \n| DM 196,58 \n--- \n| Zervikal-Syndrom \n--- \n| 02.07.-05.07. \n--- \n| 2 \n--- \n| 2 \n--- \n| DM 188,87 \n--- \n| Zervikal-Syndrom \n--- \n| 04.10. \n--- \n| 1 \n--- \n| 1 \n--- \n| | grippal. Infekt \n--- \n| 28.10.-05.11. \n--- \n| 2 \n--- \n| 2 \n--- \n| DM 162,20 \n--- \n| Nacken-Schulter-Arm-Syndrom \n--- \n| 19.11.-31.12. \n--- \n| 35 \n--- \n| 34 \n--- \n| DM 3.333,76 \n--- \n| Boes.Neub. Zervix Uteri, Zyste, Hysterektomie, Dysplasie der Cervic Uteri \n--- \n| 2000: \n--- \n| | | \n| 01.01.-10.03. \n--- \n| 50 \n--- \n| 50 \n--- \n| DM 0,00 \n--- \n| wie 19.11.1999 bis 31.12.1999, ab 17.01.2000 Carcinoma in situ, Cis: Cervix\nuteri \n--- \n| 2001: \n--- \n| | | \n| 28.03.-27.04. \n--- \n| 21 \n--- \n| 21 \n--- \n| DM 2.175,66 \n--- \n| Karpaltunnel-Syndrom, 17.04. Hamorrhoiden \n--- \n| 18.12.-21.12. \n--- \n| 4 \n--- \n| 4 \n--- \n| DM 450,69 \n--- \n| Zervikobrachial-Syndrom \n--- \n| 2002: \n--- \n| | | \n| 25.02.-01.03. \n--- \n| 5 \n--- \n| 5 \n--- \n| EUR 260,61 \n--- \n| Zervikobrachial-Syndrom \n--- \n| 15.04.-26.04. \n--- \n| 10 \n--- \n| 10 \n--- \n| EUR 525,90 \n--- \n| HIV-Kh St 3: LAS \n--- \n| 05.06.-26.06. \n--- \n| 16 \n--- \n| 16 \n--- \n| EUR 814,22 \n--- \n| Kur, Zervikobrachial-Syndrom \n--- \n| 29.10.-21.11. \n--- \n| 18 \n--- \n| 18 \n--- \n| EUR 934,49 \n--- \n| Schnellender Finger, angeb. Fehlbildung o. Extr./Schulter \n--- \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die \n--- \nBeklagte kundigte das Arbeitsverhaltnis mit Schreiben vom 27.02.2003\nordentlich zum 31.07.2003. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klagerin halt die Kundigung fur sozial ungerechtfertigt. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klagerin tragt vor, \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| es sei von einer positiven gesundheitlichen Zukunftsprognose auszugehen.\nDie in den Jahren 1998 und 1999 aufgetretenen Unterbauchschmerzen seien durch\ndie operative Entfernung der Gebarmutter am 17.01.2000 behoben worden. Der\nursprunglich geaußerte Krebsverdacht habe sich nicht bestatigt. Das Einwachsen\ndes Zehennagels der rechten großen Zehe, das zur Arbeitsunfahigkeit im\nZeitraum von 11.11.1998 bis 19.12.1998 gefuhrt habe, sei durch operative\nEntfernung behoben worden. Das an der rechten Hand befindliche Karpaltunnel-\nSyndrom, das zur Arbeitsunfahigkeit im Zeitraum von 28.03. bis 27.04.2001\ngefuhrt habe, sei ebenfalls durch die Operation behoben. Dasselbe gelte fur\ndie Erkrankung "Schnellender Finger" am Mittelfinger der rechten Hand\n(Arbeitsunfahigkeit 29.10. bis 24.11.2002). Diese Erkrankung sei durch eine\nambulante Operation behoben worden. Hinsichtlich aller genannten Erkrankungen\nsei eine negative Zukunftsprognose nicht gegeben. Es bleibe einzig ubrig das\nZervikal-Syndrom an der linken Schulter, das nicht kurzfristig behoben werden\nkonne. Diese Erkrankung habe jedoch in der Vergangenheit nicht zu erheblichen\nkrankheitsbedingten Fehlzeiten gefuhrt. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klagerin beantragt: \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| \n--- \n1. | | Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhaltnis der Parteien durch die Kundigung der Beklagten vom 27.02.2003 nicht beendet wird. \n--- \n| 12 \n--- \n| \n--- \n2. | | Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 wird die Beklagte verurteilt, die Klagerin bis zum rechtskraftigen Abschluss des Kundigungsschutzverfahrens zu unveranderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Naherin weiterzubeschaftigen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt: \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Klageabweisung. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagte tragt vor, \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| es sei von einer negativen gesundheitlichen Zukunftsprognose auszugehen.\nDie von der Klagerin angefuhrten Diagnosen wurden mit Nichtwissen bestritten.\nDies gelte auch fur die behaupteten Operationen. Die von der Klagerin\nbehauptete operative Entfernung der Gebarmutter werde mit Nichtwissen\nbestritten. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, konne damit nicht\ndauerhaft konstatiert werden, dass etwaig zukunftig zu erwartende\nUnterleibsbeschwerden ein fur allemal beseitigt seien; vielmehr sei ein recht\nhohes Potential negativer Folgeerscheinungen vorprogrammiert. Die\nHysterektomie habe im November 1999 stattgefunden und es sei danach zu\nweiteren Unterleibsbeschwerden gekommen. .Auch hinsichtlich der behaupteten\nBehandlung des Karpaltunnel-Syndroms und des "Schnellenden Fingers" sei von\neiner negativen Zukunftsprognose auszugehen. Die Erkrankung im Schulter/Arm-\nBereich (Zervikobrachial-Syndrom) sei chronisch und durch die Kur nicht\nbehoben worden. Die Erkrankungen "Schnellender Finger" und Karpaltunnel-\nSyndrom seien auf eine Überlastung, also eine Fehlstellung zuruckzufuhren. Die\nzukunftig zu erwartenden Fehlzeiten fuhrten zu unzumutbaren\nEntgeltfortzahlungskosten der Beklagten. Außerdem gebe es aufgrund des Fehlens\nder Klagerin betriebliche Belastungen bis hin zum Maschinenstillstand. Es\nwurden 70 bis 90 Matratzenhullen pro Tag nicht erstellt werden. Erschwerend\nkomme hinzu, dass die Krankzeiten der Klagerin wie "zufallig" immer und\nausnahmslos in die Zeitraume hineinfielen, die fur die Beklagte recht\numsatzstark seien. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den\nin der mundlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien\ngewechselten Schriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der sachverstandigen Zeugen\n... und ... gem. § 377 Abs. 3 ZPO. Zum Beweisthema wird auf den\nBeweisbeschluss vom 21.10.2003 und zum Beweisergebnis auf die Stellungnahmen\nder sachverstandigen Zeugen vom 22.12.2003 und 11.01.2004 Bezug genommen (Bl.\n123 d.A.). \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Klageantrag Ziff. 1 \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Klageantrag Ziff. 1 ist zulassig und begrundet. Die ordentliche\nKundigung der Beklagten mit Schreiben vom 27.02.2003 ist nach § 1 Abs. 2 KSchG\nsozial ungerechtfertigt. