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309,837
olgham-1998-03-23-13-u-18797
821
Oberlandesgericht Hamm
olgham
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
13 U 187/97
1998-03-23
2019-03-13 08:37:30
2019-03-27 09:49:09
Urteil
ECLI:DE:OLGHAM:1998:0323.13U187.97.00
## Tenor\n\nDie Berufung des Beklagten gegen das am 28. August 1997 verkundete Grundurteil\nder 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird mit der Maßgabe\nzuruckgewiesen, daß der Tenor des angefochtenen Urteils wie folgt neu gefaßt\nwird.\n\nDas Schmerzensgeldbegehren des Klagers ist dem Grunde nach gerechtfertigt.\n\nEs wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Klager samtliche\nzukunftigen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Vorfall vom 24.\nApril 1996 anlaßlich des Fußballspiels der Mannschaft der ... gegen die\nMannschaft der Universitat ... - Gesamthochschule - in ... zu ersetzen hat,\nsoweit Anspruche nicht auf Sozialversicherungstrager oder sonstige Dritte\nubergegangen sind.\n\nDie Kosten des Berufungsverfahrens tragt der Beklagte.\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nEs beschwert den Beklagten in Hohe von 55.000,00 DM.\n\n \n1\n\n**Tatbestand:**\n\n2\n\nVon der Darstellung des _**Tatbestandes**_ wird gem. §543 Abs. 1 ZPO\nabgesehen.\n\n3\n\n**Entscheidungsgr unde**\n\n4\n\nDer Klager macht Schmerzensgeldanspruche geltend und begehrt Feststellung des\nmateriellen und immateriellen Zukunftsschadens wegen einer\nSprunggelenksluxationsfraktur rechts mit Fraktur der distalen Fibula oberhalb\ndes Gelenkspaltes, einer Fraktur des Volkmannschen Dreiecks und einer\nInnenbandruptur, die ihm der Beklagte am 24.04.96 in einem offiziell\nangesetzten Freundschaftsspiel zwischen der Betriebssportfußballmanschaft der\nFirma ... und der Fußballmannschaft der Universitat ... zugefugt hat.\n\n5\n\nDas Landgericht hat durch Grundurteil entschieden, daß die Klage dem Grunde\nnach gerechtfertigt ist. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat\nim Ergebnis keinen Erfolg.\n\n6\n\n**I.**\n\n7\n\nÜber die Berufung des Beklagten war durch Grund- und Teilurteil zu entscheiden\nund der Tenor des landgerichtlichen Urteils entsprechend zu berichtigen.\n\n8\n\nDurch Grundurteil (§304 ZPO) konnte in zulassiger Weise nur uber die\nSchmerzensgeldklage entschieden werden. Über den Feststellungsantrag war durch\nTeil-Urteil (§301 ZPO) abschließend zu entscheiden.\n\n9\n\nDer Senat ist nicht gehindert, den Urteilstenor aus den genannten Grunden\n(klarstellend) zu berichtigen, da das Landgericht in diesem Sinn entschieden\nhat. Dies ergibt sich im Wege der Auslegung aus dem Urteilstenor und den\nEntscheidungsgrunden. Der Tenor bezieht sich auf die "Klage" und meint damit\nalle Klageantrage. Dies wird durch die Entscheidungsgrunde bestatigt, wonach\nder Klager dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung eines angemessenen\nSchmerzensgeldes und Feststellung des immateriellen Vorbehaltes hat.\n\n10\n\nSoweit Zweifel an der vollstandigen Entscheidung uber den Feststellungsantrag\ndurch das Landgericht bestehen, weil in den Entscheidungsgrunden nur der\nimmaterielle Vorbehalt genannt ist, ist der Senat zur eigenen Entscheidung\nnach §537 ZPO berufen.\n\n11\n\n**II.**\n\n12\n\nDer Klager hat dem Grunde nach gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung\neines angemessenen Schmerzensgeldes (§§823 I, 847 BGB).\n\n13\n\n1.\n\n14\n\nEine Haftung fur Verletzungen beim Fußballsport ist nach der Rechtsprechung\ndes BGH dann gegeben, wenn ein schuldhafter Regelverstoß zur Verletzung fuhrt,\nwobei ein Verschulden nicht vorliegt, wenn der Regelverstoß im Grenzbereich\nzwischen der einem solchen Kampfspiel eigenen gebotenen Harte und der\nunzulassigen Unfairneß liegt (vgl. BGH Urt. v. 05.11.74, VersR 75, 137 = BGHZ\n63, 140; BGH Urt. v. 10.02.76, VersR 76, 591).\n\n15\n\n2.\n\n16\n\nDer Beklagte hat einen objektiven Regelverstoß begangen.\n\n17\n\nEr hat beim Hineingratschen nicht den Ball gespielt, sondern das Bein des\nKlagers getroffen. Dies verstoßt gegen die Regel XII des Deutschen\nFußballbundes, dessen Regelwerk auch fur ein Freundschaftsspiel, wie es hier\nzwischen den Mannschaften der Parteien stattgefunden hat, verbindlich ist\n(vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1992, 856).\n\n18\n\n3.\n\n19\n\nDie Attacke des Beklagten ist fur die Verletzung des Klagers zumindest\nmitursachlich und damit haftungsbegrundend. Fur die Ursachlichkeit spricht der\nBeweis des ersten Anscheins, der sich zwanglos aus dem zeitlichen Zusammenhang\nzwischen Angriff und Verletzung ergibt. Diesen Anschein hat der Beklagte nicht\nerschuttert. Sein allgemeiner Hinweis, daß der Platz mit Lochern ubersat\ngewesen sei, reicht nicht aus. Er hat nicht konkret dargelegt, daß der Klager\nunabhangig vom Angriff des Beklagten in eine Vertiefung des Platzes getreten\nist und sich hierdurch die Verletzung zugezogen hat. Allein die Moglichkeit,\ndaß die Verletzung durch die vorhandenen Bodenunebenheiten schlimmer\nausgefallen ist, reicht zur Verneinung der Kausalitat nicht aus.\n\n20\n\n4.\n\n21\n\nDer Beklagte hat schuldhaft gehandelt. Der Senat hat bei der\nVerschuldensfeststellung berucksichtigt, daß der objektive Regelverstoß nicht\nautomatisch ein schuldhaftes Verhalten indiziert. Hektik und Eigenart des\nFußballspiels als blitzschnelles Kampfspiel fordern von dem einzelnen Spieler\noft Entscheidungen und Handlungen, bei denen er in Bruchteilen einer Sekunde\nChancen abwagen und Risiken eingehen muß, um dem Spielzweck erfolgreich\nRechnung zu tragen. Bei einem so angelegten Spiel ist es erforderlich, die\nMeßlatte fur einen Schuldvorwurf nicht allzu niedrig anzusetzen. Ein\nSchuldvorwurf ist daher dann berechtigt, wenn die durch den Spielzweck\ngebotene bzw. noch gerechtfertigte Harte die Grenze zur Unfairneß\nuberschreitet. Solange sich das Verhalten des Spielers noch im Grenzbereich\nzwischen kampfbetonter Harte und unzulassiger Unfairneß bewegt, ist ein\nVerschulden trotz objektiven Regelverstoßes nicht gegeben (vgl. BGH VersR 76,\n591).\n\n22\n\nDieser Grenzbereich wurde vom Beklagten durch sein zur Verletzung fuhrendes\nSpielverhalten uberschritten. Die im Senatstermin vernommenen Zeugen haben im\nKern ubereinstimmend ausgesagt, daß der Beklagte von schrag hinten in die\nBeine des Klagers gratschte, als dieser auf der halb linken Seite etwa in der\nMitte der gegnerischen Halfte mit dem Ball frei auf das gegnerische Tor\nzulief, ohne eine realistische Chance zu haben, den Ball zu spielen. Die\nZeugen ... und ... haben das Verhalten des Beklagten zudem als "Notbremse"\nbezeichnet. Der Senat hat keine Zweifel, daß die Zeugen das unmittelbar zur\nVerletzung fuhrende Geschehen richtig wiedergegeben haben. Insoweit stimmen\nihre Angaben, die sich mit ihren jeweiligen Aussagen in erster Instanz decken,\nuberein. Soweit sich Abweichungen zwischen den Aussagen der Zeugen ergeben,\nbetreffen diese die zeitliche Einordnung, die Frage, wie der Klager zuvor an\nden Ball gekommen ist und ob er vor der Gratsche den Beklagten umspielt hatte.\nHierbei handelt es sich um Randgeschehen, das die Glaubhaftigkeit der Aussagen\nin ihrem Kerngehalt nicht erschuttern kann. Auch die Zeugen gaben keine\nVeranlassung, an der Richtigkeit ihrer Angaben zu zweifeln. Sie haben das\nUnfallgeschehen ruhig und sachlich vorgetragen. Belastungstendenzen waren\nnicht erkennbar, vielmehr betonten alle Zeugen, daß sie dem Beklagten nicht\nunterstellen, daß sein Angriff nur dem Klager galt. Der Umstand, daß der Zeuge\n..., der das Spiel als Schiedsrichter leitete, den Regelverstoß nur mit einer\n"Gelben Karte" ahndete, spricht nicht zugunsten des Beklagten. Dieser Umstand\nhat allenfalls Indizwirkung, der im vorliegenden Fall jedoch keine\nentscheidende Bedeutung beizumessen ist. Er entbindet den Senat nicht von\neiner eigenen Bewertung des Geschehens. Der Zeuge ... hat in seiner Vernehmung\nvor dem Landgericht angegeben, keine konkrete Erinnerung mehr an die\nSpielsituation zu haben. Damit sind die Grundlagen seiner damaligen\nEntscheidung nicht mehr reproduzierbar und somit auch nicht nachprufbar.\n\n23\n\nIn der hier festgestellten Spielsituation gebot es die Fairneß, daß der\nBeklagte den Klager nicht mehr von hinten angriff. Der Beklagte hatte keine\nrealistische Chance, an den Ball zu kommen. Es war zudem offensichtlich, daß\nder im vollen Lauf befindliche Klager durch die Gratsche zu Fall kommen wurde\nund hierbei die Gefahr einer Verletzung sehr groß war, weil der Klager den\nAngriff von hinten nicht sehen und sich damit nicht auf ihn einstellen konnte.\nUmstande und Folgen waren fur den Beklagten erkennbar. In einer solchen\nSpielsituation hatte aus Grunden der Fairneß ein Angriff nicht erfolgen\ndurfen. Indem sich der Beklagte uber das Gebot der Fairneß hinwegsetzte, hat\ner die erforderliche und fur ihn auch erkennbare Sorgfalt außer Acht gelassen,\ndie angesichts der konkreten Spielsituation geboten war. Er hat damit\nzumindest fahrlassig gehandelt und fur die Folgen seines schuldhaften Handelns\neinzustehen (§823 I BGB). Hierzu gehort wegen der erheblichen Verletzungen des\nKlagers auch ein angemessenes Schmerzensgeld (§847 BGB).\n\n24\n\n**III.**\n\n25\n\nAus den dargelegten Grunden ergibt sich auch ein Anspruch auf Feststellung des\nmateriellen und immateriellen Zukunftsschadens.\n\n26\n\nDas erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus der Gefahr von\nSpatfolgen (BGH NZV 97, 476). Deren Moglichkeit ist durch den Arztbericht des\n... vom 11.12.96, der als Dauerschaden eine posttraumatische Arthrose fur\nwahrscheinlich halt, hinreichend belegt.\n\n27\n\n**IV.**\n\n28\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus §97 I ZPO, die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit aus §§708 Nr. 10, 713 ZPO und die Feststellung\nder Beschwer aus §546 Abs. 2 ZPO.\n\n29\n\n13 U 187/97\n\n30\n\nOBERLANDESGERICHT HAMM\n\n31\n\nBESCHLUSS\n\n32\n\nIn Sachen\n\n33\n\n./.\n\n34\n\nDie Entscheidung des Senats vom 23.03.1998 ist im Termin vom 23.03.1998 als\n_Grund- und Teilurteil_ verkundet worden (vgl. Protokoll des Senatstermins vom\n23.03.1998). Die Überschrift des ausgefertigten Urteils wird daher\nentsprechend §319 ZPO berichtigt.\n\n35\n\nHamm, den 06.04.1998\n\n36\n\nDas Oberlandesgericht, 13. Zivilsenat\n\n
309,921
olgk-1998-03-06-16-wx-30997
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
16 Wx 309/97
1998-03-06
2019-03-13 08:39:51
2019-03-27 09:48:57
Beschluss
ECLI:DE:OLGK:1998:0306.16WX309.97.01
## Tenor\n\n \n1\n\n**GR ÜNDE:**\n\n2\n\nDie Antragsteller sowie die Antragsgegner zu 2) bis 24) sind die Mitglieder\nder eingangs genannten Eigentumswohnanlage, die in 24 Wohneinheiten aufgeteilt\nist. Die Antragsteller erwarben ihre Eigentumswohnung im Jahre 1978. Die\nAnlage verfugt uber 2o offene Kfz.Abstellplatze auf der Außenanlage sowie 11\nGaragen, wobei 6 Garagen im Gemeinschaftseigentum und 5 Garagen im\nSondereigentum bestimmter Eigentumer stehen.\n\n3\n\nIn der außerordentlichen Eigentumerversammlung vom 1o.3.72 war einstimmig (=\n24 Ja-Stimmen) zu TOP 2 beschlossen worden, fur die 15 Wohnungseigentumer, die\nbereit waren, die Kosten fur einen Stellplatz zu ubernehmen, auf dem\nGemeinschaftseigentum je einen Kfz.- Abstellplatz herstellen zu lassen, und\ndiesen Wohnungseigentumern zuzuweisen (Bl. 2o/21 GA). In gleicher Weise wurde\nin der Versammlung zu TOP 4 beschlossen, auf der Außenanlage 6 im\nGemeinschaftseigentum stehende Garagen errichten zu lassen und diese im Wege\nder Auslosung bestimmten Wohnungseigentumern zuzuweisen. Die Nutzung dieser\nGaragen soll fur die Nutzungsberechtigten nach den gesondert abgeschlosssenen\nVertragen mit Ablauf des 31.12.2o22 enden (Bl. 22 GA). Der Beschluß ist\nunangefochten geblieben. In der Folgezeit bis 1978 wurden auf den Wunsch\nweiterer Eigentumer die weiteren offenen Kfz.-Stellflachen auf der Außenanlage\nerstellt und diesen zugeordnet.\n\n4\n\nDie Antragsteller, die die Nutzung einer Gemeinschaftsgarage anstreben, haben\ndie Beendigung der bisherigen Nutzungsverhaltnisse und die Neuordnung der\nNutzung der Gemeinschaftsgaragen- und der Stellplatznutzung mit Vergabe im\nLosverfahren verlangt. In der Eigentumerversammlung vom 4.7.95 lehnten die\nEigentumer zu TOP 4 b) den Antrag der Antragsteller mit Mehrheit ab, und\nbeschlossen dagegen zu TOP 4 c) mehrheitlich u.a., daß die derzeitigen\nNutzungsverhaltnisse an den 6 Gemeinschaftsgaragen, wie sie gemaß Vertrag vom\n7.11./12.11.72 geregelt sind, und an den 2o offenen Stellplatzen\nbestehenbleiben.\n\n5\n\nDas Amtsgericht hat den Antrag der Antragsteller, den vorgenannten\nMehrheitsbeschluß zu TOP 4 c) fur ungultig zu erklaren und die Antragsgegner\nzu verpflichten, ihrem Antrag auf Neuregelung der Nutzungsverhaltnisse\nzuzustimmen, abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde hat das Landgericht die\nEntscheidung des Amtsgerichts teilweise abgeandert und unter Zuruckweisung der\nweitergehenden Beschwerde den Eigentumerbeschluß insoweit fur ungultig\nerklart, als eine Neuregelung der Kosten der Instandsetzung, Instandhaltung\nund Unterhaltung der Gemeinschaftsgaragen und Stellplatze (c), und eine\nVerteilung der Notar- und Grundbuchkosten fur die Eintragung der\nSondernutzungsrechte in die Grundbucher zu Lasten der Wohnungseigentumer zu je\n1/24-stel getroffen wurde (zu d) Abs. 2). Gegen den ihnen am 1o.11.97\nzugestellten Beschluß haben die Antragsteller unter dem 21.11.97 weitere\nsofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihre Antrage weiterverfolgen,\nsoweit ihnen nicht bereits stattgegeben wurde.\n\n6\n\nDie form- und fristgerecht eingelegte weitere sofortige Beschwerde ist\nzulassig (§§ 43 Abs.1 Nr.1 + 4, 45 Abs.1 WEG, 2o, 22 Abs.1, 27, 29 FGG), in\nder Sache hat sie teilweise Erfolg.\n\n7\n\n1) Die Entscheidung des Landgerichts, den Beschluß der Wohnungseigentumer uber\ndas Beibehalten der bestehenden Nutzungsverhaltnisse an den\nGemeinschaftsgaragen und den Stellplatzen nicht fur ungultig zu erklaren, halt\nder rechtlichen Nachprufung stand (§§ 27, 55o ZPO).\n\n8\n\nDas Landgericht hat zur Begrundung seiner Entscheidung im wesentlichen\nausgefuhrt: Es konne dahinstehen, ob der Beschluß der Eigentumer vom 1o.3.72\nordnungsgemaß gefaßt wurde und auch gegenuber den Antragstellern wirke.\nJedenfalls seien die in dem Beschluß geregelten Nutzungsberechtigungen in der\nFolgezeit von samtlichen Miteigentumern anerkannt und in die Praxis umgesetzt\nworden, so daß die Antragsteller - was der Senat in einer anderen Sache mit\nBeschluß vom 8.1.97 - 16 Wx 319/96 entschieden habe - an die bestehenden\nNutzungsverhaltnisse sowohl aus dem Gesichtspunkt der stillschweigend\ngetroffenen Vereinbarung als auch aus dem Gesichtspunkt der Verwirkung\ngebunden seien, zumal sie selbst den ihnen zugeteilten Stellplatz bereits seit\n1978 nutzen.\n\n9\n\nDie Entscheidung laßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Der angefochtenen\nRegelung liegt die Feststellung zugrunde, daß fur eine abandernde\nNutzungsregelung keine begrundete Veranlassung besteht. Damit ist der\nBeschlußinhalt nicht zu beanstanden, denn er entspricht der bestehenden\nRechtslage in der Gemeinschaft und mithin ordnungsgemaßer Verwaltung des\nGemeinschaftseigentums (§ 21 Abs. 3 WEG).\n\n10\n\nDen Beteiligten zu 1) bis 24) steht ein Recht auf alleinige Nutzung des ihnen\nbzw. ihren Rechtsvorgangern in den Jahren 1972 bis 1978 jeweils zugewiesenen\nStellplatzes bzw. der Gemeinschaftsgarage zu, und zwar hinsichtlich der 6\nGemeinschaftsgaragen und der 14 Stellplatze aufgrund des einstimmigen\nbestandskraftigen Beschlusses vom 1o.3.72 und hinsichtlich der restlichen 6\nStellplatze aufgrund einer stillschweigend getroffenen Gebrauchsregelung i.S.\ndes § 15 Abs.1 WEG. Fur eine Abanderung der Nutzungsregelungen fehlt die\nRechtsgrundlage.\n\n11\n\na) Bei dem einstimmigen Beschluß vom 1o.3.72 liegt - wie der Senat bereits\nentschieden hat (Senat im Beschluß v 27.3.92 = WE 92, 26o = DWE 92, 121) -\neine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den beteiligten\nWohnungseigentumern uber die Einraumung bestimmter Nutzungsrechte vor, wobei\ndie entsprechenden Nutzungsberechtigten auch die Herstellungskosten fur ihren\nStellplatz bzw. ihre Gemeinschaftsgarage ubernommen und getragen haben. Dieser\nden jeweiligen Wohnungseigentumern wirksam zugewiesene Nutzungsanspruch kann\ndiesen nicht beliebig, sondern nur im Rahmen ordnungsgemaßer Verwaltung wieder\nentzogen werden, wenn die dafur vereinbarten Voraussetzungen vorliegen - wie\nbei den Garagen nach Ablauf der vereinbarten Zeitspanne - bzw. wenn eine\nwesentliche Veranderung der Verhaltnisse dies gebietet. Die\nNutzungsberechtigten mussen im Rahmen ihrer Dispositionen darauf vertrauen\nkonnen, daß sie begunstigende bestandskraftige Beschlusse fortgelten, wenn\nnicht eine Veranderung der Verhaltnisse eintritt, die auch unter\nBerucksichtigung von Treu und Glauben und des Vertrauensschutzes eine\nAbanderung geboten erscheinen laßt (Senat aaO). Eine solche Veranderung der\nUmstande ist hier ersichtlich nicht gegeben, insbesondere kann sie nicht schon\nnur der bisherige Zeitablauf begrunden.\n\n12\n\nb) Hinsichtlich der ubrigen 6 Stellplatze, deren Zuweisung in der Folgezeit\nunter den gleichen Bedingungen erfolgt ist, und zwar teils aufgrund eines\nMehrheitsbeschlusses vom 7.3.77 (Bl. 146 GA) sowie eines nur schriftlichen\nBeschlusses vom 11.4.72, wobei in der Urkunde allerdings die Unterschrift von\n3 Eigentumern fehlt (Bl. 144 GA) - der angeblich weitere schriftliche Beschluß\nbetreffend den Eigentumer C. liegt dem Verwalter nicht vor - ist jedenfalls\naufgrund deren langjahriger faktischen Nutzung mit Billigung auch der\nAntragsteller eine schuldrechtliche Verpflichtung der Eigentumergemeinschaft\nentstanden.\n\n13\n\nEs ist anerkannt, daß durch eine Vereinbarung aller WE i.S. des § 1o Abs. 1 S.\n2 WEG ein Teil des gemeinschaftlichen Eigentums zur alleinigen Nutzung unter\nAusschluß der anderen WE vom Mitgebrauch (Sondernutzung) einem oder mehreren\nWE uberlassen werden kann (Senat, NJW-RR 92, 598; Beschlusse vom 26.4.96 = WuM\n97, 59 = WE 97, 197, und vom 8.1.97 = OLGReport 97,234; BayObLG NJW-RR 92, 81,\n83; Weitnauer/Luke WEG § 15 Rdnr. 23, 25 mwN). Eine solche das\nGemeinschaftsverhaltnis gestaltende Vereinbarung ist als schuldrechtlicher\nVertrag formlos gultig (BGH NJW 84, 612; BayObLG DWE 93, 168) und gewahrt dem\nbegunstigten Wohnungseigentumer einen Rechtsanspruch gegen die ubrigen auf\nGewahrung des ausschließlichen Gebrauchs. Die Vereinbarung kann entsprechend\nder Rechtsprechung des Senats auch stillschweigend durch langjahrige faktische\nNutzung mit Billigung aller WE geschlossen werden. Dabei muß den Eigentumern\nbewußt sein, daß sie eine Regelung treffen, die auch fur die Zukunft gelten\nsoll (vgl. den von den Vorinstanzen zitierten Beschluß des Senats vom 8.1.97 =\nOLGReport 97, 234). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen haben die\nVorinstanzen ohne Rechtsfehler bejaht. Die Antragsteller sind seit 1978\nEigentumer einer Wohnung und Nutzungsberechtigte eines Stellplatzes und haben\nselbst jahrelang die Nutzungsregelungen bezuglich auch der anderen Stellplatze\nsowie der Garagen hingenommen. Die Investitionskosten der Nutzungsberechtigten\nsowie das Verhalten der Eigentumer begrunden danach das schutzwurdige\nVertrauen der Antragsgegner - wie auch der Antragsteller - auf eine auch\nzukunftige Gewahrung des ausschließlichen Gebrauchs der Gemeinschaftsgarage\nbzw. des Stellplatzes. Die Antragsteller sind mithin an die konkludent unter\nden WE zustandegekommenen Nutzungsregelungen gebunden, auch wenn nur\nschuldrechtlich vereinbarte Sondernutzungsrechte vorliegen.\n\n14\n\n2) Die Entscheidung des Landgerichts, der von den Antragstellern angefochtene\nBeschluß sei auch insoweit rechtmaßig, als die Teilungserklarung notariell\ni.S. der bestehenden Nutzungsregelungen geandert und die Änderung in den\nGrundbuchern eingetragen werden soll, ist hingegen aus Rechtsgrunden zu\nbeanstanden (§ 27 FGG). Der Beschluß verstoßt gegen die zwingenden\nBestimmungen der §§ 873 Abs. 1, 877 BGB und damit gegen Rechtsvorschriften,\nauf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann (§ 23 Abs. 4\nS. 2 WEG).\n\n15\n\nZwar hat das Landgericht nicht verkannt, daß die Einraumung eines dinglichen,\nd.h. in den Grundbuchern eingetragenen Sondernutzungsrechts die\nTeilungserklarung andert und nicht mit Mehrheit beschlossen werden kann. Es\nmeint jedoch, hier lage der Fall anders, weil die Sondernutzungsrechte bereits\ndurch stillschweigende Vereinbarung bzw. Verwirkung wirksam auch schon\ngegenuber dem jeweiligen Sonderrechtsnachfolger eingeraumt worden seien, so\ndaß die Grundbucheintragung nur deklaratorische Wirkung habe und nicht einmal\nerforderlich sei. Damit laßt sich indes die beschlossene Durchfuhrung der\nAbanderung der Teilungserklarung mit entsprechender Grundbucheintragung nicht\nrechtfertigen.\n\n16\n\nDie Einraumung eines dinglichen Sondernutzungsrechts, das den Vorteil hat, daß\nes unentziehbar ist und auf einen Rechtsnachfolger ubergeht, fuhrt zum\nAusschluß der ubrigen Miteigentumer von der Befugnis zum Mitgebrauch und\nstellt daher eine Inhaltsanderung des jeweiligen Sondereigentums i.S. des §\n877 BGB dar (BGH NJW 84, 24o9 = JZ 84, 1114; BayObLG DNotZ 9o, 383; OLG\nFrankfurt OLGZ 86, 38). Sie bedarf deshalb der Mitwirkung aller\nWohnungseigentumer, die die Eintragung des Sondernutzungsrechts im Grundbuch\nauch gemaß § 19 GBO bewilligen mussen, und kann danach grundsatzlich nur\naufgrund einer entsprechenden Vereinbarung i.S. des § 1o WEG erfolgen (Senat\nim Beschluß vom 5.3.97 - 16 Wx 279/96 = NJW-RR 97, 1442 = DWE 97, 126 mwN\nsowie im Beschluß vom 23.1.95 - 16 Wx 2o2/ 94), an der es hier ersichtlich\nfehlt.\n\n17\n\nDen Antragsgegnern steht auch nicht etwa ein materiellrechtlicher Anspruch auf\nZustimmmung zu einer solchen Änderung der Teilungserklarung mit entsprechender\nEintragung in den Grundbuchern zu. Selbst durch den einstimmigen Beschluß aus\ndem Jahre 1972 haben die Nutzungsberechtigten kein dingliches\nSondernutzungsrecht an den Gemeinschaftsgaragen bzw. den Stellplatzen erworben\nbzw. erwerben sollen. Ein Wille der Eigentumer zur Verdinglichung der\nRechtsposition laßt sich nicht feststellen, denn es ist nicht zugleich\nbeschlossen worden, die Teilungserklarung entsprechend zu andern und die\nÄnderung im Grundbuch zu bewilligen und einzutragen.\n\n18\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. In der Regel entspricht es\nbilligem Ermessen, die Gerichtskosten in Übereinstimmung mit dem Ausgang des\nStreits in der Hauptsache zu verteilen. Deshalb sind gemaß § 47 S.1 WEG die\nAntragsteller einerseits und die Antragsgegner andererseits jeweils mit der\nHalfte der Gerichtskosten zu belasten, da diese jeweils etwa halftig obsiegt\nhaben bzw. unterlegen sind. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten ist\nhingegen nicht anzuordnen. Gemaß § 47 S. 2 WEG haben die Beteiligten ihre\naußergerichtlichen Kosten grundsatzlich selbst zu tragen. Fur eine davon\nabweichende Billigkeitsentscheidung bestand mangels Vorliegens besonderer\nUmstande kein Anlaß.\n\n19\n\nDie Wertfestsetzung fur das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3\nWEG. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, daß das Interesse der\nAntragsteller an der Beschlußanfechtung einerseits und der verlangten\nNeuregelung der Nutzungsverhaltnisse an den Garagen und den Stellplatzen\nandererseits - abweichend von der Wertfestsetzung des Landgerichts - mit einem\nBetrag von jeweils 25.ooo,- DM angemessen bewertet ist.\n\n
309,940
olgk-1998-03-05-ss-8198-b-50-b
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
Ss 81/98 (B) - 50 B -
1998-03-05
2019-03-13 08:40:20
2019-03-27 09:48:55
Beschluss
ECLI:DE:OLGK:1998:0305.SS81.98B50B.00
## Tenor\n\n \n1\n\n**G r u n d e:**\n\n2\n\nDas Amtsgericht hat den Betroffenen wegen Überschreitens der durch\nVerkehrszeichen 274 auf 50 km/h beschrankten zulassigen Hochstgeschwindigkeit\naußerhalb einer geschlossenen Ortschaft um 47 km/h zu einer Geldbuße von\n200,00 DM verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Mit der\nRechtsbeschwerde des Betroffenen wird Verletzung materiellen und formellen\nRechts gerugt.\n\n3\n\nÜber die Rechtsbeschwerde hat nach § 80 a Abs. 2 OWiG in der Fassung des\nGesetzes zur Änderung des OWiG vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt 1998 I,\n156 ff) der Senat fur Bußgeldsachen in der Besetzung mit einem Richter zu\nentscheiden, da eine Geldbuße von nicht mehr als 10.000,00 DM festgesetzt\nworden ist und auch keine Nebenfolge vermogensrechtlicher Art hinzuzurechnen\nist. Bei dem angeordneten Fahrverbot handelt es sich um eine Nebenfolge\nnichtvermogensrechtlicher Art (vgl. Gohler, OWiG, 11. Aufl., § 79 Rn. 8). Fur\ndie Ansicht Katholniggs (NJW 1998, 568, 572), bei Nebenfolgen\nnichtvermogensrechtlicher Art bleibe es bei der Dreier-Besetzung, finden sich\nweder im Wortlaut des Gesetzes noch in seiner dokumentierten\nEntstehungsgeschichte Anhaltspunkte. Nach § 80 a Abs. 2 kommt es nur auf die\nHohe der Buße bzw. eventueller hinzuzurechnender Nebenfolgen\nvermogensrechtlicher Art an. Die jetzige Fassung des § 80 a entspricht dem\nEntwurf der Bundesregierung (Bundesratsdrucksache 392/96 S. 6, 7 und BT-\nDrucksache 13/5418 S. 5). In der Begrundung (BT-Drucksache 13/5418 S. 11) wird\nausdrucklich darauf hingewiesen, daß Nebenfolgen nichtvermogensrechtlicher Art\nsich auf die Besetzung nicht auswirken. Auch nach den Vorschlagen der SPD (BT-\nDrucksache 13/3691 S. 4) und dem Bundesratsentwurf (BT-Drucksache 13/4541 S.\n8) sollte der Bußgeldsenat in der Besetzung mit einem Richter entscheiden,\nwenn "eine Nebenfolge angeordnet oder beantragt worden ist, es sei denn, daß\nes sich um eine Nebenfolge vermogensrechtlicher Art handelt, deren Wert mehr\nals 10.000,00 DM betragt (so Bundesratentwurf) bzw. "10.000,00 DM ubersteigt"\n(so SPD-Entwurf). In keinem der Entwurfe war also vorgesehen, daß die\nAnordnung von Nebenfolgen nichtvermogensrechtlicher Art - insbesondere die\nVerhangung eines Fahrverbots - stets die Entscheidung des Bußgeldsenats in der\nBesetzung mit drei Richtern erforderlich macht. Wenn dies gewollt gewesen\nware, ware auch der erstrebte Entlastungseffekt (vgl. Bundesratsdrucksache\n392/96 S. 1; BT-Drucksache 13/4541 S. 30 und 13/8655 S. 2) nicht zu erreichen,\nda die Mehrzahl der Rechtsbeschwerden sich gegen Urteile richtet, durch die\nein Fahrverbot verhangt worden ist.\n\n4\n\nDie Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist entsprechend dem Antrag der\nGeneralstaatsanwaltschaft als unbegrundet zu verwerfen, da die Nachprufung des\nUrteils aufgrund der Rechtsbeschwerdebegrundung - abgesehen von der fehlenden\nAnwendung des § 25 Abs. 2 a StVG neuer Fassung - keinen Rechtsfehler zum\nNachteil des Betroffenen ergeben hat. Erganzend wird folgendes bemerkt:\n\n5\n\nMangelhafte Angaben zur Person beruhren die Wirksamkeit des Bußgeldbescheids\nnicht, sofern sich die Identitat des Betroffenen aus den vorhandenen Angaben\nzweifelsfrei ergibt (BayObLG VRS 57, 295; OLG Karlsruhe VRS 62, 289; SenE VRS\n70, 458; Senatsentscheidung vom 13.05.1997 - Ss 241/97 -; Gohler, OWiG, 11.\nAufl., § 66 Rn. 4 a m.w.N.). Dadurch, daß als Vornahme des Betroffenen "D."\nstatt richtig "D. Paul" angegeben wurde, ergaben sich keine ernsthaften\nZweifel an der Identitat des Betroffenen, zumal der vorgeworfene\nVerkehrsverstoß mit einem Fahrzeug begangen wurde, das die Fa. R. dem\nBetroffenen zur Verfugung gestellt hatte. Der Betroffene macht auch selbst\nnicht geltend, daß die Moglichkeit einer Verwechslung mit einer anderen Person\nbestanden habe (vgl. SenE VRS 70, 458 m.w.N.).\n\n6\n\nIm Falle der Verurteilung wegen Überschreitung der zulassigen\nHochstgeschwindigkeit reicht fur eine ausreichende, nachvollziehbare\nBeweiswurdigung die Mitteilung des Meßverfahrens und der nach Abzug der\nMeßtoleranz ermittelten Geschwindigkeit (vgl. BGH NJW 1993, 3081 = NStZ 1993,\n592 = NZV 1993, 485 = VRS 86, 287; BGH NJW 1998, 321). Dies gilt insbesondere\nfur Radarmessungen (vgl. SenE NZV 1994, 78 = VRS 86, 316; Senatsentscheidung\nvom 08.08.1997 Ss 406/97). Diesen Anforderungen genugt das angefochtene\nUrteil. Ob das Amtsgericht die Feststellungen zum Meßverfahren und zum\nToleranzabzug unter Verstoß gegen § 261 StPO oder § 77 a OWiG getroffen hat\noder ob das Amtsgericht Zweifel an der Richtigkeit der Messung nicht\naufgeklart hat, konnte der Senat nur auf entsprechende Verfahrensrugen\nuberprufen. Solche Rugen sind aber nicht erhoben worden.\n\n7\n\nAuch die Verhangung des Fahrverbots halt einer rechtlichen Überprufung stand.\n\n8\n\nDie Erfullung eines der Tatbestande des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 4 BKatV\n(hier: § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Tabelle 1 a laufende Nr. 5.3.4)\nindiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1\nStVG, der regelmaßig der Denkzettel - und Besinnungsmaßnahme des Fahrverbots\nbedarf (BGH NJW 1992, 446, 448 = NZV 1992, 79 = VRS 82, 223;\nSenatsentscheidung vom 27.06.1997 - Ss 302/97 -). Die in § 2 BKatV genannten\nRegelbeispiele entheben die Gerichte der Verpflichtung, die Angemessenheit der\nverhangten Rechtsfolge besonders zu begrunden, wenn keine Anhaltspunkte fur\nein Abweichen ersichtlich sind; der Tatrichter muß sich aber einer solchen\nMoglichkeit bewußt sein und dies in den Entscheidungsgrunden zu erkennen geben\n(BGH a.a.O.; Senatsentscheidung vom 04.07.1997 - Ss 325/97 -). Die in der\nRechtsbeschwerdebegrundung zitierte Entscheidung des BGH vom 11.09.1997 (NJW\n1997, 3252 = NZV 1997, 525 = DAR 1997, 450) schrankt diese Grundsatze nur\ninsoweit ein, als klargestellt wird, daß bei einer\nGeschwindigkeitsuberschreitung einem Regeltatbestand der BKatV in subjektiver\nHinsicht eine indizielle Wirkung nur mit Einschrankungen zukommt. Sie\nentfallt, wenn die Ordnungswidrigkeit darauf beruht, daß der Betroffene\ninfolge einfacher Fahrlassigkeit ein die Geschwindigkeit beschrankendes\nVerkehrszeichen ubersehen hat und keine weiteren Anhaltspunkte vorliegen,\naufgrund derer sich die Geschwindigkeitsbeschrankungen aufdrangen mußte.\nAllerdings braucht der Tatrichter dieser Frage nur nachzugehen, wenn der\nBetroffene sich entsprechend eingelassen hat (BGH a.a.O.).\n\n9\n\nDem angefochtenen Urteil kann nicht entnommen werden, ob der Betroffene sich\ndahin eingelassen hat, er habe das Verkehrszeichen ubersehen. Darauf kommt es\naber auch nicht an, da der Betroffene nach den Urteilsfeststellungen in der\nNahe des Tatorts wohnt und ortskundig war. Erganzend darf das\nRechtsbeschwerdegericht offenkundige Tatsachen berucksichtigen (vgl.\nKleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Auf., § 337 Rn. 25). Offenkundig sind\nunter anderem allgemeinkundige Tatsachen, uber die man sich aus allgemein\nzuganglichen Quellen - zum Beispiel Land- und Straßenkarten - unschwer\nunterrichten kann (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. § 244 Rn. 51 m.w.N.).\nAus einem Stadtplan der Gemeinde R. laßt sich entnehmen, daß der Betroffene in\ndem R.er Ortsteil X. wohnt und die vom Betroffenen mißachtete\nGeschwindigkeitsbeschrankung auf der Straße angeordnet ist, die das kleine\nDorf X. mit der nach Y fuhrenden B xxx verbindet. Es liegt auf der Hand, daß\nder Betroffene unter diesen Umstanden die Geschwindigkeitsbeschrankung kannte\noder sie ihm nur infolge grober Unaufmerksamkeit unbekannt geblieben ist.\n\n10\n\nZutreffend ist das Amtsgericht daher von einem Regelfall ausgegangen. Zur\nBegrundung einer Ausnahme von dem Regelfahrverbot konnen zwar erhebliche\nHarten oder mehrere fur sich genommen gewohnliche und durchschnittliche\nUmstande ausreichen (vgl. SenE VRS 86, 152; Senatsentscheidung v. 09.12.1997 -\nSs 709/97 -). Diese Entscheidung unterliegt aber in erster Linie\ntatrichterlicher Wurdigung (SenE VRS 86, 152). Wenn das Amtsgericht meint, die\ndurch ein Fahrverbot verursachte zeitweilige Einschrankung des\nNebenverdienstes des Betroffenen sei nicht unzumutbar, so ist dies aus\nRechtsgrunden nicht zu beanstanden.\n\n11\n\nNach der Neufassung des § 25 Abs. 2 a StVG (Gesetz zur Änderung des OWiG vom\n26.01.1998) hat der Senat allerdings zu bestimmen, daß das Fahrverbot erst\nwirksam wird, wenn der Fuhrerschein in amtliche Verwahrung gelangt, spatestens\njedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft. Nach § 4\nAbs. 3 OWiG, § 354 a StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG ist diese fur den\nBetroffenen gunstige Gesetzesanderung auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren\nzu berucksichtigen (vgl. Gohler, OWiG, 11. Aufl., § 4 Rn. 9). Die\nVoraussetzungen dieser Abweichung von der Regel des § 25 Abs. 2 und Abs. 5\nStVG mussen zwar grundsatzlich vom Tatrichter festgestellt werden. Das\nRechtsbeschwerdegericht kann keine neuen tatsachlichen Feststellungen treffen\n(vgl. Gohler a.a.O. § 79 Rn. 47). Wenn - wie im vorliegenden Fall - dem\namtsgerichtlichen Urteil nicht entnommen werden kann, ob in den zwei Jahren\nvor der abzuurteilenden Ordnungswidrigkeit oder in der Zeit bis zur\nBußgeldentscheidung ein Fahrverbot verhangt wurde, muß das\nRechtsbeschwerdegericht aber davon ausgehen, daß dies nicht der Fall ist, da\nandernfalls die Sache zur Klarung dieser Sache an das Amtsgericht\nzuruckverwiesen werden mußte und damit dem Ziel der Gesetzesanderung, zu einer\nVerfahrensverkurzung und Entlastung der Rechtspflege beizutragen,\nentgegengewirktwurde.\n\n
310,132
olgk-1998-01-27-9-u-3697
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
9 U 36/97
1998-01-27
2019-03-13 08:45:15
2020-12-10 13:13:32
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1998:0127.9U36.97.00
## Tenor\n\nAuf die Berufung des Klagers wird das am 13.11.1996 verkundete Urteil der 4.\nZivilkammer des Landgerichts Aachen - 4 O 446/96 - abgeandert und wie folgt\nneu gefaßt:\n\nDie Beklagte wird verurteilt, an den Klager 22.159,00 DM nebst 4 % Zinsen seit\ndem 01.04.1994 zu zahlen. Im ubrigen wird die Klage abgewiesen.\n\nDie weitergehende Berufung wird zuruckgewiesen.\n\nDie Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 70 % und der Klager zu 30\n%.\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n \n1\n\nVon der Darstellung des Tatbestandes wird gemaß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.\n\n2\n\n**E n t s c h e i d u n g s g r u n d e :**\n\n3\n\nDie in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache teilweise\nErfolg.\n\n4\n\nDem Klager steht aus der von ihm bei der Beklagten abgeschlossenen\nVollkaskoversicherung gemaß § 12 Nr. 1 I a) AKB ein Anspruch auf Entschadigung\nin Hohe von 19.694,40 DM wegen des Brandschadens an seinem Pkw P. (amtliches\nKennzeichen: xx-xx xxx) zu, zuzuglich einer Entschadigung in Hohe von 3.259,--\nDM fur ein mitentwendetes Autoradio.\n\n5\n\n**1.** Die Beklagte ist nicht gemaß § 12 Abs. 3 VVG von ihrer Verpflichtung\nzur Leistung befreit. Nach dieser Vorschrift gilt fur die gerichtliche\nGeltendmachung von Entschadigungsanspruchen eine Ausschlußfrist von 6 Monaten\nseit der schriftlichen Ablehnung der Leistung mit ordnungsgemaßer\nRechtsbelehrung durch den Versicherer. Das Ablehnungsschreiben mit der\nBelehrung uber die Ausschlußfrist muß demjenigen ubersandt werden, der nach\ndem Kenntnisstand des Versicherers zu diesem Zeitpunkt Inhaber der Forderung\nwar und Anspruche erhoben hatte (BGH r+s 1990, 398 = Versicherungsrecht 1990,\n882, BGH r+s 1987, 1,3 = Versicherungsrecht 1987, 39, Romer/Langheid: VVG, §\n12 Rdnr. 52, Stiefel/Hofmann: Kraftfahrtversicherung, 16. Auflage, § 8 Rdnr.\n44).\n\n6\n\nDie Beklagte hat ihre schriftliche Leistungsablehnung vom 11.05.1994 an die\nProzeßbevollmachtigten des Klagers gerichtet, welche diese am 17.05.1994\nerhalten haben. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch unstreitig nicht der Klager,\nsondern die P.-Bank. Inhaber des Entschadigungsanspruches, was der Beklagten\naus dem an sie gerichteten Schreiben der P.-Bank vom 07.12.1993 auch bekannt\nwar. Mit diesem Schreiben hat die P.-Bank als Sicherungseigentumerin gegenuber\nder Beklagten Entschadigungsanspruche aus dem streitbefangenen\nSchadensereignis erhoben. Eine Ablehnung von Entschadigungsanspruchen\ngegenuber der P.-Bank ist aber unstreitig nicht erfolgt. Durch das an den\nKlager gerichtete Ablehnungsschreiben ist die Frist des § 12 Abs. 3 VVG nicht\nwirksam in Gang gesetzt worden, da der Klager nicht der richtige Adressat war.\n\n7\n\n**2.** Der Klager ist als Versicherungsnehmer zur Geltendmachung des\nEntschadigungsanspruchs aktivlegitimiert. Wie die P.-Bank mit dem vom Klager\nvorgelegten Schreiben vom 19.02.1997 bestatigt hat, ist das zur Finanzierung\ndes Pkw aufgenommene Darlehen inzwischen getilgt worden und hat die P.-Bank\ndie Anspruche aus dem Versicherungsvertrag zuruckabgetreten. Es bedarf keiner\nEntscheidung, ob der Klager oder sein Sohn, der Zeuge M. L. , Eigentumer des\nFahrzeugs war. Selbst wenn der Sohn des Klagers Eigentumer geworden sein\nsollte und somit eine Versicherung fur fremde Rechnung anzunehmen ist, ist der\nKlager gemaß § 76 Abs. 2 VVG zur Geltendmachung des Anspruchs berechtigt, da\ner im Besitz des Versicherungsscheins ist. In der zweiten Instanz hat die\nBeklagte auch keine Einwande mehr gegen die Aktivlegitimation des Klagers\nerhoben.\n\n8\n\n**3.** Der Versicherungsfall "Brand" liegt vor, denn das Fahrzeug ist\nunstreitig wenige Tage nach der Diebstahlsanzeige ausgebrannt in Belgien\naufgefunden worden. Nach der standigen hochstrichterlichen Rechtsprechung,\nwelcher sich der Senat angeschlossen hat, stehen die Versicherungsfalle\n"Entwendung" und "Brand" selbstandig nebeneinander, so daß die Entschadigung\nwegen des Brandschadens unabhangig davon gefordert werden kann, ob die nach\nder Behauptung des Versicherungsnehmers dem Brand vorangegangene Entwendung\ndes Fahrzeugs bewiesen ist oder nicht (BGH r+s 1991, 256, BGH\nVersicherungsrecht 1985, 78, Senat ZfS 1994, 172).\n\n9\n\n**4.** Die Beklagte hat den ihr nach § 61 VVG obliegenden Nachweis dafur, daß\nder Klager oder ein von ihm beauftragter Dritter den Brandschaden schuldhaft\nherbeigefuhrt hat, nicht erbringen konnen. Es bestehen keine Anhaltspunkte fur\neine Beteiligung des Klagers an einer vorsatzlichen oder fahrlassigen\nHerbeifuhrung des Brandes. Soweit der Versicherer, wie im vorliegenden Falle\nnicht nur die Entwendung des Fahrzeugs bestreitet, sondern zugleich die\nvorsatzliche Herbeifuhrung des Versicherungsfalles "Brand" durch den\nVersicherungsnehmer behauptet, findet eine Umkehrung der Beweislast nicht\nstatt (BGH a.a.O., OLG Koln ZfS 1995, 138 und ZfS 1994, 172, OLG Nurnberg ZfS\n1994, 17). Vielmehr hat der Versicherer auch in diesem Fall den Beweis zu\nfuhren, daß der Versicherungsnehmer sein Fahrzeug selbst oder durch\nbeauftragte Dritte in Brand gesetzt hat. Dabei kann allerdings einer vom\nVersicherer nachgewiesenen erheblichen Wahrscheinlichkeit der Vortauschung des\nDiebstahls eine gewichtige Indizwirkung fur die Annahme einer vorsatzlichen\nHerbeifuhrung des Fahrzeugbrandes zukommen (BGH a.a.O.).\n\n10\n\nVorliegend sind nicht genugend Anhaltspunkte vorhanden, welche den Verdacht\neiner Vortauschung der Entwendung mit der erforderlichen erheblichen\nWahrscheinlichkeit nahelegen. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte in diesem\nZusammenhang auf den Umstand, daß nach dem Gutachten der D. vom 16.02.1994 von\nbeiden Original-Fahrzeugsschlusseln Kopien im Kopierfrasverfahren hergestellt\nworden sind. Der mit einer Infrarot-Fernbedingung ausgestattete Hauptschlussel\nweist nach dem Gutachten frische Kopierspuren auf, die nur von wenigen\nGebrauchsspuren uberlagert sind. Dieser Schlussel befand sich im Besitz des\nSohnes des Klagers und wurde an Kunden ubergeben, wenn diese das Fahrzeug als\nVorfuhrwagen oder Ersatzwagen nutzten. Der zweite Schlussel weist nach dem\nGutachten der D. keinerlei Gebrauchsspuren auf, so daß das Alter der an diesem\nSchlussel vorhandenen Kopierspuren nicht feststellbar ist. Dieser Schlussel\nwurde als Ersatzschlussel am Schlusselbrett im Betrieb des Klagers aufbewahrt\nund wurde nach dem Vortrag des Klagers gelegentlich auch an Kunden gegeben,\nwenn der Schlussel des Sohnes gerade nicht greifbar war.\n\n11\n\nGrundsatzlich laßt sich allein daraus, daß von Originalschlusseln irgendwann\nund unbekannt von wem Kopien angefertigt worden sind, nicht mit erheblicher\nWahrscheinlichkeit darauf schließen, der Klager habe den Fahrzeugdiebstahl nur\nvorgetauscht. Dieser Umstand ist erst dann von Bedeutung, wenn weitere\nIndizien von einigem Gewicht hinzutreten (BGH Versicherungsrecht 1996, 319,\nBGH r+s 1996, 341, BGH r+s 1997, 5, Senat r+s 1997, 148). Anders ist es aber\ndann, wenn feststeht, daß der Nachschlussel nicht ohne Wissen des berechtigten\nBesitzers angefertigt worden sein kann, etwa weil nach dem\nSachverstandigengutachten die Kopierspuren auf dem Originalschlussel nicht von\nGebrauchsspuren uberlagert sind, obwohl das Fahrzeug noch kurz vor dem\nangeblichen Diebstahl mit dem Schlussel benutzt worden sein soll und wenn der\nOriginalschlussel nach Angaben des Versicherungsnehmers standig in dessen\nBesitz war (OLG Hamm r+s 1994, 449, Senat 9 U 228/95, Romer: Der\nFahrzeugdiebstahl als Versicherungsfall, NJW 1996, 2329, 2332).\n\n12\n\nIm vorliegenden Fall kann nicht festgestellt werden, daß die nach dem\nGutachten der D. gefertigten Nachschlussel nur mit Wissen des Klagers oder\nseines Sohnes hergestellt worden sein konnen. Vielmehr ist nicht\nauszuschließen, daß beide Originalschlussel ohne Kenntnis des Klagers und\ndessen Sohnes von Mitarbeitern des Klagers kopiert worden sind.\n\n13\n\nDer Hauptschlussel, welcher grundsatzlich im Besitz des Sohnes des Klagers\nwar, wurde an Kunden verliehen, wenn diesen das Fahrzeug als Vorfuhrwagen\nuberlassen wurde. Infolge des Ausleihens an Kunden hatten aber auch\nMitarbeiter des Klagers den Zugriff auf diesen Schlussel, etwa dann, wenn\nKunden das Fahrzeug zuruckbrachten und der Sohn des Klagers nicht im Geschafts\nanwesend war. Die Mitarbeiter des Klagers hatten zugleich den Zugang zu dem\nErsatzschlussel, welcher am Schlusselbrett des Betriebes hing, so daß nicht\nausgeschlossen werden kann, daß ein Mitarbeiter von beiden Schlusseln Kopien\nhergestellt hat, z. B. deswegen, weil die erste Kopie nicht die gewunschte\nQualitat hatte. Nach der erganzenden Stellungnahme der D. vom 23.01.1995 ist\nanzunehmen, daß beide Schlussel mit derselben Kopierfrasmaschine kopiert\nwurden, so daß die Anfertigung durch verschiedene Personen unwahrscheinlich\nist. Dieser Umstand legt aber nicht eine Anfertigung des Nachschlussels durch\nden Klager oder dessen Sohn nahe, da auch die Mitarbeiter des Klagers Zugang\nzu beiden Fahrzeugschlusseln hatten.\n\n14\n\nAuch dem Umstand, daß die Kopierspuren auf dem Hauptschlussel nur von wenigen\nGebrauchsspuren uberlagert waren, kommt keine entscheidende Bedeutung zu, da\njedenfalls uberlagernde Gebrauchsspuren nicht vollig fehlten. Daß die\nKopierspuren nur von geringfugigen Gebrauchsspuren uberlagert sind, ist kein\nUmstand, der mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auf eine Vortauschung des\nDiebstahls schließen laßt, wenn nach dem unwiderlegbaren Vortrag des\nVersicherungsnehmers die Moglichkeit besteht, daß die Duplizierung ohne sein\nWissen durch Dritte erfolgt ist (OLG Hamm r+s 1994, 449, Senat r+s 1997, 148).\nAus der Intensitat der die Kopierspuren eines standig benutzten\nFahrzeugschlussels uberlagernden Gebrauchsspuren ist eine genaue zeitliche\nEinordnung des Kopiervorganges im Hinblick darauf, daß die Gebrauchsspuren im\nEinzelfall nicht nur durch die Anzahl der Schließvorgange, sondern auch durch\ndie Art und Weise des Gebrauchs beim jeweiligen Schließvorgang entstehen,\nnicht moglich (Senat a.a.O.). Nach dem Vortrag des Klagers besteht aber - wie\nbereits ausgefuhrt - die Moglichkeit, daß Nachschlussel ohne sein Wissen durch\nMitarbeiter kurze Zeit vor dem Schadensereignis gefertigt worden sind.\n\n15\n\nNach den an dem ausgebrannten Fahrzeug vorhandenen Spuren liegt es nahe, daß\nder Tater die Nachschlussel auch verwendet hat. Denn das Fahrzeug ist nicht\nkurzgeschlossen worden und das Lenkradschloß ist nicht durch mechanische\nGewalt aufgebrochen worden. Dies hat der sachverstandige Zeuge S. in dem gegen\nden Sohn des Klagers gerichteten Strafverfahren (36 Ls 32 Js 370/94 49/95 AG\nAachen) bekundet. Auch an den Turschlossern waren nach den Feststellungen der\nD. Aufbruchspuren nicht zu erkennen, da die Turschloßschließzylinder verbrannt\nwaren. Zwar wurde es keinen Sinn ergeben, wenn unbekannte Tater zunachst den\nAufwand betreiben, Nachschlussel zu fertigen und sodann das Fahrzeug in Brand\nsetzen. Jedoch sind die Umstande des Brandes nicht geklart. Der Klager beruft\nsich darauf, daß das Fahrzeug versehentlich in Brand geraten sein konnte, als\ndie Tater das Fahrzeug ausschlachten wollten. Dies erscheint deshalb als\nmoglich, weil ausweislich des Gutachtens der D. das Lenkrad und ein Reifen vor\ndem Brand abmontiert worden waren. Wenn der Klager oder sein Sohn einen\nVersicherungsfall hatten vortauschen und das Fahrzeug anschließend\nausschlachten und in Brand setzen wollen, ware es dagegen nicht erforderlich\ngewesen, zunachst Nachschlussel zu fertigen. Der Klager und sein Sohn hatten\nzu diesem Zweck den Originalschlussel benutzen konnen.\n\n16\n\nDie von der Beklagte vorgetragenen Indizien vermogen somit die Annahme einer\nerheblichen Wahrscheinlichkeit der Vortauschung des Diebstahls und die Annahme\neiner schuldhaften Herbeifuhrung des Brandes nicht zu begrunden.\n\n17\n\n**5.** Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjahrung des\nVersicherungsfalles "Brand" greift nicht durch. Die zweijahrige\nVerjahrungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG ist auch fur das Schadensereignis des\nBrandes durch die vorliegende Klage wirksam unterbrochen worden. Die\nVerjahrungsfrist begann Ende 1993, namlich am Schluß des Jahres, in welchem\ndie Versicherungsleistung verlangt werden konnte und endete somit Ende des\nJahren 1995. Die Klage ist am 28. Oktober 1994 bei Gericht eingegangen und am\n7.11.1994, also vor Ablauf der Verjahrungsfrist zugestellt worden.\n\n18\n\nDie Unterbrechung der Verjahrung durch Klageerhebung tritt gemaß § 209 BGB fur\nden geltend gemachten Anspruch ein, d.h. fur den Streitgegenstand der\nerhobenen Klage (Palandt-Heinrichs, 56. Auflage, § 209, Rdnr. 13). § 209 BGB\nist fur die Frage der Unterbrechung der Verjahrung im Rahmen des § 12 Abs. 1\nVVG anwendbar (Prolss/Martin: VVG, 25. Auflage, § 12 VVG, Anm. 4). Entgegen\nder Behauptung der Beklagten hat sich der Klager nicht erstmals in der\nBerufungsbegrundung, sondern bereits in der Klageschrift sowohl auf das\nSchadensereignis der Entwendung als auch auf den Versicherungsfalls des\nBrandes berufen.\n\n19\n\n**6.** Die Beklagte ist nicht gemaß § 6 Abs. 3 VVG, § 7 V Satz 4, § 7 I Nr. 2\nSatz 3 AKB wegen Obliegenheitsverletzung des Klagers leistungsfrei, auf welche\nsie sich erstmals in der zweiten Instanz beruft.\n\n20\n\nGrundsatzlich ist es dem Versicherer nicht verwehrt, sich in zweiter Instanz\nerstmalig auf eine Obliegenheitsverletzung zu berufen, es sei denn, dieses ist\nnach Treu und Glauben als rechtsmißbrauchlich anzusehen oder es stehen die\nVerspatungsvorschriften der ZPO entgegen (OLG Koln Versicherungsrecht 1994,\n1183, r+s 1994, 428, OLG Bremen r+s 1995, 315). Dies ist hier nicht der Fall.\n\n21\n\nDie Beklagte wirft dem Klager eine Verletzung der Aufklarungsobliegenheit\ndurch falsche Angaben zum Kilometerstand des Fahrzeugs vor.\n\n22\n\nGemaß § 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB ist der Versicherungsnehmer nach Eintritt des\nVersicherungsfalles verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklarung des\nTatbestandes dienlich sein kann. Dazu gehort auch die Pflicht, den Versicherer\nwahrheitsgemaß und vollstandig uber solche Umstande zu unterrichten, die fur\ndie Hohe des Schadens von Bedeutung sind. Die Auskunfte des\nVersicherungsnehmers mussen es dem Versicherer ermoglichen, sachgemaße\nFeststellungen uber das Schadenausmaß zu treffen, um den Schaden regulieren zu\nkonnen. Deshalb mussen insbesondere auch Angaben zur Kilometerleistung richtig\nsein (BGH Versicherungsrecht 1984, 224, OLG Hamm Versicherungrsecht 1985, 30).\n\n23\n\nDer Klager hat den Kilometerstand in der Schadensanzeige vom 06.12.1993 mit\n"ca. 26 000 Kilometer" angegeben. Dies steht in Widerspruch zu der einen\nanderen Schadensfall des streitbefangenen Fahrzeugs betreffenden Anzeige des\nSohnes des Klagers vom 27.07.1993, mit welcher dieser gegenuber der\nVersicherung des damaligen Schadensverursachers VHV angegeben hatte, daß der\nKilometerstand am 27.07.1993 bereits 27 365 Kilometer betragen habe. Wie der\nKlager nunmehr behauptet, hatte das Fahrzeug zum Zeitpunkt des\nstreitbefangenen Versicherungsfalls eine Laufleistung von ca. 30.000,00 DM.\nDies hatte auch der Sohn des Klagers bei der Erstattung der Diebstahlsanzeige\nvom 04.12.1993 gegenuber der Polizei angegeben.\n\n24\n\nSoweit die Beklagte fur den Zeitpunkt des vorliegenden Versicherungsfalles\neine Kilometerleistung von 40 000 behauptet, vermag sie den Nachweis hierfur\nnicht zu erbringen. Die Beklagte ist beweispflichtig fur das Vorliegen einer\nobjektiv unrichtigen Angabe. Der tatsachliche Kilometerstand des Fahrzeugs\nlaßt sich aber nicht mehr feststellen, da der Tachometer ausweislich des\nGutachtens der D. verbrannt und somit nicht mehr ablesbar war. Die Beklagte\nhat ihre Behauptung eines Kilometerstandes von 40 000 aus einer Hochrechnung\nauf der Grundlage der Angaben des Sohnes des Klagers vom 27.07.1993\nhergeleitet. Dies stellt jedoch keine hinreichend sichere Schlußfolgerung dar.\nDenn der Klager hat nachvollziehbar dargelegt, daß die geringere Fahrleistung\ndes Fahrzeugs in dem Zeitraum vom 27.07.1993 (Kilometerstand 27 365) bis zum\n06.12.1993 (Kilometerstand ca. 30 000) darauf beruhe, daß in dieser Zeit nicht\nnur das streitbefangene Fahrzeug, sondern auch ein weiterer Pkw zur Verfugung\ngestanden habe, welcher sowohl von seinem Sohn, als auch als Vorfuhrwagen\nzusatzlich genutzt worden sei. Damit laßt sich der Umstand erklaren, daß das\nFahrzeug vom Zeitpunkt der Erstzulassung am 26.08.1992 bis zum 27.07.1993 eine\nFahrleistung von 27 365 km hatte und von 27.07.1993 bis 06.12.1993 lediglich\netwa 3 000 km gefahren wurde. Angesichts dieser Darlegungen des Klagers vermag\ndie Beklagte eine bei Eintritt des Versicherungsfalles hohere Laufleistung als\ndie vom Klager nunmehr behaupteten ca. 30 000 km nicht zu beweisen.\n\n25\n\nDa somit von einer Laufleistung von ca. 30 000 km auszugehen ist, enthalt die\nAngabe des Klagers in der Schadensanzeige von ca. 26 000 km keine erhebliche\nAbweichung im Sinne der sog. Relevanzrechtsprechung. Bei einer vorsatzlichen,\njedoch folgenlosen Obliegenheitsverletzung tritt Leistungsfreiheit des\nVersicherers nur dann ein, wenn der Verstoß generell geeignet war, die\nInteressen des Versicherers ernsthaft zu gefahrden und wenn dem\nVersicherungsnehmer ein erhebliches Verschulden zur Last fallt (standige\nRechtsprechung, z.B. BGH Versicherungsrecht 1984, 228). Die Angabe einer\nfalschen Laufleistung eines Kraftfahrzeugs ist grundsatzlich geeignet, die\nInteressen des Versicherers ernsthaft zu gefahrden, da die Laufleistung fur\nden Wiederbeschaffungswert maßgeblich sein kann (BGH Versicherungsrecht 1986,\n1233). Nach der sog. Relevanzrechtsprechung kann jedoch nicht jede\ngeringfugige Abweichung von der tatsachlichen Laufleistung als relevante\nVerletzung der Aufklarungspflicht angesehen werden (BGH Versicherungsrecht\n1986, 1233, 1235, OLG Koblenz r+s 1991, 365, 366, Senat r+s 1995, 206).\nVorliegend ist zu berucksichtigen, daß die Cirka-Angabe von 26 000 km bereits\nnach deren objektivem Erklarungswert auch eine geringfugig hohere Fahrleistung\nals 26 000 km beinhalten kann. Denn durch den Zusatz "ca." bringt der\nVersicherungsnehmer gerade zum Ausdruck, daß die tatsachliche\nKilometerleistung auch geringfugig hoher oder niedriger gewesen sein konne.\nDie Erheblichkeit der Abweichung ist daher unter Zugrundelegung des nach der\nCirka-Angabe zu ermittelnden objektiven Erklarungsgehalts zu beurteilen.\nStellt man vorliegend eine schon nach dem objektiven Erklarungswert der Cirka-\nAngabe noch mogliche Abweichungen von etwa 5 % in Rechnung, so besteht zu der\nanzunehmenden tatsachlichen Laufleistung von ca. 30 000 km nur eine Abweichung\nvon 10 %. Bei einer Abweichung in dieser Großenordnung fehlt es aber an der\nfur die folgenlose Obliegenheitsverletzung erforderlichen Relevanz und dem\nschweren Verschulden des Klagers (Senat r+s 1994, 401, 402).\n\n26\n\n**7.** Eine Leistungsfreiheit der Beklagten nach § 6 Abs. 3 VVG, § 7 V 4, § 7\nI Nr. 2 Satz 3 AKB wegen Obliegenheitsverletzung des Klagers folgt auch nicht\naus dem Verschweigen eines Vorschadens.\n\n27\n\nNach dem Inhalt der Schadensanzeige liegt zwar eine objektiv unrichtige Angabe\nzu einem Vorschaden vor. Denn in der Schadensanzeige ist die Frage nach\nVorschaden oder Mangeln verneint worden, obwohl das Fahrzeug tatsachlich einen\nbereits reparierten Steinschlagschaden an der Motorhaube mit Reparaturkosten\nvon 1.075,15 DM gehabt hatte. Die Fragestellung in dem Schadensanzeigeformular\nder Beklagten umfaßte eindeutig auch reparierte Vorschaden.\n\n28\n\nAllein mit der unzutreffenden Angabe in der Schadensanzeige kann die Beklagte\nden Nachweis einer Obliegenheitsverletzung aber nicht fuhren, da der Klager\nbehauptet hat, er habe den Zeugen G. bei der Aufnahme der Schadensanzeige auf\nden Steinschlagschaden hingewiesen, dieser habe aber erklart, der Schaden\nbrauche nicht angegeben zu werden. Der Zeuge G. unterhalt eine\nVersicherungsagentur der Beklagten und hat die Schadensanzeige ausgefullt. Die\nKenntnis des Versicherungsagenten ist dem Versicherer zuzurechnen, so daß eine\nAnzeigepflichtverletzung nicht vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer den\nAgenten mundlich zutreffend informiert hat. Legt der Versicherungsnehmer\nsubstantiiert eine zutreffende Unterrichtung des Agenten uber\nanzeigepflichtige Umstande dar, so obliegt es dem fur die\nObliegenheitsverletzung beweispflichtigen Versicherer, den Nachweis zu\nerbringen, daß der Agent nicht zutreffend informiert worden sei (BGH r+s 1989,\n242 = Versicherungsrecht 1989, 833).\n\n29\n\nDies hat die Beklagte nicht bewiesen. Der von ihr benannte Zeuge G. hat eine\nfehlende Information seitens des Klagers uber den Vorschaden nicht bestatigt,\nda er sich in seiner Vernehmung vor dem Senat nicht daran erinnern konnte, wie\nes zu der Verneinung von Vorschaden in der Schadensanzeige kam. Der Zeuge hat\nbekundet, daß er bei der Ausfullung von Schadensanzeigen grundsatzlich so\nverfahrt, daß er dem Kunden die jeweilige Frage aus dem Formular vorliest und\ndas Formular nach dessen Angaben ausfullt. Da der Zeuge G. nach seiner\nBekundung aber auch bei der im vorliegenden Formular enthaltenen Fragestellung\nnur unreparierte Vorschaden als angabepflichtig ansieht, ist es durchaus\nmoglich, daß die Behauptung des Klagers zutrifft, wonach er den reparierten\nSteinschlagschaden gegenuber dem Agenten angegeben hat und daß dieser den\nSchaden nicht in das Formular eingetragen hat, weil er die Frage nach\nVorschaden nur auf unreparierte Schaden bezog. Eine leistungsbefreiende\nObliegenheitsverletzung hinsichtlich des Vorschadens ist somit nicht bewiesen.\nAngesichts dessen, daß der Vorschaaden mit etwas uber 1.000,-- DM auch relativ\ngeringfugig war, mußte es sich fur den Klager auch nicht aufdrangen, daß die\nAuskunft des Agenten falsch und die Notwendigkeit, den Vorschaden im Formular\nanzugeben, zwingend war.\n\n30\n\n**8.** Der Entschadigungsanspruch des Klagers besteht gemaß § 13 Abs. 1 AKB in\nHohe des Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeugs von 18.900,00 DM\neinschließlich Mehrwertsteuer.\n\n31\n\nDer Wiederbeschaffungswert ist der Kaufpreis, den der Versicherungsnehmer\naufwenden muß, um ein gleichwertiges gebrauchtes Fahrzeug zu erwerben, § 13\nAbs. 1 Satz 2 AKB. Nach dem von der Beklagten eingeholten Gutachten des\nSachverstandigen St. vom 15.12.1993, dessen Richtigkeit der Klager nicht in\nFrage gestellt hat, betragt der Wiederbeschaffungswert 18.900,00 DM\neinschließlich Mehrwertsteuer. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der\nSachverstandige St. nicht eine unzutreffende Laufleistung des Fahrzeugs\nzugrunde gelegt, denn der Sachverstandige ist zutreffend von einem\nKilometerstand von 30 000 ausgegangen. Wie bereits ausgefuhrt, hat die\nBeklagte eine hohere Laufleistung nicht beweisen konnen.\n\n32\n\nDie Beklagte hat dem Klager auch die Mehrwertsteuer zu erstatten. Der Klager\nist insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Da das Fahrzeug sowohl\nprivat als auch im Geschaftsbetrieb des Klagers als Vorfuhrwagen benutzt\nworden ist, ware zwar ein Vorsteuerabzug moglich gewesen (vgl.\nStiefel/Hofmann: AKB, 16. Auflage, § 13 Rdnr. 38). Der Klager hat aber durch\ndie Bescheinigung des Steuerberaters Meuter vom 03.06.1997 bewiesen, daß das\nFahrzeug in seinem Geschaftsbetrieb steuerlich nicht erfaßt worden ist.\n\n33\n\nDer Anspruch des Klagers auf Zahlung einer Entschadigung nach dem Neuwert des\nFahrzeugs ist dagegen nicht begrundet, da der Pkw unstreitig nicht nur privat,\nsondern auch im Geschaftsbetrieb des Klagers als Vorfuhrwagen tatsachlich\ngenutzt worden ist. Eine Neupreisentschadigung gemaß § 13 Abs. 2 AKB kommt bei\neiner Nutzung des Pkw als Vorfuhrwagen nicht in Betracht, da es sich in diesem\nFall nicht um ein Neufahrzeug im Sinne dieser Vorschrift handelt (OLG Hamburg,\nVersicherungsrecht 1984, 884, OLG Nurnberg NZV 1991, 474, LG Aachen r+s 1996,\n255, Stiefel/Hofmann § 13 AKB, Rdnr. 28).\n\n34\n\nDie Beklagte hat dem Klager außerdem eine Entschadigung in Hohe von 3.259,62\nDM fur das Autoradio zu leisten, welches nach den ubereinstimmenden und\nglaubhaften Bekundungen der Zeugen M. K. und M. L. in dem Fahrzeug vorhanden\ngewesen ist. Wie die Beklagte in der Berufungserwiderung selbst dargelegt hat,\nist bei Abschluß des Versicherungsvertrages mit dem Klager eine Musikanlage im\nWerte von 3.259,00 DM mitversichert worden, so daß die Beklagte gemaß § 12 AKB\nin dieser Hohe auf Entschadigung fur das Autoradio haftet. Dem steht nicht\nentgegen, daß das bei Abschluß des Versicherungsvertrages vorhandene Radio\nnachtraglich durch ein anderes Gerat ersetzt worden ist, da jedenfalls ein\nRadio zu dem genannten Wert von der Versicherung umfaßt war. Dagegen hat der\nKlager nicht schlussig dargelegt, daß die Versicherung hinsichtlich des Radios\nauf den von ihm behaupteten Wert von 6.825,00 DM erhoht worden ist. Da die\nerforderliche Vereinbarung zur Erhohung der Versicherungssumme fur die\nMusikanlage nicht vorgetragen worden ist, kann dahinstehen, ob in dem Fahrzeug\neine Musikanlage in dem vom Klager behaupteten Wert von 6.825,00 DM vorhanden\nwar.\n\n35\n\nIm Ergebnis berechnet sich der zuerkannte Anspruch somit wie folgt:\n\n36\n\n18.900,00 DM Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs ein schließlich\nMehrwertsteuer\n\n37\n\n3.259,00 DM Radio\n\n38\n\n22.159,00 DM\n\n39\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.\n\n40\n\nStreitwert fur das Berufungsverfahren: 31.663,93 DM\n\n41\n\nWert der Beschwer fur die Beklagte: 22.159,00 DM\n\n42\n\nWert der Beschwer fur den Klager: 9.504,93 DM\n\n
310,148
ovgnrw-1998-01-22-11-a-13594
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
11 A 135/94
1998-01-22
2019-03-13 08:45:40
2020-12-10 13:13:34
Urteil
ECLI:DE:OVGNRW:1998:0122.11A135.94.00
## Tenor\n\nDie Berufung wird zuruckgewiesen.\n\nDie Klagerin zu 1. und der Klager zu 2. tragen die Kosten des Verfahrens zu\njeweils 1/4. Die Klagerin zu 3. tragt die Kosten des Verfahrens zur Halfte.\nDie außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfahig.\n\nDie Kostenentscheidung ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n \n1\n\nTatbestand:\n\n2\n\nDie Klager wenden sich mit ihrer Klage gegen die Unterschutzstellung der in\nihrem Eigentum stehenden Wohn- und Geschaftshauser auf den Grundstucken\nB...straße 41 und 43 in ... (Gemarkung ..., Flur 64, Flurstucke 29, 196 und\n197). Das Gebaude Nr. 41 ist ein dreigeschossiger Bau aus dem Jahre 1856\\. Es\nhat zur B...straße hin eine spatklassizistische Fassade. Das Gebaude Nr. 43\nist ein zweigeschossiges schmales Giebelhaus, das im Ursprung im 16.\nJahrhundert errichtet wurde. Beide Gebaude sind verbunden und weisen ein\ngemeinsames Treppenhaus auf.\n\n3\n\nBereits in den 80er Jahren wandte sich die untere Denkmalbehorde des Beklagten\nan die Eigentumer der beiden Gebaude wegen einer moglichen Unterschutzstellung\nund wegen baulicher Mangel.\n\n4\n\nAls die Eigentumer Anfang 1991 im ruckwartigen Bereich der genannten\nGrundstucke Nebengebaude abrissen und im Keller sowie im Erdgeschoß der Wohn-\nund Geschaftshauser Abrißarbeiten durchfuhren ließen, stellte der Beklagte am\n12\\. April 1991 die Gebaude B...straße 41 und 43 durch mundliche Verfugung\nvorlaufig unter Denkmalschutz. Durch Ordnungsverfugungen vom 18. April 1991\nwurden die mundlich erlassenen vorlaufigen Unterschutzstellungen schriftlich\nbestatigt. Hiergegen legten die Eigentumer Widerspruch ein.\n\n5\n\nAm 31. Oktober 1991 trug der Beklagte sowohl das Wohn- und Geschaftshaus\nB...straße 41 als auch das Wohn- und Geschaftshaus B...straße 43 in die\nDenkmalliste der Stadt ... ein und erteilte dem Rechtsvorganger der Klager zu\n1. und 2. sowie der Klagerin zu 3. hieruber unter dem 4. November 1991 einen\nBescheid.\n\n6\n\nZur Begrundung hierfur wird bezuglich des Gebaudes B...straße 41 ausgefuhrt:\n\n7\n\n"Das Gebaude ist ein bedeutendes Zeugnis der burgerlichen Bautatigkeit ... im\n19. Jahrhundert, die gepragt war vom starken preußischen Einfluß und ausgelost\nwurde durch die enorme Bevolkerungsentwicklung innerhalb der umfesteten Stadt.\nBis auf das Erdgeschoß, das zu Ladenzwecken umgenutzt wurde, ist das Gebaude\nauch im Inneren in seinen wesentlichen Strukturen uberliefert: Innenliegendes\nTreppenhaus (mit Lichtschacht), reich gearbeitete und zum Teil freitragende\nHolzkonstruktion; Raumaufteilung, Turen (zum Teil auch Wandschranke)."\n\n8\n\nZur Begrundung wird bezuglich des Hauses B...straße 43 ausgefuhrt:\n\n9\n\n"Zweigeschossiges schmales Giebelhaus des spaten Mittelalters mit\nbacksteinernen Traufwanden. Das Gebaude heute durch zahlreiche Umbauten zu\neinem Geschafts- und Lagerhaus umgenutzt, im Kern aber noch die historische\nSubstanz erhalten. Davon erkennbar: Backsteinerne Traufwande mit den fur die\nspatmittelalterliche Bausubstanz ... charakteristischen Backsteinbogen,\nruckwartige (ebenfalls in der Lage typisch) gewolbte Kelleranlage, die\nBalkenlage uber dem Obergeschoß und das Dachgeschoß mit eng gestellten sehr\nsteil verzimmerten Sparrerndach. Der Vordergiebel offensichtlich ebenfalls im\nKern alt, im Erdgeschoß jedoch durch Ladeneinbauten entfernt. Das daruber\nbefindliche Giebeldreieck mit Halbwalm aus Fachwerk. Ebenso ist der\nruckwartige Giebel aus Fachwerk des 16., 17. Jahrhunderts aufgesetzt. Über der\nMauerkrone zwischen Haus Nr. 41 und 43 eine sandsteinerne Traufrinne. Das\nGebaude gehort zur altesten Bestandsschicht der burgerlichen Bausubstanz ...,\ndie, trotz der starken Kriegszerstorungen der Unterstadt, an einigen Stellen\nnoch bemerkenswerte Ensemble von spatmittelalterlicher Bebauungsstruktur\naufweist. Vergleichbare Situationen haben sich in den umliegenden großeren\nStadten nirgends in dieser Auspragung mehr erhalten. Daher kommt diesen\nStrukturen ein hoher Zeugniswert fur die burgerliche Baukultur\nNordwestdeutschlands zu."\n\n10\n\nGegen die Eintragung beider Hauser in die Denkmalliste legten die Eigentumer\nam 11. Dezember 1991 Widerspruch ein und fuhrten zur Begrundung aus: Gegen das\nDenkmalschutzgesetz NW bestunden verfassungsrechtliche Bedenken. Es liege ein\nunzulassiger Eingriff in das Eigentum vor. Dies sei augenscheinlich, weil aus\nDenkmalschutzerwagungen ein Abriß nicht bewilligt worden sei und andererseits\nUmbauten nur unter strengen und kostenerhohenden Auflagen und nicht so, wie\nursprunglich geplant, hatten ausgefuhrt werden durfen. Zudem lagen bezuglich\nbeider Hauser nicht die Voraussetzungen des § 2 Denkmalschutzgesetz (DSchG NW)\nvor. Fur den Erhalt mußten kunstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche\noder stadtebauliche Grunde vorliegen. Hierfur reiche es nicht aus, daß ein\nGebaude "alt" sei. Auch sei nicht ausreichend, daß ein Gebaude Zeugniswert fur\ndie Baukultur aufweise. Vielmehr musse es aus den genannten Grunden\nerhaltenswert sein. Hierzu verhielten sich die angefochtenen Bescheide nicht.\nDas fur die Eintragung daruber hinaus erforderliche offentliche Interesse an\neinem Erhalt beider Hauser sei weder dargetan noch erkennbar.\n\n11\n\nDurch denkmalrechtliche Teilerlaubnis gemaß § 9 Abs. 2 DSchG NW vom 17. Juni\n1992 erlaubte der Beklagte den Eigentumern u.a. den Einbau eines neuen\nTreppenhauses und die Kellererschließung im Haus Nr. 41, den Einbau neuer\nBader im ersten und zweiten Obergeschoß im Haus Nr. 41 sowie den Anbau eines\nzweigeschossigen Neubaus mit Parallel- bzw. Pultdach an die Nordfassade der\nHauser 41 und 43 unter Auflagen. Die Baumaßnahmen hatten u.a. zur Folge, daß\ndie Erdgeschosse beider Hauser durchgebaut wurden und von der Kette "..." als\nGeschaft genutzt wird.\n\n12\n\nDurch Widerspruchsbescheid vom 23. November 1992 wies der Oberkreisdirektor\n...... den Widerspruch der Eigentumer gegen die Unterschutzstellung mit der\nBegrundung zuruck, beide Bauten seien bedeutend fur die Stadt .... Die\nEntwicklung der Arbeits- und Produktionsverhaltnisse lasse sich ablesen an der\nbis heute pragend gebliebenen inneren Struktur beider Bauten. Diese werde von\neiner Verdrangung der Wohnfunktion aus dem Erdgeschoß und einer Aufwertung der\nObergeschosse bestimmt. Hierdurch bekomme auch das gemeinsame Treppenhaus ein\nbesonderes Gewicht.\n\n13\n\nDer Rechtsvorganger der Klager zu 1. und 2. und die Klagerin zu 3. haben am\n29. Dezember 1992 Klage erhoben. Zur Begrundung haben sie unter Wiederholung\nihres Vortrages im Vorverfahren ausgefuhrt: Die denkmalrechtliche\nUnterschutzstellung habe fur sie - die Eigentumer - außerst weitreichende\nFolgen. So werde die Denkmaleigenschaft in der zivilrechtlichen Rechtsprechung\nals Sachmangel angesehen. Ihnen - den Eigentumern der Hauser B...straße 41 und\n43 - sei fur die Grundstucke ein Kaufpreis in Hohe von mehrere Millionen DM\nangeboten worden. Voraussetzung fur den Kauf sei jedoch der Abriß der\naufstehenden Gebaude gewesen. Dieser sei bereits durch die vorlaufige\nUnterschutzstellung unmoglich gemacht worden mit der Folge, daß sie - die\nEigentumer - Beurkundungskosten in Hohe von 16.000,00 DM hatten ubernehmen\nmussen. Derartige finanzielle Beeintrachtigungen mußten in Zukunft verhindert\nwerden. Die Voraussetzungen des § 2 DSchG NW mußten genauestens uberpruft\nwerden. Hierzu reiche es nicht aus, daß die Denkmalwurdigkeit mit Hilfe von\nEDV- Textbausteinen bejaht werde. Infolge dessen sei die Begutachtung der\nDenkmalwurdigkeit durch einen wirklich unabhangigen Sachverstandigen\nerforderlich. Dann werde sich herausstellen, daß gemessen an der hochst- und\nobergerichtlichen Rechtsprechung eine Denkmalwurdigkeit der Gebaude B...straße\n41 und 43 zu verneinen sei. Ihnen komme weder eine dokumentarischer noch ein\nexemplarischer Charakter i.S.d. Gesetzes zu. Die im einzelnen aufgefuhrten\nangeblich denkmalwurdigen Bestandteile der beiden Hauser seien lediglich als\nFragmente einer Bauweise zu bezeichnen, die durch Umwandlung, Ausbesserungen\nund Überarbeitungen in verschiedenen Epochen gerade nicht Zeugnis fur eine\nbestimmte Bebauung in einer bestimmten Bauepoche geben konnten. Insgesamt sei\nfestzuhalten, daß weder ein beispielhaftes Zeitdokument noch ein Bauwerk,\nwelches aus stadtebaulichen Grunden erhaltenswert erscheine, vorliege.\n\n14\n\nDer Rechtsvorganger der Klager zu 1. und 2. und die Klagerin zu 3. haben\nbeantragt,\n\n15\n\ndie Bescheide des Beklagten vom 4\\. November 1991 und den Widerspruchsbescheid\ndes Oberkreisdirektors ...... vom 23. November 1992 aufzuheben.\n\n16\n\nDer Beklagte hat beantragt,\n\n17\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n18\n\nZur Begrundung hat er auf die fachlichen Stellungnahmen des Beigeladenen zur\nDenkmaleigenschaft der Objekte verwiesen.\n\n19\n\nDer Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.\n\n20\n\nMit Schriftsatz vom 6. September 1993 hat der Beigeladene zur Geschichte und\nzur Denkmalwurdigkeit der beiden Gebaude ausfuhrlich Stellung genommen.\n\n21\n\nNach Durchfuhrung eines Ortstermins durch den Berichterstatter der Kammer hat\ndas Verwaltungsgericht die Klage der Klager durch Urteil vom 16. November\n1993, auf dessen Grunde Bezug genommen wird, abgewiesen.\n\n22\n\nGegen das dem Rechtsvorganger der Klager zu 1. und 2. und der Klagerin zu 3.\nam 9. Dezember 1993 zugestellte Urteil ist am Montag, dem 10. Januar 1994\nBerufung eingelegt und unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag\nausgefuhrt worden: Die Denkmaleigenschaft der Hauser B...straße 41 und 43 sei\nnicht gegeben. Zu dem gegenteiligen Ergebnis sei das Verwaltungsgericht\ninfolge mangelnder Sachaufklarung gekommen. Ein unabhangiges\nSachverstandigengutachten sei trotz mehrmaligem Hinweises nicht eingeholt\nworden. Statt dessen wurden sowohl in den angefochtenen Bescheiden als auch in\ndem angefochtenen Urteil zur Begrundung der Denkmaleigenschaften die\nAusfuhrungen des Beigeladenen zitiert. Dieser stehe aber ganz offensichtlich\nim Lager des Beklagten und sei gemaß § 63 VwGO Beteiligter am Verfahren.\nSeiner Äußerung konnten daher nicht ein neutrales Gutachten ersetzen.\n\n23\n\nDie Klager beantragen,\n\n24\n\ndas angefochtene Urteil zu andern und nach dem Antrag erster Instanz zu\nerkennen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.\n\n25\n\nDer Beklagte beantragt,\n\n26\n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n27\n\nZur Begrundung verweist er auf das erstinstanzliche Urteil.\n\n28\n\nDer Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.\n\n29\n\nDer Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen.\nInsoweit wird Bezug genommen auf das Terminsprotokoll vom 24. Mai 1995. Im\nAnschluß daran haben die Beteiligten Vergleichsverhandlungen daruber gefuhrt,\nob eine nur teilweise Unterschutzstellung der genannten Objekte in Betracht zu\nziehen ist. Diese Verhandlungen sind gescheitert.\n\n30\n\nMit Schriftsatz vom 30. Oktober 1995 haben die Klager einen schriftlichen\nBeweisantrag gestellt, uber die Denkmaleigenschaft der genannten Objekte\nBeweis zu erheben durch die Einholung eines schriftlichen\nSachverstandigengutachtens eines unabhangigen Sachverstandigen.\n\n31\n\nDer Senat hat durch Beschluß vom 2. Juli 1996 Beweis daruber erhoben, ob die\nim Eigentum der Klager stehenden Gebaude B...straße 41 und 43 in ... insgesamt\noder in genau zu bezeichnenden Teilen (Bau-)Denkmaler sind, durch Einholung\neines schriftlichen Sachverstandigengutachtens des Herrn Prof. ... . Der Senat\nhat weiterhin in der mundlichen Verhandlung am 22\\. Januar 1998 beschlossen,\ndaß der Sachverstandige sein schriftliches Gutachten vom 29. Oktober 1997 im\neinzelnen erlautert und zu den Einwendungen und Fragen der Beteiligten\nStellung nimmt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf\ndas schriftliche Sachverstandigengutachten vom 29\\. Oktober 1997 und die\nerlauternden Ausfuhrungen des Gutachters in der mundlichen Verhandlung vor dem\nSenat.\n\n32\n\nWegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die\nVerwaltungsvorgange des Beklagten verwiesen, die in ihrem wesentlichen Inhalt\nGegenstand der mundlichen Verhandlung waren.\n\n33\n\nEntscheidungsgrunde:\n\n34\n\nDie zulassige Berufung ist unbegrundet.\n\n35\n\nDas Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage der Klager zu Recht\nabgewiesen. Die Bescheide des Beklagten vom 4. November 1991 in der Gestalt\ndes Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des Kreises ...... vom 23.\nNovember 1992 sind rechtmaßig und verletzen die Klager nicht in ihren Rechten\n(§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Wohn- und Geschaftshauser B...straße 41 und 43\nin ... sind Baudenkmaler im Sinne von § 2 Abs. 2 DSchG NW und waren daher\ngemaß § 3 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz DSchG NW in die Denkmalliste einzutragen.\n\n36\n\nGemaß § 2 Abs. 1 DSchG NW sind Denkmaler Sachen, Mehrheiten von Sachen und\nTeile von Sachen, an deren Erhaltung und Nutzung ein offentliches Interesse\nbesteht. Ein offentliches Interesse besteht nach dieser Vorschrift dann, wenn\ndie Sachen bedeutend fur die Geschichte des Menschen, fur Stadte und\nSiedlungen oder fur die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhaltnisse\nsind und fur ihre Erhaltung und Nutzung kunstlerische, wissenschaftliche,\nvolkskundliche oder stadtebauliche Grunde vorliegen.\n\n37\n\nDiese Eintragungsvoraussetzungen sind bzgl. der genannten Wohn- und\nGeschaftshauser der Klager gegeben.\n\n38\n\nZweifel an der Verfassungsmaßigkeit der Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 DSchG\nbestehen entgegen den Ausfuhrungen der Klager nicht. Nach einer Entscheidung\ndes Bundesverwaltungsgerichts stellt die genannte Vorschrift eine zulassige\nRegelung des Eigentums dar (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) und ist\nverfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.\n\n39\n\nVgl. BVerwG, Beschluß vom 10. Juli 1987 - 4 B 146.87 -, DÖV 1988, 425 f. = BRS\n47 Nr. 123 und Beschluß vom 9. Oktober 1997 - 6 B 42.97 -.\n\n40\n\nDieser Rechtsprechung hat sich der Senat angeschlossen.\n\n41\n\nVgl. Urteil des Senats vom 14. Marz 1991 - 11 A 264/89 -, NWVBl. 1992, 27 ff.;\nUrteil vom 12. Dezember 1991 - 11 A 2547/89 - und Urteil vom 22\\. November\n1994 - 11 A 4179/93 -.\n\n42\n\nDas Denkmalschutzgesetz stellt auf die vorhandene Bedeutung des\nEigentumsobjektes fur bestimmte, vom Gesetzgeber qualifizierte offentliche\nInteressen ab. Das Eigentumsobjekt wird gerade in seiner sozialen Funktion\nerfaßt. Es muß namlich "bedeutend" fur die Geschichte des Menschen, fur die\nStadte und Siedlungen oder fur die Entwicklung der Arbeits- und\nProduktionsverhaltnisse sein. Das erkennende Gericht hat den Begriff\n"bedeutend" u.a. dahin interpretiert, daß es sich um Objekte handeln muß, die\n"in besonderer Weise" Ausdruck der Entwicklung von Land und Leuten sind. Nicht\nzu verlangen ist dagegen, daß sich die Sache in bezug auf die fur eine\nDenkmaleigenschaft maßgebenden Kriterien als einzigartig oder hervorragend\nerweist.\n\n43\n\nVgl. Urteile des Senats vom 25. Januar 1985 - 11 A 1801/84 -, vom 26. Mai 1988\n- 11 A 645/87 -, vom 14. Juli 1988 - 11 A 2164/86 - und vom 25. August 1988 -\n11 A 2789/87 -.\n\n44\n\nFerner ist nicht erforderlich, daß die handwerkliche Ausfuhrung insgesamt und\nim Detail das asthetische Empfinden in besonderem Maße anspricht.\nKunstlerische Besonderheiten konnen die Denkmaleigenschaft einer Sache gemaß §\n2 Abs. 1 Satz 2 DSchG NW selbstandig begrunden, mussen aber nicht\nnotwendigerweise zu den stadtebaulichen oder sonstigen Kriterien hinzutreten.\n\n45\n\nVgl. Urteil des Senats vom 19. Oktober 1984 - 11 A 1350/83 -.\n\n46\n\nDer Tatbestand des § 2 DSchG NW folgt namlich nicht dem "klassischen"\nDenkmalbegriff, sondern ist umfassender. Das Tatbestandsmerkmal "bedeutend"\nhat vor allem die Funktion, aus dem Bereich des Denkmalschutzes solche\nGegenstande auszuschließen, die zwar ebenfalls einen historischen oder\nstadtebaulichen Bezug haben, jedoch deshalb nicht von Bedeutung sind, weil es\nsich etwa um ein Massenprodukt handelt, die Sache zu weitreichende Veranderung\nerfahren hat und ahnliches. Gerade diese Abgrenzungsfunktion gegenuber dem\nBelanglosen tragt der in der Rechtsprechung entwickelten Auslegung des Wortes\n"bedeutend" Rechnung. Dagegen ist es nicht Zweck dieses Tatbestandsmerkmals,\nlediglich herausragende Beispiele oder jeweils das beste Objekt eines\nbestimmten Typus zu erhalten.\n\n47\n\nVgl. OVG NW, Urteil vom 7. April 1987 - 7 A 242/86 -.\n\n48\n\nDaß ein Objekt im genannten Sinne "bedeutend" ist, genugt gemaß 2 Abs. 1 Satz\n2 DSchG NW zudem nicht. Fur seine denkmalpflegerische Erhaltung und Nutzung\nmussen ferner als weitere Voraussetzungen kunstlerische, wissenschaftliche,\nvolkskundliche oder stadtebauliche Grunde vorliegen. Mit diesen "kumulativen"\nBegriffselementen des offentlichen Interesses hat der Landesgesetzgeber\nprazisiert, von welcher Intensitat bei der Bestimmung des sozialen Bezuges des\nEigentumsobjektes auszugehen ist.\n\n49\n\nVgl. Urteil des Senats vom 18. August 1989 - 11 A 822/88 -.\n\n50\n\nAuch der fur die Verfassungsmaßigkeit der Regelung maßgebliche Gesichtspunkt,\ndaß die mit der Eintragung verbundenen Rechtsfolgen nicht zu einer ubermaßigen\nBelastung des Eigentumers fuhren und damit fur ihn vermogensrechtlich zumutbar\nsind, ist durch die vom Landesgesetzgeber gewahlte Gesetzessystematik\ngewahrleistet.\n\n51\n\nVgl. Beschluß des BVerwG vom 10. Juli 1987, a.a.O.\n\n52\n\nDas Denkmalschutzgesetz enthalt zahlreiche Moglichkeiten, der auf den\nEinzelfall bezogenen Entscheidung der zustandigen Behorde und ist daher\ninsgesamt auf einen Ausgleich der privaten und offentlichen Interessen\nangelegt. Die individuellen Belange des Eigentumers, seine Nutzungsinteressen\nund Vermogensverhaltnisse, die Erhaltungsaufwendungen usw. sind aber im\nEintragungsverfahren \\- entgegen der von den Klagern vertretenen Ansicht - fur\ndie Frage der Denkmaleigenschaft unerheblich. Hier findet eine Abwagung mit\ndem offentlichen Erhaltungsinteresse noch nicht statt.\n\n53\n\nVgl. OVG NW, Urteil vom 12. Mai 1986 - 7 A 2944/83 -; VGH Mannheim, Urteil vom\n30. Juli 1985 - 5 S 229/85 -, NVwZ 1986, 240 (241); BGH, Urteil vom 11.\nFebruar 1988 - III ZR 64/87 -, BauR 1988, 458 (460) und Urteil des Senats vom\n12. Dezember 1991, a.a.O.\n\n54\n\nDie Anordnung, ein bestimmtes Objekt in die Denkmalliste einzutragen, stellt\nnamlich zunachst nur einen Anknupfungspunkt fur die mit der Denkmaleigenschaft\nverbundenen gesetzlichen Pflichten dar. Die Eintragung bringt nur eine\nVerfahrenspflichtigkeit mit sich, die das Eigentum lediglich einer Aufsichts-\nund Erlaubnispflicht unterwirft. Die Verfahrenspflichtigkeit findet in der\nhistorisch gewachsenen Situation des Denkmals ihre Rechtfertigung und muß vom\nEigentumer als Inhaltsbestimmung seines Eigentums entschadigungslos\nhingenommen werden.\n\n55\n\nVgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1986 - III ZR 2/85 -, BHGZ 99, 24 (33).\n\n56\n\nEntgegen der Meinung der Klager stellt die Eintragung ihrer beiden Wohn- und\nGeschaftshauser in die Denkmalliste somit keinen Eingriff mit enteignender\nWirkung dar.\n\n57\n\nDie Frage der Zumutbarkeit des Erhaltungsaufwandes ist fur die Eintragung in\ndie Denkmalliste ohne Bedeutung. Wie bereits ausgefuhrt, ist nach dem\nzweistufig ausgestalteten DSchG NW zu unterscheiden zwischen der konstitutiven\nBegrundung des Denkmalschutzes durch die Eintragung und den Wirkungen des\nDenkmalschutzes, die in den §§ 7 ff. DSchG NW geregelt sind. Fur die\nEintragung ist allein die Denkmaleigenschaft und nicht die Zumutbarkeit des\nErhaltungsaufwandes fur die Eigentumer oder sonstige Nutzungsberechtigte\nmaßgeblich. Eine Abwagung zwischen den Belangen des Denkmalschutzes und den\nprivaten Interessen der Betroffenen findet nicht in den ersten, sondern erst\nin der zweiten Stufe statt.\n\n58\n\nVgl. OVG NW, Urteil vom 11. Dezember 1989 - 11 A 2476/88 -, NWVBl. 1990, 201.\n\n59\n\nNur am Rande sei darauf hingewiesen, daß selbst nutzungsbeschrankende\nMaßnahmen im Interesse des Denkmalschutzes, die nach § 31 DSchG NW einen\nÜbernahmeanspruch des Eigentumers auslosen konnen, keine Enteignung\ndarstellen, sondern lediglich eine Inhaltsbestimmung des Eigentums.\nInfolgedessen sind sie nicht an Art. 14 Abs. 3 GG zu messen. Soweit eine\nsolche Nutzungsbeschrankung dem Eigentumer nur gegen eine Ausgleichsleistung\nzugemutet werden kann, gebieten es die bei der Inhaltsbestimmung des Eigentums\nzu beachtenden Grundsatze nicht, daß uber eine solche Ausgleichsleistung\nbereits in dem nutzungsbeschrankenden Verwaltungsakt selbst entschieden wird.\n\n60\n\nVgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - III ZR 112/91 -, BRS 54 Nr. 121.\n\n61\n\nDies hat um so mehr fur die bloße Eintragung der beiden Wohn- und\nGeschaftshauser in die Denkmalliste zu gelten, so daß die von den Klagern\ngeltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken insgesamt unbeachtlich sind.\n\n62\n\nDie unter Denkmalschutz gestellten beiden Wohn- und Geschaftshauser B...straße\n41 und 43 in ... sind im o.g. Sinne bedeutend fur die Geschichte des Menschen\nund der Stadte und Siedlungen, insbesondere fur die Stadt- und\nSiedlungsentwicklungsgeschichte der Stadt .... Fur die Erhaltung und Nutzung\nder beiden Hauser liegen sowohl wissenschaftliche als auch stadtebauliche\nGrunde vor.\n\n63\n\nDer Senat legt seiner Bewertung insbesondere die Ausfuhrungen des - durch\nBeweisbeschluß des Senats vom 2. Juli 1996 - bestellten Sachverstandigen Prof.\n... zugrunde.\n\n64\n\nIn seinem schriftlichen Sachverstandigengutachten vom 29\\. Oktober 1997 fuhrt\ndieser zur Frage der Denkmaleigenschaft der beiden Wohn- und Geschaftshauser\nnach Augenscheinseinnahme u.a. aus:\n\n65\n\n"... Im heute erhaltenen Baubestand erweist sich Nr. 43 als das altere\nGebaude. Als zweigeschossiges, drei-achsiges Dielenhaus mit Kruppelwalmdach\nerrichtet, reicht es nach seinen Proportionen und einigen Details im\nKernbestand bis in die Zeit vor 1500 zuruck (Bogen in den Traufwanden,\nKaminwange mit spatgotischem Profil). In die Erbauungszeit oder doch ins 16.\nJahrhundert gehort wohl auch das Dachwerk mit zwei Kehlbalkenlagen und 17\nSparrenlagen ... Im Dachwerk hat sich auch ein Innenaufzug erhalten, der die\nFunktion des Dachgeschosses als haufig genutzter Lagerraum belegt, fur die\nZeit, als die Diele noch bestand.\n\n66\n\nDas Haus hat im Laufe der Zeit mannigfache Veranderungen erfahren, die es\nveranderter Nutzung anpaßten. ... Trotz dieser starken Eingriffe in die\nSubstanz stellt das Gebaude allein durch sein hohes Alter ein wichtiges\nZeugnis fur die Bauweise in ... in der Zeit um 1500 dar. Es reprasentiert in\nseiner allgemeinen Erscheinung den Typ eines durchschnittlichen, auf\nbeschranktem Raum errichteten Wohn- und Lagerhauses, ohne\nReprasentationsaufwand. Schutzenswert sind die außere Erscheinungsform, daß\nfur die wissenschaftliche Hausforschung wichtige, ungewohnlich gut erhaltene\nDachwerk ... sowie einige Details, die aus der Erbauungszeit stammen (Bogen in\nden Traufwanden, Kellergewolbe, Geschoß\\- und Dachbalkenlagen). Dagegen sind\ndie Eingriffe in die Binnengliederung derart haufig und stark gewesen, daß\nhier bei einem angemessenen Nutzungskonzept kein Interesse an der Erhaltung\nder gegenwartigen Binnengliederung bestehen kann.\n\n67\n\nBei Nr. 41 handelt es sich um einen Neubau aus der Mitte des 19. Jahrhunderts\nan der Stelle eines Hauses, das nach den Beschreibungen des 18\\. und 19.\nJahrhunderts einen ahnlichen Charakter besessen hat wie Nr. 43. Nach dessen\nAbbruch im Jahre 1853 wurde das bestehende dreigeschossige\nMehrfamilienwohnhaus mit einer vierten Etage als Drempelgeschoß im Dachwerk\nerrichtet. Vorderfront und rechte Traufwand sind massiv errichtet, die ubrigen\nWande im Fachwerkbauweise.\n\n68\n\nDas Gebaude bietet sich als aufwendig gestalteter Putzbau mit einer\nvierachsigen Fassade in spatklassizistischer Gliederung dar. Eine Gesimszone\nauf einem Konsolbogenfries verdeckt fur den Beschauer von der Straße den\nDachansatz. Bereits diese außere Erscheinungsbild weist das Gebaude als\nwichtiges Denkmal fur die Sozialgeschichte und die baugeschichtliche\nEntwicklung in ... wahrend des 19. Jahrhunderts aus. ...\n\n69\n\nAuch die innere Gestaltung des Hauses Nr. 41 besitzt hohen Denkmalwert. Die\nErschließung und Raumgliederung des Hauses hat sich zu betrachtlichen Teilen\nim ursprunglichen Zustand erhalten. Das gilt insbesondere fur das Treppenhaus,\ndas als Holzkonstruktion um ein offenes Auge errichtet ist und sein Licht\ndurch ein Glasfenster im Dach erhalt. Es handelt sich um eine reprasentative,\nungewohnlich reich ausgestattete Anlage von vorzuglicher handwerklicher\nQualitat, die die Gestaltung des gesamten Treppenschachts mit einschließt\n(Wandvertafelung; Wandschrank). Damit liegt ein markantes Beispiel fur die\nEinbeziehung des Represantationselements Treppenhaus in die burgerliche\nWohnkultur vor sowie fur dessen Ausgestaltung im burgerlichen Wohnhausbau.\nBeispiele der zweiten Halfte des 19. Jahrhundert in situ in dieser Qualitat\nsind nur noch selten anzutreffen. ..."\n\n70\n\nDer Gutachter hat weiterhin ausgefuhrt, daß die Hauser B...straße Nr. 41 und\nNr. 43 nicht nur jedes fur sich, sondern auch als Teil eines Ensembles\nschutzenswert sind.\n\n71\n\nSeine uberzeugenden schriftlichen Darlegungen hat der Gutachter in der\nmundlichen Verhandlung vor dem Senat auf Befragen der Beteiligten und des\nGerichts im einzelnen noch einmal erklart und vertieft. Auch angesichts der\nschriftlichen Stellungnahme der Klager vom 15. Januar 1998 und den darin\nenthaltenen Angriffen gegen einzelne Aussagen des Gutachtens hat der\nSachverstandige insgesamt an seinen Ausfuhrungen im schriftlichen Gutachten\nfestgehalten.\n\n72\n\nDie von den Klagern gegen sein Gutachten geaußerten Zweifel hat der\nSachverstandige im einzelnen entkraftigen konnen.\n\n73\n\nDem Einwand der Klager, der Gutachter haben die Innenraume sowie den Keller\ndes Hauses Nr. 41 nicht besichtigt und sei dennoch zu dem Ergebnis gekommen,\ndaß die innere Gestaltung und Binnengliederung dieses Hauses einen hohen\nDenkmalwert besitze, ist der Sachverstandige damit begegnet, daß im\nallseitigen Einvernehmen im Ortstermin auf eine Besichtigung dieser Raume\nverzichtet worden sei. Die Raume seien bewohnt, so daß es nicht angezeigt\ngewesen sei, diese zu betreten. Auf eine Besichtigung habe weiterhin auch\nverzichtet werden konnen, weil die innere Raumaufteilung sich aus der\nvorliegenden Inventarisationsakte ergeben habe. Das gleiche gelte fur den\nDekor der vorderen Wohnraume. Grundlage seiner gutachterlichen Äußerung seien\nzudem nicht nur die Anschauung im Ortstermin, sondern neben dem vorliegenden\nAktenmaterial einschließlich der Inventarisationsakte auch die Auskunfte der\nKlagerseite gewesen. Die Klager hatten namlich angegeben, daß sich in den\nvorderen Raumen Stuckdekoration befanden.\n\n74\n\nBezuglich des Dachwerkes des Hauses Nr. 43 sei es fur die Denkmaleigenschaft\nunerheblich, ob dieses aus der Erbauungszeit - namlich dem 15. Jahrhundert -\noder aus dem 16. Jahrhundert stamme.\n\n75\n\nDie Klager haben dem Sachverstandigen vorgehalten, er sei bezuglich des Hauses\nNr. 41 zu dem Ergebnis gekommen, daß das Erdgeschoß vollig verandert sei.\nBezuglich des Hauses Nr. 43 habe er in seinem Gutachten festgestellt, daß das\nHaus im Laufe der Zeit mannigfache Veranderungen erfahren habe und\nUmbaumaßnahmen den ursprunglichen Charakter des Erdgeschosses vollig verandert\nhatten. Diese Eingriffe in die Innengliederung seien derartig haufig und stark\ngewesen, daß hier kein Interesse an der Erhaltung der gegenwartigen\nInnengliederung bestehen konne. Dennoch habe er die Denkmaleigenschaft bejaht.\n\n76\n\nHierzu hat der Sachverstandige erklart, diese Satze seien aus dem Zusammenhang\ngerissen und mußten im Zusammenhang mit seinen sonstigen Aussagen gewertet\nwerden. Er bestreite nicht die erwahnten mannigfachen Veranderungen und\nUmbaumaßnahmen. Diese seien allerdings nicht geeignet, die Denkmaleigenschaft\nentfallen zu lassen oder ernsthaft in Frage zu stellen. Der hohe Denkmalwert\ndes Hauses Nr. 43 folge insbesondere aus den Teilen, die noch aus der\nErbauungszeit stammten. Im Haus Nr. 41 sei zwar das Erdgeschoß vollig\nverandert worden. Dies beruhre jedoch die Denkmaleigenschaft des Gebaudes\nnicht. Dieses Haus sei gewissermaßen als Reflex auf bestimmte klassizistische\noffizielle Bauten in ... errichtet worden, Dies bedeute, daß sich der\nseinerzeitige Bauherr mit der Gestaltung seines privaten Gebaudes an\noffiziellen Bauten orientiert habe. Allein dieser Vorgang habe schon\nDenkmalwert.\n\n77\n\nDer Senat folgt auch diesen nachvollziehbaren Äußerungen des Sachverstandigen.\nDer Senat ist weiterhin uberzeugt von der Sachkunde des Gutachters, der\nwissenschaftlicher Vorstand des Instituts fur vergleichende\nStadtebaugeschichte an der ... ist. Von seiner Sachkunde konnte sich der Senat\nbereits in einem fruheren Denkmalschutzverfahren uberzeugen. Der Senat hat\nzudem keinerlei Anlaß an der Unabhangigkeit des Gutachters und der Richtigkeit\nseiner Ausfuhrungen zu zweifeln.\n\n78\n\nDie Ausfuhrungen des Gutachters, daß dem inneren der Erdgeschosse der Gebaude\nNr. 41 und 43 sowie der Innengliederung des Gebaudes Nr. 43 kein Denkmalwert\nzukommt, fuhrt auch nicht dazu, daß die Eintragung der beiden Gebaude\ninsgesamt in die Denkmalliste rechtswidrig ware.\n\n79\n\nDer Senat verkennt nicht, daß nach § 2 Abs. 2 Satz 1 DSchG NW auch Teile von\nbaulichen Anlagen Baudenkmaler sein konnen, an deren Erhaltung und Nutzung ein\noffentliches Interesse besteht. Das bedeutet, daß sich der Denkmalschutz auf\nTeile dieser baulichen Anlagen beschranken kann und muß, falls nur insoweit\ndie Voraussetzungen fur eine Unterschutzstellung vorliegen. Die Denkmalbehorde\nist also nicht etwa befugt, in solchen Fallen uber den schutzwurdigen Teil der\nAnlage hinaus weitere Teile oder gar die gesamte Anlage in die Denkmalliste\neinzutragen und hinsichtlich der nicht schutzwurdigen Teile erst im Rahmen des\nErlaubnisverfahrens nach § 9 DSchG NW dem Mangel der Schutzwurdigkeit Rechnung\nzu tragen. Zu berucksichtigen ist insoweit allerdings, daß die Beschrankung\nder Unterschutzstellung auf einen Teil der Anlage voraussetzt, daß dieser\ngegenuber dem nicht schutzwurdigen Teil der Anlage uberhaupt einer\nselbstandigen Bewertung unter Gesichtspunkten des Denkmalschutzes zuganglich\nist und in diesem Sinn als abtrennbarer Teil der Anlage erscheint.\n\n80\n\nVgl. OVG NW, Urteil vom 2. November 1988 - 7 A 2826/86 -, BRS 48 Nr. 117.\n\n81\n\nAn dieser selbstandigen Abtrennbarkeit fehlt es im vorliegenden Verfahren.\nSowohl im Gebaude Nr. 41 als auch im Gebaude Nr. 43 bestehen zwischen Fassade,\nAußenwanden und Dachkonstruktion ein untrennbarer Sachzusammenhang, der eine\nTrennung zwischen denkmalgeschutzten Bauteilen und nicht denkmalgeschutzten\nBauteilen nicht zulaßt. Infolge dessen scheidet eine Aufteilung zwischen\ngeschutzten und nicht geschutzten Bauteilen im Unterschutzstellungsverfahren\naus.\n\n82\n\nDa sowohl das Gebaude Nr. 41 als auch das Gebaude Nr. 43 fur sich Denkmaler im\nSinne des Gesetzes sind, bedarf es zur Begrundung ihrer Denkmaleigenschaft\nnicht der zusatzlichen Ausfuhrungen des Gutachters zum Ensembleschutz. Infolge\ndessen hatte sich der Senat weder mit diesen Ausfuhrungen noch mit den dagegen\ngerichteten Einwanden der Klager auseinanderzusetzen.\n\n83\n\nDurch die uberzeugenden Ausfuhrungen des Gerichtsgutachters sind im Kern die\nsachkundigen schriftlichen Äußerungen des Beigeladenen im Verwaltungsverfahren\nbestatigt worden. Diese sind auch fur sich, insbesondere aber im\nZusammenwirken mit den Ausfuhrungen des Gerichtsgutachters geeignet die\nDenkmaleigenschaft der fraglichen Gebaude zu erweisen.\n\n84\n\nEntgegen den Ausfuhrungen des Prozeßbevollmachtigten der Klager ergibt sich\ndie fachliche Sachkunde der Denkmalpflegeamter der Landschaftsverbande\ngenerell aus der gesetzlichen Zuweisung der von ihnen im Rahmen der\nDenkmalpflege wahrzunehmenden Aufgaben, zu denen u.a. die Erstattung von\nGutachten in allen Angelegenheiten des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege\ngehort. Der Einschatzung der Denkmalpflegeamter kommt somit nicht zuletzt\nwegen der in § 22 Abs. 4 DSchG NW statuierten Weisungsunabhangigkeit eine\nwesentliche Bedeutung zu.\n\n85\n\nAußerdem hat der Berichterstatter dem Senat das Ergebnis seiner\nAugenscheinseinnahme anhand der vorliegenden Fotografien und Planen\nvermittelt.\n\n86\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen\nKosten des Beigeladenen waren gemaß § 162 Abs. 3 VwGO nicht fur\nerstattungsfahig zu erklaren, da er sich nicht durch die Stellung eigener\nAntrage am Prozeßrisiko beteiligt hat. Der Ausspruch uber die vorlaufige\nVollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711,\n713 ZPO.\n\n87\n\nAuch auf den Hilfsantrag der Klager war die Revision nicht zuzulassen, da die\nVoraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfullt sind.\n\n88\n\n
310,172
ovgnrw-1998-01-19-15-a-298995
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
15 A 2989/95
1998-01-19
2019-03-13 08:46:17
2020-12-10 13:13:37
Urteil
ECLI:DE:OVGNRW:1998:0119.15A2989.95.00
## Tenor\n\nDie Berufung wird zuruckgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\nDas Urteil ist wegen der Kosten vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n \n1\n\nTatbestand:\n\n2\n\nDer Klager ist Eigentumer des 9.954 qm großen und teilweise mit einer\nlandwirtschaftlichen Hofstelle - Wohnhaus und Nebengebauden - bebauten\nGrundstucks Gemarkung M , Flur 1, Flurstuck 1799, das mit einer Frontlange von\n92 m an die sudlich etwa in Ost-West-Richtung verlaufende D Straße grenzt.\nNach dem Bau der Autobahn A 33 und der neuen Bundesstraße 1 wurde die D Straße\nzur Kreisstraße (K 38) abgestuft. Die ca. 1,1 km lange Ortsdurchfahrt des\nStadtteils M der Stadt P verfugte fruher uber eine befestigte Breite zwischen\nden Hochborden von ca. 14 m, bestehend aus zwei Fahrstreifen mit einer Breite\nvon jeweils 4,5 m und angrenzenden Mehrzweckstreifen von jeweils 2,50 m.\nZusammen mit den beiderseitig angelegten Gehwegen ergaben sich\nParzellenbreiten zwischen 15 m und 25 m. Zum Zweck der weiteren Verdrangung\ndes Durchgangsverkehrs und zur Geschwindigkeitsdrosselung wurde die\nOrtsdurchfahrt in dem Zeitraum von 1988 bis 1991 in zwei Bauabschnitten\nzuruckgebaut. Die auf jeweils 3 m verengten Fahrstreifen wurden an einigen\nStellen durch Verkehrsinseln bzw. Fahrbahnteiler unterbrochen. Daneben wurden\nbeidseitig Trennstreifen angelegt, die teilweise als Parkstreifen,\nBushaltebuchten bzw. Grunstreifen in unterschiedlicher Breite gestaltet sind.\nHieran grenzen beidseitig jeweils 1,5 m breite Rad- und ebenso breite Gehwege,\ndie zum Teil durch weitere Grunstreifen getrennt sind. Die letzte\nwerkvertragliche Abnahme der Baumaßnahme erfolgte am 31. Oktober 1991.\n\n3\n\nDer Beklagte wertete die erstmalige Herstellung von Radwegen einschließlich\ndes Abgrenzungsgruns als beitragsfahige Maßnahme. Entsprechend der\nVerteilungsregelung in § 4 der Straßenbaubeitragssatzung vom 6. November 1990\nunterschied er bei den durch die Anlage erschlossenen Grundstucken zwischen\neinerseits im Außenbereich gelegenen und mit insgesamt 450 m an die D Straße\ngrenzenden landwirtschaftlich genutzten Grundstucken und andererseits bebauten\nbzw. baulich/gewerblich nutzbaren Grundstucken in beplanten Bereichen und im\nnicht beplanten Innenbereich. Die nach Maßgabe der Satzung vorgenommene\n"Vorverteilung" des beitragsfahigen Aufwandes im Verhaltnis von 1:3 ergab fur\ndie landwirtschaftlich genutzten Grundstucke einen Beitragssatz von 12,89 DM\nje laufenden Meter Angrenzungsbreite.\n\n4\n\nDurch Bescheid vom 30. August 1993 zog der Beklagte den Klager unter\nZugrundelegung einer Angrenzungsbreite des Grundstucks von 92 m zu einem\nStraßenbaubeitrag von 1.185,88 DM heran. Den Widerspruch des Klagers wies er\ndurch Widerspruchsbescheid vom 28. Marz 1994 zuruck.\n\n5\n\nZur Begrundung seiner dagegen rechtzeitig erhobenen Klage hat der Klager\ngeltend gemacht: Seinem im Außenbereich gelegenen und landwirtschaftlich\ngenutzten Grundstuck wurden durch die Anlegung separater Radwege keine\nwirtschaftlichen Vorteile vermittelt. Zwar sei unbestritten, daß der Ausbau\nvon Straßen auch fur landwirtschaftlich genutzte Grundstucke vorteilhaft sei.\nDieser Vorteil stutze sich jedoch darauf, daß Landwirte bei der typischen\nBodennutzung den Straßenausbau auch fur ihre Fahrzeuge mit in Anspruch nehmen\nkonnten. Demgegenuber seien sonstige Teileinrichtungen der Straße wie etwa\nGehwege, Radwege oder Parkstreifen fur die landwirtschaftliche\nGrundstucksnutzung ohne jeden Vorteil. Solche Teileinrichtungen seien\ntypischerweise nur fur eine Wohn- oder Gewerbenutzung von Bedeutung. Im\nubrigen verstoße jedenfalls die Verteilung nach dem Frontmetermaßstab gegen\nden Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit. Der Frontmetermaßstab sei nur dann\nein geeigneter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wenn ein Abrechnungsgebiet eine\nnach Maß und Art im wesentlichen einheitliche Grundstucksnutzung aufweise. Das\nsei vorliegend nicht der Fall, da die Angrenzungsbreiten nicht gleichformig\nseien und variierten. Der Vorteil fur landwirtschaftlich genutzte Grundstucke\nrichte sich in erster Linie nach deren Große und damit der\nBewirtschaftungsmoglichkeit, nicht aber nach der zufalligen Angrenzungsbreite\nan die Straße.\n\n6\n\nDer Klager hat beantragt,\n\n7\n\nden Beitragsbescheid des Beklagten vom 30. August 1993 in der Fassung seines\nWiderspruchsbescheides vom 28\\. Marz 1994 aufzuheben.\n\n8\n\nDer Beklagte hat beantragt,\n\n9\n\ndie Klage abzuweisen,\n\n10\n\nund zur Begrundung vorgebracht: Die erstmalige Herstellung beidseitiger\nRadwege habe eine Verbesserung der Straße zur Folge, weil der Straßenverkehr\nsicherer, leichter und gefahrloser geworden sei. Hierdurch wurden auch den\nlandwirtschaftlich genutzten Grundstucken wirtschaftliche Vorteile vermittelt,\nda sie leichter und gefahrloser erreicht werden konnten, wodurch zugleich der\nGebrauchswert erhoht werde. Insbesondere sei auch die Moglichkeit der\nInanspruchnahme des Radweges zur Bewirtschaftung anliegender\nlandwirtschaftlicher Flachen nicht schlechthin ausgeschlossen. Deshalb bestehe\ngrundsatzlich eine Beitragspflicht, die nach den Vorteilen unterschiedlich zu\nbemessen sei. Dem diene die sogenannte Vorverteilung, die unter den\nGesichtspunkten der Praktikabilitat und Durchschaubarkeit des\nAbrechnungsverfahrens eine hinreichende Vorteilsdifferenzierung zwischen\neinerseits landwirtschaftlichen Grundstucken und andererseits Grundstucken mit\nqualifizierter Nutzung ermogliche. Mit der Bewertung eines Verhaltnisses von\n1:3 sei eine gerechte Abwagung der unterschiedlichen\nInanspruchnahmemoglichkeiten und Verbesserungsvorteile erfolgt. Schließlich\nstelle sich der Breitenmaßstab als geeigneter Maßstab fur die\nAufwandsverteilung innerhalb der Gruppe der landwirtschaftlich genutzten\nGrundstucke dar. Denn bei den Landwirtschaftsgrundstucken sei eine\nbeitragsrechtlich unterschiedlich zu bewertende Nutzbarkeit nicht\nfeststellbar.\n\n11\n\nMit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Entscheidungsgrunde Bezug genommen\nwird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.\n\n12\n\nDagegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Berufung des Klagers, mit der\ner unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend macht: Die\nvom Verwaltungsgericht vorgenommene Bewertung seines Grundstucks als zum\nInnenbereich gehorend sei unzutreffend. Sie widerspreche sowohl der Auffassung\ndes Beklagten als zustandiger Baugenehmigungsbehorde wie auch den Bestimmungen\ndes Flachennutzungsplans. Ebenfalls konne eine Augenscheinseinnahme der\ntatsachlichen Verhaltnisse zu keinem anderen Ergebnis fuhren. Die am Nord-Ost-\nRand des Ortsteils M gelegenen Hofe seien nach Lage und Stellung der Baukorper\nso gestaltet, wie dies fur den Außenbereich typisch sei. Die Hofstellen\nbildeten auch keinen stadtischen Zusammenhang mit dem Innenbereich des\nOrtsteils M , da sie von diesem durch große Freiflachen abgetrennt seien.\nAngesichts der Außenbereichslage des Grundstucks stellten sich weiterhin die\nbereits erstinstanzlich aufgeworfenen beitragsrechtlichen Kernprobleme.\nRadwege seien zur Nutzung eines Außenbereichsgrundstucks weder erforderlich\nnoch zweckmaßig. Das gelte vorliegend auch deshalb, weil die Ein- und Ausfahrt\ndurch den direkt an die Grundstuckseinfriedigung grenzenden Radweg erschwert\nwerde und unubersichtlich geworden sei. Die Vorverteilung des Aufwandes\nzwischen Wohn- und Außenbereichsgrundstucken nach Frontlangen werde nicht\nbeanstandet. Etwas anderes gelte jedoch fur die in gleicher Weise erfolgte\nAufwandsverteilung innerhalb der Gruppe bzw. des "Blocks" der\nLandwirtschaftsgrundstucke. Fur diese Grundstucke sei der Frontmetermaßstab\nweder aus Grunden der Typisierung noch unter Vorteilsgesichtspunkten\nhinzunehmen, da die unterschiedlichen Grundstucksgroßen unberucksichtigt\nblieben.\n\n13\n\nDer Klager beantragt,\n\n14\n\nunter Änderung des angefochtenen Urteils nach dem erstinstanzlichen\nKlageantrag zu erkennen.\n\n15\n\nDer Beklagte beantragt,\n\n16\n\ndie Berufung zuruckzuweisen\n\n17\n\nEr macht geltend: Nach den Darstellungen im Flachennutzungsplan liege das\nGrundstuck im Außenbereich; hiervon werde auch nach dem Ergebnis der vom\nBerichterstatter durchgefuhrten Ortsbesichtigung weiterhin ausgegangen. Die\nsatzungsgemaße Vorverteilung des beitragsfahigen Aufwandes nach den\nAngrenzungsbreiten werde allgemein als vorteilsgerecht anerkannt. Die in\ngleicher Weise erfolgende Verteilung innerhalb des Blocks der\nlandwirtschaftlich genutzten Grundstucke stelle sich ebenfalls als (noch)\nvorteilsgerecht dar. Insbesondere bestehe bei einheitlich landwirtschaftlich\ngenutzten Grundstucken auch vor dem Hintergrund der Praktikabilitat und\nDurchschaubarkeit des Abrechnungsverfahrens keine Verpflichtung zur\nDifferenzierung nach Art und Maß der Grundstucksnutzung. Die durch die\nHerstellung der Radwege auch dem Grundstuck des Klagers vermittelten Vorteile\nwurden weder durch die Verschmalerung der Fahrbahn noch die Erschwernisse bei\nder Ein-/Ausfahrt kompensiert, zumal das Grundstuck nicht an den Radweg,\nsondern den Gehweg grenze.\n\n18\n\nDer Berichterstatter hat am 9. September 1997 die Örtlichkeit in Augenschein\ngenommen. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Niederschrift (Blatt\n97 bis 99 der Gerichtsakte) Bezug genommen.\n\n19\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten im ubrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der\nbeigezogenen Verwaltungsvorgange des Beklagten Bezug genommen.\n\n20\n\nEntscheidungsgrunde:\n\n21\n\nDie zulassige Berufung ist unbegrundet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage\nim Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Heranziehungsbescheid ist\nrechtmaßig und verletzt deshalb keine Rechte des Klagers (§ 113 Abs. 1 Satz 1\nVwGO).\n\n22\n\nDer Bescheid rechtfertigt sich aus § 8 des Kommunalabgabengesetzes fur das\nLand Nordrhein-Westfalen (KAG NW) i.V.m. der Satzung der Stadt P uber die\nErhebung von Beitragen nach § 8 KAG NW vom 6. November 1990 (BS), unter deren\nzeitlicher Geltung die abgerechnete Maßnahme abgeschlossen worden ist. Nach §\n1 BS erhebt die Stadt zum Ersatz des Aufwandes u.a. fur die Herstellung und\nVerbesserung der Anlagen (nach dem Begriff des KAG NW) im Bereich der\noffentlichen Straßen als Gegenleistung fur die dadurch den Eigentumern der\nerschlossenen Grundstucke gebotenen wirtschaftlichen Vorteile Beitrage. Diese\nVoraussetzungen sind hier erfullt.\n\n23\n\nDie D Straße ist innerhalb der Ortsdurchfahrt M beitragsfahig ausgebaut\nworden. Die im Zusammenhang mit dem "Ruckbau" erstmalig erfolgte Anlegung\nbeidseitiger Radwege stellt eine Verbesserung der Straße als Ganzes dar. Durch\ndie Schaffung der zusatzlichen Teilanlage Radweg wird die funktionale\nAufteilung der Gesamtflache vorteilhaft verandert. Die Anlegung von Radwegen\nfordert unter Aufrechterhaltung der bisherigen Verkehrskonzeption den\nVerkehrsablauf auf der Straße durch Trennung der verschiedenen Verkehrsarten.\nDie Fahrbahn wird dadurch entlastet, daß sie nunmehr nur noch den\nKraftfahrzeugverkehr und nicht auch noch den Radverkehr aufnehmen muß. Dies\nhat zur Folge, daß der Kraftfahrzeugverkehr nicht durch langsamer fahrende\nRadfahrer behindert wird. Vor allem aber wird die Sicherheit fur Radfahrer\nerheblich erhoht.\n\n24\n\nVgl. OVG NW, Urteile vom 29\\. November 1988 - 2 A 1678/86 - Gemhlt 1989, 232\n(233), vom 29\\. November 1989 - 2 A 1419/87 - NWVBl 1990, 311 und vom 25. Mai\n1992 \\- 2 A 1646/90 - S. 10 des amtlichen Umdrucks.\n\n25\n\nDurch die erstmalige Herstellung von Radwegen werden den Anliegern\ngrundsatzlich auch die fur die Entstehung der Beitragspflicht erforderlichen\nwirtschaftlichen Vorteile im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NW geboten. Diese\nsind gegeben, wenn der Ausbau zu Gebrauchsvorteilen an der Anlage fuhrt, durch\ndie die erschlossenen Grundstucke leichter und sicherer erreicht werden\nkonnen. Hierdurch wird der Gebrauchswert der Grundstucke erhoht und den\nGrundstuckseigentumern ein maßnahmebedingter und grundstucksbezogener\nwirtschaftlicher Vorteil geboten. Derartige Vorteile ergeben sich aus der\nzusatzlichen Anlegung von Radwegen deshalb, weil der Radverkehr einschließlich\ndes Anliegerradverkehrs in diesem Bereich wesentlich sicherer wird. Außerdem\nwerden die Kraftfahrzeuge auf der Fahrbahn nicht mehr durch Radfahrer\nbehindert.\n\n26\n\nVgl. OVG NW, Urteile vom 29. November 1988 - 2 A 1678/86 - a.a.O., vom 29.\nNovember 1989 - 2 A 1419/87 - a.a.O. (313) und vom 25. Mai 1992 \\- 2 A 1646/90\n- S. 13 des amtlichen Umdrucks.\n\n27\n\nDer durch die erstmalige Anlegung von Radwegen typischerweise vermittelte\nwirtschaftliche Vorteil entfallt hier auch nicht deshalb, weil zugleich die\nFahrbahn verengt worden ist. Grundsatzlich konnen Vorteile, die durch eine\nAusbaumaßnahme bewirkt werden, infolge mit ihr einhergehender\nVerschlechterungen nur dann aufgehoben (kompensiert) werden, wenn beide\ndieselbe Teileinrichtung betreffen.\n\n28\n\nVgl. OVG NW, Urteil vom 8. Dezember 1995 - 15 A 2402/93 - NWVBl 1996, 144\n(145).\n\n29\n\nDas ist vorliegend nicht der Fall, denn der durch die Verengung der Fahrbahn\neingetretene Nachteil betrifft allein diese - nicht beitragspflichtige -\nTeileinrichtung und nicht zugleich auch die allein streitgegenstandliche\nTeileinrichtung Radweg. Ein Grund fur eine nur ausnahmsweise daruber\nhinausgehende teileinrichtungsubergreifende Kompensation besteht ebenfalls\nnicht.\n\n30\n\nDurch die erstmalige Herstellung der beiden Radwege werden auch dem Grundstuck\ndes Klagers wirtschaftliche Vorteile vermittelt. Dies folgt allerdings\nentgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung nicht daraus, daß\ndas Grundstuck (noch) innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils M liegt\nund bereits deshalb der Beitragspflicht unterliegt. Die Beitragspflicht ergibt\nsich vorliegend vielmehr allein daraus, daß das dem Außenbereich zuzurechnende\nGrundstuck u.a. mit einem bestandsgeschutzten Wohnhaus bebaut ist.\n\n31\n\nEntgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist das Grundstuck des Klagers\ndem Außenbereich im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB zuzurechnen. Davon gehen\nbereits die Beteiligten ubereinstimmend aus und diese Beurteilung findet ihre\nBestatigung in dem vom Berichterstatter bei der Inaugenscheinnahme gewonnenen\nund den Mitgliedern des Senats vermittelten Eindruck von der Örtlichkeit sowie\nden vorliegenden Lichtbildern und dem Kartenmaterial.\n\n32\n\nDas zu beurteilende Grundstuck liegt außerhalb des im Zusammenhang bebauten\nOrtsteils. Ein Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB reicht\nsoweit, wie die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulucken\nnach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und\nZusammengehorigkeit vermittelt und die zu beurteilende Flache selbst diesem\nZusammenhang angehort. Hieruber ist aufgrund einer umfassenden Wertung und\nBewertung des im Einzelfall gegebenen konkreten Sachverhalts zu entscheiden.\nGrundlage und Ausgangspunkt einer solchen wertenden und bewertenden\nBeurteilung sind die tatsachlichen ortlichen Gegebenheiten. Dabei kommt es fur\ndie Ausdehnung eines Bebauungszusammenhangs auf die Grundstucksgrenzen nicht\nentscheidend an. Erforderlich ist vielmehr, daß die zu beurteilende Flache\neinen Bestandteil des Bebauungszusammenhangs bildet. Andererseits endet ein\nBebauungszusammenhang nicht zwangslaufig mit dem letzten vorhandenen Gebaude.\nDer Bebauungszusammenhang kann durch besondere topographische oder\ngeographische Umstande wie Gelandehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte\nbeeinflußt werden. Die Berucksichtigung solcher außerlich erkennbarer Umstande\nkann dazu fuhren, daß der Bebauungszusammenhang im Einzelfall abweichend von\nder Regel nicht am letzten Baukorper endet, sondern noch ein oder mehrere\nunbebaute Grundstucke bis zu einer sich aus der ortlichen Situation ergebenden\nnaturlichen Grenze mit einschließt. Wie weit der Bebauungszusammenhang uber\ndas letzte Gebaude hinaus reicht, hangt von den jeweiligen Umstanden des\nEinzelfalls ab.\n\n33\n\nVgl. BVerwG, Urteile vom 1. Dezember 1972 - IV C 6.71 - BRS 25 Nr. 36, vom\n12\\. Dezember 1990 - 4 C 40.87 - BRS 50 Nr. 72 und Beschluß vom 1. April 1997\n\\- 4 B 11.97 - NVwZ 1997, 899.\n\n34\n\nGemessen an diesen Kriterien endet der Bebauungszusammenhang nordlich der D\nStraße nicht (erst) mit der landwirtschaftlichen Hofstelle des Klagers,\nsondern bereits ca. 240 m westlich mit dem auf dem Grundstuck Gemarkung M Flur\n1, Flurstuck 1265 (D Straße 367) errichteten Wohnhaus nebst Garage. Zwischen\nder dortigen Bebauung und den Gebauden auf dem Grundstuck des Klagers befindet\nsich allein die dem Grundstuck des Klagers benachbarte, nur durch die\nStichstraße "I L " getrennte und mit einem Wohngebaude und Nebengebauden\nbebaute Hofstelle R . Mit ihrem jeweiligen Gebaudebestand und den zugehorigen\nFreiflachen werden beide Hofgrundstucke privilegiert außenbereichstypisch\ngenutzt. Nordlich der D Straße wird der Bebauungszusammenhang im\nBeurteilungsbereich jedenfalls durch die Freiflache zwischen dem Flurstuck\n1265 und dem nachstgelegenen Gebaude auf dem Hof R unterbrochen. Die etwa 150\nm breite und sich weit nach Norden erstreckende Flache ist unbebaut und wird\nausschließlich landwirtschaftlich genutzt. Sie tritt in der Örtlichkeit\npragnant in Erscheinung und bildet eine den Bebauungszusammenhang deutlich\ntrennende Zasur. Das gilt gleichermaßen fur die D Straße, die mit ihrer\nGesamtbreite von mehr als 15 m schneisenartig den sudlich vorhandenen\nBaubestand von den im Beurteilungsbereich liegenden nordlich angrenzenden\nFreiflachen und Hofstellen trennt.\n\n35\n\nDem hiernach im Außenbereich gelegenen Grundstuck des Klagers werden durch den\nStraßenausbau wirtschaftliche Vorteile vermittelt, weil auf der straßennahen\nund mit mehreren landwirtschaftlichen Nebengebauden bebauten Teilflache -\nwirtschaftliche Einheit - auch ein (großeres) Wohnhaus errichtet ist, das als\nbereits realisiertes privilegiertes Vorhaben im Außenbereich Bestandsschutz\ngenießt. Solchermaßen genutzten Grundstucken im Außenbereich kommen im\nwesentlichen dieselben gesicherten wirtschaftlichen Vorteile durch den\nStraßenausbau zugute wie Grundstucken im Innenbereich. Vgl. OVG NW, Beschluß\nvom 12. Mai 1995 \\- 15 B 551/95 - S. 6 f. des amtlichen Umdrucks.\n\n36\n\nIm Gegensatz zu ausschließlich landwirtschaftlich genutzten Grundstucken ohne\nWohnbebauung ist bei landwirtschaftlichen Hofstellen eine im Außenbereich nur\nwegen Vorliegens eines Privilegierungstatbestandes nach § 35 Abs. 1 BauGB\nzulassige, grundsatzlich aber atypische Wohnnutzung realisiert, die nach\nstraßenbaubeitragsrechtlichen Maßstaben der von Wohnbaugrundstucken im\nbeplanten oder unbeplanten Innenbereich vergleichbar ist. Ist diese vorhandene\nWohnbaunutzung auf einem Außenbereichsgrundstuck zugleich in ihrem Bestand\ngesichert, besteht fur die Grundstuckseigentumer eine im Hinblick auf die\nMoglichkeit der Nutzung einer straßenbaulich verbesserten Anlage vergleichbare\nSituation zu solchen Eigentumern von bebauten oder unbebauten\nWohnbaugrundstucken im Innenbereich; ebenso wie diese konnen die Eigentumer\nvon landwirtschaftlichen Hofstellen mit bestandsgeschutzter Wohnnutzung die\nverbesserte Anlage gleichermaßen d a u e r h a f t in Anspruch nehmen. Damit\nunterscheiden sich zugleich die ihnen aus einer straßenbaulich verbesserten\nAnlage vermittelten und gesicherten wirtschaftlichen Vorteile deutlich von den\nVorteilen, die Eigentumern rein landwirtschaftlich genutzter Grundstucke,\nderen zukunftige Bebauung mit einem Wohnhaus ungesichert und ungewiß ist,\nzugute kommen.\n\n37\n\nDiese Bewertung der Vorteilssituation gilt unabhangig von der Art und Weise,\nin der die straßenbauliche Verbesserung bewirkt wurde. Vorliegend hat die\nerstmalige Anlegung von Radwegen fur das u.a. bestandsgeschutzt wohnbaulich\ngenutzte Grundstuck des Klagers zur Folge, daß dessen Erreichbarkeit mit\nFahrradern nach der Ausbaumaßnahme sicherer und leichter geworden ist. Diesem\nSicherheitsaspekt kommt auch wegen der Lage des Grundstucks am Ortsrand von M\nund der daraus zu schließenden verstarkten Inanspruchnahme(-moglichkeit) der\nRadwege Bedeutung zu.\n\n38\n\nHiernach ist die Beitragspflicht trotz Zuordnung des streitbefangenen\nGrundstucks zum Außenbereich dem Grunde nach gerechtfertigt. Die\nStraßenbaubeitragssatzung unterwirft nicht nur straßenbauliche\nVerbesserungsmaßnahmen an Erschließungsanlagen - nach der Begriffsbestimmung\ndes § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB - im beplanten oder unbeplanten Innenbereich der\nBeitragspflicht, sondern auch solche Maßnahmen, die an Anlagen im Außenbereich\ndurchgefuhrt werden bzw. an Anlagen, die - wie hier in Teilstrecken der D\nStraße - einseitig Innenbereichsgrundstucke erschließen und einseitig an den\nAußenbereich grenzen. Gemaß § 1 BS ist jede Verbesserung von Anlagen (nach dem\nBegriff des KAG NW) im Bereich der offentlichen Straßen beitragspflichtig, so\ndaß die Beitragspflicht ausdrucklich nicht auf "Erschließungsanlagen" begrenzt\nist. Auch die Regelungen zur Ermittlung des beitragsfahigen Aufwandes in § 3\nAbs. 2 BS unterscheiden bei den Straßenarten und deren anrechenbaren Breiten\nu.a. nach ihrer Lage "in sonstigen Baugebieten, innerhalb im Zusammenhang\nbebauter Ortsteile (§ 34 BauGB) sowie im Außenbereich (§ 35 BauGB)". Ferner\nenthalten die Bestimmungen uber den Beitragsmaßstab in § 4 BS einen\numfassenden und differenzierten Verteilungsmaßstab fur Grundstucke im\nbeplanten bzw. unbeplanten Innenbereich und Außenbereich sowie fur land- und\nforstwirtschaftliche Nutzflachen (§ 4 Abs. 4 Nr. 5 lit. f) bis i) BS).\n\n39\n\nDie Beitragsforderung ist auch der Hohe nach nicht zu beanstanden. Auf der\nGrundlage der maßnahmebedingten Ausbaukosten von 672.609,76 DM fur die Radwege\neinschließlich des Abgrenzungsgruns und der rechtsfehlerfreien Einstufung der\nD Straße als Hauptverkehrsstraße ist der beitragsfahige Aufwand - im Umfang\nvon 10 v.H. - zutreffend mit 67.260,98 DM ermittelt; dagegen werden im ubrigen\nauch vom Klager keine Bedenken geltend gemacht. Ebenso erweist sich die\nAufwandsverteilung, soweit sie sich auf die im beplanten bzw. unbeplanten\nInnenbereich gelegenen Grundstucke bezieht, als rechtsfehlerfrei. Demgegenuber\nsteht zwar die sogenannte "Vorverteilung" und nachfolgende Aufwandsverteilung\nauf landwirtschaftliche Hofstellen mit Wohnbebauung nicht im Einklang mit den\nBestimmungen der Straßenbaubeitragssatzung. Dieser Mangel in der Berechnung\nwirkt sich jedoch nicht zugunsten des Klagers aus, da bei zutreffender\nAnwendung der Satzung ein deutlich hoherer Straßenbaubeitrag auf sein\nGrundstuck entfallt.\n\n40\n\nEine Vorverteilung des beitragsfahigen Aufwandes und dessen anschließende\nVerteilung innerhalb des "Blocks" der land- oder forstwirtschaftlichen\nNutzflachen auf der Basis von Grundstucksbreiten an der Anlage werden durch\nden in § 4 Abs. 4 Nr. 5 lit. f) und g) BS geregelten Beitragsmaßstab nur "fur\nim Außenbereich gelegene land- oder forstwirtschaftliche Nutzflachen" bzw.\n"fur land- oder forstwirtschaftliche Nutzflachen im Außenbereich" zugelassen.\nSchon nach ihrem Wortlaut erfassen beide Satzungsbestimmungen in erster Linie\ndie genannten Nutzflachen im Sinne von unbebauten Freiflachen mit\nentsprechender Nutzungsart. Der in dieser Weise eingegrenzte Anwendungsbereich\nder vorgenannten Satzungsbestimmungen ergibt sich auch aus der Systematik des\nsatzungsrechtlichen Beitragsmaßstabes sowie dessen Sinn und Zweck. Wahrend § 4\nAbs. 4 Nr. 5 lit. f) und g) BS Sonderregelungen ausschließlich fur die dort\nnaher umschriebenen "Nutzflachen" trifft, regeln die vorangehenden Absatze des\n§ 4 BS bei qualifizierter Grundstucksnutzung, insbesondere zulassiger oder\ntatsachlicher Nutzung als Wohnbaugrundstuck, die Aufwandsverteilung "nach dem\nVerhaltnis der beitragspflichtigen Grundstucksflachen" unter Berucksichtigung\nvon "Maß und Art" der baulichen oder sonstigen Nutzbarkeit (§ 4 Abs. 1 Satze 1\nund 2 BS). Die beitragspflichtige Grundstucksflache bestimmt sich u.a. "bei\nGrundstucken, die nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen", in\nder Regel unter Anwendung einer Tiefenbegrenzung von 35 m (§ 5 Abs. 1 Satz 1\nBS) bzw. bei daruber hinausgehender tatsachlicher beitragsrechtlich relevanter\nNutzung nach einer "unmittelbar hinter der tatsachlichen Nutzung in voller\nGrundstucksbreite verlaufenden Linie" (§ 5 Abs. 2 BS). Das Maß der\nGrundstucksnutzung ermittelt sich u.a. "in unbeplanten Gebieten" bei bebauten\nGrundstucken nach den tatsachlich vorhandenen Geschossen (§ 4 Abs. 4 Nr. 4\nlit. a) BS). Aus diesem Satzungsgefuge folgt, daß jedenfalls fur tatsachlich\nals Wohnbaugrundstucke genutzte Grundstucke in "unbeplanten Gebieten" und\nsomit auch entsprechend genutzte Hofstellen im (unbeplanten) Außenbereich der\nqualifizierte Beitragsmaßstab (Flachenmaßstab) unter Berucksichtigung von Maß\nund Art der Nutzung gilt. Desweiteren ergibt sich vor dem aufgezeigten\nHintergrund und dem Erfordernis zur Abgrenzung der unterschiedlichen\nBeitragsmaßstabe, daß der allein in der Regelung uber die Vorverteilung (§ 4\nAbs. 5 Nr. 5 lit. f) Satz 1 BS) verwendete Klammerzusatz "(einschließlich\nbebauter Teile)" einschrankend auszulegen ist und insbesondere nicht mit\nWohnhausern und landwirtschaftlichen Nebengebauden bebaute Grundstucke bzw.\nGrundstucksteilfachen im Außenbereich - Hofstellen als selbstandige\nwirtschaftliche Einheiten - erfaßt. Solche Hofstellen unterliegen auch im\n(unbeplanten) Außenbereich der Straßenbaubeitragspflicht ausschließlich nach\ndem in der Beitragssatzung anderweitig geregelten Grundstucksflachen\n-/Vollgeschoßmaßstab. Demgemaß kommt dem Klammerzusatz Rechtswirkung nur zu,\nsoweit von ihm untergeordnete Bebauung auf im Außenbereich gelegenen land-\noder forstwirtschaftlichen Nutzflachen - wie beispielsweise Feld-, Gerate-\noder sonstige Lagerschuppen bzw. Scheunen - erfaßt wird und diese\nuntergeordnete Bebauung der Vorverteilung des umlagefahigen Aufwandes im\nVerhaltnis 1 fur nur land- oder forstwirtschaftlich nutzbare Grundstucke zu 3\nfur die ubrigen Grundstucke auf der Basis der Grundstucksbreiten an der Anlage\nnicht entgegensteht.\n\n41\n\nDanach ergibt sich bei zutreffender Anwendung des satzungsrechtlichen\nBeitragsmaßstabes fur das streitbefangene Grundstuck des Klagers ein deutlich\nhoherer Beitrag als der vom Beklagten in dem angefochtenen Bescheid auf\n1.185,88 DM festgesetzte Straßenbaubeitrag. Auf der Grundlage der\nerstinstanzlich eingeholten und hier gleichermaßen anzuwendenden\nErsatzberechnung unterliegt eine 4.324 qm große Teilflache des insgesamt 9.954\nqm großen Buchgrundstucks der Beitragspflicht. Wird zugunsten des Klagers\nangenommen, daß auch der benachbarte Hof R aus den dargelegten Grunden nicht\nnach dem Frontlangenmaßstab, sondern dem\nGrundstucksflachen-/Vollgeschoßmaßstab beitragspflichtig ist, errechnen sich\nfur dieses Grundstuck weitere 7.980 Flacheneinheiten. Die insgesamt\nberucksichtigungsfahigen Flacheneinheiten erhohen sich mithin auf (66.467 qm +\n4.324 qm \\+ 7.980 qm =) 78.771 qm. Zugleich verringert sich die\nGesamtfrontlange der (unbebauten) Außenbereichsgrundstucke von 450 m um (92 m\n+ 142 m =) 234 m auf (450 m - 234 m =) 216 m. Wird desweiteren zugunsten des\nKlagers unterstellt, daß auch diese vier, im maßgeblichen Bereich unbebauten\nGrundstucke mit der Gesamtfrontlange von 216 m nicht beitragsfrei bleiben und\nder Beitragspflicht nach dem fur unbebaute Außenbereichsgrundstucke geltenden\nFrontlangenmaßstab unterliegen, so ergabe sich zunachst folgende\nVorverteilung:\n\n42\n\nUnbebauter Außenbereich 216 m x 1 = 216 m Innenbereich und Außenbereich mit\nWohngebauden (1.590 m + 92 m + 142 m) = 1.824 m x 3 = 5.472 m \\----------\n\n43\n\ninsgesamt 5.688 m.\n\n44\n\nHiernach errechnete sich der Straßenbaubeitrag fur das Grundstuck des Klagers\nwie folgt:\n\n45\n\n67.260,98 DM 5.472 m \\------------ x -------- = 0,82 DM/qm x 4.324 qm =\n3.545,68 DM. 78.771 qm 5.688 m\n\n46\n\nOb im ubrigen unbebauten Außenbereichsgrundstucken uberhaupt wirtschaftliche\nVorteile durch die erstmalige Herstellung von Radwegen vermittelt werden und\ninsbesondere eine Vorverteilung nach den Frontlangen im Verhaltnis von 1 (fur\ndie vorgenannten Grundstucke): 3 (fur Grundstucke im Innenbereich und mit\nWohngebauden bebaute Grundstucke im Außenbereich) vorteilsgerecht ist, bedarf\nhier keiner Entscheidung durch den erkennenden Senat. Selbst wenn die zuerst\ngenannte Gruppe der Außenbereichsgrundstucke nicht der Beitragspflicht\nunterliegt und sich deshalb der erganzende Beitragsmaßstab in § 4 Abs. 4 Nr. 5\nlit. f) und g) BS als unwirksam erwiese, ware die in der\nStraßenbaubeitragssatzung im ubrigen vorhandene Verteilungsregelung fur die\nAbrechnung der Maßnahme ausreichend. Nichts anderes wurde selbst dann gelten,\nwenn allein die Aufwandsverteilung nach dem Frontmetermaßstab wegen nicht\nausreichender Differenzierung keinen rechtlichen Bestand haben konnte.\nAngesichts der geringen Anzahl zu berucksichtigender unbebauter\nAußenbereichsgrundstucke (4) im Vergleich zu der Vielzahl beitragspflichtiger\nGrundstucke (59) und der wegen Art und Maß der Nutzung vom Umfang her nur\neingeschrankten Beitragspflichtigkeit wurde die Straßenbaubeitragssatzung auch\nvor dem Hintergrund des der Gemeinde gerade im Abgabenrecht zukommenden\nRechts, aus Grunden der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilitat zu\ntypisieren,\n\n47\n\nvgl. dazu BVerwG, Beschluß vom 13\\. April 1994 - 8 NB 4.93 - KStZ 1994, 231\n(232 f.); ferner OVG NW, Beschluß vom 12. Mai 1995 - 15 B 551/95 - S. 9 des\namtlichen Umdrucks\n\n48\n\nund nach dem Grundsatz regionaler Teilbarkeit der Satzung\n\n49\n\nvgl. dazu OVG NW, Beschluß vom 4\\. November 1997 - 15 A 529/95 - S. 9 des\namtlichen Umdrucks; ferner Driehaus, Kommunalabgabengesetz, Loseblattsammlung\n(Stand: Marz 1997), § 8 Rdnrn. 422 ff.\n\n50\n\nin jedem Fall eine ausreichende Verteilungsregelung aufweisen.\n\n51\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung uber ihre\nvorlaufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.\n\n52\n\nDie Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2\nVwGO nicht vorliegen.\n\n53\n\n
310,204
olgk-1998-01-13-9-u-19996
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
9 U 199/96
1998-01-13
2019-03-13 08:47:02
2020-12-10 13:13:42
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1998:0113.9U199.96.00
## Tenor\n\nDie Berufung der Beklagten gegen das am 02.07.1996 verkundete Urteil der 1.\nZivilkammer des Landgerichts Aachen - 1 O 4/95 - wird zuruckgewiesen.\n\nAuf die Anschlußberufung der Klagerin wird das angefochtene Urteil\nhinsichtlich des Zinsanspruchs teilweise geandert:\n\nDie Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin 37.199,09 DM nebst 15 % Zinsen\nseit dem 17.10.1995 bis zum 30.06.1996 und 14,5 % Zinsen seit dem 01.07.1996\nzu zahlen. Ferner wird die Beklagte verurteilt, an die Klagerin weitere 500,00\nDM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.02.1995 sowie weitere 3.054,65 DM zu zahlen.\n\nDie weitergehende Anschlußberufung wird zuruckgewiesen, die Klage insoweit\nabgewiesen.\n\nDie Kosten des Berufungsverfahrens werden der Be-klagten auferlegt.\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n \n1\n\nVon der Darstellung des Tatbestandes wird gemaß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.\n\n2\n\n**E n t s c h e i d u n g s g r u n d e :**\n\n3\n\nDie in formeller Hinsicht unbedenklichen Berufungen der Parteien haben nur\ninsoweit Erfolg, als die Klagerin mit ihrer unselbstandigen Anschlußberufung\ndie Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines hoheren Zinssatzes begehrt.\nIm ubrigen sind beide Rechtsmittel unbegrundet.\n\n4\n\nDas Landgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, an die Klagerin\n37.199,09 DM als Entschadigung fur den Leitungswasserschaden zu zahlen, der im\nOktober 1993 in dem auf der B. Straße 34 in H. gelegenen Lagerraum eingetreten\nist und bei dem in erheblichen Umfang Wollwaren der Klagerin zerstort worden\nsind. Der Anspruch folgt aus der zwischen den Parteien im November 1985\nabgeschlossenen Geschaftsversicherung fur das auf der D.straße 19 in H.\nbefindliche Geschaftslokal der Klagerin, §§ 1, 49 VVG. Aufgrund dieser\ngebundelten Versicherung in Verbindung mit den Allgemeinen Bedingungen fur die\nLeitungswasserversicherung (AWB) hat die Beklagte fur alle versicherten Sachen\nEntschadigung zu leisten, die durch Leitungswasser in dem versicherten Objekt\n"D.straße 19" eintreten.\n\n5\n\nDaß sich die zerstorten Waren der Klagerin zum Zeitpunkt des Schadenseintritts\nnicht in ihrem Geschaftslokal auf der D.straße 19, sondern in der als Lager\ndienenden Garage ihres auf der B. Straße 34 gelegenen Privathauses befunden\nhaben, hindert die Leistungsverpflichtung der Beklagten nicht. Denn unstreitig\nhaben die Parteien ausdrucklich Freizugigkeit fur die Lagerung von Ware in der\nGarage des Hauses B. Straße 34 vereinbart, nachdem die Klagerin in ihrem\nVersicherungsantrag vom 15.11.1985 darauf hingewiesen hatte, die versicherte\nWare sei zeitweise, insbesondere bei Auslieferung durch Firmen, in Ermangelung\neines Lagerraums in der Privatgarage ihres Wohnhauses untergebracht.\nVersicherungsort fur die gelagerte Ware der Klagerin war folglich nicht nur\ndas Geschaftslokal auf der D.straße 19, sondern auch die von der Klagerin zur\nLagerung von Wolle genutzten Raumlichkeiten auf der B. 34.\n\n6\n\nEine andere Beurteilung ware nur dann geboten, wenn die Parteien infolge des\nSchreibens der Klagerin vom 11.02.1989 (Bl. 226 d.A.) Einvernehmen daruber\nerzielt hatten, die fur das Haus B. Straße 34 vereinbarte Freizugigkeit auf\nDauer entfallen zu lassen. Hiervon kann jedoch mit Rucksicht auf den\nnachfolgend wiedergegebenen Ablauf der Ereignisse in tatsachlicher Hinsicht\nnicht ausgegangen werden:\n\n7\n\nMit Schreiben vom 11.02.1989 hat die Klagerin der Beklagten mitgeteilt, sie\nhabe ihr Wollager verlegt. Die bisher in ihrem Wohnhaus auf der B. Straße 34\nlagernde Ware bewahre sie nunmehr in einem angemieteten Raum im Hause B.\nStraße 33 auf. Sie bitte, dies erganzend zu dem Versicherungsvertrag\naufzunehmen. In der Folgezeit, und zwar mit Wirkung vom 23.02.1989 15.00 Uhr,\nhat die Beklagte dann vorlaufige Deckung fur die Versicherungszweige Feuer und\nLeitungswasser gewahrt, nicht aber fur Einbruch-Diebstahl. Nachdem der\nVersicherungsagent G. der Beklagten unter dem 28.02.1989 den Neuantrag der\nKlagerin vom 24.02.1989 zugesandt, gleichzeitig deren Wunsch um Herabsetzung\nder Versicherungssumme um 40.000,00 DM ubermittelt und - insoweit allerdings\nirrig - darauf verwiesen hatte, die Klagerin habe versicherte Sachen von der\nD.straße 19 in das Haus B. Straße 33 ausgelagert, hat die Beklagte dann unter\ndem 16.05.1989 den Nachtrag (Bl. 41 d.A.) zu dem bestehenden\nVersicherungsschein ubersandt. Darin heißt es, mit Wirkung vom 23.02.1989\nwerde die Versicherungssumme von 150.000,00 DM auf 110.000,00 DM reduziert,\ndie ubrigen Vertragsinhalte wurden nicht verandert.\n\n8\n\nZuvor, und zwar unter dem 03.05.1989 (Bl. 40 d.A.), hatte die Beklagte der\nKlagerin mitgeteilt, bezogen auf die fur die Raumlichkeiten B. Straße 33 im\nFebruar 1989 beantragten Einbruch-Diebstahlversicherung seien zusatzliche\nSicherungen anzubringen, bis zur Installation von Fenstern mit abschließbaren\nFenstergriffen wurden aus der Einbruch-Diebstahlversicherung keine Leistungen\nerbracht, falls der oder die Tater durch die Fensteroffnungen in den Lagerraum\nB. Straße 33 gelangten. Daraufhin hat die Klagerin der Beklagten unter\nBezugnahme auf ihren Neuantrag zur Inhaltsversicherung fur das Haus B. Straße\n33 vom 24.02.1989 und das vorgenannte Schreiben der Beklagten vom 03.05.1989\nmitgeteilt, sie sei zur Erfullung der Auflagen nicht in der Lage, sie bitte\ndeshalb, "die Versicherung dieses Lagerraums ganzlich zu stornieren".\nDaraufhin hat die Beklagte mit Schreiben vom 04.09.1989 (Bl. 44 d.A.) unter\ndem Betreff "Versicherungsgrundstuck ... B. Straße 33" mitgeteilt, der Vertrag\nsei zum 23.02.1989 aufgehoben worden, somit entfalle die vereinbarte\nFreizugigkeit zwischen den Versicherungsgrundstuck B. Straße 33 und dem\nVersicherungsgrundstuck D.straße 19.\n\n9\n\nBei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, die Parteien hatten\nEinvernehmen uber die ursprunglich von der Klagerin beabsichtigte Aufhebung\nder Freizugigkeit fur das Haus B. Straße 34 erzielt. Insbesondere ist eine\nsolche Vertragsanderung nicht dokumentiert. Dem Schreiben der Klagerin vom\n11.02.1989 (Bl. 226 d.A.) kann lediglich der Erklarungswert beigemessen\nwerden, sie habe die nicht in ihrem Geschaftslokal auf der D.straße 19\neingelagerte Ware vom Hause B. Straße 34 in das Haus B. Straße 33 verbracht,\nsie wunsche eine diesem Umstand Rechnung tragende Änderung des\nVersicherungsvertrages. Es ist selbstverstandlich, daß diese einseitige\nErklarung noch nicht zur Einbeziehung des Versicherungsortes B. Straße 33 in\nden Vertrag und zur Ausklammerung des Versicherungsortes B. Straße 34 aus dem\nVersicherungsvertrag fuhrte. Dies ware vielmehr erst dann der Fall gewesen,\nwenn die Beklagte dem Wunsch der Klagerin entsprechend anstelle der fur das\nGrundstuck B. Straße 34 vereinbarten Freizugigkeit das Hausgrundstuck B.\nStraße 33 in den Versicherungsvertrag einbezogen hatte. Hierzu ist nach dem\neigenen Vortrag der Beklagten jedoch nie gekommen. Vielmehr hat die Beklagte\ndem Antrag der Klagerin folgend lediglich die Versicherungssumme reduziert und\nzusatzliche Sicherungen fur die Einbruch-Diebstahlversicherung unter Hinweis\ndarauf verlangt, die ubrigen Vertragsinhalte wurden nicht verandert. Nachdem\nsich die Klagerin nicht in der Lage gesehen hat, diese Auflagen zu erfullen,\nund deshalb unter dem 10.06.1989 darum gebeten hat, die Versicherung des\nLagerraumes in der B. Straße 33 "ganzlich zu stornieren", hat die Beklagte\nselbst unter dem 04.09.1989 (Bl. 44 d.A.) mitgeteilt, bezogen auf das\nVersicherungsgrundstuck B. Straße 33 entfalle die vereinbarte Freizugigkeit\nmit dem Versicherungsgrundstuck D.straße 19. Dann aber ist es zwischen den\nParteien zwar zu einer Einigung uber die Herabsetzung der Versicherungssumme,\nnicht aber zu einer Einigung daruber gekommen, daß Versicherungsort nunmehr\nausschließlich das Hausgrundstuck D.straße 19 sein sollte. Gerade in\nAnbetracht der Tatsache, daß anderes nicht dokumentiert worden ist, durfte die\nKlagerin vielmehr davon ausgehen, daß alles beim alten blieb, nachdem die\ngewunschte Änderung fur das Haus Nr. 33 nicht zustandegekommen war.\n\n10\n\nIst demgemaß davon auszugehen, daß die seinerzeit fur das Objekt B. Straße 34\nvereinbarte Freizugigkeit des Versicherungsortes durch den im Jahre 1989\nzwischen den Parteien erfolgten Schriftverkehr nicht aufgehoben worden ist,\nfolgt bereits daraus die grundsatzliche Leistungsverpflichtung der Beklagten.\nDeshalb kann im ubrigen offenbleiben, ob die Frage nach der Eintrittspflicht\nder Beklagten im Ergebnis anders zu beurteilen ware, wenn von einer\neinvernehmlichen Ausklammerung des Versicherungsortes B. Straße 34 aus dem\nVersicherungsvertrag ausgegangen werden mußte. Dann mußte namlich von einem\nBeratungsverschulden des Versicherungsagenten G. und einer entsprechenden\nSchadenersatzverpflichtung der Beklagten ausgegangen werden, wenn man von dem\ndurch Zeugen unter Beweis gestellten, zwischen den Parteien streitigen\nSachvortrag der Klagerin ausgehen konnte, der Versicherungsagent G. habe davon\ngewußt, daß die spater zerstorten Waren im Anschluß an den zwischen den\nParteien gefuhrten Schriftverkehr wieder in die Garage des Hauses B. Straße 34\nverbracht worden sind.\n\n11\n\nBezuglich der Hohe des geltend gemachten Entschadigungsanspruchs hat das\nLandgericht zutreffend ausgefuhrt, daß und warum die Klagerin von der\nBeklagten unter Berucksichtigung der bestehenden Unterversicherung 36.614,09\nDM zuzuglich 585,00 DM Aufraumungskosten, insgesamt also 37.199,09 DM,\nverlangen kann. Gleiches gilt, soweit das Landgericht ausgefuhrt hat, die\nBeklagte sei unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemaß §§ 286 Abs. 1, 284 BGB\nzur Zahlung von Kreditkosten in Hohe von 3.054,65 DM und zur Zahlung einer\nNutzungsentschadigung von insgesamt 500,00 DM verpflichtet. Der Senat macht\nsich die diesbezuglichen, mit der Berufung nicht mehr ausdrucklich\nangegriffenen Ausfuhrungen des Landgerichts zu eigen und nimmt sie in Bezug.\n\n12\n\nSoweit die Klagerin mit ihrer Anschlußberufung nunmehr uber den vom\nLandgericht ausgeurteilten Betrag hinaus Zahlung von 2.415,00 DM nebst Zinsen\nmit der Begrundung verlangt, hierbei handele es sich um Aufraumungs- bzw.\nAblagerungskosten, die aufgrund der im Versicherungsschein enthaltenen\nPauschaldeklaration bis zu einem Hochstbetrag von 3.000,00 DM versichert\nseien, so daß unter Berucksichtigung der vom Landgericht bereits in Ansatz\ngebrachten Aufraumkosten von 585,00 DM ein Restbetrag von 2.415,00 DM\nverbleibe, steht ihr ein solcher Anspruch nicht zu. Die von ihr vorgelegten\nRechnungen der Firma R. Verpackungsmittel vom 16.12.1996 und der Firma N. vom\n09.01.1997 (Bl. 278 und 279 d.A.) geben keinen Aufschluß daruber, ob diese\nsich auf Waren beziehen, die im Oktober 1993 den streitgegenstandlichen\nWasserschaden erlitten haben. Mit Rucksicht darauf, daß die Beklagte dies\nsowie die angebliche Entsorgung zulassigerweise bestritten und uberdies\nzutreffend darauf hingewiesen hat, daß der seinerzeit von der Klagerin\nvorgelegte Kostenvoranschlag der Firma J. andere Betrage und auch andere\nMengen aufgewiesen hat, ware es Sache der Klagerin gewesen, ihren\ndiesbezuglichen Sachvortrag ggf. zu substantiieren und dann zu beweisen. Einen\nBeweisantritt enthalt die erst knapp eine Woche vor der mundlichen Verhandlung\nvom 28.10.1997 bei Gericht eingegangene Anschlußberufungsschrift jedoch nicht.\nDie Klagerin ist deshalb insoweit beweisfallig.\n\n13\n\nDer Senat teilt auch nicht die Auffassung der Klagerin, das Landgericht habe\nden geltend gemachten Zinsanspruch unzutreffend beschieden. Aus der in erster\nInstanz vorgelegten Bescheinigung der Sparkasse A. (Bl. 152 d.A.) ergibt sich\nnicht, daß die Klagerin in einer die Klageforderung ubersteigenden Hohe\nstandig Bankkredit in Anspruch genommen hat und dafur die in der\nZinsbescheinigung vom 25.10.1995 beschriebenen Zinssatze hat zahlen mussen.\nVielmehr hat die Klagerin erst jetzt, und zwar durch die mit der\nAnschlußberufungsschrift vom 23.10.1997 erfolgte Vorlage von Kontoauszugen,\nzur Überzeugung des Senats nachgewiesen, daß dies der Fall ist und die\nKlagerin die mit der Anschlußberufungsschrift verlangten, gemaß § 286 Abs. 1\nBGB wegen Verzuges nunmehr von der Beklagten zu erstattenden Zinsen hat zahlen\nmussen. Die Erstattungspflicht der Beklagten erstreckt sich auch auf die\ngeltend gemachte Überziehungsprovision, weil es sich auch insoweit um einen\nSchaden handelt, den die Klagerin infolge der nicht rechtzeitigen Zahlung der\nBeklagten erlitten hat.\n\n14\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 und 2 ZPO. Die\nKosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen, weil ihr\nRechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist, § 97 Abs. 1 ZPO. Soweit die\nAnschlußberufung der Klagerin zum Teil zuruckgewiesen worden ist, fuhrt dies\nnicht zu einer Kostenbelastung der Klagerin, weil die Zuvielforderung\n(2.415,00 DM) verhaltnismaßig geringfugig war und keine besondere Kosten\nveranlaßt hat, § 92 Abs. 2 ZPO. Gleiches gilt, soweit die Klagerin erst\naufgrund ihres neuen Vorbringens im Berufungsverfahren hohere Zinsen erhalt\nals das Landgericht ihr zuerkannt hat. Der Rechtsgedanke des § 97 Abs. 2 ZPO\nist nicht anwendbar, weil diese Nebenforderung im Streitfall nicht bei der\nStreitwertberechnung zu berucksichtigen ist und deshalb keine besonderen\nKosten verursacht hat.\n\n15\n\nDie Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708\nNr. 10, 713 ZPO.\n\n16\n\nStreitwert fur das Berufungsverfahren: 43.168,74 DM\n\n17\n\nWert der Beschwer der Beklagten: 40.753,74 DM\n\n18\n\nWert der Beschwer der Klagerin. 2.415,00 DM\n\n
311,492
olgk-1997-02-28-19-u-19495
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
19 U 194/95
1997-02-28
2019-03-13 09:22:02
2019-03-27 09:47:44
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1997:0228.19U194.95.00