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| \n--- \n1. | | Zwischen den Parteien galten zum Kundigungszeitpunkt die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kundigungsschutzgesetzes. Die Klagerin war langer als 6 Monate bei der Beklagten beschaftigt (§ 1 Abs. 1 KSchG). Die Beklagte betreibt keinen Kleinbetrieb gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts gem. § 4 KSchG ist gewahrt. \n--- \n| 23 \n--- \n| \n--- \n2. | | Die Kundigung ist gem. § 1 Abs. 2 KSchG aus personenbedingten Grunden sozial nicht gerechtfertigt. \n--- \n| 24 \n--- \n| \n--- \na) | | Gem. § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kundigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Grunde, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschaftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist. Die krankheitsbedingte Kundigung als eine Form der personenbedingten Kundigung ist im Wesentlichen in drei Fallgestaltungen denkbar: Die Kundigung kann auf haufige Kurzerkrankungen, auf eine lang anhaltende Erkrankung oder auf eine krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfahigkeit des Arbeitnehmers gestutzt werden. Allen drei Fallgestaltungen ist gemein, dass eine negative gesundheitliche Zukunftsprognose vorliegen muss. Wird, wie vorliegend, die Kundigung auf haufige Kurzerkrankungen gestutzt, so hat der Arbeitgeber uber die negative gesundheitliche Zukunftsprognose hinaus in einer zweiten Prufungsstufe darzulegen, dass betriebliche Beeintrachtigungen zu erwarten sind, die in Entgeltfortzahlungskosten und/oder Betriebsablaufsstorungen bestehen konnen. In einer dritten Prufungsstufe hat eine einzelfallbezogene Interessenabwagung zu erfolgen, die das Interesse des Arbeitnehmers an seiner Weiterbeschaftigung und das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhaltnisses gegeneinander abwagt (vgl. im Einzelnen Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht/Isenhardt, 2. Auflage 2000, 6.3 Rdnrn. 470 ff.; von Hoyningen/Huene/Linck, Kundigungsschutzgesetz, 13. Auflage, § 1 Rdnrn. 220 ff.). \n--- \n| 25 \n--- \n| \n--- \nb) | | Unter Berucksichtigung des Parteivortrags, der vorgelegten Diagnosenaufstellung der Krankenkasse und der Beweisaufnahme ist von einer negativen gesundheitlichen Zukunftsprognose auszugehen, die eine jahrliche krankheitsbedingte Abwesenheit an ca. 12 Arbeitstagen erwarten lasst. \n--- \n| 26 \n--- \n| \n--- \naa) | | Die Beklagte hat als Referenzzeitraum zur Prufung, ob haufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit fur eine entsprechende negative Zukunftsprognose sprechen, die Jahre 1998 bis 2002 angefuhrt. Die Wahl dieses Betrachtungszeitraums beruht ersichtlich darauf, dass erstmals ab 1998 signifikante Fehlzeiten auftraten, die 30 Arbeitstage jahrlich uberschritten. Um eine sichere Einschatzung der gesundheitlichen Entwicklung zu haben, halt die Kammer die Wahl dieses Betrachtungszeitraums fur akzeptabel. \n--- \n| 27 \n--- \n| \n--- \nbb) | | Soweit die Beklagte die von der Klagerin behaupteten Krankheitsdiagnosen mit Nichtwissen bestritt, wurden diese Diagnosen durch die vorgelegte Diagnosenaufstellung der ... (Bl. 101 bis 105 d.A.) zur Überzeugung der Kammer bewiesen. Es gibt keinen Anhaltspunkt, weshalb diese Diagnosenaufstellung inhaltlich falsch sein sollte; solche Anhaltspunkte hat die fur die negative Zukunftsprognose darlegungs- und beweisbelastete Beklagte auch nicht dargetan. \n--- \n| 28 \n--- \n| Insbesondere steht hinsichtlich der Unterleibserkrankung fest, dass es\nwahrend der Erkrankungsphase zwischen 19.11.1999 und 10.03.2000 zu einer\nHysterektomie (Entfernung der Gebarmutter) kam. An welchem konkreten Tag\ninnerhalb dieses Zeitraums der operative Eingriff erfolgte, ist unerheblich.\nFest steht, dass wahrend dieser Arbeitsunfahigkeitsphase die Gebarmutter\noperativ entfernt wurde, nachdem eine Ausschabung am 07.04.1998 offenkundig\nnicht den gewunschten Erfolg erbracht hatte. Nach dem 10.03.2000 kam es zu\nkeinen weiteren Arbeitsunfahigkeitszeiten wegen Unterleibsbeschwerden. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| \n--- \ncc) | | Prognostisch kann die Kammer hinsichtlich der Unterleibserkrankungen der Klagerin nicht von einer negativen gesundheitlichen Zukunftsprognose ausgehen. Nach Vornahme der Hysterektomie war die Klagerin seit 10.03.2000 nicht erneut wegen Unterleibsproblemen arbeitsunfahig krank (bis zum Zeitpunkt der mundlichen Verhandlung am 02.03.2004 traten keine weiteren Arbeitsunfahigkeitszeiten wegen Unterleibserkrankungen auf). Ist diese tatsachliche Entwicklung nach dem 10.03.2000 ein starkes Indiz dafur, dass die Unterleibserkrankungen der Klagerin ausgeheilt sind, so war die Beklagte fur ihre gegenteilige Behauptung darlegungs- und beweisbelastet. Dieser Darlegungs- und Beweislast genugte nicht die allgemeine Auffassung, bei solchen Operationen sei ein recht hohes Potential negativer Folgeerscheinungen vorprogrammiert (Bl. 72 d.A.). Vielmehr hatte die Beklagte konkrete Anhaltspunkte vortragen mussen, weshalb trotz der Operation kunftig mit Unterleibsbeschwerden zu rechnen sei. Ohne konkrete \n--- \n| 30 \n--- \n| Tatsachen, die auf eine solche Entwicklung schließen lassen, ware die\nEinholung des von der Beklagten beantragten Sachverstandigengutachtens auf\neinen reinen, unzulassigen Ausforschungsbeweis hinausgelaufen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der sachverstandige Zeuge ... konnte zur Entwicklung der\nUnterbauchschmerzen und zur operativen Entfernung der Gebarmutter keine\nAussage machen. Dies bedeutet aber nicht, dass eine negative gesundheitliche\nZukunftsprognose zu unterstellen ist. War die Aussage des sachverstandigen\nZeugen insoweit unzureichend, so bleibt es bei der Beweislast der Beklagten\nfur eine negative gesundheitliche Zukunftsentwicklung. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| \n--- \ndd) | | Hinsichtlich der Erkrankung wegen eines eingewachsenen Zehennagels im Zeitraum von 11.11.1998 bis 19.12.1998 konnte der sachverstandige Zeuge ... eine Wiederholung dieser Erkrankung in der Zukunft nicht ausschließen. Er gab an, dass die Erkrankung durch operative Entfernung behoben wurde, erklarte aber, dass sie sich auch in Zukunft wiederholen konne. Die Erkrankung vom 11.11.1998 bis 19.12.1998 ist daher in die Prognosebeurteilung einzubeziehen. \n--- \n| 33 \n--- \n| \n--- \nee) | | Das Karpaltunnel-Syndrom, das zur Arbeitsunfahigkeit im Zeitraum von 28.03. bis 27.04.2001 fuhrte, wurde nach den Angaben der sachverstandigen Zeugin ... operiert und war am 26.07.2001 nicht mehr nachweisbar. Nach der Aussage der Ärztin ist insoweit nicht mit zukunftigen krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen. \n--- \n| 34 \n--- \n| \n--- \nff) | | Die Erkrankung "Schnellender Finger" am Mittelfinger der rechten Hand, die zur Arbeitsunfahigkeit im Zeitraum von 29.10. bis 24.11.2002 fuhrte, kann unter Berucksichtigung der Darlegungs- und Beweislast keine negative Zukunftsprognose zeitigen. Nach der Angabe des sachverstandigen Zeugen ... wurde die Fingerfehlstellung operativ korrigiert. Zwar konnte der sachverstandige Zeuge dazu, ob die Operation erfolgreich war und die Funktion des Fingers vollkommen wieder hergestellt wurde, keine Aussage machen, sondern verwies auf die Chirurgen. Es sprechen jedoch zwei Indizien fur eine positive gesundheitliche Prognose: Zum einen hat die Erkrankung am 29.10.2002 erstmals zur Arbeitsunfahigkeit gefuhrt und trat in der Diagnosenaufstellung der ... bis dahin nicht in Erscheinung. Zum anderen erbrachte die Klagerin nach der Operation ab 25.11.2002 ihre Arbeitsleistungen als Naherin. Sprechen diese Indizien fur eine positive gesundheitliche Zukunftsprognose, so war die fur die Kundigungsgrunde darlegungs- und beweisbelastete Beklagte gehalten, Tatsachen darzulegen, die insoweit fur eine negative gesundheitliche Zukunftsprognose sprechen. Die Annahme, dass zwischen der Fingererkrankung und dem Karpaltunnel-Syndrom ein Zusammenhang besteht, ist zwar durchaus denkbar, besagt aber noch keine negative gesundheitliche Zukunftsprognose. Denn auch das Karpaltunnel-Syndrom wurde operativ behoben. Insgesamt kann die Kammer insoweit keine negative Prognose erkennen. \n--- \n| 35 \n--- \n| \n--- \ngg) | | Unter Berucksichtigung der vorgenannten Ausfuhrungen ergibt sich damit folgendes Bild: \n--- \n| 36 \n--- \n| Fur das Jahr 1998 sind unter Herausrechnung der Arbeitsunfahigkeit von\n07.04. bis 30.04.1998 18 krankheitsbedingt ausgefallene Arbeitstage\nheranzuziehen. Im Jahr 1999 ist die Arbeitsunfahigkeit von 19.11. bis\n31.12.1999 abzuziehen, so dass 7 Arbeitsunfahigkeitstage verbleiben. Im Jahr\n2000 sind keine prognosefahigen Arbeitsunfahigkeitszeiten angefallen. Fur das\nJahr 2001 sind ohne Berucksichtigung des Zeitraums von 28.03. bis 27.04.2001\n(Operation des Karpaltunnel-Syndroms) 4 Arbeitsunfahigkeitstage maßgebend. Im\nJahr 2002 ergeben sich unter Herausrechnung der Arbeitsunfahigkeit von 29.10.\nbis 21.11.2002 (Operation des Fingers) einschließlich der Kur eine zu\nberucksichtigende Fehlzeit von 31 Arbeitstagen. Im Schnitt ergibt sich eine\nFehlzeitenprognose von jahrlich 12 Arbeitstagen. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| \n--- \nc) | | Mit dieser zu erwartenden Fehlzeitenprognose von 12 Arbeitsunfahigkeitstagen jahrlich wird die Zumutbarkeitsgrenze fur die Beklagte nicht uberschritten. Es sind keine außergewohnlich hohen Entgeltfortzahlungskosten oder gravierende Betriebsablaufstorungen zu erwarten. Unter Berucksichtigung der Zumutbarkeitsgrenze, die der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 EFZG (6 Wochen) vorgesehen hat, ist der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhaltnisses zumutbar. \n--- \n| 38 \n--- \n| Klageantrag Ziff. 2 \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Beklagte ist verpflichtet, d. Klag. bis zum rechtskraftigen Abschluss\ndes Rechtsstreits zu unveranderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschaftigen. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Dies folgt aus der grundsatzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers nach §§\n611, 613 i.V.m. § 242 BGB, Art. 1 und 2 GG, seinen Arbeitnehmer auf Verlangen\nvertragsmaßig zu beschaftigen (vgl. BAG, Großer Senat, Beschluss vom 27.2.1985\n- GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschaftigungspflicht). Im Rahmen der uber\nden Zeitraum ab Zugang der Kundigungserklarung hinaus bis zum rechtskraftigen\nAbschluss des Kundigungsrechtsstreits zu treffenden Abwagung des\nBeschaftigungsinteresses d. Klag. und des Interesses der Bekl. an ihrer\nNichtbeschaftigung ist zu berucksichtigen, daß mit der vorliegenden\nEntscheidung ein die Unwirksamkeit der Kundigung feststellendes\nerstinstanzliches Urteil ergeht. Damit kann die Ungewissheit des\nProzessausgangs ein uberwiegendes Interesse der Bekl. an der\nNichtbeschaftigung nicht mehr begrunden. Da keine zusatzlichen Umstande fur\ndas Nichtbeschaftigungsinteresse der Bekl. gegeben sind, uberwiegt das\nInteresse d. Klag. an der Weiterbeschaftigung bis zum rechtskraftigen\nAbschluss des Kundigungsprozesses (vgl. BAG, Großer Senat, aaO). \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Nebenentscheidungen \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Als unterliegende Partei tragt die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits\n(§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO). Als Streitwert wurde ein\nVierteljahresverdienst festgesetzt (§§ 61 Abs. 1, 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG).\nÜber die Zulassung der Berufung war nicht zu entscheiden, da diese bereits\nkraft Gesetzes statthaft ist (§ 64 Abs. 2 c ArbGG). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Klageantrag Ziff. 1 \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Klageantrag Ziff. 1 ist zulassig und begrundet. Die ordentliche\nKundigung der Beklagten mit Schreiben vom 27.02.2003 ist nach § 1 Abs. 2 KSchG\nsozial ungerechtfertigt. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| \n--- \n1. | | Zwischen den Parteien galten zum Kundigungszeitpunkt die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kundigungsschutzgesetzes. Die Klagerin war langer als 6 Monate bei der Beklagten beschaftigt (§ 1 Abs. 1 KSchG). Die Beklagte betreibt keinen Kleinbetrieb gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts gem. § 4 KSchG ist gewahrt. \n--- \n| 23 \n--- \n| \n--- \n2. | | Die Kundigung ist gem. § 1 Abs. 2 KSchG aus personenbedingten Grunden sozial nicht gerechtfertigt. \n--- \n| 24 \n--- \n| \n--- \na) | | Gem. § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kundigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Grunde, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschaftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist. Die krankheitsbedingte Kundigung als eine Form der personenbedingten Kundigung ist im Wesentlichen in drei Fallgestaltungen denkbar: Die Kundigung kann auf haufige Kurzerkrankungen, auf eine lang anhaltende Erkrankung oder auf eine krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfahigkeit des Arbeitnehmers gestutzt werden. Allen drei Fallgestaltungen ist gemein, dass eine negative gesundheitliche Zukunftsprognose vorliegen muss. Wird, wie vorliegend, die Kundigung auf haufige Kurzerkrankungen gestutzt, so hat der Arbeitgeber uber die negative gesundheitliche Zukunftsprognose hinaus in einer zweiten Prufungsstufe darzulegen, dass betriebliche Beeintrachtigungen zu erwarten sind, die in Entgeltfortzahlungskosten und/oder Betriebsablaufsstorungen bestehen konnen. In einer dritten Prufungsstufe hat eine einzelfallbezogene Interessenabwagung zu erfolgen, die das Interesse des Arbeitnehmers an seiner Weiterbeschaftigung und das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhaltnisses gegeneinander abwagt (vgl. im Einzelnen Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht/Isenhardt, 2. Auflage 2000, 6.3 Rdnrn. 470 ff.; von Hoyningen/Huene/Linck, Kundigungsschutzgesetz, 13. Auflage, § 1 Rdnrn. 220 ff.). \n--- \n| 25 \n--- \n| \n--- \nb) | | Unter Berucksichtigung des Parteivortrags, der vorgelegten Diagnosenaufstellung der Krankenkasse und der Beweisaufnahme ist von einer negativen gesundheitlichen Zukunftsprognose auszugehen, die eine jahrliche krankheitsbedingte Abwesenheit an ca. 12 Arbeitstagen erwarten lasst. \n--- \n| 26 \n--- \n| \n--- \naa) | | Die Beklagte hat als Referenzzeitraum zur Prufung, ob haufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit fur eine entsprechende negative Zukunftsprognose sprechen, die Jahre 1998 bis 2002 angefuhrt. Die Wahl dieses Betrachtungszeitraums beruht ersichtlich darauf, dass erstmals ab 1998 signifikante Fehlzeiten auftraten, die 30 Arbeitstage jahrlich uberschritten. Um eine sichere Einschatzung der gesundheitlichen Entwicklung zu haben, halt die Kammer die Wahl dieses Betrachtungszeitraums fur akzeptabel. \n--- \n| 27 \n--- \n| \n--- \nbb) | | Soweit die Beklagte die von der Klagerin behaupteten Krankheitsdiagnosen mit Nichtwissen bestritt, wurden diese Diagnosen durch die vorgelegte Diagnosenaufstellung der ... (Bl. 101 bis 105 d.A.) zur Überzeugung der Kammer bewiesen. Es gibt keinen Anhaltspunkt, weshalb diese Diagnosenaufstellung inhaltlich falsch sein sollte; solche Anhaltspunkte hat die fur die negative Zukunftsprognose darlegungs- und beweisbelastete Beklagte auch nicht dargetan. \n--- \n| 28 \n--- \n| Insbesondere steht hinsichtlich der Unterleibserkrankung fest, dass es\nwahrend der Erkrankungsphase zwischen 19.11.1999 und 10.03.2000 zu einer\nHysterektomie (Entfernung der Gebarmutter) kam. An welchem konkreten Tag\ninnerhalb dieses Zeitraums der operative Eingriff erfolgte, ist unerheblich.\nFest steht, dass wahrend dieser Arbeitsunfahigkeitsphase die Gebarmutter\noperativ entfernt wurde, nachdem eine Ausschabung am 07.04.1998 offenkundig\nnicht den gewunschten Erfolg erbracht hatte. Nach dem 10.03.2000 kam es zu\nkeinen weiteren Arbeitsunfahigkeitszeiten wegen Unterleibsbeschwerden. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| \n--- \ncc) | | Prognostisch kann die Kammer hinsichtlich der Unterleibserkrankungen der Klagerin nicht von einer negativen gesundheitlichen Zukunftsprognose ausgehen. Nach Vornahme der Hysterektomie war die Klagerin seit 10.03.2000 nicht erneut wegen Unterleibsproblemen arbeitsunfahig krank (bis zum Zeitpunkt der mundlichen Verhandlung am 02.03.2004 traten keine weiteren Arbeitsunfahigkeitszeiten wegen Unterleibserkrankungen auf). Ist diese tatsachliche Entwicklung nach dem 10.03.2000 ein starkes Indiz dafur, dass die Unterleibserkrankungen der Klagerin ausgeheilt sind, so war die Beklagte fur ihre gegenteilige Behauptung darlegungs- und beweisbelastet. Dieser Darlegungs- und Beweislast genugte nicht die allgemeine Auffassung, bei solchen Operationen sei ein recht hohes Potential negativer Folgeerscheinungen vorprogrammiert (Bl. 72 d.A.). Vielmehr hatte die Beklagte konkrete Anhaltspunkte vortragen mussen, weshalb trotz der Operation kunftig mit Unterleibsbeschwerden zu rechnen sei. Ohne konkrete \n--- \n| 30 \n--- \n| Tatsachen, die auf eine solche Entwicklung schließen lassen, ware die\nEinholung des von der Beklagten beantragten Sachverstandigengutachtens auf\neinen reinen, unzulassigen Ausforschungsbeweis hinausgelaufen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der sachverstandige Zeuge ... konnte zur Entwicklung der\nUnterbauchschmerzen und zur operativen Entfernung der Gebarmutter keine\nAussage machen. Dies bedeutet aber nicht, dass eine negative gesundheitliche\nZukunftsprognose zu unterstellen ist. War die Aussage des sachverstandigen\nZeugen insoweit unzureichend, so bleibt es bei der Beweislast der Beklagten\nfur eine negative gesundheitliche Zukunftsentwicklung. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| \n--- \ndd) | | Hinsichtlich der Erkrankung wegen eines eingewachsenen Zehennagels im Zeitraum von 11.11.1998 bis 19.12.1998 konnte der sachverstandige Zeuge ... eine Wiederholung dieser Erkrankung in der Zukunft nicht ausschließen. Er gab an, dass die Erkrankung durch operative Entfernung behoben wurde, erklarte aber, dass sie sich auch in Zukunft wiederholen konne. Die Erkrankung vom 11.11.1998 bis 19.12.1998 ist daher in die Prognosebeurteilung einzubeziehen. \n--- \n| 33 \n--- \n| \n--- \nee) | | Das Karpaltunnel-Syndrom, das zur Arbeitsunfahigkeit im Zeitraum von 28.03. bis 27.04.2001 fuhrte, wurde nach den Angaben der sachverstandigen Zeugin ... operiert und war am 26.07.2001 nicht mehr nachweisbar. Nach der Aussage der Ärztin ist insoweit nicht mit zukunftigen krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen. \n--- \n| 34 \n--- \n| \n--- \nff) | | Die Erkrankung "Schnellender Finger" am Mittelfinger der rechten Hand, die zur Arbeitsunfahigkeit im Zeitraum von 29.10. bis 24.11.2002 fuhrte, kann unter Berucksichtigung der Darlegungs- und Beweislast keine negative Zukunftsprognose zeitigen. Nach der Angabe des sachverstandigen Zeugen ... wurde die Fingerfehlstellung operativ korrigiert. Zwar konnte der sachverstandige Zeuge dazu, ob die Operation erfolgreich war und die Funktion des Fingers vollkommen wieder hergestellt wurde, keine Aussage machen, sondern verwies auf die Chirurgen. Es sprechen jedoch zwei Indizien fur eine positive gesundheitliche Prognose: Zum einen hat die Erkrankung am 29.10.2002 erstmals zur Arbeitsunfahigkeit gefuhrt und trat in der Diagnosenaufstellung der ... bis dahin nicht in Erscheinung. Zum anderen erbrachte die Klagerin nach der Operation ab 25.11.2002 ihre Arbeitsleistungen als Naherin. Sprechen diese Indizien fur eine positive gesundheitliche Zukunftsprognose, so war die fur die Kundigungsgrunde darlegungs- und beweisbelastete Beklagte gehalten, Tatsachen darzulegen, die insoweit fur eine negative gesundheitliche Zukunftsprognose sprechen. Die Annahme, dass zwischen der Fingererkrankung und dem Karpaltunnel-Syndrom ein Zusammenhang besteht, ist zwar durchaus denkbar, besagt aber noch keine negative gesundheitliche Zukunftsprognose. Denn auch das Karpaltunnel-Syndrom wurde operativ behoben. Insgesamt kann die Kammer insoweit keine negative Prognose erkennen. \n--- \n| 35 \n--- \n| \n--- \ngg) | | Unter Berucksichtigung der vorgenannten Ausfuhrungen ergibt sich damit folgendes Bild: \n--- \n| 36 \n--- \n| Fur das Jahr 1998 sind unter Herausrechnung der Arbeitsunfahigkeit von\n07.04. bis 30.04.1998 18 krankheitsbedingt ausgefallene Arbeitstage\nheranzuziehen. Im Jahr 1999 ist die Arbeitsunfahigkeit von 19.11. bis\n31.12.1999 abzuziehen, so dass 7 Arbeitsunfahigkeitstage verbleiben. Im Jahr\n2000 sind keine prognosefahigen Arbeitsunfahigkeitszeiten angefallen. Fur das\nJahr 2001 sind ohne Berucksichtigung des Zeitraums von 28.03. bis 27.04.2001\n(Operation des Karpaltunnel-Syndroms) 4 Arbeitsunfahigkeitstage maßgebend. Im\nJahr 2002 ergeben sich unter Herausrechnung der Arbeitsunfahigkeit von 29.10.\nbis 21.11.2002 (Operation des Fingers) einschließlich der Kur eine zu\nberucksichtigende Fehlzeit von 31 Arbeitstagen. Im Schnitt ergibt sich eine\nFehlzeitenprognose von jahrlich 12 Arbeitstagen. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| \n--- \nc) | | Mit dieser zu erwartenden Fehlzeitenprognose von 12 Arbeitsunfahigkeitstagen jahrlich wird die Zumutbarkeitsgrenze fur die Beklagte nicht uberschritten. Es sind keine außergewohnlich hohen Entgeltfortzahlungskosten oder gravierende Betriebsablaufstorungen zu erwarten. Unter Berucksichtigung der Zumutbarkeitsgrenze, die der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 EFZG (6 Wochen) vorgesehen hat, ist der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhaltnisses zumutbar. \n--- \n| 38 \n--- \n| Klageantrag Ziff. 2 \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Beklagte ist verpflichtet, d. Klag. bis zum rechtskraftigen Abschluss\ndes Rechtsstreits zu unveranderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschaftigen. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Dies folgt aus der grundsatzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers nach §§\n611, 613 i.V.m. § 242 BGB, Art. 1 und 2 GG, seinen Arbeitnehmer auf Verlangen\nvertragsmaßig zu beschaftigen (vgl. BAG, Großer Senat, Beschluss vom 27.2.1985\n- GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschaftigungspflicht). Im Rahmen der uber\nden Zeitraum ab Zugang der Kundigungserklarung hinaus bis zum rechtskraftigen\nAbschluss des Kundigungsrechtsstreits zu treffenden Abwagung des\nBeschaftigungsinteresses d. Klag. und des Interesses der Bekl. an ihrer\nNichtbeschaftigung ist zu berucksichtigen, daß mit der vorliegenden\nEntscheidung ein die Unwirksamkeit der Kundigung feststellendes\nerstinstanzliches Urteil ergeht. Damit kann die Ungewissheit des\nProzessausgangs ein uberwiegendes Interesse der Bekl. an der\nNichtbeschaftigung nicht mehr begrunden. Da keine zusatzlichen Umstande fur\ndas Nichtbeschaftigungsinteresse der Bekl. gegeben sind, uberwiegt das\nInteresse d. Klag. an der Weiterbeschaftigung bis zum rechtskraftigen\nAbschluss des Kundigungsprozesses (vgl. BAG, Großer Senat, aaO). \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Nebenentscheidungen \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Als unterliegende Partei tragt die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits\n(§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO). Als Streitwert wurde ein\nVierteljahresverdienst festgesetzt (§§ 61 Abs. 1, 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG).\nÜber die Zulassung der Berufung war nicht zu entscheiden, da diese bereits\nkraft Gesetzes statthaft ist (§ 64 Abs. 2 c ArbGG). \n---\n\n
135,519
vg-stuttgart-2006-03-06-17-k-393705
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
17 K 3937/05
2006-03-06
2019-01-07 11:12:09
2019-01-17 11:55:34