## Tenor\n\n \n1\n\nE n t s c h e i d u n g s g r u n d e\n\n2\n\nDie zulassige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.\n\n3\n\nDas Landgericht hat nach dem Ergebnis der von ihm durchgefuhrten\nZeugenvernehmungen zu Recht festgestellt, daß der Beklagten der Nachweis nicht\ngelungen ist, daß der zwischen den Parteien am 29.11.1993 geschlossene\nKaufvertrag am 3.12.1993 telefonisch einvernehmlich aufgehoben worden ist.\nZwar hat der Zeuge B. bekundet, an diesem Tag mit einer Dame telefoniert und\nihr erklart zu haben, die Beklagte wolle den Vertrag uber die bestellte\nSoftware stornieren. Die Gesprachspartnerin habe ihm daraufhin erklart: "Das\nist in Ordnung, konnen Sie es noch einmal schriftlich einreichen", was er auch\nper Fax getan habe. Das allein reicht aber zum Nachweis einer\neinverstandlichen Vertragsaufhebung nicht aus. Denn unbeschadet dessen, mit\nwem der Zeuge tatsachlich telefoniert hat, hatte die Beklagte auch darlegen\nund beweisen mussen, daß diese Person auch befugt war, derartig weitreichende\nErklarungen fur die Klagerin abzugeben; daß jede Sekretarin oder anderweitig\nbei der Klagerin Beschaftigte dergleichen Befugnis hatte, kann nicht\nunterstellt werden. Ob das auch zu gelten hatte, wenn der Zeuge mit der Person\ntelefoniert hatte, die auch das Angebot fur die Klagerin unterzeichnet hat,\nnamlich einer Frau V., kann dahingestellt bleiben; denn das behauptet die\nBeklagte selbst nicht, vielmehr behauptet sie, der Zeuge habe mit einer Frau\nO. gesprochen, die ausweislich der Schreiben vom 25.6.1993 und 29.6.1995 zu\ndiesem Zeitpunkt langst ihr Arbeitsverhaltnis bei der Klagerin beendet hatte.\nDie vom Zeugen B. geschilderten Einzelheiten des Gesprachs sprechen auch nicht\nfur eine verbindliche Vereinbarung, sondern eher dagegen. Hiernach will er\nlediglich darum gebeten haben, ihn mit jemandem zu verbinden, der fur die\nBeklagte zustandig ware, und dieser Person dann erklart haben, die Beklagte\nwolle den Auftrag gerne stornieren, weil er auch von ihrem Kunden storniert\nworden sei; was bestellt worden sei, habe er nicht gesagt, sondern lediglich\ndie Bestellnummer; das Gesprach sei bis zu der oben zitierten Äußerung seiner\nGesprachspartnerin nicht unterbrochen worden, ob seiner Gesprachspartnerin der\nVorgang prasent gewesen sei, konne er nicht sagen. Auch nach dieser Bekundung\ndes Zeugen B. kann seine Gesprachspartnerin nur als Empfangsbotin fur die\nKlagerin gehandelt haben, seinen Wunsch nach Stornierung also lediglich\nentgegengenommen haben; denn weder durfte sie gewußt haben, worum es im\neinzelnen ging, noch in welchem Stadium der Verhandlungen sich der vom Zeugen\nangesprochene Auftrag befand, ob er z.B. von der Klagerin bereits angenommen\nwar; auch hat sie im Verlauf des Gesprachs diese Kenntnis nicht erlangen\nkonnen, weil der Zeuge entsprechende Nachforschungen mitbekommen hatte; das\nGesprach soll aber ohne Unterbrechungen gefuhrt worden sein. Die vom Zeugen\nzitierte Äußerung, das gehe in Ordnung, er moge seinen Wunsch noch einmal\nschriftlich einreichen, ergibt aber auch dann einen Sinn, wenn es sich nur um\neine Empfangsbotin gehandelt hat, denn dann besagt sie nichts anderes, als daß\nsein Wunsch registriert sei und aus Sicherheitsgrunden schriftlich wiederholt\nwerden sollte. Daß der Zeuge dies moglicherweise anders gewertet hat, ist\nunerheblich und mag daran liegen, daß er die Feinheiten der deutschen Sprache\nnicht genugend beherrscht, wie die Beklagte selbst vorgetragen hat. Das Fax\nvom vom 6.12.1883 spricht allerdings eher dafur, daß auch der Zeuge B. noch\nnicht von einer einverstandlichen Stornierung ausging; denn darin wird nicht\nauf eine bereits erfolgte Stornierung Bezug genommen, was nahegelegen hatte,\nwenn der Auftrag bereits 3 Tage zuvor einverstandlich storniert war; vielmehr\nheißt es "Hiermit stornieren wir..." und es wird um Bestatigung dieser\nStornierung gebeten.\n\n4\n\nDa die Beklagte nicht einmal schlussig dargelegt hat, mit einer zur\nVertragsaufhebung befugten Person auf Seiten der Klagerin gesprochen zu haben\nund auch die Einzelheiten des vom Zeugen B. geschilderten Telefonats diesen\nSchluß nicht rechtfertigen, kommt es nicht darauf an, ob er tatsachlich mit\nder Zeugin O. telefoniert hat, wie die Beklagte behauptet. Eine Vernehmung der\nZeugin ist schon aus diesem Grund nicht erforderlich. Unabhangig davon handelt\nes sich bei dieser Behauptung auch um eine Behauptung "ins Blaue hinein", weil\ndie Zeugin ausweislich des Vermerks Bl. 142 d.A. dem Vorsitzenden personlich\ntelefonisch mitgeteilt hat, sie sei im Dezember 1993 gar nicht mehr bei der\nKlagerin beschaftigt gewesen, dies auch noch schriftlich bestatigt hat (Bl.\n143 d.A.), was wiederum mit dem Datum der Übersendung der Arbeitspapiere (Bl.\n144 d.A.) ubereinstimmt. Die Beklagte hatte angesichts dessen schon\nsubstantiiert darlegen mussen, warum das alles nicht richtig sein soll.\n\n5\n\nEin Recht zur Stornierung ergibt sich auch nicht aus den Allgemeinen\nEinkaufsbedingungen (AEB) der Beklagten. Allerdings sind diese AEB aufgrund\ndes Fax vom 29.11.1993 Vertragsbestandteil geworden, da die Beklagte die\nBestellung _"ausschlie ßlich zu den Ihnen vorliegenden C. Bedingungen"_\naufgegeben und die Klagerin dem nicht widersprochen hat. Die Vorschrift des §\n2 AGBG, die die Einbeziehung von Allgemeinen Geschaftsbedingungen in Vertrage\nregelt, findet auf Handelsgeschafte unter Kaufleuten keine Anwendung (§ 24 Nr.\n1 AGBG); die ausdruckliche Einbeziehung ist auch dann wirksam, wenn die AGB\ndem fur den Vertragsschluß maßgeblichen Schreiben nicht beigefugt waren und\nder Kunde den Inhalt der AGB nicht kennt (vgl. Palandt - Heinrichs, BGB, 56.\nAufl., AGBG § 2 Rn 22, 23). Deshalb ist die in der Berufungserwiderung\naufgestellte Behauptung der Klagerin, die ABE der Beklagten seien ihr nicht\nbekannt, unerheblich.\n\n6\n\nGleichwohl kann die Beklagte ihre Zahlungsverweigerung nicht auf Ziffer 2.7\nihrer AEB stutzen, wonach "falls eine Gesellschaft der C. Computer AG aus\nzwingenden Grunden vom Auftrag zurucktritt, der Auftragnehmer nur zur\nGeltendmachung seiner bis zum Rucktritt tatsachlich aufgewendeten Kosten\nberechtigt" sein soll. Denn diese Regelung verstoßt gegen § 10 Nr. 3 AGB-\nGesetz, weil der Losungsgrund in den AGB so konkret angegeben werden muß, daß\nder Durchschnittskunde beurteilen kann, wann der Verwender sich vom Vertrag\nlosen darf (BGH NJW 1983, 1320 [1321]; Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 10 Rn 14).\nDaß es sich bei den Parteien um Kaufleute handelt, steht der Anwendung der\nVorschrift des § 10 Nr. 3 AGBG nicht entgegen, wie aus §§ 9 Abs. 2 Nr. 1, 24\nS. 2 AGBG folgt (vgl. Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 10 Rn 21). Diesen Kriterien\ngenugt Ziffer 2.7 der AEB der Beklagten nicht. Allerdings ist ein\nRucktrittsvorbehalt im kaufmannischen Geschaftsverkehr in großerem Umfang als\nim nichtkaufmannischen zulassig (BGH NJW 1994, 1060 [1062]\n-"Selbstbelieferungsvorbehalt"). Deshalb sind Selbstbelieferungsklauseln als\nzulassig angesehen worden, die dem Verkaufer keinen Freibrief einraumen,\nsondern ihn im wesentlichen nur von der Haftung fur unverschuldete\nUnmoglichkeit bei Gattungsware schutzen sollen; auch der Liefervorbehalt wird\nvon der Rechtsprechung aber so verstanden, daß er zur Befreiung des Verkaufers\nvon der Lieferpflicht nur dann fuhrt, wenn dieser ein kongruentes\nDeckungsgeschaft mit einem Vorlieferanten geschlossen hat (BGH, a.a.O.,\nm.w.N.). Diesen Kriterien ist mit dem Begriff "zwingende Grunde" in den AEB\nder Beklagten nicht hinreichend Rechnung getragen, weil diese Klausel zu\nvielschichtig ist und zwingende Grunde nach den AEB auch dann vorliegen\nkonnen, wenn sie verschuldet sind. Das ware beispielsweise der Fall, wenn die\nBeklagte als Zwischenhandler eine feste Bestellung aufgegeben hatte, obwohl\nder Vertrag mit dem Endabnehmer noch ungewiß war, wie es hier der Fall war. In\neinem solchen Fall, in dem der Weiterverkauf noch vollig ungesichert ist, hat\nder Verwender es gegenuber seinem Auftragnehmer zu vertreten, wenn er\nseinerseits bereits eine feste Bestellung im Hinblick auf das lediglich\nerhoffte Geschaft aufgibt und dieses Geschaft dann nicht zum Tragen kommt; er\nkann seiner Abnahme- und Zahlungsverpflichtung dann nicht durch eine Klausel,\nwie sie in Ziffer 2.7 AEB formuliert ist, entgehen.\n\n7\n\nEin Rucktrittsrecht der Beklagte ergibt sich auch nicht aus dem von ihr\nbehaupteten **Handelsbrauch** , wonach bei Beschaffung von Software ein Recht\nzur Stornierung vor Erhalt der Ware jederzeit anerkannt werde; ein derartiger\nHandelsbrauch existiert nicht, wie aufgrund der von der Industrie- und\nHandelskammer zu K. auf Veranlassung des Senats durchgefuhrten Befragung\nfeststeht.\n\n8\n\nHandelsbrauche gelten normativ, also auch ohne Kenntnis oder\nUnterwerfungswillen der Parteien; sie fallen nicht unter das AGB-Gesetz. Wer\nsich auf einen Handelsbrauch beruft, muß sein Bestehen und seinen Inhalt\nbehaupten und notfalls beweisen. Letzteres hat die Beklagte nicht vermocht.\nEin Handelsbrauch liegt vor, wenn es sich bei der Übung um eine im Verkehr der\nKaufleute untereinander verpflichtende Regel handelt, die auf einer\ngleichmaßigen, einheitlichen und freiwilligen tatsachlichen Übung beruht, die\nsich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes fur vergleichbare\nGeschaftsvorfalle gebildet hat und der eine einheitliche Auffassung der\nBeteiligten zugrunde liegt (st. Rspr.; vgl. BGH - VII ZR 17/93 - 25.11.93;\nDRsp-ROM Nr. 1994/1216 = DB 1994, 979 = MDR 1994, 358 = NJW 1994, 659 = WM\n1994, 601 m.w.N.). Erforderlich ist also eine allgemeine, nahezu ausnahmslos\nbefolgte tatsachliche Übung von einer gewissen Dauer und deren Anerkenntnis\ndurch die beteiligten Verkehrskreise. Nach den Umfrageergebnissen der\nIndustrie- und Handelskammer in den Bezirken K. und S. kann von einer nahezu\nausnahmslos befolgten Übung, wonach bei der Beschaffung von Software der\nBesteller den Vertrag vor Erhalt der Ware ohne weiteres jederzeit stornieren\nbzw. von ihm zurucktreten kann, keine Rede sein. Nach diesen Umfragen haben im\nBezirk K. von den auswertbaren 91 Unternehmen lediglich 15,3 % das Bestehen\neines derartigen Brauchs bejaht, weitere 5,5 % haben ihn auf den Bereich von\nStandardsoftware beschrankt, 4,4 % war er unbekannt, wahrend 74,7 % sein\nBestehen verneint haben; von den im Bereich der IHK S. auswertbaren 450\nUnternehmen haben lediglich 10,6 % das Bestehen des Handelsbrauchs bejaht,\nweitere 12,4 % beschrankt auf die Lieferung von Standardsoftware, 10,4 % haben\nmit "unbekannt" geantwortet, wahrend 66,9 % die Frage verneint haben. Nach\nAnsicht einer deutlichen Mehrheit der jeweils Befragten besteht also die von\nder Beklagten behauptete Übung nicht. Berechtigte Zweifel an der Richtigkeit\nder durchgefuhrten Befragungen oder ihrer Auswertung, die eine Erlauterung\nnach § 411 Abs. 3 ZPO erforderlich machen konnten, bestehen nach Überzeugung\ndes Senats nicht; sowohl die Kriterien der Befragung als auch die Methoden\nihrer Auswertung sind von der IHK nachvollziehbar offen gelegt worden und\nlassen keine Fehler erkennen.\n\n9\n\nDem mit Schriftsatz vom 21.2.1997 gestellte Antrag der Beklagten, der IHK zu\nK. zur klarstellenden Erlauterung ihres Gutachtens den in diesem Schriftsatz\naufgestellten Katalog von 7 Fragen zur Beantwortung vorzulegen, war nicht\nstattzugeben. Zwar ist das Gericht unabhangig von § 411 Abs. 3 ZPO auf Antrag\neiner Partei zur Vorladung des Sachverstandigen verpflichtet; Beschrankungen\ndes Antragsrechts ergeben sich aber aus den Gesichtspunkten des\nRechtsmißbrauchs und der Prozeßverschleppung (vgl. Zoller - Greger , ZPO, 20.\nAufl., § 411 Rn 5a ). Von letzterem ist hier auszugehen. Denn die im\nSchriftsatz vom 21.2.1997 von der Beklagten aufgeworfenen Fragen finden\nentweder schon in dem Gutachten ihre Beantwortung oder lassen nicht erkennen,\ninwieweit sie geeignet sein sollen, dessen Richtigkeit in Zweifel zu ziehen.\nSo hat die IHK zu K. gleich eingangs ihrer gutachtlichen Stellungnahme\nmitgeteilt, nach welchen Kriterien sie selbst und nach welchen Kriterien die\nIHK zu Stuttgart die anzuschreibenden Unternehmen ausgesucht hat, womit\nzugleich die zweite Frage beantwortet ist, wie die maßgebliche Branche\nabgegrenzt worden ist. Das beantwortet wieder die Frage 3 nach der in den\nbeiden IHK\'s unterschiedlichen Anzahl der angeschriebenen Unternehmen; zudem\nhat die IHK zu K. ausdrucklich mitgeteilt, sie habe alle im Handelsregister\neingetragenen Unternehmen, die sich nach ihrer Kenntnis mit der Herstellung\noder dem Vertrieb von Software befassen, wahrend die IHK zu Stuttgart auch\nnicht im Handelsregister eingetragene Unternehmen und Einzelkaufleute aus den\ndann naher aufgefuhrten Wirtschaftszweigen (Bl. 276 d.A.) angeschrieben habe;\ndamit ist auch die Frage 6 (wie erklart sich der unterschiedliche Zahl der\nangeschriebenen Unternehmen) beantwortet. Die Frage 4 schließlich, die sich\nwiederum mit dem angeschriebenen Personenkreis befaßt, verliert ihre Relevanz\ndadurch, daß in den Auswertungstabellen fur den Bereich beider IHK\'s\neinheitlich zwischen den Unternehmen unterschieden worden ist, die sich\nentweder nur mit der Herstellung, nur mit dem Vertrieb oder mit Herstellung\nund Vertrieb von Software befassen. Die Frage 7, weshalb die Unterscheidung\nzwischen Standardsoftware und Software getroffen worden sei, bedarf schon\ndeshalb keiner sachverstandigen Erlauterung, weil diese Unterscheidung nicht\nvon den IHK\'s getroffen worden ist, sondern lediglich einige der antwortenden\nUnternehmen die Frage nach dem Bestehen eines Handelsbrauchs fur Standard- und\nIndividualsoftware unterschiedlich beantwortet haben; die Grunde fur diese\nUnterscheidung festzustellen, liegt außerhalb des bisherigen\nGutachterauftrags; sie liegen im ubrigen offenkundig in der Natur der Sache,\nda auf Individualsoftware werkvertragliche Regeln Anwendung finden. Soweit die\nBeklagte schließlich die Frage beantwortet wissen mochte, wie sich die geringe\nRucklaufquote erklare (Frage 5), so ist nicht ersichtlich, inwieweit dies die\nfeststehende Tatsache beeinflussen soll, daß jedenfalls ein erheblicher\nProzentsatz das Bestehen des behaupteten Handelsbrauches verneint hat; von\neiner einheitlichen Auffassung der beteiligten Verkehrskreise kann also auf\nkeinen Fall die Rede sein.\n\n10\n\nNach § 411 Abs. 4 ZPO haben die Parteien dem Gericht innerhalb einer\nangemessenen Frist ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung\nbetreffende Antrage und Erganzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten\nmitzuteilen. Diese Frist hat die Beklagte nicht eingehalten. Denn das\nGutachten ist an Sie bereits am 11.12.1996 und am 13.12.1996 ist die\nTerminsladung zum 28.2.1997 an sie versandt worden. Die Beklagte hatte somit\nhinreichend Zeit, sich mit dem Gutachten auseinanderzusetzen und ihre Bedenken\ndem Senat so rechtzeitig mitzuteilen, daß eine Stellungnahme der IHK\nrechtzeitig vor dem Termin eingeholt und das Ergebnis den Parteien mitgeteilt\nwerden konnte (vgl. Zoller - Greger , ZPO, 20. Aufl., § 411 Rn 5b ). Wenn sie\nsich mit ihren Fragen, die sich - wie aufgezeigt - großtenteils schon aus dem\nGutachten beantworteten und im ubrigen nicht geeignet erscheinen, die\nRichtigkeit des Gutachtens in Zweifel zu ziehen, gleichwohl mehr als zwei\nMonate Zeit ließ und diese so kurzfristig vor dem Termin mitteilte, daß ihre\nBeantwortung bis zum Termin unmoglich war, so kann aus der Art der Fragen und\ndem Zeitpunkt, zu dem sie gestellt worden sind, nur der Schluß gezogen werden,\ndaß dies in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, geschehen ist (§§ 282,\n296, 523 ZPO).\n\n11\n\nDie Kosten der hiernach erfolglosen Berufung hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die\nBeklagte zu tragen. Vorlaufig vollstreckbar ist das Urteil nach §§ 708 Nr. 10,\n713 ZPO.\n\n12\n\nBeschwer fur die Beklagte und Berufungsstreitwert: 57.500,-- DM\n\n
311,516
ovgnrw-1997-02-25-14-a-648895
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
14 A 6488/95
1997-02-25
2019-03-13 09:22:39
2019-03-27 09:47:40
Urteil
ECLI:DE:OVGNRW:1997:0225.14A6488.95.00
## Tenor\n\nDas angefochtene Urteil wird teilweise geandert und wie folgt neu gefaßt:\n\n"Der Bescheid des Beklagten vom 6. April 1993 in der Fassung des Bescheides\nvom 8. Marz 1994 sowie des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Munster\nvom 17. August 1993 werden insoweit aufgehoben, als Geldleistungen fur den\nZeitraum bis zum 30. April 1992 festgesetzt worden sind.\n\nIm ubrigen wird die Klage abgewiesen."\n\nIm ubrigen wird die Berufung zuruckgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu 4/5 und des\nBerufungsverfahrens zu 3/4, der Beklagte die Kosten des erstinstanzlichen\nVerfahrens zu 1/5 und des Berufungsverfahrens zu 1/4.\n\nDas Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n \n1\n\nTatbestand:\n\n2\n\nMit notariellem Vertrag vom 23. Marz 1990 erwarb der Klager das Eigentum an\nder Wohnung im zweiten Obergeschoß rechts des Mehrfamilienhauses in . Unter §\n1, Abteilung II, laufende Nr. 1 enthielt der Kaufvertrag folgenden Passus:\n\n3\n\n"Beschrankte personliche Dienstbarkeit zugunsten der Landesbank fur Westfalen,\n(Girozentrale), Munster/Westfalen als Bundestreuhandstelle fur den\nBergarbeiterwohnungsbau des Inhalts, daß von den auf dem Grundstuck\nbefindlichen Wohnungen nur von den in § 5 Abs. 1 und § 6 des Gesetzes zur\nForderung des Bergarbeiterwohnungsbaus im Kohlebergbau vom 23\\. Oktober 1951\nbezeichneten Personen bewohnt werden durfen."\n\n4\n\nDer Vertrag enthielt ferner die Feststellung, daß nach Mitteilung des\nVerkaufers die Berechtigte hierzu definitiv erklart habe, daß das dort\nstatuierte Belegungsrecht nicht ausgeubt werde. § 4 Nr. 4 des Vertrages\nenthielt die Zusicherung, daß eine Wohnungsbindung nach dem\nWohnungsbindungsgesetz nicht bestehe.\n\n5\n\nSeit dem 1. September 1989 war die Wohnung vom Rechtsvorganger des Klagers an\neinen Herrn vermietet worden.\n\n6\n\nMit Schreiben vom 6. November 1991 wies die Bank den Klager darauf hin, daß\nbei einer Besichtigung fur den Mieter keine Wohnberechtigungsbescheinigung\nhabe vorgelegt werden konnen. Es werde daher um Veranlassung gebeten, daß die\nzustandige Stelle eine Wohnberechtigungsbescheinigung gemaß § 4 des\nBergarbeiterwohnungsbaugesetzes ausstelle. Sollte eine Wohnberechtigung nach\ndem Bergarbeiterwohnungsbaugesetz nicht gegeben sein, sei es erforderlich, daß\ndie genannte Stelle die betreffenden Wohnungen von den Bindungen an den Sektor\nBergbau freistelle.\n\n7\n\nUnter dem 23. Marz 1992 setzte der Beklagte den Klager davon in Kenntnis, daß\ner beabsichtige, Geldleistungen gemaß § 25 Abs. 1 des Wohnungsbindungsgesetzes\n(WoBindG) festzusetzen, da der Klager die Wohnung ohne Vorlage der\nentsprechenden Wohnberechtigungsbescheinigung an den Mieter uberlassen habe,\nund gab dem Klager Gelegenheit, sich zum Sachverhalt zu außern.\n\n8\n\nNachdem der Klager auf die Erklarungen des Veraußerers im notariellen Vertrag\nvom 23. Marz 1990 hingewiesen hatte, teilte der Beklagte ihm mit Schreiben vom\n27. Mai 1992 mit, der Klager habe zwar bei Erwerb der Wohnung davon ausgehen\nkonnen, daß der Mieter die Wohnung berechtigt bewohne. Durch das Schreiben der\nvom 6. November 1991 habe er jedoch Kenntnis von der nicht berechtigten\nNutzung der Wohnung erhalten. Er sei daher verpflichtet, den rechtswidrigen\nZustand zu beenden.\n\n9\n\nMit Bescheid vom 6. April 1993 setzte der Beklagte gegen den Klager\nGeldleistungen fur die Zeit vom 1. Dezember 1991 bis zum 31. Marz 1993 in Hohe\nvon 3.092,-- DM sowie fur die Zeit ab dem 1. April 1993 in Hohe von 193,-- DM\nmonatlich fest. Zur Begrundung fuhrte er aus, der Klager habe als Eigentumer\nschuldhaft gegen § 4 Abs. 2 WoBindG verstoßen, da dem Mieter die Wohnung ohne\ndie erforderliche Wohnberechtigungsbescheinigung belassen worden sei. Hiervon\nhabe der Klager allerdings erst mit Schreiben der vom 6. November 1991\nKenntnis erlangt, so daß ihm auch erst ab dem 1. Dezember 1991 ein\nschuldhaftes Verhalten vorgehalten werden konne.\n\n10\n\nDen Widerspruch des Klagers wies die Bezirksregierung Munster mit Bescheid vom\n17. August 1993 zuruck, worauf der Klager am 9. September 1993 Klage erhoben\nhat. Zur Begrundung hat er ausgefuhrt: Bereits vor dem Erwerb sei die Wohnung\nan den Mieter vermietet gewesen. Ihn treffe kein Verschulden, da eine\nKundigung nicht durchfuhrbar gewesen sei. Berechtigte Interessen des\nVermieters an einer Kundigung wurden allenfalls dann anerkannt, wenn der\nBeklagte die Kundigung verlangt hatte. Eine solche Forderung habe dieser\njedoch nicht gestellt.\n\n11\n\nNachdem der Beklagte seinen Geldleistungsbescheid im Hinblick auf den Auszug\ndes Mieters mit Wirkung vom 1\\. Februar 1994 aufgehoben hatte, hat der Klager\nbeantragt,\n\n12\n\nden Bescheid des Beklagten vom 6\\. April 1993 in der Fassung des Bescheides\nvom 8. Marz 1994 sowie den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Munster\nvom 17. August 1993 aufzuheben.\n\n13\n\nDer Beklagte hat beantragt,\n\n14\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n15\n\nDurch das angefochtene Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das\nVerwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als\nGeldleistungen fur den Zeitraum vom 1\\. Dezember 1991 bis zum 31. Mai 1993\nfestgesetzt worden waren. Im ubrigen hat es die Klage abgewiesen.\n\n16\n\nDer Beklagte hat Berufung eingelegt und zur Begrundung ausgefuhrt: Er sei zur\nErhebung der Geldleistungen berechtigt gewesen, da der Klager durch das\nBelassen der Wohnung an den Mieter objektiv gegen § 4 Abs. 2 WoBindG verstoßen\nhabe. Der Klager habe auch schuldhaft gehandelt. Zwar finde der vorwerfbare\nVerstoß da seine Grenzen, wo unterstellt werden konne, daß dem\nVerfugungsberechtigten die wesentlichen Umstande in tatsachlicher und\nrechtlicher Hinsicht nicht bekannt gewesen seien. Diesem Umstand habe er - der\nBeklagte - dahingehend Rechnung getragen, daß vom Zeitpunkt des\nEigentumsubergangs bis zum Bekanntwerden der Eigenschaft "offentlich\ngefordert" aufgrund des Schreibens der bank vom 6. November 1991 keine\nGeldleistungen gefordert worden seien. Ein die Festsetzung von Geldleistungen\nrechtfertigendes Verschulden entfalle allenfalls dann, wenn im Falle des\nVerstoßes beim "Belassen" eine vom Verfugungsberechtigten ausgesprochene\nKundigung nicht oder nicht alsbald die Wiederherstellung der\nbestimmungsgemaßen Nutzung ermogliche. Gleiches gelte fur einen Verzicht auf\nGeldleistungen aus Billigkeitsgrunden. Zwar habe das Verwaltungsgericht dem\nKlager eine Zeitspanne von 14 Monaten zugestanden. Eine derartige\nPauschalierung sei jedoch nicht moglich. Sollte grundsatzlich der Zeitraum zur\nBeseitigung eines Verstoßes bei einer Zeitspanne von 14 Monaten als nicht\nuberschritten angesehen werden, wurde der mit der Erhebung der Geldleistungen\nverbundene Zweck, den durch eine bestimmungswidrige Nutzung entstehenden\nSchaden auszugleichen, in erheblichem Umfange ins Leere gehen.\n\n17\n\nDer Beklagte beantragt,\n\n18\n\ndas angefochtene Urteil zu andern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.\n\n19\n\nDer Klager beantragt,\n\n20\n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n21\n\nZur Begrundung fuhrt er aus: Zunachst stelle sich die Frage der Zulassigkeit\nder Berufung, da nicht zu erkennen sei, daß die im Rahmen des pauschalierenden\nAnsatzes von 14 Monaten angenommene Frist von 11 Monaten fur eventuelle\nRechtsmittel des Mieters bzw. Vermieters den Beklagten beschwere. Die\nBemessung der Frist durch das Verwaltungsgericht sei nicht uberzogen. Unter\nBerucksichtigung von Kundigungsfristen, moglichen Rechtsmitteln sowie\nEinwanden im Vollstreckungsverfahren stelle sich der Ansatz von 14 Monaten\nallenfalls gunstig fur den Beklagten dar.\n\n22\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den\nInhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgange Bezug\ngenommen.\n\n23\n\nEntscheidungsgrunde:\n\n24\n\nDie Berufung ist zulassig. Der Beklagte wird durch das angefochtene Urteil\nbeschwert, weil das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide teilweise\naufgehoben hat.\n\n25\n\nDie Berufung ist jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang\nbegrundet.\n\n26\n\nZutreffend hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung\ndes Bundesverwaltungsgerichts\n\n27\n\nvgl. Urteil vom 16. Juni 1989 \\- 8 C 92.86 -, BVerwGE 82, S. 137 ff.\n\n28\n\ndargelegt, daß der Klager durch das Belassen der Wohnung an den nicht\nwohnberechtigten Mieter gegen die Vorschriften des § 4 Abs. 2 WoBindG, hier\ngemaß § 22 Abs. 1 WoBindG nach Maßgabe des § 22 Abs. 3 WoBindG anzuwenden,\nverstoßen hat. Desweiteren hat es zu Recht ausgefuhrt, daß den Klager infolge\nder Kenntniserlangung von der fehlenden Berechtigung des Mieters Frohlich zur\nNutzung der Wohnung auch das gemaß § 25 Abs. 1 WoBindG erforderliche\nVerschulden traf. Dem ist aus der Sicht des erkennenden Senats nichts\nentgegenzuhalten, so daß er auf die Ausfuhrungen im erstinstanzlichen Urteil\nBezug nimmt.\n\n29\n\nDer Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ist jedoch insoweit nicht zu\nfolgen, als es dem Klager einen Zeitraum von 14 Monaten zur Beseitigung des\nVerstoßes zugebilligt hat. Dabei kann dahinstehen, ob die Annahme einer\nsolchen Frist bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 2\nWoBindG entfallen laßt, weil eine Wohnung u. a. nur dann bindungswidrig\n"belassen" wird, wenn dem Erwerber die Beendigung des Mietverhaltnisses\nmoglich und zumutbar ist,\n\n30\n\nso wohl BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1989 \\- 8 C 92.86 -, a.a.O., m.w.N.,\n\n31\n\noder ob diese Frage lediglich das Verschulden betrifft.\n\n32\n\nWird eine bindungswidrig belegte Wohnung erworben und dem nicht\nwohnberechtigten Mieter belassen, verstoßt der Erwerber nicht durch positives\nHandeln, sondern durch Unterlassen gegen § 4 Abs. 2 WoBindG. Der Tatbestand\nwird dadurch erfullt, daß der Erwerber trotz einer Rechtspflicht zur\nBeendigung des Nutzungsverhaltnisses\n\n33\n\nvgl. Fischer-Dieskau/Pergande/Schwen-der, Wohnungsbaurecht, Band 3.1, § 25\nWoBindG, Anm. 4.3., S. 25,\n\n34\n\nuntatig bleibt. Auch die Frage der Schuld stellt sich in bezug auf die\nErfullung dieser Handlungspflicht und nicht - im Sinne von Erfolgsunrecht - in\nBezug darauf, nach welcher Zeitdauer unter der Annahme pflichtgemaßen Handelns\ndes Verfugungsberechtigten der wohnungsbindungsrechtlich anzustrebende Erfolg\nzu erwarten ware. Daraus folgt, daß bei der Bemessung von Fristen zur\nBeendigung wohnungsbindungsrechtlicher Verstoße auf den erforderlichen\nZeitraum fur ein Tatigwerden des Verfugungsberechtigten abzustellen ist, und\nnicht - wie es das Verwaltungsgericht getan hat - auf einen "angemessenen\nZeitraum", nach dessen Verstreichen der wohnungsbindungsrechtlich\nanzustrebende Handlungserfolg hatte eintreten konnen. Maßgeblich ist, daß der\nzum Handeln verpflichtete Verfugungsberechtigte das Erforderliche und ihm\nZumutbare unternimmt, um den Fehlbelegungszustand zu beenden. Etwas anderes\nergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 15. Juni 1982 - 14 A\n1225/80 -, an das sich das Verwaltungsgericht bezuglich der Bemessung der von\nihm angenommenen "angemessenen Zeitdauer" angelehnt hat. Ob das pflichtgemaße\nHandeln kurzfristig oder erst nach langerer Zeit zu dem\nwohnungsbindungsrechtlich anzustrebenden Ergebnis fuhrt, liegt namlich nicht\nausschließlich in der Sphare des Handlungspflichtigen. Die Zeitdauer bis zur\nBeendigung des rechtswidrigen Zustandes kann erhebliche Unterschiede aufweisen\nje nachdem, ob der Mieter sich auf eine kurzfristige Auflosung des\nMietverhaltnisses einlaßt, ob er auf einer Einhaltung von Kundigungsfristen\nbesteht, ob er der Kundigung widerspricht oder ob die Wohnung im ungunstigsten\nFall im Wege der Zwangsvollstreckung geraumt werden muß. Wurde einem\nVerfugungsberechtigten unabhangig davon, ob er seiner Handlungspflicht\nentsprochen hat, eine Frist zugebilligt, die sich an der ublichen Dauer von\nKundigungs- und Raumungsverfahren orientiert, so wurde derjenige, der sich um\ndie Herstellung eines gesetzmaßigen Zustandes bemuht und rasch und ggfs. sogar\nvorzeitig eine Auflosung des Mietverhaltnisses erreicht, schlechter gestellt\nwerden als derjenige, der \\- unter Umstanden sogar im Einverstandnis mit dem\nfehlbelegenden Mieter - nicht handelt.\n\n35\n\nHier war die Handlungspflicht des Klagers mit Zugang des Schreibens des\nBeklagten vom 23. Marz 1992 begrundet worden, mit dem dieser den Klager erneut\nauf die Fehlbelegung hinwies, zu deren Beseitigung aufforderte und die\nFestsetzung von Geldleistungen in Aussicht stellte. Unter Berucksichtigung\neiner Überlegungsfrist bezuglich des Vorgehens zur Beseitigung des\nwohnungsbindungsrechtlichen Verstoßes sowie der ggfls. notwendigen Zeit zur\nAbfassung und Übermittlung einer formgerechten Kundigung, die der Senat bis\nzum Ablauf des auf das Schreiben vom 23. Marz 1992 folgenden Monats, also bis\nzum 30\\. April 1992, bemißt, ist damit die Heranziehung des untatig\ngebliebenen Klagers ab Mai 1992 zu Recht erfolgt.\n\n36\n\nEntgegen der Ansicht des Beklagten begrundete nicht bereits das Schreiben der\nbank vom 6. November 1991 eine Rechtspflicht zum Handeln im Sinne des § 4 Abs.\n2 WoBindG. Bei der bank handelt es sich nicht um die im Sinne von § 3 WoBindG\nzustandige Stelle. Außerdem enthalt das Schreiben lediglich die Aufforderung,\ndie Ausstellung einer Wohnberechtigungsbescheinigung fur den Mieter oder ggfs.\neine Freistellung der Wohnung zu veranlassen. Schon deshalb konnte dieses\nSchreiben keine unbedingte Pflicht des Klagers zur Beendigung der Fehlbelegung\nbegrunden. Denn wenn - wie hier - weder die Voraussetzungen fur die Erteilung\neiner Wohnberechtigungsbescheinigung noch fur eine Freistellung vorliegen,\nkommt es darauf an, ob dem fehlbelegenden Mieter vom Klager wirksam gekundigt\nwerden kann. Das hierfur gemaß §§ 564 Abs. 2, 564 b BGB notwendige berechtigte\nInteresse des Vermieters wurde erst durch das Schreiben des Beklagten vom 23.\nMarz 1992 begrundet, mit dem der Klager von der zustandigen Stelle zur\nBeseitigung der Fehlbelegung aufgefordert und auf andernfalls beabsichtigte\nwohnungsbindungsrechtliche Sanktionen hingewiesen wurde.\n\n37\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung\nuber die vorlaufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711,\n713 der Zivilprozeßordnung - ZPO -.\n\n38\n\nFur eine Zulassung der Revision fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen,\nvgl. §§ 132 Abs. 2, 137 Abs. 1 VwGO. R\n\n
311,651
ovgnrw-1997-01-22-16-a-459496
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
16 A 4594/96
1997-01-22
2019-03-13 09:26:19
2019-03-27 09:47:20
Urteil
ECLI:DE:OVGNRW:1997:0122.16A4594.96.00
## Tenor\n\nDie Berufung wird zuruckgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens, fur das Gerichtskosten\nnicht erhoben werden.\n\nDie Kostenentscheidung ist vorlaufig vollstreckbar. Der Klager darf die\nVollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe des Vollstreckungsbetrages\nabwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in derselben Hohe\nSicherheit leistet.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n \n1\n\nTatbestand:\n\n2\n\nDer Antrag des Klagers, fur die Zeit ab Oktober 1995 von der\nRuckzahlungsverpflichtung gemaß § 18a BAfoG freigestellt zu werden, wurde\ndurch Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 11\\. Dezember 1995 abgelehnt,\nweil das anrechenbare Einkommen in Hohe von 3.243,93 DM den maßgeblichen\nFreibetrag von 2.315,-- DM um mehr als die Monatsrate ubersteige. Hiergegen\nlegte der Klager mit der Begrundung Widerspruch ein, der Freibetrag fur seine\nEhefrau sei nicht berucksichtigt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.\nJanuar 1996 wurde der Widerspruch zuruckgewiesen, weil auch unter\nBerucksichtigung des Freibetrages fur die Ehefrau das anrechenbare Einkommen\nin Hohe von 3.673,81 DM die Freibetragsgrenze von 2.930,-- DM deutlich\nubersteige, da nur eine Vorsorgepauschale in Hohe von 12 v.H. (anstelle von\n20,8 v.H.) zu berucksichtigen sei.\n\n3\n\nIm Klageverfahren hat der Klager sein Freistellungsbegehren weiterverfolgt und\nsich gegen die zu niedrige Vorsorgepauschale gewandt.\n\n4\n\nEr hat sinngemaß beantragt,\n\n5\n\ndie Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 11.\nDezember 1995 und dessen Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 1996 zu\nverpflichten, ihn fur die Zeit von Oktober 1995 bis September 1996 von der\nRuckzahlungsverpflichtung freizustellen.\n\n6\n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n7\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n8\n\nSie hat nunmehr ein anrechenbares Einkommen von 2.962,75 DM und eine\nFreistellungsgrenze von 2.730,-- DM (bzw. 2.530,-- DM ab 1. Januar 1996)\nerrechnet, indem sie einerseits von einem Bruttolohn von 5.521,84 DM statt\nbisher von 5.052,-- DM und andererseits von einer Vorsorgepauschale in Hohe\nvon 33 v.H. ausgegangen ist.\n\n9\n\nDas Verwaltungsgericht hat die Klage durch den angefochtenen Gerichtsbescheid\nabgewiesen.\n\n10\n\nIm Berufungsverfahren verfolgt der Klager sein Freistellungsbegehren in vollem\nUmfang weiter. Ausgehend von einem anrechenbaren Einkommen von 2.962,75 DM\nbegehrt er einen Freibetrag von 2.930,-- DM. Er wehrt sich namlich dagegen,\ndaß das Kindergeld als Einkommen des Bezugsberechtigten angesehen wird; denn\ndieses diene nicht der Entlastung, sondern der Besserstellung der Familie.\nEine Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen im Sinne des § 18 a BAfoG\nverstoße gegen Art. 6 des Grundgesetzes.\n\n11\n\nDer Klager beantragt sinngemaß,\n\n12\n\nden angefochtenen Gerichtsbescheid zu andern und entsprechend dem\nerstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.\n\n13\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten\nVerwaltungsvorgange verwiesen.\n\n14\n\nEntscheidungsgrunde:\n\n15\n\nDie Berufung, uber die der Senat mit Einverstandnis der Beteiligten gemaß §§\n125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mundliche Verhandlung entscheidet, hat keinen\nErfolg; denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der\nKlager hat keinen Anspruch auf Freistellung, weil sein anrechenbares Einkommen\ndie Freistellungsgrenze um mehr als 200,-- DM ubersteigt.\n\n16\n\nDas anrechenbare Einkommen betragt jedenfalls 2.988,49 DM. Dieser Betrag\nerrechnet sich aus Bezugen in Hohe von 5.521,84 DM, die maximal zu mindern\nsind um die Werbungskosten in Hohe von 167,-- DM, die vermogenswirksamen\nLeistungen in Hohe von 78,-- DM, die Vorsorgepauschale in Hohe von 1.741,36 DM\n(33 v.H. von 5.276,84 DM), die Lohnsteuer in Hohe von 508,83 DM und den\nSolidaritatszuschlag in Hohe von 38,16 DM.\n\n17\n\nDie Freistellungsgrenze betragt demgegenuber nur 2.730,-- DM und ab 1. Januar\n1996 sogar nur 2.530,-- DM. Soweit die Ehefrau des Klagers Kindergeld bezieht,\nverringert sich ihr Freibetrag dementsprechend. Der Senat hat mit Urteil vom\n29\\. September 1994 - 16 A 1690/93 - entschieden, daß das vom Darlehensnehmer\nbezogene Kindergeld sein Einkommen im Sinne des § 18 a Abs. 1 Satz 1 BAfoG ist\nund insofern ausgefuhrt:\n\n18\n\n"Das Einkommen der Klagerin im Sinne des § 18 a Abs. 1 iVm Abs. 2 Satz 2 BAfoG\n... ist im angefochtenen Widerspruchsbescheid zutreffend ermittelt, wobei das\nKindergeld richtig als Einkommen der Klagerin und - anders als im\nangefochtenen Erstbescheid - nicht als die Freibetrage fur die Kinder\nminderndes Einkommen gemaß § 18 a Abs. 1 Satz 3 BAfoG behandelt wird. Denn\nnach § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAfoG stellt das Kindergeld Einkommen des\nEinkommensbeziehers dar. Eine Ausnahme macht das Gesetz lediglich fur den\nFall, daß der Einkommensbezieher "Auszubildender" ist, wahrend der\nDarlehensnehmer nicht aufgefuhrt ist, so daß die Ausnahmeregelung nicht den\nDarlehensnehmer erfaßt (so auch Ramsauer/Stallbaum, aaO, § 21 Rn. 25; vgl.\nferner Senatsbeschluß vom 13. November 1989 - 16 A 1840/89 -; a.A. wohl\nSandvoß, aaO, § 18 a, Rn. 3.1). Wahrend sich also im Falle des Bezuges von\nKindergeld das Einkommen des Darlehensnehmers erhoht, vermindert sich bei der\nBewilligung von Ausbildungsforderung der dem Auszubildenden fur das Kind gemaß\n§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAfoG eingeraumte Freibetrag nach § 23 Abs. 2 BAfoG\n(Senatsurteil vom 5. Februar 1992 - 16 A 1386/89 -; Blanke, aaO, § 23 Rn. 30;\nRamsauer/Stallbaum, aaO, § 23 Rn. 20)."\n\n19\n\nDas Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 27\\. September 1995 - 11\nC 33.94 -, FamRZ 1996, 318 = NJW 1996, 945 = Buchholz 436.36 § 18 a BAfoG Nr.\n4, mit dem es die Revision gegen das zitierte Urteil des Senats zuruckgewiesen\nhat, diese Ausfuhrungen zum Kindergeld nicht in Frage gestellt.\n\n20\n\nBezieht der Ehegatte des Darlehensnehmers das Kindergeld, so gilt dieses erst\nrecht nach § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAfoG als Einkommen des\nEinkommensbeziehers, d.h. des Ehegatten des Darlehnsnehmers, das dessen Betrag\nnach § 18 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BAfoG mindert.\n\n21\n\nDiese gesetzliche Regelung verstoßt nicht gegen Art. 6 des Grundgesetzes. Die\nvom Klager genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 22,\n163 und 23, 258) und des Bundessozialgerichts (FamRZ 1983, 1113, und 1987,\n274) betreffen deutlich andere Sachverhaltsgestaltungen. Auch soweit das\nBundessozialgericht in der zuletzt genannten Entscheidung vom 26. Juni 1986 -\n7 RAr 44/84 - (FamRZ 1987, 274) entschieden hat, daß das staatliche Kindergeld\nnicht als Einkommen des Bezugsberechtigten von Arbeitslosengeld anzusehen sei,\nkann der Klager hieraus zu seinen Gunsten nichts herleiten. Zwar betont das\nBundessozialgericht, daß maßgebender Gesichtspunkt fur die Kindergeldregelung\nnicht die Entlastung des Unterhaltspflichtigen, sondern die Begunstigung der\nFamilie sei, in der das Kind dauernd lebe. Das Bundessozialgericht erkennt\naber durchaus an, daß Kindergeld, wenn es nicht als Einkommen des\nUnterhaltspflichtigen anzusehen ist, stattdessen beim Bedarf des Kindes\nanzurechnen sei. Von daher gesehen bestanden keine verfassungsrechtlichen\nBedenken, wenn bei der BAfoG-Ruckzahlung das Kindergeld als Einkommen des\nKindes anzusehen ware und dann gemaß § 18 a Abs. 1 Satz 3 BAfoG der fur das\nKind vorgesehene Betrag gemaß § 18 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BAfoG um das\nKindergeld sich mindern wurde. Auch dann wurde die Freibetragsgrenze des\nKlagers sich lediglich auf 2.730,-- DM bzw. 2.530,-- DM belaufen. Gegenuber\ndieser verfassungsrechtlich unbedenklichen alternativen Regelung ist die vom\nGesetzgeber in § 18 a Abs. 1 Satz 3 iVm § 21 BAfoG gewahlte Regelung viel\nfamiliengunstiger. Da ein Kind im Sinne des § 18 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BAfoG,\nfur das Kindergeld geleistet wird, in aller Regel kein Einkommen erzielt,\nwurde das Kindergeld bei der aufgezeigten alternativen Regelung die\nFreibetragsgrenze des Darlehensnehmers in aller Regel mindern. Da man aber\nnicht davon ausgehen kann, daß ein Ehegatte im Sinne des § 18 a Abs. 1 Satz 2\nNr. 1 BAfoG, der Kindergeld erhalt, in aller Regel kein (sonstiges) Einkommen\nerzielt, vielmehr durchaus davon auszugehen ist, daß in vielen Fallen der\nEhegatte des Darlehensnehmers ein Einkommen auch in einer solchen Hohe\nerzielt, das den Erhohungsbetrag des § 18 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BAfoG\nubersteigt, wirkt sich in all diesen Fallen die Berucksichtigung des\nKindergeldes als Einkommen des Ehegatten des Darlehensnehmers auf die\nFreibetragsgrenze des § 18 a Abs. 1 BAfoG uberhaupt nicht aus.\n\n22\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO. Die\nEntscheidung uber deren vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm\n§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.\n\n23\n\nDer Senat laßt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs.\n2 VwGO nicht vorliegen.\n\n24\n\n
311,864
olgk-1996-11-22-hes-21096-247-
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
HEs 210/96 - 247 -
1996-11-22
2019-03-13 09:32:14
2019-03-27 09:46:49
Beschluss
ECLI:DE:OLGK:1996:1122.HES210.96.247.00
## Tenor\n\n \n1\n\n**G r u n d e**\n\n2\n\nI.\n\n3\n\nDer Angeschuldigte befindet sich in dieser Sache seit dem 18. April 1996\n(zunachst bis zum 3. Juni 1996 und sodann nach Unterbrechung wegen des\nVollzuges einer Ersatzfreiheitsstrafe wieder seit dem 25. Juni 1996) in\nUntersuchungshaft, und zwar zunachst aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts\nKoln (502 Gs 1734/96) vom 18. April 1996. Gegenstand dieses Haftbefehls waren\n"mindestens" 45 selbstandige Handlungen des Betruges.\n\n4\n\nDie Staatsanwaltschaft hat unter dem 4. September 1996 Anklage gegen den\nAngeschuldigten B. A. (und gegen seine Bruder A. und O. A.) erhoben.\nEntsprechend den Tatvorwurfen in der Anklageschrift hat die 10. große\nStrafkammer des Landgerichts Koln (110 - 13/96) am 23. Oktober 1996 in\nAbanderung des Haftbefehls vom 18. April 1996 neuen Haftbefehl erlassen.\nHierin werden dem Angeschuldigten B. A. (in wechselnder Tatbeteiligung\ngemeinschaftlich mit seinen Brudern) insgesamt 326 Falle des Betruges,\nbegangen zwischen Anfang Januar 1995 und dem 5. Januar 1996, zur Last gelegt.\n\n5\n\nII.\n\n6\n\nDie Haftprufung nach §§ 121, 122 StPO fuhrt zur Aussetzung des Vollzuges des\nHaftbefehls vom 23. Oktober 1996 gemaß § 116 Abs. 1 StPO.\n\n7\n\nAllerdings ist der Angeschuldigte der ihm zur Last gelegten Taten -\nBestellungen von Fleisch-, Obst- und Gemuselieferungen mit dem bedingten\nVorsatz, bei Falligkeit der Rechnungen nicht Zahlung leisten zu konnen -\naufgrund der in der Anklageschrift vom 4. September 1996 im einzelnen\naufgefuhrten Beweismittel dringend verdachtig. Die Tatbeteiligung speziell des\nAngeschuldigten B. A. folgt insbesondere auch aus der mit\nVerteidigerschriftsatz vom 28. August 1996 abgegebenen Einlassung, wonach es\ngerade der Angeschuldigte B.A. war, der "faktisch" fur die Firma B. Obst- und\nGemuse GmbH gehandelt hat.\n\n8\n\nIn Ansehung der wegen der Vielzahl der Taten und der Hohe des Schadens\nerheblichen Straferwartung, ferner des Umstandes, daß sich der Angeklagte als\nturkischer Staatsangehoriger in sein Heimatland zuruckbegeben konnte und\nschließlich der Tatsache, daß der Verbleib der Einnahmen aus den in der\nAnklage aufgefuhrten Warengeschaften teilweise (wenn auch schon nach der\nAnklageschrift nicht etwa in voller Hohe der Rechnungsbetrage) ungeklart\ngeblieben ist, besteht auch der Haftgrund der Fluchtgefahr gemaß § 112 Abs. 2\nNr. 2 StPO.\n\n9\n\nDer Grad der Fluchtgefahr ist aber nicht so hoch, als daß ihr nicht durch eine\nAußervollzugsetzung des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1 StPO unter den Auflagen\nund Weisungen, wie sie in dem Tenor dieses Beschlusses genannt sind, begegnet\nwerden konnte.\n\n10\n\nMaßgeblich hierfur sind die personlichen und sozialen Verhaltnisse des\nAngeschuldigten. Er ist familiar in Koln verwurzelt und lebt in intakter Ehe\nmit seiner Ehefrau und den drei Kindern im Alter von 12, 10 und 1 Jahr; in der\nehelichen Wohnung in der R.straße in K. konnte der Angeschuldigte\nunproblematisch festgenommen werden. Auch seine Eltern (der Vater ist oder war\nLehrer) wohnen in K. in der B. Straße . Ebenso leben die Geschwister des\nAngeschuldigten in K.. Angesichts dieser personlichen Verhaltnisse kommt dem\nUmstand, daß der Angeschuldigte vor seiner Festnahme auch Reisen in die Turkei\nunternahm (nach Angaben der Verteidigung, um seinen erkrankten Großvater zu\nbesuchen), nicht die Bedeutung zu, daß \\- insbesondere nach Erfullung der\nAuflagen zu 3. und 4. gemaß dem vorliegenden Beschluß \\- in hohem Maße eine\nRuckkehr des Angeschuldigten in sein Geburtsland zu besorgen ware. Auch der\nteilweise ungeklart gebliebene Verbleib der Einnahmen aus den Geschaften der\nFirma B. GmbH - auf den die Strafkammer in ihrem Haftfortdauerbeschluß vom 1\\.\nOktober 1996 und in dem neuen Haftbefehl vom 23. Oktober 1996 abstellt - steht\nder Außervollzugsetzung des Haftbefehls nicht durchgreifend entgegen, wenn man\ndie Umstande der angebotenen Sicherheitsleistung in Betracht zieht: Diese soll\nausweislich der Schriftsatze der Verteidigung vom 26. Juli 1996 und vom 13.\nSeptember 1996 durch die Eltern und andere Verwandte des Angeschuldigten\naufgebracht werden. Es erscheint schwer vorstellbar, daß sich der\nAngeschuldigte nach Stellung der Kaution dem weiteren Verfahren entziehen und\nhierdurch den Verfall der Sicherheit nach § 124 Abs. 1 StPO wirtschaftlich zu\nLasten seiner Familienangehorigen riskieren wurde.\n\n11\n\nEs kann somit insbesondere durch die Leistung der Sicherheit in der\nbetrachtlichen Hohe von 200.000,00 DM und durch die Abgabe des Reisepasses\ngemaß dem Anbieten aus dem Verteidigerschriftsatz vom 13\\. November 1996 der\nFluchtgefahr hinreichend entgegengewirkt werden. Wenn der Zweck der\nUntersuchungshaft auch durch weniger einschneidende Maßnahmen als den Vollzug\ndes Haftbefehls erreicht werden kann, dann muß nach dem\nVerhaltnismaßigkeitsgrundsatz von der Moglichkeit des § 116 Abs. 1 StPO auch\ntatsachlich Gebrauch gemacht werden (Boujong in Karlsruher Kommentar, StPO, 3.\nAufl., § 116 Rdnr. 1).\n\n
311,924
ovgnrw-1996-11-06-6-a-122894
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
6 A 1228/94
1996-11-06
2019-03-13 09:33:56
2019-03-27 09:46:40
Beschluss
ECLI:DE:OVGNRW:1996:1106.6A1228.94.00
## Tenor\n\nDie Berufung wird auf Kosten des Klagers zuruckgewiesen.\n\nDie Kostenentscheidung ist vorlaufig vollstreckbar. Der Klager darf die\nVollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Hohe des\nVollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung\nin derselben Hohe Sicherheit leistet.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\nDer Streitwert wird auch fur das Berufungsverfahren auf 1.680,-- DM\nfestgesetzt.\n\n \n1\n\nG r u n d e :\n\n2\n\nI.\n\n3\n\nWegen des Sach- und Streitstandes wird zunachst auf den Tatbestand des\nangefochtenen Urteils verwiesen. Durch dieses Urteil hat das\nVerwaltungsgericht die Klage des Klagers\n\n4\n\nmit dem Antrag,\n\n5\n\ndas beklagte Land unter Änderung der Bescheide des Regierungsprasidenten X vom\n00.00.00 und 00.00.00 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 00.00.00\nzu verpflichten, ihm - dem Klager - zu den aus Anlaß des\nSanatoriumsaufenthaltes seiner Ehefrau in der Zeit vom 00 bis 00.00.00\nentstandenen Aufwendungen fur Unterkunft und Verpflegung Beihilfeleistungen\nnach § 6 Abs. 3 Satz 1 a BVO zu gewahren,\n\n6\n\nabgewiesen und zur Begrundung im wesentlichen ausgefuhrt, der Anspruch auf\nGewahrung von Beihilfe fur die dem Klager entstandenen Aufwendungen richte\nsich nach § 6 Abs. 2 und 3 BVO (vom 27. Marz 1975, GV NW 332) idF der 9. ÄndVO\n(vom 19\\. Dezember 1991, GV NW 1992, 10). Das Haus "X" der Reha- Klinik Y, in\nder die Ehefrau den Sanatoriumsaufenthalt verbracht habe, sei eine Einrichtung\ni.S. von § 6 Abs. 2 b BVO, fur die Kosten fur Unterkunft und Verpflegung gemaß\n§ 6 Abs. 3 Satz 1 b BVO nur bis zur Hochstgrenze von 90,-- DM taglich\nbeihilfefahig seien. Das Haus "X" sei mit dem Apartmenthotel "Haus Z" (einem\nBeherbergungsbetrieb) raumlich verbunden. Das ergebe bereits das Vorbringen\ndes Klagers, nach dem das Haus "X" von dem Hotel "Haus Z" betreten bzw. nach\ndorthin verlassen werden konne, wenn einer der Anmeldebereiche durchquert\nwerde. Die Kappungsregelung in § 6 Abs. 3 Satz 1 b BVO sei auch im Hinblick\nauf andere Beihilferegelungen nicht zu beanstanden. Die Dienstherren in Bund\nund Landern seien berechtigt, im Rahmen ihrer Fursorgepflicht gegenuber den\nBeamten die Beihilfegewahrung frei und unterschiedlich auszugestalten. Daß die\ngenannte Regelung die Unzumutbarkeitsgrenze uberschreite und es sich hier um\neinen Hartefall handele, bei dem die beamtenrechtliche Fursorgepflicht in\nihrem Wesenskern verletzt wurde, konne die Kammer nicht erkennen. Der Klager\nsei auch auf die einschlagigen beihilferechtlichen Regelungen im Schreiben vom\n00.00.00 hingewiesen worden, so daß es ihm moglich gewesen sei, vor Antritt\nder Sanatoriumsbehandlung sich Klarheit uber den beihilferechtlichen Charakter\nder Reha-Klinik X zu verschaffen. Der Hinweis des Klagers darauf, daß die\nFestsetzungsstelle entsprechend Nr. 13.3 VV zu § 6 BVO im Rahmen des\nVoranerkennungsverfahrens habe entscheiden mussen, ob das ausgewahlte\nSanatorium von § 6 Abs. 2 a oder b BVO erfaßt werde, konnte seiner Klage nicht\nzum Erfolg verhelfen. Aus einer eventuellen Pflichtverletzung ergebe sich kein\nBeihilfeanspruch aus § 6 Abs. 3 Satz 1 a BVO. Schadensersatz oder\nFolgenbeseitigungsanspruche bedurften vor ihrer gerichtlichen Geltendmachung\neines an die Behorde zu stellenden Antrags. Eine solche - nicht nachholbare -\nKlagevoraussetzung sei hier nicht gegeben.\n\n7\n\nMit seiner Berufung macht der Klager im wesentlichen geltend: Das\nVerwaltungsgericht habe sich zu Unrecht durch § 6 Abs. 3 Satz 1 b BVO an der\nGewahrung weiterer Beihilfe gehindert gesehen. Das folge schon aus einer\ngrammatikalischen Auslegung des Begriffs "raumliche Verbindung" i.S. von § 6\nAbs. 2 a Nr. 5, Abs. 2 b BVO. Da sich das Adjektiv "raumlich" vom Substantiv\n"Raum" ableite, sei vorauszusetzen, daß sich Beherbergungsbetrieb und Klinik\ngewissermaßen innerhalb derselben vier Wande und damit in einer einheitlichen\nGebaudeeinheit befanden. Eben dies sei aber nicht der Fall, da sich das Haus\n"X" der Reha-Klinik Y in einem eigenstandigen Flugel eines dreiflugeligen\nHochhausgebaudes befinde, wahrend das Apartmenthotel "Haus Z" in den anderen\nbeiden Flugeln des Gebaudes untergebracht sei. Das entspreche auch dem Sinn\nund Zweck der Regelung, der dahin gehe, Beihilfeleistungen zu limitieren fur\nAufenthalte in Kurhotels, die nicht allein auf die Behandlung von Kranken\nspezialisiert seien, sondern auch Gaste aufnahmen, die den Wunsch nach\nErholung und Abwechslung hatten. Auch bedeute die Abweichung der nordrhein-\nwestfalischen Regelung vom Beihilfestandard der anderen Dienstheren wegen\nihres Umfangs - fast eine Halbierung der Beihilfe bei Inanspruchnahme der\ngleichen Leistung - eine Überschreitung des dem nordrhein-westfalischen\nVerordnungsgeber zustehenden Gestaltungsraums. Die Unterlassung einer\nVorabentscheidung gemaß Nr. 13.3 VV zu § 6 BVO sei nicht nur ein Verstoß gegen\ndie der Festsetzungsstelle gegenuber ihm - dem Klager - obliegende Pflicht,\nsondern auch ursachlich fur einen bei ihm eingetretenen Schaden in Hohe der\nDifferenz der Beihilfefahigkeit zwischen einer Einrichtung nach § 6 Abs. 2 a\nund b BVO, so daß ihm - wegen Amtspflicht- oder Fursorgepflichtverletzung bzw.\nder Folgenbeseitigungslast \\- ein entsprechender Ersatzanspruch zustehe. Wenn\ndas Verwaltungsgericht die zulassige Geltendmachung eines solchen Anspruchs\nunter Hinweis auf das Fehlen eines entsprechenden Antrags an die Behorde\nverneint habe, beruhe dies auf einer Verkennung der im\nVerwaltungsverfahrensrecht geltenden Grundsatze fur die Auslegung offentlich-\nrechtlicher Willenserklarungen sowie § 25 VwVfG. Nach allem hatte das\nVerwaltungsgericht der Klage selbst bei Verneinung des primar verfolgten\nBeihilfeanspruchs jedenfalls im Hinblick auf die bestehenden Sekundaranspruche\nstattgeben mussen.\n\n8\n\nDer Klager beantragt,\n\n9\n\ndas angefochtene Urteil zu andern und nach seinem erstinstanzlichen Klage-\nantrag zu erkennen,\n\n10\n\nhilfsweise,\n\n11\n\ndas beklagte Land zu verpflichten, ihm hinsichtlich der aus Anlaß des\nSanatoriumsaufenthalts seiner Ehefrau entstandenen Aufwendungen die Differenz\nzwischen den nach § 6 Abs. 3 Satz 1 b BVO gewahrten und den im Falle einer\nAnwendbarkeit von § 6 Abs. 3 Satz 1 a BVO zu gewahrenden Beihilfeleistungen zu\nerstatten.\n\n12\n\nDer Beklagte beantragt,\n\n13\n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n14\n\nEr stutzt sich auf die Begrundung der angefochtenen Bescheide, sein bisheriges\nVorbringen und die Grunde des angefochtenen Urteils und fuhrt erganzend und\nvertiefend aus, nach § 6 Abs. 2 a und b BVO reiche zur Einordnung, daß eine -\nwie auch immer geartete - bauliche Verbindung zu einem Hotelbetrieb bestehe\naus, dieses Sanatorium den Einrichtungen nach § 6 Abs. 2 b BVO mit der sich\ndaraus ergebenden Rechtsfolge zuzuordnen. Die erganzenden Fursorgeleistungen\ndes beklagten Landes wichen nicht wesentlich von denen u.a. des Bundes ab.\nInsoweit bestehe auch kein nennenswertes Mißverhaltnis zwischen\namtsangemessener Besoldung und dem Anteil der davon zu bestreitenden Kosten\nder Krankenvor- und - fursorge. Der erstmalig gestellte Hilfsantrag sei\nunzulassig. Daruber hinaus bestehe kein Anspruch auf Schadensersatz. Der\nAnerkennungsbescheid vom 00.00.00 sei mit eingehenden Hinweisen u.a. auf die\nbeihilfefahigen Kosten versehen gewesen. Eine weitergehende Information uber\ndie im Einzelfall beihilfefahigen Aufwendungen konne durch die\nFestsetzungsstelle bei der Vielzahl von mehreren hundert Einrichtungen fur\nHeil- und Sanatoriumskuren und haufigen Veranderungen regelmaßig nicht\nerfolgen.\n\n15\n\nDie Beteiligten sind durch gerichtliche Verfugung vom 00.00.00 auf die\nMoglichkeit einer Entscheidung nach § 130 a VwGO hingewiesen worden.\n\n16\n\nWegen des Sach- und Streitstandes im ubrigen wird auf den weiteren Inhalt der\nGerichts- und Verwaltungsakten (1 Heft) erganzend Bezug genommen.\n\n17\n\nII.\n\n18\n\nDer Senat entscheidet uber die Berufung gemaß § 130 a VwGO durch Beschluß, da\ner die Berufung einstimmig fur unbegrundet und eine mundliche Verhandlung\nnicht fur erforderlich halt.\n\n19\n\nDie Berufung ist zulassig, aber nicht begrundet. Der Klager hat weder einen\nAnspruch auf Beihilfe i.S. seines Klagehauptantrages noch kann er erfolgreich\neinen Schadensersatz- oder Folgenbeseitigungsanspruch i.S. des Hilfsantrages\ngeltend machen.\n\n20\n\nDie Erstattung von Aufwendungen fur Unterkunft und Verpflegung bei dem\nSanatoriumsaufenthalt der Ehefrau des Klagers vom 00 bis zum 00.00.00 richtet\nsich gemaß Art. II Satz 2 der 9. Verordnung zur Änderung der\nBeihilfenverordnung \\- BVO - (vom 19.Dezember 1991, aaO) nach § 6 BVO idF\ndieser 9\\. ÄndVO. Nach § 6 Abs. 3 sind beihilfefahig die Kosten fur Unterkunft\nund Verpflegung a) in den Fallen des Absatzes 2 Buchstabe a bis zur Hohe des\nniedrigsten Satzes des Sanatoriums, b) in den Fallen des Absatzes 2 Buchstabe\nb bis zur Hohe des niedrigsten Satzes des Sanatoriums, hochstens bis zu\nneunzig Deutsche Mark taglich. Die beiden Alternativen in § 6 Abs. 2 a) und b)\nBVO unterscheiden sich - soweit fur die vorliegende Fallgestaltung erheblich -\ndadurch, daß Sanatorium nach Abs. 2 a) eine Krankenanstalt ist, die nur\nPersonen aufnimmt, die einer stationaren Behandlung bedurfen und die nicht mit\neinem Beherbergungsbetrieb raumlich verbunden ist, wohingegen Sanatorium nach\nAbs. 2 b) eine Einrichtung ist, die auch Personen aufnimmt, die nicht einer\nstationaren Behandlung bedurfen oder die mit einem Beherbergungsbetrieb\nraumlich verbunden ist.\n\n21\n\nDer Regierungsprasident X hat den Sanatoriumsaufenthalt im Haus "X" der Reha-\nKlinik Y zu Recht dem § 6 Abs. 2 b) BVO zugeordnet, weil die Einrichtung mit\neinem Beherbergungsbetrieb raumlich verbunden ist. Aus den von den Beteiligten\nvorgelegten bildlichen Darstellungen und Beschreibungen der Reha-Klinik im W\nkann es nicht zweifelhaft sein, daß zwischen dem Apartmenthotel "Haus Z" und\ndem Haus "X" eine raumliche Verbindung besteht. Diese ist bereits dadurch\ngegeben, daß beide Einrichtungen in demselben Haus, wenn auch in verschiedenen\nFlugeln untergebracht sind. Sie zeigt sich insbesondere an dem "weiteren,\nkleineren" Eingang in das Haus X am inneren Ende des Flugels im ersten Stock\nvon dem man auch in den Empfangsbereich des Apartementhotels "S" gelangen\nkann. Diese raumliche Verbindung wird auch in der Mitteilung der Reha-Klinik X\nvom 00.00.00, die der Klager zu den Verwaltungsakten eingereicht hat, deutlich\nangesprochen.\n\n22\n\nDem Klager steht eine hohere Beihilfe zu den Kosten fur Unterkunft und\nVerpflegung auch nicht deshalb zu, weil die nordrhein-westfalische Regelung in\nrechtswidriger Weise vom Beihilfestandard der anderen Dienstherren,\ninsbesondere den Beihilfevorschriften des Bundes vom 19. April 1985 (GMBl.\n1985 S. 290) abweicht. Zwar gebietet es nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgericht die Fursorgepflicht des Dienstherrn, daß er sich bei\nder Regelung der Beihilfegewahrung fur seine Beamten an der vom\nBundesbesoldungsgesetzgeber bei der Bemessung der amtsangemessenen Besoldung\neinschließlich des Anteils fur eine angemessene Krankenversorgung\nvorausgesetzten zusatzlichen Hilfeleistung ("Beihilfestandard") in Bund und\nLandern orientiert.\n\n23\n\nVgl. BVerwG, Entscheidung vom 25. Juni 1987 \\- 2 N 1.86 - BVerwGE 77, 345 ff.\n\n24\n\nDabei ist es jedoch (auch aufgrund des Art. 3 Abs. 1 GG) nicht geboten, daß\ndie Beamten eines Landes auf dem dem Landesrecht vorbehaltenen Gebiet den\nBeamten eines anderen Landes oder des Bundes vollig gleich gestellt sind und\nrechnerisch die gleichen Beihilfeleistungen erhalten. Es ist nicht zu prufen,\nob die normsetzende Exekutive die gerechteste und zweckmaßigste Regelung\ngetroffen hat, sondern lediglich, ob sie die außersten Grenzen ihrer\nGestaltungsfreiheit gewahrt hat.\n\n25\n\nVgl. BVerwG, Beschluß vom 18. Mai 1990 - 2 NB 1.89 -, Dokumentarische Berichte\nB zur Rechtsprechung des BVerwG (Dok. Ber. 1990, 259 f.).\n\n26\n\nDanach kann von einer unzulassigen Abweichung des nordrhein-westfalischen\nLandesverordnungsgebers von einem vorgegebenen "Beihilfestandard" nicht\ngesprochen werden. Das verdeutlicht ein Vergleich der fruheren mit der\nheutigen Regelung des Landes Nordrhein-Westfalen sowie den\nBeihilfevorschriften des Bundes und die sich daraus fur die Beamten jeweils\nergebenden Rechtsfolgen.\n\n27\n\n§ 6 BVO hatte zur Regelung der beihilfefahigen Aufwendungen bei\nSanatoriumsaufenthalt vor Inkrafttreten der jetzt maßgeblichen Fassung der 9.\nÄndVO, d.h. in der Fassung vom 27\\. Marz 1975, GV NW 332, mit den Änderungen\nbis einschließlich der 8. ÄndVO vom 9. Februar 1990, GV NW 118, folgenden\nWortlaut:\n\n28\n\n"(1) Die Kosten fur Unterbringung und Verpflegung in einem Sanatorium sowie\ndie Auslagen fur Kurtaxe und die Kosten eines arztlichen Schlußberichtes sind\nneben den Aufwendungen nach § 4 Nr. 1, 7, 9 und 11 nur dann beihilfefahig,\nwenn ein amts- oder vertrauensarztliches Gutachten daruber vorgelegt worden\nist, daß die Sanatoriumsbehandlung dringend notwendig ist und nicht durch\nstationare Behandlung in einer anderen Krankenanstalt oder durch eine Heilkur\nnach § 7 mit gleicher Erfolgsaussicht ersetzbar ist, und die\nFestsetzungsstelle die Beihilfefahigkeit vorher anerkannt hat. Eine\nAnerkennung der Beihilfefahigkeit ist nicht zulassig, wenn im laufenden oder\nin den beiden vorangegangenen Kalenderjahren bereits eine als beihilfefahig\nanerkannte Sanatoriumsbehandlung oder Heilkur durchgefuhrt worden ist. Von der\nEinhaltung der Frist darf nur abgesehen werden\n\n29\n\n1\\. nach einer schweren, einen Krankenhaus- aufenthalt erfordernden\nErkrankung,\n\n30\n\n2\\. wenn nach dem Gutachten eines Amts- oder Vertrauensarztes aus zwingenden\nmedizinischen Grunden (z.B. schweren Fallen von Morbus Bechterew) eine\nSanatoriumsbehandlung in einem kurzeren Zeitabstand notwendig ist.\n\n31\n\nIst die Beihilfefahigkeit eines Sanatoriumsaufenthaltes nicht anerkannt\nworden, sind nur die Aufwendungen nach § 4 Nr. 1, 7 und 9 beihilfefahig.\n\n32\n\n(2) Die Kosten fur Unterbringung und Verpflegung sind bis zur Hohe des\nniedrigsten Satzes des Sanatoriums beihilfefahig. Bei Schwerbehinderten, bei\ndenen die Notwendigkeit einer standigen Begleitperson behordlich festgestellt\nist, sowie bei Kindern, die aus medizinischen Grunden einer Begleitperson\nbedurfen, sind die Kosten fur Unterbringung und Verpflegung der Begleitperson\nbis zur Hohe von siebzig vom Hundert des niedrigsten Satzes sowie die Kurtaxe\nder Begleitperson beihilfefahig; Voraussetzung ist eine Bestatigung des\nSanatoriumsarztes, daß fur eine erfolgversprechende Behandlung eine\nBegleitperson notwendig ist.\n\n33\n\n(3) Ein Sanatorium im Sinne dieser Vorschriften ist eine Krankenanstalt,\n\n34\n\n1\\. die besondere Heilbehandlungen (z.B. mit den Mitteln der physikalischen\nTherapie - Bader, Bestrahlungen usw. - oder durch besondere Formen der\nErnahrung) durchfuhrt und die dafur erforderlichen Einrichtungen und\nPflegepersonen besitzt,\n\n35\n\n2\\. in der die Behandlung durch einen dafur vorgebildeten Arzt geregelt und\nuberwacht wird und\n\n36\n\n3\\. die der Aufsicht des zustandigen Gesundheitsamtes untersteht (§ 47 der\nDritten Durchfuhrungsverordnung zum Gesetz uber die Vereinheitlichung des\nGesundheitswesens vom 30. Marz 1935 - RGS. NW S. 7)."\n\n37\n\nDiese Bestimmung ist - nicht dem genauen Wortlaut, wohl aber dem\nRegelungsgehalt nach - nahezu identisch mit der noch heute gultigen Vorschrift\nin § 7 BhV (Fassung vom 10. Juli 1995, GMBl. 470, geandert durch Allgem. VV\nvom 4. Juli 1996, GMBl. 627); ein Abweichen des nordrhein-westfalischen\nLandesverordnungsgebers vom Beihilfestandard des Bundes ist hiernach nicht\nerkennbar. Auch gilt zur Definition des Begriffs "Sanatorium" weiter, daß\nSanatorien in beiden Geltungsbereichen nach § 47 der 3 DVO zum Gesetz uber die\nVereinheitlichung des Gesundheitswesens vom 30. Marz 1935, aaO, der Aufsicht\ndes zustandigen Gesundheitsamtes unterstehen.\n\n38\n\nVgl. Schroder-Beckmann-Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Lander,\nKomm., Teil 1/6 - BhV § 7 Anm. 9.\n\n39\n\nNach seiner langjahrigen Rechtsprechung zu dem in § 6 Abs. 3 BVO (idF. der 8.\nÄndVO, aaO) enthaltenen Merkmal der Krankenanstalt hat es der Senat als\nwesentliches Charakteristikum einer Krankenanstalt angesehen, daß die Anstalt\nnur solchen Personen offensteht, die vom arztlichen Standpunkt aus einer\nBehandlung in der Anstalt bedurfen, wo sie unter standiger arztlicher\nÜberwachung stehen und vom Arzt selbst und nach seinen Weisungen behandelt\nwerden und ihre Lebensweise medizinisch begrundeten Beschrankungen unterworfen\nist.\n\n40\n\nVgl. OVG NW, Beschluß vom 30. Mai 1990 \\- 6 A 710/87 -, Urteil vom 27.\nSeptember 1991 - ,6 A 1118/90 - RiA 93, 42 und Beschluß vom 25\\. August 1994 -\n6 A 4322/93 -.\n\n41\n\nGegenuber dieser Rechtslage bringt die - hier maßgebliche - 9\\. ÄndVO zu § 6\nBVO eine deutliche V e r b e s s e r u n g hinsichtlich der Beihilfefahigkeit\nvon Kosten fur Unterkunft und Verpflegung bei Aufenthalt in einem Sanatorium,\ndas die Konzession nach § 30 GewO besitzt und auch Personen aufnimmt, die\nnicht einer stationaren Behandlung bedurfen oder das mit einem\nBeherbergungsbetrieb raumlich verbunden ist. Angesichts der erstmaligen\nBerucksichtigung des hierdurch begunstigten Personenkreises im nordrhein-\nwestfalischen Beihilferecht kann bei der Festsetzung eines Hochstbetrages von\n90,-- DM von einer rechtswidrigen Abweichung des Landesverordnungsgebers von\neinem relevanten Beihilfestandard zu Lasten des Klagers keine Rede sein.\nDementsprechend hat der Senat auch in seinem Urteil\n\n42\n\nvom 26. April 1996 - 6 A 2777/95 -\n\n43\n\ndie Rechtmaßigkeit der Neuregelung angeommen.\n\n44\n\nDer im Berufungsverfahren hilfsweise gestellte Klageantrag ist unzulassig.\nNach standiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des hier\nentscheidenden Senats setzt eine auf Schadensersatz (oder Folgenbeseitigung)\ngerichtete beamtenrechtliche Verpflichtungs- oder Leistungsklage einen vor\nKlageerhebung an die Behorde zu stellenden entsprechenden Antrag voraus. Es\nhandelt sich hierbei nicht um eine (im Prozeß nachholbare)\nSachurteilsvoraussetzung, sondern um eine nicht nachholbare\nKlagevoraussetzung.\n\n45\n\nVgl. BVerwG, Beschluß vom 15\\. Juli 1977 - II B 36.76 -, Buchholz, Sammel- und\nNachschlagewerk der Rspr. des BVerwG, 232 § 79 BBG Nr. 66; OVG NW, u.a.\nBeschluß vom 10\\. Juni 1996 - 6 A 957/94 -.\n\n46\n\nVor Klageerhebung ist hier ein entsprechender Antrag an den\nRegierungsprasidenten/die Bezirksregierung X nicht herangetragen worden.\n\n47\n\nDie Berufung ist hiernach mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden\nKostenfolge zuruckzuweisen. Die Entscheidung uber die vorlaufige\nVollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision\nwird nicht zugelassen, weil weder die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO\nnoch die des § 127 Beamtenrechtsrahmengesetz gegeben sind.\n\n48\n\n
311,929
ag-essen-1996-11-05-9-c-20496
657
Amtsgericht Essen
ag-essen
Essen
Nordrhein-Westfalen
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
9 C 204/96
1996-11-05
2019-03-13 09:34:07
2019-03-27 09:46:40
Urteil
ECLI:DE:AGE1:1996:1105.9C204.96.00
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Kosten des Rechtsstreits tragt der Klager.\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDem Klager wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die gegnerische\nPartei gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 1.500,00 DM abzuwenden, wenn\nnicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher\nHohe leistet.\n\n \n1\n\n** _Tatbestand:_**\n\n2\n\nZwischen den Parteien besteht ein langjahriges Mietverhaltnis, wegen der\nMietvertrage wird auf die Anlagen zum Schriftsatz vom 29.10.96 verwiesen. Mit\nSchreiben vom 14.07.95 kundigte der Klager dem Beklagten zum 01.08.96.\nInsoweit wird auf die Kopie Blatt 20 der Akten verwiesen. Der Beklagte\nwidersprach der Kundigung mit Schreiben vom 26.05.96, insoweit wird auf Blatt\n21 der Akten verwiesen.\n\n3\n\nDer Klager stellt den Antrag,\n\n4\n\ndie beklagte Partei zu verurteilen, an ihn die im Erdgeschoss rechts des\nSeitengebaudes des Hauses O-Str. 38 in ##### Essen, gelegene Wohnung,\nbestehend aus zwei Zimmern, einer Kuche, einer Diele, einem Bad mit Toilette\nnebst einem als Hobbyraum und Garage genutzten Lagerraum geraumt\nherauszugeben.\n\n5\n\nDer Beklagte beantragt,\n\n6\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n7\n\n** _Entscheidungsgr unde: _**\n\n8\n\nDie Klage ist unbegrundet.\n\n9\n\nI.\n\n10\n\nDa es sich vorliegend um ein Mietverhaltnis - im wesentlichen - uber Wohnraum\nhandelt, bedarf es zur Kundigung eines berechtigten Interesses des Vermieters\nan der Kundigung gemaß § 564 b BGB, der hier vom Klager nicht dargetan ist.\n\n11\n\nDer Klager will die Raumung der Wohnung, weil er diese renovieren will, unter\nanderem Einbau einer Gasetagenheizung, Erneuerung der Wasserrohre etc., was\netwa funf Monate in Anspruch nehmen wurde. Wahrend dieser Zeit soll die\nWohnung unbenutzbar sein. Die Regelkundigungsgrunde nach § 564 b Absatz 2 BGB\nliegen hier nicht vor. Es kommt daher nur in Frage, dass hier ein unbenanntes\nberechtigtes Interesse im Sinne von § 564 b Absatz 1 BGB in dem\nRenovierungsvorhaben zu sehen ist. § 564 b Absatz 2 BGB enthalt keine\nabschließende Aufzahlung der Grunde fur ein berechtigtes Interesse des\nVermieters an der Kundigung. Es kommt auch ein dort nicht genannte\nberechtigtes Interesse gemaß § 564 b Absatz 1 BGB in Frage, wenn es\nvergleichbar schwerwiegend ist wie die Aufzahlung der Beispiele in § 564 b\nAbsatz 2 BGB (vergleiche: Barthelmess, 4. Auflage, § 564 b Radnummer 52 f).\nEin solches berechtigtes Interesse liegt mit dem Renovierungsvorhaben nicht\nvor.\n\n12\n\nEin berechtigtes Interesse des Vermieters an der Kundigung ist dann aufgrund\nsystematischer Auslegung nicht anzunehmen, wenn bereits das Gesetz eine\nspezielle Regelung uber den entsprechenden Konfliktfall geschaffen hat. Eine\nsolche spezielle Regelung ist hier in den §§ 541 a und 541 b BGB zu sehen.\nDiese Vorschriften begrunden eine Duldungspflicht des Mieters fur die dort\ngenannten Bauarbeiten seitens des Vermieters, die die Wohnung des Mieters\nbetreffen. Nach diesen Vorschriften ist der Mieter lediglich zur Duldung\nverpflichtet, ein Kundigungsrecht des Vermieters wird hingegen nicht\neingeraumt. Dies ist auch nicht notwendig, denn wenn der Mieter zur Duldung\nverpflichtet ist, kann der Vermieter ungestort die Arbeiten durchfuhren.\nWelche Konsequenzen der Mieter daraus zieht, ob er zeitweilig auszieht oder ob\ner das ihm eingeraumte Sonderkundigungsrecht nach § 541 b BGB wahrnimmt, ist\ndie Sache des Mieters. § 541 b Absatz 4 BGB ist sogar eine zwingende\nVorschrift. Demnach ist davon auszugehen, dass der Konfliktfall, der\nanlasslich von Renovierungsarbeiten seitens des Vermieters entstehen kann,\nabschließend durch § 541 b BGB geregelt ist. Fur ein Kundigungsrecht aus\nwichtigem Grund besteht demnach kein Platz mehr.\n\n13\n\nOb letztendlich die hier durchzufuhrenden Arbeiten unter § 541 b BGB fallen,\nkann dahinstehen, da, wenn sie nicht dazugehoren, dies an der Bewertung nichts\nandert. Dies ergibt sich daraus, dass selbst bei berechtigten\nRenovierungsmaßnahmen kein Kundigungsrecht des Mieters nach der soeben\ngeschilderten Auslegung gegeben ist. Dann kann dies erst recht nicht der Fall\nbei im Sinne § 541 b BGB nicht berechtigten Renovierungsmaßnahmen.\n\n14\n\nII.\n\n15\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.\n\n
312,387
olgk-1996-06-10-18-u-21395
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
18 U 213/95
1996-06-10
2019-03-13 09:46:26
2020-12-10 13:14:01
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1996:0610.18U213.95.00
1\n\nE n t s c h e i d u n g s g r u n d e\n\n2\n\nDie Berufung ist begrundet.\n\n3\n\nDer Klagerin steht der geltend gemachte Anspruch auf pauschalierten\nSchadensersatz wegen Nichterfullung des am 03.08. bzw. 06.08.1992 zwischen den\nParteien geschlossenen Fertighausvertrages gegen die Beklagten nicht zu.\n\n4\n\nDer Vertrag uber den Bau eines Z.-Fertighauses (Bl. 13 d.A.) ist\neinschließlich des zugleich erteilten Planungsauftrags (Bl. 15 d.A.) nach §\n125 BGB formnichtig sein, weil er nur privatschriftlich geschlossen wurde.\n\n5\n\nNach § 313 BGB bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet,\ndas Eigentum an einem Grundstuck zu ubertragen oder zu erwerben, der\nnotariellen Beurkundung. Der Fertighausvertrag enthalt keine unmittelbare\nVerpflichtung der Beklagten zum Erwerb eines Grundstucks. Er ist auch nicht\ndeshalb beurkundungsbedurftig, weil die Klagerin sich fur den Fall der\nVertragskundigung durch die Beklagten unter Ziff. 13 ihrer Vertragsbedingungen\neinen pauschalierten Schadensersatzanspruch in betrachtlicher Hohe ausbedungen\nhat. Der durch einen derartigen Schadensersatzanspruch erzeugte\nwirtschaftliche Druck auf die Entschließungsfreiheit des Bauherrn wird in der\nRechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht als mittelbarer Zwang zum\nGrundstuckserwerb anerkannt, der nach dem Schutzzweck des § 313 BGB die\nnotarielle Beurkundung erfordern wurde. Der Fertighausvertrag ist aber dann\nnotariell zu beurkunden, wenn er mit einem Grundstucksvertrag rechtlich\nzusammenhangt, wenn namlich die Vereinbarungen nach dem Willen der Parteien\nderart voneinander abhangig sind, daß sie miteinander "stehen und fallen"\nsollen. Auch wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitswillen\nerkennen laßt und der andere Partner ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt,\nkann ein einheitlicher Vertrag vorliegen. Nicht erforderlich ist, daß an jedem\nder Rechtsgeschafte jeweils dieselben Parteien beteiligt sind (BGHZ 76, 43, 48\nf.).\n\n6\n\nIm vorliegenden Fall hat der Fertighausvertrag in dieser Weise mit dem\nGrundstuckskaufvertrag verknupft werden sollen. Die Niederlegung mehrerer\nselbstandiger Vertrage in verschiedenen Urkunden begrundet zwar die Vermutung,\ndaß die Vertrage nicht in rechtlichem Zusammenhang stehen sollen. Der\nrechtliche Zussammenhang wird auch nicht allein dadurch begrundet, daß fur die\nErrichtung des Fertighauses ein Grundstuck benotigt wird (BGHZ 76, 43, 49).\nFur den Verknupfungswillen der Parteien sprechen aber auch andere Umstande,\ndurch die die Vermutung fur die rechtliche Selbstandigkeit der jeweils\ngetrennt abzuschließenden Vertrage widerlegt wird.\n\n7\n\nIn den Vertragsbedingungen zum Fertighausvertrag ist der Erwerb eines\nGrundstucks ausdrucklich zur Voraussetzung fur die Leistungen der Klagerin\ngemacht worden. Es heißt dort unter Ziff. 2: "Der Vertrag betrifft den Bau\neines Z.-Hauses auf ein in Ihrem Eigentum stehenden oder noch zu erwerbenden\nGrundstuck. ... Voraussetzung fur den Beginn der Planungs- und\nBauvorbereitungsphase ist, daß Sie im Besitz des Baugrundstuckes sind; ..."\nNach der Werbung der Klagerin haben die Beklagten davon ausgehen durfen, daß\ndie Klagerin ihnen das fur die Errichtung des Hauses erforderliche Grundstuck\nverschaffen werde. In der Werbung (Bl. 68 d.A.) heißt es: "TOP-Baugrundstucke\nhalt unser Grundstucksexperte in fast allen Lagen im Großraum G. bereit." Der\nBerufungsvortrag der Klagerin, ihr Außendienst sammele lediglich aus\nKundendienstgrunden Informationen uber zu erwerbende Grundstucke, die dann an\ninteressierte Kunden weitergegeben werden konnten, sie verpflichte sich den\nKunden gegenuber aber nicht, Grundstucke zu besorgen, ist mit dieser Werbung\nnicht vereinbar.\n\n8\n\nDen von der Klagerin mit Schriftsatz vom 17.05.1996 vorgelegte ,Fragebogen zum\nVertrag" kann nicht entnommen werden, daß die Grundstucksvermittlung durch die\nKlagerin entfallen sollte und daß dies den Beklagten mitgeteilt oder gar von\nihnen gewunscht worden ist. In dem Fragebogen ist zwar unter Ziffer 6 die Zahl\n2 eingetragen, womit angeblich - was der schlecht lesbaren Kopie nicht\neindeutig zu entnehmen ist - die Grundstucksvermittlung durch Bauherrn oder\nDritte gemeint sein sollte. Der Fragebogen ist aber ersichtlich nicht von den\nBeklagten, sondern von dem Mitarbeiter der Klagerin, Herrn Kramer (oder\nKremer), ausgefullt worden. Er ist von den Beklagten am 03.08.1992, d.h. bei\nAbschluß des Fertighausvertrages, nur unterzeichnet worden. Daß die Frage der\nGrundstucksvermittlung dabei erortert worden ist, und zwar in dem genannten\nSinne, tragt die Klagerin nicht vor. Einer solchen Erorterung hatte es aber\nbedurft, um den durch die Werbung der Klagerin erweckten Eindruck zu\nbeseitigen, daß die Grundstucksvermittlung durch die Klagerin erfolgen werde.\nDies gilt jedenfalls deshalb, weil die erkennbar geschaftlich unerfahrenen\nBeklagten nicht die Moglichkeit hatten, sich vor Abschluß des Vertrages mit\ndem Fragebogen zu beschaftigen und die dort bezuglich der\nGrundstucksvermittlung vorgesehenen Alternativen klarzumachen. Die Klagerin\nhat im ubrigen nicht substantiiert bestritten, daß ihr Mitarbeiter Kramer den\nBeklagten bei den Verkaufsverhandlungen gesagt hat, sie konnten den Vertrag\nruhig abschließen, denn ein Grundstuck wurden sie von der Firma Z. auf jeden\nFall erhalten. Fur die Richtigkeit dieses Vortrags spricht auch, daß der\nMitarbeiter der Klagerin unstreitig das passende Grundstuck mit der\nGrundstucksverkauferin hergestellt und den notariellen Vertrag vorbereitet\nhat.\n\n9\n\nEs ist nach alledem davon auszugehen, daß die Klagerin es ubernommen hatte,\nden Beklagten ein geeignetes Grundstuck fur den Bau des Fertighauses zu\nbeschaffen. Insofern ist der vorliegende Fall mit demjenigen identisch, fur\nden der Bundesgerichtshof eine rechtliche Verknupfung von Bauvertrag und\nGrundstuckserwerb bejaht hat (BGHZ 78, 346). In jenem Fall war allerdings das\nzu bebauende Grundstuck bereits bestimmt und im Bauvertrag naher bezeichnet.\nDer BGH hat es aber dahinstehen lassen, ob der Verknupfungswille der Parteien\ndamit zu begrunden war. Wenn auch ansonsten in der Rechtsprechung von einem\nsolchen Verknupfungswillen jeweils nur in Fallen ausgegangen worden ist, in\ndenen ein bestimmtes Grundstuck erworben werden sollte (BGH NJW 1994, 721; OLG\nHamm NJW-RR 1995, 1045), besagt dies nicht, daß ein rechtlicher Zusammenhang\nzwischen dem Fertighausvertrag und dem Grundstucksvertrag die Festlegung auf\nein bestimmtes Grundstuck voraussetzt. Entscheidend ist allein der\nVerknupfungswille der Parteien (BGHZ 76, 43, 49; BGHZ 78, 346, 349).\n\n10\n\nFur einen solchen Verknupfungswillen spricht im vorliegenden Fall noch die\nBesonderheit, daß die Finanzierung mit Hilfe offentlicher Mittel erfolgen\nsollte und deshalb zu dem Fertighausvertrag eine Zusatzvereinbarung getroffen\nworden ist, wonach den Beklagten fur den Fall, daß der Antrag auf Bewilligung\noffentlicher Mittel bzw. Aufwendungsdarlehen endgultig abgelehnt werden\nsollte, ein Rucktrittsrecht zugestanden hat (Bl. 14 d.A.). In der\nZusatzvereinbarung heißt es weiter unter Ziff. 3: "Zur Beantragung der\noffentlichen Mittel ist die Durchfuhrung der Bauantragsbemusterung und die\nEinreichung des Bauantrages erforderlich. Der Bauherr beauftragt Z. durch\ngesonderten Planungsauftrag mit der Durchfuhrung der Bauantragsbemusterung und\nder Erstellung des Bauantrages, sofern er bereits Eigentumer eines\nBaugrundstuckes ist, ein solches erworben hat oder von ... ein Baugrundstuck\nvertraglich zugesichert ist." Der gesonderte Planungsauftrag ist bei Abschluß\ndes Fertighausvertrages erteilt worden, obwohl die Beklagten, wie die Klagerin\nwußte, weder Eigentumer eines Baugrundstucks waren noch ein solches Grundstuck\nerworben hatten und auch von dritter Seite ein Baugrundstuck nicht vertraglich\nzugesichert war. Die Parteien sind demnach davon ausgegangen, daß der Erwerb\ndes passenden Baugrundstucks anderweitig, namlich durch die Vermittlung der\nKlagerin gesichert war. Damit hat der Fertighausvertrag mit dem\nGrundstuckskaufvertrag "stehen und fallen" sollen. Dafur spricht schließlich\nauch der Umstand, daß in dem Fertighausvertrag kein Rucktrittsrecht fur den\nFall vereinbart ist, daß der Grundstuckserwerb scheitern sollte. Ein solches\nRucktrittsrecht wird in der Rechtsprechung als Indiz gegen einen\nVerknupfungswillen gewertet (BGHZ 76, 43, 49 f.; OLG Koblenz NJW-RR 1994,\n295). Wird kein Vorbehalt des Grundstuckserwerbes vereinbart, belegt dies den\nrechtlichen Zusammenhang der Vertrage jedenfalls dann, wenn sich der\nFertighausverkaufer um den Erwerb des Grundstucks zu kummern hat, wie dies\nhier der Fall gewesen ist.\n\n11\n\nIm Ergebnis ist hiernach von der Formbedurftigkeit des Vertrages auszugehen,\naus dem die Klagerin ihre Klageforderung herleiten will. Die Klageforderung\nist deshalb nicht begrundet.\n\n12\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.\n\n13\n\nBerufungsstreitwert und Beschwer der Klagerin: 27.801,75 DM.\n\n14\n\n2\n\n
312,471
lagham-1996-05-23-8-2-sa-132695
794
Landesarbeitsgericht Hamm
lagham
Nordrhein-Westfalen
Arbeitsgerichtsbarkeit
8 (2) Sa 1326/95
1996-05-23
2019-03-13 13:07:58
2020-12-10 13:14:08
Urteil
ECLI:DE:LAGHAM:1996:0523.8.2SA1326.95.00
## Tenor\n\nDie Berufung des Klagers gegen das Urteil desArbeitsgerichts Hagen vom\n13.06.1995 - 4 Ca 144/95 - wird auf Kosten des Klagers zuruckgewiesen.\n\n \n1\n\n**T a t b e s t a n d**\n\n2\n\nMit seiner Klage nimmt der Klager die Beklagte nach Beendigung des\nArbeitsverhaltnisses durch arbeitsgerichtlichen Vergleich auf Schadensersatz\nmit der Begrundung in Anspruch, die Beklagte habe - entgegen dem Inhalt des\ngeschlossenen Vergleichs - in der Arbeitsbescheinigung gemaß § 133 AFG als\nBeendigungsgrund des Arbeitsverhaltnisses verhaltensbedingte Umstande\nangegeben.\n\n3\n\nDurch das dem Klager am 13.07.1995 zugestellte Urteil, auf welches zur naheren\nSachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage\nabgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 20.07.1995 eingelegte und zugleich\nbegrundete Berufung des Klagers.\n\n4\n\nUnter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens beantragt der Klager,\n\n5\n\ndas Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 13.06.1995\n\n6\n\n\\- 4 Ca 144/95 - abzuandern und nach den Schlußan-\n\n7\n\ntragen der ersten Instanz zu erkennen.\n\n8\n\nDie Berufungsbeklagte beantragt,\n\n9\n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n10\n\n**E n t s c h e i d u n g s g r u n d e**\n\n11\n\nDie Berufung ist unbegrundet.\n\n12\n\nDie Kammer folgt im Ergebnis und in der Begrundung den zutreffenden\nAusfuhrungen des Arbeitsgerichts, nach welchen ein pflichtwidriges Handeln der\nBeklagten zu verneinen ist. Weder hat die Beklagte im arbeitsgerichtlichen\nVergleich vom 27.11.1992 eine eigenstandige vertragliche Verpflichtung zur\nErteilung einer Arbeitsbescheinigung bestimmten Inhalts ubernommen, noch kann\nuberhaupt durch Parteivereinbarung eine wirksame Verpflichtung zur Erteilung\neiner Arbeitsbescheinigung bestimmten Inhalts - abweichend von der offentlich-\nrechtlichen Verpflichtung zur korrekten Ausfullung der Arbeitsbescheinigung\ngemaß §§ 133, 230 AFG - begrundet werden. Eine solche Vereinbarung ware\nnamlich nach § 134 BGB nichtig. Ebensowenig wie sich ein Zeuge rechtswirksam\nzu einer Falschaussage verpflichten und verurteilt werden kann, eine bestimmte\nAussage zu machen oder eine gemachte Aussage zu berichtigen (BGH, NJW 1965,\n1803) ist die Verurteilung des Arbeitgebers, eine Arbeitsbescheinigung mit\neinem bestimmten Inhalt zu erteilen, zulassig (so bereits LAG Hamm, Urteil vom\n20.02.1976 - 3 Sa 1143/75 - DB 1976, 923 m.w.N.). Dies entspricht auch der im\nSchrifttum einhelligen Meinung (vgl. die Nachweise bei Knipp, AR-Blattei, SD,\nArbeitspapiere Rz. 83).\n\n13\n\nFolgt also aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 27.11.1992 kein\neigenstandiger Anspruch auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung bestimmten\nInhalts, so kame eine Schadensersatzpflicht der Beklagten nur unter der\nVoraussetzung in Betracht, daß die erteilte Arbeitsbescheinigung objektiv\nunrichtig ausgefullt worden ware. Ob der Klager dies im vorliegenden Verfahren\nuberhaupt geltend machen will, erscheint fraglich, da der Klager sich zur\nRechtfertigung des Klagebegehrens ausschließlich auf die Vergleichsregelung\nberuft. Jedenfalls laßt sich eine objektiv unrichtige Ausstellung der\nArbeitsbescheinigung nicht feststellen, nachdem die im Sozialgerichtsprozeß\nvernommenen Zeugen die Sachdarstellung der Beklagten bestatigt haben.\n\n14\n\nDie Kosten des erfolglosen Rechtsmittels hat gemaß § 97 Abs. 1 ZPO der Klager\nzu tragen.\n\n
312,514
olgham-1996-04-25-3-ss-36996
821
Oberlandesgericht Hamm
olgham
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
3 Ss 369/96
1996-04-25
2019-03-13 13:09:07
2020-12-10 13:14:14
Beschluss
ECLI:DE:OLGHAM:1996:0425.3SS369.96.00
## Tenor\n\nDas angefochtene Urteil wird aufgehoben.\n\nDas Verfahren wird eingestellt.\n\nDie Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen\nAuslagen werden der Staatskasse auferlegt.\n\n \n1\n\n**Gr unde:**\n\n2\n\n**I.**\n\n3\n\nDie Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Essen vom 16.10.1992 legt dem\nAngeklagten zur Last, bis Dezember 1991 in ... fortgesetzt handelnd\ntateinheitlich Vergehen des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes sowie des\nsexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen zu Lasten seiner am 28.08.1989\ngeborenen Tochter ... begangen zu haben. Die Konkretisierung der\nAnklageschrift lautet wie folgt:\n\n \n4 | _"Der Angeschuldigte ist der Vater des Kindes ..., geboren am .... Die Eheleute ... leben getrennt, das Scheidungsverfahren ist anh angig. Bis Dezember 1991 holte der Angeschuldigte das Kind regelmaßig am Wochenende fur drei Stunden zu sich. Der Angeschuldigte benutzte diese Besuche, um an den Kind sexuelle Handlungen vorzunehmen. Der Angeschuldigte erregte sich und onanierte dann mit entbloßtem Glied auf den Bauch und teilweise auch auf die Scheide des Kindes. Er rieb das Kind mit dem Samen ein. Außerdem mußte ... das erregte Glied des Angeschuldigten anfassen und streicheln. Des weiteren gab er ... Zungenkusse."_ \n---|--- \n \n5\n\nDas wesentliche Ergebnis der Ermittlungen der vorgenannten Anklageschrift\nenthalt zum Tatzeitraum folgende Angaben:\n\n \n6 | _"Im August 1991 zog Frau ... aus. Seitdem lebt sie mit der ... im Haus ihrer Eltern. Zun achst wurde mit ihrem Ehemann eine Besuchszeit fur ... geregelt. Der Ehefrau paßte dies uberhaupt nicht, da der Angeschuldigte das Kind wahrend der Ehe nicht gut behandelt hatte. So soll er z.B. nachts betrunken in das Kinderzimmer gegangen sein und auf die Bettdecke ... gehauen haben bis sie schrie. Seit Ende September 1991 holte der Angeschuldigte ... regelmaßig am Wochenende fur drei Stunden zu sich. Zunachst war die Ehefrau bei den Treffen noch dabei, weil sie sich dachte, daß es fur das Kind nicht so gut sei, es dem Vater zu entziehen. Nach und nach hatte der Vater ... dann fur sich allein. Nach einiger Zeit fiel der Ehefrau auf, daß ... ein auffalliges Verhalten zeigte. So kam sie nach Hause, legte sich breitbeinig auf die Couch und spielte an ihrem Geschlechtsteil. Am 29.12.1991 horte sie dann von ... die Äußerung: "Papa, Popo, Milch". Als sich die Anzeichen hauften, ging Frau ... dann im Marz 1992 zum ersten Mal zum Kinderschutzbund. Dort wurde ... von einem Sexualwissenschaftler und Familientherapeuten begutachtet. Die Äußerungen ... wertete dieser eindeutig als Angaben, daß sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen wurden."_ \n---|--- \n \n7\n\nDie Anklage vom 16.10.1992 ist durch Eroffnungsbeschluß des Amtsgerichts ...\nvom 8. Marz 1993 - 36 b (51/93) unverandert zur Hauptverhandlung zugelassen\nworden.\n\n8\n\nDas Amtsgericht ... hat den Angeklagten sodann mit Urteil vom 19.05.1993 wegen\nsexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem\nMißbrauch eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr unter\nStrafaussetzung zur Bewahrung verurteilt. Dem Urteil lagen u.a. folgende\nFeststellungen zugrunde:\n\n \n9 | _"Anfang August 1991 trennten sich die Eheleute, die Zeugin ... zog mit dem Kind zu ihren Eltern, der Angeklagte blieb in der ehelichen Wohnung. Im August und ... September 1991 traf der Angeklagte mehrfach im Beisein seiner Ehefrau mit seinem Kind zusammen. Dann trafen die Eheleute eine Besuchsregelung, wonach der Angeklagte jeweils einmal in der Woche das Kind f ur drei Stunden abholen durfte. In der Folgezeit holte der Angeklagte das Kind regelmaßig, meistens samstags oder sonntags, in der Wohnung der Schwiegereltern in ... ab und fuhr mit ihm im Auto davon. ( ...) Zuletzt holte er das Kind am 21. und am 26.12.1991 ab. Dabei hielt er sich er sich am 21.12. langere Zeit in der Familie seines Bruders auf, am 26.12. in der Wohnung seiner Mutter zusammen mit anderen Familienangehorigen. An diesen beiden Tagen war er aber auch moglicherweise mit dem Kind in seiner Wohnung allein. In der Folgezeit verweigerte die Mutter des Kindes jegliche Kontakte, weil sie Anzeichen dafur beobachtet haben wollte, daß das Kind durch das Verhalten des Vaters verstort sei. Der Angeklagte nahm an dem Kind bei mindestens einem der aufgefuhrten Besuchskontakte, wahrend er sich mit dem Kind allein in seiner Wohnung befand, sexuelle Handlungen vor. Er fuhrte sein erregtes Glied an den nackten Korper des Kindes heran und ließ es zum Samenerguß auf den Korper des Kindes kommen. Ob er diese oder ahnliche Handlungen auch mehrmals vorgenommen hat, ließ sich nicht sicher feststellen."_ \n---|--- \n \n10\n\nDie Berufungskammer des Landgerichts ... hat mit dem angefochtenen Urteil die\nBerufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom\n19.05.1993 verworfen. Nach den dem Berufungsurteil der Strafkammer\nzugrundeliegenden Feststellungen verließ die Zeugin ... am 07.08.1991 die\neheliche Wohnung, in der sie zuvor mit dem Angeklagten und der gemeinsamen\nTochter ... gelebt hatte. Am 28.08.1991 sollen der Angeklagte und die Zeugin\n... dann anlaßlich des zweiten Geburtstags von ... Besuchskontakte zwischen\ndem Angeklagten und dem Kind vereinbart haben, die im wochentlichen Rhythmus\nstundenweise an einem Samstag oder Sonntag stattfinden sollten. Die\nBesuchskontakte hatten dann wie vereinbart ab August 1991 stattgefunden, und\nzwar - insoweit im Widerspruch zu den gerade wiedergegebenen Feststellungen\nder Strafkammer - ab dem 10.08.1991. Am 28.08.1991 und am 30.08.1991 sowie am\n14.09.1991, dem 35. Geburtstag des Angeklagten, seien die Besuchskontakte in\nAnwesenheit der Zeugin ... erfolgt. In der Folgezeit sei dem Angeklagten dann\nvon der Zeugin ... gestattet worden, die Besuchskontakte mit ... auch alleine\ndurchzufuhren. Der Angeklagte sei dann am 16.09.1991 in den Nachmittagsstunden\nmit ... zeitweise alleine zusammen gewesen, in der Folgezeit sei es zu\nweiteren Besuchskontakten gekommen, bei denen neben dem Angeklagten und dem\nKind ... allerdings teilweise auch weitere Familienangehorige anwesend gewesen\nseien. Genaue Feststellungen, an welchen Tagen die sich nunmehr anschließenden\nBesuchskontakte stattfanden, konnte die Strafkammer nicht treffen. Am\n03.01.1992 gegen 12.00 Uhr habe die Zeugin ... dann gegenuber dem Angeklagten\ndie Herausgabe des Kindes unter Bezugnahme auf verschiedene Vorkommnisse "in\nder letzten Zeit" und eine von ihr eingeholte anwaltliche Beratung verweigert.\nNach diesem Zeitpunkt sei es zu Kontakten zwischen dem Angeklagten und dem\nKind ... ohne Beisein dritter Personen nicht mehr gekommen. Zum eigentlichen\nTatgeschehen hat die Strafkammer folgende Feststellungen getroffen:\n\n \n11 | _"Zumindest w ahrend einer der Besuchskontakte in dem vorgenannten Zeitraum, den der Angeklagte mit ... ohne Beisein der Zeugin ... hatte, zeigte der Angeklagte gegenuber ... sexuelles Fehlverhalten. Dieses sexuelle Fehlverhalten fand am 16.09.1991 in der Wohnung des Angeklagten statt, wobei nicht auszuschließen ist, daß es aber auch spater geschah. Der Angeklagte war an diesem Tag in seiner Wohnung ... mit ... allein. Er entkleidete ..., holte zumindest seinen Penis aus der Hose und onanierte vor ... bis zum Samenerguß. Sein Samen ließ er auf den nackten Bauch von ... laufen und wischte ihn anschließend ab. Danach kleidete er ... wieder an._ _Es konnte nicht festgestellt werden, da ß ein Vorfall solcher Art sich noch einmal wiederholt hat. Es konnte auch nicht festgestellt werden, daß sich der Angeklagte in anderer Art und Weise gegenuber ... sexuell fehlverhalten hat." (S. 21 UA)_ \n---|--- \n \n12\n\nIm Rahmen der Beweiswurdigung fuhrt die Strafkammer sodann u.a. aus, daß der\nAngeklagte auf Vorhalt eingeraumt habe, am 16.09.1991 stundenweise mit ...\nwahrend des Besuchskontaktes alleine gewesen zu sein. Im weiteren hat die\nStrafkammer dann zur Überfuhrung des Angeklagten im Rahmen der Bestimmung der\nTatzeit ausgefuhrt:\n\n \n13 | _"Dem Angeklagten war zun achst wahrend der Zeit seiner alleinigen Besuchskontakte mit ... vom zeitlichen Rahmen her ein solches sexuelles Fehlverhalten moglich. Der Angeklagte hat selbst auf Befragen der Kammer zugegeben, daß er bei seinem Besuchskontakt am 16.09.1991 nachmittags stundenweise mit ... allein gewesen ist. In dieser Zeit war es ihm moglich, nachdem er ... bei ihrer Mutter in ... abgeholt hatte, mit ihr in seine in der Stadtmitte von ... gelegene Wohnung zu fahren, um dort die von der Kammer festgestellte sexuelle Handlung vor und an ihr vorzunehmen. Anschließend hatte er genugend Zeit, mit ... wieder nach ... zu fahren, um sie dort rechtzeitig bei ihrer Mutter abzugeben, und damit den ihm vorgegebenen Zeitraum einzuhalten._ _Da der Angeklagte am 16.09.1991 nach den Feststellungen der Kammer aufgrund der Beweisaufnahme die l angste Zeit allein mit ... war und ihm bei den genannten Entfernungen von ... nach ... und zuruck der langste Zeitraum zur Verfugung stand, um die sexuelle Handlung mit ... durchzufuhren, hat die Kammer den 16.09.1991 als Tattag festgestellt._ _In diesem Zusammenhang sei bemerkt, da ß die Kammer es auch nicht fur ausgeschlossen halt, daß der Angeklagte die von der Kammer festgestellte Tat auch an einem anderen Tage, an dem er Besuchskontakt mit ... gehabt hat in dem vorgenannten Zeitraum, begangen haben kann." (S. 51 UA)_ \n---|--- \n \n14\n\nDie Strafkammer fuhrt im Rahmen der Beweiswurdigung des weiteren aus, daß sie\n"es fur bemerkenswert" (S. 54 UA) halte, daß der Angeklagte sich anlaßlich der\nihm eingeraumten Besuchskontakte nur an einem Tag, namlich am 16.09.1991, mit\ndem Kind nicht im Kreise von Verwandten oder guten Bekannten aufgehalten habe.\nDie Strafkammer fuhrt dann weiter aus, daß auch der Umstand, daß die Zeugin\n... zunachst den Tag, an dem sie ein sexuelles Fehlverhalten des Angeklagten\ngegenuber ... anlaßlich des Besuchskontaktes vermutet hatte, auf einen\nspateren Zeitpunkt als den 16.09.1991 gelegt hatte, "nicht gegen den von der\nKammer angenommenen Tatzeitpunkt" (S. 54 UA) spreche, und begrundet dies dann\nmit naheren Ausfuhrungen.\n\n15\n\nGegen das Berufungsurteil der Strafkammer hat der Angeklagte form- und\nfristgerecht Revision eingelegt mit der er die Einstellung des Verfahrens,\nhilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den Feststellungen und\ndie Zuruckverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an\ndas Landgericht ... begehrt.\n\n16\n\nDie Revision rugt zunachst, daß die Anklageschrift nicht den Anforderungen an\ndie notwendige Individualisierung der dem Angeklagten verworfenen Taten\ngenuge. So sei der Tatzeitraum nicht hinreichend eingegrenzt und die Anzahl\nder dem Angeklagten vorgeworfenen Einzelhandlungen sowie die Art und Weise der\nHandlungen in bezug auf den Einzelakt zu unbestimmt. Daruber hinaus erhebt die\nRevision die allgemeine Sachruge und macht mit der Verfahrensruge geltend, daß\nder Angeklagte weder darauf hingewiesen worden sei, daß er statt wegen einer\nfortgesetzten Tat allein wegen einer Einzelhandlung verurteilt werden konne,\nnoch darauf, daß auch der 16.09.1991 als Tatzeitpunkt in Betracht komme,\nobwohl nach der Aktenlage und insbesondere auch nach den Feststellungen des\namtsgerichtlichen Urteils der Oktober 1991 als fruhester Tatzeitpunkt in\nBetracht gekommen sei. Allein die Befragung des Angeklagten zu dem\nBesuchskontakt vom 16.09.1991 durch die Strafkammer habe einen solchem\nrechtlichen Hinweis nicht ersetzen konnen. Der Angeklagte habe demzufolge auch\ngar nicht versucht, sich fur die Besuchskontakte vor Oktober 1991 um\nAlibizeugen zu bemuhen. Daruber hinaus rugt die Revision mit der\nVerfahrensruge, daß die Strafkammer aus fehlerhaften Erwagungen heraus von der\nVernehmung der Zeugin ... abgesehen habe und macht hierzu nahere Ausfuhrungen.\nDurch die Nichtvernehmung von ... sieht die Revision zudem die\nAufklarungspflicht verletzt.\n\n17\n\n**II.**\n\n18\n\nDie zulassige Revision des Angeklagten hat auch in der Sache Erfolg. Sie fuhrt\nunter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Einstellung des Verfahrens. Es\nliegt hier gleich in zweifacher Weise ein Verfahrenshindernis vor. Die\nVerurteilung des Angeklagten ist namlich wegen einer Tat erfolgt, die nicht\nGegenstand der zugelassenen Anklage gewesen ist. Zudem fehlt es an den\nVerfahrensvoraussetzungen der Erhebung einer ordnungsgemaßen Anklage und, da\nder Eroffnungsbeschluß des Landgerichts die Anklage der Staatsanwaltschaft\nunverandert zur Hauptverhandlung zugelassen hat, der ordnungsgemaßen Zulassung\nder Anklage, da durch die Anklage der Verfahrensgegenstand nicht ausreichend\nbestimmt wird. Aus diesem Grunde war das Verfahren insgesamt einzustellen und\nder Angeklagte nicht etwa hinsichtlich der von der Anklage erfaßten Vorwurfe\nfreizusprechen. Dies ware namlich ansonsten geboten gewesen, da die\nStrafkammer nicht hat feststellen konnen, daß der Angeklagte in dem von der\nAnklage erfaßten Tatzeitraum eine der ihm von der Anklage noch unter der\nAnnahme vom Fortsetzungszusammenhang zur Last gelegten Taten begangen hat.\n\n19\n\n1.)\n\n20\n\nAnklage und Eroffnungsbeschluß sind Verfahrensvoraussetzungen. Sie bestimmen\nUmfang und Grenzen der Verhandlung, denn Gegenstand der Urteilsverkundung ist\ngemaß §264 Abs. 1 StPO allein die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich\nnach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt. Die Anklage ist danach\nmaßgebend dafur, was dem Gericht zur Überprufung und Entscheidung unterbreitet\nist; der Eroffnungsbeschluß, der endgultig bestimmt, welche Taten das Gericht\nuntersucht, kann nur solche Taten zum Gegenstand haben, die in der Anklage\nenthalten sind und auf die sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft\nbezieht (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 42. Aufl., §264 Rdnr. 7 a) m.w.N.;\nDahs/Dahs, Die Revision im Strafprozeß, 5. Aufl., Rdnr. 97 f m.w.N.). Das\nFehlen von Anklage und/oder Eroffnungsbeschluß bzw. der Umstand, daß Anklage\nund/oder Eroffnungsbeschluß sich jedenfalls nicht auf die Tat erstrecken, die\nGegenstand der Urteilsfindung gewesen ist, stellen vom Revisionsgericht stets\nzu prufende absolute Verfahrenshindernisse dar (Kleinknecht/Meyer-Goßner,\na.a.O., §264 Rdnr. 12; Dahs/Dahs, a.a.O., Rdnr. 98, je m.w.N.).\n\n21\n\n2.)\n\n22\n\nDie Berufungskammer hat den Angeklagten wegen einer Tat verurteilt, die am\n16.09.1991 begangen sein soll. Sie hat den 16.09.1991 ausdrucklich als\nTatzeitpunkt festgestellt. Eine am 16.09.1991 begangene Mißbrauchstat zum\nNachteil von ... war aber nicht Gegenstand der unverandert zugelassenen\nAnklage der Staatsanwaltschaft ... vom 16.10.1992. Gegenstand der Anklage war\neine fortgesetzte Handlung, deren Beginn sich der Konkretisierung der\nAnklageschrift zwar nicht entnehmen laßt, der aber im wesentlichen Ergebnis\nder Ermittlungen fruhestens auf Ende September 1991 festgelegt worden ist.\nNach dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen holte der Angeklagte ...\nnamlich erst seit Ende September 1991 regelmaßig am Wochenende fur drei\nStunden zu sich, so daß vor diesem Zeitpunkt kein Besuchskontakt zwischen dem\nAngeklagten und dem Kind stattgefunden haben kann, in dessen Verlauf dann\nMißbrauchshandlungen hatten erfolgen konnen. Der Tatzeitpunkt 16.09.1991 liegt\naber eindeutig vor Beginn des angeklagten Tatzeitraums ab Ende September 1991,\ner liegt fast genau in der Mitte des Monats September im Jahre 1991. Damit\nsteht fest, daß die vom Landgericht festgestellte Tat nicht mehr von Anklage\nund Eroffnungsbeschluß umfaßt ist.\n\n23\n\nDer Umstand, daß das Landgericht nach den Urteilsgrunden nicht mit Sicherheit\nausschließen konnte, daß die von ihm festgestellte Tat doch nicht am\n16.09.1991 sondern an einem anderen, von ihm nicht naher bestimmten Tag\ngeschehen ist, fuhrt zu keiner anderen Beurteilung. Auch in diesem Fall ware\nder Gegenstand der Urteilsfindung namlich nicht von dem Inhalt der Anklage und\ndes Eroffnungsbeschlusses gedeckt, da der Tatzeitraum dann jedenfalls von\neinem Zeitpunkt nach Ende September 1991 - so Anklage und Eroffnungsbeschluß\n\\- auf einen Zeitraum nach dem 15.09.1991 bis zum Dezember 1991 - insoweit\nwieder in Übereinstimmung mit Anklage und Eroffnungsbeschluß \\- ausgedehnt\nworden ware und bereits deshalb die Identitat der angeklagten und der den\nGegenstand der Urteilsfindung bildenden Tat nicht mehr gewahrleistet ist.\n\n24\n\nDie Konkretisierung der angeklagten bzw. der den Gegenstand der Urteilsbildung\nbildenden Tat in zeitlicher Hinsicht ist hier auch nicht etwa deshalb\nentbehrlich, weil dem Angeklagten nur eine - unverwechselbare - Mißbrauchstat\nzur Last gelegt wurde, so daß trotz der festgestellten Abweichungen in der\nzeitlichen Einordnung dieser Tat zwischen dem Urteil der Strafkammer\neinerseits und der Anklage bzw. dem Eroffnungsbeschluß andererseits\nausgeschlossen ware, daß der Angeklagte wegen einer Tat verurteilt worden ist,\ndie nicht angeklagt war. Dem Angeklagten wurden vielmehr bereits mit der\nAnklage mehrere - wenn auch in der Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung\nzusammengefaßte - Mißbrauchshandlungen zur Last gelegt; auch das Urteil der\nStrafkammer geht davon aus, daß weitere Mißbrauchshandlungen zum Nachteil des\nKindes lediglich nicht sicher festgestellt werden konnen, mithin durchaus\nmoglich sind. Damit war hier die genaue zeitliche Einordnung der dem\nAngeklagten zur Last gelegten Tat zur Bestimmung des Verfahrensgegenstandes\nunabdingbar.\n\n25\n\n3.)\n\n26\n\nSoweit das Landgericht nicht hat feststellen konnen, daß der Angeklagte in dem\nvon Anklage und Eroffnungsbeschluß erfaßten Tatzeitraum eine\nMißbrauchshandlung zum Nachteil des Kindes begangen hat, war der Angeklagte\ngleichwohl nicht freizusprechen, vielmehr war auch insoweit das Verfahren\neinzustellen. Anklage und Eroffnungsbeschluß sind namlich unwirksam, da es der\nAnklage an der genugenden Konkretisierung der dem Angeklagten zur Last\ngelegten Tat fehlt. Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung (BGH\nNStZ 1995, 245 m.w.N.; BGH MDR 1994, 399 m.w.N.; OLG Bamberg NJW 1995, 1167\nm.w.N.) hat die Anklageschrift die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie\nZeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, daß die Identitat des\ngeschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat\ngemeint ist; sie muß sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen\ndesselben Taters unterscheiden lassen. Es darf nicht unklar bleiben, uber\nwelchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft\nurteilen soll. Fehlt es hieran, so ist die Anklage unwirksam.\n\n27\n\nEbenso ist anerkannt, daß sich nicht fur alle Falle in gleicher Weise sagen\nlaßt, welche Angaben zur ausreichenden Bestimmung des Verfahrensgegenstandes\nerforderlich sind. Insbesondere bei einer Vielzahl sexueller Übergriffe gegen\nKinder, die haufig erst nach Jahren aufgedeckt werden, ist eine\nIndividualisierung der einzelnen Mißbrauchshandlungen nach Tatzeit und exaktem\nGeschehensablauf vielfach nicht moglich, weil der Erinnerungsfahigkeit der\nGeschadigten als regelmaßig einzigen Tatzeugen Grenzen gesetzt sind. In diesen\nFallen ist es - um gewichtige Lucken in der Strafverfolgung zu vermeiden - bei\nder nach dem Beschluß des großen Senates fur Strafsachen des\nBundesgerichtshofs vom 03.05.1994 (NStZ 1994, 383) regelmaßig gebotenen\nAnnahme von rechtlich selbstandigen Einzeltaten als ausreichend anzusehen, daß\nin der Anklage das Tatopfer, die Grundzuge der Art und Weise der Tatbegehung,\nein bestimmter Tatzeitraum und die (Hochst-) Zahl der vorgeworfenen\nStraftaten, die Gegenstand des Verfahrens sein sollen, mitgeteilt werden (BGH\nNStZ 1995, 245; BGH MDR 1994, 399; OLG Bamberg NJW 1995, 1167, je m.w.N.).\n\n28\n\nDiesen Anforderungen wird die vorliegende Anklageschrift nicht gerecht. Die\nAnklage bezeichnet zwar das Tatopfer, laßt aber bereits die einem konkreten\nEinzelfall im Rahmen der angeklagten fortgesetzten Handlung bzw. einer\nkonkreten rechtlich selbstandigen Einzeltat zuzuordnende Beschreibung\nzumindest der Grundzuge der Art und Weise der Tatbegehung vermissen. Sie\nerschopft sich insoweit vielmehr in einer auch unter dem fruher geltenden\nrechtlichen Gesichtspunkt des Fortsetzungszusammenhangs nicht zureichenden\nallgemein gehaltenen, zusammengefaßten Schilderung geubter Sexualpraktiken\n(vgl. BGH NStZ 1995, 245). Auch der Tatzeitraum bleibt nach der Anklage\nunklar. Zwar ist der Anklage wie ausgefuhrt zu entnehmen, daß der Tatzeitraum\njedenfalls nicht vor Ende September 1991 beginnen sollte, gleichwohl stellt\ndieses Datum aber nicht den konkreten Beginn des Tatzeitraums dar. Vielmehr\nbleibt nach der Anklage offen, auf welchen Zeitpunkt der Beginn des\nTatzeitraums festgelegt werden soll. Wahrend die Konkretisierung der\nAnklageschrift hierzu - wie ausgefuhrt - vollig schweigt, laßt sich dem\nwesentlichen Ergebnis der Ermittlungen namlich entnehmen, daß der Angeklagte\nauch nach Ende September 1991 uber eine weitere, in der Anklage nicht naher\nmitgeteilte Zeitspanne das Kind zunachst nur im Beisein der Kindesmutter zu\nsich nehmen durfte, und es dann erst "nach und nach" fur sich allein hatte.\nDer Beginn des Tatzeitraums fallt daher nach der Anklage auf einen nicht naher\nmitgeteilten Zeitpunkt zwischen Ende September 1991 und Dezember 1991, dem von\nder Anklage angenommenen Endpunkt des Tatzeitraums. Die erforderliche\nKonkretisierung des Tatzeitraums wird von der Anklage somit nicht geleistet.\nDamit mangelt es der Anklage gleichzeitig auch an der weiter erforderlichen\nMitteilung der (Hochst-) Zahl der dem Angeklagten vorgeworfenen Straftaten.\nDer Bundesgerichtshof (BGH MDR 1994, 399) konnte bei einem offenbar ahnlich\ngelagerten Fall, bei dem es ebenfalls an "Besuchswochenenden" des Tater zu\nsexuellen Mißbrauchshandlungen gekommen war, die Hochstzahl der dem\nAngeklagten dort vorgeworfenen Taten aus der Zahl der Wochenenden folgern, an\nden es zu Besuchskontakten zwischen Tater und Opfer gekommen war. Selbst eine\nsolche Eingrenzung ist im vorliegenden Fall aber nicht moglich, da der Anklage\nauch nicht mittelbar entnommen werden kann, an wie vielen Wochenenden der\nAngeklagte das Kind allein zu Besuchen zu sich abgeholt hatte.\n\n29\n\nDas Verfahren ist daher einzustellen. Dies steht einer neuen, den\nverfahrensrechtlichen Anforderungen gerecht werdenden Anklage jedoch nicht\nentgegen (BGH NStZ 1995, 245 m.w.N.). Diese Anklage mußte dann allerdings auch\nden vom Landgericht angenommenen Tatzeitraum ab dem 15.09.1991 abdecken.\n\n30\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus §467 Abs. 1 StPO.\n\n
312,569
olgk-1996-03-25-5-u-20695
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
5 U 206/95
1996-03-25
2019-03-13 13:10:37
2020-12-10 13:14:22
Beschluss
ECLI:DE:OLGK:1996:0325.5U206.95.00
## Tenor\n\n \n1\n\n##blob##nbsp;\n\n2\n\n**G r u n d e**\n\n3\n\n##blob##nbsp;\n\n4\n\n##blob##nbsp;\n\n5\n\n##blob##nbsp;\n\n6\n\nI.\n\n7\n\n##blob##nbsp;\n\n8\n\nDie Klagerin hat den Beklagten auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Gegen\ndas ihm ungunstige erstinstanzliche Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt\nund zugleich darauf hingewiesen, daß noch nicht feststehe, ob die Berufung\ndurchgefuhrt werde. Er bitte daher die Gegenseite, noch keinen bei dem\nBerufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt zu bestellen. Vor Ablauf der\nBegrundungsfrist hat er um Fristverlangerung gebeten, die ihm auch gewahrt\nworden ist. Danach hat sich fur die Klagerin ein bei dem Oberlandesgericht\nzugelassener Rechtsanwalt bestellt, um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zur\nVerteidigung gegen die Berufung gebeten und den Antrag angekundigt, die\nBerufung zuruckzuweisen. Durch Beschluß vom 7. Februar 1996 hat der Senat die\nBerufung mangels rechtzeitiger Begrundung kostenpflichtig verworfen (§§ 519,\n519 b ZPO). Die Klagerin halt an ihrem Antrag fest.\n\n9\n\n##blob##nbsp;\n\n10\n\nII.\n\n11\n\n##blob##nbsp;\n\n12\n\nDer Klagerin kann die erbetene Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden.\n\n13\n\n##blob##nbsp;\n\n14\n\nDer Bundesgerichtshof hat bereits mit Beschluß vom 30. September 1981 (vgl.\nFamRZ 1982, 58 ff.) entschieden, daß dem Rechtsmittelbeklagten im allgemeinen\nProzeßkostenhilfe erst zu gewahren ist, wenn das Rechtsmittel begrundet worden\nist. Der Partei, die auf Kosten der Allgemeinheit Prozeßkostenhilfe in\nAnspruch nehme, musse zugemutet werden, zulassige Kosten verursachende\nMaßnahmen erst dann vorzunehmen, wenn dies im Einzelfall wirklich notwendig\nsei. Daraus folge, daß sie zur Rechtsverteidigung in zweiter Instanz einen\nAnwalt erst dann bestellen durfe, wenn das Rechtsmittel begrundet worden sei.\n\n15\n\n##blob##nbsp;\n\n16\n\nDer Senat schließt sich dem an. Im Verfahrensstadium bis zur Einreichung der\nBerufungsbegrundung bedurfte die Klagerin keines anwaltlichen Beistandes. §\n519 b ZPO gewahrleistete ihr hinreichenden Rechtsschutz. Danach hatte der\nSenat die Zulassigkeit des Rechtsmittels in bezug auf §§ 516, 518, 519 ZPO von\nAmts wegen zu prufen und die Berufung erforderlichenfalls zu verwerfen, wie es\nauch hier geschehen ist.\n\n17\n\n##blob##nbsp;\n\n18\n\nDie Klagerin meint zu Unrecht, sie habe sich durch Bestellung eines\nRechtsanwalts auf die Rechtsver-teidigung vorbereiten durfen, nachdem der\nBeklagte um Verlangerung der Begrundungsfrist gebeten habe.\n\n19\n\n##blob##nbsp;\n\n20\n\nSie durfe insoweit nicht schlechter gestellt sein als eine Partei, die sich\nauf eigene Kosten verteidige.\n\n21\n\n##blob##nbsp;\n\n22\n\nEs mag sein, daß eine zahlungsfahige Partei in dieser Lage bereits einen\nRechtsanwalt mit der Interessenwahrnehmung beauftragt hatte und auch mit\nErfolg die dadurch entstandenen Kosten gegen den unterlegenen Berufungsklager\nhatte festsetzen lassen konnen. Der Zweck der Prozeßkostenhilfe, die\nVerwirklichung des sozialstaatlichen Gebots einer Gleichstellung\nwirtschaftlich starker und schwacher im Rechtsschutzbereich (vgl. BGH JurBuro\n1980, 1441, 1444), gebietet keine vollstandige Chancengleichheit. Es genugt,\nwenn fur die wirtschaftlich schwachere Partei die Moglichkeit einer effektiven\nRechtsverfolgung (-Verteidigung) gewahrleistet ist, und zwar bei weitgehender\nAngleichung der prozes-sualen Stellung in bezug auf die bemittelte Partei\n(vgl. BVGE 35, 348, 355; BVGE 22, 83, 86). Das ist im Streitfall\ngewahrleistet. Ein Rechtsnachteil konnte der unbemittelten Partei allenfalls\ndadurch erwachsen, daß ihr zur anwaltlichen Vorbereitung der\nRechtsverteidigung im Vergleich zur bemittelten Partei moglicherweise nur ein\nkurzerer Zeitraum zur Verfugung steht. Dem kann aber durch Antrag auf\nFristverlangerung, dem gerade unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit\nstattzugeben ware, unschwer begegnet werden.\n\n
312,590
olgk-1996-03-20-5-u-19595
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
5 U 195/95
1996-03-20
2019-03-13 13:11:10
2020-12-10 13:14:25
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1996:0320.5U195.95.00
## Tenor\n\n \n1\n\n**E n t s c h e i d u n g s g r u n d e :**\n\n2\n\nDie Berufung des Klagers ist zwar zulassig; sie hat in der Sache jedoch keinen\nErfolg. Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld mit\ndurchweg zutreffender Begrundung zu Recht abgewiesen.\n\n3\n\nDer Klager leitet seinen vermeintlichen Schmerzensgeldanspruch daraus her, daß\nsich ein - in den Krankenunterlagen des Krankenhauses P. erstmals unter dem\n28. Marz 1983 verzeichneter - Dekubitus schon am 22.02.1983 in Form eines\nschwarzen Flecks an der Ferse gezeigt habe und dadurch entstanden sei, daß das\nnach dem Unfall zunachst per Extension ruhiggestellte Bein mit der Ferse\npermanent aufgelegen habe, wobei der fortwahrende Druck zur Ausbildung des\nDekubitus gefuhrt habe. Der der Beklagten vorgeworfene Behandlungsfehler soll\ndemzufolge in der falschen Lagerung des Beines in der Universitatklinik Koln\nliegen.\n\n4\n\nSchon diesen angebliche Fehler hat der Klager nicht nachgewiesen. Der Klager\nbefand sich nach seinem schweren Unfall in der neurologischen Abteilung der\nUniklinik K. vom 11. bis zum 22.02.1983. Aus den Aussagen der in I. Instanz\nschriftlich vernommenen Ärzte Prof. Dr. K., Prof. Dr. K. und Privatdozent Dr.\nF. vom 04.09.1990, 27.12.1990 sowie den schriftlichen Aussagen der Ärzte des\nKrankenhauses P. am R. vom 05.02.1991 (Prof. Dr. H. und W. He.) sowie Prof.\nDr. Fr. vom 14.02.1991 ergibt sich in uberzeugender Weise, daß am 11.02.1983\nder Unterschenkel des Klagers nach Extension auf einer Schiene mit\nfreistehender Ferse gelagert wurde und dann am 12.02.1983 eine Ruhigstellung\nin einer Gipsschiene mit Abpolsterung der Ferse durch Schaumstoff und Watte\nerfolgte. Dies hat auch der erstinstanzliche Sachverstandige Prof. Dr. R.\nunter Auswertung aller vorhandenen Krankenunterlagen so gesehen und bestatigt;\ndabei hat er insbesondere den chirurgischen, konsiliarischen klinischen\nUntersuchungen eine korrekte Lagerung des Beins und damit auch der Ferse\nentnommen, wobei er sich ausdrucklich auf die schriftlichen Unterlagen Bl.\n13-16 d.A. der Neurochirurgie der Universitat K. gestutzt hat.\n\n5\n\nInsgesamt ergibt sich aus den Krankenunterlagen der Neurochirurgie nichts an\nkonkreten Anhaltspunkten dafur, daß die Ferse hart aufgelegen haben konnte.\nAngesichts der vorgenommenen Extension des Beins erscheint dies auch\nausgeschlossen, denn es ist nicht vorstellbar, wie man ein flach und\ninsbesondere auch mit der Ferse auf dem Bett aufliegendes Bein uberhaupt einer\nExtension sollte aussetzen konnen.\n\n6\n\nAuch der Umstand, daß schon wahrend des Aufenthaltes des Klagers in der\nneurologischen Abteilung der Universitatklinik ein konsiliarisch\nhinzugezogener Chirurg das Bein regelmaßig kontrolliert hat und insoweit keine\nVeranlassung zu Beanstandungen gesehen hat, spricht mangels gegenteiliger\nAnhaltspunkte dafur, daß die Lagerung des Beines nach Extension in einer\nchirurgisch und auch orthopadisch nicht zu beanstandenden Weise erfolgt ist.\n\n7\n\nDem fur das Vorliegen eines Behandlungsfehlers grundsatzlich beweispflichtigen\nKlager kommen auch keine Beweiserleichterungen zugute. An solche konnte nur\ndann gedacht werden, wenn beispielsweise die Dokumentation hinsichtlich der\nBehandlung des Klagers luckenhaft, fehlerhaft oder unzureichend ware und im\nHinblick hierauf daran gedacht werden konnte, der Beklagten die Beweislast fur\ndie richtige Lagerung des Beines des Klagers aufzuerlegen.\n\n8\n\nHinsichtlich der Dokumentation der Universitatsklinik, die - was die\nBehandlung des Klagers anbetrifft - luckenlos und umfassend ist, spricht\njedoch nichts fur Dokumentationsmangel, und solche sind vom Klager auch nicht\nsubstantiiert dargetan worden. Es muß deshalb bei der ihm obliegenden\nBeweispflicht fur den behaupteten Behandlungsfehler bleiben, welchen Beweis er\nnicht zu fuhren vermocht hat. Insbesondere kann auch nach Maßgabe der\nAusfuhrungen des Sachverstandigen Prof. Dr. R. nicht schon aus dem Auftreten\neines Dekubitus zwingend auf eine falsche Lagerung geschlossen werden; ein\nsolcher zwingender Zusammenhang ist namlich nach den Ausfuhrungen des\nSachverstandigen nicht anzunehmen, dies insbesondere auch nicht angesichts der\nseinerzeitigen Schwerstgeschadigung des Klagers nach dem schweren Autounfall.\nInsoweit hat der Sachverstandige namlich nachvollziehbar und uberzeugend\nausgefuhrt, ein zusatzlich vorliegendes Schadelhirntrauma mit\nlebensbedrohlicher intracranieller Blutung und beatmetem\nintensivtherapiepflichtigem Patienten komme beim Klager erschwerend hinzu.\nUnter diesen schwierigen Gesamtbedingungen konne es auch bei sorgfaltigster\nLagerungstechnik und kurzfristigen Kontrolluntersuchungen, wie sie in der\nUniversitatsklinik K. gemaß Aktenlage durchgefuhrt und dokumentiert worden\nseien, trotzdem zur Ausbildung solcher Geschwure kommen. Die Schlußfolgerung,\ndaß die Entstehung eines solchen Dekubitalgeschwurs immer eine falsche\nLagerungstechnik und eine mangelnde Sorgfalt voraussetze, sei nicht zulassig.\nEr wisse aus eigener Erfahrung, daß auch bei optimalem, ja maximalem\npflegerischem Aufwand solche Geschwure nicht immer zu vermeiden sein. Diesen\nAusfuhrungen ist im Ergebnis nichts hinzuzufugen.\n\n9\n\nGegen eine unsachgemaße Lagerung des Beins und insbesondere auch gegen erste\nAnzeichen eines Dekubitus bereits am 22.02.1983 in Form eines schwarzen Flecks\nspricht auch der Umstand, daß sowohl die Krankenakte der Neurochirurgie als\nauch die des anschließend behandelnden Krankenhauses P. sorgfaltig gefuhrt\nsind - jedenfalls hat der Klager nichts dafur vorgetragen, daß die\nDokumentation luckenhaft sei - und von daher die erstmalige Erwahnung des\nDekubitus am 28. Marz 1983 in P. dafur spricht, daß dieser auch erst zu diesem\nZeitpunkt in Erscheinung getreten ist. Insbesondere angesichts der operativen\nVersorgung der Oberschenkelfraktur am 28. Februar 1983 in P. spricht alles\ndafur, daß man einen sich schon seit dem 22.02. abzeichnenden Dekubitus\njedenfalls spatestens bei der Operation wahrgenommen und auch entsprechend\ndokumentiert hatte. Dem Klager kann mithin nicht in seiner Argumentation\ngefolgt werden, daß \\- wenn der Dekubitus erst am 28.03.1983 in P.\nfestgestellt und operiert worden sei dies fur Dokumentationsmangel zu Lasten\nder Beklagten spreche mit der Folge einer Beweislast der Beklagten dafur, daß\n"der Dekubitus nicht in ihrem Verantwortungsbereich entstanden ist". Vielmehr\nspricht, da aus den Krankenunterlagen, den Zeugenaussagen und den Ausfuhrungen\ndes Sachverstandigen nichts fur eine falsche Lagerung hervorgeht, außerdem in\nder Uniklinik ein konsiliarisch hinzugezogener Chirurg das Bein regelmaßig\nkontrolliert hat und nichts fur eine unvollstandige Dokumentation spricht, die\nerstmalige Nennung des Dekubitus erst am 28. Marz dafur, daß er vorher -\ninsbesondere in der Universitatsklinik Koln - sich noch nicht abzeichnete.\n\n10\n\nSelbst wenn er am 28. Marz 1983 im Stadium 3 oder 4 gewesen sein sollte,\nbedeutet dies nicht zwingend, daß er schon spatestens am 22.02.1983 vorhanden\ngewesen sein muß. Vielmehr hat der Sachverstandige Prof. Dr. R. sowohl in\nseinem ersten Gutachten vom 31.08.1992 als auch in seinem Erganzungsgutachten\nvom 15.04.1993 wiederholt festgestellt, eine falsche Behandlung der\nOberschenkelfraktur des Klagers in der Universitatsklinik K. sei bei\nAuswertung der gesamten Krankenunterlagen nicht festzustellen. Vielmehr liege\nder Verdacht nahe, daß die Fersennekrose erst nach dem 22.02.1983, dem Tag der\nVerlegung des Klagers aus der Universitatsklinik K. in das Krankenhaus P.\nentstanden sei.\n\n11\n\nDie Aussagen der Eltern des Klagers sind nicht geeignet, einen\nBehandlungsfehler durch falsche Lagerung darzutun und beweisen auch nicht, daß\nsich bereits am Tag der Verlegung des Klagers aus der Universitatsklinik, dem\n22.02.1983, ein schwarzer Fleck als erstes Anzeichen eines Fersenulkus gezeigt\nhat und festgestellt worden ist. Zu Frage der konkreten Lagerung des Beins in\nder Intensivstation der neurochirurgischen Uniklinik hat die Mutter des\nKlagers keine Bekundungen machen konnen, der Vater ebenfalls nicht. Beide\nwollen lediglich nach Verlegung des Klagers nach P. am 22.02.1983 im\nKrankenhaus P. eine 2- bis 5 Mark große schwarze Stelle an der Ferse gesehen\nhaben. Diese Aussagen erscheinen jedoch angesichts der vorstehenden\nDarlegungen nicht uberzeugend, dies insbesondere auch deshalb nicht, weil sie\nschon in sich nicht ubereinstimmen. Die Mutter des Klagers hat ausgesagt, als\ndie Schwester das Bein in P. habe umlagern wollen und dabei die Ferse leicht\nverdreht habe, habe sie die schwarze Stelle festgestellt. Der Vater des\nKlagers hat hingegen bekundet, als die Schwester den Verband vom rechten Fuß\ngelost habe, sei ihr die schwarze Stelle aufgefallen. Schon diese Schilderung\nist nicht einheitlich. Zwar mogen die Eltern des Klagers nicht etwa bewußt\neine falsche Aussage gemacht haben, es erscheint jedoch naheliegend bzw. sogar\nwahrscheinlich, daß die Eltern des Klagers sich schlichtweg in dem Datum\ngeirrt haben, zu welchem nach ihrer Erinnerung die schwarze Stelle erstmals in\nP. festgestellt worden ist. Insoweit ist zu berucksichtigen, daß zum Zeitpunkt\nder Aussage der Eltern des Klagers im Juli 1991 der fragliche Vorfall immerhin\nbereits 8 1/2 Jahre zurucklag. Von daher erscheint es ohne weiteres\neinleuchtend, daß die Eltern des Klagers nicht mehr prazise zu differenzieren\nvermochten, ob die schwarze Stelle in P. bereits am 22. Februar oder aber erst\nEnde Marz festgestellt worden ist, zu welchem Zeitpunkt sie auch erstmals in\nder Dokumentation des Krankenhauses P. erwahnt wird.\n\n12\n\nIm Ergebnis fehlt es deshalb sowohl an einem der Beklagten anzulastenden\nBehandlungsfehler als auch an einer erkennbaren Kausalitat fur die Auspragung\ndes Dekubitus. Der Sachverstandige hat vielmehr, wie erwahnt, das Auftreten\nvon Dekubitalgeschwuren bei schwerstverletzten Patienten wie dem Klager auch\nbei optimaler medizinischer Versorgung fur nicht ausschließbar erachtet.\n\n13\n\nInsgesamt war deshalb die Berufung des Klagers mit der Kostenfolge des § 97\nZPO zuruckzuweisen.\n\n14\n\nDie Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff.\n10, 713 ZPO.\n\n15\n\nBerufungsstreitwert und Wert der Beschwer des Klagers:\n\n16\n\n15.000,00 DM\n\n
312,631
ag-neuss-1996-02-27-44-c-68495
713
Amtsgericht Neuss
ag-neuss
Neuss
Nordrhein-Westfalen
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
44 C 684/95
1996-02-27
2019-03-13 13:12:12
2020-12-10 13:14:31
Urteil
ECLI:DE:AGNE:1996:0227.44C684.95.00
## Tenor\n\nUnter Abweisung im ubrigen wird der Beklagte verurteilt, an\n\ndie Klager 382,93 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 30.04.1995\n\nzu zahlen.\n\nDer Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n \n1\n\nEntscheidungsgrunde:\n\n2\n\nAuf die Abfassung eines Tatbestandes wird gemaß § 495 a ZPO verzichtet. Wegen\ndes Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsatze Bezug\ngenommen.\n\n3\n\nDer Klager ist berechtigt, die Kosten fur das Einsetzen der Kronen mit 17,34\nDM zu berechnen. Er hat nicht etwa, wie der Beklagte meint, Kosten fur die\nHerstellung der Kronen verlangt, sondern lediglich fur das Einsetzen. Dass\ndiese Kronen eingesetzt worden sind, hat der Beklagte nicht bestritten.\n\n4\n\nDie Klager haben weiter einen Anspruch auf 365,59 DM wegen der Nichtabnahme\nihrer bereitgestellten Leistungen. Der Beklagte hat fur seine Behauptung, er\nhabe rechtzeitig den Termin abgesagt keinen Beweis angetreten.\n\n5\n\nDie Klager konnen hingegen nicht die Inkassokosten mit 71,88 DM verlangen.\nDessen Einschaltung war nicht gerechtfertigt. Die Klager haben zwar Mahnung\nbehauptet, aber nicht angegeben, wann, wie oft und in welcher Weise vor der\nEinschaltung des Inkassoburos der Beklagte gemahnt worden sei, auch nicht, ob\ndiese Mahnungen den Beklagten erreicht haben konnen.\n\n6\n\nDie zugesprochenen Zinsen ergeben sich als Verzugszinsen, die weiteren\nEntscheidungen aus §§ 92 II, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.\n\n7\n\nStreitwert: 382,93 DM.\n\n8\n\nRichter am Amtsgericht\n\n
312,717
olgham-1996-01-25-1-vas-12695
821
Oberlandesgericht Hamm
olgham
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
1 VAs 126/95
1996-01-25
2019-03-13 13:14:27
2020-12-10 13:14:43
Beschluss
ECLI:DE:OLGHAM:1996:0125.1VAS126.95.00
## Tenor\n\nDer gewahlte Rechtsweg ist unzulassig.\n\nDie Sache wird an das zustandige Oberlandesgericht Dusseldorf verwiesen.\n\n \n1\n\n**Gr unde:**\n\n2\n\nIn dem bei der Staatsanwaltschaft ... anhangigen Verfahren 612 Js 47/92,\nspater 515/612 Js 1237/93 wurde der Betroffene als Beschuldigter vernommen. In\nder Folgezeit wurde das Verfahren gegen ihn gemaß §170 Abs. 2 StPO eingestellt\nund fuhrte im ubrigen zu einem inzwischen bei der 17. großen Strafkammer des\nLandgerichts ... anhangigen Strafverfahren. Der Vorsitzende der Strafkammer\nhat die Ladung des Betroffenen zum Zweck seiner zeugenschaftlichen Vernehmung\nverfugt. Der Betroffene hat daraufhin uber seinen Verfahrensbevollmachtigten\ndie Staatsanwaltschaft ... ersucht, ihm Akteneinsicht in sein fruheres\nVernehmungsprotokoll zu gewahren. Die Staatsanwaltschaft hat dies mit der\nBegrundung abgelehnt, daß das Protokoll inzwischen Bestandteil des bei der\nStrafkammer anhangigen Verfahrens sei und deshalb der Vorsitzende der\nStrafkammer zur Entscheidung uber das Akteneinsichtsgesuch berufen sei. Der\nnunmehr an den Vorsitzenden der 17. großen Strafkammer des Landgerichts\nDusseldorf gerichtete Antrag, ihm Akteneinsicht in sein Vernehmungsprotokoll\nzu gewahren oder entsprechende Kopien zur Verfugung zu stellen, lehnte der\nVorsitzende mit der Begrundung ab, daß der Betroffene in diesem Verfahren\nZeuge und nicht Beschuldigter sei.\n\n3\n\nMit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §23 ff. EGGVG begehrt der\nBetroffene die Aufhebung der Verfugung des Vorsitzenden der 17. großen\nStrafkammer sowie seine Verpflichtung, ihm Akteneinsicht in das\nVernehmungsprotokoll zu gewahren oder entsprechende Fotokopien zur Verfugung\nzu stellen. Hilfsweise beantragt er weiterhin, die Staatsanwaltschaft\nDusseldorf anzuweisen, ihm Akteneinsicht in das Vernehmungsprotokoll zu\ngewahren oder gleichfalls entsprechende Kopien zur Verfugung zu stellen.\nÄußerst hilfsweise hat der Betroffene beantragt, das Verfahren an das\nOberlandesgericht ... - Strafsenat - zustandigkeitshalber zu verweisen.\n\n4\n\nNur der letztere Antrag auf Verweisung an das Oberlandesgericht ... -\nStrafsenat - hat Erfolg und fuhrt zur Verweisung des Verfahrens gemaß §17 a\nAbs. 2 Satz 1 GVG.\n\n5\n\nDer Prasident des Oberlandesgerichts ... hat zu den Hauptantragen des\nBetroffenen u.a. folgendes ausgefuhrt:\n\n6\n\n _"Der Antrag ist unzul assig. Weder die angefochtene Verfugung vom 25.10.1995\nnoch die begehrte Verpflichtung des Vorsitzenden der 17. großen Strafkammer\ndes Landgerichts ... stellen einen Justizverwaltungsakt i.S.v. §23 EGGVG dar._\n\n7\n\n _Gem aß §23 ff. EGGVG entscheidet das OLG uber die Rechtmaßigkeit von\nAnordnungen, Verfugungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehorden\nzur Regelung einzelner Angelegenheiten, insbesondere auf dem Gebiet der\nStrafrechtspflege getroffen werden. Nicht zu den Maßnahmen der\nJustizverwaltung gehoren die Entscheidungen, die von dem Richter im Rahmen der\nrichterlichen Unabhangigkeit und Weisungsfreiheit getroffen werden (OLG Hamm,\nNJW 1968, 169). Die Überlassung von Fotokopien von Bestandteilen einer\nStrafakte stellt einen Unterfall der Gewahrung von Akteneinsicht dar. Vom\nEingang der Anklage bei Gericht bis zum rechtskraftigen Abschluß des\nVerfahrens hat der Vorsitzende des mit der Sache befaßten Gerichts Antrage auf\nAkteneinsicht zu bescheiden, gleich ob sie von Verfahrensbeteiligten oder\nnicht am Verfahren Beteiligten gestellt werden (OLG Hamm, JMBl. NW 1977, 129;\nKK-Laufhutte, StPO, 3. Aufl., §147 Rzn. 20 u. 21). Der Vorsitzende trifft\nseine Entscheidung - anders als etwa der Vorstand des Gerichts nach §299 Abs.\n2 ZPO - nicht als (weisungsabhangiges) Organ der Landesjustizverwaltung,\nsondern im Rahmen seiner Verfahrensleitung in richterlicher Unabhangigkeit und\nwird damit nicht als Vollzugsorgan der Justizverwaltung tatig (OLG Hamm,\na.a.O.; Beschluß vom 23.03.1995 - 1 VAs 86/94; OLG Hamburg, NStZ 1982, 482;\nKleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 42. Aufl., §23 EGGVG Rz. 14). Die Entscheidung\ndes Vorsitzenden uber den Antrag eines am Verfahren Beteiligten wie eines\nnicht am Verfahren Beteiligten auf Akteneinsicht stellt somit eine\nProzeßhandlung und keinen Justizverwaltungsakt dar. Der Rechtsweg nach den\n§§23 ff. EGGVG kommt mithin vorliegend nicht in Betracht. Etwas anderes laßt\nsich entgegen der Auffassung des Betroffenen auch dem in der Antragsschrift\nzitierten Beschluß des OLG Hamm (NJW 1984, 880) nicht entnehmen. Dieser\nEntscheidung lag eine Fallgestaltung zugrunde, bei der die Staatsanwaltschaft\nnach Abschluß des Ermittlungsverfahrens die Gewahrung von Akteneinsicht\nverweigerte, wahrend hier der Vorsitzende einer Strafkammer in einem laufenden\nStrafverfahren ein Akteneinsichtsgesuch beschied."_\n\n8\n\nDem tritt der Senat bei.\n\n9\n\nErganzend ist anzumerken:\n\n10\n\nSoweit der Betroffene weiterhin ausfuhrt, er berufe sich - aus Anlaß der\nbeabsichtigten Zeugenvernehmung - zur Begrundung seines Gesuchs auf\nAkteneinsicht auf seine fruhere Beschuldigteneigenschaft, und darauf, daß das\ngegen ihn gerichtete Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei, vermag dies\nseinen Antragen - auch soweit sie sich gegen die Staatsanwaltschaft ...\nrichten - gleichfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen.\n\n11\n\nMit dem Eingang der Akten bei Gericht gem. §199 Abs. 2 StPO, geht ihre\nVerwaltung auf dieses uber (KK-Freier, StPO, §199 RndNr. 2). Schon deshalb\ngeht ein an die Staatsanwaltschaft gerichteter Antrag in diesem\nVerfahrensstadium fehl. Diese Konsequenz ist unabhangig davon, ob\nAktenbestandteile fruhere Mitbeschuldigte betreffen, gegen die das Verfahren\neingestellt wurde. Sie bilden nunmehr eine Einheit und unterliegen auch in\ndieser Vollstandigkeit dem moglichen Akteneinsichtsrecht eines Verteidigers\nnach §147 StPO. Schon daraus folgt, daß die Entscheidungsbefugnis uber einen\nAntrag auf Akteneinsicht im Hinblick auf bestimmte Aktenbestandteile nicht\nunterschiedlich ausgestaltet sein kann.\n\n12\n\nDie Frage, ob einem Dritten Akteneinsicht zu gewahren ist, beruhrt auch\nzumindest mittelbar die Interessen der Verfahrensbeteiligten. Es kann im\nEinzelfall von großem Interesse fur den Angeklagten sein, daß ein Dritter, der\nals Zeuge in Betracht kommen konnte, den Akteninhalt vorher nicht in Erfahrung\nbringt. Ebenso wird es andererseits Falle geben, in denen der Angeklagte ein\nerhebliches Interesse daran hat, daß ein Zeuge den genauen Inhalt der gesamten\nAkten kennt. Auch unter diesem Aspekt zeigt sich, daß die Entscheidung uber\ndie Akteneinsicht von dem Vorsitzenden des mit der Sache befaßten Gerichts am\nbesten beurteilt werden kann, weil er die berechtigten Interessen aller\nBeteiligten kennt und eine Interessenabwagung vornehmen kann (vgl. OLG Hamm,\nJMBl. 1977 S. 129). Die Entscheidung des Vorsitzenden trifft dieser deshalb in\nseiner richterlichen Unabhangigkeit. Sie ist kein Justizverwaltungsakt.\n\n13\n\nDie angefochtene Entscheidung unterliegt vielmehr der Beschwerde gem. §304\nStPO (vgl. OLG Hamm NJW 68, 169; MDR 77, 686; OLG Karlsruhe, Die Justiz 84,\n108). Auf den hilfsweise gestellten Antrag des Betroffenen war das Verfahren\ndeshalb an den fur die Beschwerde zustandigen Strafsenat des OLG Hamm\nabzugeben (§17 a Abs. 2 Satz 1 GVG).\n\n
312,736
olgham-1996-01-19-5-wf-196
821
Oberlandesgericht Hamm
olgham
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
5 WF 1/96
1996-01-19
2019-03-13 13:14:56
2020-12-10 13:14:46
Beschluss
ECLI:DE:OLGHAM:1996:0119.5WF1.96.00
## Tenor\n\nDie Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts -\nFamiliengericht - Wetter vom 12. Dezember 1995 wird zuruckgewiesen.\n\nDie Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.\n\nDer Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.200,00 DM festgesetzt.\n\n \n1\n\n**Gr unde:**\n\n2\n\nDie sofortige Beschwerde ist zulassig (§ 620 c ZPO).\n\n3\n\nSie ist indessen nicht begrundet.\n\n4\n\nDie Zuweisung der Ehewohnung an den Antragsteller ist auch nach Auffassung des\nSenats notwendig, um eine schwere Harte zu vermeiden (§ 1361 b BGB).\n\n5\n\nDie derzeitige Wohnsituation des Antragstellers ist unhaltbar. Er lebt trotz\nMS-ERkrankung in einem ihm von einer Bekannten zur Verfugung gestellten\nKellerraum, der allenfalls mit einem Heizlufter beheizbar ist. Andererseits\nstellt die Antragsgegnerin ihren Wohnbedarf auf andere Weise sicher und ist\nauf die seinerzeitige eheliche Wohnung in dem ihr gehorenden Haus zu\nWohnzwecken nicht angewiesen.\n\n6\n\nOb der Antragsteller eine ihm angebotene Ersatzwohnung hatte beziehen konnen\nbzw. beziehen kann, kann nach Auffassung des Senats im Hinblick darauf\ndahingestellt bleiben, daß ihm der Besitz an der ehelichen Wohnung, die er\nseit der Trennung der Parteien zwei Jahre lang allein bewohnt hatte, von der\nAntragsgegnerin mit Hilfe der Eheleute ..., die die Wohnung nunmehr angeblich\nals Mieter bewohnen, durch verbotene Eigenmacht entzogen worden ist, als er\neinen auswartigen Gerichtstermin wahrzunehmen hatte. Diesem Umstand kommt bei\nder Prufung der Frage, ob die Zuweisung der Ehewohnung im Wege der\neinstweiligen Anordnung zur Vermeidung einer schweren Harte notwendig ist,\nentscheidendes Gewicht bei. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Ruckkehr\nin die ihm eigenmachtig entzogene Wohnung, so daß er in Ruhe uberlegen kann,\nob und zu welchen Bedingungen er eine ihm angebotene Ersatzwohnung anzumieten\nbereit ist.\n\n7\n\nOb und ggfls. unter welchen Voraussetzungen in Zukunft die gegenwartig zu\nbejahende unbillige Harte zu entfallen vermag (etwa wenn der Antragsteller in\nZukunft trotz des Angebots einer zumutbaren Ersatzwohnung die Raumung der -\nimmerhin der Antragsgegnerin allein gehorenden - fruheren ehelichen Wohnung\nverweigert) bedarf keiner Entscheidung des Senats.\n\n8\n\nAnders als geschehen ware nur zu erkennen gewesen, wenn entsprechend dem\nVortrag der Antragsgegnerin davon ausgegangen werden mußte, der Antragsteller\nhabe sich am 14.12.1995 bereits verpflichtet gehabt, eine Ersatzwohnung im\nHause Erlenweg 3 zu beziehen und aus der einstweiligen Anordnung Rechte nicht\nmehr herzuleiten. Der entsprechende Vortrag der Antragsgegnerin ist indessen\nunsubstantiiert und widerspruchlich.\n\n9\n\nNach ihrem Vorbringen war eine _schriftliche_ Vereinbarung vorgesehen, in der\nder Antragsteller sich (u.a.) verpflichtet, Wohnung in dem Haus ... in ... zu\nnehmen. Da der Antragsteller indessen das entsprechende Schriftstuck nicht\nunterschrieben hat, kann die Vereinbarung gemaß § 154 Abs. 2 BGB nicht als\ngeschlossen angesehen werden. Zwar soll der Antragsteller nach dem Vorbringen\nder Antragsgegnerin erklart haben, daß er eine Unterschrift nicht leisten\nmochte, die auch nicht notwendig sei, da er ja mit allem einverstanden gewesen\nsei. Ob eine derartige Erklarung geeignet ist, eine zuvor getroffene\nSchriftformabrede aufzuheben, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist die\nBehauptung der Antragsgegnerin einer Beweisaufnahme im Hinblick auf die im\nWiderspruch zu dieser Behauptung stehende Erklarung des\nVerfahrensbevollmachtigten der Antragsgegnerin im Senatstermin nicht\nzuganglich, der Antragsteller habe nicht unterschrieben, weil er sich erst mit\nseinem Anwalt habe beraten wollen.\n\n10\n\nEntgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht die angebliche Vermietung\nund Besitzzuweisung der Wohnung an die Eheleute ... der Zuweisung an den\nAntragsteller nicht entgegen. Nach dem Akteninhalt ist davon auszugehen, daß\ndie Antragsgegnerin in der Lage ist, die Eheleute ... zur Raumung der Wohnung\n(sollte sie uberhaupt tatsachlich und nicht nur zum Schein bezogen worden\nsein) zu bewegen. Der Antragsteller hat unbestritten vorgetragen, daß die\nAntragsgegnerin sich des Zeugen ... als Makler bei ihren Planen bedient, das\nHaus zu veraußern und daß die Eheleute ... an der gegenuber ihm, dem\nAntragsteller, begangenen verbotenen Eigenmacht beteiligt waren. Sie stellen\nsich dementsprechend nicht als gutglaubige neue Mieter dar, deren\nRechtsposition in einem Wohnungszuweisungsverfahren u.U. zu beachten ware.\nUnter den gegebenen Umstanden erscheint es vielmehr naheliegend, daß die\nAntragsgegnerin den Eheleuten ... nach Auftragsrecht Weisungen - vorliegend\netwa zur Raumung - zu erteilen und ihre Befolgung durchzusetzen vermag.\n\n11\n\nSollte es dem Antragsteller nicht gelingen, mit Hilfe der vorliegend zur\nÜberprufung gestellten einstweiligen Anordnung die Raumung der Wohnung durch\ndie Eheleute ... zu erreichen, wurde das den rechtlichen Bestand der Anordnung\nnicht beruhren. Allenfalls wird der Antragsteller zur Durchsetzung seines\nBegehrens auf Wiedereinraumung des Besitzes an der Wohnung einen zusatzlichen\n(siehe etwa aus § 861 BGB ergebenden) Titel gegen die Eheleute ... zu erwirken\nhaben.\n\n12\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO (vgl. Baumbach-Albers, ZPO, 54.\nAufl., § 620 g Rdnr. 2 m.w.N.).\n\n
312,769
olgk-1995-12-22-6-u-22994
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
6 U 229/94
1995-12-22
2019-03-13 13:15:53
2020-12-10 13:14:51
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1995:1222.6U229.94.00
## Tenor\n\nDie Berufung der Beklagten gegen das am 23. August 1994 verkundete Urteil der\n31. Zivilkammer des Landgerichts Koln - 31 0 178/94 - wird mit der Maßgabe\nzuruckgewiesen, daß der Unterlassungstenor dieses Urteils des Landgerichts wie\nfolgt neu gefaßt wird:\n\nDie Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht fur jeden Fall\nder Zuwiderhandlung festzu­setzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,--DM,\nersatz­weise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu\nunterlassen, die Bezeichnung "F. WELT" im geschaftlichen Verkehr zur\ntitelmaßigen Kennzeich­nung einer Computerfachzeitschrift zu verwenden\nund/oder verwenden zu lassen.\n\nDie Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDer Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Klagerin\nhinsichtlich der Verurteilung zur Unterlassung gegen Sicherheitsleistung in\nHohe von 100.000,--DM sowie hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung der\nProzeßkosten gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 12.000,--DM abzuwenden,\nwenn nicht die Klagerin ihrerseits vor der Zwangsvollstreckung jeweils\nSicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\nBeide Parteien konnen die von ihnen zu erbringenden Sicherheit auch durch\nselbstschuldnerische Burgschaften einer im Gebiet der Bundesrepublik\nDeutschland ansassigen Großbank oder offentlich-rechtlichen Kreditanstalt\nleisten.\n\nDie Beschwer der Beklagten wird auf 100.000,--DM fest­gesetzt.\n\n \n1\n\n _T a t b e s t a n d:_\n\n2\n\nDie Parteien verlegen und vertreiben Computerfachzeitschriften in Deutschland.\n\n3\n\nDie Klagerin gibt seit Oktober 1983 die Zeitschrift "Q. WELT" heraus sowie\nseit Mitte 1990 das Computermagazin "N.WELT" (wobei dieser Titel ersichtlich\nseit der Nummer 10/95 die Schreibweise "N.welt" aufweist.) Ferner publizierte\ndie Klage­rin ebenfalls in Deutschland in der Vergangenheit als eigenstan­dige\nZeitschriften die Titel "O. Welt" (von Marz 1982 bis September 1985), "B.welt"\n(von Juni 1986 bis August 1990), "V.welt" (von Oktober 1990 bis Juni 1992),\n"M.WELT" (Januar 1992 und Marz 1992) und "P. Welt" (von 1986 bis September\n1989), weiterhin die Supplemente "C.-Welt", "T. Welt", "OS/2-Welt und\n"D.-Welt". Daruber hinaus wird in der Zeitschrift "Q. WELT" seit der Ausgabe\n10/1991 eine Rubrik mit dem Titel "R.welt" gefuhrt:\n\n4\n\nDie Beklagte brachte im Januar 1984 eine Computerzeitschrift mit dem Titel "F.\nWELT" heraus. Ab 1989 wurde dieser Titel in "Q. Praxis" geandert, wahrend der\nTitel "F. WELT" von der Beklag­ten seitdem fur die - kostenlose - Druckschrift\n"F. WELT" mit dem Untertitel "DAS AKTUELLE F. G. MAGAZIN" verwendet wurde\nwegen der Gestaltung und des Inhalts dieses Produkts wird beispielhaft Bezug\ngenommen auf das von der Klagerin als Anlage **K 6 zur Klageschrift vorgelegte\nExemplar der Ausgabe Sommer/Herbst 1993.**\n\n5\n\n**Durch die Agentur H. meldete die Kl agerin im Borsenblatt Nr. 73 vom\n14.9.1993 Titelschutz fur "F. WELT" an. Nach Wider­spruch der Beklagten vom\n16.9.1993 teilte die Klagerin mit Schreiben vom 27.10.1993 mit, **daß sie\ndiesen **Titel nicht verwen ­den werde (vgl. Anlagenkonvolut B **7 zur\nKlageerwiderung der Beklagten).\n\n6\n\nMit Schreiben vom 17.12.1993 (Anlage K 4 zur Klageschrift) in­formierte die\nBeklagte die Klagerin von ihrer Absicht, das "bisherige Kundenmagazin" F. WELT\nzu "einer in kurzen Zeitab­standen erscheinenden weiteren Zeitschrift\nauszubauen". Die Klagerin hat diesem Vorhaben der Beklagten mit Schreiben vom\n10.1.1994 (Anlage K 5 zur Klageschrift) widersprochen.\n\n7\n\nEiner Titelschutzanzeige der Klagerin vom 25.1.1994 fur "S. Welt" widersprach\nwiederum die Beklagte mit Schreiben vom 30.1.1994 unter Hinweis auf die Firma\nQ. Welt GmbH und ihre - der Beklagten - Absicht, diese Firma und den Namen\nintensiver zu nutzen, u.a. fur ein Zeitschriftenobjekt (vgl. Anlage K 7 zur\nKlageschrift).\n\n8\n\nIm Februar 1994 reichte die Beklagte bei dem Landgericht Munchen Klage gegen\ndie Klagerin ein mit dem Antrag, festzustellen, daß der Klagerin (des\nvorliegenden Verfahrens) kein **Unterlassungs ­anspruch **hinsichtlich der\nHerausgabe eines Computermagazins unter dem Titel "F. WELT" zustehe. Diesen\nRechtsstreit erklar­ten die Parteien sodann im Hinblick auf die vorliegende,\nseit dem 28.3.1994 anhangige Klage ubereinstimmend fur erledigt.\n\n9\n\nDie Klagerin hat die Ansicht. vertreten, eine Verwendung des Titels "F. WELT"\nfur eine Computerfachzeitschrift durch die Beklagte verletze ihre\nprioritatsalteren Titelrechte in Bezug auf den Titel "Q. WELT" und verstoße\ndamit gegen § 16 Abs. 1 UWG. Zudem sei dieses Handeln unter dem Gesichtspunkt\nder **vermeidbaren Herkunftst auschung und Rufausbeutung gem. SS , 3 UWG, 823\nBGB unzulassig.**\n\n10\n\n**Die** Klagerin hat beantragt,\n\n11\n\ndie **Beklagte bei Vermeidung von Ordnungsmitteln zu**\n\n12\n\n**verurteilen, es zu unterlassen,**\n\n13\n\n**die Bezeichnung "F. WELT" im gesch aftlichen Verkehr zur **titelmaßigen\nKennzeichnung einer Computerfachzeitschrift zu verwenden und/oder verwenden zu\nlassen.\n\n14\n\nDie Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.\n\n15\n\nSie hat geltend gemacht, die Titel "Q. WELT" und "N. WELT", auf die es allein\nankommen konne, da alle anderen von der Klagerin in Deutschland\nherausgegebenen Titel nicht mehr **auf dem Markt** seien, seien mangels\nUnterscheidungskraft nicht schutzfahig, ebenso fehle es an einer\nVerwechslungsgefahr der sich gegenuberstehenden Titel. Zudem seien etwaige\nAnsprucheder Klagerin verwirkt, denn sie - die Beklagte - habe den Titel "F.\nWELT" seit 1984 kontinuierlich benutzt, ohne daß die Klagerin dem jemals\nwidersprochen habe. Das Klagebegehren sei aber auch deshalb ohne Erfolg, weil\ndie Klagerin in dem Schrei­ben vom 27.10.1993 ihr - der Beklagten - gegenuber\nauf die Bean­standung vom 16.9.1993 hin auf den Zeitschriftentitel "F. WELT"\nverzichtet habe und aus diesem Grund rechtsmißbrauchlich handele, wenn sie ihr\nnunmehr die Verwendung dieses Titels untersagen lassen wolle.\n\n16\n\nWegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf\ndortigen Schriftsatze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.\n\n17\n\nMit Urteil vom 23.08.1995, **auf das Bezug genommen wird, hat das Landgericht\nder Klage gem. § 16 Abs.1 UWG entsprochen und die **Beklagte verurteilt, es\nbei Meidung eines vom Gericht fur jeden Fall der **Zu ­widerhandlung\nfestzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,--DM, ersatzweise Ordnungshaft,\noder der Ord­nungshaft **bis zu sechs Monaten zu unterlassen, die Bezeichnung\n"F. WELT" im geschaftlichen Verkehr zur titelmaßigen Verwendung einer\nComputerfachzeitschrift zu verwenden und/oder verwenden zu lassen.\n\n18\n\nGegen dieses ihr am 13.09.1994 zugestellte Urteil hat die Be­klagte am\n13.10.1994 Berufung eingelegt, die sie am 12.12.1994 nach entsprechender\nVerlangerung der Berufungsbegrundungsfrist rechtzeitig begrundet hat.\n\n19\n\nDie Beklagte wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus der ersten Instanz. Sie\nist der Ansicht, entgegen der Auffassung des Landgerichts sei der Titel "Q.\nWELT" der Klagerin nicht schutz­fahig im Sinne von § 16 Abs. 1 UWG. Dieser\nTitel weise darauf hin, daß in der so bezeichneten Zeitschrift eine umfassende\nBe­richterstattung uber Personal-Computer erfolge und gebe damit nur den\nInhalt der Zeitschrift wieder. Als rein inhaltsbeschrei­bende Bezeichnung\nfehle dem Titel aber die hinreichende Unter­scheidungskraft, die Voraussetzung\nfur den Schutz nach § 16 Abs. 1 UWG sei.\n\n20\n\nHinzu komme, daß der Titelbestandteil **"WELT", der nach Auffas ­sung **der\nKlagerin pragender Bestandteil des Titels "Q. WELT" sein solle und zum\nSerientitel entwickelt worden sei, fur sich genommen als reine\nGattungsbezeichnung ebenfalls nicht gem. § 16 Abs. 1 UWG schutzfahig sei. Der\nBegriff "WELT" sei im Bereich **von Zeitungen und Zeitschriften als\nBezeichnung mittlerweile so weit verbreitet, da ß er ublicherweise nur noch\nals Umschreibung fur eine Zeitung oder eine Zeitschrift verstanden werde.**\n\n21\n\n**Ein Anspruch der Kl agerin aus § 16 Abs. 1 UWG scheitere aber auch daran,\ndaß die Titel "Q. WELT" und "F. WELT" nicht im Sinne dieser Vorschrift\nverwechslungsfahig seien. Eine unmittel­bare Verwechlungsgefahr werde von der\nKlagerin selbst nicht gel­tend gemacht. Eine Verwechslungsgefahr im weiteren\nSinne, wie sie vom Landgericht bejaht worden sei, sei jedoch nicht gegeben.\nDer Annahme einer derartigen Verwechslungsgefahr stehe bereits entgegen, daß\ndem angeblich pragenden Bestandteil "Welt" des Titels der Klagerin als\nGattungsbezeichnung keinerlei Kenn­zeichnungskraft zukomme, so daß dieser\nTitelbestandteil auf keinen Fall auf die Klagerin hinweise.**\n\n22\n\n**Der Umstand, da ß die Klagerin bisher als einzige auf dem Markt fur\nComputerzeitschriften in ihren Titeln den Bestandteil "WELT" verwende, fuhre\nzu keinem anderen Verstandnis dieser Bezeichnung durch die angesprochenen\nVerkehrskreise. Etwas anderes konnte **nur dann gelten, wenn feststunde, daß\ndie Klagerin den Titelbe­standteil "WELT" als Serientitel fur ihre\n**Verlagserzeugnisse im Verkehr durchgesetzt h atte. Eine **derartige\nDurchsetzung werde jedoch wie in der ersten Instanz bestritten.\n\n23\n\nDie Beklagte meint weiterhin, eine Verwechlungsgefahr konne **ebenfalls**\nnicht mit der Überlegung begrundet werden, der **bean ­standete **Titel sei\ngeeignet, **als** weitere Variante der **"WELT ­TITEL" **der Klagerin zu\nerscheinen und auf diese Weise Fehlvor­stellungen dahin hervorzurufen, bei dem\nso bezeichneten Magazin handele es sich um eine neue Spezialzeitschrift\ndesselben Ver­lags, **die sich mit einem** aus dem Haupttitel "Q. WELT"\nausgeglie­derten Themenkreis verstarkt befasse. Dieser Annahme stehe entgegen,\ndaß die Bezeichnung "F.", anders als die von der Klagerin verwendeten\nBezeichnungen "Q.", "N.", "M." etc. weder irgendeine Hardware noch irgendeine\nSoftware zum Gegen­stand habe. Da die Bezeichnung "F." von **dem\nangesprochenen Verkehr daher nicht als beschreibende, sondern als Phantasie\n­bezeichnung verstanden werde, konne keine Rede davon sein, daß eine unter dem\nTitel "F. WELT" herausgegebene Zeitschrift als Ableger der Hauptzeitschrift\n"Q. WELT" erscheine.**\n\n24\n\n**Schlie ßlich sei eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne auch deshalb\nausgeschlossen, weil der Titel "F. WELT" von den ange­sprochenen\nVerkehrskreisen ausschließlich ihr - der Beklagten -zugeordnet werde, denn die\nfirmenmaßige Bezeichnung "F. G." sei bundesweit bekannt **und habe sich im\n**Verlagsbereich f ur Computerbucher und Zeitschriften in Deutschland\ndurchge­setzt.**\n\n25\n\n**Dar uber hinaus vertritt die **Beklagte wie bereits in der ersten Instanz\ndie Ansicht, daß dem Unterlassungsanspruch der Klagerin aus § 16 Abs. 1 UWG\nder Einwand der Verwirkung entgegenstehe.\n\n26\n\nWas die anderen von der Klagerin angefuhrten Anspruchsgrundlagen zur\nRechtfertigung des Unterlassungsbegehrens angeht ist die Beklagte der\nAuffassung, daß die Klage auch insoweit nicht begrundet sei. Die beabsichtigte\nVerwendung des Titel "F. WELT" durch sie - die **Beklagte -** sei mangels\neiner Verwechs­lungsgefahr zwischen den streitgegenstandlichen Titeln nicht\nunter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstauschung gem. §§ 1,3 UWG\nunzulassig ebenso fehle es an Anhaltspunkten fur eine wettbewerbswidrige\nRufausbeutung, denn die Klagerin habe keine Umstande vorgetragen, aus denen\nsich die Schutzwurdigkeit ihres Titels "Q. WELT" als besondere Leistung\nableiten ließe.\n\n27\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n28\n\ndas Urteil der 31. Zivilkammer des LG Koln vom 23.08,1994 **(Az. 31 0 178/94)\n.abzu andern und die Klage abzuweisen.**\n\n29\n\n**Die Kl agerin beantragt,**\n\n30\n\n**die Berufung der Beklagten zur uckzuweisen mit der Maß**gabe, daß im Tenor\nder erstinstanzlichen Entscheidung das Wort "Verwendung" entsprechend dem\nursprunglichen Klage­antrag ersetzt wird durch das Wort "Kennzeichnung";\n\n31\n\nsowie ihr nachzulassen, etwaig erforderliche Sicherheit durch\nselbstschuldnerische Burgschaft eines als Zoll‑ oder Steuerburgen zugelassenen\nKreditinstituts zu leisten.\n\n32\n\nAuch die Klagerin wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus der ersten\nInstanz. Sie ist der Ansicht, das Landgericht sei zu Recht von der\nSchutzfahigkeit des von ihr - der Klagerin - seit Oktober 1983 benutzten\nTitels "Q. WELT" gem. § 16 Abs. 1 UWG bzw. gem. §3, 5,15 MarkenG ausgegangen.\nDieser zusammengesetzte Titel sei, wie bereits vom LG Munchen im Beschluß vom\n25.5.1994 im Verfahren 7 HKO 3520/94 ausgefuhrt, keineswegs nur beschrei­bend.\n\n33\n\nUnrichtig sei aber auch die These der Beklagten, der Titelbe­standteil "WELT"\nsei als reine Gattungsbezeichnung nicht schutz­fahig. Die Klagerin macht\nhierzu geltend, die Bezeichnung "WELT" sei als bildhafter Ausdruck ebensowenig\nGattungsbezeichnung wie etwa "Echo" oder "Revue". Fraglich konne allein sein,\nob das Wort "WELT" aufgrund haufiger Verwendung so stark an\nKennzeich­nungskraft eingebußt habe, daß der Titel "Q. WELT" von dem\nSchutzbereich nicht mehr umfaßt wurde. Diese Frage sei jedoch zu verneinen.\nUnstreitig finde der Bestandteil "WELT" auf dem abgegrenzten Markt der\nComputer-Fachzeitschriften im deutsch­sprachigen Raum ausschließlich zur\nKennzeichnung ihrer - der Klagerin - Produkte Verwendung. Sowohl der\nBekanntheitsgrad dieser Publikationen als auch die mit ihr - der Klagerin\n-verbundenen Herkunftserwartungen des Verkehrs seien aber, wie die im\nVerfugungsverfahren 31 0 566/93 LG Koln vorgelegte Mei­nungsumfrage ergeben\nhabe, mit Werten zwischen 39 % und 47 außerordentlich hoch. Hierdurch werde\ndie ursprungliche Kenn­zeichnungskraft des Titels und des Titelbestandteils\nunabhangig von der Frage der Verkehrsgeltung weiter erhoht. Daruber hinaus\n**habe der Titelbestandteil "WELT" als Serientitel (-Bestandteil) ihrer - der\nKl agerin - Publikationen Verkehrsgeltung erlangt, wie die erwahnte\nMeinungsumfrage ebenfalls belege.