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager ist A-Mitglied der Beklagten. Am 26.04.1962 erlitt er einen\nVerkehrsunfall, an dessen Folgen er noch leidet und behandlungsbedurftig ist.\nIm September 2003 schloss die Beklagte mit der Versicherung des\nUnfallverursachers einen Abfindungsvergleich ab, bei dem sich die Versicherung\nzur Zahlung von 42.000,00 EUR verpflichtete. Grundlage des Vergleichs war u.\na. ein Gutachten der Universitatsklinik des Saarlandes Homburg/Saar uber den\nGesundheitszustand des Klagers. \n--- \n| 2 \n--- \n| Am 02.02.2005 stellte der Klager einen Antrag auf Kassenleistungen von\n214,77 EUR. Es handelte sich dabei um Zuzahlungen und Eigenanteile, um\nAufwendungen fur einen Gazin Verband und fur viermalige Praxisgebuhr, die\nallesamt im Zeitraum vom 14.01.2004 bis 20.01.2005 entstanden waren. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15.03.2005 ab. Zur\nBegrundung fuhrte sie insbesondere aus, die Belastungsgrenze fur\nZuzahlungsbetrage werde nicht erreicht. Die Praxisgebuhr konne nicht erstattet\nwerden. \n--- \n| 4 \n--- \n| Dagegen legte der Klager Widerspruch ein. Er berief sich darauf, wenn sich\ndie Beklagte mit der Versicherung uber eine Abfindung geeinigt habe, musse sie\nauch die geltend gemachten Kosten ubernehmen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2004 (gemeint war 2005) wies die\nBeklagte den Widerspruch zuruck. Zur Begrundung fuhrte sie aus, die\nEigenbehalte und Zuzahlungen entsprachen der Satzung. Die zu gewahrenden\nKassenleistungen minderten sich um 10,00 EUR je Kalendervierteljahr. Eine\nErstattung von Privatrezepten sei bei A-Mitgliedern nicht vorgesehen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 15.11.2005 hat der Klager Klage erhoben. Er macht zusatzlich geltend, er\nsei 1962 von der Beklagten aufgefordert worden, Kosten und Belege zur\nAbrechnung einzureichen. Der Beklagten seien die Kosten jeweils von der\nVersicherung des Unfallverursachers erstattet worden. Er habe nie selbst\nBelege bekommen. Dies sei von der Beklagten so bis 2003 gehandhabt worden.\nDeshalb bestehe ein Vertrauenstatbestand. Seine Direktanspruche an den\nVersicherer seien verjahrt. Aufgrund des Abfindungsvergleichs habe die\nBeklagte die Kosten der Behandlung der Unfallfolgen bereits vereinnahmt und\nmusse sie ihm erstatten, soweit sie noch offen seien. Der Anspruch folge auch\naus der Fursorgepflicht der Beklagten. \n--- \n| 7 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung hat der Klager zusatzlich vorgetragen, der\nVertrauensschutz konne auch als Anspruchsgrundlage dienen. Die Beklagte habe\nin den Abfindungsvergleich die Kosten fur Verbande einbezogen. Sie gewahre\naber fur Verbande uberhaupt keine Kassenleistungen. Sie sei dadurch\nungerechtfertigt bereichert. Deshalb musse sie ihm die Kosten fur Verbande\nerstatten. Sie habe fur die unfallbedingten Krankheitskosten noch nie etwas\nbezahlen mussen; sie habe alle Kosten vom Versicherer erstattet bekommen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| den Bescheid der Beklagten vom 15.03.2005 und deren Widerspruchsbescheid\nvom 13.10.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 214,77 EUR\nzu zahlen, \n--- \n| 10 \n--- \n| festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm samtliche Kosten der\nKrankenbehandlung, die aus dem Unfall vom 26.04.1962 resultieren, zu\nerstatten. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Sie beruft sich zusatzlich darauf, sie trete bei Unfallen nur in Hohe der\nsatzungsmaßigen Leistungen ein. Fursorgepflicht habe sie gegenuber dem Klager\nnicht. \n--- \n| 14 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen\nBehordenakten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Im Einverstandnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle der\nKammer entscheiden (§ 87 a VwGO). \n--- \n| 16 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Die angefochtenen Bescheide sind\nrechtmaßig und verletzen den Klager nicht in seinen Rechten. Die geltend\ngemachten Anspruche stehen ihm nicht zu. \n--- \n| 17 \n--- \n| Streitgegenstand ist nicht die Gewahrung zusatzlicher Kassenleistungen\naufgrund der Satzung der Beklagten. Dies hat der Klager in der mundlichen\nVerhandlung ausdrucklich klargestellt. Er hat sich auch nicht darauf berufen,\ndie ihm gewahrten Leistungen seien nicht satzungsgemaß erbracht worden. Er\nbegehrt vielmehr uber die Satzung hinausgehende Leistungen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Anspruche der Mitglieder der Beklagten beschranken sich grundsatzlich\nauf die in der Satzung festgelegten Leistungen. Dieser Grundsatz ist in § 30\nAbs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten (Satzung) enthalten. Danach haben die\nMitglieder fur sich und die mitversicherten Angehorigen Anspruch auf die in\nden §§ 31 bis 48 der Satzung festgelegten Leistungen. Dem entspricht die\nRegelung in § 80 Abs. 3 der Satzung. Danach konnen bei Unfallen, fur deren\nFolgen ein ersatzpflichtiger Dritter haftet (z. B. Verkehrsunfalle),\nVorschusse auf die dem Verletzten zustehenden Ersatzanspruche in Hohe der\nsatzungsgemaßen Leistungen gewahrt werden. \n--- \n| 19 \n--- \n| Nun konnen - wie bei jedem Rechtsverhaltnis - Anspruche aus der Verletzung\nvon (Neben-)Pflichten bestehen. Hierauf beruft sich der Klager aber nicht; aus\nseinem Vortrag lasst sich auch eine schuldhafte Pflichtverletzung von\nBeschaftigten der Beklagten nicht entnehmen. Hierfur ware im Übrigen auch der\nRechtsweg vor den Zivilgerichten gegeben (§ 40 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 20 \n--- \n| Die vom Klager herangezogenen Grunde sind nicht geeignet, eine\nRechtsgrundlage fur die von ihm begehrten Anspruche herzugeben. \n--- \n| 21 \n--- \n| Ein Anspruch des Klagers lasst sich nicht aus Vertrauensschutz herleiten.