**\n\n34\n\n**In Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung des Land­gericht sei\naber auch die Verwechslungsgefahr zwischen den Titeln "Q. WELT" und "F. WELT"\nzu bejahen. Die erhohte Ver­kehrsgeltung des Titels "Q. WELT" **und seines\nBestandteils "WELT" habe eine erhohte Unterscheidungskraft und einen daraus\nfolgen**den erweiterten Schutzbereich** mit entsprechend erhohter\nVer­wechslungsgefahr zur Folge. Da kein anderes Verlagshaus den pragenden\nTitelbestandteil "WELT" zur Kennzeichnung von Fach­zeitschriften verwende,\nwerde ein erheblicher Teil der **ange ­sprochenen Verkehrskreise\n**organisatorische, geschaftliche oder sonstige auf eine gemeinsame Herkunft\nhindeutende **Zusammenh ange **zwischen den Publikationen vermuten. Davon\nabhangig bestarke die Verwendung des Titelbestandteils "WELT" als Serientitel\nihrer - der Klagerin - **Zeitschiften die Verwechslungsgefahr im weiteren\nSinne. Der Verkehr** werde namlich wegen der bislang nur fur ihre - der\nKlagerin Fachzeitschriften verwendeten Bezeich­nung "WELT" in der von der\nBeklagten beanspruchten Verbindung "F. WELT" die Titel in **ihrer**\nGesamtheint - und damit auch den beanstandeten Titel - als eine\nzusammenhangende verlegerische Veranstaltung betrachten und deshalb ihr - der\nKlagerin - zuord­nen.\n\n35\n\nUnerheblich sei, daß die Bezeichnung "F. G." bundesweit bekannt sei. Diese\nBehauptung der Beklagten werde zunachst mit Nichtwissen bestritten. Auf sie\nkomme es jedoch auch nicht an, weil pragender, im Bereich der Computer-\nFachzeitschriften origineller und auf sie - die Klagerin --hindeutender\nKennzeichnungs­bestandteil das Wort "Welt" sei. Die Firma "F. G." werde\ndaruber hinaus nicht durch den Bestandteil "F.", sondern durch den Firmennamen\n"G." als Herkunftsbezeichnung gepragt. Eine Entsprechung der Firmen/Titel "F.\nG." und "F. WELT" in den pragenden Bestandteilen sei damit nichtgegeben.\n\n36\n\nSchießlich konne - wie vom Landgericht ausgefuhrt - nicht von einer Verwirkung\ndes geltend gemachten Unterlassungsanspruchs ausgegangen werden, denn die\nBeklagte habe den Titel "F. WELT" als Bezeichnung einer Computer-\nFachzeitschrift bewußt bereits 1989 aufgegeben.\n\n37\n\nDie Klagerin stutzt daruber hinaus ihr Unterlassungsbegehren auch in der\nBerufungsinstanz zusatzlich auf §§ 1, 3 UWG. Sie macht hierzu geltend, sie\nhabe seit vielen Jahren - nicht zuletzt unter erheblichen finanziellen\nAufwendungen - im Markt fur Computerfachzeitschriften einen fur ihre\nVerlagsprodukte kennzeichnenden Serientitel mit dem Bestandteil "WELT"\naufge­baut. Demgegenuber habe die Beklagte ihren erkennbar erfolglosen\nComputerfachzeitschriftentitel "F. WELT" 1989 vom Markt genom­men und seither\nlediglich zur Kennzeichnung eines Bestellka­talogs verwendet. Nachdem sie -\ndie Klagerin - die Bedeutung ihrer seit Jahren auf dem deutschen Markt\ndurchgesetzten Serien­titel durch zusatzliche Erfolge nicht zuletzt durch die\nCom­puterzeitschriften "Q. WELT" und "N.welt" laufend weiter aus­gebaut und\ngestarkt habe, wolle nunmehr die Beklagte ohne er­kennbaren Grund und unter\nbewußter Inkaufnahme einer vermeid­baren Verwechslungsgefahr den Titel "F.\nWELT" neu in den Computerfachzeitschriftenmarkt einfuhren und beabsichtige\nuberdies - wie sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 30.01.1994 ergebe -\neinen weiteren Welt-Titel, namlich "Q.-Welt" auf dem\nComputerfachzeitschriftenmarkt einzufuhren.\n\n38\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags in der Beru­fungsinstanz\nwird auf die von den Parteien gewechselten Schrift­satze nebst Anlagen Bezug\ngenommen.\n\n39\n\nDie Akte 31 0 566/93 LG Koln lag vor und war Gegenstand der mundlichen\nVerhandlung.\n\n40\n\n _Entscheidungsgr unde: _\n\n41\n\nDie zulassige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.\n\n42\n\nDie Klagerin nimmt die Beklagte zu Recht auf Unterlassung der Verwendung der\nBezeichnung "F. WELT" fur eine Compu­terfachzeitschrift in Anspruch. Dieses\nBegehren der Klage­rin ist nach den im Streitfall gem. § 152 Abs. 1 MarkenG\nseit dem 1.1.1995 anzuwendenden §§ 5 Abs. 1 u. 3, 15 Abs. 1,2 u. 4 MarkenG\nebenso wie nach dem gemaß der Übergangsre­gelung des § 153 Abs. 1 MarkenG\ngleichermaßen zu beachten­den § 16 Abs. 1 UWG a.F. begrundet.\n\n43\n\n1.\n\n44\n\nBei dem Titel "Q. WELT" der Klagerin handelt es sich um eine besondere\nBezeichnung einer Druckschrift im Sinne der §§ 5 Abs. 1,3 MarkenG, 16 Abs. 1\nUWG a.F, fur die die Klagerin auch ohne Verkehrsgeltung vom Zeitpunkt ihrer\nIngebrauchnahme (Oktober 1993) an Titelschutz gem. §§ 15 MarkenG, 16 Abs. 1\nUWG a.F. beanspruchen kann.\n\n45\n\nVoraussetzung hierfur ist nach § 16 Abs. 1 UWG a.F. und dem insoweit ohne\nsachliche Änderung seit dem 1.1.1995 an dessen Stelle getretenen § 5 Abs. 1 u.\n3 MarkenG (vgl. Amt­liche Begrundung zum Entwurf eines\nMarkenrechtsreformge­setzes, BT-Drucks. 12/6581, S. 67 und 76), daß der Titel\nnicht nur den Inhalt des Werkes bezeichnet, sondern be­stimmt und geeignet\nist, ,das Werk von anderen Werken zu unterscheiden (Großkomm/Teplitzky § 16\nUWG Rd. 70 rrt.w.N.; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht 17. Auflage, § 16\nUWG Rd. 118 a m.w.N.). Der (Gesamt-)Titel "Q. WELT" genugt diesen\nAnforderungen. Dabei spielt es keine Rolle, daß der Titelbestandteil "Q." eine\ngebrauchliche Abkurzung fur Personalcomputer darstellt und der Bestandteil\n"WELT" darauf hinweist, daß in der Druckschrift aus einer bestimm­ten "Welt"\nim Sinne eines bestimmten Bereichs berichtet\n\n46 | \n---|--- \n47\n\nwird, bei der Zeitschrift "Q. WELT" somit aus dem Bereich der\nPersonalcomputer. Der Gesamttitel gibt danach nur sehr allgemein gehaltene\nHinweise auf den Inhalt der Publika­tion, wie dies bei sehr vielen\nZeitschriftentiteln der Fall ist, denn welche der zahlreichen moglichen Themen\naus dem weiten Bereich der Personalcomputer tatsachlich Gegenstand der\nBerichterstattung der "Q. WELT" ist, wird nicht gesagt. Eine derartige\nBezeichnung stellt aber als Titel einer Zeitschrift keine (ohne\nVerkehrsgeltung) schutzunfahige Inhaltsangabe dar, sondern verfugt uber\nursprungliche Unterscheidungskraft. Dies gilt umso mehr, als bei\nFach­zeitschriften ebenso wie bei Tageszeitungen nur geringe Anforderungen an\ndie Individualisierungskraft zu stellen sind, weil der Verkehr hier seit\nlangerem an Titel gewohnt ist, die z.B. aus beschreibenden Angaben-und bzw.\noder Gat­tungsbegriffen gebildet sind, und deshalb leicht geneigt ist, in\nTiteln mit Anlehnungen und Hinweisen auf das Fach-und Sachgebiet eine\nunterscheidungskraftige Bezeichnung der Zeitschrift zu sehen\n(Großkomm/Teplitzky § 16 UWG Rd. 204 m.w.N.; Baumbach-Hefermehl aa0.). Daß\ndies ebenfalls auf dem hier einschlagigen Markt der Computerfachzeitschriften\ngilt, bestatigen die sich aus den Akten ergebenden Bezeich­nungen der anderen\nComputerfachzeitschriften (z.B. DOS INTERNATIONAL, U., Computer live, Q.\nPRAXIS, N.Up), die wie der Titel "Q. WELT" der Klagerin regelmaßig aus\npro­duktbezogenen Angaben und bzw. oder einem mehr oder weniger farblosen\nZusatz bestehen.\n\n48\n\nAus, den vorstehenden Erwagungen ergibt sich zugleich, daß die Klagerin\nebenfalls fur den (Gesamt-)Titel der seit Mitte 1990 herausgegebenen\nZeitschrift "N.WELT", der ebenso wie "Q. WELT" aus einer Kombination einer\nprodukt­bezogene Angabe ("N." als Hinweis auf den E.-Com­puter) mit dem\nBestandteil "WELT" gebildet ist, vom Zeit­punkt der Ingebrauchnahme des Titels\nan - ohne Verkehrs­geltung - Schutz nach §§ 5,15 MarkenG, 16 Abs. 1 UWG a.F.\nbeanspruchen kann.\n\n49\n\n2.\n\n50\n\nDem Titel "Q. WELT" der Klagerin kommt weiterhin, wie von §§ 15 Abs. 1, 2 u.4\nMarkenG; 16 Abs. 1 UWG a.F. gefordert, Prioritat gegenuber der beanstandeten\nBezeichnung "F. WELT" fur eine Computerfachzeitschrift zu, ohne daß sich die\nBeklagte gegenuber dem Titelschutzbegehren der Klagerin mit Erfolg auf\nVerwirkung berufen kann.\n\n51\n\nDas Titelschutzrecht der Klagerin an der Bezeichnung "Q. WELT" besteht - wie\nausgefuhrt - seit Oktober 1983; dem­gegenuber wurde das Titelrecht der\nBeklagten fur "F. WELT" erst fruhestens im Dezember 1993 begrundet, als die\nBeklagte die Klagerin mit Schreiben vom 17.12.1993 von ihrer Absicht\ninformiert hat, eine Computerfachzeitschrift mit dieser Bezeichnung\nherauszugeben, und hierzu im Hin-. blick auf die Zeitschriftentitel "Q. WELT"\nund "N.WELT" der Klagerin um deren Stellungnahme bat. Zwar war eine derartige\nZeitschrift der Beklagten mit dem streitgegen­standlichen Titel bereits in der\nZeit von Januar 1984 bis einschließlich August 1989 erschienen (vgl. zum\nErscheinen der Zeitschrift im einzelnen die Anlage zum Schriftsatz der\nBeklagten vom 4.10.1995, Bl. 135 GA). Es kann auch zugunsten der Beklagten\ndavon ausgegangen werden, daß ein etwaiger Unterlassungsanspruch der Klagerin\naus § 16 Abs. 1 UWG a.F. gegenuber _dieser_ Verwendung der Bezeichnung "F.\nWELT" wegen Verletzung der Titelschutzrechte der Klagerin an der Bezeichnung\n"Q. WELT" verwirkt war, wie von der Beklagten geltend gemacht. Die der\nBeklagten dadurch erwachsene geschutzte Rechtsposition bestand jedoch nicht\nmehr im Jahre 1993. Schutzwurdig ist grundsatzlich nur ein mit einer\nbestehenden Druckschrift verknupfter Titel; bei endgultiger Aufgabe der\nDruckschrift erlischt auch der Titelschutz (Großkomm/Teplitzky § 16 UWG Rd.\n125 m.w.N; Baumbach-Hefermehl aaO. § 16 UWG Rd. 123 a, 123 c). Die Beklagte\nhat aber den Titel "F. WELT" als Bezeichnung einer Computerfachzeitschrift\nschon 1989 in diesem Sinne endgultig aufgegeben. Damit ist - ebenso wie ein\nTitelschutzrecht durch endgultige Aufgabe der Benutzung der Be­zeichnung\nerlischt - auch die schutzwurdige Rechtsposition untergegangen, die zunachst\nzugunsten der Beklagten auf­grund der. (zu unterstellenden) Verwirkung an dem\nTitel "F. WELT" bis September 1989 im Verhaltnis zur Klagerin begrundet worden\nwar.\n\n52\n\nEtwas anderes wurde nur dann gelten, wenn es sich 1989 nur um eine\nvorubergehende Einstellung des Gebrauchs dieses Titels fur eine\nComputerfachzeitschrift gehandelt hatte oder wenn die Verwendung der\nBezeichnung "F. WELT" fur die mit dem Untertitel "DAS AKTUELLE F. G. MAGAZIN"\nversehene Druckschrift der Beklagten als Weiterfuhrung des fraglichen Titels\nanzusehen ware. Dies ist jedoch nicht der Fall. Ob eine endgultige Aufgabe\neines Titelrechts durch den Berechtigten oder nur eine vorubergehende\nUnterbrechung der Benutzung vorliegt, hangt von den Umstanden des Einzel­falls\nab und ist aus der Sicht des Verkehrs in dem Zeit­punkt zu beurteilen, in dem\ndie Benutzung wieder aufgenom­men wird (Großkomm/ Teplitzky § 16 UWG Rd. 126;\nBaumbach-­Hefermehl aa0. § 16 UWG Rd. 123 c, jeweils m.w.N.). Es ent­spricht\ndem Wesen einer periodischen Druckschrift wie der bis August 1989 von der\nBeklagten herausgegebenen Zeit­schrift "F. WELT", die in festgelegten, dem\nVerkehr ge­laufigen Zeitabstanden standig erscheint, daß unter dem Titel eine\nfortlaufende Tatigkeit entfaltet wird, zu deren gleichbleibender Kennzeichnung\nder Titel bestimmt ist, wahrend der Inhalt der Druckschrift von Nummer zu\nNummer wechselt. Die Einstellung des Titelgebrauchs bei einer periodischen\nDruckschrift legt deshalb die Vorstellung des Verkehrs nahe, daß auch die\nunter dem Titel entfaltete Tatigkeit eingestellt worden ist und der Titel\nfortan im geschaftlichen Verkehr nicht mehr verwendet werde, falls nicht\nbesondere Umstande fur eine nur vorubergehende Nicht­benutzung sprechen (BGH\nGRUR 1960/346, 348 "Naher Osten" m.w.N.).\n\n53\n\n****\n\n54\n\n**Die Beklagte hat aber ab September 1989 ihre bis dahin (jedenfalls seit\n1986) monatlich (mit einer Doppelnummmer im Sommer 1986, 1987 und 1988)\nerscheinende Computerfach ­zeitschrift "F. WELT" nicht etwa eingestellt und\nsodann Ende 1993 die Wiederaufnahme dieser Zeitschrift unter der Bezeichnung\n"F. WELT" angekundigt. Sie hat vielmehr diese Zeitschrift ab September 1989\nfreiwillig in "Q. PRAXIS" umbenannt und seitdem unter dieser Bezeichnung bis\nheute weitergefuhrt; die 1993 der **Klagerin avisierte Druckschrift mit dem\nTitel "F. WELT" soll _neben_ dieser Zeitschrift "Q. PRAXIS" ab **Ende\n1993/1994 als neue -** weitere - Computer-fachzeitschrift **der Beklagten\nauf** den Markt kommen. Selbst wenn der bis August 1989 erschienene Titel "F.\nWELT" **f ur eine Computerfachzeitschrift **Ende 1993 bei dem **Verkehr noch\nfortgewirkt haben sollte und** noch nicht in Vergessenheit geraten war (vgl.\ndazu BGH GRUR 1959/45, la Deutsche Illustrierte"), wie von der Beklagten\ngeltend gemacht, stellt sich bei dem geschilderten Geschehensablauf **die\nHerausgabe einer Computerfachzeitschrift mit dem Titel "F. WELT"** im\n**Dezember 1993 aus** der Sicht der **angespro ­chenen **Verkehrskreise (zu\nden alle an Computer-Software und Hardware Interessierten, damit auch die\nMitglieder des Senats gehoren) nicht als Wiederaufnahme einer nur\nvoruber­gehend eingestellten Benutzung des fruheren Titels sondern als neuer\nTitel einer neuen Computerfachzeitschrift dar.\n\n55\n\nDer Verkehr wird deshalb das Verhalten der Beklagten im Jahr 1989 ungeachtet\neiner noch im Dezember 1993 evt. noch vorhandenen Bekanntheit des fruheren\nTitels als endgultige Aufgabe der Bezeichnung "F. WELT" fur eine\nComputerfach­zeitschrift verstehen.\n\n56\n\nDaß die Beklagte den Titel "F. WELT" nach der Umbenennung ihrer Zeitschrift in\n"Q. PRAXIS" seit dem 3. Quartal 1989 fur die mit der Unterzeile "DAS AKTUELLE\nF. G. MAGAZIN" bezeichnete Druckschrift verwendet hat, bestarkt dies noch. Bei\ndiesem seit dieser Zeit jeweils dreimal im Jahr erscheinenden, nicht wie die\nComputerfachzeitschriften uber Kiosk verkauften sondern kostenlos an Kunden\nverteilten "Magazin" handelt es sich nicht um eine Computerfach­zeitschrift.\nDieses "Magazin" stellt vielmehr lediglich einen Bestellkatalog fur die von\nder Beklagten zum Kauf angebotenenen Bucher und Software-Produkte dar, die mit\nKurzbeschreibungen, Preis und Bestellnummer vorgestellt werden. Die wenigen\nkurzen redaktionellen Berichte, die in dem Katalog enthalten sind, fuhren zu\nkeiner anderen Beur­teilung. Diese Berichte pragen nicht das Erscheinungsbild\nder Druckschrift und sind im ubrigen regelmaßig mit einem Werbehinweis auf die\nZeitschrift "Q. PRAXIS" verbunden, aus der sie stammen. Sie sind damit\nletztlich ebenso Werbung fur die von der Beklagten angebotenen Erzeugnisse wie\nder ubrigen Inhalt des Katalogs. Diese Druckschrift der Beklag­ten "F. WELT"\nist danach aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs nicht eine mit einer\nComputerfachzeitschrift ver­gleichbare Publikation sondern ein aliud. Die\nVerwendung des Titels "F. WELT" als Haupttitel dieser Druckschrift wird\ndeshalb die Vorstellung des Verkehrs von einer end­gultigen Aufgabe der\nBezeichnung "F. WELT" fur eine Com­puterfachzeitschrift durch die Beklagten ab\nSeptember 1989 noch zusatzlich fordern.\n\n57\n\nAus den dargelegten Umstanden ergibt sich zugleich, daß der Gebrauch des\nTitels "F. WELT" fur "DAS AKTUELLE F. G. MAGAZIN" wegen der aufgezeigten\ngravierenden Unter­schiede zwischen dieser Druckschrift und der zunachst damit\ngekennzeichneten Computerfachzeitschrift nicht als Weiter­fuhrung des bis\nAugust 1989 gefuhrten Titels "F. WELT" angesehen werden kann. Somit liegt auch\ninsoweit kein Um­stand vor, der dem von der Beklagten auf diese fruhere\nTitelfuhrung gestutzten Verwirkungseinwand Erfolg gegen­uber dem von der\nKlagerin im vorliegenden Rechtsstreit begehrten Titelschutz verschaffen\nkonnte.\n\n58\n\nDie - eventuell - wegen der bis August 1989 erschienenen Zeitschrift "F. Welt"\neingetretene Vewirkung des Verbietungsrechts der Klagerin aus ihrem Titel "Q.\nWELT" gegen­uber der damaligen Bezeichnung "F. WELT" steht im ubrigen auch aus\nfolgenden Erwagungen dem streitgegenstandlichen Unterlassungsbegehren der\nKlagerin aus §§ 5,15 MarkenG, 16 Abs. 1 UWG a.F. gegenuber dem 1993\nangekundigten Titel "F. WELT" nicht entgegen: Die Rechtsfolgen der Verwirkung\nbeschranken sich auf die Rechte, die dem Begunstigten auf­grund seines ortlich\nund sachlich begrenzten Besitzstandes nach Treu und Glauben erwachsen sind,\nberechtigen ihn jedoch nicht, sich weitergehende Rechte zu verschaffen\n(Baumbach-Hefermehl, aaO.,18. Aufl., Einl UWG Rd. 445 m.w.N.). Der evtl. bis\nAugust 1989 entstandene schutzwurdige Besitzstand der Beklagten wird bestimmt\nund charakterisiert nicht durch den Gebrauch der Bezeichnung "F. WELT" fur\nirgendeine Computerfachzeitschrift, sondern durch die Be­nutzung dieses Titels\nfur die konkret damit gekennzeichnete Druckschrift. Durch die Umbenennung\ndieser Publikation im Jahr 1989 in "Q. PRAXIS" hat aber die Beklagte diese\nVer­knupfung von Titel und Zeitschrift aufgehoben. Wenn sie dann 1993\nbeabsichtigt, eine neue Computerfachzeitschrift mit dem Titel "F. WELT"\nherauszubringen, nimmt sie deshalb damit nicht ihren fruheren aufgrund der\nVerwirkung gegenuber der Klagerin erlangten Besitzstand wahr; sie beansprucht\nvielmehr weitergehende, von diesem Besitzstand nicht umfaßte Rechte. Die evtl.\naus einem bis August 1989 der Beklagten erwachsenen Besitzstand eingetretene\nVerwir­kung ist daher ohne Bedeutung fur das streitgegenstand­lichen\nTitelschutzbegehren der Klagerin aus der Bezeichnung "Q. WELT".\n\n59\n\nOb die Verwendung der Bezeichnung "F. WELT" fur den Be­stellkatalog der\nBeklagten den Einwand der Verwirkung der. Beklagten gegenuber diesem Gebrauch\ndes Titels (fur den Bestellkatalog) im Verhaltnis zur Klagerin begrundet,\nbedarf keiner Prufung. Wie erortert handelt es sich bei diesem Bestellkatalog\nnicht um eine mit einer Computerfach­zeitschrift vergleichbare Druckschrift,\nsondern um ein aliud. Der "Ausbau" dieses Bestellkatalogs zu einer\nCompu­terfachzeitschrift mit dem Titel "F. WELT", wie er im Schreiben vom\n17.12.1993 der Beklagten an die Klagerin angesprochen ist, wurde daher\nebenfalls ein maßgebliches Überschreiten eines fur die Beklagte in Bezug auf\nden Be­stellkatalog evtl. erwachsenen Besitzstands bedeuten. Eine hinsichtlich\nder Benutzung von "F. WELT" fur den Bestell­katalog eingetretene Verwirkung\nsteht somit dem Unterlas­sungsbegehren der Klagerin aus §§ 5,15 MarkenG, 16\nAbs. 1 UWG a.F. gegenuber dem beanstandeten Gebrauch des Titels "F. WELT" fur\neine Computerfachzeitschrift aus dem Titel "Q. WELT" ebenfalls nicht entgegen.\n\n60\n\nNach den vorstehenden Ausfuhrungen steht zugleich fest, daß auch der Titel\n"N.WELT" der Klagerin prioritatsalter als die beanstandete Bezeichnung der\nBeklagten ist. Gegenuber der "alten" (bis August 1989 vertriebenen)\nZeitschrift "F. WELT" der Beklagten war der Titel "N.WELT" zwar zunachst\nprioritatsjunger; dieser Titel "F. WELT" ist jedoch - wie dargelegt - von der\nBeklagten 1989 endgultig aufgegeben worden. Aus den entsprechenden Erwagungen\nwie zum Titel "Q. WELT" ergibt sich weiterhin, daß eine evtl. aus der\nBenutzung der Bezeichnung "F. WELT" fur den ab dem 3. Quartal 1989\nerschienenen Bestellkatalog gegenuber einem Verbietungsrecht der Klagerin aus\n"N.WELT" eingetre­tene Verwirkung hinsichtlich der nunmehr beanstandeten\nVerwendung von "F. WELT" von der Beklagten ebenfalls nicht mit Erfolg einem\nauf die Bezeichnung "N.WELT" herge­leiteten Titelschutzbegehren der Klagerin\nentgegengehalten werden kann.\n\n61\n\n3.\n\n62\n\nDie Bezeichnung "F. WELT" ist mit den Titeln der Klagerin schließlich auch\nverwechselbar im Sinne der §§ 15 Abs. 1,2 u.4 MarkenG, 16 Abs. 1 UWG a.F.\n**ersichtlich auch nach Ansicht der Kl agerin - fern. Es be­steht jedoch die\nGefahr, daß ein nicht unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise\nwegen der Gemeinsamkeiten der sich gegenuberstehenden Titel insbesondere in\nBezug auf den Bestandteil "WELT" in der Zeitschrift der Beklagten eine weitere\nComputerfachzeitschrift der Klagerin vermutet oder jedenfalls einer\nVerwechslungsgefahr im weiteren Sinne unterliegt, weil er auf organisatorische\noder sonstige wirtschaftliche Zusammenhange zwischen den Publikationen der\nParteien schließt.**\n\n63\n\n**Die** Verwechslungsgefahr bestimmt sich nach dem Grad der Ähnlichkeit der\nsich gegenuberstehenden Bezeichnungen, der Kennzeichnungskraft der geschutzten\nBezeichnungen sowie nach der Nahe oder Ferne der Branchen, wobei zwischen\ndiesen Faktoren eine Wechselwirkung besteht (Großkomm/ Teplitzky § 16 UWG Rd.\n321, 322 m.w.N.). Was die Kennzeich­nungskraft der Titel "Q. WELT" und\n"N.WELT" der Klagerin angeht, so verfugen diese Titel, wie bereits erortert,\nuber ursprungliche Unterscheidungskraft. Dabei mag diese Unter­scheidungskraft\nvon Hause aus zunachst eher schwach sein, wenn man die beiden Titel jeweils\nallein betrachtet. Vor dem schon angesprochenen Hintergrund, daß die\nUnterschei­dungskraft der Bezeichnungen der konkurrierenden Publika­tionen in\nahnlicher Weise zu beurteilen ist und der Ver­braucher sich auch bei den\nComputerfachzeitschriften auf derartige eher farblose Titel eingestellt hat,\nwenn **er seine Auswahl unter den** Erzeugnissen trifft, ist aber die\nursprungliche Unterscheidungskraft beider Titel der Klage­rin als\ndurchschnittlich zu werten.\n\n64\n\nDiese Unterscheidungskraft hat jedoch vor allem bei dem. Titel "Q. WELT", aber\nauch bei der Bezeichnung "N.WELT", eine nachhaltige Steigerungserfahren.\nHierbei war auf den Zeitpunkt der ersten Kollision der Bezeichnungen der\nPar­teien abstellen, denn die Verwechslungsgefahr muß nicht nur zum Zeitpunkt\nder letzten Tatsachenverhandlung vorliegen, **sondern bereits bei Begr undung\ndes Schutzes des prioritats­jungeren Titels bestanden haben (BGH GRUR\n1958/141, 143 "Spiegel der Woche"). Im Streitfall war somit bei der Pru­fung\nder Verwechslungsgefahr und folglich auch bei der Feststellung des\nSchutzbereichs der klagerischen Titel auf Dezember 1993 abzustellen, dem\nfruhesten Zeitpunkt der ernsthaften Ingebrauchnahme des beanstandeten Titels\n"F. WELT" durch die Beklagte fur eine Computerfachzeitschrift. Wie unter Ziff.\n2 der Entscheidungsgrunde ausgefuhrt kann sich die Beklagte auf keine fruhere\nPrioritat berufen.**\n\n65\n\n**Bezogen auf** Dezember 1993 war aber die Klagerin mit dem Titel "Q. WELT"\nschon 10 Jahre (u. ca. 2 Monate) und mit dem Titel "N.WELT" bereits ca. 3\nJahre auf dem Markt prasent. Sie war daruber hinaus mit beiden Publikationen\ngeschaftlich sehr erfolgreich: Ausweislich der von der Kla­gerin mit dem\nSchriftsatz vom 13.10.1995 nebst **Anlagen (BL. 137, 142,** 143 GA)\nvorgetragenen - unstreitigen - **Verkaufs ­zahlen **verzeichnete die "Q. WELT"\nnach einem zunachst nur allmahlichen Anstieg der Verkaufszahlen von 12.342\nExem­plaren im 1. Quartal 1987 bis zu 65.160 Exemplaren im 2. Quartal 1992\ndanach einen beachtlichen Anstieg im 4. Quar­tal 1992 auf 103.846 verkaufte\nExemplare, im 1. Quartal 1993 sodann einen Anstieg auf 140.772 Exemplare und\nin den weiteren Quartalen des Jahres 1993 auf 156.033, 180.968 und 195.301\nExemplare mit weiteren Steigerungen der Verkaufs­zahlen **im Jahr** 1994 bis\nzu einer verkauften Auflage von 254.278 Exemplaren im 4. Quartal 1994. Die\nZeitschrift "Q. WELT" weist damit insbesondere ab dem 2. Quartal 1992 eine\nerhebliche Steigerung ihrer verkauften Auflage auf. Sie hat sich dabei im\nVerlauf des Jahres 1993 den zunachst fuhrenden Computerfachzeitschriften "Q.\nPRAXIS", "U." und "DOS International" nicht nur angenahert, sondern diese im\n3.Quartal 1993 sogar uberholt und ist seitdem die fuhrende deutsche\nComputerfachzeitschrift.\n\n66\n\nEine ahnlich erfolgreiche Verkaufsentwicklung ist bei der **Zeitschrift\nN.WELT" festzustellen, bei der es sich ebenso wie bei dem mit ihr\nkonkurrierenden Titel "N.Up" um einen Spezialtitel f ur Produkte und\nPeripherie-Produkte des Com­puterherstellers Apple (E.-Computer) handelt.\nAusweislich der unstreitigen Verkaufszahlen dieser beiden Zeitschriften hat\nsich die "N.WELT" ab dem 2. Quartal 1991 mit kontinuierlich steigenden\nVerkaufszahlen gegenuber der zunachst fuhrenden Zeitschrift "N.Up" unter\nstetiger Anna­herung an deren Verkaufszahlen behauptet und mittlerweile -seit\ndem 1. Quartal 1994 - diese Zeitschrift uberholt.**\n\n67\n\n**Die sich in dieser** langjahrigen erfolgreichen Entwicklung beider Titel der\nKlagerin in den steigenden Verkaufszahlen und insbesondere auch in der\ngeschilderten Durchsetzung gegenuber der Konkurrenz widerspiegelnde,\nBekanntheit und Wertschatzung der Publikationen beim Publikum begrundet nicht\nnur eine uberdurchschnittliche Bekanntheit der Gesamt-Titel. **Sie f uhrt\n**vielmehr zugleich zu einer nach­haltigen Steigerung der zunachst nur\ndurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Titel, wobei davon maßgeblich vor\nallem der Bestandteil "WELT" und dessen Unterscheidungs­kraft profitiert hat:\nDieser Bestandteil "WELT" wirkt zunachst bei dem Titel "Q. WELT" optisch nicht\nweniger auf­fallig **als** der erste Titelbestandteil "Q.", sondern\nbean­sprucht sowohl durch die Lange des Wortes als auch durch, seine\ngraphische Gestaltung (Schreibweise in gleich großen **und dicken Buchstaben\nwie "Q.";** getrennte Schreibweise beider Titelbestandteile, die in derselben\nFarbe gehalten sind) die gleiche Aufmerksamkeit wie der erste Bestandteil des\nTitels "Q. WELT". Der Bestandteil "WELT" tritt aber auch sprachlich nicht\nhinter "Q." zuruck, mag auch die Betonung bei dem Gesamttitel regelmaßg auf\ndem ersten Bestandteil liegen. Die im wesentlichen entsprechende Beurteilung\ngilt fur den Bestandteil "WELT" in der Bezeich­nung "N.WELT" bis auf den\nUmstand, daß "WELT" dort nicht durch eine getrennte Schreibweise vom ersten\nTitelbestand‑teil optisch abgesetzt ist, wie dies in dem Titel "Q. WELT" **der\nFall ist.**\n\n68\n\n**Abgesehen von der bis einschlie ßlich August 1989 auf dem Markt befindlichen\nZeitschrift "F. WELT" enthielten und enthalten auch nur die von der Klagerin\nverwendeten Be­zeichnungen fur Computerfachzeitschriften das Wort "Welt" (in\nwelcher Schreibweise auch immer); es gab und gibt auf dem deutschen Markt\nebenfalls keine Computerfachzeitschrif­ten **anderer Verleger, deren **Titel\nden Hinweis "World" ver ­wenden. Soweit die Beklagte im letzten\nBerufungstermin die Publikation "V. World" (September-Nummer 1995) vorge­legt\n**hat, fuhrt dies zu keiner anderen Beurteilung. Bei diesem Erzeugnis handelt\nes sich um eine englischsprachige Zeitschrift, bei der weder die Zeitschrift\nselbst noch der Vortrag der Beklagten in der mundlichen Verhandlung Aufschluß\ndaruber gibt, seit wann sie in welchem Umfang auf den deutschen Markt sein\nsoll. Eine Relevanz dieser Pub­likation fur den vorliegenden Rechtsstreit ist\n**damit nicht gegeben.**\n\n69\n\n**Da ß **nur die Publikationen der Klagerin den Titelbestandteil "WELT"\nenthielten und enthalten, andert allerdings noch nichts daran, **da ß dieses\nWort in **den Bezeichnungen der Computerfachzeitschriften der Klagerin dennoch\nzunachst von Hause aus wenig bzw. kaum individualisierend wirkt. Das\nwettbewerbliche Umfeld hat jedoch dazu gefuhrt, daß der **Bestandteil "WELT"\nbei dem Titel "Q. WELT", aber ebenso bei der Bezeichnung "N.WELT", nicht nur\noptisch und auch sprachlich nicht in der Gefahr steht,** vom Verkehr\nver­nachlassigt **zu werden, sondern sogar zum ma ßgeblichen\nUnterscheidungsmerkmal der klagerischen Publikationen gegenuber den\nDruckschriften der Konkurrenz geworden ist, an dem sich der Verkehr\norientieren muß. Nur der Bestand­teil "WELT" grenzt namlich die "Q. WELT" von\nder Zeit­schrift "Q. PRAXIS" ab und entscheidet daruber, ob die eine oder die\nandere Zeitschrift gemeint ist. Berucksichtigt man dabei, daß die "Q. PRAXIS"\nunstreitig in den Jahren 1990** bis 1993 (also in einer Zeit, als die fruhere\n"F. WELT"-Zeitschrift der Beklagten nicht mehr auf dem Markt war) zu den\nfuhrenden (allgemeinen) Computerfachzeitschriften gehorte, der sich die "Q.\nWELT" in der geschilderten Weise mit stetem Erfolg genahert hat, kommt diesem\nUmstand eine umso großere Bedeutung fur die Unterscheidungskraft des\nBestandteils "WELT" im Titel der Klagerin zu. Aus der in der Beiakte 31 0\n566/93 LG Koln (dort Bl. 43 BA) enthaltenen Übersicht uber die im 2. Halbjahr\n1993 IVW­gepruften Computerfachzeitschriften sowie aus der im vorliegenden\nRechtsstreit von der Klagerin vorgelegten privaten Meinungsumfrage (Anlage K 8\nzur Klageschrift) ergeben sich zudem als weitere damals (1993) auf dem. Markt\nprasente Publikationen u.a. die Titel "Q. Direkt" und "Q. Professionell". Auch\ngegenuber diesen Titeln schafft aber nicht der Sachhinweis "Q." sondern erst\nund allein der Be­standteil "Welt" die namensmaßige Abgrenzung zum Titel "Q.\nWELT", der dadurch auch insoweit zu dem entscheidenden Unterscheidungsmerkmal\nder klagerischen Bezeichnungen wird.\n\n70\n\nDer Hinweis "Q." im Titel "Q. WELT" war und ist danach (jedenfalls in der Zeit\nab September 1989) nur zur Unter­scheidung der "Q. WELT" von der weiteren\nklagerischen Druckschrift "N.WELT" notwendig. Bei dem Titel "N.WELT" wiederum\ngilt, daß der sich fur eine derartige Spezialzeit­schrift interessierende\nVerbraucher auch hier gezwungen ist, sein Augenmerk vor allem auf den zweiten\nBestandteil "WELT" zu richten, weil nur dieser die Druckschrift zur\nunmittelbar konkurrierenden und lange Zeit auf dem Gebiet der\nSpezialzeitschriften fur E.-Computer fuhrenden Zeitschrift "N.Up" abgrenzt.\nDie Zeitschriften "Q. WELT" und "N.WELT" weisen zwar bis auf den zweiten\nTitelbestand­teil "WELT" keine Merkmale wie z.B. eine gemeinsame Aus­stattung\nauf, die auf ihre Herkunft aus einem Verlag hin­weisen. Es liegt jedoch aus\nder Sicht des Verkehrs nahe, daß der Herausgeber einer "allgemeinen"\nComputerfachzeit­schrift wieder "Q. Welt" eine nur fur einen abgegrenzten\nThemenkreis bestimmte Spezialzeitschrift wie die "N.welt" herausgibt und dies\ndurch Gemeinsamkeiten im Titel wie hier durch den zweiten Titelbestandteil\n"WELT" kenntlich macht. Trotz fehlender gemeinsamer Ausstattung begrundet\nsomit die Verwendung des Worts "WELT" in den beiden Bezeichnungen der Klagerin\nkeine Schwachung der dargelegten Individualisie­rungswirkung dieses\nTitelbestandteils fur diese Bezeich­nungen oder gar den Schluß, der Verkehr\nverstehe deshalb den Hinweis "WELT" auch bei Computerzeitschriften lediglich\nals einen einer Gattungsbezeichnung ahnlichen Sammelbegriff fur derartige\nDruckwerke; wie dies fur den Bereich der Tagezeitungen und evt. auch fur\nFachzeitschriften anderer Marktsegmente der Fall ist. Der "inhaltliche" Bezug\nder "Q. WELT" als allgemeine Computerfachzeitschrift zur Spezialzeitschrift\n"N.WELT" verstarkt vielmehr noch die Vorstel‑lung des Verkehrs, daß es sich\nbei dem diesen Titeln ge­meinsamen Bestandteil "WELT" um einen\nHerkunftshinweis handelt. Da aus den entsprechenden Überlegungen auch die vor\n1993 von der Klagerin herausgegebenen (und im Tat­bestand dieses Urteils\nangefuhrten) Computerfachzeit­schriften diese Vorstellung des Verkehrs\nallenfalls noch bekraftigen und nicht abschwachen konnten, falls diese\nDruckwerke im Dezember 1993 und danach dem Verkehr nach be­kannt gewesen sein\nsollten, denn es handelte sich bei diesen Zeitschriften jeweils um Druckwerke\nfur abgegrenzte Spezialbereich wie die "N.WELT" mit Titeln, die in\nent­sprechender Weise gebildet sind (M.WELT, V.welt usw), kommt es auf diese\nZeitschriften oder auch auf die fruher von der Klagerin herausgegebenen\nSupplemente fur den vor­liegenden Rechtsstreit nicht an; es bedurfte daher\nkeiner Feststellungen zur Bekanntheit dieser Zeitschriften und Supplemente.\n\n71\n\nBezogen auf Dezember 1993 war nach alledem die Aufmerksam­keit des Verkehrs\nbei den Titeln "Q. WELT" und "N.WELT" der Klagerin schon uber mehrere Jahre in\nder geschilderten Weise insbesondere auf den Bestandteil "WELT" gerichtet als\ndem diese Titel jeweils vom marktstarken Umfeld unterscheiden­den und damit\nindividualisierenden Teil der Bezeichnungen. Dies rechtfertigt nicht nur den\nSchluß, daß der Bestandteil "WELT" aus der Sicht des angesprochenen Publikums\ndadurch letztlich zum maßgeblichen Herkunftshinweis dieser Titel geworden ist,\nsondern wegen der langen Marktprasenz sowie vor allem auch wegen der\ndargelegten großen Bekanntheit und Wertschatzung, die beide Zeitschriften der\nKlagerin dabei errungen haben, zugleich die Schlußfolgerung, daß die\nge­steigerte Bekanntheit der Titel auch zu einer entsprechend gesteigerten\nBekanntheit des Bestandteils "WELT" als Hin­weis auf diese Erzeugnisse der\nKlagerin gefuhrt hat.\n\n72\n\nDie angegriffene Bezeichnung "F. WELT" bedient sich jedoch gerade dieses\nBestandteils "WELT" und weist eben­falls im ubrigen Ähnlichkeiten mit den\nklagerischen Be­zeichnungen auf, so daß auch bei der gebotenen Beachtung des\nGesamteindrucks der sich gegenuberstehenden Titel die Gefahr ihrer\nVerwechslung gegeben ist.\n\n73\n\nBei der von der Beklagten ins Auge gefaßten Zeitschrift "F. WELT" handelt es\nsich wie bei den Publikationen der Klagerin um eine Computerfachzeitschrift,\ndie ausweislich der Erklarung der Beklagten im Schreiben vom 17.12.1993\n(Anlage K 4 zur Klageschrift) periodisch erscheinen und am Kiosk bzw.. in den\nZeitschriftenladen und Zeitschriftenab­teilungen der Kaufhauser verkauft\nwerden soll. Die Beklagte beabsichtigt somit, sich mit einer den Erzeugnissen\nder Klagerin entsprechenden Publikation an dieselben Verkehrs­kreise zu wenden\nwie die Zeitschriften "Q. WELT" und "N.WELT". Hierzu verwendet sie eine\nKennzeichnung, die wie die beiden Titel der Klagerin als zweiten Bestandteil\ndas Wort "WELT" enthalt, wobei dieser Bestandteil durch die getrennte\nSchreibweise beider Titelbestandteile, durch die selbe Wortlange von "WELT"\nund "F." (jeweils 4 Buchsta­ben) sowie durch die einheitliche Schreibweise\nbeider Be­standteile in Großbuchstaben bildlich ebenso auffallig wie der\nHinweis "F." erscheint und dergestalt zudem dem Ver­kehr in derselben Weise\nprasentiert wird, wie dies bei der Be­zeichnung "Q. WELT" der Fall ist. Der\nHinweis "WELT" geht im Titel "F. WELT" auch nicht klanglich unter, wenn auch\ndie Betonung auf dem Anfangswort "F." liegen wird.\n\n74\n\nZu der teilweisen Identitat des angegegriffenen Titels der Beklagten mit den\nBezeichnungen der Klagerin gerade bei dem fur diese Bezeichnungen aus der\nSicht des Verkehrs maßgeb­lichen Individualisierungshinweis "WELT" und den\nanderen bereits genannten Gemeinsamkeiten kommt hinzu, daß der Titel "F. WELT"\n"inhaltlich" in derselben Weise gebildet ist wie die beiden Titel der\nKlagerin, namlich als Kombi‑nation zwischen einem auf das Thema der\nZeitschrift hinwei­senden Wort (F.) zu Beginn des Titels und dem Wort "WELT"\nals zweiten Bestandteil; dabei kommt diesem Wort "WELT" in "F. WELT" derselbe\nBedeutungsinhalt zu wie in den klage­rischen Bezeichnungen, denn es wird dahin\nverstanden, daß in der Zeitschrift "F. WELT" aus dem im ersten\nTitelbe­standteil angesprochenen Sachbereich berichtet wird.\n\n75\n\nDer Titelbestandteil "F." wiederum verhindert zwar eine unmittelbare\nVerwechslungsgefahr der angegriffenen Be­zeichnung der Beklagten mit den\nTiteln der Klagerin, verhindert aber nicht eine mittelbare\nVerwechslungsgefahr. und schon gar nicht eine Verwechslungsgefahr im weiteren\nSinne. Welt Dieser Bestandteil schafft namlich im Titel der Beklagten nicht\ndie gebotene deutliche Abgrenzung zu den klagerischen Bezeichnungen, wie dies\nim Streitfall ange­sichts des aufgezeigten erweiterten Schutzbereichs dieser\nBezeichnungen und der Übereinstimmung der Titel der Partei­en erforderlich\ngewesen ware, sondern fordert allenfalls noch bei den angesprochenen\nVerkehrskreisen eine Zuordnung der Titel der Parteien zueinander. Das Wort\n"F." ist entgegen der Ansicht der Beklagten keine bloße Phantasiebe­zeichnung;\nes wird vielmehr von jedem, der sich fur die elektronische Datenerfassung und\nDatenbearbeitung bzw. fur Computer-Hardware und -Software interessiert, somit\nvon denim Streitfall von den Parteien angesprochenen Verkehrskreisen, isoliert\nbetrachtet und vor allem auch in der Bezeich­nung "F. WELT" ohne langes\nNachdenken als naheliegender Hinweis auf diese Bereiche verstanden (vgl. dazu\nauch BGH GRUR 1990/1042 "F.color"). Die Firma "F. G." der Beklagten verwendet\nim ubrigen dieses Wort ebenfalls als derartigen Sachhinweis auf ihren\nUnternehmensbereich, ohne daß die Rede davon sein kann, daß nur derjenige, der\ndie Firma der Beklagten kennt, "F." in der vorstehend ange­fuhrten Bedeutung\nversteht: Eine Zeitschrift "F. WELT" mit dem danach durch den Hinweis "F."\nsignalisierten weiten Themenkreis laßt sich jedoch zunachst ohne weiteres aus\nder Sicht des Verkehrs als "allgemeine" Computerfach­zeitschrift dem\nVerlagsprogram zuordnen, zu dem der nur einen beschrankten Bereich der\nComputer-Hardware und Soft­ware erfassende Spezialtitel "N.WELT" gehort. Die\nBezeich­nung "F. WELT" fur eine Computerfachzeitschrift laßt sich aber\nthematisch vom Verkehr ebenfalls der "allgemeinen" Computerfachzeitschrift "Q.\nWELT" der Klagerin zuordnen, denn der Hinweis "F." macht in der Bezeichnung\n"F. WELT" nicht fur jedermann deutlich, daß diese Publikation trotz des mit\nder "Q. WELT" gemeinsamen Titelbestandteils "WELT" von einem anderen\nHerausgeber stammt und auch sonst in keinerlei zumindest wirtschaftlichen\nBeziehungen zur "Q. WELT" steht. Beide Titelbestandteile, "Q." und "F.",\nvermitteln in den Bezeichnungen "Q. WELT" bzw. "F. WELT" nicht die Vorstellung\nvon klar definierten Sachbereichen als Inhalt der so bezeichneten\nZeitschriften; dazu sind die mit diesen Hinweisen angesprochenen Themen - auch\naus der Sicht des Verkehrs - viel zu vielfaltig und umfangreich und die\nHinweise andererseits zu vage. Es bleibt deshalb fur das Publikum, das den\nTitel "Q. WELT" .kennt und der Bezeichnung "F. WELT" begegnet und wegen der\naufgezeigten Ähnlichkei­ten beider Titel zumindest wirtschaftliche Beziehungen\nzwischen den Publikationen vermutet, zwangslos Raum fur die Vorstellung, das\nNebeneinander zweier "generalisierender" **Computerfachzeitschriften mit\nTiteln, die den ihm aus dem Titel "Q. WELT" bekannten und in optisch gleicher\nWeise bei der "F. WELT" pr asentierten Herkunftshinweis "WELT" ent­halten,\n**sei **auf unterschiedliche Schwerpunkte der Publika ­tionen bei der Hardware\nund bzw. oder der Software oder evt. auch bei dem angesprochenen\nVerbraucherkreis zuruckzu­fuhren.**\n\n76\n\nNach alledem besteht nach dem Gesamteindruck der sich gegenuberstehenden\nBezeichnungen angesichts des erweiterten Schutzbereichs, den die Titel der\nKlagerin beanspruchen konnen und der dargelegten großen Ähnlichkeit der\nangegrif­fenen Bezeichnung "F. WELT" selbst dann die Gefahr, daß ein nicht\nunbeachtlicher Teil des angesprochenen Publikums das Wort "WELT" auch in "F.\nWELT" in Erinnerung an den ihm durch die Titel der Klagerin bekannten\nHerkunftshinweis als einen derartigen Individualisierungshinweis versteht und\ninfolgedessen die Titel der Parteien einem Verlag zuordnet oder jedenfalls\norganisatorische oder wirtschaft­liche Zusammenhange zwischen den\nPublikationen vermutet, wenn man dabei berucksichtigt, daß der Verbraucher bei\nFachzeitschriften gewohnt ist, auf kleinere Unterschiede der Titel zu achten\nund er bei Fachzeitschriften regelmaßig eine bewußte Auswahl unter den ihm am\nKiosk oder in der Zeitschriftenabteilung der Geschafte meist nebeneinander\nangebotenen Werke des jeweiligen Fachgebiets trifft. Der Senat, dessen\nMitglieder - wie schon erwahnt - zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehoren\nund deshalb diese Feststellungen aus eigener Sachkunde und Erfahrung treffen\nkonnen, ist dabei davon uberzeugt, daß eine derartige Verwechslungsgefahr\neines nicht unbeachtlichen Teils des Verkehrs angesichts der dargelegten\nBekanntheit und Durchsetzung beider Publikationen der Klagerin sowohl bei\ndenjenigen Verbrauchern zu bejahen ist, die sich bislang nur fur die\nZeitschrift "Q. WELT" interessiert haben und evtl. die N.WELT nicht kennen,\nals auch bei denjenigen, denen beide Titel (Q. WELT und N.WELT) der Klagerin\n**bekannt sind. Unabh angig davon ist eine derartige Verwechs­lungsgefahr\nebenfalls bei dem Publium gegeben, dem bislang **evtl. **lediglich der Titel\n"N.WELT" bekannt geworden sein sollte, denn auch dieser Titel erf ullt, wie\nbereits dargelegt, alle sonstigen Schutzvoraussetzungen der §§ 5, 15 MarkenG,\n16 Abs. 1 UWG a.F.**\n\n77\n\n**Da ß der Katalog "F. WELT" in der von der Beklagten behaupteten großen\nAnzahl **verteilt worden ist und **die Unternehmensbezeichnung "F. G."\nbundesweit gro ße Bekanntheit besitzt und sich im Verlagsbereich fur\nCompu­terbucher **durchgesetzt hat (vgl. dazu **den Vortrag der Beklagten in\nder Berufungsbegr undung vom 9.12.1994, Bl. 97 GA sowie in der Klageerwiderung\nvom 27.4.1994, Bi. 25 bis 29 GA)fuhrt zu keiner anderen Beurteilung der\nVerwechs­lungsgefahr. Dieser Vortrag der Beklagten vermag auch bei\nEinbeziehung der von der Beklagten auf Bl. **29 **GA angef uhrten Marke "F.\nG." zunachst nicht darzutun, daß jeder der im Streitfall maßgeblichen\nVerbraucher tatsachlich den Katalog "F. WELT" der Beklagten und bzw. oder\nderen** Firma, Marke und Produkte kennt. Unabhangig davon wurde eine derartige\nKenntnis des Verkehrs der aufgezeigten Ver­wechslungsgefahr nicht\nentgegenstehen. Die Medien berichten regelmaßig uber die Verflechtungen und\nKooperationen im Verlagsbereich und bei den Herstellern von Computer-Hard­ware\nund -Software. Aus der Sicht des Verkehrs liegt es vor **diesem Hintergrund\ndaher nahe, auch bei den Parteien derartige Verflechtungen oder Kooperationen\nals Grund f ur die **auffalligen Gemeinsamkeiten der Bezeichnungen ihrer\nDruckerzeugnisse zu vermuten und damit z.B. ebenfalls zu erklaren, warum die\nBeklagte einen Katalog mit dem Titel "F. WELT" herausgibt. Eine abweichende\nBeurteilung der Verwechslungsgefahr konnte danach allenfalls dann geboten\nsein, wenn der Bestandteil "F." zumindest im Bereich der Computer und der\ndamit zusammenhangenden Erzeugnisse ein­schließlich der sich darauf\nbeziehenden Fachzeitschriften nur mit der Beklagten in Verbindung gebracht\nwurde und zugleich auch Vorstellungen des Verkehrs uber Kooperationen der\nParteien und ihrer Publikationen trotz der aufgezeigten auffalligen\nGemeinsamkeiten der Titel der Publikationen verhindern wurde. Fur eine\ndarartige fernliegende Annahme fehlt aber jeglicher Sachvortrag der Beklagten.\nEs kann noch nicht einmal davon ausgegangen werden, daß die Beklag­te "F."\nz.B. als Firmenschlagwort verwendet. Ein entspre­chender Gebrauch wurde von\nder Beklagten nicht vorgetragen; er bietet sich auch nicht an, denn\nindividualisierend in der Firmenbezeichnung der Beklagten ist aus der Sicht\ndes Verkehrs in erster Linie der ohne weiteres als Name erkennbare Bestandteil\n"G.", wahrend "F." ohne weiteres erkennbar einen Sachhinweis auf den\nUnternehmens­bereich darstellt.\n\n78\n\nSoweit die Beklagte in der Berufungserwiderung vom 9.12.1994 (B1. 97 GA), von\nder Klagerin bestritten, auch geltend gemacht hat, die Bezeichnung "F. G."\nhabe sich bei Zeitschriften in Deutschland durchgesetzt, hat die Klagerin\nbereits in erster Instanz darauf hingewiesen, daß die Beklagte am Markt der\nComputerfachzeitschriften weder mit "F. WELT" noch mit "F. G." auftritt und\nsich ebenfalls bei der Zeitschrift "Q. PRAXIS" kein Hinweis auf "F. G."\nfindet, ohne daß die Beklagte ihren Vortrag daraufhin zumindest in der\nBerufungsinstanz erganzt hat.\n\n79\n\nDer angefuhrten Behauptung der Beklagten war daher schon mangels hinreichender\nSubstantiierung nicht nachzugehen.\n\n80\n\nDie beanstandete Bezeichnung "F. WELT" war danach bezogen auf den Dezember\n1993 im Sinne der §§ 15 Abs. 2 MarkenG, 16 Abs. 1 UWG a.F. verwechselbar mit\nden Titeln "Q. WELT" und bzw. oder "N.WELT"; der Sachvortrag der Parteien\nergibt jedoch fur die Zeit nach Dezember 1993 keine Anhaltspunkte fur eine\nÄnderung der diese Verwechslungsgefahr begrunden­den Umstande ergibt, so daß\ndiese Gefahr weiterhin besteht uber dem Titelschutzbegehren der Klagerin nicht\nmit Erfolg auf Verwirkung berufen kann und aus den in der angefoch­tenen\nEntscheidung des Landgerichts angefuhrten und von der Beklagten in der\nBerufungsinstanz nicht angegriffenen zutreffenden Erwagungen (auf die Bezug\ngenommen wird) auch kein Verzicht der Klagerin auf ihre Titelschutzrechte\ngegenuber der Beklagten vorliegt, ist somit das Klagebe­gehren aus §§ 15 Abs.\n1, 2 u. 4 MarkenG, § 16 Abs. 1 UWG a.F (i.V.m. §§ 152, 153 Abs. 1 MarkenG)\nbegrundet, und zwar sowohl aus dem Titel "Q. WELT" als auch unabhangig davon\naus dem Titel "N.WELT" (ohne daß es jedoch auf den aus dem Titel "N.WELT"\nresultierenden Unterlassungs­anspruch der Klagerin vorliegend ankommt).\n\n81\n\nIst damit die Klage aus §§ 5, 15 MarkenG , § 16 Abs. 1 UWG a.F. (§§ 152, 153\nAbs.1 MarkenG) gerechtfertigt, kann dahinstehen, ob die Klage ebenfalls gem.\n§§ 1,3 UWG Erfolg hat.\n\n82\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die geringfugige Änderung\ndes erstinstanzlichen Unterlassungs­tenors stellt kein teilweises Unterliegen\nder Klagerin in der Berufungsinstanz sondern lediglich eine redaktionelle\nBerichtigung dar.\n\n83\n\nDie ubrigen Nebenentscheidungen ergehen gem. §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2\nZPO.\n\n
312,839
ovgnrw-1995-11-24-7-b-222595
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
7 B 2225/95
1995-11-24
2019-03-13 13:17:37
2020-12-10 13:15:01
Beschluss
ECLI:DE:OVGNRW:1995:1124.7B2225.95.00
## Tenor\n\nDie Beschwerde wird zuruckgewiesen.\n\nDie Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des\nBeschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des\nBeigeladenen.\n\nDer Streitwert wird auch fur das Beschwerdeverfahren auf 5.000,-- DM\nfestgesetzt.\n\n \n1\n\nG r u n d e :\n\n2\n\nDie zulassige Beschwerde ist nicht begrundet. Das Verwaltungsgericht hat den\nAntrag der Antragsteller auf Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes gegen die\ndem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 8. Februar 1995 zum Aufbau eines\nSatteldaches (Dachgeschoß) auf das vorhandene Gebaude E. weg 5 in C. im\nErgebnis zu Recht abgelehnt.\n\n3\n\nDas Beschwerdevorbringen der Antragsteller gibt zu einer anderen Entscheidung\nkeinen Anlaß. Ein nachbarlicher Abwehranspruch gegen das dem Beigeladenen\ngenehmigte Vorhaben besteht nicht.\n\n4\n\nDas genehmigte Vorhaben verstoßt, weil es die erforderlichen Grenzabstande zum\nGrundstuck der Antragsteller einhalt, nicht gegen nachbarschutzende\nVorschriften der derzeit noch geltenden BauO NW 1984; eines Abstellens auf die\nzum 1. Januar 1996 in Kraft tretende BauO NW 1995 bedarf es deshalb nicht. Der\nBeigeladene ist berechtigt, zum Grundstuck der Antragsteller hin das\nSchmalseitenprivileg nach § 6 Abs. 6 BauO NW 1984 in Anspruch zu nehmen.\n\n5\n\nDie beim Gebaude des Beigeladenen aufgrund der Genehmigung entstandene\nGiebelflache zum Grundstuck der Antragsteller hin ist unter\nabstandsrechtlichen Gesichtspunkten einer eigenstandigen, durch den\nvorhandenen Grenzanbau des (bisherigen) Flachdachgebaudes nicht beeinflußten\nBewertung zu unterziehen. Zwar kann bei einer einheitlich zu betrachtenden\nAußenwand das Schmalseitenprivileg nicht sowohl in Form eines Anbaus als auch\nin Form eines verringerten Grenzabstandes in Anspruch genommen werden. Diese\nfur eine einheitliche Gebaudeabschlußwand, die auch durch Vor- und\nZurucktreten von Wandteilen gegliedert sein kann, zutreffende Aussage\n\n6\n\nvgl. OVG NW, Beschluß vom 20. Dezember 1990 \\- 7 B 3222/90 -, BRS 52 Nr. 100,\n\n7\n\ngilt jedoch nicht fur den Fall, daß \\- wie hier - die in Betracht stehende\nWand nicht die Wand ist, die bereits an der Grenze angebaut ist, wenn es sich\nbei den zu beurteilenden Bauteilen also nicht um eine einzige durch Vor- und\nRucksprunge gegliederte Wand handelt, sondern um zwei selbstandige Wande. Auch\ndie vom Verwaltungsgericht insoweit in Bezug genommene Entscheidung des\nerkennenden Senats\n\n8\n\nBeschluß vom 30. Marz 1993 - 7 B 460/93 -,\n\n9\n\ndie ihrerseits auf weitere Entscheidungen verweist, betrifft nicht die\nKonstellation zweier eigenstandiger Wande, die im vorliegenden Fall gegeben\nist.\n\n10\n\nDie zum Grundstuck der Antragsteller hin ausgerichtete Giebelwand des\nDachaufbaus tritt in der vollen Breite des Hauses (11,61 m) (nach dem\ngenehmigten Lageplan) um 3,31 m deutlich hinter die grenzstandige Außenwand\ndes vorhandenen Flachdachanbaus zuruck. Die Giebelflache tritt damit gegenuber\ndem bereits vorhandenen Flachdachanbau als selbstandiger Gebaudeteil in\nErscheinung. Sie laßt eine gestalterische, funktionale oder konstruktive\nZuordnung zu der Grenzwand des vorhandenen Anbaus nicht erkennen und kann\ndaher nicht als Bestandteil derselben, also als mit dieser einheitliche\nAußenwand gewertet werden.\n\n11\n\nDamit lost sie eine eigene, von dem Vorhandensein des Anbaus unberuhrt\nbleibende Abstandflache aus. Fur die Berechnung der Abstandflache ist dabei\nvon den Eckpunkten der Giebelflache aus das Lot zu fallen und als\nAusgangslinie fur die Erstreckung der Abstandflache in Richtung auf das\nGrundstuck der Antragsteller von der Verbindungslinie der Lotpunkte\nauszugehen. Unter Berucksichtigung der in den Baugenehmigungsunterlagen\nvorhandenen Schnittzeichnung, die unterschiedliche Gelandehohen an der Ost-\nund der Westseite des Gebaudes des Beigeladenen erkennen laßt, so daß insoweit\ndie im Mittel gemessene Wandhohe maßgebend ist (§ 6 Abs. 4 Satz 3 BauO NW\n1984), ergibt sich dabei unter Einbeziehung eines Drittels der Giebelflache (=\n1,62 m) nach § 6 Abs. 4 BauO NW 1984 eine Wandhohe von 5,52 m. Da die\nInanspruchnahme des Schmalseitenprivilegs nach § 6 Abs. 6 BauO NW 1984 eine\n2,208 m tiefe Abstandsflache fur die Giebelflache auslosen wurde, kommt\ndeshalb die Mindestabstandsflache von 3 m (§ 6 Abs. 6 Satz 1, letzter Halbsatz\nBauO NW 1984) zur Anwendung, die hier eingehalten wird.\n\n12\n\nDa nach den vorhandenen Planunterlagen an den Traufseiten des Hauses des\nBeigeladenen das Schmalseitenprivileg noch nicht in Anspruch genommen worden\nist, ist, bezogen auf die in Rede stehende Giebelwand, die Ausnutzung des\nSchmalseitenprivilegs noch moglich.\n\n13\n\nDaß das dem Beigeladenen mit Bescheid vom 8. Februar 1995 genehmigte Vorhaben\nnicht zum Nachteil der Antragsteller gegen das planungsrechtliche Gebot der\nRucksichtnahme verstoßt, hat bereits das Verwaltungsgericht, wenn auch mit\nBlick auf die BauO NW 1995, zutreffend dargelegt. Das genehmigte Vorhaben halt\nim Hinblick auf die zum Grundstuck der Antragsteller gelegene Giebelflache die\nbauordnungsrechtlich gebotenen Abstandsmaße ein. Dies bedeutet, daß das\nVorhaben zugleich unter den Gesichtspunkten, die Regelungsziel der\nAbstandvorschriften sind - Vermeidung von Licht-, Luft- und Sonnenentzug,\nUnterbindung einer erdruckenden Wirkung des Baukorpers sowie Wahrung eines\nausreichenden Sozialabstandes - nicht gegen das nachbarschutzende Gebot der\nRucksichtnahme verstoßt.\n\n14\n\nBVerwG, Urteil vom 23. Mai 1986 - 4 C 34.85 -, BRS 46 Nr. 176; Urteil vom 16.\nSeptember 1993 \\- 4 C 28.91 -, BRS 55 Nr. 110; OVG NW, Beschluß vom 23\\.\nOktober 1995 - 7 B 2296/95 -.\n\n15\n\nAnhaltspunkte dafur, daß sich hier die Verhaltnisse in dem in Frage stehenden\nBereich derart von dem nach § 6 BauO NW 1984 vorausgesetzten Normzustand\nabweichen, daß die Regelungen keine sachgerechte Grundlage fur die Beurteilung\nder planungsrechtlichen Auswirkungen des Vorhabens des Beigeladenen auf das\nGrundstuck der Antragsteller abgeben konnen, sind nicht erkennbar.\n\n16\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, wobei der\nSenat in - wie auch hier - Fallen notwendiger Beiladung die\nErstattungsfahigkeit der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nicht\ndavon abhangig macht, daß dieser einen Antrag gestellt hat.\n\n17\n\nDie Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.\n\n18\n\n
312,876
olgk-1995-10-31-9-u-8995
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
9 U 89/95
1995-10-31
2019-03-13 13:18:36
2020-12-10 13:15:06
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1995:1031.9U89.95.00
## Tenor\n\n \n1\n\n**E n t s c h e i d u n g s g r u n d e**\n\n2\n\n##blob##nbsp;\n\n3\n\n##blob##nbsp;\n\n4\n\n##blob##nbsp;\n\n5\n\nDie Berufung ist zulassig und hat in der Sache uberwiegend Erfolg.\n\n6\n\n##blob##nbsp;\n\n7\n\nDer Klager kann gemaß der §§ 12 Abs. 1 I b, 13 Abs. 2, 3 a AKB fur den Verlust\nseines Pkw VW Golf TD Ersatz in Hohe des Neupreises mit der sich aus § 13 Abs.\n10 AkB ergebenden Begrenzung verlangen. Sein Anspruch belauft sich unter\nBeruck-sichtigung der vorprozessual von der Beklagten be-reits gezahlten DM\n21.553,30 auf DM 5.595,70.\n\n8\n\n##blob##nbsp;\n\n9\n\nDie Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 AKB liegen vor, auch wenn der Klager das\nversicherte Fahrzeug nicht selbst unmittelbar von dem Kfz-Handler, der\nAutohaus R.L. GmbH, erworben hat, sondern dieser gegenuber als Kaufer Herr F.\naufgetreten ist, der als erster Halter am 8. Februar 1995 im Kfz-Brief\neingetragen und auf den der Pkw zunachst zugelassen worden ist. Der Klager ist\ndennoch als Ersterwerber i.S.v. § 13 Abs. 2 AKB anzusehen, weil er das Fahr-\nzeug sofort nach Auslieferung durch den Handler am 5. oder 8. Februar 1995 in\nBesitz genommen, es am 9. Februar 1995 kauflich erworben hat und an diesem Tag\nals zweiter Halter im Kfz-Brief eingetragen worden ist.\n\n10\n\n##blob##nbsp;\n\n11\n\nAusgangspunkt fur die Frage, ob der Versicherungs- nehmer Ersterwerber im\nSinne der Neupreisklausel ist, ist grundsatzlich die formale Eigentumer-\nstellung. Die Auffassung, daß Identitat zwischen Ersterwerber und demjenigen,\nauf den das Fahrzeug erstmals zugelassen wurde, erforderlich sei (so OLG\nKoblenz VersR 1986, 335; Stiefel-Hofmann, Kraft-fahrtversicherung, 14. Aufl.,\n§ 13 AKB Rdzf. 28), findet weder in dem Wortlaut des § 13 Abs. 2 AKB noch in\ndem Sinn der Vorschrift eine Grundlage (vgl. BGH VersR 1980, 159; OLG\nKarlsruhe ZfS 1995, 18; OLG Koln VersR 1992, 90; OLG Hamm R + S 1993, 366,\n367). Die genannte Vorschrift stellt nicht auf die Person des Erstzulassers\nab, sondern - neben der Zweijahresfrist nach Erstzulassung des Fahrzeu-ges -\ndarauf, ob sich das Fahrzeug bei Eintritt des Versicherungsfalles im Eigentum\ndessen befindet, der es als Neufahrzeug unmittelbar vom Kfz-Handler oder Kfz-\nHersteller erworben hat. Allerdings kann nach Sinn und Zweck der Klausel auch\ndie formale Eigentumerstellung nicht in jedem Fall allein maß-gebend sein. Die\nNeupreisklausel soll einerseits den Versicherungsnehmer bei einem Verlust des\nver-sicherten Fahrzeuges oder dessen Totalschaden vor den Nachteilen bewahren,\ndie mit der bei einem Neu-fahrzeug in der ersten Zeit nach der Erstzulassung\nerfahrungsgemaß eintretenden uberproportionalen merkantilen Wertminderung und\neiner dementsprechend geringen, der tatsachlichen Abnutzung nicht ent-\nsprechenden Zeitwertentschadigung verbunden sind. Andererseits soll die\nBeschrankung der erhohten Entschadigung nach der Neupreisklausel auf den\nErsterwerber das subjektive Risiko des Versicherers mindern; der\nVersicherungsnehmer soll nur dann eine Kaskoentschadigung in Hohe des\nNeupreises erhalten, wenn das Fahrzeug von vornherein nur von ihm gefahren\nworden ist. Dieses Risiko wurde erheblich gesteigert, wenn das Fahrzeug von\nmehreren Personen als Halter gefuhrt wurde, und konnte auch gestei-gert\nwerden, wenn durch die Eintragung mehrerer Eigentumer im Kfz-Brief eine\nEntwertung des Fahr-zeuges hinsichtlich seines Wiederbeschaffungswertes\neintreten wurde (vgl. BGH VersR 1980, 159, 160; 1985, 78, 79; OLG Frankfurt\nNJW-RR 1987, 1248; OLG Karlsruhe ZfS 1995, 18; OLG Hamm VersR 1992, 1239).\n\n12\n\n##blob##nbsp;\n\n13\n\nAus beiden Regelungszwecken folgt, daß vorliegend der Zwischenerwerb des Herrn\nF. mit dessen Vorein-tragung im Kfz-Brief unschadlich ist, weil allein der\nVersicherungsnehmer als zweiter Eigentumer von dem uberproportionalen\nWertverlust innerhalb der beiden ersten Jahre in vollem Ausmaß betroffen ist\nund das versicherte Fahrzeug von Anfang an - seit Auslieferung durch den\nHandler - ausschließlich von ihm und nicht dem voreingetragenen Dritten\ngefahren worden ist. Das subjektive Risiko der Beklagten wurde durch die Form\ndes Erwerbs in keiner Weise erhoht. Der vorliegende Fall ist nach\nRechtsauffas-sung des Senates nicht anders zu beurteilen als der unmittelbare\nErwerb vom Handler nach dessen Vorein-tragung, der nach der Rechtsprechung des\nBGH als Ersterwerb bejaht wird, sofern das Fahrzeug nicht fur personliche\nZwecke des Handlers, sondern ledig-lich zu Überfuhrungs-, Probe- und\nRangierfahrten benutzt worden war (vgl. BGH VersR 1980, 159, 160). Es ist\nsicherlich richtig, daß Voreintragungen im Kfz-Brief in der Regel den Wert\neines Gebrauchtwa-gens mindern. Dies kann jedoch dann nicht gelten, wenn - wie\nvorliegend - zwischen Erst- und Zweitzu-lassung lediglich ein Tag liegt und\ndurch Vorlage der entsprechenden Kaufvertrage der Sachverhalt einem Kaufer\nohne weiteres plausibel gemacht und nachgewiesen werden kann.\n\n14\n\n##blob##nbsp;\n\n15\n\nUnbeachtlich ist, daß der Klager an Herrn F. einen geringeren Preis als den\nListenpreis gezahlt hat, denn sein Schaden hat sich in dem Verlust des\nFahrzeuges realisiert. Eine etwaige Umgehung der Rabattbestimmungen des\nFahrzeughandlers ist fur das Versicherungsverhaltnis, das allein Grundlage der\nBeurteilung bleiben muß, ohne Bedeutung (vgl. OLG Karlsruhe ZfS 1995, 18).\n\n16\n\n##blob##nbsp;\n\n17\n\nDie Parteien gehen ubereinstimmend von einem Neupreis des versicherten\nFahrzeuges auch am Scha-denstag von DM 28.689,48 aus. Der Klager hat durch\nVorlage des Kaufvertrages vom 26. August 1994 eine Ersatzbeschaffung\nnachgewiesen, wonach er einen Großabnehmernachlaß von 15 % erhalten und\nlediglich einen Kaufpreis von DM 27.149,00 (DM 31.940,00 x 85 %) entrichtet\nhat. In dieser Hohe steht ihm ge-maß § 13 Abs. 10 AKB die\nNeupreisentschadigung zu, so daß er von der Beklagten unter Verrechnung der\nbereits erhaltenen 21.553,30 DM noch die Zahlung eines Betrages von DM\n5.595,70 verlangen kann.\n\n18\n\n##blob##nbsp;\n\n19\n\nDer zuerkannte Zinsanspruch des Klagers recht- fer-tigt sich aus den §§ 288\nAbs. 1 Satz 1, 286 Abs. 1, 284 Abs. 1 BGB; fur die Inanspruchnahme von Bank-\nkredit zu einem hoheren Zinssatz ist der Klager be-weisfallig geblieben.\n\n20\n\n##blob##nbsp;\n\n21\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO, die\nEntscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus den\n§§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.\n\n22\n\n##blob##nbsp;\n\n23\n\nBerufungsstreitwert und Wert der Beschwer: DM 6.384,70\n\n
312,975
ag-essen-1995-09-08-95-ii-1995
657
Amtsgericht Essen
ag-essen
Essen
Nordrhein-Westfalen
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
95 II 19/95
1995-09-08
2019-03-13 13:21:40
2020-12-10 13:15:21
Beschluss
ECLI:DE:AGE1:1995:0908.95II19.95.00
## Tenor\n\nEs wird festgestellt, dass die Antragstellerin als Betreuerin der Eigentumerin\nDr. C berechtigt ist, an Wohnungseigentumerversammlungen der\nWohnungseigentumergemeinschaft B-Str. xxx - xxx, xxxxx Essen, teilzunehmen\n\nund im Rahmen einer derartigen Eigentumerversammlung im Namen der betreuten\nFrau Dr. C das Stimmrecht auszuuben, sowie im Namen der betreuten Frau Dr. C\nAntrage zu stellen.\n\nDie Gerichtskosten tragen die Beteiligten zu 2) bis 26) aus ihrem\ngemeinschaftlichen Verwaltungsvermogen.\n\nAußergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.\n\n \n1\n\n** _G r u n d e :_**\n\n2\n\nDie Antragstellerin ist durch Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 3. Januar\n1995 - Geschaftsnummer: 75 XVII D 124 - zur Betreuerin von Frau Dr. C, welche\nMitglied der Wohnungseigentumergemeinschaft ist, mit dem Aufgabenkreis\n"Vermogensangelegenheiten einschließlich der Steuerangelegenheiten" bestellt\nworden.\n\n3\n\nAuch die Beteiligten zu 2) bis 26) sind Mitglieder der\nWohnungseigentumergemeinschaft B-Str. xxx - xxx, xxxxx Essen.\n\n4\n\nDie Beteiligte zu 27) ist die Verwalterin dieser Wohnungseigentumsanlage.\n\n5\n\nIn § 15 Abs. 8 der fur die Wohnungseigentumergemeinschaft maßgeblichen\nTeilungserklarung heißt es wie folgt:\n\n6\n\nJeder Wohnungseigentumer kann sich zu einer Versammlung nur entweder durch\nseinen Ehegatten, durch einen der anderen Wohnungseigentumer oder durch den\nVerwalter vertreten lassen und zwar mit schriftlicher Vollmacht, welcher der\nNiederschrift beizufugen ist.\n\n7\n\nDie Mehrheit der Wohnungseigentumer wie auch die Beteiligte zu 27) als\nVerwalterin vertreten in Auslagerung von § 5 Abs. 8 der Teilungserklarung die\nAuffassung, dass die Antragstellerin als Betreuerin der Eigentumerin Frau Dr.\nC nicht berechtigt ist, an Wohnungseigentumerversammlungen der\nWohnungseigentumergemeinschaft B-Str. xxx - xxx, xxxxx Essen, teilzunehmen und\nim Rahmen solcher Eigentumerversammlungen im Namen der betreuten Frau Dr. C\ndas Stimmrecht auszuuben sowie im Namen der betreuten Frau Dr. C Antrage zu\nstellen.\n\n8\n\nDie Antragstellerin will als Betreuerin der Eigentumerin Frau Dr. C an\nEigentumerversammlungen teilnehmen, weil sie eine solche Teilnahme an den\nEigentumerversammlungen fur eine sachgerechte Betreuung in\nVermogensangelegenheiten fur erforderlich halt.\n\n9\n\nDie Antragstellerin beantragt,\n\n10\n\nfestzustellen, dass die Antragstellerin als Betreuerin berechtigt ist, an\nWohnungseigentumerversammlungen der Wohnungseigentumergemeinschaft B-Str. xxx\n- xxx, xxxxx Essen, teilzunehmen und im Rahmen einer derartigen\nEigentumerversammlung im Namen der betreuten Frau Dr. C das Stimmrecht\nauszuuben, sowie im Namen der betreuten Frau Dr. C Antrage zu stellen.\n\n11\n\nDie Beteiligte zu 27) hat als Verwalterin mit Schriftsatz vom 21. August 1995\nbeantragt, diesen Antrag der Antragstellerin zuruckzuweisen.\n\n12\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der\nzwischen den Parteien gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n13\n\nDer Antrag der Antragstellerin ist begrundet.\n\n14\n\nDie Antragstellerin ist als Betreuerin der Wohnungseigentumerin Frau Dr. C\nberechtigt, an Wohnungseigentumerversammlungen der\nWohnungseigentumergemeinschaft B-Str. xxx - xxx, xxxxx Essen, teilzunehmen und\nim Rahmen einer derartigen Eigentumerversammlung im Namen der betreuten Frau\nDr. C das Stimmrecht auszuuben sowie im Namen der betreuten Frau Dr. C Antrage\nzu stellen.\n\n15\n\nEin solches Recht der Antragstellerin ergibt sich aus der dem Betreuer in\nVermogensangelegenheiten eingeraumten gesetzlichen Vertretung gemaß § 1793\nBGB.\n\n16\n\nEine gesetzliche Vertretung in Vermogensangelegenheiten eines unter Betreuung\nstehenden Wohnungseigentumers ist nur dann sachgerecht und mit der vom Gesetz\ngewunschten Wirkung durchzufuhren, wenn dem Betreuer in\nVermogensangelegenheiten das Recht zusteht, an Wohnungseigentumerversammlungen\nteilzunehmen, im Namen des Betreuten im Rahmen dieser Eigentumerversammlungen\ndas Stimmrecht auszuuben und im Namen des Betreuten Antrage stellen zu konnen.\nDie vermogensrechtlichen Belage eines unter Betreuung stehenden\nWohnungseigentumers konnen nur dann adaquat gewahrt werden, wenn der mit der\ngesetzlichen Befugnis ausgestattete und fur die Vermogensbetreuung zustehende\nBetreuer selbst fur den Betreuten die Rechte eines Wohnungseigentumers im\nRahmen einer Eigentumerversammlung wahrnimmt, und nicht etwa eine andere als\nVertreter fungierende Person, welcher die gesetzliche Befugnis zur\nVermogensbetreuung des unter Betreuung stehenden Eigentumers nicht zusteht.\n\n17\n\nEtwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus der Regelung des § 15 Abs.\n8 der fur die Wohnungseigentumergemeinschaft maßgeblichen Teilungserklarung.\n\n18\n\n§ 15 Abs. 8 der Teilungserklarung erfasst nicht den Fall der gesetzlichen\nVertretung eines unter Betreuung stehenden Wohnungseigentumers, sondern will\nnur die Vertretungsmoglichkeit eines in Vermogensangelegenheiten unbeschrankt\ngeschaftsfahigen Wohnungseigentumers im Rahmen einer\nWohnungseigentumerversammlung regeln.\n\n19\n\nDa die Durchfuhrung des vorliegenden Verfahrens der Klarung einer die\nWohnungseigentumergemeinschaft insgesamt betreffenden Angelegenheit diente,\nerscheint es sachgerecht, die Gerichtskosten aus dem gemeinschaftlichen\nVerwaltungsvermogen von samtlichen Wohnungseigentumern tragen zu lassen.\n\n20\n\nEntsprechend dem Grundsatz des § 47 WEG war anzuordnen, dass außergerichtliche\nKosten nicht zu erstatten sind.\n\n
313,006
olgk-1995-08-14-16-w-4295
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
16 W 42/95
1995-08-14
2019-03-13 13:22:29
2020-12-10 13:15:26
Beschluss
ECLI:DE:OLGK:1995:0814.16W42.95.00
1\n\nGrunde :\n\n2\n\nDie Beschwerde des Beklagten zu 2. gegen die vorbezeichnete Entscheidung des\nLandgerichts, ihm fur seine Rechtsverteidigung keine Prozeßkostenhilfe zu\nbewilligen, ist zulassig, sachlich aber nicht gerechtfertigt. Das Landgericht\nhat zutreffend entschieden, daß sich der Beklagte zu 2. nicht darauf berufen\nkann, der Beklagte zu 1. habe das vom Beklagten zu 2. gehaltene Leichtkraftrad\nunbefugt in Gebrauch genommen. Der Beklagte zu 2. muß vielmehr fur den Schaden\nmit einstehen, den der Beklagte zu 1. bei seinem Frontalzusammenstoß mit dem\nPKW des Klagers verursacht hat, § 7 Abs. 3 S. 1 HS 2 StVG.\n\n3\n\nNach dieser Regelung ist der Halter als Gesamtschuldner mit dem unbefugten\nBenutzer zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er die Benutzung des Fahrzeuges\ndurch sein Verschulden ermoglicht hat. Ihm wird in diesem Fall die " Einrede\nder Schwarzfahrt " genommen.\n\n4\n\nDas Verschulden des Halters ist am Maßstab des § 276 BGB zu messen. Danach\nsind an seine Sorgfalt, wie ein Fahrzeug gegen unbefugte Benutzung zu sichern\nist, strenge Anforderungen zu stellen ( vgl. BGH NJW 1971, 459 ). Diesen ist\nder Beklagte zu 2. nicht gerecht geworden. Er hat nicht darlegen konnen, daß\ner alle erforderlichen Sicherungsmaßnahmen getroffen hatte, als er das von ihm\nneu aufgebaute und damit schneller gewordene Mofa einer Gruppe Jugendlicher\ngezeigt hatte und danach kurzfristig unbeaufsichtigt ließ. Seine Hinweise, er\nhabe nicht damit gerechnet, daß sich jemand des Gefahrts bemachtigt, und das\nAbziehen des Zundkabels sei eine ausreichende Sicherung gewesen, sind beide\nunerheblich.\n\n5\n\nAusgangspunkt des Geschehens ist eine besondere Risikosituation. Der Beklagte\nzu 2. hat sein Mofa einer großeren Gruppe von Jugendlichen vorgefuhrt. Schon\ndiese Sachlage zwingt zu der vom Landgericht gezogenen Schlußfolgerung. Wenn\nder Beklagte zu 2. mit Besitzerstolz ein vollstandig verandertes, und damit\nschneller gebautes Mofa prasentiert, muß er damit rechnen, daß bei seinen\nebenfalls jugendlichen Zuschauern der Wunsch provoziert wird, das Fahrzeug\nselbst nutzen zu konnen. Der Beklagte zu 2. hat sein Mofa nicht dieser selbst\nherbeigefuhrten Gefahrenlage entsprechend gesichert.\n\n6\n\nFur die unbefugte Nutzung eines KFZ ist mehrfach entschieden, daß nur\nderjenige Halter sein Fahrzeug ausreichend sichert, der den Zundschlussel\nabzieht, die Turen verschließt und vorhandene Sicherungseinrichtungen betatigt\n( vgl. BGH NJW 1981, 113 ). Zur Sicherung von Kraftradern gilt sinngemaß\nnichts anderes ( vgl. BGH VersR 59, 179 ). Damit hatte der Beklagte zu 2. im\neinzelnen und konkret vortragen mussen, daß und wie er die unbefugte\nInbetriebnahme seines Mofas unmoglich gemacht, daß er sein Gefahrt\nverschlossen und daß er Sicherungseinrichtungen betatigt hat. Nichts davon\nfindet sich im Vorbringen des Beklagten zu 2. . Zu Recht ist das Landgericht\nvielmehr davon ausgegangen, daß der Beklagte zu 2. alleine mit dem von ihm\ngeschilderten Abziehen des Zundkabels eine vollig unzureichende Sicherung\nvorgenommen hat, weil das Mofa durch einen einfachen Handgriff wieder in\nFunktion gebracht werden konnte. Die vom Beklagten zu 2. geschilderte\nSituation kann mit dem Fall verglichen werden, daß jemand sein KFZ mit dem\nZundschlussel im Zundschloß unbeaufsichtigt laßt. Daß dies nach dem bisher\nGesagten mit den Sorgfaltspflichten eines Halters nicht in Einklang gebracht\nwerden kann, braucht nicht mehr besonders begrundet zu werden. Auch der Hohe\nnach sind die Einwendungen des Beklagten zu 2. unbeachtlich. Dazu ist in der\nangefochtenen Entscheidung das Notige gesagt. Dem ist nichts hinzuzufugen.\n\n7\n\nDie Kosten der erfolglosen Beschwerde hat der Beklagte zu 2. zu tragen, § 97\nAbs. 1 ZPO.\n\n8\n\n3\n\n
313,025
olgk-1995-08-01-22-u-1995
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
22 U 19/95
1995-08-01
2019-03-13 13:22:59
2020-12-10 13:15:29
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1995:0801.22U19.95.00