\nDabei kann offen bleiben, ob Vertrauensschutz uberhaupt eine\nAnspruchsgrundlage fur Leistungen sein kann. Denn vorliegend kann sich der\nKlager nicht auf Vertrauensschutz berufen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Klager beruft sich darauf, die Beklagte habe bisher samtliche Kosten\nder Krankenbehandlung, die als Folge des Verkehrsunfalls vom 26.04.1962\nentstanden seien, vollstandig beglichen. Er habe deshalb darauf vertrauen\ndurfen, dass sie auch weiterhin diese Kosten vollstandig begleiche. Dieser\ngedankliche Ansatz ist aber rechtlich nicht von Belang. In den Blick zu nehmen\nist vielmehr, was die Beklagte bisher gemacht hat und wie der Klager dies\nverstehen musste. Danach richtet sich, was Grundlage von Vertrauen sein konnte\nund ob sich eine Änderung im Vorgehen der Beklagten ergeben hat. \n--- \n| 23 \n--- \n| Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich, dass sie seit dem Unfall 1962\ndem Klager fur die als Folge des Verkehrsunfalls vom 26.04.1962 entstandenen\nBehandlungskosten die Leistungen entsprechend ihrer Satzung gewahrte, die ihm\nals A-Mitglied zustanden. Dies ergibt sich unmissverstandlich aus dem\nSchreiben der Beklagten vom 29.03.2005 an den Klager. Dies ist im Übrigen auch\nselbstverstandlich, da die Beklagte verpflichtet ist, sich an ihre eigene\nSatzung zu halten. Dass die Kosten der Behandlung der Unfallfolgen bis zum\nJahre 2004 immer vollstandig beglichen wurden, war dabei bloße Folge\neinerseits der Ausgestaltung der Satzung und andererseits der Art der vom\nKlager veranlassten Behandlungen. Hierauf hat der Vertreter der Beklagten in\nder mundlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen. Es sind demgegenuber keine\nAnhaltspunkte dafur ersichtlich, dass Intention der Leistungen der Beklagten\ngewesen war, dem Klager unabhangig vom Inhalt der Satzung die Kosten der\nunfallbedingten Krankenbehandlung vollstandig zu ersetzen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Klager musste das Handeln der Beklagten auch so verstehen, wie es\ndargestellt worden ist. Denn er ließ sich wegen der unfallbedingten Leiden wie\nein A-Mitglied der Beklagten behandeln. Dies ergibt sich u. a. aus den\nAusfuhrungen im Schriftsatz vom 28.02.2006. Dann musste der Klager auch davon\nausgehen, dass die Beklagte ihm ihre Leistungen als A-Mitglied gewahrte. Als\nRechtsgrundlage kam insoweit aber nur die Satzung in Betracht. Der Klager hat\nauch keinen Anhaltspunkt dafur genannt, dass ihm die Beklagte mehr als die in\nder Satzung geregelten Leistungen gewahrt hatte. \n--- \n| 25 \n--- \n| An dem Vorgehen der Beklagten hat sich insoweit nichts geandert. Sie\ngewahrt dem Klager weiterhin die Leistungen, die ihm als A-Mitglied nach der\nSatzung zustehen. Es liegt an Änderungen der Satzung, dass die Beklagte die\nKosten aller Behandlungen, auch der unfallbedingten, nicht mehr vollstandig\nubernimmt. \n--- \n| 26 \n--- \n| Auf Fursorgepflicht kann sich der Klager fur sein Begehren nicht mit Erfolg\nberufen. Denn die Beklagte hat gegenuber ihren Mitgliedern keine\nFursorgepflicht (st. Rechtspr.; vgl. nur VGH Bad.-Wurtt., Beschl. vom\n16.06.2003 - 4 S 804/01 -). \n--- \n| 27 \n--- \n| Auch aus dem - schließlich telefonisch abgeschlossenen -\nAbfindungsvergleich zwischen der Beklagten und dem Versicherer des\nUnfallverursachers lasst sich kein Anspruch des Klagers gegen die Beklagte\nherleiten. Es liegt insoweit kein Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB\nvor. So fuhrte die Beklagte im Schreiben vom 01.09.2003 an die Versicherung\naus, sie habe versucht, "eine ... fur beide Seiten gerecht werdende\nAbfindungssumme zu ermitteln". Auch die VVD bezieht sich in Ihrem Schreiben\nvom 03.09.2003 (nur) auf die der Beklagten entstehenden weiteren Aufwendungen.\nEs ist nirgends die Rede davon, dass Anspruche des Klagers einbezogen werden\nsollten. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Kosten fur Verbande mit\neinbezogen wurden, die nach Angaben des Klagers nicht von der Beklagten\nubernommen werden. Denn bei der Einbeziehung der Kosten fur Verbande im\nSchreiben der Beklagten vom 01.09.2003 an den Versicherer des\nUnfallverursachers handelt es sich um einen bloßen Rechnungsposten. Es ist\naber allein Sache der Beklagten und des Versicherers, aufgrund welcher\nBerechnungen sie den Abfindungsvergleich abschließen. Denn ein solcher\nAbfindungsvergleich kann nur deren gegenseitige Rechte regeln; er kann dagegen\nnicht Rechte des Klagers als Geschadigten beeintrachtigen (vgl. BGH, Urt. vom\n08.12.1998, NJW 1999, 1782). Die Kosten, die der Klager vorliegend geltend\nmacht, fallen nicht unter den Abfindungsvergleich, weil die entsprechenden\nAnspruche des Klagers nicht auf die Beklagte ubergegangen sind.\nSchadensersatzanspruche gehen namlich nur insoweit uber, als der\nVersicherungstrager Leistungen zu erbringen hat. So gehen Forderungen nicht\nuber z. B. bei gesetzlich vorgesehenen Zuzahlungspflichten des Versicherten\n(Nehls in Hauck/Noftz, SGB X/3, K § 116 Rz. 10; vgl. auch BGH, Urt. vom\n20.09.1994, BGHZ 127, 127 - Ziff. II. 1. c) bb) (c) der Entscheidungsgrunde). \n--- \n| 28 \n--- \n| Aus diesen Grunden hat der Klager auch keinen Anspruch auf die begehrte\nFeststellung. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Berufung durch das\nVerwaltungsgericht gemaß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4\nVwGO liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Im Einverstandnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle der\nKammer entscheiden (§ 87 a VwGO). \n--- \n| 16 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Die angefochtenen Bescheide sind\nrechtmaßig und verletzen den Klager nicht in seinen Rechten. Die geltend\ngemachten Anspruche stehen ihm nicht zu. \n--- \n| 17 \n--- \n| Streitgegenstand ist nicht die Gewahrung zusatzlicher Kassenleistungen\naufgrund der Satzung der Beklagten. Dies hat der Klager in der mundlichen\nVerhandlung ausdrucklich klargestellt. Er hat sich auch nicht darauf berufen,\ndie ihm gewahrten Leistungen seien nicht satzungsgemaß erbracht worden. Er\nbegehrt vielmehr uber die Satzung hinausgehende Leistungen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Anspruche der Mitglieder der Beklagten beschranken sich grundsatzlich\nauf die in der Satzung festgelegten Leistungen. Dieser Grundsatz ist in § 30\nAbs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten (Satzung) enthalten. Danach haben die\nMitglieder fur sich und die mitversicherten Angehorigen Anspruch auf die in\nden §§ 31 bis 48 der Satzung festgelegten Leistungen. Dem entspricht die\nRegelung in § 80 Abs. 3 der Satzung. Danach konnen bei Unfallen, fur deren\nFolgen ein ersatzpflichtiger Dritter haftet (z. B. Verkehrsunfalle),\nVorschusse auf die dem Verletzten zustehenden Ersatzanspruche in Hohe der\nsatzungsgemaßen Leistungen gewahrt werden. \n--- \n| 19 \n--- \n| Nun konnen - wie bei jedem Rechtsverhaltnis - Anspruche aus der Verletzung\nvon (Neben-)Pflichten bestehen. Hierauf beruft sich der Klager aber nicht; aus\nseinem Vortrag lasst sich auch eine schuldhafte Pflichtverletzung von\nBeschaftigten der Beklagten nicht entnehmen. Hierfur ware im Übrigen auch der\nRechtsweg vor den Zivilgerichten gegeben (§ 40 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 20 \n--- \n| Die vom Klager herangezogenen Grunde sind nicht geeignet, eine\nRechtsgrundlage fur die von ihm begehrten Anspruche herzugeben. \n--- \n| 21 \n--- \n| Ein Anspruch des Klagers lasst sich nicht aus Vertrauensschutz herleiten.