1\n\nT a t b e s t a n d\n\n2\n\nDie Klagerin ist Herausgeberin der E.-Kreditkarte. Die Beklagte betreibt unter\nder Bezeichnung D.-Ledermoden (M.) einen Einzelhandel mit Lederwaren,\nTexitilien und Modeschmuck. Am 23./25.09.1991 schlossen die Parteien die\nEinzelhandel-Servicevereinbarung zu den Teilnahmebedingungen der Klagerin, auf\nderen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 13 ff. d. A.). Im Zeitraum vom\n28.10.1991 bis 19.03.1992 legte die Beklagte Umsatzbelege fur die E.card mit\nder Endnummer .... in einer von der Klagerin mit 89.800,-- DM berechneten\nGesamtumsatzhohe, fur die E.card mit der Endnummer .... in einer\nGesamtumsatzhohe von 16.550,-- DM und fur die E.card mit der Endnummer .... in\neiner Gesamtumsatzhohe von 20.100,-- DM vor. Wegen der einzelnen von der\nBeklagten vorgelegten Leistungsbelege wird auf die Auflistung in der\nKlageschrift und die Anlagen K 2, K 3 und K 4 (Bl. 16 ff. d.A.) Bezug\ngenommen. Die E.card mit den Endnummern .... und .... waren ausgestellt auf\nHerrn E.A., die E.card mit der Endnummer .... auf Herrn M.A.. Die E.card mit\nden Endnummern .... und .... waren von der t.bank ausgegeben worden, die\nE.card mit der Endnummer .... von der Y. Kredi Bank. Die Klagerin hat zunachst\nmit der Klage die Summe der der Beklagten gutgeschriebenen Betrage aus den\nAnlagen K 2, K 3, K 4 in Hohe von 126.450,00 DM abzuglich des einbehaltenen\nDisagios von 4,3 % (5.437,35 DM) und der darauf entfallenden Mehrwertsteuer\n(761,23 DM), also einen Betrag in Hohe von 120.251,42 DM zuruckverlangt.\nNachdem zwischen den Parteien unstreitig geworden war, daß die von der\nBeklagten eingereichten Leistungsbelege Nr. 20 - 33 in einer Netto-Gesamthohe\nvon 38.704,87 DM durch die Klagerin nicht vergutet worden sind, hat die\nKlagerin mit Schriftsatz vom 10.06.1994 die Klage mit weiteren, ihr von der\nBeklagten vorgelegten Belegen betreffend die E.card mit der Endnummer .... im\nGesamtbetrag von 22.500,-- DM, die E.card mit der Endnummer .... im\nGesamtbetrag von 2.500,-- DM und die E.card mit der Endnummer .... im\nGesamtbetrag von 18.200,-- DM begrundet. Auf diese Belege in Hohe von\ninsgesamt 43.200,00 DM vergutete die Klagerin der Beklagten netto 41.082,24\nDM.\n\n3\n\nDie Klagerin hat behauptet, die drei E.cards seien am 08.01.1992 von den\nausstellenden turkischen Banken wegen mißbrauchlichen Einsatzes im\ninternationalen E.card-System gesperrt worden. Der von ihr gegen die\nKarteninhaber E. und M.A. uber E.card International S. A. veranlaßte\nForderungseinzug sei ergebnislos verlaufen. Die von E.card International S. A.\nihr gegenuber vorlaufig vorgenommenen Gutschriften seien aufgrund des\nfehlgeschlagenen Forderungseinzugs bei den kartenausstellenden Banken wieder\nruckbelastet worden. Die Beklagte habe - was zwischen den Parteien unstreitig\nist - in keinem Fall, in dem das vereinbarte Limit von 1.000,-- DM\nuberschritten worden sei, die vereinbarte Zustimmung eingeholt. Bei Beachtung\ndieser Vertragsbestimmung sei die Sperrung der E.card rechtzeitig bemerkt\nworden. Die Beklagte habe im ubrigen unzulassiges Belegsplitting betrieben,\nindem sie einen einheitlichen Großumsatz in eine Vielzahl von Einzelumsatzen\nund Leistungsbelegen aufgespalten habe. Es handele sich im ubrigen bei den\nGeschaften der Beklagten mit den Herren Antakyali um Scheinumsatze, so daß die\nBeklagte auch aus diesem Grunde hinsichtlich samtlicher Umsatze zur\nRuckzahlung verpflichtet sei.\n\n4\n\nDie Klagerin hat beantragt,\n\n5\n\ndie Beklagte zu verurteilen, an sie 120.251,42 DM nebst 10,25 % Zinsen seit\ndem 16.04.1992 zu zahlen; hilfsweise ihr Sicherheistsleistung auch durch\nBurgschaft der Deutschen Bank AG, Frankfurt, zu gestatten.\n\n6\n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n7\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n8\n\nDie Beklagte hat die Sperrung der drei E.cards mit Nichtwissen bestritten,\nebenso den ergebnislosen Forderungseinzug bei den Karteninhabern und die\nRuckbelastungen. Sie hat behauptet, nach Einreichung der Leistungsbelege habe\ndie Klagerin entsprechende Gutschriften bei ihr auf entsprechende telefonische\nRuckfrage bestatigt und erklart, die Angelegenheit sei fur die Beklagte damit\nerledigt.\n\n9\n\nDas Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M., H. und T..\nWegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die\nVernehmungsniederschriften vom 21.09.1994 und 02.11.1994, Bl. 352 ff. und Bl.\n360 ff. d.A., Bezug genommen.\n\n10\n\nDurch Urteil vom 07.12.1994, auf das wegen samtlicher Einzelheiten Bezug\ngenomen wird, hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Klagerin\n102.771,34 DM nebst 10,25 % Zinsen seit dem 16.04.1992 zu zahlen und die Klage\nim ubrigen abgewiesen. Das Landgericht hat die Klage in der zugesprochenen\nHohe gemaß Ziffer 2 der EinzelhandelService-Vereinbarung und aus § 812 BGB fur\nbegrundet gehalten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, daß die\nKreditkarten am 08.01. bzw. 11.02.1992 gesperrt gewesen seien. Aus diesem\nGrunde sei die Klagerin zur Zahlung an die Beklagte nicht verpflichtet\ngewesen. Von der sich aus der Klageschrift ergebenden Netto-Summe der durch\ndie Klagerin vorgenommenen Vergutung in Hohe von 120.251,42 DM hat das\nLandgericht die unstreitig nicht vergutete Summe von 38.704,87 DM (Beleg-Nr.\n20-33) abgesetzt, weiter einen Betrag von 2.472,55 DM, der gleichfalls von der\nKlagerin storniert worden sei. Fur die Belege Nr. 1 - 3, netto 6.650,-- DM ,\nseien Ruckbelastungen nicht feststellbar, ebenso hinsichtlich des Beleges Nr.\n40 uber 2.600,-- DM, was einem Auszahlungsbetrag in Hohe von 2.992,50 DM\nentspreche. Abzuglich dieser Betrage sei die Klage aufgrund des ursprunglichen\nVorbringens nur in Hohe von 69.431,50 DM begrundet. Soweit die Klagerin sich\nauf weitere von ihr vergutete Belege im Gesamtbetrage von 43.200,-- DM brutto\n= einem Auszahlungsbetrag von 41.082,34 DM berufe, sei bezuglich der Belege\nNr. 49 - 64 eine Ruckbelastung nicht feststellbar, die Klage sei daher\ninsoweit in Hohe von weiteren 33.339,84 DM begrundet.\n\n11\n\nGegen dieses ihr am 05.01.1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte am\n27.01.1995 Berufung eingelegt, die sie nach Verlangerung der\nBerufungsbegrundungsfrist bis zum 27.03.1995 mit am 24.03.1995 eingegangenem\nSchriftsatz begrundet hat.\n\n12\n\nDie Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist\nder Auffassung, die Klagerin habe wieder die Ruckbelastungen noch die Sperrung\nder Karten noch ihre Behauptung, sie habe sich um einen Einzug der Forderungen\nin geeigneter Weise bemuht, hinreichend dargelegt und bewiesen. Die von der\nKlagerin vorgelegten Belege seien als von ihr selbst erstellte sogenannte\nEigenbelege zum Beweis ungeeignet. Die Sperrung der Kreditkarten und\ninsbesondere deren Berechtigung sei nicht nachgewiesen. Die Klagerin habe im\nubrigen auf die Geltendmachung ihres Ruckforderungsanspruchs verzichtet. Sie\nhabe auf nachtragliche Anfrage bestatigt, daß bei ihr Gutschriften erfolgt\nseien und die Sache fur die Beklagte damit in dem Sinne erledigt sei, daß sie\nsich hinsichtlich des Ausgleichs keine Sorgen machen musse. Im ubrigen werde\nbestritten, daß die Klagerin keine Genehmigung erteilt hatte, wenn eine\nvorherige Anfrage erfolgt ware. Schließlich stehe der Beklagten ein\nSchadensersatzanspruch gegen die Klagerin in Hohe der Klageforderung zu, da\ndie Klagerin aufgrund der Einreichung des ersten Zusammenfassungsbelegs vom\n19.01.1992 die Sperrung der Karten habe feststellen und die Beklagte\nentsprechend unterrichten mussen. Die Beklagte hatte dann keine weiteren\nGeschafte mit den Karten mehr getatigt.\n\n13\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n14\n\nunter teilweiser Abanderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem\nUmfang abzuweisen\n\n15\n\nund\n\n16\n\nder Beklagten zu gestatten, zulassige oder erforderliche Sicherheiten auch\ndurch Burgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder\noffentlichen Sparkasse leisten zu durfen.\n\n17\n\nDie Klagerin beantragt,\n\n18\n\ndie Berufung zuruckzuweisen;\n\n19\n\nihr zu gestatten, Sicherheit auch durch Burgschaft einer deutschen Großbank,\noffentlichen Sparkasse oder Volksbank zu leisten.\n\n20\n\nDie Klagerin wiederholt und vertieft zunachst ihr erstinstanzliches\nVorbringen. Sie ist der Auffassung, sowohl die Sperrung der Kreditkarten als\nauch die Ruckbelastungen der Klagerin seien hinreichend bewiesen. Die ohne\nvorherige Genehmigungsanfrage bei der Klagerin von der Beklagten eingereichten\nBelege seien sofort in die Datenerfassung gegangen, angesichts zehntausender\neingehender Belege konne zu diesem Zeitpunkt keine Kontrolle der Einzelbelege\ndarauf erfolgen, ob eine Genehmigungsnummer erteilt worden sei oder nicht. In\nder Abteilung Datenerfassung wurden die einzelnen Belege verbucht und uber die\nE.card International S.A. die die Karten ausgebenden Banken mit den Umsatzen\nbelastet. Es handele sich um ein belegloses Datenfernubertragungsverfahren.\nStelle die so belastete Bank nach erfolgter Belastung fest, daß es sich um\neine Umsatz mit einer gesperrten Karte handele, werde sofort eine\nRuckbelastung durch die Bank vorgenommen, wiederum im beleglosen Verfahren.\n\n21\n\nDer Nachweis bei Ruckbelastung geschehe durch sogenannte Chargebacknachweise ,\ndurch Computerausdrucke, die automatisch bei jeder Ruckbelastung als Aufkleber\ngefertigt wurden. Die Einzelwerte der Ausdrucke wurden von der Klagerin\nregelmaßig in zusammenfassende Listen ubertragen, wie Bl. 205 ff. GA\nvorgelegt. Die Klagerin hat im einzelnen erlautert, wie die Chargebacklisten\nzu verstehen seien (Bl. 433 ff. d. A.).\n\n22\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den\nvorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsatze und\neingereichten Unterlagen Bezug genommen.\n\n23\n\nE n t s c h e i d u n g s g r u n d e\n\n24\n\nDie form- und fristgerecht eingelegte und im ubrigen zulassige Berufung der\nBeklagten hat nur in dem erkannten geringen Umfang Erfolg, im ubrigen ist sie\nunbegrundet.\n\n25\n\nErfolgreich ist die Berufung insoweit, als das Landgericht einen\nRuckerstattungsanspruch auch hinsichtlich der Leistungsbelege angenommen hat,\ndie das der Beklagten mit 1.000,00 DM gesetzte Limit nicht uberschreiten,\nnamlich die Belegnummer 37 mit 1.000,00 DM und die Belegnummer 70 mit 800,00\nDM brutto; dies entspricht nach Abzug des Disagios in Hohe von 4,3 % nebst\nMehrwertsteuer einem Auszahlungsbetrag in Hohe von 1.711,77 DM. Begrundet ist\ndie Berufung auch hinsichtlich eines Teils der Zinsen. Hinsichtlich des\nweitergehenden der Klagerin zugesprochenen Betrages entspricht das Urteil der\nSach- und Rechtslage, das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine\nandere Beurteilung.\n\n26\n\nI. Der Klagerin steht gegen die Beklagte ein Ruckzahlungsanspruch aus\nungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Ziffer 2 der\nEinzelhandel-Service-Vereinbarung zu. Die Beklagte ist auf Kosten der Klagerin\num den ausgezahlten Betrag ohne Rechtsgrund bereichert, weil angesichts der\nungenehmigten Limituberschreitung die Klagerin zur Zahlung nicht verpflichtet\nwar.\n\n27\n\n1\\. Der Rahmenvertrag zwischen der Klagerin und der Beklagten ist entsprechend\ndem eindeutigen Wortlaut der EinzelhandelService-Vereinbarung (Ziffer 2) als\nVereinbarung eines Forderungskaufs anzusehen (vgl. hierzu BGH NJW 1990, 2880\nf.). Zum Ankauf und zur Vergutung ist die Klagerin nach Ziffer 2 der\nVereinbarung nicht verpflichtet, wenn das Vertragsunternehmen das ihm gesetzte\nLimit ohne vorherige Einholung einer Genehmigung uberschreitet. Weder diese\nBestimmung noch der Vorbehalt eines Ruckforderungsrechts bei dennoch erfolgter\nVergutung in diesen Fallen ist zu beanstanden. Das Limit der\nVertragsunternehmen und die vertragliche Verpflichtung, daruber hinaus\nGenehmigungen einzuholen, dienen einerseits dem berechtigten Interesse der\nKreditkartenorganisation an der Überprufung der vertragsgemaßen Nutzung der\nKreditkarte und der Verhinderung von Mißbrauch, andererseits ist die Einholung\nder Genehmigung fur das Vertragsunternehmen bei Limituberschreitung zumutbar\n(OLG Frankfurt, NJW-RR 1991, 1465, LG Dusseldorf, NJW 1984, 2475 ff.; Weller,\nDas Kreditkartenverfahren 1986, Seite 160 - 162).\n\n28\n\nAllerdings steht der Klagerin, zahlt sie trotz ungenehmigter\nLimituberschreitung auf einen eingereichten Beleg, ein Ruckforderungsrecht\nnicht allein aus diesem Grunde zu. Vielmehr ist die Kreditkartenorganisation\nverpflichtet, eine Einziehung der Forderung bei der kartenausstellenden Bank\nzu versuchen. Ob sich eine derartige Verpflichtung aus einem in der\nEinreichung und Entgegennahme des ungenehmigten Belegs liegenden Auftrags\nergibt (so OLG Frankfurt NJW-RR 1991, 1465) mag zwar zweifelhaft sein, da sich\nhierfur aus dem Verhalten der Parteien keine Anhaltspunkte ergeben. Sowohl die\nKreditkartenorganisation als auch das Vertragunternehmen verhalten sich in\nderartigen Fallen nicht anders als bei der Einreichung von Belegen innerhalb\ndes Limits oder bei genehmigten Limituberschreitungen. Letztlich kann dies\ndahinstehen. Jedenfalls nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des\nVerbots widerspruchlichen Verhaltens ist die Klagerin verpflichtet, einen\nEinziehungsversuch hinsichtlich der Forderung zu unternehmen. Zum einen\nverfahrt die Klagerin ublicherweise in den Fallen ungenehmigter\nLimituberschreitung so, daß sie den Betrag dem Vertragsunternehmen zunachst\nvergutet und eine Einziehung bei der kartenausstellenden Bank versucht;\nhierdurch begrundet sie das berechtigte Vertrauen des Vertragsunternehmens,\ndaß sie den gutgeschriebenen Betrag nicht bereits und allein aufgrund der\nLimituberschreitung zuruckfordern wird. Zum anderen verursacht die\nKreditkartenorganisation bei dem Vertragsunternehmen durch diese Handhabung\nauch einen erheblichen Zeitverlust bei der Geltendmachung der Forderung gegen\nden Karteninhaber, der es als mit Treu und Glauben nicht vereinbar ansehen\nlaßt, wenn die Klagerin nicht zumindest den Versuch einer Einziehung der\nForderung unternimmt.\n\n29\n\nOb deshalb die Bestimmung der Ziffer 2 der EinzelhandelSerive-Vereinbarung,\nnach der Zahlungen jederzeit zuruckgefordert werden konnen, wegen Verstoßes\ngegen § 9 AGB-Gesetz unwirksam ist, kann dahinstehen, da sich der\nRuckforderungsanspruch bei Wegfall dieser Bestimmung allein aus § 812 BGB\nergibt. Wirksam ist namlich jedenfalls die Bestimmung, daß die Klagerin zum\nAnkauf und zur Zahlung bei pflichtwidrig unterlassener Genehmigungsanfrage\nnicht verpflichtet ist (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1991, 1465, 1466). § 814 BGB\nsteht der Ruckforderung nicht entgegen, da unabhangig von der Wirksamkeit der\nentsprechenden Bestimmung uber das jederzeitige Ruckforderungsrecht in Ziffer\n2 der Vereinbarung die Klagerin hinreichend klargestellt hat, daß sie sich die\nRuckforderung vorbehalten will. Die Beklagte konnte sich jedenfalls nicht\ndarauf verlassen, daß ihr die Zahlung in jedem Fall verbleiben werde.\n\n30\n\n2\\. Daß die Klagerin sich hinreichend bemuht hat, die Forderungen einzuziehen\nund daß ihr dies aufgrund der Sperrung der Kreditkarten durch die\nkartenausstellenden Banken und aufgrund mangelnder Kontendeckung durch die\nKarteninhaber nicht gelungen ist, hat die Klagerin hinreichend dargelegt und\nbewiesen. Die vom Landgericht insoweit vorgenommene Wurdigung der erhobenen\nBeweise beanstandet die Beklagte zu Unrecht.\n\n31\n\nHinsichtlich der Sperrung der Kreditkarte mit den Endziffern .... hat die\nZeugin M. bekundet, sie selbst habe von der Y.-Bank die mundliche Information\nerhalten, daß die Karte am 11. Februar 1992 gesperrt worden sei. Soweit die\nZeugin bekundet hat, diese Bank habe nach einem Grund gesucht, die Belastungen\nvon sich abzuwalzen, bezieht sich dies ersichtlich auf den Zeitpunkt vor\nSperrung der Karte. Auch der von der Zeugin als ,Bittbrief" bezeichnete Brief\nder Klagerin an diese Bank vom 13. April 1992 bezieht sich, wie sich aus dem\nSchreiben selbst ergibt, auf einen Beleg vom 2. Februar 1992, der vor Sperrung\nder Karte lag. Die Zeugin T. hat hierzu bekundet, sie wisse aus einem anderen\nVorgang, daß diese Karte jedenfalls am 15. Februar 1992 gesperrt gewesen sei.\nDies bestatigt die Aussage der Zeugin M. im Ergebnis. Anhaltspunkte dafur, daß\ndie Aussagen der Zeuginnen nicht glaubhaft waren, sind nicht ersichtlich. Aus\nder Auskunft der Y.-Bank vom 25. Marz 1992 (Bl. 203 d.A.) ergibt sich\njedenfalls, daß der Karteninhaber seinen Verpflichtungen gegenuber dieser Bank\nnicht nachgekommen ist, daß er also sein Konto nicht gedeckt hatte. Eine\nSperrung der Karte liegt daher nahe.\n\n32\n\nDie Sperrung der beiden weiteren Kreditkarten, die von der tutunbank\nausgegeben wurden, am 8. Januar 1992 ist gleichfalls bewiesen. Zutreffend\nfuhrt das Landgericht aus, daß diese Bank in ihrer Antwort auf die Anfrage der\nE.cardInternational SA (Bl. 200 d.A.), in der als Einziehungsdatum der 8.\nJanuar 1992 angegeben worden ist, die Einziehung der Kreditkarten bestatigt\nhat (Bl. 201, 202 d.A.), ohne auf das Datum der Sperrung einzugehen. Bereits\ndies spricht hinreichend dafur, daß die Sperrung tatsachlich am 8. Januar 1992\nvorgenommen worden ist. Überdies spricht alles dafur, daß der Mitarbeiter P.\nder Klagerin, der in seiner Anfrage an E.card-International in B. (Bl. 197/198\nd.A.) als Sperrung dieser Karten den 8. Januar 1992 angegeben hat, diese Daten\naufgrund einer entsprechenden Mitteilung eingesetzt hat.\n\n33\n\nFortsetzung: 22 U 19/95A Datensatznummer: 1412\n\n
313,051
olgk-1995-07-14-6-u-23194
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
6 U 231/94
1995-07-14
2019-03-13 13:23:36
2020-12-10 13:15:33
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1995:0714.6U231.94.00
1\n\nT a t b e s t a n d\n\n2\n\nDie Klagerin vertreibt Mobel, und zwar vornehmlich aus dem skandinavischen\nRaum. Ihr Geschaftsfuhrer ist der Mehrheitsgesellschafter der Fa. F. AG mit\nSitz in der Schweiz.\n\n3\n\nDie Beklagte ist eine danische Mobelherstellerin.\n\n4\n\nIn der Vergangenheit bestand zwischen den Parteien unter Einschluß der Fa. F.\neine langjahrige Geschaftsverbindung. Die Beklagte stellte in dieser Zeit\nzahlreiche von der Fa. F. entworfene Mobelmodelle in deren Lizenz her, die\nsodann in Deutschland exclusiv durch die Klagerin vertrieben wurden. Im § 4\nAbs.2 des dieser Zusammenarbeit zugrundeliegenden Lizenzvertrages mit der Fa.\nF. hatte sich die Beklagte verpflichtet, uber die erteilte Lizenz hinaus keine\nProdukte herzustellen, die den lizensierten Produkten ahnlich oder mit ihnen\nzu verwechseln sind.\n\n5\n\nAuf Grund der beschriebenen Zusammenarbeit wurde auch ein Vitrinenschrank von\nder Beklagten in Lizenz der Fa. F. produziert und seit dem Jahre 1986 in der\nBundesrepublik Deutschland von der Klagerin unter der Bezeichnung ,HERREGAARD"\nmit der Modellnummer 208 vertrieben. Wegen der Einzelheiten der Ausgestaltung\ndieses Schrankes wird auf die als Anlage 3 zur Klageschrift vorgelegte\nAbbildung Bezug genommen. Zumindest zwischen den Parteien, nach der Behauptung\nder Klagerin auch nach außen, ist dieser Schrank auch als ,GAVNO" bezeichnet\nworden.\n\n6\n\nNachdem es in der beschriebenen Geschaftsverbindung zu Auseinandersetzungen\ngekommen war, kundigte die Fa. F. mit dem als Anlage 4 zur Klageschrift\nvorgelegten Schreiben bezuglich aller noch in Lizenz befindlichen Produkte die\nLizenz. Spater vergab sie die Lizenz bezuglich des Schrankes "HERREGAARD" an\neine andere Herstellerin. Auch der Alleinvertriebsvertrag zwischen den\nParteien ist inzwischen gekundigt worden.\n\n7\n\nIm Rahmen der Auseinandersetzungen ist zwischen den Parteien unter Einschluß\nder Fa. F. und einer Fa. B. Design ApS, auf die noch naher einzugehen ist, am\n28.1.1993 eine als ,Kompromißregelung" bezeichnete Vereinbarung getroffen\nworden, die u.a. die bis zu dem damaligen Zeitpunkt angefallenen\nGerichtskosten und Rechtsanwaltsgebuhren betraf und eine halftige Tragung\ndieser Kosten durch die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits vorsah. Wegen\nder Einzelheiten dieser Vereinbarung wird auf die als Blatt 213 ff bei den\nAkten befindliche Ablichtung Bezug genommen.\n\n8\n\nDie Beklagte vertreibt seit dem Jahre 1993 in Deutschland ebenfalls einen\nVitrinenschrank, und zwar unter der Bezeichnung "GAVNO" mit der Modellnummer\n800208 sowie in zweiteiliger Version als Trapez-Vitrinenaufsatz "GAVNO",\nModellnummer 800218 und Trapez-Kommode "GAVNO", Modellnummer 800219. Wegen der\nEinzelheiten der Ausstattung dieser Mobelstucke wird auf die auf den Seiten\n3,4 und 6 dieses Urteils befindlichen Ablichtungen ihrer bildlichen\nDarstellung verwiesen.\n\n9\n\nIn dem vorliegenden Verfahren nimmt die Klagerin die Beklagte unter dem\nGesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstauschung gemaß § 1 UWG mit der\nBehauptung in Anspruch, diese von der Beklagten vertriebenen Modelle stellten\neine fast identische Nachbildung ihres Vitrinenschrankes "HERREGAARD" dar.\n\n10\n\nNach vergeblicher Abmahnung mit Schreiben vom 27.5.1993 hat sie in dem\nVerfahren 31 O 379/93 LG Koln bezuglich der einteiligen Version "GAVNO" mit\nder Modellnummer 800208 eine am 30.6.1993 im Beschlußwege erlassene, auf das\nVertriebsverbot gerichtete einstweilige Verfugung erwirkt, gegen die die\nBeklagte Widerspruch nicht eingelegt hat. Im Verfahren 31 O 379/93 - SH I LG\nKoln (= 6 W 67/94 OLG Koln) ist die Beklagte spater wegen Verstoßes gegen\ndiese einstweilige Verfugung gemaß § 890 Abs.1 ZPO zu einem Ordnungsgeld von\n10.000 DM verurteilt worden.\n\n11\n\nDie Klagerin hat behauptet, ihr stehe auf Grund einer inzwischen mit der neuen\nProduzentin getroffenen Vereinbarung weiterhin das Alleinvertriebsrecht an dem\nSchrank "HERREGAARD" zu und die angegriffenen Modelle wurden in Deutschland\ndurch die Beklagte vertrieben. Ihre Auffassung eines Verstoßes gegen § 1 UWG\nunter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstauschung hat sie mit\nAusfuhrungen insbesondere zur Verwechslungsfahigkeit der\nstreitgegenstandlichen Modelle begrundet, wegen deren Einzelheiten auf die\nKlageschrift Bezug genommen wird.\n\n12\n\nDie Klagerin, die das Modell ,HEEREGAARD" inzwischen nicht mehr vertreibt, hat\nb e a n t r a g t,\n\n13\n\nI.) die Beklagte zu verurteilen,\n\n14\n\n1.) es bei Vermeidung bestimmter Ordungsmittel zu unterlassen,\n\n15\n\nin der Bundesrepublik Deutschland eine Trapez-Vitrine unter der Bezeichnung\n"GAVNO" Modell-Nr. 800208 und/oder einen Trapez-Vitrinenaufsatz "GAVNO"\nModell-Nr. 800218 mit einer Trapez-Kommode "GAVNO" Modell-Nr.800219 wie\nnachstehend wiedergegeben anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen:\n\n16\n\n(es folgten Ablichtungen wie diejenigen auf Bl.3 und 4 dieses Urteils.)\n\n17\n\n2.) ihr Auskunft daruber zu erteilen, seit wann und in welchem Umfang sie\nHandlungen der in Ziffer I.1.) beschriebenen Art begangen hat, insbesondere\nwelche Werbemaßnahmen sie hierfur betrieben und welche Umsatze sie insoweit\ngetatigt hat, und zwar aufgeschlusselt nach DM-Betragen und Kalendermonaten,\n\n18\n\nII.) festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu\nersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1.) beschriebenen Handlungen bisher\nentstanden ist und/oder noch entstehen wird.\n\n19\n\nDie Beklagte hat b e a n t r a g t,\n\n20\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n21\n\nSie hat bestritten, daß die Klagerin mit der derzeitigen Herstellerin\nAlleinvertriebsrechte vereinbart habe. Im ubrigen hat sie behauptet, nicht\nsie, sondern die Fa. B. Design ApS vertreibe die angegriffenen Mobelstucke in\nDeutschland. Bei dieser Firma handele es sich um ein von ihr unabhangiges\nUnternehmen, das ein eigenstandiges Mobelprogramm vertreibe, und mit dem sie\neinen Kooperationsvertrag geschlossen habe. Auf Grund diese Vertrages befinde\nsich das Lager jener Firma bei ihr und holten auch die Spediteure die Mobel an\ndiesem Lager bei ihr ab. Sie trete auch als Vermittlerin bzw. in Deutschland\nals Handelsvertreterin fur die Fa. B. Design ApS auf. Wegen der Einzelheiten\ndes Beklagtenvortrages hierzu wird auf die Klageerwiderung und den Schriftsatz\nder Beklagten vom 5.4.1994 Bezug genommen.\n\n22\n\nIm ubrigen hat die Beklagte die Voraussetzungen eines sittenwidrigen\nWettbewerbsverstoßes unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren\nHerkunftstauschung in Abrede gestellt.\n\n23\n\nDas L a n d g e r i c h t hat, nachdem die Zeugin S. die Beweisfrage eines\nAlleinvertriebsrechtes der Klagerin schriftlich beantwortet hatte, im\neinvernehmlichen schriftlichen Verfahren die Beklagte antragsgemaß verurteilt.\nDie Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruches aus § 1 UWG unter dem\nGesichtspunkt einer vermeidbaren Herkunftstauschung lagen vor. Dieser Anspruch\nstehe auch aufgrund des durch die Zeugenaussage bewiesenen\nAlleinvertriebsrechtes der Klagerin dieser zu. Daruber hinaus seien auch der\nAuskunfts- und der Schadensersatzfeststellungsanspruch begrundet, weil der\nKlagerin nach der Lebenserfahrung durch den Vertrieb der nachgeahmten\nMobelstucke ein Schaden entstanden sei.\n\n24\n\nMit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten B e r u f u n g greift die Beklagte\nunter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen ihre Behauptung auf,\nwonach nicht sie, sondern nur die Fa. B. Design ApS die angegriffenen\nMobelstucke vertreibe, weswegen auch allenfalls diese in Anspruch genommen\nwerden konne. Im ubrigen tragt sie vor:\n\n25\n\nFur den geltendgemachten Unterlassungsanspruch wegen vermeidbarer\nHerkunftstauschung fehle es bereits an der wettbewerblichen Eigenart des\nklagerischen Modells "HERREGAARD". Bei danischen Mobeln verbinde der Kunde\nnamlich mit dem einzelnen Mobelstuck keinen bestimmten Hersteller, sondern\nausschließlich das Herkunftsland Danemark. Angesichts der Vielzahl identischer\noder nahezu identischer Mobelstucke sei es fur den Verbraucher unmoglich, noch\neinen Überblick uber den Markt zu haben und insbesondere eine Zuordnung zu\neinzelnen Herstellern vorzunehmen. Dies gelte insbesondere fur Vitrinen der\nstreitgegenstandlichen Art, da - wie sich aus dem von ihr als Anlagenkonvolut\nBB 2 und 3 mit Schriftsatz vom 18.4.1995 vorgelegten Prospektmaterial von\nKonkurrenzanbietern ergebe - jeder Hersteller oder Vertreiber danischer Mobel\nidentische oder formgleiche Vitrinen im Programm habe. Insbesondere finde man\nbei allen in Betracht kommenden Vergleichsstucken einen ,schwungvollen oberen\nAbschluß" verbunden mit Sprossenfenstern, einen 45 Winkel der Seitenteile, die\nebenfalls Sprossenfenster aufwiesen, und 1-2 Schubladen im unteren Bereich der\nVitrinen, die uberdies nahzu ausnahmslos auf gedrechselten Fussen stunden.\nAlle Trapezvitrinen, die auf den vorgelegten Prospekten erkennbar seien,\nwurden seit vielen Jahren und auch noch heute in Deutschland vertrieben.\nHinzukomme, daß sich das Modell ,GAVNO" durch eine Vielzahl von\ngestalterischen Einzelheiten, wie sie bereits in erster Instanz aufgezeigt\nworden seien, von dem Modell "HERREGAARD" unterscheide. Daruber hinaus sei das\nModell "HERREGAARD", von dem sie den behaupteten Umsatz von mehreren 100 Stuck\nbestreitet, wie auch der Firmenname der Klagerin im Verkehr nicht bekannt.\nDieser ordne die Vitrine "HERREGAARD" nicht der Klagerin zu.\n\n26\n\nDie Beklagte b e a n t r a g t,\n\n27\n\nunter Abanderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.\n\n28\n\nDie Klagerin b e a n t r a g t,\n\n29\n\ndie Berufung mit der Maßgabe der Neufassung des Urteilstenors zu Ziffer I.1.\nwie oben geschehen zuruckzuweisen.\n\n30\n\nSie vertritt weiter die Auffassung, daß die Beklagte Schuldnerin des\nUnterlassungsanspruches sei. Sie sei namlich - so behauptet die Klagerin unter\nVorlage einer Auftragsbestatigung an eine Schreinerei K. vom 29.10.1993 und\neiner weiteren Auftragsbestatigung vom 4.9.1992 (Anlage BE 2 zum Schriftsatz\nvom 25.4.1995) - trotz des Einsatzes der Fa. B. Design ApS bei dem Vertrieb\nVerkauferin der Mobel. Auch wenn die Beklagte die Fa. B. Design ApS als\nAlleinvertriebshandlerin fur Deutschland eingesetzt haben sollte, stellten die\nProduktion und der mit Hilfe dieser Firma vorgenommene Absatz durch die\nBeklagte selbst einen Eingriff in ihre, der Klagerin, Rechte dar, weswegen der\nUnterlassungsanspruch auch gegen die Beklagte bestehe. Im ubrigen ergebe sich\naus der Tatsache, daß die Beklagte im Rahmen der erwahnten ,Kompromißregelung"\nstets fur die Fa. B. Design ApS aufgetreten sei, die enge geschaftliche\nBeziehung zwischen beiden Firmen.\n\n31\n\nDie Klagerin stutzt schließlich die Auffassung des Landgerichts, wonach der\nUnterlassungsanspruch aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren\nHerkunftstauschung gerechtfertigt ist, und behauptet unter Vortrag zu den\nvorgelegten Konkurrenzangeboten im einzelnen, daß die Vitrine "HERREGAARD"\nwettbewerbliche Eigenart aufweise und daruber hinaus auch Verwechslungsgefahr\nbestehe. Von dem Schrank "HERREGAARD" habe sie seit 1986 bis zur Kundigung der\nZusammenarbeit der Parteien im Jahre 1991 jahrlich 200 Stuck abgesetzt,\nanschließend seien im Jahre 1992 ca. 120 Stuck, 1993 ca. 70 Stuck und 1994 ca.\n50 Stuck veraußert worden. Diese Zahlen reichten fur die notwendige\nVerkehrsbekanntheit aus, weil es sich nicht um Massenware, sondern um\nhochpreisige Mobelstucke von besonderer Qualitat handele. Inzwischen werde das\nModell zwar nicht mehr vertrieben, es sei jedoch beabsichtigt, nach Klarung\nder Konkurrenzsituation durch das vorliegende Verfahren, den Vertrieb wieder\naufzunehmen.\n\n32\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die bis zum\n19.5.1995 gewechselten Schriftsatze Bezug genommen, die ebenso wie die Akten\nder Verfahren 6 U 126/94 OLG Koln (= 31 O 632/93 LG Koln), 6 W 67/94 OLG Koln\n(= 31 O 379/93 SH I LG Koln) und 31 O 379/93 LG Koln, auf die ebenfalls Bezug\ngenommen wird, samtlich Gegenstand der mundlichen Verhandlung waren.\n\n33\n\nE n t s c h e i d u n g s g r u n d e\n\n34\n\nDie Berufung ist zulassig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.\n\n35\n\nAuch unter Berucksichtigung des Berufungsvorbringens der Beklagten besteht der\nUnterlassungsanspruch aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren\nHerkunftstauschung. Dieser Anspruch steht der Klagerin zu und richtet sich\ngegen die im vorliegenden Verfahren in Anspruch genommene Beklagte. Vor diesem\nHintergrund sind auch der Auskunftsanspruch und der\nSchadensersatzfeststellungsantrag begrundet.\n\n36\n\nA\n\n37\n\nUnter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstauschung handelt\nwettbewerbswidrig, wer ein Erzeugnis in den Verkehr bringt, das wettbewerblich\neigenartige Merkmale eines fremden Produktes aufweist, mit denen der Verkehr\nHerkunftsvorstellungen verbindet, wenn er die zur Vermeidung einer\nHerkunftstauschung notigen und zumutbaren Maßnahmen nicht getroffen hat. Das\ngilt insbesondere dann, wenn das beanstandete Produkt eine Nachahmung des\nfremden Produktes darstellt (vgl. Baumbach/He- fermehl, Wettbewerbsrecht,\n17.Aufl., § 1 UWG, RZ 450 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen vor. Soweit es\nsich bei dem Produkt in Details nicht um eine identische Nachahmung des\nSchrankes "HERREGAARD" der Klagerin handelt, andert dies an der\nWettbewerbswidrigkeit nichts, weil es auch ohne eine identische Nachahmung zu\nmißbilligen sein kann - und im vorliegenden Fall zu mißbilligen ist -, wenn\nder Wettbewerber mit seinem Erzeugnis zu Lasten des Konkurrenten eine -\nvermeidbare \\- betriebliche Verwechslungsgefahr herbeifuhrt (BGH GRUR 69, 292,\n294 - Buntstreifensatin II).\n\n38\n\nI\n\n39\n\nDer Schrank "HERREGAARD" weist zunachst die erforderliche wettbewerbliche\nEigenart auf. Er unterscheidet sich namlich, was hierfur ausreicht (BGH GRUR\n86,673,675 - Beschlagprogramm), von anderen Schranken durch bestimmte\nEigentumlichkeiten, die geeignet sind, im Verkehr als kennzeichnend fur die\nbetriebliche Herkunft des Produktes zu wirken. Zu diesen Eigentumlichkeiten\ngehoren die naturbelassene helle (Holz-)Farbe des Schrankes, sein zweiteiliger\nAufbau in einen großeren oberen Teil, der verglast ist und sowohl an den\nTuren, als auch an den Seitenwanden Sprossenfenster mit jeweils 5\nverhaltnismaßig kleinen Fensterflachen ubereinander enthalt, und einen\nkleineren unteren Teil, der in der Frontseite zwei Ebenen von Schubladen\naufweist. Ebenso ist von wettbewerblicher Eigenart der in Form einer Welle\ngeschwungene Kranz, durch den die Frontseite des Schrankes in der Mitte erhoht\nist, und die Tatsache, daß die beiden Seitenteile zu der Frontseite nicht im\nublichen Winkel von 90 , sondern im Winkel von 135 stehen. Durch die zuletzt\nerwahnte Eigenart erhalt der Schrank eine Grundflache, die nicht die ubliche\nrechteckige Form, sondern ein Trapez darstellt.\n\n40\n\nEntgegen der Auffassung der Beklagten kommt es fur das Vorliegen der\nwettbewerblichen Eigenart nicht darauf an, daß der Verkehr den Schrank gerade\nder Klagerin zuordnet. Ausreichend ist vielmehr, daß der Verkehr angesichts\ndes Schrankes die Vorstellung entwickelt, daß dieser von einem bestimmten\nHersteller stammt und nicht etwa so oder ganz ahnlich von verschiedenen\nHerstellern gebaut und von verschiedenen Handlern vertrieben wird\n(Baumbach/Hefermehl, a.a.O.,RZ 451 ff). Diese Voraussetzung ist indes auf\nGrund zumindest der vorstehend aufgefuhrten Einzelheiten, die dem Schrank von\nHause aus eine deutliche wettbewerbliche Eigenart verleihen, gegeben.\n\n41\n\nAuch die Berucksichtigung des Produktumfeldes fuhrt nicht zu einer anderen\nBeurteilung der wettbewerblichen Eigenart des Modells "HERREGAARD". Samtliche\nvon der Beklagten nunmehr im einzelnen angefuhrten Modelle vermogen schon\ndeswegen die wettbewerbliche Eigenart des Klagermodells "HERREGAARD" nicht zu\nschwachen, weil die Beklagte nicht vortragt, daß die jeweiligen Modelle\nbereits vor dem Marktzutritt des angegriffenen Modells "GAVNO" in Deutschland\nim Jahre 1993 in dafur ausreichendem Umfange hier auf dem Markt gewesen seien.\nMaßgeblicher Zeitpunkt fur die Beurteilung der wettbewerblichen Eigenart ist\nindes der Zeitpunkt des Marktzutrittes des beanstandeten Produktes (BGH WRP\n76,370,372 - ,Ovalpuderdose"; GRUR 85,676,678 - ,Tchibo/Rolex"). Wurde man\nnamlich auch Produkte berucksichtigen, die gleichzeitig oder sogar spater als\ndas nach § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstauschung\nbeanstandete Produkt auf dem Markt erschienen sind, dann wurde dem Betroffenen\nletztlich die Moglichkeit zur rechtlichen Gegenwehr genommen werden, weil\njeder der Nachahmer auf die allgemeine Verbreitung der betreffenden\nGestaltungsform durch die anderen Nachahmer verweisen konnte (BGH a.a.O.\nTchibo/Rolex).\n\n42\n\nDie pauschale Behauptung der Beklagten, samtliche Trapezvitrinen, die auf den\nvon ihr vorgelegten Prospekten erkennbar seien, wurden seit vielen Jahren in\nDeutschland vertrieben, besagt mangels irgendwelcher Angaben zu Umsatzzahlen,\nWerbeaufwendungen und Vertriebswegen nicht, daß die Produkte im Jahre 1993 in\nDeutschland schon hinreichend verkehrsbekannt gewesen seien, als daß sie in\nder Lage gewesen sein konnten, die wettbewerbliche Eigenart des Modells\n,HERREGAARD" zu schwachen. Die bloße Vorlage der Prospekte reicht hierfur\nschon deswegen nicht aus, weil es insoweit an der Angabe des\nErscheinungsdatums fehlt. Eines Hinweises des Senats in der mundlichen\nVerhandlung bedurfte es hierzu nicht, nachdem bereits die Klagerin in der\nBerufungserwiderung auf die Notwendigkeit konkreter Angaben uber den\nangeblichen Vertrieb der Konkurrenzmodelle und seines Umfanges hingewiesen\nhatte.\n\n43\n\nSchon aus diesem Grunde ist auch das Modell ,5501 Trapezvitrine med skuffer"\naus dem undatierten Prospekt ,Bonde-serien" der Fa. P. Mobler, auf das die\nBeklagte mit ihrem erganzenden Schriftsatz vom 18.4.1995 in erster Linie\nabstellt, zur Schwachung der wettbewerblichen Eigenart des Klagermodells nicht\ngeeignet. Im ubrigen weist diese Vitrine im Gegensatz zu dem Klagermodell\nunten statt einer durchgehenden zwei nebeneinanderliegende Schubladen sowie\nabweichende Turgriffe auf und hat sie in den Seitenteilen oben nicht gerade,\nsondern geschwungen abschließende Fenster. Daruber hinaus weicht sie in der\nBreite und damit in den gesamten Proportionen von dem Modell ,HERREGAARD"\ndeutlich ab: wahrend jenes eine Breite von 157 cm aufweist, ist das\nKonkurrenzmodell ausweislich der Prospektangaben lediglich 110/115 cm breit.\n\n44\n\nErst recht weisen die von der Beklagten daruber hinaus angefuhrten weiteren\nVitrinenschranke ganz erhebliche Abweichungen von dem Modell "HERREGAARD" auf,\nso daß sie - von der nicht ausreichend dargelegten Marktprasenz abgesehen -\nauch deswegen außer Betracht zu bleiben haben. So hat das Modell ,Anette\nkombiskab", bei dem der vorgelegte Prospekt im ubrigen einen Vertrieb in\nDeutschland nicht ausweist, nur 4 Sprossenfenster ubereinander und eine andere\nAusgestaltung der oberen Fenster, die ebenfalls rechteckig und nicht der\nausschwingenden Form der Turen nachgebildet sind. Soweit ersichtlich stehen\ndie Seiten bei diesem Modell auch im rechten Winkel zu der Frontseite des\nSchrankes. Der auf Bl.169 dargestellte ,Bucherschrank 9619" enthalt zwar 5\nSprossenfenster ubereinander, dafur aber nur eine Ebene mit Schubladen.\nAußerdem sind auch bei diesem Modell die Fenster - 10 -\n\n45\n\nFortsetzung: 6 U 231/94A Datensatznummer: 1390\n\n
313,288
lg-munster-1995-02-15-012-o-382-94
815
Landgericht Münster
lg-munster
Münster
Nordrhein-Westfalen
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
012 O 382/ 94
1995-02-15
2019-03-13 13:30:16
2019-03-27 09:45:57
Urteil
ECLI:DE:LGMS:1995:0215.012O382.94.00
## Tenor\n\nDie Beklagte wird verurteilt, an den Klager\n\n2.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem\n\n5\\. August 1994 zu zahlen.\n\nEs wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet\n\nist, dem Klager 2/3 der kunftigen\n\nmateriellen und immateriellen Schaden aus\n\ndem Unfall vom 11. Mai 1993 zu ersetzen,\n\nsoweit nicht auf Dritte ubergegangen.\n\nIm ubrigen wird die Klage abgewiesen.\n\nVon den Kosten des Rechtsstreits tragt der\n\nKlager 57 % und die Beklagte 43 % mit Ausnahme\n\nder Mehrkosten, die durch die Anrufung\n\ndes unzustandigen Amtsgerichts B. entstanden\n\nsind; diese tragt der Klager allein.\n\nDas Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in\n\nHohe des jeweils zu vollstreckenden Betrages\n\nvorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Sicherheitsleistung darf auch durch unbefristete\n\nund unbedingte Selbstschuldnerische\n\nBurgschaft einer im Gebiet der Bundesrepublik\n\nDeutschland als Zoll- oder Steuerburgin zugelassenen\n\nBank oder Sparkasse erbracht werden.\n\n \n1\n\nT a t b e s t a n d\n\n2\n\nDer Klager macht Schadensersatzanspruche aufgrund eines\n\n3\n\nUnfalls vom 11.5.1993 in B. geltend.\n\n4\n\nAm Unfalltag ging der Klager zusammen mit seinem Schulkameraden\n\n5\n\nK. nach Schulschluß um 13.20 Uhr nach\n\n6\n\nHause. Als der Klager zusammen mit seinem Freund die Ecke\n\n7\n\nT-straße/T1-straße erreichte, ging er nicht weiter\n\n8\n\nauf dem Burgersteig entlang, sondern quer uber den an der\n\n9\n\nEcke T1-straße/T-straße befindlichen Kinderspielplatz.\n\n10\n\nDie Beklagte ist verkehrssicherungspflichtig fur\n\n11\n\ndiesen Spielplatz. Der Spielplatz hat nur zur T1-straße\n\n12\n\neinen Eingang, nicht jedoch zur T-straße. Nachdem der\n\n13\n\nKlager den Spielplatz uberquert hatte, versuchte er, uber\n\n14\n\nden Jagerzaun, der den Spielplatz umschließt, in Richtung\n\n15\n\nT-straße zu klettern. Dabei rutschte er ab und fiel\n\n16\n\nmit dem Unterbauch auf die nicht gesicherten Spitzen des\n\n17\n\nJagerzaunes. Eine der Holzlatten des Jagerzauns drang in den\n\n18\n\nUnterleib des Klagers in einer Tiefe von 7 cm ein.\n\n19\n\nDer Klager wurde sofort in das G.- Hospital in\n\n20\n\nB. eingeliefert und dort 1 1/2 Stunden operiert. Im\n\n21\n\nZeitraum vom 11.5.1993 bis zum 21.5.1993 wurde der Klager\n\n22\n\nstationar, sowie am 24., 28.5.1993 und am 4.6.1993 ambulant\n\n23\n\nbehandelt. Der Klager war in der Zeit vom 22.5. bis\n\n24\n\n28.5.1993 zu 50 % und in der Zeit vom 29.5. bis zum 4.6.1993\n\n25\n\nzu 20 % arbeitsunfahig. Auch konnte er sich nicht altersgerecht\n\n26\n\nund ungehindert bewegen.\n\n27\n\nAls Unfallfolge besteht zur Zeit noch eine Narbenbildung\n\n28\n\nunterhalb der rechten Leistenbeuge.\n\n29\n\nDer Klager halt ein Schmerzensgeld in Hohe von 5.000,-- DM\n\n30\n\nfur die erlittenen Beeintrachtigungen fur angemessen.\n\n31\n\nEr beantragt,\n\n32\n\ndie Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes\n\n33\n\nSchmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Rechtshangigkeit\n\n34\n\n(9.8.1994) zu zahlen;\n\n35\n\nfestzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem\n\n36\n\nKlager samtliche materiellen und immateriellen Schaden\n\n37\n\naus dem Unfall vorn 11.5.1993 zu ersetzen, auch solche,\n\n38\n\ndie erst kunftig entstehen.\n\n39\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n40\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n41\n\nSie meint, weil der Klager den Spielplatz als Abkurzungsweg\n\n42\n\nund nicht zum Spielen benutzt habe, gehore er nicht zu dem\n\n43\n\ngrundsatzlich geschutzten Personenkreis. Der Schaden hatte\n\n44\n\nsich vielmehr auch ereignet, wenn im Unfallbereich zwar der\n\n45\n\nbetreffende Jagerzaun, nicht jedoch der Spielplatz vorhanden\n\n46\n\ngewesen ware.\n\n47\n\nIm ubrigen sei selbst fur den zum Unfallzeitpunkt 10jahrigen\n\n48\n\nKlager ersichtlich gewesen, daß der hier in Rede stehende\n\n49\n\nJagerzaun mit spitzen Enden versehen sei, so daß fur ihn\n\n50\n\neine erhebliche Verletzungsgefahr beim Überklettern existiert\n\n51\n\nhabe.\n\n52\n\nWegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug\n\n53\n\ngenommen auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten\n\n54\n\nSchriftsatze.\n\n55\n\nE n t s c h e i d u n g s g r u n d e\n\n56\n\nDem Klager steht wegen der infolge des Unfalles vom\n\n57\n\n11\\. Mai 1993 erlittenen Schaden ein Anspruch gegen die\n\n58\n\nBeklagte gemaß §§ 823, 839 BGB in Verbindung mit Artikel\n\n59\n\n34 GG zu. Der Klager muß sich jedoch ein Mitverschulden an\n\n60\n\nder Schadensentstehung zurechnen lassen, dass das Gericht mit\n\n61\n\n1/3 bewertet hat.\n\n62\n\nDie Beklagte haftet gemaß § 839 BGB in Verbindung mit\n\n63\n\nArtikel 34 GG, §§ 823, 847 BGB auf Zahlung von Schmerzensgeld,\n\n64\n\nweil sie die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht\n\n65\n\nverletzt hat.\n\n66\n\nDie Beklagte hat als Betreiberin des Kinderspielplatzes die\n\n67\n\nnotwendigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter zu treffen. Bei\n\n68\n\nder Sicherung von Kinderspielplatzen zahlt dazu nicht nur\n\n69\n\nSchaffung und Erhaltung der Sicherheit der aufgestellten\n\n70\n\nSpielgerate, sondern auch die Anbringung und Erhaltung einer\n\n71\n\nkindgerechten Umzaunung. Gerade bei Kindern muß damit\n\n72\n\ngerechnet werden, daß diese nicht nur die Spielgerate\n\n73\n\nbenutzen, sondern ihre Aktivitaten auch auf die Umgebung\n\n74\n\nausdehnen. Insbesondere, und das zeigt letztlich auch das\n\n75\n\nVerhalten der Beklagten an anderen Spielplatzen, ist mit\n\n76\n\neinem Erklettern/Überklettern von Zaunen zu rechnen. Dabei\n\n77\n\nstellt der Jagerzaun mit seinen spitzen Latten eine Gefahrenquelle\n\n78\n\ndar, hinsichtlich derer die Beklagte, wie der\n\n79\n\nvorliegende Unfall zeigt, keine ausreichenden Sicherungen\n\n80\n\ngetroffen hat. Die Verwendung von Jagerzaunen wird damit\n\n81\n\nnicht generell als verkehrswidrig angesehen. Entscheidend\n\n82\n\nist namlich im vorliegenden Fall zu berucksichtigen, daß die\n\n83\n\nBeklagte den Jagerzaun als Umzaunung fur einen Spielplatz\n\n84\n\nverwendet hat, der Kindern gewidmet ist, diese anlocken und\n\n85\n\nzu Aktivitaten veranlassen soll.\n\n86\n\nUnerheblich ist schließlich auch, daß der Klager auf dem\n\n87\n\nSpielplatz nicht gespielt, sondern diesen lediglich uberquert\n\n88\n\nhat. Grundsatzlich besteht keine Verkehrssicherungspflicht gegenuber\n\n89\n\nPersonen; die sich unbefugt in einen Gefahrbereich begeben bzw.\n\n90\n\nEinrichtungen mißbrauchlich benutzen. Es ist jedoch anerkannt\n\n91\n\n(vgl. Palandt-Thornas, 52. Aufl., § 823 Rdnr. 58), daß derartige\nEinschrankungen der\n\n92\n\nVerkehrssicherungspflicht nicht gegenuber Kindern bestehen.\n\n93\n\nGemaß §§ 828 Abs. 2, 254 BGB hat sich der Klager ein\n\n94\n\nMitverschulden an der Schadensentstehung in Hohe von 1/3\n\n95\n\nanrechnen zu lassen. Auch bei einem 10 1/2jahrigen Jungen\n\n96\n\nliegt die erforderliche Einsichtsfahigkeit vor, die Gefahren,\n\n97\n\ndie mit dem Überklettern eines Jagerzaunes verbunden*\n\n98\n\nsind, zu erkennen. Das Gericht hat unter Berucksichtigung\n\n99\n\naller Umstande dieses Mitverschulden mit 1/3 bewertet.\n\n100\n\nDie Beklagte hat dem Klager ein angemessenes Schmerzensgeld\n\n101\n\nzu zahlen, das unter Berucksichtigung der Mithaftungsquote\n\n102\n\ndes Klagers auf 2.000,-- DM zu bemessen ist. Zu Recht hat\n\n103\n\ndie Beklagte darauf hingewiesen, daß die vom Klager erlittenen\n\n104\n\nVerletzungen ein Schmerzensgeld in Hohe von\n\n105\n\n5.000,-- DM nicht rechtfertigen. Unter Berucksichtigung der\n\n106\n\nvom Klager erlittenen Operation, der stationaren Behandlung\n\n107\n\nvon 10 Tagen, der mehrmaligen ambulanten Nachbehandlungen\n\n108\n\ninsbesondere auch der Narbenbildung unterhalb der rechten\n\n109\n\nLeistenbeuge, erscheint dem Gericht ein Schmerzensgeld in\n\n110\n\nHohe von 3.000,-- DM angemessen, das jedoch noch um den\n\n111\n\nMithaftungsanteil des Klagers zu kurzen war.\n\n112\n\nDer Feststellungsantrag ist zulassig. Weitere Verletzungsfolgen,\n\n113\n\ninsbesondere im Zusammenhang mit der Narbenbildung,\n\n114\n\nerscheinen nicht ausgeschlossen. Der Feststellungsantrag ist\n\n115\n\njedoch nur hinsichtlich der Zukunftsschaden sowie unter\n\n116\n\nBerucksichtigung der Mithaftungsquote des Klagers in Hohe\n\n117\n\nvon 1/3 begrundet.\n\n118\n\nDie Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 281 Abs. 3, 709 ZPO.\n\n119\n\nUnterschriften\n\n
313,318
fg-koln-1995-01-26-5-k-535891
791
Finanzgericht Köln
fg-koln
Köln
Nordrhein-Westfalen
Finanzgerichtsbarkeit
5 K 5358/91
1995-01-26
2019-03-13 13:31:15
2019-03-27 09:45:53
Teilurteil
ECLI:DE:FGK:1995:0126.5K5358.91.00
## Tenor\n\nEs wird festgestellt, daß es sich bei den fur die Modernisierung des Gebaudes\nin X in den Jahren 1985 und 1986 aufgewandten Kosten in Hohe von 207.123\n(1985) und 118.743 (1986) um Herstellungskosten und nicht um sofort abziehbare\nWerbungskosten handelt.\n\n \n1\n\n** _T a t b e s t a n d:_**\n\n2\n\nZwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen des Klagers in den\nJahren 1985 und 1986 zu sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkunften\naus Vermietung und Verpachtung oder zu nachtraglichen Herstellungskosten\ngefuhrt haben.\n\n3\n\nDie Mutter des Klagers ubertrug im Jahre 1978 auf diesen im Wege\nvorweggenommener Erbfolge unentgeltlich das Grundstuck ... in X. Dieses\nGrundstuck ist mit einem Mehrfamilienhaus bebaut, das Baujahr ist ca. 1890.\n\n4\n\nUnter anderem in den Streitjahren fuhrte der Klager umfangreiche\nRenovierungsarbeiten an dem Gebaude durch. Die Aufwendungen beliefen sich auf\nDM 207.123,00 (1985) und DM 118.743,00 (1986). Insgesamt tatigte der Klager\nvon 1982 bis 1986 Aufwendungen in Hohe von 519.565,00 DM fur das Gebaude, in\ndem sich 7 Wohnungen befinden.\n\n5\n\nWegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklarungen 1985 und 1986 schatzte der\nBeklagte zunachst die Besteuerungsgrundlagen und erließ am 26. Oktober 1988\nentsprechende Einkommensteuerbescheide. Hiergegen legte der Klager Einspruche\nein. In der Einspruchsentscheidung vom 10. September 1991, auf die wegen der\nEinzelheiten Bezug genommen wird, ermaßigte der Beklagte die\nEinkommensteuerfestsetzungen, da er die Einkunfte aus Vermietung und\nVerpachtung herabsetzte. Die vom Klager geltend gemachten\nInstandhaltungsarbeiten berucksichtigte er dabei jedoch nur im Wege der\nAbsetzungen fur Abnutzung mit 2,5 %.\n\n6\n\nMit der Klage tragt der Klager vor:\n\n7\n\nBei den Maßnahmen habe es sich lediglich um Renovierungsarbeiten von\nvorhandenen Einrichtungen gehandelt, z.B. Stromleitungen, Wasserleitungen,\nAbwasserleitungen, Toiletten, Bader und sonstigen sanitaren Anlagen. Wegen der\nweiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klagers vom 29. November\n1993 Bezug genommen.\n\n8\n\n3\n\n9\n\nDer Klager beantragt,\n\n10\n\nunter Änderung der Einkommensteuerbescheide fur 1985 und 1986 in der Gestalt\nder Einspruchsentscheidung vom 10. September 1991 die Einkommensteuer mit der\nMaßgabe neu festzusetzen, daß bei den Einkunften aus Vermietung und\nVerpachtung weitere Werbungskosten in Hohe von 207.123,00 DM (1985) und\n118.743,00 DM (1986) berucksichtigt werden.\n\n11\n\nDer Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.\n\n12\n\nDer Berichterstatter hat gemaß Beschluß des Senats vom 13.April 1994 uber den\nUmfang der Umbaumaßnahmen an dem streitbefangenen Gebaude Beweis erhoben.\nWegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokollniederschrift\nvom 24. August 1994 Bezug genommen.\n\n13\n\n** _E n t s c h e i d u n g s g r u n d e:_**\n\n14\n\nDem Senat erscheint es sinnvoll, gemaß § 99 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -\nFGO - zunachst durch Zwischenurteil uber die Frage zu entscheiden, ob es sich\nbei den geltend gemachten Aufwendungen um sofort abziehbare Werbungskosten\noder um nachtragliche Herstellungskosten handelt. Da der Senat die\nAufwendungen als Herstellungskosten ansieht, muß namlich noch daruber\nentschieden werden, in welchem Umfang es sich um gem. § 82a der\nEinkommensteuerdurchfuhrungsverordnung begunstigte Herstellungsaufwendungen\nhandelt. Dieser Entscheidung bedurfte es nicht, wenn aufgrund einer\nrechtskraftigen Entscheidung von so-fort abziehbaren Werbungskosten auszugehen\nsein sollte.\n\n15\n\nZu den Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts gehoren alle Aufwendungen, die\ndurch den Verbrauch von Gutern und die Inanspruchnahe von Diensten fur die\nHerstellung eines Wirtschaftsguts, seine Erweiterung oder fur eine uber seinen\nursprunglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen\n\n16\n\n\\- 4 -\n\n17\n\n(vgl. die gesetzliche Definition in § 255 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs - HGB\n-, die auch fur den Bereich des Privatvermogens gilt, BFH Beschluß vom 4. Juli\n1990 GRS 1/88, Bundessteuerblatt - BStBl - 1990 II, 830) . Demgegenuber werden\nzum Erhaltungsaufwand solche Aufwendungen gerechnet, die die Wesensart des\nGebaudes nicht verandern, das Grundstuck in ordnungsmaßigem Zustand erhalten\nsollen und regelmaßig ungefahr in gleicher Hohe wiederkehren (vgl.\nSchmidt/Drenseck, EStG, 13. Auflage 1994, § 21 Anm. 14c). Werden langere Zeit\nnach Erwerb an dem Gebaude Baumaßnahmen durchgefuhrt, durch die das Gebaude in\nseinem Wesen verandert oder in seinem Nutzungswert oder in der Nutzungsdauer\nuber seinen bisherigen Zustand hinaus erheblich verbessert wird, liegen\nebenfalls Herstellungskosten vor. Unter den vorgenannten Voraussetzungen\nwerden Aufwendungen fur ein Bundel von Einzelmaßnahmen, die fur sich genommen\nteils Herstellungs-, teils Erhaltungsaufwand darstellen, insgesamt als\nHerstellungskosten behandelt, wenn sie in engem raumlichen, zeitlichen und\nsachlichen Zusammenhang zueinander stehen und in ihrer Gesamtheit als\n"einheitliche Baumaßnahme im Wesen einer Generaluberholung und Modernisierung\ndes Hauses im ganzen und von Grund auf anzusehen sind" (BFH Beschluß vom 21.\nJuni 1990 IV B 99/89, Sammlung amtlich nicht veroffentlichter Entscheidungen\ndes BFH - BFH/NV - 1991, 154 und Urteil vom 16. September 1986 IX R 126/84,\nBFH/NV 1987, 149).\n\n18\n\nIm Streitfall kommt der Senat angesichts des Umfangs und der Art der\nBaumaßnahmen und der Hohe der Aufwendungen, wie sie sich aufgrund der\nBeweisaufnahme ergeben, zu dem Ergebnis, daß eine auf Generaluberholung und\nModernisierung gerichtete einheitliche Baumaßnahme vorliegt. Der Zeuge O hat\ndazu im Wesentlichen bekundet:\n\n19\n\nEs habe bereits fruher einmal eine Sanierung durchgefuhrt wer-den sollen, wozu\nes nicht gekommen sei. Zumindest in den Jahren 1984 bis 1987 seien dann\nSanierungsarbeiten durchgefuhrt worden. Die Sanierung des gesamten Gebaudes\nsei nicht auf einmal vorgenommen worden, sondern Wohnung fur Wohnung so\nsaniert, wie die einzelnen Wohnungen frei geworden seien. Der Keller sei\nkomplett neu verputzt und die Elektroinstallation erneuert wor-\n\n20\n\n\\- 5\n\n21\n\nden. Teilweise seien neue Elektroleitungen gelegt worden, wo bisher noch keine\ngewesen seien. Das Treppenhaus sei ebenfalls neu gemacht worden, d. h. es\nseien die Toiletten stillgelegt und in die Wohnungen gezogen worden, soweit\ndas moglich war. Das Dach sei neu eingedeckt worden. Außerdem sei das Gebaude\nneu angestrichen worden und habe komplett neue Fenster erhalten. In den\neinzelnen Wohnungen sei unter anderem eine Heizung eingebaut worden, namlich\neine Gas-Cirko-Heizung. Decken seien abgehangt und die Turen erneuert worden.\nAußerdem seien die Sanitareinrichtungen, wie Elektro, Gas, Wasser und Strom\nerneuert worden. Eine Erneuerung habe dabei nur dann stattgefunden, wenn\nbereits entsprechendes vorhanden gewesen sei. Andernfalls, wenn z. B.\nKohleofen vorhanden gewesen seien, sei erstmalig eine Gas-Cirko-Heizung\neingebaut worden. Nach den Renovierungsarbeiten sei in jeder Wohnung eine\nToilette und eine Dusche bzw. Badewanne vorhanden. Auch seien die Fußboden\nerneuert worden. Vor der Renovierung seien die Wohnung zumindest uberwiegend\nmit maximal 3 Mark pro Quadratmeter vermietet worden. Nach der Renovierung\nhatten sich die Mieten teilweise verzwei- bis verdreifacht. Mit der\nRenovierung sei begonnen worden, da die Wohnungen bei Leerstanden nicht mehr\nvermietbar gewesen seien. Aus der Zeugenaussage ergibt sich, daß nicht nur die\nNutzungsdauer durch die Baumaßnahmen wesentlich verlangert worden ist, da die\nWohnungen ohne die Baumaßnahmen nicht mehr vermietbar gewesen waren, sondern\nauch, daß der Nutzungswert erheblich er-hoht worden ist. Damit ist von einer\nGeneraluberholung des Gebaudes auszugehen, die zu Herstellungskosten fuhrt.\nNicht schadlich ist, daß nicht das gesamte Gebaude auf einmal erneuert wurde,\nsondern jeweils die einzelnen Wohnungen, sobald sie frei waren. Entscheidend\nist, daß die gesamte Sanierung des Gebaudes auf einem einheitlichen Entfluß\ndes Steuerpflichtigen beruhte.\n\n22\n\nWenn der Senat somit auch zur Herstellungskosten kommt, konnte er nicht\ndurchentscheiden, da im gegenwartigen Zeitpunkt nicht entschieden werden kann,\ninwieweit die Herstellungskosten einer erhohten AfA gemaß § 82 a EStDV\nunterliegen.\n\n23\n\n\\- 6\n\n24\n\nDer Senat laßt gemaß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - die\nRevision zu, da die Frage grundsatzliche Bedeutung hat, ob auch dann von\nHerstellungskosten ausgegangen werden kann, wenn nicht samtliche Wohnungen auf\neinmal, sondern nach und nach generaluberholt werden.\n\n25\n\nDie Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung uber den Rechtsstreit\nvorbehalten.\n\n
313,479
olgk-1994-09-30-19-u-3494
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
19 U 34/94
1994-09-30
2019-03-13 13:35:34
2019-03-27 09:45:30
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1994:0930.19U34.94.00
## Tenor\n\n \n1\n\nE n t s c h e i d u n g s g r u n d e\n\n2\n\nDie zulassige Berufung des Klagers hat keinen Erfolg.\n\n3\n\nDer Klager kann den Ersatz der restlichen Mietwagenkosten (528,25 DM) und ein\nuber 3.000,-- DM hinausgehendes Schmerzensgeld nicht beanspruchen. Der Unfall\nvom 9.11.1991 war fur ihn nicht unabwendbar, vielmehr trifft ihn ein - wenn\nauch geringfugiges - Mitverschulden an seinem Zustandekommen.\n\n4\n\nAusgangspunkt ist die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 1 StVO, wonach der Abstand\nzu einem Vorausfahrenden in der Regel so groß sein muß, daß auch dann hinter\nihm gehalten werden kann, wenn plotzlich gebremst wird. Wer auf den\nVorausfahrenden auffahrt, wie hier der Beklagte zu 1), war in der Regel\nunaufmerksam oder zu dicht hinter ihm; hierfur spricht der Anschein (vgl.\nJagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 31. Aufl., § 4 Rn 17 m.z.N.).\nWiderlegt wird er durch den Gegenbeweis, erschuttert durch die vom\nAuffahrenden bewiesene Darlegung eines atypischen Verlaufs (vgl. Jagusch\na.a.O. Rn 18; OLG Koln VersR 1991,1195). Dabei erschuttert starkes Bremsen des\nVordermannes allein den Anscheinsbeweis noch nicht, es sei denn es geschieht\nunter Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO (Jagusch a.a.O.); nach dieser\nVorschrift darf der Vorausfahrende nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen.\n\n5\n\nDiese Grundsatze zur Beweislast hat das Landgericht allerdings verkannt; denn\nes hat ausgefuhrt, es stehe weder fest, daß der Beklagte zu 1) zu schnell\ngefahren noch der Klager sein Auto nicht abgebremst habe. Tatsachlich hatten\ndie Beklagten den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis aber nur dann\nerschuttern konnen, wenn sie _bewiesen_ hatten, daß der Klager nach dem\nÜberholen ohne zwingenden Grund stark abgebremst hat. Ist dagegen offen, ob\nder Klager gebremst hat, so bleibt es beim gegen die Beklagten sprechenden\nAnscheinsbeweis. Denn ein bloßes Reduzieren der Geschwindigkeit durch\nZurucknehmen des Gases, das der Klager eingeraumt hat, ist einem starken\nBremsen auch dann nicht gleichzusetzen, wenn hierzu kein zwingender Grund\nbestanden hatte. Die vom Klager behauptete Reduzierung seiner Geschwindigkeit\nauf 50 km/h im innerortlichen Verkehr ware ihm auch im Hinblick auf § 7 Abs. 2\nStVG nicht anzulasten. Ob der Überholende daruber hinaus bei der\nanschließenden Verringerung seiner Geschwindigkeit darauf achten muß, daß auch\nnachfolgende, ebenfalls uberholende Fahrzeuge sich noch hinter ihm einordnen\nkonnen (verneinend wohl Jagusch a.a.O. Rn. 5), kann dahingestellt bleiben, da\nes dem Beklagten zu 1) unstreitig gelungen ist, sich hinter dem Klager\neinzuordnen. Ware es mithin offen geblieben, ob der Klager ohne zwingenden\nGrund gebremst hat, hafteten die Beklagten bei der nach § 17 Abs. 1 StVG\nvorzunehmenden Abwagung in voller Hohe fur den dem Klager verursachten\nSchaden. So liegt es hier jedoch nicht.\n\n6\n\nDer Senat sieht die Behauptung der Beklagten, der Klager habe ohne zwingenden\nGrund gebremst, als erwiesen an. Der Klager selbst hat in der Klageschrift\nausgefuhrt, er habe sich nach dem Überholen des Traktors mit Anhanger einer\nFußgangerampel genahert, wegen der von hinten kommenden Sonneneinstrahlung\naber nicht zweifelsfrei erkennen konnen, ob die Ampel in Betrieb gewesen sei;\ner habe deshalb seine Geschwindigkeit durch bloßes Wegnehmen des Gases\nreduziert. Seine Ehefrau, die als Beifahrerin im klagerischen Fahrzeug saß,\nhat in ihrer schriftlichen Zeugenanhorung und auch vor dem Landgericht\nbekundet, als man sich der Ampel naherte, sei "aufgrund der starken\nSonneneinstrahlung von hinten auf die Ampel nicht zu erkennen (gewesen), ob\ndiese Rotlicht oder Grun anzeigte". Rechnete der Klager aber sogar damit, daß\ndie Ampel moglicherweise "Rot" anzeigte, so ist es wenig glaubhaft, daß er\nseine Geschwindigkeit nach dem Überholen lediglich durch Zurucknehmen des\nGases reduziert hat. Das gilt umsomehr, als er sich der Ampel nach dem\nÜberholen mit zunachst noch uberhohter Geschwindigkeit (uber 50 km/h) naherte\nund sein mit einem Automatikgetriebe ausgerustetes Fahrzeug die\nGeschwindigkeit beim Zurucknehmen des Gases nicht so stark verringerte, wie\nein mit einem Schaltgetriebe ausgerustetes, wie der Klager stets betont hat.\nNach der Bekundung seiner Ehefrau befand der Traktor mit Anhanger sich etwa 70\nm vor der Ampel, als man uberholte. Bei 70 km/h Überholgeschwindigkeit legte\nder Klager aber ca. 20 m/sec zuruck und benotigte, vorsichtig geschatzt,\nzumindest eine Sekunde, um die Spitze des ebenfalls fahrenden Gespanns zu\nerreichen und sicher noch eine halbe, um sich wieder ganzlich einzuordnen. In\ndieser Zeit hatte der Traktor sich seinerseits bei einer unterstellten\nGeschwindigkeit von 20/km/h knapp 9 m vorwarts, befand sich also noch ca. 60 m\nvor der Ampel. Berucksichtigt man nun weiter, daß der Klager nach dem\nÜberholen einen Abstand zum Traktor eingenommen hatte, der so groß war, daß\nder Beklagte zu 1) noch hinter ihm einscheren konnte, so erschließt sich\nunmittelbar, daß er sich zu diesem Zeitpunkt der Ampel auf eine Entfernung\ngenahert haben muß, die weit unter 50 m lag. Das legt es ebenfalls nahe, daß\ner, weil er auch mit einer Rot zeigenden Ampel rechnete, seine Geschwindigkeit\ndurch Bremsen und nicht durch allmahliches Auslaufenlassen verringert hat, wie\ndies die Ehefrau des Klagers wahrgenommen haben will.\n\n7\n\nHierzu paßt, was der den Unfall aufnehmende Polizeibeamte, der Zeuge D. als\nAussage des Klagers nach dem Unfall in die Verkehrsunfallanzeige aufgenommen\nhat:\n\n8\n\n"Die Sonne schien auf die Ampel. Ich dachte, es ware rot gewesen. Daher hatte\nich gebremst".\n\n9\n\nDer Senat hat deshalb keinen Zweifel, daß der Klager diese Äußerung\ntatsachlich gemacht hat und daß sie dem tatsachlichen Geschensablauf\nentspricht, auch wenn er dies bestreitet. Der hierzu vernommene Zeuge D.\nkonnte sich zwar nicht mehr konkret an des Unfallgeschehen erinnern; er hat\naber bekundet, daß er sich von der Äußerungen der Beteiligten jeweils\nschriftliche Notizen zu machen pflegt, um bei der spater erfolgenden\nmaschinenschriftlichen Abfassung des Berichtes keinen Verwechslungen zu\nunterliegen. Gerade wegen der Übereinstimmung dieser Notiz mit dem\nUnfallgeschehen ist davon auszugehen, daß sie diesem Unfall zuzuordnen und die\nÄußerung auch tatsachlich gefallen ist.\n\n10\n\nDa die Fußgangerampel außer Betrieb war und auch sonst objektiv kein Grund\nbestand, plotzlich zu bremsen, hat der Klager gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO\nverstoßen und hierdurch den Unfall schuldhaft mit verursacht. Zwar uberwiegt\nauch bei unverhofft starkem Bremsen des Vorausfahrenden ohne zwingenden Grund\nin der Regel der Haftungsanteil des Auffahrenden (Jagusch a.a.O. Rn. 17 m.N.);\neine bessere Quote als 30 : 70, wie sie das Landgericht zugunsten des Klagers\nunterstellt hat, kann dem Klager aber im Rahmen der nach § 17 Abs. 1 StVG zu\nerfolgenden Abwagung des Maßes der wechselseitigen Schadensverursachung auf\nkeinen Fall zugebilligt werden.\n\n11\n\nAls Schmerzensgeld, das die Klagerin nach §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB\nbeanspruchen kann, halt der Senat mit dem Landgericht einen Betrag von\n3.000,-- DM fur angemessen.\n\n12\n\nDas Schmerzensgeld soll dem Geschadigten einen angemessenen Ausgleich fur\ndiejenigen Schaden, die nicht vermogensrechtlicher Art sind, gewahren und\nzugleich dem Genugtuungsbedurfnis des Geschadigten Rechnung tragen. In Fallen\neiner bloß fahrlassigen Verletzung tritt allerdings die Genugtuungsfunktion\ndes Schmerzensgeldes hinter die Ausgleichsfunktion zuruck (vgl. Palandt-\nThomas, BGB, 52. Aufl., § 847 Rn 4 m.w.N.).\n\n13\n\nBei der Schatzung des angemessenen Ausgleichs sind die Schwere und Dauer der\nerlittenen Schmerzen, Umfang und Dauer der erlittenen Beeintrachtigung und die\naus dem Unfall herruhrenden gesundheitlichen Zukunftsrisiken zu\nberucksichtigen (vgl. OLG Koln OLGR 1992, 244). Umfang und Dauer der\nVerletzungen sind hier nur gering, unfallbedingte Zukunftsrisiken nicht zu\nerwarten.\n\n14\n\nDer Umfang der vom Klager bei dem Unfall erlittenen Verletzungen ergibt sich\naus den von ihm schon erstinstanzlich beigebrachten arztlichen Befunden.\nHiernach kann unfallbedingt nur von einem HWS-Schleudertrauma Grad I, also der\ngeringsten Stufe, ausgegangen werden. Seine Erwerbsfahigkeit war zu 100 % vom\n11.11.1991-2.1.1992, zu 40 % vom 3.1.92-17.1.92, zu 20 % vom 18.1.92-14.2.92\nund zu 10 % vom 15.2.-28.3.1992. Was der Klager nunmehr an weiteren\nanhaltenden Unfallfolgen behauptet (Bandscheibenvorfall, Überdehnung der\nMuskulatur des linken Armes) findet in diesen Berichten ebensowenig eine\nStutze wie seine Behauptung, nicht nur die bereits zum Untersuchungszeitraum\nangegebenen 17 Monate, sondern nunmehr auch weiter an den Folgen zu leiden.\nSeine diesbezugliche Behauptung ist auch deshalb wenig glaubhaft, weil keine\neinleuchtende Erklarung gebracht wird, warum er den untersuchenden\nNervenfacharzten im Jahr 1993 mitgeteilt hat, seit April 1993 hatten die\nSchmerzen schlagartig aufgehort und die untersuchenden Ärzte auch keine\nweiteren unfallbedingten Beeintrachtigungen haben feststellen konnen. Im\nubrigen ist der Vortrag auch verspatet; alles dies hatte erstinstanzlich\nvorgetragen und unter Beweis gestellt werden konnen.\n\n15\n\nDie Kosten der hiernach erfolglosen Berufung hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO der\nKlager zu tragen. Vorlaufig vollstreckbar ist das Urteil nach §§ 708 Nr. 10,\n713 ZPO.\n\n16\n\nBeschwer fur den Klager: 7.528,25 DM\n\n
313,682
olgk-1994-04-20-27-uf-9493
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
27 UF 94/93
1994-04-20
2019-03-13 13:40:43
2019-03-27 09:45:00
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1994:0420.27UF94.93.00