\nDabei kann offen bleiben, ob Vertrauensschutz uberhaupt eine\nAnspruchsgrundlage fur Leistungen sein kann. Denn vorliegend kann sich der\nKlager nicht auf Vertrauensschutz berufen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Klager beruft sich darauf, die Beklagte habe bisher samtliche Kosten\nder Krankenbehandlung, die als Folge des Verkehrsunfalls vom 26.04.1962\nentstanden seien, vollstandig beglichen. Er habe deshalb darauf vertrauen\ndurfen, dass sie auch weiterhin diese Kosten vollstandig begleiche. Dieser\ngedankliche Ansatz ist aber rechtlich nicht von Belang. In den Blick zu nehmen\nist vielmehr, was die Beklagte bisher gemacht hat und wie der Klager dies\nverstehen musste. Danach richtet sich, was Grundlage von Vertrauen sein konnte\nund ob sich eine Änderung im Vorgehen der Beklagten ergeben hat. \n--- \n| 23 \n--- \n| Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich, dass sie seit dem Unfall 1962\ndem Klager fur die als Folge des Verkehrsunfalls vom 26.04.1962 entstandenen\nBehandlungskosten die Leistungen entsprechend ihrer Satzung gewahrte, die ihm\nals A-Mitglied zustanden. Dies ergibt sich unmissverstandlich aus dem\nSchreiben der Beklagten vom 29.03.2005 an den Klager. Dies ist im Übrigen auch\nselbstverstandlich, da die Beklagte verpflichtet ist, sich an ihre eigene\nSatzung zu halten. Dass die Kosten der Behandlung der Unfallfolgen bis zum\nJahre 2004 immer vollstandig beglichen wurden, war dabei bloße Folge\neinerseits der Ausgestaltung der Satzung und andererseits der Art der vom\nKlager veranlassten Behandlungen. Hierauf hat der Vertreter der Beklagten in\nder mundlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen. Es sind demgegenuber keine\nAnhaltspunkte dafur ersichtlich, dass Intention der Leistungen der Beklagten\ngewesen war, dem Klager unabhangig vom Inhalt der Satzung die Kosten der\nunfallbedingten Krankenbehandlung vollstandig zu ersetzen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Klager musste das Handeln der Beklagten auch so verstehen, wie es\ndargestellt worden ist. Denn er ließ sich wegen der unfallbedingten Leiden wie\nein A-Mitglied der Beklagten behandeln. Dies ergibt sich u. a. aus den\nAusfuhrungen im Schriftsatz vom 28.02.2006. Dann musste der Klager auch davon\nausgehen, dass die Beklagte ihm ihre Leistungen als A-Mitglied gewahrte. Als\nRechtsgrundlage kam insoweit aber nur die Satzung in Betracht. Der Klager hat\nauch keinen Anhaltspunkt dafur genannt, dass ihm die Beklagte mehr als die in\nder Satzung geregelten Leistungen gewahrt hatte. \n--- \n| 25 \n--- \n| An dem Vorgehen der Beklagten hat sich insoweit nichts geandert. Sie\ngewahrt dem Klager weiterhin die Leistungen, die ihm als A-Mitglied nach der\nSatzung zustehen. Es liegt an Änderungen der Satzung, dass die Beklagte die\nKosten aller Behandlungen, auch der unfallbedingten, nicht mehr vollstandig\nubernimmt. \n--- \n| 26 \n--- \n| Auf Fursorgepflicht kann sich der Klager fur sein Begehren nicht mit Erfolg\nberufen. Denn die Beklagte hat gegenuber ihren Mitgliedern keine\nFursorgepflicht (st. Rechtspr.; vgl. nur VGH Bad.-Wurtt., Beschl. vom\n16.06.2003 - 4 S 804/01 -). \n--- \n| 27 \n--- \n| Auch aus dem - schließlich telefonisch abgeschlossenen -\nAbfindungsvergleich zwischen der Beklagten und dem Versicherer des\nUnfallverursachers lasst sich kein Anspruch des Klagers gegen die Beklagte\nherleiten. Es liegt insoweit kein Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB\nvor. So fuhrte die Beklagte im Schreiben vom 01.09.2003 an die Versicherung\naus, sie habe versucht, "eine ... fur beide Seiten gerecht werdende\nAbfindungssumme zu ermitteln". Auch die VVD bezieht sich in Ihrem Schreiben\nvom 03.09.2003 (nur) auf die der Beklagten entstehenden weiteren Aufwendungen.\nEs ist nirgends die Rede davon, dass Anspruche des Klagers einbezogen werden\nsollten. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Kosten fur Verbande mit\neinbezogen wurden, die nach Angaben des Klagers nicht von der Beklagten\nubernommen werden. Denn bei der Einbeziehung der Kosten fur Verbande im\nSchreiben der Beklagten vom 01.09.2003 an den Versicherer des\nUnfallverursachers handelt es sich um einen bloßen Rechnungsposten. Es ist\naber allein Sache der Beklagten und des Versicherers, aufgrund welcher\nBerechnungen sie den Abfindungsvergleich abschließen. Denn ein solcher\nAbfindungsvergleich kann nur deren gegenseitige Rechte regeln; er kann dagegen\nnicht Rechte des Klagers als Geschadigten beeintrachtigen (vgl. BGH, Urt. vom\n08.12.1998, NJW 1999, 1782). Die Kosten, die der Klager vorliegend geltend\nmacht, fallen nicht unter den Abfindungsvergleich, weil die entsprechenden\nAnspruche des Klagers nicht auf die Beklagte ubergegangen sind.\nSchadensersatzanspruche gehen namlich nur insoweit uber, als der\nVersicherungstrager Leistungen zu erbringen hat. So gehen Forderungen nicht\nuber z. B. bei gesetzlich vorgesehenen Zuzahlungspflichten des Versicherten\n(Nehls in Hauck/Noftz, SGB X/3, K § 116 Rz. 10; vgl. auch BGH, Urt. vom\n20.09.1994, BGHZ 127, 127 - Ziff. II. 1. c) bb) (c) der Entscheidungsgrunde). \n--- \n| 28 \n--- \n| Aus diesen Grunden hat der Klager auch keinen Anspruch auf die begehrte\nFeststellung. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Berufung durch das\nVerwaltungsgericht gemaß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4\nVwGO liegen nicht vor. \n---\n\n