## Tenor\n\n \n1\n\n**E n t s c h e i d u n g s g r u n d e**\n\n2\n\n3\n\nDie Berufung des Antragsgegners und die selbstan-dige Anschlußberufung der\nAntragstellerin sind zulassig, haben in der Sache aber nur teilweise Erfolg.\n\n4\n\n5\n\nDem Antragsgegner steht gegen die Antragstellerin nach § 1573 Abs. 2 i.V.m.\nAbs. 5 BGB, 1578 BGB ein sog. Aufstockungsunterhalt in Hohe von monatlich\n2.320,- DM bis zu 31.12.1998 zu. Die - fiktiven - Einkunfte aus einer\nangemessenen Erwerbstatigkeit des Antragsgegners reichen zu dessen vollen\nUnter-halt nicht aus, so daß er den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkunften\nund dem vollen Unterhalt verlangen kann.\n\n6\n\n7\n\nDas Maß des Unterhalts bestimmt sich gem. § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den\nehelichen Lebensver-haltnissen der Parteien. Diese wurden in fruheren Jahren\nvon den Einkunften der Antragstellerin aus Erwerbstatigkeit und dem Verzehr\ndes Vermogens des Antragsgegners gepragt, in den letzten Jahren je-doch ganz\nuberwiegend durch die Einkunfte der An-tragstellerin aus Erwerbstatikeit\nbestimmt.\n\n8\n\n9\n\nBei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs des An-tragsgegners ist nicht darauf\nabzustellen, daß die Parteien nach der Behauptung der Antragstellerin schon\nbei Beginn ihrer Ehe getrennte Kassen ver-einbart und nach dieser Vereinbarung\nauch gelebt haben. Fur den Trennungsunterhalt hat der Bundes-gerichtshof\nmehrfach (vgl. FamRZ 1988, 839) einen entsprechenden Anspruch auch dann\nbejaht, wenn die Ehegatten zu keinem Zeitpunkt ihres Zusammenlebens eine\nwirtschaftliche Einheit gebildet, sondern mit getrennten Kassen gewirtschaftet\nhaben und sogar fur den Fall dem Unterhaltsberechtigten einen An-spruch\nzuerkannt, wenn die Ehegatten von Anfang an getrennt gelebt haben.\nEntscheidend ist derjenige Lebensstandard, der nach den ehelichen Lebensver-\nhaltnissen vom Standpunkt eines vernunftigen Be-trachters als angemessen\nerscheint (BGH a.a.O.). Da die ehelichen Lebensverhaltnisse auch fur den\nnachehelichen Unterhalt maßgebend sind, gelten diese Erwagungen auch fur den\nUnterhalt nach Scheidung.\n\n10\n\n11\n\nDer maßgebende Zeitpunkt fur die Feststellung der ehelichen Lebensverhaltnisse\nist grundsatzlich der Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils, denn\nbis dahin besteht die Ehe fort (BGH FamRZ 1989, 1160). Veranderungen nach der\nTrennung sind daher grundsatzlich zu berucksichtigen. Eine Ausnahme ist nur zu\nmachen, wenn sie auf einer unerwarteten Enwicklung beruht (BGH FamRZ 1983,\n352; 1992, 1045). Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor. Die\nAntragstellerin hat sich mit Beginn des Jahres 1989 selbstandig gemacht, die\nParteien haben sich jedoch erst im Oktober 1989 getrennt. Die Antragstellerin\nhat also bereits vor der Tren-nung der Parteien eine selbstandige Tatigkeit\nauf-genommen, sicher auch mit dem Ziel und in der be-rechtigten Erwartung, aus\neiner selbstandigen Ta-tigkeit hohere Einkunfte als monatlich 4.500,00 DM\nnetto zu erzielen.\n\n12\n\n13\n\nEinkommen aus selbstandiger Tatigkeit ist regelma-ßig als\nDurchschnittseinkommen aus dem Gewinn der letzten drei aufeinander folgenden\nKalenderjahre zu ermitteln, um eine sichere Beurteilung der\nEinkommensverhaltnisse zu ermoglichen (BGH FamRZ 1982, 152). Fallen allerdings\nin diesen Zeitraum eine Anlauf- und eine Konsolidierungsphase, ist nur letzte\nmaßgebend (BGH FamRZ 1985, 472). Das bedeutet, daß fur die\nEinkommensermittlung der Antragstellerin nur die in den Jahren 1992 und 1993\nerzielten Gewinne zugrundezulegen sind. Die Antragstellerin hat sich mit\nBeginn des Jahres 1989 selbstandig gemacht. Die Anlaufphase betragt im\nallgemeinen bis zu drei Jahren. Es ist nicht ersichtlich, daß es sich bei der\nAntragstellerin anders verhalten hat. Die Gewinne betrugen namlich ausweislich\ndes Steuerbescheides im Jahre 1989 88.600,00 DM, ausweislich der Einnahme-\nÜberschuß-Rechnungen im Jahre 1990 100.532,39 DM, im Jahre 1991 69.031,38 DM,\nim Jahre 1992 208.883,11 DM und im Jahre 1993 178.468,89 DM. Diese Entwicklung\nlaßt darauf schließen, daß die Anlaufphase erst im Jahre 1991 beendet war.\n\n14\n\n15\n\nVon dem fur die Unterhaltsberechnung maßgebli-chen handelsrechtlichen Gewinne\nim Jahre 1992 von 208.883,11 DM ist die Einkommensteuer, berech-net nach einem\nsteuerlichen Jahresuberschuß von 231.756,87 DM, abzuziehen.\n\n16\n\n17\n\nDas Einkommen der Antragstellerin fur das Jahr 1992 ist wie folgt zu\nermitteln:\n\n18\n\n19\n\nDer steuerliche Jahresubeschuß betrug 231.756,87 DM. Der Gewinn ist um einen\nTeil Betriebsausgaben zu erhohen, denn das steuerlich relevante Einkommen und\ndas unterhaltspflichtige Einkommen sind nicht identisch. Die steuerlichen\nAbsetzungen haben unterhaltsrechtlich außer Be-tracht zu bleiben, soweit sie\nsich nicht mit einer tatsachlichen Verringerung der fur den Lebensbe-darf\nverfugbaren Mittel decken. Der Unterhalts-pflichtige, der sich auf sein zu\nversteuerndes Einkommen bezieht, muß die hierbei abgesetzten Be-trage so\ndarlegen, daß die allein steuerrechtlich beachtlichen von den auch\nunterhaltsrechtlich ab-zugsfahigen Aufwendungen abgegrenzt werden konnen (BGH\nNJW 1985, 909). Die entsprechende Darlegung laßt die Antragstellerin\nvermissen. Das hat zur Folge, daß die Ausgabeposten jedenfalls zum Teil dem\nGewinn hinzuzurechnen sind.\n\n20\n\n21\n\nBei den auffallig hohen Bewirtungskosten von 50.076,17 DM, deren\nberufsbedingte und berufsnot-wendige Veranlassung nicht dargetan ist, veran-\nschlagt der Senat den Eigenanteil und den Anteil, der den unterhaltsrechtlich\nangemessenen Rahmen uberschreitet, auf 50 %, das sind 25.038,00 DM. Denn die\nBewirtungskosten betrugen im Jahre 1991 noch 30.831,86 DM und im Jahre 1990\n31.095,69 DM. Aus welchem Grund sie berufsbedingt und berufsnot-wendig im\nJahre 1992 auf uber 50.000,00 DM gestie-gen sind, ist nicht nachzuvollziehen.\n\n22\n\n23\n\nDen Eigenanteil der Reisekosten schatzt der Senat auf 25 %. Mangels\nentgegenstehender Darlegung ist davon auszugehen, daß die Reisekosten\njedenfalls nicht in vollem Umfang berufsbedingt und notwendig waren. Dem\nGewinn hinzuzurechnen sind folglich rund 8.882,00 DM.\n\n24\n\n25\n\nDa der geleaste Pkw nicht nur betrieblich, sondern auch privat genutzt wird,\nist in den Leasing- und Fahrzeugkosten ein Eigenanteil enthalten, den der\nSenat mangels substantiierter Angaben auf 25 % schatzt, das sind bei\nmonatlichen Leasingraten von rund 2.000,00 DM und sonstigen Fahrzeugkosten von\n8.216,07 DM rund 8.054,00 DM.\n\n26\n\n27\n\nDie Aufwendungen fur betriebliche Geschenke werden mit rund 30.660,00 DM\nangegeben. Ihre unterhalts-rechltiche Beachtlichkeit ist indessen nicht dar-\ngetan. Sie sind daher dem Gewinn hinzuzurechnen.\n\n28\n\n29\n\nDasselbe gilt fur die "ubrigen Posten" von 3.440,57 DM.\n\n30\n\n31\n\nDen Eigenanteil der betrieblichen Aufwendungen fur Telefon, Zeitschrift,\nBeitrage und Gebuhren setzt der Senat mit 10 %, das sind rund 2.038,00 DM, an.\n\n32\n\n33\n\nSoweit es sich nicht um einen Eigenanteil han-delt, sondern die Positionen\nmangels Darlegung der unterhaltsrechtlichen Beachtlichkeit nicht an-zuerkennen\nsind, sind sie dem zu versteuernden Einkommen hinzuzurechnen. Denn da die\nAusgaben der Antragstellerin tatsachlich entstanden sind, er-scheint es nicht\nrichtig, die Ausgaben einerseits unberucksichtigt zu lassen, andererseits aber\nden durch sie erzielten Steuervorteil ebenfalls in die Unterhaltsberechnung\neinzubeziehen. Das zu ver-steuernde Einkommen betragt somit nach Abzug der\nFreibetrage in Anlehnung an den Steuerbescheid fur 1990 224.246,87 DM 50 %\nBewirtungskosten +25.038,00 DM Geschenke +30.660,00 DM ubrige Kosten +\n3.440,57 DM 283.385,44 DM. Nach der Grundtabelle\n\n34\n\n35\n\nbetragt die Steuerschuld 127.327,00 DM.\n\n36\n\n37\n\nDer Solidaritatszuschlag ist vorliegend ohne Be-deutung, da er im hier\nfraglichen Zeitraum der Un-terhaltsschuld nach Scheidung nicht mehr anfallt.\n\n38\n\n39\n\nDa fur die Unterhaltsberechnung nicht der steuer-liche, sondern der\nhandelsrechtliche Gewinn maß-gebend ist, errechnet sich folgender unterhalts-\nrechtlich beachtlicher Gewinn nach Steuern:\n\n40\n\n41\n\n208.883,11 DM Bewirtungskosten +25.038,00 DM Geschenke +30.660,00 DM "ubrige\nKosten" + 3.440,00 DM Eigenanteil der Reisekosten + 8.882,00 DM Eigenanteil\nder Fahrtkosten + 8.054,00 DM Eigenanteil der Kosten fur Telefon,\n\n42\n\n43\n\nZeitschriften und Beitrage + 2.038,00 DM rund 286.995,00 DM Einkommenssteuer\n-127.327,00 DM verbleibendes Einkommen rund 159.668,00 DM\n\n44\n\n45\n\nEinkommensmindernd sind die Vorsorgeaufwendungen zu berucksichtigen, die sich\naus ausweislich des Schreibens der Firma K. vom 25. Januar 1993 (Bl. 19 UE)\nauf rund 37.825,00 DM\n\n46\n\n47\n\nbeliefen.\n\n48\n\n49\n\nAbzugsfahig ist auch die fur den Veranlagungs-zeitraum 1990 gemaß Bescheid vom\n1. Dezember 1992 festgesetzte Einkommenssteuer einschließlich Zin-sen von\n28.810,00 DM.\n\n50\n\n51\n\nDie Tilgung des Privatdarlehens bei der Sparkasse B. in Hohe von 17.000,00 DM\nist nicht zu beruck-sichtigen. Wann, in welcher Hohe und zu welchem Zweck das\nDarlehen aufgenommen worden ist, legt die Antragstellerin substantiiert nicht\ndar. Die Tilgung hat auch deshalb außer Ansatz zu bleiben, weil die\nAntragstellerin per 31. Dezember 1992 eine saldierte Guthabenforderung gegen\ndie D. Bank in Hohe von 134.951,89 DM hatte. Es ist nicht er-sichtlich, daß\ndiese Guthabenforderung zur Tilgung des Privatdarlehens nicht hatte\nherangezogen wer-den konnen.\n\n52\n\n53\n\nDas Einkommen der Antragstellerin ist danach im Jahre 1992 auf 93.033,00 DM zu\nveranschlagen.\n\n54\n\n55\n\nNach der vorlaufigen Gewinn- und Verlustrechnung fur 1993 ergibt sich auf der\nGrundlage dieser Be-rechnung fur 1993 folgendes Einkommen:\n\n56\n\n57\n\nJahresuberschuß rund 178.469,00 DM\n\n58\n\n59\n\n50 % Bewirtungskosten rund + 21.776,00 DM\n\n60\n\n61\n\nGeschenke rund + 13.884,00 DM\n\n62\n\n63\n\nDie sonstigen betrieblichen Aufwendungen und allgemeinen Buroaufwendungen von\ninsgesamt rund 60.372,00 DM sind nicht spezifiziert. Es kann davon ausgegangen\nwerden, daß hierin die Aufwen-dungen fur Rechtsberatung, Porto, Telefon,\nBurobe-darf, Kongresse, Buchfuhrungskosten, Werbekosten und Geldverkehr\nenthalten sind. Diese Aufwendungen beliefen sich im Jahre 1992 auf insgesamt\nrund 43.224,00 DM. Es ist anzunehmen, daß diese Kosten in ahnlicher Hohe im\nJahre 1993 angefallen sind. Jedenfalls hat die Antragstellerin die unterhalts-\nrechtliche Relevanz der hoheren Aufwendungen fur diese Positionen nicht\ndargetan. Um die Differenz von rund + 17.148,00 DM\n\n64\n\n65\n\nist der Gewinn daher zu erhohen. Ins-\n\n66\n\n67\n\ngesamt betrug er 231.277,00 DM.\n\n68\n\n69\n\nDie Einkommensteuer belauft sich bei einem zu ver-steuernden Einkommen von\n223.767,00 DM auf rund 95.730,00 DM.\n\n70\n\n71\n\nDem Einkommen nach Steuern von 231.277,00 DM - 95.730,00 DM 135.547,00 DM ist\nder Eigenanteil von 25 % der\n\n72\n\n73\n\nReisekosten von insgesamt 54.875,75 DM, das sind rund 13.719,00 DM\n\n74\n\n75\n\nvon 25 % der Fahrzeugkosten von ins- gesamt 35.888,51 DM, das sind rund\n8.972,00 DM\n\n76\n\n77\n\nund 10 % der Aufwendungen fur Tele-\n\n78\n\n79\n\nfon, Zeitschrifen und Beitrage wie\n\n80\n\n81\n\nim Jahr 1992 von 2.038,00 DM\n\n82\n\n83\n\nhinzuzusetzen, so daß sich eine Gesamt-\n\n84\n\n85\n\nsumme von 160.276,00 DM\n\n86\n\n87\n\nergibt.\n\n88\n\n89\n\nRechnet man die Vorsorgeaufwendungen wie im Vor-jahr mit 37.825,00 DM ab,\nverbleiben 122.451,00 DM\n\n90\n\n91\n\nDer unterhaltsrechtlich beachtliche Gewinn belief sich in den beiden Jahren\n1992 und 1993 auf ins-gesamt +93.033,00 DM\n\n92\n\n93\n\n215.484,00 DM, das sind monatlich rund 9.000,00 DM.\n\n94\n\n95\n\nNach Abzug des sog. Anreizsiebtels von 1.286,00 DM standen den Parteien\n7.714,00 DM zur Verfugung.\n\n96\n\n97\n\nDem Antragsgegner sind Zinseinkunfte von durch-schnittlich monatlich 125,00 DM\nzuzurechnen. Sein Vortrag im nachgelassenen Schriftsatz vom 17. Fe-bruar 1994,\ndie Zinseinkunfte beliefen sich nun-mehr bereinigt nur noch auf 567,44 DM im\nJahr, kann nach § 296 a ZPO nicht berucksichtigt werden. Es handelt sich um\nneuen Sachvortrag. Dem Antrags-gegner war gem. § 283 ZPO nur gestattet worden,\nsich zum Vortrag der Antragstellerin in deren Schriftsatz vom 3. Februar 1994\nzu erklaren. Der vorstehende Sachvortrag geht daruber hinaus und erfordert die\nAnhorung der Antragstellerin.\n\n98\n\n99\n\nVon hoheren Zinseinkunften als monatlich 125,00 DM ist nicht auszugehen. Im\nSchriftsatz vom 19. Marz 1993 hat der Antragsgegner substantiiert Auskunft\nuber sein Vermogen erteilt. Es ergeben sich keine hinreichend sicheren\nAnhaltspunkte, daß er weitere nicht angegebene Kapitalertragnisse hat. Nach\ndem von beiden Parteien vorgetragenen Lebensstil wahrend ihres Zusammenlebens\nerscheint es glaubhaft, daß der Antragsgegner sein ererbtes Vermogen bis auf\nden angegebenen Rest verbraucht hat. Der Lebensstil war auch nach dem Vortrag\nder Antragstellerin so aufwendig, daß er nach deren Meinung selbst unter\nBerucksichtigung ihrer Beteiligung an den Mietkosten und Pkw-Kosten nicht aus\neinem Vermogen von nur 250.000,00 DM hatte bestritten werden konnen. Daß die\nAntragstellerin uber den Verkaufserlos des ererbten Hauses im Unklaren\ngelassen wurde, ist durch den notariel-len Kaufvertrag, den die\nAntragstellerin mitunter-schrieben hat, widerlegt. Bestand der begrundete\nVerdacht, der Antragsgegner besitze derzeit außer dem angegebenen noch\nweiteres Vermogen, hatte sie den ihr nach § 1580 BGB zustehenden Auskunftsan-\nspruch weiter verfolgen mussen, indem sie sich die Richtigkeit der Angaben an\nEides Statt versichern ließ. Die von der Antragstellerin begehrte Vorlage des\nVermogensverzeichnisses und der Erbschafts-steuererklarung bezuglich des\nNachlasses der Mut-ter des Antragsgegners hilft nicht weiter, da das Vermogen\nwegen des aufwendigen Lebensstils der Parteien keinen verlaßlichen Ruckschluß\ndarauf zulaßt, daß das gegenwartige Vermogen des Antrag-stellers hoher ist als\nvon ihm angegeben wird. Die angebliche Erklarung des Antragsgegners gegenuber\nden Eheleuten G., er verfuge noch uber ein Vermo-gen von 180.000,00 DM, besagt\nnicht, daß dies auch zutrifft, da es fur eine solche - auch unrichti-ge -\nErklarung naheliegende Grunde gibt.\n\n100\n\n101\n\nDer Antragsgegner ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin gem. § 1577\nAbs. 3 BGB nicht gehalten, den Stamm seines Vermogens zu seinem Un-terhalt\neinzusetzen. Das ware unter Berucksichti-gung der beiderseitigen\nwirtschaftlichen Verhalt-nisse unbillig, da die Antragstellerin den ver-\nbleibenden Unterhaltsbedarf des Antragsgegners aus ihren laufenden Einkunften\ndecken kann. Daß der Antragsgegner wahrend des Zusammenlebens nicht nur von\nden Kapitalertragnissen, sondern auch vom Ka-pital selbst gelebt hat, steht\ndem nicht entgegen. Ebensowenig wie sich der Ehegatte nach der Tren-nung an\neinem in der Ehe geubten Konsumverzicht festhalten muß, braucht sich der\nAntragsgegner auf den weiteren Verbrauch seines Vermogensstamms verweisen zu\nlassen, zumal es sich um ein eher be-scheidenes Vermogen handelt.\n\n102\n\n103\n\nVon den beiderseitigen Einkommen von insgesamt 7.839,00 DM steht dem\nAntragsgegner die Halfte, das sind 3.920,00 DM zu, wovon 125,00 DM durch die\nZinsertragnisse gedeckt werden. Es verbleibt eine Bedarfslucke von 3.795,00\nDM.\n\n104\n\n105\n\nDiese ist durch fiktive Erwerbseinkunfte des An-tragsgegners in Hohe von\n1.971,00 DM als gedeckt anzusehen.\n\n106\n\n107\n\nDer Antragsgegner muß sich fiktive Erwerbseinkunf-te in dieser Hohe zurechnen\nlassen. Wegen der Be-grundung nimmt der Senat auf die ausfuhrlichen und im\nwesentlichen zutreffenden Grunde des angefoch-tenen Urteils Bezug. Der Vortrag\ndes Antragsgeg-ners in der Berufung gibt insoweit zu einer Ände-rung der\nEntscheidung zu seinen Gunsten keinen An-laß. Erganzend ist noch folgendes\nauszufuhren:\n\n108\n\n109\n\nDen Einsatzzeitpunkt fur die Ausbildungsobliegen-heit hat das Amtsgericht fur\netwa Oktober/November 1990, das entspricht einem Zeitraum von gut einem Jahr\nab Trennung der Parteien angenommen. Dem stimmt der Senat zu. Der Senat hat\nzwar in Ausnah-mefallen bei einer langjahrigen Ehe der als Nur-hausfrau\ntatigen Ehefrau eine Orientierungsphase von bis zu drei Jahren nach der\nTrennung zugebil-ligt. Hierbei handelte es sich um Falle, in denen die sich in\nschon fortgeschrittenem Alter befind-liche Ehefrau mangels Ausbildung und\nErwerbstatig-keit in der Ehe und infolge langjahriger Kinder-erziehung den\nKontakt zum Erwerbsleben in jeder Beziehung verloren hatte. In einer solchen\nLage befand sich der Antragsgegner bei der Trennung der Parteien nicht. Er war\ndamals 42 Jahre alt, befand sich also in gutem Erwerbsalter. Zwar hatte er\nkeine abgeschlossene Ausbildung. Doch stand er dem Erwerbsleben wesentlich\nnaher als eine wie oben beschriebene Nurhausfrau. Wie er selbst vortragt, hat\ner der Antragstellerin eine Vielzahl von Behordengangen abgenommen und sich\ngleichsam als deren Privatsekretar betatigt. Nach dem Akten-inhalt verfugt er\nuber Kontaktfreudigkeit und hat nach seinem Vortrag verschiedene Kontakte auch\nfur die Antragstellerin angeknupft. Anfang der 80er Jahre war er fur zwei\nJahre journalistisch tatig und erzielte monatliche Honorareinnahmen von\n1.000,00 bis 1.100,00 DM. In den Jahren 1990 und 1991 betatigte er sich erneut\nals Journalist und Übersetzer. Dem Antragsgegner war es daher zuzumu-ten, sich\nnach Ablauf von gut einem Jahr um die Eingliederung in das Erwerbsleben zu\nbemuhen (vgl. zum Zeitpunkt der Erwerbsobliegenheit OLG Hamm FamRZ 1986,\n1108).\n\n110\n\n111\n\nEs mag sein, daß der Antragsgegner ohne abge-schlossene Ausbildung eine\nangemessene Erwerbsta-tigkeit nur unter großen Schwierigkeiten hatten finden\nkonnen. Da dies von vornherein abzusehen war, hatte er sich einer Ausbildung\nunterziehen mussen. Diese Obliegenheit kann den Unterhaltsbe-rechtigen schon\nwahrend der Trennungszeit treffen (BGH NJW 1985, 1695, 1986, 985, 986). So\nverhalt es sich vorliegend aus den vorgenannten Grunden.\n\n112\n\n113\n\nDie vom Antragsgegner vorgetragenen Grunde vermo-gen ihn von der\nAusbildungsobliegenheit nicht zu entlasten. Wenn er auch im Jahre 1990 nicht\nmehr an dem einjahrigen Umschulungskursus des Arbeit-samtes teilnehmen konnte,\nweil der Kursus bereits seit langem begonnen hatte, so war er jedoch nicht\ngehindert, den Kursus im Jahre 1991 zu absolvie-ren. Sein Vortrag, es sei ihm\ntrotz intensivster Bemuhungen im Jahre 1992 nicht gelungen, die Ab-\nschlußprufung zu schaffen, ist unsubstantiiert und ohne Beweisantritt. Er legt\nnoch nicht einmal dar, ob er sich uberhaupt der Abschlußprufung unterzo-gen\nund ob und mit welchem Erfolg oder Mißerfolg er sich wahrend des Kurses\nLeistungskontrollen ge-stellt hat. Gegen seine Konzentrationsunfahigkeit in\nPrufungssituationen spricht die Tatsache, daß er nach seinem Vortrag alle zur\nZulassung zum 1. juristischen Staatsexamen geforderten Scheine erworben hat.\nZumindest bei der Anfertigung der Klausurarbeiten befand er sich dabei in der\neiner Prufung vergleichbaren Situation. Wenn die Pru-fungsangst ihn regelmaßig\nin einen prufungunfahi-gen Zustand versetzt, ist auch nicht verstandlich, daß\ner im Jahre 1993 den Eingangstest bei der Firma S./N. bestanden hat. Es\nleuchtet im ubrigen nicht ein, aus welchem Grund er sich nicht schon im Jahre\n1990 um Aufnahme in diesen Lehrgang bemuht hat. Damals ware er wegen der\nUnterhalts-zahlungen der Antragstellerin und aufgrund seines Vermogens in der\nLage gewesen, die Kosten fur den Lehrgang aufzubringen.\n\n114\n\n115\n\nDer Antragsgegner hat nicht ausreichend dargelegt, daß er infolge Krankheit\ngehindert war, eine Aus-bildung zu absolvieren. Nach dem Attest des Dr. S. vom\n27. August 1993 befand sich der Antragsgegner wegen einer schweren reaktiven\nDepression bis August 1990 in dessen nervenarztlicher Behandlung. Der hier in\nRede stehende Zeitraum beginnt erst ab Oktober/November 1990\\. Fur die Zeit ab\nAugust 1990 bis August 1993 ist eine reaktive Depression nicht belegt.\nUnabhangig hiervon wird weder im At-test vom 27. August 1993 noch in dem vom\n27. Janu-ar 1994 eine Arbeitsunfahigkeit festgestellt. Ei-ner Beweiserhebung\nbedarf es nicht, da eine Minde-rung der emotionalen Belastbarkeit und\nBelastungs-fahigkeit nicht zwangslaufig eine Arbeitsunfahig-keit indiziert.\nUnterstellte man dennoch fur Au-gust 1993 und/oder fur Januar 1994 eine\nvoruberge-hende Arbeitsunfahigkeit, anderte dies nichts. Es kann namlich davon\nausgegangen werden, daß der An-tragsgegner nach einer im Jahre 1991 oder 1992\nab-geschlossenen Ausbildung eine Arbeitsstelle gefun-den und im Krankheitsfall\nLohnfortzahlung erhalten hatte.\n\n116\n\n117\n\nDas vom Antragsgegner erzielbare monatliche Netto-einkommen schatzt der Senat\nim Übereinstimmung mit dem Amtsgericht auf netto 2.150,00 DM. Hinzuzu-rechnen\nist das ublicherweise gezahlte Weihnachts- und/oder Urlaubsgeld von geschatzt\nmonatsanteilig 150,00 DM, so daß von einem durchschnittlichen Nettoeinkommen\nvon 2.300,00 DM auszugehen ist. Nach Abzug des sog. Anreizsiebtels von 329,00\nDM ist das verbleibende Einkommen von 1.971,00 DM im Wege der\nAnrechnungsmethode von dem Restbedarf von 3.795,00 DM abzuziehen, so daß sich\nder verblei-bende Restbedarf auf 1.824,00 DM belauft.\n\n118\n\n119\n\nDer Vorsorgeunterhalt betragt nach der vom Amtsge-richt angewandten\nzutreffenden Berechnungsmethode 496,00 DM.\n\n120\n\n121\n\nDem Bedarf von 3.795,00 DM entspricht bei Anwen-dung der sog. Bremer Tabelle\nein Altersvorsorge-unterhalt von ca. 1.130,00 DM (vgl. Altersvorsor-\ngeunterhalt, entsprechend Bremer Tabelle, FamRZ 1994, 84). Nach Abzug des\nfiktiven Altersvorsor-geunterhaltes von rund (19,2 % von 3.300,00 DM als\nfiktives Bruttoentgelt) 634,00 DM verbleibt ein noch zu deckender\nAltersvorsorgeunterhalt von 496,00 DM.\n\n122\n\n123\n\nDie Einwendungen des Antragstellers gegen den Anspruch auf\nAltersvorsorgeunterhalt greifen nicht durch. Es mag sei, daß der Antragsgegner\nbei Fort-bestehen der Ehe keine Altersversorgungsanwart-schaften erworben\nhatte, weil er keiner Berufsta-tigkeit nachgegangen ware. Darauf kommt es\nindes-sen nicht an. Er hatte an die Altersversorgung, die sich die\nAntragsstellerin aufbaut, teilgenom-men. Daß dieser Anteil geringer ware als\neine von ihm noch aufzubauende Altersversorgung, ist nicht ersichtlich.\n\n124\n\n125\n\nEinen Beitrag zur Krankenversicherung kann der An-tragsgegner aus den Grunden\ndes angefochtenen Ur-teils nicht verlangen.\n\n126\n\n127\n\nDer Gesamtunterhaltsanspruch belauft sich danach auf 2.320,00 DM. Einer\nerneuten Berechnung des Elementarunterhaltes unter Berucksichtigung des\nAltersvorsorgeunterhaltes bedarf es im Hinblick auf das gute Einkommen der\nAntragstellerin nicht.\n\n128\n\n129\n\nDer Unterhalt ist nach §§ 1575 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB zeitlich bis zum\n31. Dezember 1998 zu begrenzen. Die Zuerkennung einer zeitlich unbe-grenzten\nUnterhaltsrente enspricht nicht der Bil-ligkeit. Der Antragsgegner hat keine\nehebedingten Nachteile erlitten, die noch fortwirken. Er hat sein Studium der\nRechtswissenschaft aus freien Stucken aufgegeben, ohne durch die im Laufe der\nEhe ubernommenen Aufgaben gehindert worden zu sein, dieses zu Ende zu bringen.\nDie Unterstut-zungsleistungen, die er nach seinem Vortrag der Antragstellerin\nerbracht hat, konnten nach ihrer Art und ihrem Umfang nur einen\nverhaltnismaßig geringen Teil seiner Arbeitszeit in Anspruch nehmen. Sie mogen\nin der Zeit kurz nach der Über-siedlung der Antragstellerin in die\nBundesrepublik Deutschland fur eine gewisse Zeit den Fortschritt im Studium\nverzogert haben. Sie waren aber kein Grund, das Studium wegen Zeitmangels\naufzugeben. Dagegen spricht schon, daß es dem Antragsteller im Jahr 1974\ngelungen ist, die beiden restlichen sog. großen Scheine im BGB und im\noffentlichen Recht zu erwerben. Gerade der Umstand, daß die Parteien im Jahre\n1974 eine Wochenendehe fuhrten - der Antragsgegner studierte in B., die\nAntrag-stellerin wohnte in A. - versetzte ihn in die Lage, sein Studium\nzielstrebig fortzufuhren. Wenn er das Studium dennoch nicht zum Abschluß\nbrachte, ist dies nicht auf die Übernahme der Aufgaben eines Hausmanns,\nsondern auf andere in der Per-son des Antragsgegners liegende Grunde zuruckzu-\nfuhren. Deshalb sprechen keine Billigkeitsgrunde fur eine dauerhafte\nLebensstandardgarantie. Die Erwagungen, die bei einer langen Ehedauer zu ei-\nnem unbegrenzten Unterhaltsanspruch fuhren konnen, tragen hier nicht. Je\nlanger eine Ehe dauert, um so wahrscheinlicher ist erfahrungsgemaß eine zu-\nnehmende Verflechtung und Abhangigkeit der Lebens-verhaltnisse und ein sich\nverfestigendes Gefuhl wirtschaftlicher Absicherung durch Unterhalt (BGH FamRZ\n1990, 858). Diese Erwagung entbehrt hier der Grundlage, weil die Parteien\nwesentlich auch vom Vermogen des Antragsgegners gelebt haben, das irgendwann\naufgezehrt sein mußte. Von einer wach-senden wirtschaftlichen Abhangigkeit des\nAntrags-gegners von dem Einkommen der Antragstellerin kann hier keine Rede\nsein. Die Ehedauer von 18 Jahren allein steht einer Begrenzung des\nUnterhaltsan-spruchs nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des\nBundesgerichtshofes kommt es vielmehr auf die Umstande des Einzelfalls an,\neine abstrakte Zeit-grenze besteht nicht (BGH FamRZ 1990, 858; NJW RR 1991,\n130, 132). Auch unter Berucksichtigung der Gestaltung von Haushaltsfuhrung und\nErwerbstatig-keit ware ein unbegrenzter Unterhaltsanspruch un-billig, da der\nHaushalt der Parteien aus zwei Per-sonen bestand und sich die Parteien\nzeitweise der Mithilfe von Haushaltskraften bedient haben.\n\n130\n\n131\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf §§ 93 a, 92 ZPO, die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreck-barkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.\n\n132\n\n133\n\nDie Revision ist nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsatzliche Bedeutung\nhat. Die Grundsatze fur eine Begrenzung des Unterhalts nach § 1573 Abs. 5 BGB\nliegen nach der Rechtsprechung des BGH fest. Danach ist die Frage der\nBegrenzung nach den Besonderheiten des Einzelfalles zu entscheiden.\n\n
313,701
ag-essen-1994-04-11-12-c-3394
657
Amtsgericht Essen
ag-essen
Essen
Nordrhein-Westfalen
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
12 C 33/94
1994-04-11
2019-03-13 13:41:12
2019-03-27 09:44:57
Urteil
ECLI:DE:AGE1:1994:0411.12C33.94.00
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar; der Klager darf die Volstreckung durch\nSicher-heitsleistung in Hohe von 450,00 DM abwendent wenn nicht die Beklagte\nzuvor eine solche Sicherheit geleistet hat.\n\nDer Klager darf die Sicherheit auch durch schriftlichet unbedingtet\nunbefristetet un-widerrufliche selbstschuldnerische Burgschaft eines Deutschen\nKreditinstitutes er-bringen.\n\n \n1\n\n** _Tatbestand:_**\n\n2\n\nDer Klager war Versicherungsnehmer der Beklagten fur das Risiko von Schaden an\nseinem PKW ... . Dem Vollkaskoversicherungsvertrag lagen die AKB zugrunde, es\nwar eine Selbstbeteiligung von 650,00 DM vereinbart.\n\n3\n\nDer PKW des Klagers wurde am 27.05.93 bei einem Verkehrsunfall so stark\nbeschadigt, daß wirtschaftlicher Totalschaden an ihm eintrat. Zu diesem\nZeitpunkt war das beschadigte Fahrzeug noch nicht 2 Jahre alt. Der Klager\nbestellte im Juni 1993 ein Neufahrzeug anderen Typs.\n\n4\n\nDer Neupreis des verunfallten Fahrzeuges hatte unter Zugrundelegen der\nversicherten Ausstattung nach Herstellerpreisliste 43.523,00 DM betragen.\n\n5\n\nDie Beklagte bezahlte hierauf 40.042,00 DM, behielt namlich einen\n"ortsublichen Preisnachlaß" von 8 % ein.\n\n6\n\nDer Klager will sich nur 3 % anrechnen lassen und begehrt die Differenz. Die\nBeklagte lehnte das unter dem 28.09.93 (Eingang Klagervertreter 01.10.93)\nunter Hinweis auf das gegebenenfalls durchzufuhrende Schiedsgutachterverfahren\nab.\n\n7\n\nDer Klager halt dafurt eine weitergehende Rabattanrechnung sei nicht zulassigt\nweshalb ein Schiedsgutachterverfahren nicht durchzufuhren seit da es nur um\neine Rechtsfrage gehe. Er behauptet erganzend, nur 3 % sei ublicherweise als\nPreisnachlaß zu erzielen und er nehme Bankkredit zu 12 % Zinsen in Anspruch.\n\n8\n\nDer Klager beantragt,\n\n9\n\ndie Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Klager, 2.175,31 DM nebst 12 % Zinsen\nseit dem 29.09.93 zu zahlen,\n\n10\n\nfur den Unterliegensfall Vollstreckungsschutz und Sicherheit durch Burgschaft\nerbringen zu durfen.\n\n11\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n12\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n13\n\nDie Beklagte mochte zunachst das Schiedsgutachterverfahren aus § 14 AKB\ndurchgefuhrt sehen und behauptet im ubrigen, der von ihr zugrunde gelegte\nPreis sei der, zu dem man tatsachlich das Fahrzeug habe erwerben konnen.\n\n14\n\nWegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten\nSchriftsatze Bezug genommen.\n\n15\n\n** _Entscheidungsgr unde: _**\n\n16\n\nDie auf die §§ 1 ff VVG, 1 ff AKB, 284 ff BGB gestutzte Klage ist zur Zeit\nnicht begrundet.\n\n17\n\nDer Teil der Entschadigung. der außer Streit steht, ist bezahlt. Fur weitere\nAbschlagszahlungen besteht daher kein Raum. Soweit aber der dem Klager\nzustehende, von der Beklagten als Vollkaskoleistung geschuldete Betrag\nstreitig ist, ist die eventuelle Forderung des Klagers derzeit nicht fallig,\n§§ 11 Absatz 1. 64 VVG, 14 AKB.\n\n18\n\n1 .\n\n19\n\nDas Schiedsgutachterverfahren aus § 14 AKB, das die Beklagte zunachst\ndurchgefuhrt sehen mochte, ist in den Versicherungsbedingungen wirksam\nvereinbart. Die Moglichkeit hierzu ergibt sich schon aus der gesetzlichen\nRegelung des § 64 VVG.\n\n20\n\nWird, wie vorliegend es der Fall ist, vom Versicherungsunternehmen diese\nEinrede erhoben, so ist sie zu beachten und fuhrt - wenn sie eingreift - dazu,\ndaß eine eventuell geschuldete Versicherungsleistung zur Zeit nicht begrundet\nist (fur alle: Prolss-Martin-Voit, VVG, 25. Auflage, § 64 Anmerkung 3 A). Die\nVoraussetzungen, unter denen ein Versicherungsunternehmen die Einrede nicht\nmehr erfolgreich geltend machen kann, liegen nicht vor und werden vom Klager\nauch nicht behauptet. Insbesondere hat die Beklagte nicht etwa ihre\nEintrittspflicht generell verweigert oder auf ein Schiedsgutachterverfahren\nverzichtet.\n\n21\n\n2\\.\n\n22\n\nStreitig ist im vorliegenden Verfahren, ob die Differenz im Preis des\nErsatzwagens, uber welche die Parteien uneins sind, eine\nMeinungsverschiedenheit "uber die Hohe des Schadens einschließlich der\nFeststellung des Wiederbe- schaffungswertes" (§ 14 Absatz 1 AKB) sind oder ob\nes um eine Rechtsfrage handelt, wieviel "Rabatt" anzurechnen ist.\n\n23\n\nIm vorliegenden Fall handelt es sich um einen Streit uber "die Hohe des\nSchadens" im Sinne von § 14 Absatz 1 AKB.\n\n24\n\na)\n\n25\n\n§ 14 Absatz 1 AKB verweist wortlich gerade auf die "Feststellung des\nWiederbeschaffungswertes". Gerade um diesen Wiederbeschaffungswert geht es.\nDer Klager begehrt nach Beschadigung seines Fahrzeugs durch einen Unfall (§ 12\nAbsatz 1 11 AKB) die fur diesen Fall in § 13 AKB geregelte Ersatzleistung.\nDiese Ersatzleistung wird von den Ver- sicherungsbedingungen definiert als\n"Wiederbeschaffungswert", namlich den Kaufpreis, um ein gleichwertiges und im\nvorliegenden Fall neues Fahrzeug zu erwerben.\n\n26\n\n§ 13 AKB bringt in Absatz 3 zum Ausdruck, daß der Kaufpreis keineswegs der vom\nHersteller verbindlich empfohlene Preis ist, vielmehr wird dieses als die\n(obere) Leistungsgrenze beschrieben. Daraus erschließt sich auch fur den\nunbefangenen Leser, daß der Neupreis etwas anderes ist als der Richtpreis des\nFahrzeugherstellers.\n\n27\n\nb)\n\n28\n\nDie Parteien streiten nicht daruber, daß die ubrigen Voraussetzungen des\nAnspruchs des Klagers auf den Neupreis eines Ersatzfahrzeugs vorliegen\n(Ersterwerb, Ersatzbeschaffung).\n\n29\n\nc)\n\n30\n\nMaßgebend ist schließlich der Preis, der fur ein solches Fahrzeug hatte\ngezahlt werden mussen, was zerstort worden ist, nicht jedoch der, der fur das\njenige Fahrzeug bezahlt werden mußte, welches konkret als Ersatz beschafft\nworden ist (Stiefel/Hofmann, AKB, 15. Auflage, § 13 Rz 36). Das bringt der\nWortlaut des § 13 Absatz 2 AKB auch deutlich zum Ausdruck.\n\n31\n\nd)\n\n32\n\nGrundsatzlich ist nach alledem die Bestimmung des Neupreises als des\nWiederbeschaffungswertes regelmaßige eine Sachverstandigenfrage (im Ansatz\nfalsch daher LG Munster, NJW-RR 1990, 949 fund LG Munster, NJW-RR 1990, 1367\nf). Es ist schon nach dem Versicherungsbedingungswortlaut, erst recht aber\nnach den Umstanden der Praxis regelmaßig eine zuverlassig nur durch\nSachverstandige zu klarende Frage, welches der Preis eines vergleichbaren (!)\nNeufahrzeugs mit seiner durchaus differenziert zu betrachtenden Ausstattung\nist. Die lange Liste fruherer und derzeit moglicher Ausstattungsdetails in\nBeziehung zu setzen, zu bewerten und zu vergleichen ist ebenso eine\nsachverstandige Aufgabe, wie gegebenenfalls eine Uberprufung der konkreten\nUmstande, die beim Versicherungsnehmer vorliegen, und auf die der\nVersicherungswortlaut abstellt (§ 13 Absatz 1 AKB). Zu recht steht deshalb die\nLiteratur einhellig auf dem Standpunkt, daß auch der Neupreis als\nWiederbeschaffungswert im Sinne von § 13 AKB sachverstandig im Sinne von § 14\nAKB aufzuklaren ist (Stiefel-Hofmann, AKB, 15. Auflage, § 14 Rz 12; Prolss-\nMartin-Knappmann, § 14 AKB Anmerkung 2; Bauer, Die Kraft- fahrtversicherung,\n3. Auflage, Rz 845; AG Karlsruhe, Versicherungsrecht 82, 668). Dementsprechend\nhat auch der BGH (Versicherungsrecht 86, 177, 179) in einem Falle, in dem er\nebenfalls den Anspruch auf Neuwertentschadigung festgeschrieben hat, die Frage\nals durch Tatsachengerichte aufzuklaren bezeichnet, ob ein bestimmter Rabatt\n"damals marktublich gewesen" sei.\n\n33\n\nDies bestatigt zugleich die Auffassung auch des erkennenden Gerichtes, daß\nRabatte dann anzurechnen sind, wenn sie von dem Versicherungsnehmer ohne\nweiteres erzielt werden konnten (OLG Hamm, Versicherungsrecht 89, 951 f). Es\nhandelt sich insoweit namlich entgegen der Auffassung des Klagers nicht um die\nFrage, inwieweit das Rabattgesetz eine weitere Rabattierung verbietet.\nRegelmaßig wird namlich der Preis des konkreten verkaufenden Handlers unter\nAnlehnung an die Preislisten des Herstellers mittels eines Abschlages hierauf,\nder haufig in Prozenten ausgedruckt wird, gebildet. Es handelt daher nicht um\neine Rabattgewahrung im engeren Sinne, sondern um eine als Rabatt auf den\nunverbindlichen Richtpreis des Herstellers bezeichnete Bildung eines konkreten\nPreises des jeweils konkreten Verkaufers. Besteht fur den Kaufer, hier den\nVersicherungsnehmer und Klager, die Moglichkeit, solche "Hauspreise"\nauszuhandeln, so muß er sie wahrnehmen (Prolss- Martin, a.a.O., § 13 Anmerkung\n1 a). Demgegenuber gibt es Falle, in denen es rechtlich streitig sein kann, ob\nein Rabattanspruch besteht. Solche Rechtsfragen gehoren nicht in das\nSachverstandigenverfahren (Stiefel-Hofmann, a.a.O., § 14 Rz 12; LG Ulm/Donau,\nDAR 91, 182 f). Im vorliegenden Fall aber behauptet der Klager nicht, daß der\nHandler, der einen gleichartigen Wagen verkauft, etwa nur einen Rabatt im\nSinne des Rabattgesetzes auf den unverbindlich empfohlenen Herstellerpreis\ngewahrt. Wenn aber - wie heutzutage soweit bekannt allgemein ublich -\nAutohauser ihre "Hauspreise" in Anlehnung an die Preislisten der Hersteller\nbilden, so handelt sich erst um den Preis, auf den dann gegebenenfalls Rabatt\nzu gewahren sein konnte (OLG Hamm, BB 83, 1113, 1115; BGH NJW 1987, 954, 955\nrechte Spalte).\n\n34\n\nErst die Frage, ob ein solcher Hauspreis einen weitergehenden als (bisher)\nzulassigen Rabatt erhalten darf oder ob zum Beispiel ein Werksangehorigen\nRabatt zusteht und zu beruck- sichtigen ist (OLG Stuttgart, Versicherungsrecht\n90, 379 f) sind dem Verfahren des § 14 AKB entzogen.\n\n35\n\nDie Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nummer 11, 711, 108 ZPO.\nWeitergehender Vollstreckungsschutz war mit Rucksicht auf die vollstreckbare\nSumme nicht angebracht.\n\n36\n\nC\n\n
313,704
olgk-1994-04-11-5-u-23293
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
5 U 232/93
1994-04-11
2019-03-13 13:41:16
2019-03-27 09:44:57
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1994:0411.5U232.93.00
## Tenor\n\n \n1\n\nE n t s c h e i d u n g s g r u n d e\n\n2\n\nDie nach §§ 511, 511 a ZP0 statthafte Berufung ist form- und fristgerecht\neingelegt und begrundet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO) und damit zulassig. Sie\nist auch in der Sache gerechtfertigt.\n\n3\n\nDie Klage ist nicht begrundet. Als Grundlage des von der Klagerin erhobenen\nAnspruchs kommt allein § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB (condictio indebeti) in\nBetracht. Die Klagerin macht namlich geltend, auf eine Verbindlich- keit\ngeleistet zu haben, die in Wirklichkeit nicht be- standen habe. Nach\nallgemeinen Regeln ware sie fur die Anspruchsvoraussetzung des Nichtbestehens\nder Verbind- lichkeit an sich darlegungs- und beweispflichtig. Das mit der\nKlage zuruckgeforderte Tagegeld fur die Zeit ab dem 3. Oktober 1989 wurde\nindes unter dem ausdruck- lichen Vorbehalt der Ruckforderung gezahlt. Ein\nsolcher Vorbehalt kann im Einzelfall die Bedeutung haben, daß die Leistung\nunter der Bedingung erfolgt, daß die Ver- bindlichkeit tatsachlich besteht. In\neinem solchen Fall verbleibt die Beweislast fur das Bestehen der Verbind-\nlichkeit beim Leistungsempfanger (vgl. Palandt-Thomas, 53. Aufl., § 814 Rdn.\n11). Dies ist vorliegend der Fall. Der Vorbehalt der Ruckforderung konnte sich\nim Streitfall nur auf die zur Zeit der Zahlung noch nicht geklarte Frage\nbezogen haben, ob die Arbeitsunfahigkeit des Beklagten unfallbedingt war oder\nnicht. Die Klage- rin hat sich also vorbehalten, das gewahrte Tagegeld\nzuruckzufordern, ohne daß dadurch in einem evtl. Ruck- forderungsstreit eine\nVerschiebung der Beweislast zu ihrem Nachteil bewirkt werden sollte. Eine\nAuslegung des Vorbehalts in diesem Sinne ist auch geboten, weil andernfalls\nein Unfallversicherer in den haufigen Fallen ungeklarter Kausalitat bis zu\nderen endgultiger Klarung keinerlei Leistungen erbringen konnte, ohne sich\nerheblichen Nachteilen auszusetzen. Dies hatte praktisch zur Folge, daß in\nsolchen Fallen Zahlungen, die dem Ausgleich unmittelbar eintretender Nachteile\ndes Verletzten dienen, erst nach gerichtlicher Ausein- andersetzung, in der\ndem Anspruchsteller die Beweislast obliegt, erfolgen wurden, was nach dem\nWesen einer Ta- gegeldversicherung aus der Sicht der Versicherten nicht\nwunschenswert ist.\n\n4\n\nDer danach dem Beklagten obliegende Beweis, daß die Ar- beitsunfahigkeit\nunfallbedingt war, ist nach Auffassung des Senats erbracht.\n\n5\n\nDer BGH hat in einer jungeren Entscheidung (vgl. NJW 1994, 801, 802) unter\nBestatigung seiner fruheren Rechtsprechung (vgl. NJW 1989, 2448) erneut darauf\nhin- gewiesen, daß es bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Ereignis einen\nbestimmten Erfolg im medizinischen Sinne verursacht hat, nicht auf den Grad\nder Überzeugung des (medizinischen) Sachverstandigen ankommt, sondern auf die\npersonliche Überzeugung des Tatrichters, die nicht den Ausschluß letzter\nZweifel, sondern lediglich einen fur das praktische Leben brauchbaren Grad von\nGewißheit voraussetzt. Diese Gewißheit hat der Senat aufgrund der unstreitigen\ntatsachlichen Umstande, den Feststellungen des Oberarztes Dr. B. und des\nChefarztes des V.-P.-Hos- pitals Dr. H. sowie letztlich auch den\ngutachterlichen Äußerungen von Dr. K. gewonnen.\n\n6\n\nDer Senat ist davon uberzeugt, daß der Bizepssehnenriß, der zu der lang\nandauernden Arbeitsunfahigkeit gefuhrt hat, adaquat kausal durch den Sturz auf\nden rechten Oberarm verursacht worden ist.\n\n7\n\nFur die Ursachlichkeit spricht zunachst der zeitliche Zusammenhang zwischen\ndem Unfall und dem Erkennen des Bizepssehnenrisses zwei Tage danach. Ferner\nspricht dafur, daß neben dem Unfallgeschehen weitere außere Einwirkungen auf\nOberarm/Schulter, durch die der Riß hatte verursacht werden konnen, nicht\nersichtlich, auch nicht behauptet sind. Auch aus dem Kurzattest des Oberarztes\nDr. B. vom 9. November 1991 ergibt sich ein Kausalzusammenhang. Danach soll\nder Riß namlich "nicht schon durch den Unfall allein entstanden sein konnen".\nEs habe vielmehr schon vorher ein schleichender degene- rativer\nVeranderungsprozeß der Sehnensubstanz stattge- funden. Indessen soll es dann\ndurch den Unfall zu einer deutlichen Verschlimmerung eines vorbestehenden\nLeidens gekommen sein. Dies bedeutet nichts anderes, als daß der Sturz den Riß\nim Sinne einer Verursachung ausgelost hat, mogen auch andere Ursachen\nmitgewirkt haben.\n\n8\n\nGleiches folgt aus den Nachschauberichten des Dr. H. , der auch die\nErstversorgung der Schulterprellung vorge- nommen hat, vom 11. September 1989\nund 26. Januar 1990. Die jeweils getroffene Diagnose lautet:"Zustand nach\nstarker Prellung rechte Schulter mit Ruptur der langen Bizepssehne". Daß Dr.\nH. weder bei der Erstversorgung am 30\\. August noch bei der Erstnachschau am\n1. Septem- ber 1989 einen Bizepssehnenriß erwahnt hat, laßt sich dadurch\nerklaren, daß insoweit (noch) keine klinischen Anzeichen dafur\n(Zusammenschrumpfen des Bizepsmuskels) sichtbar waren.\n\n9\n\nAuch Dr. K. gesteht zu, daß der Unfall der auslosende Faktor fur den\nBizepssehnenriß gewesen ist. Zwar hat er in seinem Gutachten vom 5. Dezember\n1989 weiter ausgefuhrt, daß die Hauptursache fur die Ruptur in der\ndegenerativen Vorschadigung der Sehne liege. Ein Sturz konne lediglich als\nauslosender Faktor betrachtet wer- den, weil eine vollig gesunde Sehne nicht\nreiße, denn es komme dann allenfalls zu einem Ausreißen der Sehne am\nKnochenansatz, wobei Knochenanteile mit ausgerissen wurden. Regelmaßig bilde\ndie Beanspruchung der Bizeps- sehne durch Heben von Gegenstanden oder Ziehen\neines Wagens lediglich einen beliebigen Gelegenheitsanlaß, um "die ohnehin\nbevorstehende Ruptur nunmehr aufzuzeigen". Der von Dr. K. daraus abgeleiteten\nBewertung, daß der zwei Tage spater zutagegetretene Riß der langen Bizeps-\nsehne, "nach Bestehen der Lehrmeinung und der gesamten einschlagigen Literatur\nnicht Unfallfolge sondern Zei- chen einer degenerativen Sehnenerkrankung sei",\nteilt der Senat nicht. Es spricht namlich nichts dafur, daß der Unfall\nlediglich "der letzte Tropfen war, der das volle Faß zum Überlaufen gebracht\nhat". Solche beliebig austauschbaren Gelegenheitsursachen wurden allerdings\nregelmaßig nicht genugen, denn die Unfallversicherung soll Entschadigung fur\ndie Folgen eines Unfalls gewah- ren, nicht aber fur einen ohnehin latent\nbestehenden Invaliditatszustand, der nur durch einen geringfugigen Anlaß\nzuTage tritt. Es fehlt indessen an hinreichend sicheren Feststellungen, daß\ndie Sehne des Beklagten derart degeneriert war, daß sie bei der geringsten Ge-\nlegenheit ohnehin gerissen ware. Objektive Befunden die auf eine besonders\nubermaßige Degeneration hindeuten, gibt es nicht. Es kann auch nicht davon\nausgegangen werden, daß es sich bei dem Unfall nur um ein belang- loses\nEreignis gehandelt hat. Immerhin hat Dr. H. eine starke Prellung der rechten\nSchulter dokumentiert. Es ist auch ohne weiteres nachvollziehbar, daß ein\nSturz auf die rechte Schulter mit angelegtem Arm einen erheb- lichen Aufprall\nverursacht.\n\n10\n\nDas Gutachten von Prof. T. vom 12. Dezember 1989, das inhaltlich ausgesprochen\nsubstanzarm ist, steht dem nicht entgegen. Es leuchtet nicht ein, wieso der\nSturz nicht geeignet gewesen sein soll, eine degenerierte Sehne zum Reißen zu\nbringen. Darauf, daß eine gesunde Sehne im Streitfall nicht gerissen ware,\nkommt es nicht an.\n\n11\n\nDas Kurzgutachten des Dr. He. ist schon deshalb un- brauchbar, weil der\nUnfallhergang nicht richtig erfaßt ist, denn der Gutachter spricht von einem\nSturz auf den abduzierten Arm. Ferner sprichts nichts dafur, daß die Sehne\naufgrund eines zweiten Unfallereignisses spater gerissen ist, wie Dr. He.\nannimmt.\n\n12\n\nDas vom Landgericht eingeholte Gutachten des Dr. G. hat keine neuen\nGesichtspunkte erbracht, weil sich Dr. G. im wesentlichen lediglich unter\nBezugnahme auf die ein- schlagige Literatur den "Vorgutachtern" angeschlossen\nhat.\n\n13\n\nDie danach anzunehmende Mitursachlichkeit des Unfalls fur den Sehnenriß\ngenugt, um die Leistungspflicht der Beklagten auszulosen (vgl. Knappmann in\nProls-Martin, 25. Aufl., § 1 AUB 88, Anm. 3 e).\n\n14\n\nEine Anspruchsminderung nach § 10 (1) AUB/Signal (=§ 8 AUB 88) kommt nicht in\nBetracht, weil altersbe- dingt normale Verschleißerscheinungen\n(Degenerationen), keine Krankheiten oder Gebrechen im Sinne der Bedingun- gen\nsind (vgl. Knappmann a.a.O., § 8 AUB 88 Anm. 3).\n\n15\n\nAus den vorstehenden Ausfuhrungen ergibt sich ohne weiteres, daß die\nWiderklage begrundet ist. Aufgrund der vom Beklagten vorgelegten arztlichen\nAtteste steht fest, daß er wegen des Bizepssehnenrisses bis zum 11. Marz 1990\narbeitsunfahig war.\n\n16\n\nDer Zinsanspruch ist nach Grund und Hohe unstreitig.\n\n17\n\nDie prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.\n\n18\n\nWert der Beschwer fur die Klagerin:\n\n19\n\nunter 60.000,00 DM.\n\n
313,751
olgk-1994-03-03-7-u-7593
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
7 U 75/93
1994-03-03
2019-03-13 13:42:32
2019-03-27 09:44:50
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1994:0303.7U75.93.00
## Tenor\n\n \n1\n\n**T A T B E S T A N D :**\n\n2\n\n##blob##nbsp;\n\n3\n\n##blob##nbsp;\n\n4\n\n##blob##nbsp;\n\n5\n\nDie Klagerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch im Zusammenhang\nmit einem Vertrag uber die Veredelung (Bleichung) von Drehermull.\n\n6\n\n##blob##nbsp;\n\n7\n\nDie Klagerin beauftragte die Beklagte Anfang April 1991, 75 km Drehermull, ein\nelastisches Verbandsgewebe, das zur Herstellung von Gipsbin-den verwendet\nwerden sollte, zu bleichen. Diesem Vertrag lagen die Einheitsbedingungen fur\nTextil-veredelungsvertrage (EBTV) zugrunde. Die veredelte Ware sollte eine\nFertigbreite von 90 cm haben. Das Rohmaterial wurde durch die von der Klagerin\nbeauftragte Herstellerin, die Firma E. und Z. GmbH ##blob##amp; Co, direkt an\ndie Beklagte geliefert und wies eine Rohbreite von 83 - 85 cm auf. Die\nKlagerin veraußerte die Ware an die Firma A.-Industrieaus-rustungen in N., an\nderen Spediteur die Beklagte das veredelte Gewebe ubergeben sollte. Die Firma\nA. ihrerseits verkaufte die Ware an die Firma Sh. T. B. G. Iran in\nTeheran/Iran fur einen Kaufpreis von 140.137,50 DM. Die Rechnung der Beklagten\nuber die von ihr erbrachten Leistungen vom 10.04.1991 beglich die Klagerin\nunmittelbar nach der Auslie-ferung des Gewebes. Wahrend des Bearbeitungsvor-\ngangs bei der Beklagten traten Probleme derart auf, daß das Gewebe wahrend des\nTrocknens nach der Bleichung vom Spannrahmen absprang. Hieruber wurde Herr A.,\nder von der Klagerin als Ansprechpartner benannt worden war, seitens der\nBeklagten telefo-nisch unterrichtet. Über den genauen Inhalt dieser\nTelefongesprache besteht zwischen den Parteien Streit. Der Bleich- und\nTrocknungsvorgang wurde nach diesen Gesprachen fortgesetzt. Wenige Tage nach\nAbschluß der Arbeiten der Beklagten wandte sich die Klagerin wegen des ihrer\nAnsicht nach zu geringen Gewichts der veredelten Ware an die Be-klagte. Bei\nihr waren insoweit Bedenken aufgetre-ten, weil sich aus den Frachtpapieren und\nder Aus-fuhrerklarung ein Gewicht von ca. 2 400 kg ergab, der angelieferte\nRohmull aber ein hoheres Gewicht gehabt haben soll. Mit Telefax vom 15.04.1991\nteilte die Beklagte der Klagerin mit, daß das Gewicht nach Überprufung 32,6\ng/m2 gebleicht be-trage. Mit Telefax vom 18.04.1991 machte die Be-klagte\ngegenuber der Herstellerin Firma E. und Z. weitere Angaben bezuglich des\nGewichts und anderer Merkmale des Gewebes und wies darauf hin, daß Lei-\nstenbeschadigungen bei der gewahlten Einstellung der Webware unausbleiblich\nseien; der Forderung nach einer Fertigbreite von 91 cm konne nur so\nentsprochen werden. Die Ware wurde von der Firma A. in den Iran verbracht. Im\nNovember 1991 machte sie gegenuber der Beklagten Beschadigungen des\ngebleichten Drehermulls geltend; sie beanstande-te Leistenbeschadigungen und\ndie unterschiedliche Breite verschiedener Teilstucke.\n\n8\n\n##blob##nbsp;\n\n9\n\nDie Klagerin hat die Ansicht vertreten, ihr stehe gegen die Beklagte ein\nSchadensersatzanspruch in Hohe von 130.000,00 DM zu. Dazu hat sie vorgetra-\ngen, das von der Beklagten veredelte Material sei fur den vorgesehenen Zweck\nvollig unbrauchbar ge-wesen. Der iranische Abnehmer habe es zur Herstel-lung\nvon Gipsbinden nicht verwenden konnen. Wegen der fehlerhaften Gitterstruktur\ndes Gewebes habe der aufgebrachte Gips auf den Binden nicht gehal-ten. Die\nFirma A. sei gehalten gewesen, dem ira-nischen Abnehmer auf den Kaufpreis\n130.000,00 DM zuruckzuerstatten, da anderenfalls die iranischen\nGeschaftsbeziehungen abgebrochen worden waren. Mit dem Erstattungsbetrag sei\nsie, die Klagerin, in der Folgezeit seitens der Firma A. ruckbelastet worden.\nDie Klagerin hat zu der Ursache der von ihr behaupteten Mangel vorgebracht,\ndie aufgetre-tenen Leistenbeschadigungen seien allein darauf zuruckzufuhren,\ndaß im Betrieb der Beklagten eine zu hohe Maschinengeschwindigkeit, namlich\n100 m statt 50 m/Minute, gewahlt worden sei. Auf diesen Umstand sei die\nBeklagte auch anlaßlich der Telefongesprache hingewiesen worden. Der von der\nFa. E. und Z. angelieferte Drehermull sei mit einer Rohbreite von 83 - 85 cm\nausreichend gewesen zur Herstellung einer Fertigbreite von 90 cm, weil es sich\num ein elastisches Gewebe handele. Die Minderbreiten und Leistenbeschadigungen\nseien an den aufgewickelten Geweberollen (insgesamt 75) nicht erkennbar\ngewesen, weil der Drehermull wie ein Faden aufgewickelt werde, so daß\neinheitlich breite Rollen entstunden. Bei einem Telefonge-sprach, das erst\nnach dem Transport der Ware in den Iran stattgefunden habe, sei ihr von seiten\nder Beklagten erklart worden, sie brauche sich wegen der angesprochenen\nLeistenbeschadigungen keine Sorgen zu machen, diese hatten allenfalls 100 -\n200 m betroffen. Die Klagerin hat die An-sicht vertreten, die Beklagte habe\nsie arglistig uber das Ausmaß der Beschadigungen getauscht. Ihr\nSchadensersatzanspruch sei wegen der Arglist der Beklagten nicht verjahrt.\n\n10\n\n##blob##nbsp;\n\n11\n\nDie Klagerin hat beantragt,\n\n12\n\n##blob##nbsp;\n\n13\n\n##blob##nbsp;\n\n14\n\n##blob##nbsp;\n\n15\n\ndie Beklagte zu verurteilen, an sie 130.000,00 DM nebst 12 % Zinsen seit\nRechtshangigkeit (= 27.03.1992) zu zahlen.\n\n16\n\n##blob##nbsp;\n\n17\n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n18\n\n##blob##nbsp;\n\n19\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n20\n\n##blob##nbsp;\n\n21\n\nSie hat behauptet, es sei die Anlieferung von Rohware in einer Breite von 90\ncm mit der Klagerin vereinbart worden; der Hersteller habe ihr die Lieferung\nentsprechenden Rohmaterials zugesagt. Mit der angelieferten Rohware von 83 -\n85 cm habe eine Fertigbreite von 90 cm nicht einwandfrei hergestellt werden\nkonnen. Die aufgetretenen Lei-stenbeschadigungen seien allein auf die geringe\nRohbreite zuruckzufuhren. Ihre Haftung sei deshalb gemaß § 12 Abs. 6 EBTV\nausgeschlossen. Die Klagerin habe zudem die Ware in Kenntnis der\nBeschadigungen abgenommen. Sie habe Herrn A. mehrfach wahrend des\nBleichvorgangs auf die Beschadigungen hingewiesen. Dieser habe sie aber unter\nHinweis auf bestehenden Zeitdruck dazu gedrangt, die Veredelung "so gut wie\neben moglich" fortzusetzen. Im ubrigen sei die Ware trotz der vorhandenen\nLeistenbeschadigungen und Breitenschrumpfung nicht unbrauchbar; das Zu-\nsammennahen unterschiedlich breiter Teilstucke sei ublich. Sie hat geltend\ngemacht, es fehle an einer rechtzeitigen Mangelruge seitens der Klager und hat\ndie Einrede der Verjahrung erhoben.\n\n22\n\n##blob##nbsp;\n\n23\n\nDas Landgericht hat durch Urteil vom 3. Marz 1993, auf das wegen weiterer\nEinzelheiten des erstin-stanzlichen Sachvortrags der Parteien Bezug genom-men\nwird, die Klage abgewiesen. Zur Begrundung hat es ausgefuhrt, es konne\ndahinstehen, ob die Lei-stung der Beklagten mangelhaft sei. Die allein als\nAnspruchsgrundlage in Betracht kommenden werkver-traglichen Anspruche seien\ngemaß § 638 Abs. 1 BGB verjahrt. Eine Arglist der Beklagten sei nicht\nfeststellbar, zumal sie die Klagerin auf die Be-schadigungen der Ware\nhingewiesen habe.\n\n24\n\n##blob##nbsp;\n\n25\n\nGegen dieses der Klagerin am 09.03.1993 zugestellte Urteil hat sie mit einem\nam 13.04.1993 (Osterdiens-tag) eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt\nund diese innerhalb der bis zum 14.06.1993 gewahr-ten Fristverlangerung\nbegrundet.\n\n26\n\n##blob##nbsp;\n\n27\n\nDie Klagerin nimmt auf ihr erstinstanzliches Vor-bringen Bezug. Sie\nbeanstandet, soweit das Land-gericht angenommen habe, die Firma A. habe eine\nnochmalige Überprufung der ausgelieferten 75 km des gebleichten Drehermulls\nzugesagt, liege eine Verkennung des Sachvortrags der Parteien vor. Diese\nZusage habe sich namlich ncht auf die streitigen 75 km Mull, sondern auf einen\nnachtraglichen Auf-trag zur Bleichung von weiteren 2 000 m Drehermull bezogen.\nDen Vortrag zur Darstellung und Berechnung des geltend gemachten\nSchadensersatzanspruchs hat der Geschaftsfuhrer der Klagerin in der mundlichen\nVerhandlung vom 21.10.1993 wie folgt erganzt: Er selbst sei Iraner und es sei\nfur ihn problematisch, selbst unmitttelbr in den Iran zu liefern. Es sei\ninsoweit gunstiger, wenn eine deutsche Firma als Exporteur auftrete. Dies sei\nder Grund dafur, daß die Klagerin mit der Firma A. kooperiere. Nachdem die\nFirma A. wegen der Mangelhaftigkeit der Ware von dem iranischen Abnehmer mit\neinem Betrag von 130.000,00 DM ruckbelastet worden sei, habe die Klagerin der\nFirma A. diesen Betrag erstatten mussen, um deren Zusammenbruch abzuwenden.\nWegen der bestehenden Kooperation habe sie ein Interesse daran gehabt, daß die\nFirma A. als Exporteur in den Iran weiterhin auftreten konne. Von dem\ntatsachli-chen Ausmaß der Mangel habe die Klagerin erstmals erfahren, nachdem\nder Zeuge A. aus dem Iran zuruck-gekehrt sei; dies sei etwa im Oktober 1991\ngewesen.\n\n28\n\n##blob##nbsp;\n\n29\n\nMit Schriftsatz vom 21.12.1993 macht die Klagerin erstmals geltend, zu den\nSchaden an dem Gewebe sei es deshalb gekommen, weil der Bleichungsvorgang\nunsachgemaß durchgefuhrt worden sei mit der Folge, daß das Gewebe an Substanz\nverloren habe, was sich nachteilig auf die Reißfestigkeit auswirke. Mit einem\nnach Schluß der mundlichen Verhandlung einge-reichten Schriftsatz vom\n14.01.1994 weist die Kla-gerin darauf hin, die Beklagte habe bei dem Verede-\nlungsvorgang wissentlich das Eigentum der Klagerin beschadigt und hafte\ndeshalb auch aus dem Gesichts-punkt der unerlaubten Handlung.\n\n30\n\n##blob##nbsp;\n\n31\n\nDie Klagerin beantragt,\n\n32\n\n##blob##nbsp;\n\n33\n\nunter Abanderung des angefochtenen Ur-teils die Beklagte zu verurteilen, an\nsie 130.000,00 DM nebst 12 % Zinsen seit dem 27.03.1992 zu zahlen.\n\n34\n\n##blob##nbsp;\n\n35\n\nDie Beklagte bittet um Zuruckweisung der Berufung.\n\n36\n\n##blob##nbsp;\n\n37\n\nDie Beklagte wiederholt und erganzt ihr erstin-stanzliches Vorbringen und\nbestreitet das Vorbrin-gen der Klagerin, aus dem diese ein arglistiges\nVerhalten auf seiten der Beklagten herleiten will. Insbesondere halt die\nBeklagte die Verjahrungsein-rede aufrecht.\n\n38\n\n##blob##nbsp;\n\n39\n\nWegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug\nwird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsatze Bezug\ngenommen.\n\n40\n\n##blob##nbsp;\n\n41\n\nDer Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A., K. und H..\nInsoweit wird auf die Sit-zungsniederschrift vom 10. Januar 1994 verwiesen.\n\n42\n\n##blob##nbsp;\n\n43\n\nE n t s c h e i d u n g s g r u n d e\n\n44\n\n##blob##nbsp;\n\n45\n\nDas Rechtsmittel der Klagerin ist zulassig. Zwar wird in der Berufungsschrift\ndas Zustellungsdatum des angefochtenen Urteils unzutreffend angegeben\n(richtig: 09.03.1993 statt 13.03.1993) und auch das erstinstanzliche Gericht\nwird nicht richtig bezeichnet (richtig: Landgericht Bonn statt Landge-richt\nKoln). Da der Berufungsschrift eine Ablich-tung der ersten Seite des\nangefochtenen Urteils beigefugt ist, ist letztlich eine Ungewißheit uber das\nUrteil, gegen das Rechtsmittel eingelegt werden sollte, nicht aufgetreten und\ndie Berufung deshalb als formgerecht eingelegt anzusehen.\n\n46\n\n##blob##nbsp;\n\n47\n\nDie Berufung ist jedoch nicht begrundet.\n\n48\n\n##blob##nbsp;\n\n49\n\n1)\n\n50\n\n##blob##nbsp;\n\n51\n\nEin Schadensersatzanspruch wegen Nichterfullung ge-maß § 635 BGB kann von der\nKlagerin nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, weil die von der Beklagten\nerhobene Einrede der Verjahrung durchgreift. Zwischen den Parteien steht außer\nStreit, daß die sechsmonatige Verjahrungsfrist gemaß § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB\nvor Klageerhebung ab-gelaufen war und die Frist weder gehemmt war noch\nunterbrochen worden ist. Davon, daß die kurze Ver-jahrungsfrist deshalb nicht\ngilt, weil die Beklagte Mangel ihrer Werkleistung arglistig verschwiegen hat,\nwofur die Klagerin darlegungs- und beweis-pflichtig ist, kann nicht\nausgegangen werden.\n\n52\n\n##blob##nbsp;\n\n53\n\nUnstreitig ist, daß der von der Beklagten gebleich-te Drehermull\nLeistenbeschadigungen und Material-schrumpfungen aufweist, wobei allerdings\ndas Aus-maß dieser Schaden und ihre Auswirkungen auf die Brauchbarkeit des\nMulls umstritten sind. Auch ist davon auszugehen, daß der Beklagten diese\nMangel bekannt waren und sie wußte, daß deren Vorhanden-sein fur die\nEntschließung der Klagerin daruber von Bedeutung war, ob sie das Werk der\nBeklagten abnehmen sollte. Es kann jedoch nicht angenommen werden, daß sie der\nKlagerin diese Mangel nicht offenbart, sie also verschwiegen hat. Der Zeuge\nA., der von der Klagerin als Ansprechpartner ge-genuber der Beklagten benannt\nworden und somit als Empfangsstelle der Klagerin fur Erklarungen der Be-\nklagten im Rahmen der Vertragsabwicklung anzusehen war, hat bei seiner\nVernehmung bestatigt, daß der Zeuge K. bei ihm am 05.04.1991 angerufen und ihn\ndaruber unterrichtet hat, daß die Ware beim Trock-nungsvorgang aus dem\nSpannrahmen heraussprang. Dem Zeugen war nach seinen Angaben bekannt, daß\nhier-durch eine Schrumpfung des Materials eintritt, so daß ein arglistiges\nVerschweigen insoweit von vorn-herein nicht in Betracht kommt. Der Zeuge hat\nzwar des weiteren bekundet, bei diesem und dem weiteren Telefongesprach am\n06.04.1991 sei er von seiten des Zeugen K. nicht auf Leistenbeschadigungen\nhingewie-sen worden. Der Senat sieht sich jedoch nicht dazu in der Lage,\ndiesem Teil der Zeugenaussage zu fol-gen. Die Bekundung des Zeugen K. steht\ndem namlich entgegen. Der Zeuge K. hat ausgesagt, Gegenstand der\nTelefongesprache mit dem Zeugen A. seien auch die aufgetretenen\nLeistenbeschadigungen gewesen. Die Feststellung, daß demgegenuber die Aussage\ndes Zeugen A. den Vorzug verdient, ist nicht moglich. Der Zeuge K. hat in\nkeiner Weise einen weniger glaubwurdigen Eindruck hinterlassen als der Zeuge\nA.. Auch ist seine Aussage nicht objektiv weniger glaubhaft. Dafur, daß die\nBeklagte bzw. die fur sie handelnden Personen nicht die Absicht hatten, der\nKlagerin Mangel zu verschweigen oder Mangel ihr gegenuber zu vertuschen oder\nzu bagatellisieren, spricht namlich zum einen bereits der Umstand, daß sie\nsich uberhaupt wahrend des laufenden Ferti-gungsprozesses bei dem Zeugen A.\ngemeldet und die-sen uber auftretende Probleme unterrichtet hat. Ein\nWerkunternehmer, dessen Bestreben auf Verschweigen oder Verschleierung von\nWerkmangeln gerichtet ist, wurde dergleichen nicht von sich aus und ungefragt\ntun, da er durch solche Hinweise den Auftraggeber sensibilisiert und er damit\nrechnen muß, daß dieser in der Folgezeit die Werkleistung besonders kritisch\npruft und sein Augenmerk darauf richtet, eventuelle Mangel zu entdecken.\nVorliegend kommt hinzu, daß die Beklagte auch in ihrem Schreiben an die Firma\nE. und Z. vom 18.04.1991 ganz offen von Leistenbeschadigungen berichtet, die\nbei der Ver-edelung aufgetreten sind. Dies spricht dafur, daß dieses Problem\nauch bereits zuvor erortert worden ist, zumindest aber die Beklagte nicht\nbestrebt war, die aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Ver-edelung zu\nverharmlosen oder zu vertuschen. Fur die Richtigkeit des Vortrags der\nBeklagten und gegen die Aussage des Zeugen A. spricht zudem insbesonde-re\ndessen eigenes Schreiben vom 15.11.1991 an die Beklagte (Bl. 209 GA). Unter\nder Überschrift "Nun in Kurzform unsere Beanstandungen und Erklarungen" wird\ndort ausgefuhrt: "1) gefordert waren 91 cm Fertigbreite. 2) Wegen\nLeistenbeschadigungen haben wir auf 90 cm reduziert." Bei ungezwungender Be-\ntrachtungsweise kann dies nur dahin verstanden wer-den, daß der Zeuge bereits\nwahrend des Fertigungs-prozesses von seiten der Beklagten uber auftretende\nLeistenbeschadigungen unterrichtet worden ist. Die von dem Zeugen auf\nentsprechenden Vorhalt bei seiner Vernehmung abgegebenen Erklarungen (S. 7 des\nSitzungsprotokolls = Bl. 294 GA) sind nicht geeig-net, den Widerspruch zu\nseinen vorherigen Bekundun-gen auszuraumen.\n\n54\n\n##blob##nbsp;\n\n55\n\nDer weitergehende Vorwurf der Klagerin, die Beklag-te habe bei einem\nTelefongesprach bewußt wahrheits-widrig den Umfang der Leistenbeschadigungen\nals mi-nimal herabgespielt (100 - 200 m), wohingegen diese wesentlich\numfangreicher gewesen seien und zur vol-ligen oder nahezu volligen\nUnbrauchbarkeit des Ge-webes gefuhrt hatten, ist ebenfalls nicht bewiesen.\nNach der Aussage des Zeugen A. sind dergleichen Erklarungen von dem Zeugen K.\nbei den Telefonge-sprachen am 05. und 06.04.1991 nicht abgegeben worden. Ein\nweiteres Gesprach in der Folgezeit, bei dem entsprechendes geaußert worden\nsein soll, hat der Zeuge A. nicht gefuhrt. Soweit nach der Aussage des Zeugen\nder Geschaftsfuhrer der Klagerin ein solches Telefonat mit dem Zeugen K.\ngefuhrt haben will, vermochte er aus eigener Kenntnis zum Inhalt des Gesprachs\nnichts zu bekunden. Eine Vernehmung des Geschaftsfuhrers der Klagerin gemaß §\n448 ZPO zum Inhalt dieses Gesprachs kam nicht in Betracht, weil keine\nhinreichende Wahrscheinlichkeit fur die Richtigkeit dieses Vortrags besteht.\nDer Zeuge K. hat Gegenteiliges bekundet. Wie bereits ausgefuhrt spricht nichts\ngegen seine personliche Glaubwurdig-keit. Zudem erscheint es einleuchtend oder\nzumin-dest nachvollziehbar, wenn der Zeuge K. bekundet, eine Beschadigung von\nnur 100 - 200 m sei im Hinblick auf den Gesamtumfang von 75 km so gering\ngewesen, daß er deswegen bei dem Zeugen A. ohnehin nicht angerufen hatte. Dies\ngilt umso mehr, als der Beklagten noch genugend Rohmull zur Verfugung stand,\num eine beschadigte Teilmenge dieses Umfangs zu ersetzen. Dann liegt es aber\nauch nahe, daß der Zeuge K. gegenuber dem Geschaftsfuhrer der Kla-gerin nicht\nerklart hat, die Schaden betrafen nur 100 - 200 m, weil dann der Hinweis auf\ndiese Scha-den insgesamt nicht sinnvoll gewesen ware.\n\n56\n\n##blob##nbsp;\n\n57\n\nEbenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte die Klagerin\nuber den bei der Bearbei-tung des Mulls angeblich aufgetretenen Gewichtsver-\nlust getauscht oder ihn der Klagerin verschwiegen hat, so daß es nicht darauf\nankommt, ob uberhaupt ein Gewichtsverlust vorliegt, der auf unsachgemaße\nBehandlung des Mulls durch die Beklagte zuruckzu-fuhren ist und sich auf die\nReißfestigkeit des Mulls nachteilig auswirkt. Auch hier ist namlich\nfestzustellen, daß die Beklagte der Klagerin gegen-uber das Gewicht des Mulls\nnach der Bearbeitung nicht verschwiegen oder unzutreffend dargestellt hat. Die\nBeklagte hat vielmehr in ihrer der Klage-rin am 10.04.1991 erteilten Rechnung\n(Bl. 242 GA) das Gewicht mit 2 400 kg angegeben, also nicht hoher, als es nach\nder Behauptung der Klagerin auch tatsachlich war. Dieselbe Gewichtsangabe ent-\nhalt die von der Beklagten unter dem 18.04.1991 erstellte\nVersandausfuhrerklarung (Bl. 16, 257 GA). Desweiteren hat die Beklagte der\nKlagerin mit Telefax vom 15.04.1991 (Bl. 17, 262 GA) mitgeteilt, das Gewebe\nhabe nach dem Bleichen ein Gewicht von 32,6 g/m2. Da der Mull unstreitig eine\nBreite von weniger als 1 m hat, ergibt sich bei einer Lange von 75 km ein\nGesamtgewicht, das jedenfalls nicht hoher als 2 400 kg ist. Der Klagerin ist\nalso auch insoweit nicht ein hoheres Gewicht vorgespiegelt worden.\n\n58\n\n##blob##nbsp;\n\n59\n\nAus den Angaben der Beklagten in ihrem Telefax vom 18.04.1991 an die Firma E.\nund Z. (Bl. 61) vermag die Klagerin ebenfalls nichts zu ihren Gunsten\nherzuleiten. Die Pflicht zur Offenbarung von Werkmangeln durch den Unternehmer\nbesteht bis zur Ablieferung des Werks bzw. dessen Vollendung (Staudinger-\nPeters, BGB, 12. Aufl., § 638 Rdnr. 32 und Palandt-Thomas, BGB, 53. Aufl., §\n638 Rdnr. 3, jeweils m.w.N.). Da die gebleichte Ware nach dem Vortrag der\nKlagerin bereits am 12.04.1991 von dem Spediteur bei der Beklagten abgeholt\nund noch am selben Tag in H. dem Frachtfuhrer zum Transport in den Iran\nubergeben worden ist, scheidet ein arglistiges Verschweigen eines Mangels im\nSinne des § 638 Abs. 1 BGB durch die Beklagte durch Abfassung eines Schreibens\nam 18.04.1991 von vornherein aus. Ob der Besteller dann einen\nSchadensersatzan-spruch erwirbt, den er der Verjahrungseinrede des\nUnternehmers entgegenhalten kann, wenn dieser nach Ablieferung des Werks auf\nBefragen des Bestellers einen Mangel bewußt ableugnet (in diesem Sinne\nStaudinger-Peters a.a.O), kann dahinstehen. Ein solcher Sachverhalt liegt\nnamlich nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, daß die Klagerin oder der Zeuge\nA. die Beklagte nach Ablieferung des Mulls um er-ganzende Auskunfte uber das\nGewicht gebeten und die Beklagte daraufhin unrichtige Angaben gemacht hat. Das\nTelefax der Beklagten vom 18.04.1991 ist weder an die Klagerin oder den Zeugen\nA. adressiert, noch haben diese die Beklagte um erganzende Angaben zu dem\nGewicht des Materials gebeten. Unstreitig hat die Beklagte das Telefax vom\n18.04.1991 vielmehr an die Firma E. und Z. gesandt, weil sich deren Mitar-\nbeiter Hu. an den Zeugen H. gewandt und diesen um Auskunft gebeten hat. Die\ndaraufhin von dem Zeugen H. an die Firma E. und Z. zu Handen des Herrn Hu.\nubermittelten Daten (Angaben zum Flachengewicht, zu den Kett- und Schußfaden\nsowie den Nahten) sind ausweislich des Schreibens der Firma E. und Z. an die\nKlagerin vom 18.04.1991 (Bl. 18, 62) auch nicht von dieser an die Klagerin\nweitergeleitet worden, so daß auch eine indirekte arglistige Tauschung der\nKlagerin durch die Beklagten insoweit nicht erfolgt ist. Es ist zudem nicht\neinmal ersichtlich, daß der Klagerin das Telefax der Beklagten an die Firma E.\nund Z. vom 18.04.1991 uberhaupt irgendwann einmal vor Beginn des vorliegenden\nRechtsstreits zur Kenntnis gelangt ist. Das Schreiben ist namlich im Rahmen\ndieses Prozesses erstmals von der Beklagten zu den Gerichtsakten eingereicht\nworden.\n\n60\n\n##blob##nbsp;\n\n61\n\n2)\n\n62\n\n##blob##nbsp;\n\n63\n\nDie Klagerin kann ihr Klagebegehren auch nicht mit Erfolg darauf stutzen, die\nBeklagte habe den im Eigentum der Klagerin stehenden Mull schuldhaft\nbeschadigt und hafte somit aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung auf\nSchadensersatz. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß dem Besteller\nneben werkvertraglichen Anspruchen aus § 635 BGB wegen mangelhafter\nWerkleistung des Un-ternehmers auch deliktische Anspruche gemaß §§ 823, 831\nBGB zustehen konnen, wenn die mangelhafte Wer-kleistung in vorhandenes und\nbisher unversehrtes Eigentum des Auftraggebers eingreift (BGH MDR 1972, 316 =\nLM § 635 BGB Nr. 25; NJW 1977, 1819 = WM 1977, 763; NJW 1986, 922, 924;\nStaudinger-Peters a.a.O. § 635 Rdnr. 67) und daß hinsichtlich dieser Anspruche\nnicht die kurze Verjahrungsfrist des § 638 BGB gilt, sondern die Frist des §\n852 BGB (z.B. BGH WM 1977, 763 und Staudinger-Peters a.a.O Rdnr. 73, jeweils\nm.w.N), die vorliegend noch nicht abgelaufen ist. Das diesbezugliche\nVorbringen der Klagerin bleibt jedoch aus prozessualen Grunden un-\nberucksichtigt. Die Ausfuhrungen im Schriftsatz vom 14.01.1994 geben dem Senat\nkeinen Anlaß, die mund-liche Verhandlung wiederzueroffnen (§ 156 ZPO).\n\n64\n\n##blob##nbsp;\n\n65\n\nDabei kann es dahinstehen, ob die erstmalige Beru-fung auf einen deliktischen\nSchadensersatzanspruch im Schriftsatz vom 14.01.1994 nicht eine Klageande-rung\ndarstellt, deren Sachdienlichkeit im zweiten Rechtszug strenger zu prufen ist\nals im ersten (Zoller-Stephan, ZPO, 17. Aufl., § 263 Rdnr. 14). Denn wenn es\nsich nicht um eine Klageanderung han-delt, folgt die Nichtberucksichtigung des\nVortrags der Klagerin aus der Vorschrift des § 296 a ZPO. Bei dem Vorbringen\nder Klagerin handelt es sich namlich nicht nur um den Hinweis auf eine weitere\nAnspruchsgrundlage als diejenige des § 635 BGB, die Gegenstand der\nAusfuhrungen in den Schriftsatzen der Parteien und dem landgerichtlichen\nUrteil sowie Grundlage der Erorterungen des Senats mit den Parteien in der\nBerufungsverhandlung war. Die Kla-gerin stutzt vielmehr damit ihr Begehren auf\neinen anderen tatsachlichen Aspekt und insbesondere hat der insoweit in\nBetracht kommende Schadensersatzan-spruch einen vollig anderen Inhalt.\n\n66\n\n##blob##nbsp;\n\n67\n\nDie Klagerin hat sowohl in I. Instanz als auch im Berufungsrechtszug bis zum\nSchluß der mundlichen Verhandlung einen Schadensersatzanspruch in Hohe von\n130.000,00 DM geltend gemacht, den sie daraus ableitete, daß die von der\nBeklagten erbrachte Wer-kleistung mangelhaft sei und der Mull deshalb nicht\nmehr zu dem von ihr vorgesehenen speziellen Zweck, namlich der Herstellung von\nGipsbinden fur medizi-nische Anwendungen, verwendet werden konne. Hieraus\nfolgte nach ihrer Darstellung die Ruckbelastung ih-res Abnehmers durch dessen\nEndabnehmer in Hohe ei-nes Teilbetrages des Kaufpreises von 130.000,00 DM. Die\nmangelhafte Ausfuhrung eines erteilten werkver-traglichen Auftrags impliziert\naber keineswegs, daß damit stets, regelmaßig oder auch nur haufig eine\nVerletzung des Eigentums des Bestellers einhergeht. Der Bundesgerichtshof hebt\nbei seiner Rechtspre-chung zur Frage der Anwendbarkeit der §§ 823 ff. BGB\nneben den werkvertraglichen Gewahrleistungs- und Schadensersatzbestimmungen\nvielmehr gerade dar-auf ab, daß die Beschadigung des Eigentums des Bestellers\neben nicht zum typischen Vertragsrisiko des Werkunternehmers gehort, es\nvielmehr zahlreiche Falle gibt, in denen Werkmangel vorliegen, ohne daß das\nEigentum des Bestellers beeintrachtigt wurde (BGH WM 1977, 763, 764 m.w.N.).\nDie dem Besteller aus einer Verletzung seines Eigentums gegenuber dem\nWerkunternehmer erwachsenden Schaden-sersatzanspruche decken sich auch\nregelmaßig nicht mit denjenigen aus § 635 BGB. Wahrend der Anspruch aus § 635\nBGB auf Ersatz des Erfullungsinteresses gerichtet ist, kann ein deliktischer\nAnspruch des Bestellers nur sein Integritatsinteresse erfassen, d.h. jenen\nSchaden, der in der Rechtsgutverletzung selber liegt oder aus ihr resuliert\nund entwe-der auf Wiederherstellung des fruheren Zustandes (§ 249 BGB) oder\nauf Zahlung einer Entschadigung gemaß § 251 Abs. 1 BGB gerichtet ist (vgl.\nStaudin-ger-Peters a.a.O. Rdnr. 72). Die Geltendmachung eines\nSchadensersatzanspruchs aus dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Eigentums\ndes Bestellers erfordert deshalb grundsatzlich außer dem Vortrag uber eine\nbehauptete Mangelhaftigkeit der Werklei-stung auch erganzende Ausfuhrungen\nuber Art und Um-fang der außerdem verursachten Eigentumsverletzung sowie eine\nvon der Berechnung des Erfullungsscha-dens gemaß § 635 BGB abweichende\nDarstellung und Bezifferung des Sachschadens. Der Vortrag der Kla-gerin\nenthielt hierzu bis zum Schluß der mundlichen Verhandlung in der\nBerufungsinstanz jedoch auch nicht andeutungsweise irgendwelche Ausfuhrungen.\nEs war nicht erkennbar, daß sie zusatzlich zu dem bzw. hilfsweise neben dem\nErfullungsschaden auch einen von seiner Struktur her vollig anderen Anspruch\nauf Ersatz eines Sachschadens geltend machen wollte. Es fehlten auch jegliche\nAngaben dazu, wie hoch ein solcher Schaden moglicherweise sein konnte.\n\n68\n\n##blob##nbsp;\n\n69\n\nDas nach Schluß der mundlichen Verhandlung erstmals erfolgte Vorbringen der\nKlagerin ist auch nicht gemaß § 283 ZPO gleichwohl zu berucksichtigen. Der\nKlagerin war lediglich vorbehalten worden, auf neu-es tatsachliches Vorbringen\nim Schriftsatz der Be-klagten vom 07.01.1994 zu erwidern. Ihr Vortrag zum\nSchadensersatzanspruch aus § 823 BGB wird hierdurch zweifellos nicht gedeckt.\n\n70\n\n##blob##nbsp;\n\n71\n\nEine Wiedereroffnung der geschlossenen mundlichen Verhandlung wird durch das\nneue Vorbringen der Klagerin nicht geboten. Eine Verpflichtung zur\nWiedereroffnung besteht nur zum Zweck der Korrek-tur eines Verfahrensmangels,\ninsbesondere bei ei-ner Verletzung der richterlichen Aufklarungspflicht gemaß\n§§ 139, 278 Abs. 3 ZPO. Ein solcher Mangel liegt nicht vor. Wie bereits\nausgefuhrt hat der Vortrag der Klagerin bis zum Schluß der mundlichen\nVerhandlung in keiner Weise erkennen lassen, daß sie moglicherweise einen\nAnspruch auf Ersatz des Sachschadens geltend machen wollte, insbesondere war\nauch nicht ersichtlich, in welchem Umfang ein solcher Anspruch bestehen\nkonnte. Ein Hinweis des Gericht darauf, daß die Klagerin neben dem von ihr in\nden Anspruchsvoraussetzungen sowie in der Scha-densberechnung im einzelnen\ndargelegten Ersatzan-spruch aus § 635 BGB auch einen davon hinsichtlich der\nVoraussetzungen und Rechtsfolgen unabhangigen und nach seiner Rechtsnatur und\nStruktur vollig an-ders gearteten deliktischen Anspruch haben konnte, war auch\nin Ansehung der richterlichen Hinweis- und Aufklarungspflicht nicht nur nicht\ngeboten, sondern verbot sich vielmehr, war zumindest nicht angezeigt. Ein\nHinweis auf eine vollig andersartige Ersatzmoglichkeit, deren Voraussetzungen\nvon der Klagerin auch nicht ansatzweise vorgetragen worden waren, konnte als\nVerstoß gegen das Gebot der rich-terlichen Neutralitat zu bewerten sein.\n\n72\n\n##blob##nbsp;\n\n73\n\nWenn die Nichtberucksichtigung des neuen Vorbrin-gens der Klagerin nicht\nbereits an der Vorschrift des § 296 a ZPO scheitern wurde, so ware es jeden-\nfalls gemaß § 527 ZPO nicht zu berucksichtigen. Es hatte der Klagerin oblegen,\nden Anspruch aus § 823 BGB jedenfalls im Rahmen der Berufungsbegrun-dung\ngeltend zu machen. Hierzu bestand aller Anlaß, nachdem das Landgericht den\nwerkvertraglichen Scha-densersatzanspruch wegen Verjahrung abgewiesen hat-te.\nDie Berucksichtigung des Vorbringens der Kla-gerin wurde die Erledigung des\nRechtsstreits auch verzogern, da nunmehr Beweiserhebungen zu Art und Umfang\nder aufgetretenen Gewichtsverluste sowie der zugrundeliegenden Ursachen\nerforderlich wurden.\n\n74\n\n##blob##nbsp;\n\n75\n\nSchließlich kann die Nichtberucksichtigung des Vor-bringens der Klagerin auch\nauf die Vorschrift des § 528 Abs. 2 ZPO gestutzt werden, da die Klagerin\nentsprechenden Vortrag bereits im ersten Rechtszug hatte einbringen konnen.\nDaß sie dies nicht getan hat, ist als grobe Nachlassigkeit zu bewerten, da im\nHinblick auf den vorprozessualen Schriftwechsel der Parteien bereits zu Beginn\ndes Rechtsstreits offensichtlich war, daß die Frage der Verjahrung der\nwerkvertraglichen Schadensersatzanspruche das zentrale Thema der\nAuseinandersetzung im Rechts-streit sein wurde.\n\n76\n\n##blob##nbsp;\n\n77\n\n3)\n\n78\n\n##blob##nbsp;\n\n79\n\nDie prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711\nZPO.\n\n80\n\n##blob##nbsp;\n\n81\n\nBerufungsstreitwert und Beschwer der Klagerin: 130.000,00 DM.\n\n
314,028
olgk-1993-09-10-6-u-16393
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
6 U 163/93
1993-09-10
2019-03-13 13:52:14
2019-03-27 09:44:10
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1993:0910.6U163.93.00
## Tenor\n\n \n1\n\n**E n t s c h e i d u n g s g r u n d e**\n\n2\n\n##blob##nbsp;\n\n3\n\nDie Berufung ist zulassig, sie hat aber in der Sa-che keinen Erfolg. Das\nLandgericht hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfugung zu Recht\nzuruckgewiesen, denn die tatsachlichen Vorausset-zungen fur das Bestehen eines\nVerfugungsanspruchs sind nicht hinreichend glaubhaft gemacht.\n\n4\n\n##blob##nbsp;\n\n5\n\nEin Anspruch der Antragstellerin ergibt sich, soweit dessen tatsachliche\nVoraussetzungen im vor-liegenden summarischen Verfahren festgestellt wer-den\nkonnen, nicht aus § 16 Abs. 1 UWG.\n\n6\n\n##blob##nbsp;\n\n7\n\n§ 16 Abs. 1 UWG verbietet, im geschaftlichen Ver-kehr die besondere\nBezeichnung einer Druckschrift in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist,\nVerwechslungen mit der besonderen Bezeichnung her-vorzurufen, deren sich ein\nanderer befugtermaßen bedient. Wettbewerbsrechtlichen Schutz nach dieser\nRegelung konnen grundsatzlich auch Untertitel ge-nießen (vgl. BGH GRUR 1990,\n218, 219 - "Verschenk-texte I" m.w.N.; Baumbach/Hefermehl, 17. Aufl., Rdnr.\n117 zu § 16 UWG).\n\n8\n\n##blob##nbsp;\n\n9\n\nEin Titel oder Untertitel ist aber nur dann eine "besondere Bezeichnung" im\nSinne des § 16 Abs. 1 UWG, wenn er hinreichende Unterscheidungskraft be-sitzt.\nDies ist zum einen dann der Fall, wenn der (Unter-)Titel von Natur aus\nunterscheidungskraftig ist, zum anderen dann, wenn er kraft Verkehrsgel-tung\nUnterscheidungskraft erlangt hat. Die erste alternative Moglichkeit hat die\nAntragstellerin nicht dargetan, die zweite ist nicht hinreichend glaubhaft\ngemacht.\n\n10\n\n##blob##nbsp;\n\n11\n\nDie Bezeichnung "Ausstellungshandbuch" ist nicht von Natur aus\nunterscheidungskraftig. Unterschei-dungskraft setzt voraus, daß der Begriff\nbzw. der Titel nicht nur den Inhalt des Werkes bezeichnet, sondern daß er\ngeeignet und bestimmt ist, das Werk von anderen Werken zu unterscheiden (vgl.\nBGH GRUR 1959, 45 - "D. Illustrierte"; GRUR 1963, 377 - D. Zeitung"). Die\nBezeichnung "Ausstellungshand-buch" erfullt diese Voraussetzung nicht. Sie\nsetzt sich aus zwei rein beschreibenden Angaben zusammen - "Ausstellung" und\n"Handbuch" -, die fur sich be-trachtet nicht unterscheidungskraftig sind.\n\n12\n\n##blob##nbsp;\n\n13\n\nAuch der hier gewahlten Wortverbindung \\- "Ausstel-lungshandbuch" - fehlt es\naber an der hinreichen-den Unterscheidungskraft. Diese ware nur anzuneh-men,\nwenn es sich um eine eigenartige, phantasie-volle Zusammensetzung der beiden\nWorter handelte, die der Verkehr bei der Verwendung als Unterti-tel eines\nBuches als geeignet ansieht, dieses Werk von anderen Buchern zu unterscheiden\n(vgl. BGH GRUR 1993, 488, 490 - "Verschenktexte II"). Hiervon kann im\nStreitfall nicht ausgegangen wer-den. Auch die Wortzusammenfugung ergibt\nvielmehr eine sprachliche Bezeichnung rein beschreibenden Inhalts. In ihrer\nKombination werden die beiden umgangssprachlichen Worter lediglich\nentsprechend ihrem ursprunglichen, rein beschreibenden Wortsinn verwendet: Es\nhandelt sich um ein Handbuch der (Kunst-)Ausstellungen. Tatsachlich werden in\ndem Werk denn auch Galerien und Kunstvereine als Tra-ger von\nKunstausstellungen aufgelistet. Die Wort-verbindung ist damit weder\nungewohnlich noch ge-winnt sie eine uber den bloßen Begriffsinhalt hin-\nausgehende Eigenart. Wenn die Antragstellerin in ihrer Berufungsbegrundung\nselbst hervorhebt, der Untertitel klare uber den Inhalt des Buches auf, so\nunterstreicht dies, daß die Bezeichnung rein beschreibende Angaben enthalt,\nund spricht dafur, daß sie fur den Verkehr beschreibend - moglicher-weise auch\ngattungsbestimmend -, nicht aber kenn-zeichnend wirkt.\n\n14\n\n##blob##nbsp;\n\n15\n\nOhne Erfolg macht die Antragstellerin in diesem Zusammenhang geltend, es\nexistiere kein Handbuch zur Ausstellungspraxis im Kunstmarkt, der Begriff\n"Ausstellungshandbuch" komme sonst auf dem Markt der Druckwerke nicht vor.\nAuch wenn dies zutref-fen sollte, laßt dies die rein beschreibenden und im\numgangssprachlichen Verstandnis gebrauchten Begriffe sowie deren Kombination\nnicht als so ungewohnlich erscheinen, daß von originarer Unter-scheidungskraft\nausgegangen werden konnte.\n\n16\n\n##blob##nbsp;\n\n17\n\nMit ihrer Behauptung, die Bezeichnung "Ausstel-lungshandbuch" habe sich als\nHerkunftshinweis auf das von ihr verlegte und vertriebene Druckwerk\ndurchgesetzt, legt die Antragstellerin dar, daß die Bezeichnung, deren Schutz\nsie begehrt, die nach § 16 Abs. 1 erforderliche Unterscheidungkraft aufgrund\nvon Verkehrsgeltung besitze. Diese Sach-darstellung hat sie aber nicht mit dem\nfur den Erlaß einer einstweiligen Verfugung erforderlichen Grad von\nWahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.\n\n18\n\n##blob##nbsp;\n\n19\n\nDer Bekanntheitsgrad einer Bezeichnung, insbeson-dere der dafur maßgebliche\n"nicht unbetrachtliche Teil des Verkehrs", stellt im Rahmen der Prufung des §\n16 Abs. 1 keine konstante Große dar. Er hangt vielmehr zum einen davon ab, ob\nund inwie-weit der Bezeichnung ihrer Art nach wenigstens eine gewisse\nUnterscheidungsfahigkeit zukommt und ob die Moglichkeit, ihr eine\nkennzeichnende Wir-kung beizumessen, ganz fern oder naher liegt. Zum anderen\nist von Bedeutung, ob und in welchem Maße ein Freihaltebedurfnis der\nAllgemeinheit besteht. Je weniger mithin ein Wort oder Begriff zur Kenn-\nzeichnung uberhaupt geeignet erscheint, d. h. je beschreibender es sich\ndarstellt, desto hoher sind die Anforderungen an seine Bekanntheit zu stellen\n(vgl. BGHZ 21, 182, 193 - "Funkberater" -; Groß-kommentar/Teplitzky, Rdnr.\n217, 218 zu § 16 UWG m.w.N.). Überdies sind um so strengere Maßstabe an die\nBekanntheit eines Begriffs als Kennzeichnung anzulegen, je wichtiger seine\nFreihaltung fur den allgemeinen Gebrauch oder den Gebrauch der in Be-tracht\nstehenden Verkehrskreise ist (vgl. BGHZ 34, 299, 305, "Almglocke/Almquell";\nGroßkommentar/Te-plitzky, Rdnr. 219 zu § 16 UWG).\n\n20\n\n##blob##nbsp;\n\n21\n\nDer im Streitfall zu beurteilende Begriff "Aus-stellungshandbuch" stellt sich\nals praktisch aus-nahmslos beschreibende und gattungsbezogene Be-zeichnung\ndar, bei der die Moglichkeit, ihr ei-ne individuell kennzeichnende Wirkung\nbeizumessen, sehr fern liegt. Schon deswegen sind die Anforde-rungen, die an\nden Nachweis bzw. die Glaubhaftma-chung der Verkehrsgeltung zu stellen sind,\nsehr hoch anzusetzen. Da es sich um eine glatte Bestim-mungsangabe handelt -\nes geht um ein "Handbuch", das (Kunst)"Ausstellungen" zum Gegenstand hat -\nbesteht an der Freihaltung des Begriffs zudem ein erhebliches Bedurfnis.\n\n22\n\n##blob##nbsp;\n\n23\n\nDen danach aus zweifachem Grund zu stellenden hohen Anforderungen an den Grad\nvon Wahrschein-lichkeit, die im Rahmen der Glaubhaftmachung an die\nVerkehrsgeltung zu stellen sind, genugen die von der Antragstellerin\nangefuhrten Belege und In-diztatsachen weder je fur sich noch bei einer Ge-\nsamtbetrachtung. Insoweit reicht es nicht aus, daß einige Buchhandlungen -\noffensichtlich ausnahmslos in K. bzw. im Großraum K. - auf die Frage nach\neinem Buch mit dem Titel oder Untertitel "Ausstel-lungshandbuch" das Werk der\nAntragstellerin ge-nannt haben. Die vorgelegten Bestellungen einzel-ner Kaufer\nals "Endverbraucher" sind abgesehen von ihrer geringen Zahl schon deswegen\nwenig aussage-kraftig, weil sie großenteils entweder den vorge-legten\nBestellcoupon benutzen, der vereinfachend von "Ausstellungshandbuch" spricht,\noder zumindest nicht ausschließen lassen, daß sie sich schlicht an der dort\nvorgegebenen Formulierung orientieren. Lediglich zwei der uberreichten\nBestellungen von "Endverbrauchern" beschranken sich auf die Angabe des\nBegriffs "Ausstellungshandbuch", um damit das Werk der Antragstellerin zu\nindividualisieren.\n\n24\n\n##blob##nbsp;\n\n25\n\nDie vorgetragene Auflagenhohe ist fur sich ohne deutliche Aussagekraft im\nHinblick auf die Durch-setzung der Bezeichnung "Ausstellungshandbuch" als\nTitelbestandteil. Dasselbe gilt fur die Eintragung des Werkes in der Deutschen\nBibliothek und die Angabe der - zusatzlichen - Bezeichnung "Ausstel-\nlungshandbuch" in einem Presseartikel.\n\n26\n\n##blob##nbsp;\n\n27\n\nAuch bei einer Gesamtbetrachtung sind die vorge-nannten Umstande nicht\ngeeignet, eine Verkehrs-geltung des Begriffs "Ausstellungshandbuch" als\nUntertitel fur das Werk der Antragstellerin als hinreichend wahrscheinlich\nanzusehen. Dem steht angesichts der aus den oben genannten Grunden zu\nstellenden hohen Anforderungen schon die geringe Zahl der befragten\nBuchhandler und der vorgelegten Bestellungen entgegen, die nicht annahernd als\nre-prasentativ bezeichnet werden konnen.\n\n28\n\n##blob##nbsp;\n\n29\n\nWas den von der Antragstellerin neben § 16 Abs. UWG angesprochenen\nWettbewerbsschutz nach § 1 UWG vor Herkunftstauschung angeht, ist zu\nberucksich-tigen, daß die sonderrechtlichen Tatbestande, zu denen auch § 16\nUWG gehort, eine abschließende Regelung enthalten, die hinsichtlich einer\nwettbe-werbsrechtlichen Herkunftstauschung keine anderen Voraussetzungen\nkennen, als das allgemeine Wett-bewerbsrecht. Deswegen kann ein\nWettbewerbsschutz vor Herkunftstauschung im Streitfall nur dann in Betracht\nkommen, wenn besondere weitere Umstande den Vorwurf der Sittenwidrigkeit\nbegrunden (vgl. BGH NJW RR 1990, 1194, 1196 = GRUR 1990, 681 - "S."). Solche\nzusatzlichen Umstande sind hier im Zusammenhang mit der behaupteten\nHerkunftstau-schung nicht dargetan.\n\n30\n\n##blob##nbsp;\n\n31\n\nDie Antragstellerin stutzt ihr Begehren außerdem auf § 1 UWG unter dem\nGesichtspunkt der Rufaus-nutzung bzw. Rufausbeutung. Nach der Rechtspre-chung\ndes Bundesgerichtshofes kommt eine Verlet-zungshandlung im Sinne des § 1 UWG\nauch dann in Betracht, wenn der Ruf der Kennzeichnung eines an-deren fur die\neigene Werbung ausgenutzt wird (vgl. BGH GRUR 1985, 550 - "D."; GRUR 1991,\n465, 466 - "S.").\n\n32\n\n##blob##nbsp;\n\n33\n\nDie Voraussetzungen des § 1 UWG unter dem Ge-sichtspunkt der Rufausbeutung\nsind aber ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Voraussetzung fur einen\nderartigen Anspruch ist, daß besondere Umstande den Vorwurf eines Verstoßes\ngegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG rechtfertigen. Erforderlich ist\ndanach, daß die Bezeichnung, auf die sich der Anspruchsteller beruft, im\nVerkehr einen gewissen Ruf erlangt hat, also bekannt geworden ist (BGH a.a.O.,\n466). Gefordert wird ein hoher Grad der Bekanntheit und vor allem ein solches\nAnsehen der Kennzeichnung, daß deren Ausnutzung durch Anlehnung einerseits fur\nden Konkurreten lohnend und andererseits - wegen des mit der Kennzeichnung\ndurch besondere Leistungen des Inhabers geschaffe-nen Wertes - objektiv\nunlauter erscheint (vgl. BGH GRUR 1991, 609, 612 "S." = BGHZ 113, 115).\n\n34\n\n##blob##nbsp;\n\n35\n\nDie Antragstellerin tragt sowohl im Hinblick auf das konkrete Werk mit der\nBezeichnung "Ausstel-lungshandbuch" als auch im Hinblick auf die Reihe\n"Handbucher fur Kunstler" lediglich vor, die Antragsgegnerin hange sich an den\nguten Ruf und die hohen Verkaufserfolge an und profitiere so von dem\neingefuhrten Titel. Dies reicht fur die Darle-gung und Glaubhaftmachung eines\nhohen Grades von Bekanntheit und des erforderlichen Ansehens nicht aus. Auch\ndie angegebenen Verkaufszahlen genugen fur sich noch nicht, um die\nvorgenannten Anforde-rungen an den wettbewerbsrechtlichen Schutz einer\nKennzeichnung gegen eine ihren Ruf ausnutzende Benutzung zu erfullen.\nAbgesehen davon, daß zwei-felhaft ist, ob angesichts der vorgetragenen Auf-\nlagenzahlen von "hohen Verkaufserfolgen" die Rede sein kann, ist zum Ansehen\nder Kennzeichnung im Verkehr nichts substantiiert dargelegt.\n\n36\n\n##blob##nbsp;\n\n37\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.\n\n38\n\n##blob##nbsp;\n\n39\n\nDas Urteil wird mit seiner Verkundung rechtskraf-tig, § 545 Abs. 2 ZPO.\n\n
314,086
olgham-1993-07-14-20-u-693
821
Oberlandesgericht Hamm
olgham
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
20 U 6/93
1993-07-14
2019-03-13 13:53:49
2019-03-27 09:44:01
Urteil
ECLI:DE:OLGHAM:1993:0714.20U6.93.00
## Tenor\n\nDie Berufung der Beklagten gegen das am 29. Oktober 1992 verkundete Urteil der\n2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird mit der Maßgabe zuruckgewiesen,\ndaß an die Stelle der mit 7,7 % ausgeurteilten Zinsverpflichtung eine solche\nvon 6,5 % tritt.\n\nDie Kosten der Berufung tragt die Beklagte.\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDer Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 310.000,00 DM abzuwenden, sofern nicht die\nKlagerin Sicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\nBeide Parteien konnen die Sicherheit auch durch unbefristete Burgschaft einer\ndeutschen Großbank oder offentlichen Sparkasse erbringen.\n\n \n1\n\n**Tatbestand:**\n\n2\n\nDie Klagerin ist Feuerversicherer einer Firma .... Diese hatte aus einer\nKonkursmasse ein Gebaude erworben, in dem sie ihre Geschafte betrieb. In\nanderen Etagen dieses Gebaudes waren vom Konkursverwalter zu entfernende\nMaschinen untergebracht. Der Konkursverwalter erteilte der ... deren\nHaftpflichtversicherer die Beklagte ist, den Auftrag, die Maschinen zu\ndemontieren. Bei den dazu durchgefuhrten Schweißarbeiten gerieten am\n12.07.1983 Schweißperlen in einen nicht vollstandig abgedeckten\nLuftungsschacht, wobei sich zunachst textile Abfalle entzundeten. Das Feuer\nbreitete sich auf Gebaude, Betriebseinrichtung und Warenvorrate aus. Die\nKlagerin entschadigte ihren Versicherungsnehmer mit 211.386,00 DM.\n\n3\n\n... hatte bei der Beklagten eine Betriebshaftpflichtversicherung fur die von\nihm betriebene Metall- und Stahlbauschlosserei mit einer Hochstleistungsgrenze\nvon 300.000,00 DM fur Sachschaden abgeschlossen. Vertragsinhalt waren\nBesondere Bedingungen und Allgemeine Risikobeschreibungen, wobei streitig ist,\nwelche Fassung dem Vertrag zugrunde liegt. Nr. 10 der Besonderen Bedingungen,\nFassung 78, inhaltlich gleichlautend mit allen anderen in Betracht kommenden\nFassungen, lautet: Besondere Bedingungen fur Haftpflichtanspruche aus Feuer-\nund Explosionssachschaden, aus Anlaß von Schweiß-, Schneid-, Lot-, Abbrenn-\nund Auftauarbeiten. Fur Haftpflichtanspruche aus Feuer- und Explosionsschaden,\naus Anlaß von\n\n4\n\na) Schweiß\\- und Schneidarbeiten mit Brenngas (autogen) oder elektischem\nStrom,\n\n5\n\nb) ...,\n\n6\n\nbesteht kein Versicherungsschutz, wenn diese Arbeiten auf fremden Grundstucken\nausgefuhrt werden von Personen unter 18 Jahren oder von Lehrlingen oder von\nPersonen, die nicht nachweislich mit Gerat und Verfahren vertraut sind\n(Selbstbeteiligung ...).\n\n7\n\nIn E II der Allgemeinen Risikobeschreibung, Fassung 1978, heißt es: Nicht\nversichert wird die Haftpflicht\n\n8\n\n1\\. aus vorschriftswidrigem Umgang mit brennbaren oder explosiblen Stoffen;\n\n9\n\n2\\. ...\n\n10\n\nDiese Klausel ist in der Fassung 1981, die die Beklagte mit Klageerwiderung\nund im Termin vor der Landgericht vom 01.10.1992 nachdrucklich als vereinbart\nbehauptet hat, (nur) in folgender Fassung enthalten:\n\n11\n\nNr. 21 Besondere Bedingung fur Brand- und Explosionsschaden Bei Schaden\ninfolge vorschriftswidrigen Umgangs mit brennbaren oder explosiblen Stoffen\nist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei.\n\n12\n\nDer Schadenfall wurde der Beklagten am 22.07.1983 angezeigt. Mit Schreiben vom\n28.09.1983 (Bl. 24 f. GA) lehnte die Beklagte gegenuber ihrem VN ... die\nEintrittspflicht fur Sachschaden, die nicht aufgrund des Brandes, sondern\ndurch die Abbrucharbeiten entstanden sind, ab. Im ubrigen behielt sie sich\neine Überprufung vor. Mit Schreiben vom 04.10.1984 (Bl. 26 f. GA) lehnte die\nBeklagte die Eintrittspflicht dann auch hinsichtlich des Brandschadens ab. Das\nSchreiben schließt mit folgender Belehrung: "Sollten Sie der Ansicht sein, das\nunsere Ablehnung zu Unrecht ausgesprochen wurde, haben sie das Recht, ihren\nvermeintlichen Anspruch auf Gewahrung des Versicherungsschutzes innerhalb von\n6 Monaten nach Empfang dieses Schreibens geltend zu machen (§12 III VVG)".\n\n13\n\nAuch die Klagerin hatte sich schon fruhzeitig an die Beklagte gewandt. Es\nfanden weitere Verhandlungen, zumindest am 07.11.1984, statt, die mit einem\nVergleichsangebot der Beklagten an die Klagerin vom 16.11.1984 (Bl. 12 GA) zur\nZahlung von 150.000,00 DM an die Klagerin endeten. Die Klagerin ließ im\nHinblick auf Probleme mit ihren Mitversicherern dieses Angebot jedoch\nunbeantwortet. Mit Schreiben vom 04.12.1985 lehnte die Beklagte gegenuber der\nKlagerin dann jedwede Zahlungen ab.\n\n14\n\nUnter dem 03.09.1985 hatte die Klagerin dem VN der Beklagten ... mitgeteilt,\ndaß die Beklagte sich ihr gegenuber bereit erklart habe, an sie 150.000,00 DM\nzu zahlen. Da sie 213.065,60 DM an Zeitwertentschadigung geleistet habe,\nblieben 63.065,60 DM, die ... ihr ausgleichen musse. Mit Schreiben vom\n09.09.1985 wandte sich ..., unter Beifugung des vorgenannten Schreibens an die\nBeklagte mit der Bitte um Erklarung, warum der Schaden nicht in vollem Umfang\nubernommen worden sei, obwohl er ihn doch ordnungsgemaß gemeldet habe. Die\nBeklagte will dieses Schreiben zunachst unbeantwortet gelassen haben.\nUnstreitig vereinbarte dann die Sachbearbeiterin der Beklagten ... am\n22.10.1985 mit Rechtsanwalt ... einen Besprechungstermin fur den 09.11.1985,\nder auf den 25. (oder 26.) 11.1985 verlegt werden mußte. An diesem Tag fuhr\nFrau ... nach Meschede, um mit ... die Angelegenheit zu besprechen. Am\n26.11.1985 (Bl. 14 GA) vereinbarte die Beklagte dann mit ihrem\nVersicherungsnehmer, daß letzterer gegen Zahlung eines Betrages von 100.000,00\nDM mit allen Versicherungsanspruchen aus dem Schadenfall abgefunden sei. Der\nBetrag wurde spater auf 115.000,00 DM erhoht. Dieser Betrag wurde am\n04.12.1985 an ... ausgezahlt, der ihn weitestgehend an ... weiterleitete.\n\n15\n\nDies verschwieg die Beklagte gegenuber der Klagerin. Mit Schreiben vom\n04.12.1985 teilte sie der Klagerin vielmehr mit, daß der VN keinen\nVersicherungsschutz genieße und sie, die Beklagte, sich mit der Sache auch\nnicht mehr befasse.\n\n16\n\nAm 05.11.1986 erhob die Klagerin dann Klage gegenuber der Beklagten auf\nFeststellung von Versicherungsschutz zugunsten des VN der Beklagten,\nausdrucklich, um die Frist des §12 Abs. 3 VGG nicht zu versaumen und die\nVerjahrung zu unterbrechen. Die Klage wurde, nachdem am 11.11.1986 der\nStreitwert vorlaufig festgesetzt worden, am 18.11.1986 die\nZahlungsaufforderung herausgegangen und nach Zahlung am 28.11.1986 terminiert\nworden war, der Beklagten am 03.12.1986 zugestellt.\n\n17\n\nSchon vorher, im August 1986, hatte die Klagerin gegenuber ... und seinen\nMitarbeitern die auf sie ubergegangenen Anspruche der Firma ... rechtshangig\ngemacht. Durch rechtskraftiges Schlußurteil des Landgerichts Munster vom\n06.03.1990 (15 O 661/86) wurde der Versicherungsnehmer der Beklagten zusammen\nmit dem ausfuhrenden Schweißer unter Abweisung der Klage gegenuber einem\nweiteren Mitarbeiter des VN gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 205.803,00 DM\nsowie des uberwiegenden Teil der entstandenen Kosten verurteilt. In dem dem\nSchlußurteil zugrunde liegenden rechtskraftigen Grundurteil des OLG Hamm vom\n18.08.1988 (27 U 100/87) heißt es, daß die getroffenen Vorsichtsmaßnahmen zur\nBeseitigung der Brandgefahr nicht ausgereicht hatten, diese auszuschließen.\n..., dem die die Brandgefahr ausgestaltenden Einzelumstande bekannt waren,\nhatte die Absaugschachte von brennbaren Textilabfallen reinigen oder auch\nnaher erorterte andere Schutzmaßnahmen ergreifen mussen. Wenn er dies nicht\ngetan habe, stelle dies einen fahrlassigen Verstoß gegen einschlagige\nUnfallverhutungsvorschriften, insbesondere §8 Abs. 3, 26.0 UVV Schweißen,\nSchneiden (Bl. 11 GA) dar. Der die Schweißarbeiten tatsachlich ausfuhrende\nMitarbeiter verfugte, wie jetzt auch zwischen den Parteien nicht mehr streitig\nist, uber einen Schweißschein. Spater erwirkte die Klagerin gegenuber ... noch\nein rechtskraftiges Versaumnisurteil des Landgerichts Munster vom 12.12.1990\n(12 O 515/90) uber einen Betrag von 33.157,15 DM. Dabei handelt es sich um die\nim ersten Prozeß nicht geltend gemachten Zinsen fur den Zeitraum vom\n16.07.1986 bis zum 26.07.1990. Über die Kosten erwirkte die Klagerin\nKostenfestsetzungsbeschlusse. Wegen der ausgeurteilten Forderungen aus beiden\nTiteln und der festgesetzten Kosten erwirkte die Klagerin dann Pfandungs- und\nÜberweisungsbeschluse vom 12.06.1990, 28.01. und 21.10.1991. Hieraus geht sie\nnunmehr gegenuber der Beklagten vor.\n\n18\n\nDie Beklagte hat sich darauf berufen, gegenuber ihrem VN wegen der eingangs\nerwahnten beiden Klauseln leistungsfrei zu sein. Hierzu hatte sie ursprunglich\nbehauptet, der ausfuhrende Schweißer habe keinen Schweißschein besessen.\nFerner halt sich die Beklagte wegen Ablaufs der Frist des §12 Abs. 3 VVG fur\nleistungsfrei. Im ubrigen vertritt sie die Auffassung, daß sie mit ihrem VN\neinen Vergleich geschlossen habe, und mehr konne auch die Klagerin nicht\nverlangen. Letztlich halt die Beklagte die gegenuber ihr geltend gemachten\nAnspruche fur verjahrt.\n\n19\n\nDie Klagerin meint dazu, die Verjahrungsfrist sei nicht mit dem Ablauf des\n31.12.1985 verstrichen, weil der Anspruch bis zur endgultigen Ablehnung vom\n04.12.1985 bzw. 07.01.1986 ihr gegenuber gehemmt gewesen sei. Im ubrigen habe\ndie Beklagte ihre Einstandspflicht durch die Vereinbarung mit ihrem VN\nanerkannt.\n\n20\n\nDas Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung der Klage unter Abzug\neines vereinbarten Selbstbehaltes von 2.000,00 DM nebst anteiliger Zinsen\nentsprochen. Wegen der Begrundung und zur weiteren Sachdarstellung wird auf\ndas angefochtene Urteil (Bl. 254 ff. GA) Bezug genommen.\n\n21\n\nMit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie\nhalt die Argumentation des LG fur verfehlt. Eine Eintrittspflicht der\nBeklagten bestehe nicht, weil diese nach der Brandklausel leistungsfrei sei.\nDie Vorschrift werde nicht durch die Schweißklausel verdrangt, weil ein\nWiderspruch zwischen beiden nicht bestehe. Einer Kundigung, unstreitig hatte\ndie Beklagte den Versicherungsvertrag nicht gekundigt, habe es nicht bedurft,\nweil es sich nicht um eine Obliegenheitsverletzung gehandelt habe, und weil\nder VN seinerseits - unstreitig - zum 31.01.1984 den Versicherungsvertrag\ngekundigt habe. Sie selbst habe Kenntnis von dem Verstoß ... gegen die\nUnfallverhutungsvorschriften erst durch das Urteil des OLG Hamm vom 18.08.1988\nerhalten, so die Darstellung der Beklagten im Kammertermin vom 01.10.1992 bzw.\naus den Strafakten im Jahre 1984, so im Senatstermin. Auch greife, so meint\ndie Beklagte weiter, der Einwand aus §12 Abs. 3 VVG durch, zumal es sich bei\nder Abfindungserklarung vom 26.11.1985 um eine reine Kulanzzahlung von\n115.000,00 DM gehandelt habe. Deshalb liege auch kein die Verjahrung\nunterbrechendes Anerkenntnis vor, was, so meint die Berufung letztlich, auch\nallenfalls zu einer Verjahrungsunterbrechung in Hohe von 115.000,00 DM habe\nfuhren konnen.\n\n22\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n23\n\nabandernd die Klage in vollem Umfang abzuweisen.\n\n24\n\nDie Klagerin beantragt,\n\n25\n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n26\n\nSie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie bestreitet, daß Bedingungen mit\nBrandklausel vereinbart sind und vertritt die Auffassung, diese Klausel sei\njedenfalls unwirksam. Die Belehrung nach §12 Abs. 3 VVG sei untauglich. Auch\nsei der Anspruch nicht verjahrt. Hierzu behauptet die Klagerin, die erneuten\nVerhandlungen des Versicherungsnehmers mit der Beklagten hatten mit Zugang des\nSchreibens vom 09.09.1985 am 12.09.1985 (richtig: 10.09.1985) begonnen. Im\nubrigen bezeichnet die Klagerin die Verjahrung auch durch das Verhalten der\nBeklagten ihr gegenuber jedenfalls bis zum 04.12.1985 als gehemmt.\n\n27\n\nDie Akten 15 661/86 und 12 O 515/90 Landgericht Munster lagen vor und waren\nGegenstand der mundlichen Verhandlung.\n\n28\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringen wird auf den\nvorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen Bezug\ngenommen.\n\n29\n\n**Entscheidungsgr unde:**\n\n30\n\nDie Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Herabzusetzen - von 7,7 % auf\n6,5 % - war lediglich der vom Landgericht ausgeurteilte Zinsschaden, nachdem\nsich die Parteien im Senatstermin darauf verstandigt haben.\n\n31\n\nDie Leistungspflicht des Versicherungsnehmers der Beklagten Rettler gegenuber\nder Klagerin aus dem Schadenfall vom 12.07.1983 steht aufgrund der Urteile des\nLandgerichts Munster rechtskraftig fest. Hierfur, einschließlich der durch\nKostenfestsetzungsbeschlusse festgestellten Erstattungspflicht bezuglich der\nProzeßkosten ist die Beklagte, nachdem die Klagerin Pfandungs- und\nÜberweisungsbeschlusse erwirkt hat, dieser gegenuber einstandspflichtig, wenn\nsie nicht aus versicherungsvertragsrechtlichen Grunden leistungsfrei ist. Dies\nmacht die Beklagte auch allein geltend.\n\n32\n\n**1.**\n\n33\n\nZu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, sie sei nach E II 1 der\nAllgemeinen Risikobeschreibung (Brand- und Explosionsklausel) fur den\nSchadenfall vom 12.07.1983 nicht einstandspflichtig.\n\n34\n\na)\n\n35\n\nEs kann offenbleiben, welche der von der Beklagten vorgelegten Bedingungswerke\ndem Haftpflichtversicherungsvertrag zugrunde liegen. Die Bedingungswerke 1976\nund 1978 sind, soweit es um die hier maßgeblichen Klauseln geht, identisch.\nEntgegen der Annahme der Klagerin enthalten auch die Bedingungen 1981, die die\nBeklagte mit der Klageerwiderung in Ablichtung (Bl. 29 ff. GA) und im Termin\nvor dem Landgericht vom 01.10.1992 im Original (Hulle Bl. 218 GA) vorgelegt\nhat ebenfalls eine Brand- und Explosionsklausel (Nr. 21 BB). Die Änderung der\nVertragsbedingungen beruht offensichtlich auf einer Anordnung des BAV vom\n20.05.1981, das die Verwendung der Klausel in der bisherigen Fassung verboten\nund eine neue Klausel vorgeschrieben hatte. Die Neufassung berucksichtigt die\nohnehin durch die Rechtsprechung des BGH (VersR 80, 153) gefestigte\nAuffassung, daß es sich bei der Klausel nicht um einen Leistungsausschluß,\nsondern um die Festlegung einer Obliegenheit handelt auch in dem Wortlaut der\nKlausel selbst. Konsequent hat die Beklagte die Klausel deshalb auch aus den\nAllgemeinen Risikobeschreibungen heraus und in die Besonderen Bedingungen -\nhier unter der Nr. 21 - hineingenommen. Der Sache nach andert sich dadurch\nnichts, weil die Klausel lediglich die, wie erwahnt, Auslegung der bisherigen\nKlausel durch die Rechtsprechung, erzwungen durch das BAV, nachvollzieht.\n\n36\n\nb)\n\n37\n\nDer Senat halt schon fur nicht zweifelsfrei, ob das Verhalten des VN ... die\nTatbestandsmerkmale eines vorschriftswidrigen Umgangs mit brennbaren Stoffen\nerfullt. Zwar ist das zum Schweißen verwendete Gas (bestimmungsgemaß)\nbrennbar. ... wird aber kein vorschriftswidriger Umgang mit dem brennbaren\nStoff (Gas) vorgeworfen, sondern die nicht vollig ausreichende Abdeckung der\nLuftungsschachte, in denen sich aus der fruheren Funktion des Gebaudes als\nTextilfabrik her noch hochbrennbare Textilreste und Flusen befanden. Dies\nstellt zwar einen Verstoß gegen §8 UVV Schweißen dar, die als Vorschrift der\nBerufsgenossenschaft Vorschrift im Sinne der Vertragsklausel ist (hierzu BGH\nVersR 90, 887). Nach dem Wortlaut der Klausel genugt aber ein Verstoß gegen\nVorschriften, die der Brandbekampfung dienen nicht ohne weiteres. Der\nvorschriftswidrige Umgang muß sich vielmehr - jedenfalls bei enger Auslegung -\nauf den brennbaren Stoff selbst beziehen. Dies konnte eine Auslegung dahin\nnahelegen, daß ein Verstoß gegen sekundare Schutzmaßnahmen (hier: Sicheres\nAbdecken der Luftungsschachte) nicht genugt. Der Schaden ware in gleicher\nWeise eingetreten, wenn nicht mit Brenngas, sondern mit elektrischem Strom\ngeschweißt worden ware. Vorzuwerfen ist Rettler deshalb letztlich nicht ein\nvorschriftswidriger Umgang mit brennbaren Stoffen, sondern ein fahrlassiger\nVerstoß gegen Vorsichtsmaßnahmen, die in gleicher Weise erforderlich geworden\nwaren, wenn er nicht mit brennbaren Stoffen gearbeitet hatte. Dies kann aber\nletztlich unentschieden bleiben.\n\n38\n\nc)\n\n39\n\nDie Brand- und Explosionsklausel ist auf Schweißarbeiten mit Brenngas\nuberhaupt nicht anwendbar. Hierfur hatte die Beklagte in Nr. 10 der Besonderen\nBedingungen (Fassung 1976 und 1978) fur Haftpflichtanspruche aus Feuer- und\nExplosionsschaden aus Anlaß von (u.a.) Schweißarbeiten bestimmt, daß kein\nVersicherungsschutz bestehe, wenn diese Arbeiten auf fremden Grundstucken\nausgefuhrt werden von Personen unter 18 Jahren oder von Lehrlingen oder von\nPersonen, die nicht nachweislich mit Gerat und Verfahren vertraut sind. Diese\nKlausel kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei aufmerksamer\nDurchsicht und verstandiger Wurdigung der AGB unter Berucksichtigung des dabei\nerkennbar werdenden Sinnzusammenhanges nur so verstehen, daß im ubrigen\nVersicherungsschutz zugesagt ist. Dieser Versicherungsschutz ware, wenn auf\nSchweißarbeiten _auch_ die Brand- und Explosionsklausel anwendbar ware,\nweitestgehend ausgehohlt. Die Durchfuhrung von Schweißarbeiten ist in den\nUnfallverhutungsvorschriften im einzelnen geregelt. Fast immer wird deshalb im\nBereich der Betriebshaftpflichtversicherung ein vorschriftswidriger Umgang mit\nbrennbaren Stoffen zu bejahen sein, wenn es zu einem Schaden kommt. Dies gilt\njedenfalls dann, wenn man der zuvor erorterten Auffassung (oben b)) nicht\nfolgt. So verhalt es sich auch hier, wie das OLG Hamm im Haftpflichturteil\nfestgestellt hat. Dies hatte aber zur Folge, daß der Umgang mit\nSchneidbrennern nur in Ausnahmefallen uberhaupt noch versichert ware: Wenn es\nam Verschulden fehlt, liegt ohnehin kein ersatzpflichtiger Schaden vor. Bei\nVorsatz ist der Versicherer nach §61 VVG leistungsfrei. Der fahrlassige Umgang\nbegrundet in aller Regel auch einen Verstoß gegen Unfallverhutungsvorschriften\nund ist dann nach der Brand- und Explosionsklausel von der\nVersicherungsleistung ausgeschlossen. Nach Nr. 10 der Besonderen Bedingungen\nbesteht Leistungsfreiheit bei Feuer- und Explosionsschaden aus Anlaß von\nSchweiß\\- und Schneidarbeiten aber nur dann, wenn, abgesehen von den\nAltersgrenzen, der Ausfuhrende mit Gerat und Verfahren nicht nachweislich\nvertraut ist. Der Fall eines pflichtwidrigen Umganges mit Brenngas, auch\nsoweit es sich um einen Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften handelt, ist\ndanach in den Versicherungsschutz einbezogen. Die Bedingungen widersprechen\nsich deshalb weitestgehend, soweit es um Feuer- und Explosionsschaden aus\nAnlaß von Schweiß\\- und Schneidarbeiten geht. Zu Recht weist die Klagerin\ndarauf hin, daß durch die Brand- und Explosionsklausel das zuruckgenommen\nwurde, was durch die Schweißklausel als versichert dargestellt wird. Ein\nverstandiger Versicherungsnehmer wird deshalb bei aufmerksamer Durchsicht und\nverstandiger Wurdigung die Schweißklausel als Sondervorschrift zur Brand- und\nExplosionsklausel ansehen, die in ihrem Anwendungsbereich die Brand- und\nExplosionsklausel ausschließt.\n\n40\n\nd)\n\n41\n\nHielte man eine solche Auslegung der Versicherungsbedingungen nicht fur\ngerechtfertigt, verhielte sich die Beklagte jedenfalls treuwidrig, wenn sie\nsich auf die Brand- und Explosionsklausel beruft. Die Beklagte hat eine\nBetriebshaftpflichtversicherung fur eine Metall- und Stahlbauschlosserei\nabgeschlossen. Im Betrieb ... mußte zwangslaufig tagtaglich geschweißt werden.\nDie Unfallverhutungsvorschriften sind aufgrund langjahriger Erfahrungen\nentstanden und zeigen die besonderen Gefahrenmomente auf, die es zu bedenken\ngilt, um Schaden vorzubeugen. In der großen Mehrheit der Schadenfalle liegt\ndeshalb ein schuldhafter Verstoß gegen die UVV vor. Die Versicherung wird in\nsolchen Fallen entgegen den Geboten von Treu und Glauben ihres wesentlichen\nInhaltes beraubt, wenn auch fahrlassige Verstoße, die abzudecken sonst gerade\nAufgabe der Versicherung sind, §162 VVG, ausgenommen sein sollen, obwohl nicht\nzuletzt durch die Vereinbarung der Schweißklausel der Anschein erweckt wird,\nauch Schweißen sei abgesehen von vom Betriebsinhaber leicht zu uberprufenden\nAusnahmen, unter Berucksichtigung eines Selbstbehaltes versichert.\n\n42\n\ne)\n\n43\n\nAuf die Frage, ob der Leistungsfreiheit der Beklagten nicht auch\nentgegensteht, daß sie den Vertrag mit Rettler nicht gekundigt hat, kommt es\ndanach nicht an. Dies hangt, da entgegen der Auffassung der Beklagten eine\nKundigung nach §6 Abs. 1 VVG grundsatzlich erforderlich war, mit Rucksicht auf\ndie Kundigung des Versicherungsnehmers zum 31.01.1984 ausschließlich davon ab,\nob die Beklagte bis Ende Dezember 1983 Kenntnis von dem Verstoß Rettler gegen\ndie Unfallverhutungsvorschriften erhalten hat. Beweispflichtig fur die\nbehauptete Ausnahme von der Kundigungspflicht durfte, was nicht weiter\nerortert zu werden braucht, die Beklagte sein. Beweis hat sie aber erst im\nSenatstermin durch Zeugnis ihrer - nicht anwesenden - Mitarbeiterin ...\nangeboten.\n\n44\n\n**2.**\n\n45\n\nLeistungsfreiheit nach Nr. 10 BB 78 scheidet aus. Der Arbeiter des VN Rettler\nwar mit Gerat und Verfahren vertraut, hatte insbesondere einen Schweißschein.\nAnderes tut die Berufung nicht (mehr) dar.\n\n46\n\n**3.**\n\n47\n\nDie Beklagte ist auch nicht wegen Verletzung einer Obliegenheit nach Eintritt\ndes Versicherungsfalles leistungsfrei. Zwar hatte sie in einem Schreiben vom\n16.11.1984 an die Klagerin (Bl. 12 GA) erwahnt, daß Schweißscheine fur den\nfraglichen Zeitraum trotz Aufforderungen nicht eingereicht worden seien, so\ndaß der Versicherungsschutz gemaß §5 in Verbindung mit §6 AHB entfalle. Rechte\nder Klagerin gegenuber der Beklagten bestanden damals nicht. Daß die Beklagte\nauch gegenuber ihrem VN Leistungsfreiheit aus diesem Gesichtspunkt geltend\ngemacht hatte, ergibt sich aus den Schreiben nicht Im Prozeß hat die Beklagte\nsich nicht auf Obliegenheitsverletzung nach Eintritt des Versicherungsfalles\nberufen. Leistungsfreiheit der Beklagten aus diesem Gesichtspunkt scheidet\ndeshalb aus.\n\n48\n\n**4.**\n\n49\n\nDie Rechte der Klagerin konnten durch den Vergleich der Beklagten mit ihrem VN\nvom 16.11.1984 nicht beeintrachtigt werden. Nach §156 VVG sind Verfugungen\nuber die Entschadigungsforderung aus dem Versicherungsverhaltnis dem Dritten\ngegenuber (relativ) unwirksam. ... hat das Geld erhalten und auf - etwaige -\nweitere Anspruche verzichtet. Bei beidem handelt es sich um Verfugungen, die\nunmittelbar auf eine Änderung bzw. Vernichtung der Entschadigungsforderung\ngerichtet waren und die deshalb §156 VVG unterfallen. Die Berufung zieht das\nauch nicht in Zweifel.\n\n50\n\n**5.**\n\n51\n\nDie Beklagte ist gegenuber ihrem VN auch nicht nach §12 Abs. 3 VVG\nleistungsfrei geworden. Mit Schreiben vom 28.09.1983 (Bl. 24 GA) ist\nVersicherungsschutz fur Schaden abgelehnt worden, die bei Abbrucharbeiten\nentstanden sind. Keine der Parteien hat aufgezeigt, daß die Klageforderung\ndamit etwas zu tun haben konnte. Die Berufung nimmt ausdrucklich auch nur das\nAblehnungsschreiben vom 04.10.1984 (Bl. 26 f. GA) fur ihre Auffassung in\nAnspruch. Dieses Schreiben kann die Wirkung des §12 Abs. 3 VVG aber nicht\nentfalten, weil die Belehrung vollig unzureichend ist. Es wird dort nur auf\nein Recht verwiesen, einen vermeintlichen Anspruch innerhalb von 6 Monaten\ngeltend zu machen. Dies versteht sich von selbst. Die Belehrung muß sich\ndarauf erstrecken, daß der Versicherungsschutz erlischt, wenn der Anspruch\nnicht innerhalb dieser Frist gerichtlich geltend gemacht wird. Letzteres wird\nnicht einmal erwahnt. Die gesetzlich vorgeschriebene Belehrung (§12 Abs. 3\nSatz 2 VVG) ist deshalb ungenugend und nicht geeignet, eine Frist in Lauf zu\nsetzen. Daran andert nichts, daß das Schreiben vom 28.09.1983 eine richtige\nBelehrung enthielt. Das Schreiben lag uber ein Jahr zuruck. Die - richtige -\nBelehrung im Schreiben vom 28.09.1983 kann die unzureichende Belehrung des\nSchreibens vom 04.10.1984 nicht ersetzen.\n\n52\n\n**6.**\n\n53\n\nDie mit der Klage verfolgten Anspruche sind auch nicht verjahrt. Nach §12 Abs.\n1 VVG verjahren die Anspruche in 2 Jahren, beginnend mit dem Schluß des\nJahres, in welchem die Leistung verlangt werden kann. Da ... noch 1983 von der\nFirma NTS in Anspruch genommen worden ist, wie auch ohne ausdrucklichen\nSachvortrag nicht zweifelhaft sein kann, ist der Rechtsschutzanspruch noch\n1983 fallig geworden. Da der Anspruch des VN gegenuber der Beklagten ebenfalls\n1983 geltend gemacht worden war, war die Verjahrung nach §12 Abs. 2 VVG bis\nzum Eingang der schriftlichen Entscheidung des Versicherers gehemmt. Soweit\nder Senat ausgesprochen hat, daß die Hemmungsanordnung des §12 Abs. 2 VVG auch\nohne schriftliche Entscheidung des Versicherers fortfallen konne, wenn der VN\ndie von ihm zunachst angemeldeten Anspruche offensichtlich nicht mehr weiter\nverfolge (R + S 91, 289), liegt ein solcher Fall hier nicht vor. Im Streitfall\nkann gerade nicht davon ausgegangen werden, daß die Angelegenheit aus der\nSicht der Beklagten mit Zugang des Ablehnungsschreibens vom 28.09.1993\nerledigt war. Die Beklagte hatte angekundigt, den entscheidenden Teil des\nAnspruches erst noch prufen zu wollen und sich danach zu entscheiden. Es ist\nnicht ersichtlich, warum dies bei der Beklagten die begrundete Erwartung\nrechtfertigen konnte, Rettler verfolge seine Anspruche offensichtlich nicht\nmehr weiter und erwarte auch keinen weiteren Bescheid mehr. Nichts anderes\ngilt insoweit, als er sich bei der Kundigung des Versicherungsvertrages zum\n30.01.1984 keine Anspruche vorbehalten hatte. Dies war unnotig und hatte\nkeinerlei Rechtsfolgen zeitigen konnen.\n\n54\n\nEine schriftliche Entscheidung, des Versicherers (§12 Abs. 2 VVG) liegt in dem\nSchreiben der Beklagten vom 04.10.1984 (Bl. 26 GA). Die Beklagte hat Zugang\ndieses Schreiben am 05.10.1984 behauptet und unter Beweis gestellt (Bl. 335\nGA). Von diesem Zeitpunkt an lief die zweijahrige Verjahrungsfrist des §12\nAbs. 1 Satz 1 VVG. Die am 05.11.1986 bei Gericht eingegangene und ausweislich\ndes Tatbestandes "demnachst" zugestellte Klage, §270 Abs. 3 ZPO, war deshalb\nzur Verhinderung des Eintritts der Verjahrung dann, aber auch nur dann\ngeeignet (Prolss-Martin §156 VVG Anm. 1 fur §12 Abs. 3 VVG, fur die Verjahrung\ngilt nichts anderes), wenn die Verjahrung fur mindestens einen weiteren Monat\ngehemmt gewesen ist. Dies ist entgegen der Auffassung der Beklagten der Fall.\nAuch Verhandlungen nach ablehnender Entscheidung des Versicherers hemmen den\nAblauf der Verjahrung, sofern der Versicherer zu erkennen gibt, daß er die\nEntscheidung entweder nicht aufrechterhalten will oder zumindest die\nBerechtigung der angemeldeten Anspruche einer erneuten Nachprufung unterziehen\nwill (vgl. Prolss-Martin, §12 VVG Anm. 4). Mit Schreiben vom 09.09.1985 hatte\nder VN der Beklagten um Mitteilung gebeten, aus welchem Grund der\nVersicherungsschutz entfallen sein soll. Eine Überprufung war auch aus der\nSicht der Beklagten fur den VN von allergroßter Bedeutung, nachdem die\nKlagerin ... gegenuber mit Schreiben vom 03.09.1985 angekundigt hatte, ihn in\nRegreß zu nehmen. Wenn sie, wie sie behauptet, dieses Schreiben zunachst\nunbeachtet gelassen hat, war das Schreiben als solches allerdings nicht\ngeeignet, die laufende Verjahrungsfrist zu hemmen. Unstreitig hat sich die\nSachbearbeiterin der Beklagten aber mit dem Rechtsvertreter des VN ... am\n22.10.1985 zur Erorterung der Angelegenheit im Buro des nicht ortsansassigen\nRechtsanwaltes verabredet, wobei spater der Termin auf den 25. oder 26.11.1985\nverlegt worden ist. Die Sache ist dann erortert worden und es ist ein\nAbfindungsvergleich, der am 26.11.1985 auf 115.000,00 DM erhoht worden ist,\ngeschlossen worden. Nach Auffassung des Senats war damit die Verjahrung fur\nden Zeitraum vom 22.10.1985 bis zum 25. oder 26.11.1985, also uber einen\nZeitraum von mehr als einen Monat, gehemmt. Die Sachbearbeiterin der Beklagten\n... hatte durch ihre Bereitschaft, zu einem Erorterungstermin von Dortmund\nnach Meschede in das Buro von ... zu reisen, hinreichend deutlich zu erkennen\ngegeben, daß sie vielleicht mit Rucksicht auf den angekundigten Regreß der\nKlagerin gegenuber dem VN uber dessen Anspruche gegenuber der Beklagten erneut\nverhandeln wolle. Es ist dann auch die Zahlung eines erheblichen Betrages von\nzunachst 100.000,00 DM, der dann auf 115.000,00 DM noch erhoht worden ist,\nvereinbart worden. Daß die Beklagte den Anspruch ihres VN nicht erneut\nuberprufen wollte und nur eine Kulanzzahlung erfolgen sollte, wie sie\nvortragt, ist nach den gesamten Umstanden ausgeschlossen. Dagegen spricht\nnicht nur die Bedeutung, die die Angelegenheit fur ... hatte und der Aufwand,\nden die Sachbearbeiterin der Beklagten insoweit getrieben hat, sondern\ninsbesondere die Hohe der gezahlten Summe. Daruber hinaus reicht nach\nAuffassung des Senats auch allein aus, daß sich der Schuldner gegenuber dem\nGlaubiger (erneut) verhandlungsbereit gezeigt und ernsthafte Verhandlungen\ngetatigt hat. Die Situation gleicht in einem solchen Fall der, die §12 Abs. 2\nVVG zugrunde liegt. Wenn und solange der Versicherer den Anspruch des VN\nuberprufen muß, Fall des §12 Abs. 2 VVG, oder sich bereit erklart hat, erneut\nzu uberprufen, soll der VN nicht die Verjahrung vergegenwartigen mussen.\n\n55\n\nNach allem war die Klage noch die Verjahrung zu unterbrechen geeignet, ohne\ndaß es darauf ankame, ob, wie die Klagerin meint, das Verhalten der Beklagten\n_ihr_ gegenuber den Lauf der Verjahrung hemmen konnte, oder, wie das\nLandgericht gemeint hat, ob die Zahlung des Betrages von 115.000,00 DM die\nVerjahrung insgesamt unterbrochen hat.\n\n56\n\n**7.**\n\n57\n\nDer Hohe nach bringt die Berufung nichts vor. Fehler des Landgerichts sind\ninsoweit auch nicht ersichtlich. Soweit die Berufung die Hohe des\nausgeurteilten Zinsanspruches von 7,7 % bestreitet, haben die Parteien dem\ndadurch Rechnung getragen, daß der Zinsanspruch mit 6,5 % im Senatstermin\nunstreitig gestellt worden ist.\n\n58\n\n**8.**\n\n59\n\nDie Nebenentscheidungen beruhen auf §§92, 708 Nr. 10 ZPO.\n\n60\n\nDie Beschwer der Beklagten ubersteigt 60.000,00 DM.\n\n
314,099
olgk-1993-07-12-17-w-19893
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
17 W 198/93
1993-07-12
2019-03-13 13:54:12
2019-03-27 09:43:59
Beschluss
ECLI:DE:OLGK:1993:0712.17W198.93.00
## Tenor\n\n \n1\n\n##blob##nbsp;\n\n2\n\n**G r u n d e**\n\n3\n\n##blob##nbsp;\n\n4\n\nDie Erinnerung des Klagers, die aufgrund ihrer Vorlage an den Senat als\nsofortige Beschwerde gilt (§ 11 Abs. 2 Rechtspflegergesetz), ist formell be-\ndenkenfrei, hat in der Sache aber keinen Erfolg.\n\n5\n\n##blob##nbsp;\n\n6\n\nAnders als die Beschwerde geltend macht, ist es fur die Kostenerstattung\nunerheblich, daß das Landgericht die Klage wegen ernsthafter Zweifel an der\nProzeßfahigkeit des Beklagten abgewiesen hat. Das Prozeßrechtsverhaltnis wird\nunabhangig von dem Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen begrundet (BGH NJW\n1992, 2575 und NJW 1993, 1865). Die gegen eine prozeßunfahige Partei erhobene\nKlage laßt daher - wie die Klage einer prozeßunfahigen Par-tei - einen\nprozessualen Kostenerstattungsanspruch entstehen (vgl. BGH a.a.O.). Da der\nGrundsatz, daß eine Partei im Streit uber ihre Prozeßfahigkeit als prozeßfahig\ngilt (vgl. BGH NJW 1990, 1734), auch auf die Kostenfestsetzung durchschlagt\n(vgl. Zol-ler/Herget, ZPO, 17. Aufl., §§ 103, 104 Rdnr. 21, Stichwort:\nProzeßfahigkeit; ferner Senat, Beschluß vom 8. Marz 1993 - 17 W 23/93 -), kann\nder Beklagte unbeschadet einer etwa von Anfang an bestehenden\nProzeßunfahigkeit Glaubiger eines festsetzbaren Ko-stenerstattungsanspruchs\nsein.\n\n7\n\n##blob##nbsp;\n\n8\n\nDamit erledigt sich zugleich der Einwand der Be-schwerde, daß die\nRechtsanwalte des Beklagten nicht befugt seien, die "Kostenfestsetzung" zu\n"beantra-gen". Soweit dieser Einwand auf eine fehlende Sach-befugnis des\nBeklagten zur Kostenfestsetzung ab-zielt, ist er fur das vorliegende Verfahren\nohnehin unbeachtlich. Berechtigt zur Kostenfestsetzung ist - vom Falle des §\n126 ZPO und einer Titelumschrei-bung nach den §§ 726 ff. ZPO abgesehen -\nstets, wer, wie hier der Beklagte, durch den Titel als Glaubiger des\nErstattungsanspruchs ausgewiesen ist. Eine Nachprufung des Titels im\nallgemeinen und der Kostengrundentscheidung im besonderen ist im Ko-\nstenfestsetzungsverfahren, welches als Anhangsver-fahren lediglich der\nbetragsmaßigen Ausfullung des vom Prozeßgericht dem Grunde nach verbindlich\nfest-gestellten Erstattungsanspruchs dient, schlechthin ausgeschlossen. Sollte\nder Klager mit diesem Ein-wand dagegen die Wirksamkeit der Vollmacht anzwei-\nfeln wollen, die der Beklagten seinen Anwalten erteilt hat, so gilt auch hier,\ndaß der Beklagte fur die Kostenfestsetzung - wie im vorangegangenen\nRechtsstreit - als prozeßfahig zu behandeln ist und folglich als befugt\nangesehen werden muß, das Verfahren nach den §§ 103 ff. ZPO zur Durchset-zung\nseines prozessualen Kostenerstattungsanspruchs selbst zu betreiben und sich\nhierbei anwaltli-cher Hilfe zu bedienen (vgl. OLG Hamm, Anwalts-blatt 1982,\n70).\n\n9\n\n##blob##nbsp;\n\n10\n\nEbensowenig kann der Klager mit dem Einwand gehort werden, daß den\nProzeßbevollmachtigten des Beklag-ten infolge Unwirksamkeit des ihnen\nerteilten Pro-zeßauftrags kein Anspruch auf die gesetzliche Ver-gutung\nerwachsen sei. Im Kostenfestsetzungsverfah-ren kann der\nKostenerstattungsanspruch der obsie-genden Partei nicht durch\nmateriellrechtliche Ein-wendungen aus dem Auftragsverhaltnis zwischen jener\nPartei und ihrem Prozeßanwalt in Frage gestellt werden. Der prozessuale\nKostenerstattungsanspruch knupft nicht an das Auftragsverhaltnis der Partei zu\nihrem Prozeßbevollmachtigten an; er hat seine Grundlage allein in dem durch\nden Rechtsstreit begrundeten Prozeßrechtsverhaltnis der Parteien und ist dem\nGrunde nach ausschließlich durch die gerichtliche Kostengrundentscheidung\nbestimmt. Zwar sind grundsatzlich nur solche Anwaltskosten als der Partei\n"erwachsen" im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen, hinsichtlich derer\neine Ge-buhrenschuld der vertretenen Partei (oder eines Dritten) besteht.\nDiese Gebuhrenschuld kann sich jedoch \\- bei Unwirksamkeit des\nAnwaltsauftrages infolge Prozeßunfahigkeit des Auftraggebers - auch aus\nGeschaftsfuhrung ohne Auftrag oder ungerecht-fertigter Bereicherung ergeben\n(vgl. OLG Frankfurt, JurBuro 1982, 452; Zoller/Herget, a.a.O.). Zur Pru-fung\nund Entscheidung solcher materiellrechtlichen Fragen aus dem\nAuftragsverhaltnis ist das Kosten-festsetzungsverfahren indessen\nanerkanntermaßen we-der bestimmt noch geeignet (vgl. KG NJW 1968, 1290 und\nJurBuro 1970, 327; OLG Bamberg, JurBuro 1977, 1439).\n\n11\n\n##blob##nbsp;\n\n12\n\nDie Hohe der als notwendige Kosten der anwaltlichen Prozeßvertretung des\nBeklagten gegen den Klager festgesetzten Kosten begegnet keinen Bedenken. In-\nsoweit tritt der Senat den Grunden der Nichtabhil-feverfugung des\nRechtspflegers vom 18\\. Juni 1993 bei (§ 543 ZPO analog). Daß der Beklagte\nseine Pro-zeßbevollmachtigten gewechselt hat, andert nichts daran, daß dessen\naußergerichtliche Kosten bis zur Hohe der Kosten eines Anwalts als notwendige\nKosten der Rechtsverteidigung erstattungsfahig sind. Dies folgt aus § 91 Abs.\n2 Satz 3 ZPO; danach sind die Kosten mehrerer Rechtsanwalte jedenfalls\ninsoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Anwalts nicht ubersteigen.\n\n13\n\n##blob##nbsp;\n\n14\n\nNach alledem muß es bei dem angefochtenen Beschluß verbleiben.\n\n15\n\n##blob##nbsp;\n\n16\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.\n\n17\n\n##blob##nbsp;\n\n18\n\nStreitwert des Erinnerungs- und Beschwerdeverfah-rens: 821,94 DM.\n\n
314,124
olgk-1993-06-25-19-u-21692
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
19 U 216/92
1993-06-25
2019-03-13 13:54:52
2019-03-27 09:43:56
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1993:0625.19U216.92.00
## Tenor\n\n \n1\n\nT a t b e s t a n d\n\n2\n\nDie Klagerin, ein auf die Fleischindustrie spezia-lisierter EDV-Anbieter,\nschloß mit der Beklagten, die einen Fachgroßhandel im Cash-and-Carry-System\nfur Fleischereien und Gastronomie betreibt, einen Vertrag uber die Lieferung\nvon Hard- und Software zum Gesamtpreis von 762.694,20 DM brutto.\n\n3\n\nVorausgegangen waren Besuche des Vorstandsmit-glieders K. der Beklagten bei\nder Klagerin und umgekehrt des Geschaftsfuhrers der Klagerin bei der\nBeklagten. Bei einem dieser Besuche sah der Geschaftsfuhrer K. der Beklagten\nbei der Klagerin Bildschirme, auf denen Schriftzeichen doppelt so groß wie\nherkommlich erschienen. Er außerte den Wunsch, daß auch die Beklagte solche\nBildschirme erhalten solle.\n\n4\n\nNach der Vertragsunterzeichnung wurden Einzelhei-ten in wechselseitigen\nFernschreiben vom 30.06. und 01.07.1987 konkretisiert und teilweise modifi-\nziert. Dabei sagte die Klagerin zu, die Speicher-kapazitat der Festplatte sei\nauch unter Beruck-sichtigung einer Mengenerweiterung ausreichend; die\nBildschirme hatten eine "um mindestens zwei mal großer (erscheinende)\nSchriftgroße" unter Hin-weis darauf, daß es sich um Bildschirme des I.-Sy-\nstems II Modell X handele. Die Klagerin ging auch mit ihrem Fernschreiben vom\n01.07.1987 auf das Verlangen der Beklagten in deren Fernschreiben vom\n30.06.1987 ein, wonach die Klagerin gewahrleiste, "daß die im Vertrag genannte\nKonfiguration zur Ab-wicklung genannter Software geeignet ist, d.h. daß z.B.\nkeine fur Kunden und Lieferanten erkennbaren Verzogerungen bei der\nEingangsverwiegung bzw. Fak-turierung entstehen."\n\n5\n\nAm 02.09.1987 wurde ein Teil der Hard- und Softwa-re installiert, ein weiterer\nTeil - die "Fibu" - im Dezember 1987; diese installierten Teile wurden seit\ndem 01.01.1988 im Echtlauf genutzt. Nach von der Klagerin in den folgenden\nMonaten ausgeraumten Anpassungsschwierigkeiten der Fibu außerte die Beklagte\nin einem Fernschreiben vom 01.07.1988 die Befurchtung, daß die Kapazitat der\ngelieferten Festplatten von zwei mal 115 MB nicht ausreiche, woraufhin sich\ndie Klagerin mit Schreiben vom 04.07.1988 bereiterklarte, der Beklagten\nkosten-frei eine hohere Plattenkapazitat zur Verfugung stellen zu wollen,\nsollte entgegen ihren Erwartun-gen die Speicherkapazitat tatsachlich zu gering\nsein.\n\n6\n\nMit Schreiben vom 19.07.1988 stellte die Beklag-te erstmals hinsichtlich des\nZeitverhaltens der Anlage die Forderung, daß zwischen dem Abschluß einer\nFaktura und dem Beginn einer neuen Faktura maximal eine Sekunde Wartezeit\nliegen durfte. Am 30.12.1988 ubersandte die Beklagte der Klagerin ein\nPflichtenheft mit zahlreichen Anforderungen, ohne deren Erfullung sie nicht am\nVertrag fest-halten wollte. In den dort genannten Rahmenbedin-gungen wurden\ndie Anforderungen an das Zeitver-halten der Anlage wiederholt. Mit Schreiben\nvom 10.01.1989 erklarte die Klagerin, das Zeitverhal-ten der Anlagen auf 2 - 8\nSekunden begrenzen zu konnen und empfahl zur Reduzierung des Zeitverhal-tens\neine Änderung der Konfiguration der Kassenar-beitsplatze. Mit Schreiben vom\n14.03.1989 konkre-tisierte sie diesen Konfigurationsvorschlag. Dies lehnte die\nBeklagte mit Schreiben vom 11.03.1989 als Nachtragsangebot ab, das sie nicht\nakzeptieren konne.\n\n7\n\nAm 05.04.1989 lieferte die Klagerin der Beklagten neben anderen Teilen der\nAnlage unter anderem zwei neue 314 MB-Festplatte, deren Kapazitat die Beklagte\nmit Nichtwissen bestreitet. Sie weigerte sich, die Lieferung anzunehmen, und\nließ sie verpackt in ihren Raumen stehen. Mit Schreiben vom 12.04.1989\nerklarte die Beklagte den "Rucktritt vom Vertrag" und teilte der Klagerin mit,\ndaß sie weitere Leistungen ablehnen werde. Daraufhin stellte die Klagerin mit\nSchreiben vom 28.04.1989 die vereinbarte Vergutung zum 26.05.1989 fallig und\nforderte die Beklagte zu Abnahme der bei ihr bereitstehenden restlichen Hard-\nund Software auf.\n\n8\n\nDie Klagerin hat behauptet, die beiden von ihr ge-lieferten Festplatten mit\neiner Kapazitat von je-weils 115 MB Speicherkapazitat (davon eine "Spie-\ngelplatte" zur Sicherung) seien ausreichend gewe-sen; im ubrigen habe sie am\n05.04.1989 zwei Fest-platten von jeweils 314 MB nachgeliefert. Sie sei sogar\nbereit, Festplatten mit noch hoherer Spei-cherkapazitat zu Verfugung zu\nstellen.\n\n9\n\nDie Klagerin hat den im Tatbestand des Urteils des Landgerichts\nwiedergegebenen Antrag gestellt, auf den Bezug genommen wird.\n\n10\n\nDie Beklagte hat Klageabweisung beantragt.\n\n11\n\nSie hat behauptet, die von der Klagerin angebotene Plattenkapazitat von\njeweils 314 MB hatte zur ord-nungsmaßigen Speicherung der bei ihr anfallenden\nDaten nicht ausgereicht; gespeichert werden mußten die Daten fur 8 Quartale.\n\n12\n\nIn Bezug auf das Zeitverhalten der Anlage bei der Fakturierung hat sie\nbehauptet, bereits eine Zeitverzogerung von einer Sekunde, erst recht von\neinigen Sekunden zwischen zwei Fakturierungen, habe nicht dem Stand der\nTechnik des Jahres 1987 entsprochen. Insbesondere entspreche diese Spanne\nnicht der vertraglichen Vereinbarung.\n\n13\n\nIm ubrigen hat die Beklagte bestritten, die ver-einbarten Monitore erhalten zu\nhaben, da sie nicht wie vereinbart das großere Schriftbild wiedergeben\nkonnten.\n\n14\n\nDas Landgericht hat durch Vernehmung von Zeugen und durch Einholung eines\nSachverstandigengutach-tens Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses dieser\nBeweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom\n28.03.1990 und vom 27.05.1992 sowie auf das Gutachten des Sachverstandigen\nKeut-gen vom 07.03.1992 Bezug genommen.\n\n15\n\nDurch das angefochtene Urteil hat das Landgericht der Klage bis auf einen Teil\ndes Zinsanspruchs stattgegeben. Auf die Entscheidungsgrunde dieses Urteils\nwird Bezug genommen.\n\n16\n\nGegen dieses Urteil haben beide Parteien gemaß den Feststellungen des Senats\nin der mundlichen Ver-handlung vom 24.05.1993 form- und fristgerecht Be-rufung\neingelegt.\n\n17\n\nDie Klagerin tragt vor, gemaß Ziffer 5 ihrer all-gemeinen Geschaftsbedingungen\nstehe ihr ein Zins-satz in Hohe von 2 % uber dem jeweiligen Diskont-satz zu.\n\n18\n\nSie beantragt,\n\n19\n\ndas angefochtene Urteil teilweise abzuan-dern und die Beklagte uber die\nausgeur-teilte Summe nebst 5 % Zinsen hinaus zur Zahlung von 2 % Zinsen uber\ndem jeweili-gen des Bundesbank-Diskontsatz seit dem 27.05.1989 zu verurteilen.\n\n20\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n21\n\ndie Berufung der Klagerin zuruckzuweisen.\n\n22\n\nZur Begrundung ihrer eigenen Berufung tragt die Beklagte vor, entgegen der\nAnsicht des Landgerichts handele es sich um einen Werkvertrag, weil das\nGesamtpaket zu Erstellung der EDV-Anlage auf ihre individuellen und\nspezifischen Anforderungen habe abgestimmt werden mussen. Es sei deshalb Sache\nder Klagerin zu beweisen, daß sie die Gesamtleistung erbracht und diese von\nder Beklagten abgenommen worden sei oder sie diese Abnahme zu Unrecht\nverweigert habe. Eine Abnahme komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die\nKlagerin die notwendi-gen Hard- und Software-Handbucher nicht geliefert habe.\nZum Zeitpunkt ihres Rucktritts sei die Klage-rin nicht in der Lage gewesen,\nihr eine vollstandi-ge und vertragsgerechte Erfullung anzubieten. Daher sei\nsie - die Beklagte \\- nicht in Annahmeverzug ge-wesen. Der Klagerin stunden\nkeine Verzugszinsen zu.\n\n23\n\nIm ubrigen wiederholt die Beklagte hinsichtlich ih-rer Beanstandungen der\nklagerischen Leistungen ihr erstinstanzliches Vorbringen.\n\n24\n\nSie beantragt,\n\n25\n\nunter teilweiser Abanderung des angefoch-tenen Urteils die Klage abzuweisen.\n\n26\n\nDie Klagerin beantragt,\n\n27\n\ndie Berufung der Beklagten zuruckzu-weisen.\n\n28\n\nSie meint, das Landgericht habe den zwischen den Parteien geschlossenen\nVertrag zu Recht als Kauf-vertrag bewertet. Jedenfalls konne sich die Beklag-\nte nicht auf eine fehlende Abnahme im Sinne des Werkvertragsrechts berufen,\nweil sie die Herstel-lung der Gesamtanlage nicht zugelassen habe.\n\n29\n\nIm ubrigen wiederholt auch die Klagerin ihr Vor-bringen erster Instanz.\n\n30\n\nWegen des Sach- und Streitstandes im ubrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt\nder beiderseitigen Schriftsatze nebst allen Anlagen Bezug genommen.\n\n31\n\nE n t s c h e i d u n g s g r u n d e\n\n32\n\nBeide Berufungen sind zulassig. Nur die Berufung der Klagerin hat jedoch in\nder Sache Erfolg, wah-rend die Berufung der Beklagten zuruckzuweisen war.\n\n33\n\n1.\n\n34\n\nAllerdings halt der Senat den Vertrag der Parteien fur einen Werkvertrag im\nSinne von § 631 BGB. Rein wertmaßig lag das Schwergewicht zwar bei der Hard-\nware und der Standardsoftware (ca. 470.000,00 DM und 200.000,00 DM netto),\nwogegen die individu-ell anzupassende Software nur einen Wert von ca.\n54.000,00 DM netto hatte. Nach den vertragli-chen Vereinbarungen sollten aber\nkundenspezifische Änderungen in acht Programmbereichen vorgenommen werden.\nHierdurch wurde der Charakter der zunachst standardisierten Branchenlosung\nderart verandert, daß der Vertrag insgesamt als Werkvertrag anzusehen ist,\ndessen Inhalt im ubrigen auch die Parteien als unteilbare Gesamtleistung\nqualifizieren.\n\n35\n\n2.\n\n36\n\nDer von der Klagerin geltend gemachte Vergutungs-anspruch setzt beim\nWerkvertrag nach § 641 BGB grundsatzlich die Abnahme voraus, die hier nicht\nerfolgt ist und von der Beklagten im Hinblick auf den erklarten Rucktritt im\nSchreiben vom 12.04.1989 endgultig verweigert wird. Es ist jedoch anerkannt,\ndaß der Unternehmer den Werklohn schon vor Fertig-stellung und Abnahme des\nWerkes verlangen kann, wenn der Besteller die Erfullung des Vertrages grundlos\nablehnt. Das folgt sowohl aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) als auch im\nHinblick auf den in § 162 BGB zum Ausdruck gekommenen Grundsatz, daß sich eine\nPartei nicht auf das Fehlen einer Anspruchsvoraussetzung berufen kann, wenn\nsie deren Eintritt selbst wider Treu und Glauben verhindert hat (BGH NJW 1990,\n3008, 3009). Unter diesem Ge-sichtspunkt greifen die von der Beklagten\nvorgetra-genen Rucktrittsgrunde samtlich nicht durch.\n\n37\n\nSubstantiiert gerugt hat die Beklagte in der Berufungsinstanz drei Punkte:\nEinmal die mangelnde Kapazitat der Festplatten, sodann das Zeitverhalten bei\nder Eingangsverwiegung und vor allem bei der Fakturierung und schließlich die\nauf den Bildschir-men abgebildete Schriftgroße. Aufgrund der Erkla-rungen des\nGeschaftsfuhrers K. der Beklagten in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat\nist hierzu vorab festzustellen, daß der allein wesentliche Grund fur den\nRucktritt der Beklagten von dem Ver-trag mit der Klagerin das Zeitverhalten\nder Anlage war. Wortlich hat der Geschaftsfuhrer der Beklagten in diesem\nZusammenhang erklart, er konne nur uber einen Punkt nicht hinwegspringen, das\nsei die Geschwindigkeit der Anlage. Bei den beiden anderen Rugen handele es\nsich im Grunde um Nebensachen, die fur sich alleingenommen die Beklagte noch\nnicht zum Rucktritt veranlaßt hatten.\n\n38\n\nUnter diesen Umstanden kommt es entscheidend darauf an, ob die Beklagte das\nZeitverhalten der Anlage zu Recht rugt. Der Senat vermag der Argumentation der\nBeklagten nicht zu folgen.\n\n39\n\nNach ihren Erklarungen in der mundlichen Verhand-lung will die Beklagte im\nGrunde bei der Fakturie-rung der Waren eine Zeitdifferenz von 0 Sekunden\nerreichen; vorher hat sie allerdings einen Zeitraum von hochstens 2 Sekunden\nakzeptiert, der nach den Darlegungen des Sachverstandigen K. indessen auch\nnicht erreichbar ist. Die Beklagte hat es aber versaumt, der Klagerin vor\nVertragsschluß ihre Anspruche hinreichend deutlich zu machen. In dem\nVertragsgegenstand gewordenen Fernschreiben der Be-klagten vom 30.06.1987\nheißt es unter Ziffer 3 (wie bereits im Tatbestand erwahnt): "Die C.\n(:Klagerin) gewahrleistet, daß die im Vertrag genannte Konfigu-ration zur\nAbwicklung genannter Software geeignet ist, d.h. daß z.B. keine fur Kunden und\nLieferanten erkennbaren Verzogerungen bei der Eingangsverwie-gung bzw.\nFakturierung entstehen." (Auf Verzogerun-gen bei der Eingangsverwiegung kommt\nes in diesem Rechtsstreit nicht an; darauf hebt die Beklagte nicht ab.) Diese\nKlausel hat die Klagerin in ihrem Anwortfernschreiben bestatigt.\n\n40\n\nDie Beklagte hat es hier unterlassen, eindeutig festzulegende Werte zu nennen.\nDies war jedoch ihre Aufgabe, denn es ist grundsatzlich Sache des Bestellers,\nfur den Auftragnehmer ein Anforderungs-profil, das sog. Pflichtenheft zu\nerstellen (Senat, NJW RR 1992, 761 = JurPC 1992, 1587; Junker, Die Enwicklung\ndes Computerrechts in den Jahren 1991 und 1992, NJW 1993, 824, 828; Muller-\nHengstenberg, Abnahme von Computerprogrammen, CR 91, 327 ff., 331: Zur\nMitwirkungspflicht des Auftraggebers gehort die Festlegung der Anforderungen\nan Ant-wortzeiten). Das Pflichtenheft reprasentiert die Erwartungen des\nAuftraggebers und enthalt seine Zielvorgaben fur das zukunftige EDV-System. Es\nbasiert auf Informationen aus dem Verantwortungsbe-reich des Kunden und bildet\ndie Grundlage fur die anschließende Programmierung. Daß die Erstellung des\nPflichtenheftes in die Sphare des Auftraggebers gehort, laßt sich auch aus §\n645 Abs. 1 BGB entneh-men, wonach der Besteller eines Werkes fur Anwei-sungen\nan den Unternehmer verantwortlich ist (Jun-ker a.a.O.). Die Übersendung eines\nPflichtenheftes an die Klagerin am 30.12.1988 konnte das bis dahin fehlende\nPflichtenheft nicht ersetzen. Dieses muß Grundlage des Vertrages sein und kann\nnicht spater mit Zusatzwunschen des Bestellers nachgeschoben werden.\nJedenfalls von einem in der Anwendung von EDVerfahrenen Laien wie der\nBeklagten, die bereits vorher mit einer EDV-Anlage gearbeitet hatte, kann eine\nhinreichend prazise Angabe daruber, welche Leisungen die Anlage in einem\nbestimmten Punkt erbringen soll, erwarten. Das bedeutet, daß sie der Klagerin\nden Ablauf an der Kasse so hatte schildern mussen, daß der Klagerin hatte klar\nwerden mussen, daß der nachste Kunde ohne jegliche Verzogerung bedient werden\nsollte. Dagegen ist die Klausel "fur Kunden und Lieferanten nicht erkennbar"\nein rein subjektiver Begriff, der nicht eindeutig eine Zeiteinheit von\nhochstens zwei Sekunden bedeutet. Davon mußte die Klagerich auch nicht ohne\nweiteres ausgehen, denn eine Null- oder nur ganz geringfu-gig daruberliegende\nVerzogerung entspricht nicht der allgemeinen Erfahrung im Cash-and-Carry-Groß-\nhandel. Wenn die Beklagte in diesem Zusammenhang in der mundlichen Verhandlung\nwiederum ausgefuhrt hat, eine verzogerungslose Abwicklung komme bei ihr\ndadurch zustande, daß an der jeweiligen Kasse eine zweite Person den Kassierer\nunterstutzt, so ist auch dies nicht allgemein ublich und brauchte des-halb von\nder Klagerin ohne besonderen Hinweis auch nicht in Rechnung gestellt zu\nwerden. Ein solcher vollig verzogerungsloser Ablauf widerspricht sogar jeder\npraktischen Erfahrung.\n\n41\n\nDaruber hinaus ist auch unklar, was uberhaupt unter "Fakturierung" in diesem\nZusammenhang zu verstehen sein sollte. Die Beklagte will jetzt darauf hinaus,\ndaß unmittelbar an den Abschluß der Eingaben zur ersten Rechnung die Eingaben\nzur zweiten Rechnung in die EDV-Anlage in Angriff genommen werden konnen. Die\nAusdrucksweise der Beklagten in ihrem Fernschreiben vom 30.06.1987 konnte\njedoch so verstanden werden, daß nach Abschluß der Fakturie-rung, also nach\nAusdruck der Rechnung, sofort mit einer neuen Eingabe begonnen werden sollte.\nDieses Verstandnis wird bestarkt durch die Äußerung des Geschaftsfuhrers K.\nder Beklagten in der mundlichen Verhandlung, wonach er namlich bei einer\nBesichti-gung vor Vertragsschluß in Dusseldorf auf dem Weg zum Drucker habe\nzwanzig Sekunden warten mussen. Eine derartige Zeitverzogerung habe die\nBeklagte nicht in Kauf nehmen wollen. Diese Beanstandung hat aber nichts mit\nderjenigen zu tun, die die Beklagte jetzt vorbringt und die das Zeitverhalten\nder Anlage bei den Eingaben fur den jeweiligen Kunden in den Computer\nbetreffen. Wenn im ubrigen durch die Formulierung in dem Fernschreiben der\nBeklagten eine Zeitverzogerung in der von ihrem Geschafts-fuhrer angegebenen\nGroßenordnung vermieden werden sollte, dann brauchte die Klagerin auch von\ndaher gesehen nicht mit einer Nullverzogerung zu rechnen, wenn der Begriff\n"fur Kunden und Lieferanten nicht erkennbar" verwendet wurde. Wenn nach den\nAusfuh-rungen des Sachverstandigen K. im Juli 1987 ein Zeitabstand von etwa\ndrei Sekunden bei dem zwischen den Parteien vereinbarten PC-Netzwerk unter\noptima-len Bedingungen zu erreichen war und unter normalen Verhaltnissen zu\ndieser Zeit mit einer Zeitspanne zwischen sechs und neun Sekunden zu rechnen\nwar, dann muß die Beklagte dies unter den dargestellten Umstanden auf der\nGrundlage der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien hinnehmen. Wenn die\nBeklagte mehr hatte haben wollen, hatte sie dies eindeutig zu erkennen geben\nmussen. Dies ware ihr um so leichter moglich gewesen, als ihr Geschafts-fuhrer\nschon vor dem Landgericht erklart hat, bei der Vorgangeranlage habe der neue\nKunde erfaßt werden konnen, sobald die Abschlußtaste fur den letzten Kunden\nbetatigt worden war. Dies im Vertrag eindeutig zu formulieren, ware fur die\nBeklagte ein leichtes gewesen, auch wenn sie im ubrigen nicht EDV-\nsachverstandig war. Es handelte sich nicht um eine rein technische Frage, bei\nder man von der Klagerin verlangen mußte, daß sie bei der Beklagten\nnachgefragt hatte. Da die Beklagte ihr Wunsche nicht in der geschilderten\nWeise prazisiert hat, schuldete die Klagerin ein Ergebnis, das dem Stand der\nTechnik bei einem mittleren Ausfuhrungsstandard entsprach (Junker a.a.O. 829\nunter Bezugnahme auf BGH NJW RR 1992, 556 = CR 1992, 543). Im Normal-bereich\nin diesem Sinne hielt sich das Werk der Klagerin, ganz abgesehen davon, daß\nes, wie der Sachverstandige ausgefuhrt hat, ohne weiteres hatte nachgebessert\nwerden konnen.\n\n42\n\nAufgrund der Erklarungen des Geschaftsfuhrers der Beklagten in der mundlichen\nVerhandlung erubrigt sich an sich ein Eingehen auf die beiden anderen Rugen\nder Speicherkapazitat und des Schriftbildes. Rein vorsorglich ist hierzu\nfolgendes auszufuhren:\n\n43\n\nDie Kapazitat von 115 MB, die die zunachst gelie-ferten Festplatten hatten,\nwar nach dem Gutachten des Sachverstandigen K. in der Tat zu gering und daher\nim werkvertraglichen Sinne fehlerhaft, da das von ihm ermittelte erforderliche\nSpeichervo-lumen 307 MB betrug. Die Klagerin hat jedoch der Beklagten schon im\nApril 1988 zwei Festplatten zu je 314 MB zur Verfugung gestellt, die damals\nausreichend waren. Es kommt in diesem Zusammenhang letztlich nicht darauf an,\nob diese Festplatten, wie die Klagerin behauptet, der Beklagten bereits\ngeliefert und von dieser nur nicht ausgepackt wor-den sind. Nach der BGH-\nEntscheidung NJW 1990, 3008 reichte es bereits aus, wenn die Klagerin insoweit\nzur Mangelbeiseitigung bereit war. Der Besteller kann aus der unterbliebenen\nFertigstellung und Man-gelbeseitigung kein Recht zur endgultigen einseiti-gen\nLeistungszuruckweisung ableiten, wenn er selbst seine Gegenleistung verweigert\noder von ungerecht-fertigten und unzumutbaren Bedingungen abhangig macht und\ndamit der Gegenpartei Veranlassung zur Einstellung der noch ausstehenden\nArbeiten gibt. In solchen Fallen kann der Unternehmer ungeachtet sei-ner an\nsich gegebenen Vorleistungspflicht nach Treu und Glauben seine weitere\nTatigkeit verweigern, so-lange der Besteller auf seinem Standpunkt verharrt.\nAbgesehen davon ist das Bestreiten der Beklagten im Hinblick auf die Lieferung\nder Festplatten zu 314 MB mit Nichtwissen auch unzulassig. Denn sie hat die\nPflicht, sich das Wissen uber Geschehnis-se im Bereich ihrer\nWahrnehmungsmoglichkeiten zu beschaffen (BGHZ 109, 205). Da nach ihrem Vortrag\ndie Festplatten bei ihr verpackt lagern, hat sie die Moglichkeit, ggfls. mit\nsachverstandiger Hilfe, festzustellen, ob es sich nun um Festplatten von 314\nMB handelt oder nicht.\n\n44\n\nSoweit die Beklagte sich darauf beruft, auch die Kapazitat von 314 MB sei\nnicht ausreichend und erfulle die vertraglichen Anforderungen nicht, kann sie\nauch damit nicht durchdringen. In diesem Zusam-menhang beruft sie sich darauf,\ndaß die Speicherka-pazitat fur die Buchhaltung so ausgelegt sein mus-se, daß\ndie Daten von zwei Geschaftsjahren (in der mundlichen Verhandlung war sogar\nvon drei Jahren die Rede) gespeichert und verarbeitet werden konn-ten, und\nbezieht sich hierbei auf das Schreiben des W. Genossenschaftsverbandes vom\n26.05.1992 (Bl. 37 d.A.). Deshalb reiche auch die Kapazitat von 314 MB nicht\naus.\n\n45\n\nDem ist zunachst entgegenzuhalten, daß der bei der Beklagten seit August 1988\nfur die Buchhaltung ver-antwortliche Zeuge B. vor dem Landgericht bekundet\nhat, bei der Beklagten seien in der Finanzbuchhal-tung die Daten mindesten\ndrei Monate gespeichert worden, bevor sie ausgedruckt wurden. Bei Jahresab-\nschluß habe man mit dem letzten Monat fur das Aus-drucken etwa neun Monate\ngewartet. Schon diese Aus-sage spricht gegen den Vortrag der Beklagten. Dar-\nuber hinaus hat der Sachverstandige K. zur Erlau-terung seines Gutachtens vor\ndem Landgericht ausge-fuhrt, er habe seinen Berechnungen insoweit einen\nZeitraum von funf Quartalen zugrundegelegt, und zwar aufgrund seiner\nErfahrungen in seiner bisheri-gen Sachverstandigentatigkeit. In dem Betrieb,\nin dem er angestellt sei, wurden die letzten drei bis vier Quartale\ngespeichert, der weiter zuruckliegen-de Zeitraum sei ausgeschrieben und wurde\nauf Daten-sicherung gezogen. Wenn die Beklagte einen so lan-gen Zeitraum von\nzwei oder sogar drei Jahren spei-chern wollte, hatte sie auch dies bei der\nAuftrag-serteilung deutlich machen mussen. Wegen ihrer Ver-pflichtungen im\nHinblick auf das Anforderungsprofil kann auf die Ausfuhrungen oben Bezug\ngenommen werden.\n\n46\n\nWas schließlich die gelieferten Bildschirme und die auf ihnen abgebildete\nSchriftgroße angeht, so ist zunachst noch einmal darauf hinzuweisen, daß der\nGeschaftsfuhrer K. der Beklagten diesen Punkt in der mundlichen Verhandlung\nausdrucklich als Ne-bensache bezeichnet hat, die fur den Rucktritt der\nBeklagten vom Vertrag nicht entscheidend gewesen sei. Im ubrigen ist hierzu\nvorab festzuhalten, daß die Klageirn die Bildschirme geliefert hat, die die\nVertreter der Beklagten bei ihr gesehen und im Fernschreiben vom 30.06.1987\nbestellte hatten. Es handelt sich um Bildschirme des I.-Systems II Modell X.\nWenn diese Bildschirme bei der Beklagten nicht die gewunschte Schriftgroße\nwiedergaben, dann liegt das daran, daß die Beklagte nicht die zugeho-rige\nI.-Software verwendete, sondern die Software der Beklagten. Wenn hier\nmoglicherweise ein Mißver-standnis zugrundegelegen hat, dann ware jedenfalls\ndie Beklagte nach Treu und Glauben verpflichtet ge-wesen, das spatere Angebot\nder Klagerin, zur Abbil-dung des großeren Schriftbildes kostenlos gesonder-te\nDisplays zu installieren, anzunehmen. Dieses An-gebot hat die Klagerin auch\nnicht spater zuruckge-nommen, wie die Beklagte in ihrer Berufungsbegrun-dung\nmeint. Lediglich der zugrundeliegende Vorgang ist in dem Schriftsatz der\nKlagerin vom 23.01.1990 (Bl. 132 a d.A.) anders geschildert worden als vorher.\nDiese Bewertung des Senats hinsichtlich der Verpflichtung der Beklagten wird\ndurch die oben wiedergegebenen Äußerungen von deren Geschaftsfuh-rer in der\nmundlichen Verhandlung bestatigt. Der Vollstandigkeit halber sei in diesem\nZusammenhang noch erwahnt, daß die Beweisaufnahme des Landge-richts nicht\nergeben hat, daß die Vertreter der Beklagten der Klagerin gegenuber bei ihrem\nBesuch schon den Wunsch nach einer großeren Schrift ein-deutig klargemacht\nhaben. Nach der Aussage des Zeu-gen Br., der damals fur die Beklagte tatig\nwar, be-steht die Moglichkeit, daß der Geschaftsfuhrer der Beklagten seinen\nWunsch lediglich intern gegenuber dem Zeugen Br., nicht aber auch gegenuber\nVertre-tern der Klagerin zu erkennen gegeben hat. Insofern ist zweifelhaft, ob\ndas Fernschreiben der Beklagten vom 30.06.1987 unter Ziffer 4 einen\nBezugspunkt in den vorangegangenen Verhandlungen der Parteien hat-te. Darauf\nkommt es aber letztlich nicht an.\n\n47\n\nSoweit die Beklagte schriftsatzlich meint, die Kla-gerin sei mit weiteren\nLeistungen schon lange vor dem 12.04.1989 in Verzug gewesen, ist dieses Vor-\nbringen einmal nur unzureichend substantiiert, zum andern widerspricht es auch\neindeutig den Erklarun-gen des Geschaftsfuhrers der Beklagten in der mund-\nlichen Verhandlung, die schon mehrfach wiedergege-ben worden sind.\n\n48\n\n3.\n\n49\n\nDie Berufung der Klagerin ist begrundet, weil nach § 5 der Lieferungs- und\nZahlungsbedingungen der Klagerin Verzugszinsen mit 2 % uber den Diskontsatz\nder Bundesbank vereinbart worden sind. Daß diese AGB dem Vertrag der Parteien\nzugrunde lagen, ist unstreitig.\n\n50\n\n4.\n\n51\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist nach den §§\n708 Nr. 10, 711 ZPO vor-laufig vollstreckbar.\n\n52\n\nWert der Beschwer der Klagerin: ca. 900.000,00 DM\n\n
314,134
olgk-1993-06-22-22-u-2693
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
22 U 26/93
1993-06-22
2019-03-13 13:55:07
2019-03-27 09:43:54
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1993:0622.22U26.93.00
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Klagerin wird das am 22. Dezember 1992 verkundete Teil-\nUrteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 7 0 449/91 - teilweise\nabgeandert und die Beklagte uber die Verurteilung durch vorgenanntes Urteil\nhinaus verurteilt:\n\n1\\. Das unter dem Datum des 16.03.1990 erstellte Nachlaßverzeichnis zu\nerganzen hinsichtlich\n\na) der bebauten Grundstucke G. 21 und G. 16, XXXX C., eingetragen im Grundbuch\nvon N., Blatt 0149, laufende Nummer 1 und 2,\n\nb) der Wohnungseinrichtungen, soweit sie der Beklagten innerhalb von 10 Jahren\nvor der Eheschließung mit dem Erblasser Prof. Dr. med H. Q. I. E. schenkweise\nubereignet worden sind,\n\nc) Anschaffungen, soweit sie innerhalb von 10 Jahren vor der Eheschließung des\nErblassers mit der Beklagten vom Erblasser getatigt und der Beklagten\nzugewandt worden sind und uber die Befriedigung des laufenden Lebensbedarfes\nhinausgingen und nicht die unter Ziffer 1 b) erfaßten Wohnungseinrich­tungen\nbetreffen (z. B. Schmuck, Kunstgegenstande, Wertpapiere, Grundstucke).\n\n2\\. Den Wert ermitteln zu lassen hinsichtlich der im Antrag zu 1. a) genannten\nGrundstucke.\n\nIm ubrigen wird der Antrag zu Ziffer 1 c) abgewiesen und die Berufung insoweit\nzuruckgewiesen.\n\nDie Kosten des Berufungsverfahrens tragt die. Beklagte.\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDer Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung des Klagerin durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 8.500,00 DM abzuwenden, wenn nicht die\nKlagerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\n \n1\n\n** _Tatbestand_**\n\n2\n\nDie Klagerin macht im Wege der Stufenklage Pflichtteilanspruche nach dem am\n12.07.1990 verstorbenen Prof. Dr. med H. Q. I. E. geltend. Die Klagerin ist\neines von zwei Kindern aus der ersten Ehe des Erblassers. Die Beklagte ist die\nzweite Ehefrau des Erblassers. Die Eheschließung zwischen dem Erblasser und\nder Beklagten fand im Jahre 1979 statt.\n\n3\n\nBereits am 05.11.1970 hatten die Beklagte und der Erblasser einen notariellen\n"Versorgungs- und Übergabevertrag" geschlossen, wonach die Beklagte sich\nverpflichtete, die hausliche Pflege und Wartung des Erblassers in gesunden und\nkranken Tagen bis zu dessen Ableben zu ubernehmen, und der Erblasser als\nGegenleistung der Beklagten seine beim Amtsgericht Euskirchen im Grundbuch von\nN. eingetragenen Grundstucke Gemarkung N., Flur 21, Flurstuck 32 und Flurstuck\n40 sowie das gesamte in dem Hausgrundstuck befindliche Mobiliar ubertrug.\nDieser Vertrag wurde durch notarielle Urkunde vom 20.11.1971 erganzt. Die\nEintragung des Eigentumsubergangs hinsichtlich beider Grundstucke erfolgte am\n19.12.1972 im Grundbuch. Durch notariellen Erbvertrag vom 05.11.1990 setzte\nder Erblasser die Beklagte ferner zur alleinigen uneingeschrankten Vorerbin\nein.\n\n4\n\nNach ihrer Eheschließung errichteten der Erblasser und die Beklagte vor dem\nNotar J. P. in K. am 13.07.1979 eine gemeinschaftliche Verfugung von Todes\nwegen, in der sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzten. Diese\ngegenseitige Erbeinsetzung wurde von der abandernden Verfugung vom 29.06.1983\nund 16.04.1984 nicht beruhrt.\n\n5\n\nNach der Eheschließung beteiligte sich der Erblasser finanziell an einem im\nEigentum der Beklagten stehenden Einfamilienhaus in C..\n\n6\n\nDie Beklagte ist durch Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts vom 26.11.1991\nverurteilt worden, Auskunft uber den Bestand des Nachlasses des am 12. Juli\n1990 verstorbenen Prof. Dr. med. H. Q. I. E. zu erteilen, und zwar durch\nVorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses, wobei sich die\nAuskunft auch auf Schenkungen (auch gemischte Schenkungen) innerhalb der\nletzten zehn Jahre vor dem Erbfall zu erstrecken hatte. Daraufhin hat die\nBeklagte am 16.03.1992 von dem Notar Dr. F. R. in C. ein Verzeichnis der\nNachlaßgegenstande beurkunden lassen.\n\n7\n\nDie Klagerin hat vorgetragen, das Nachlaßverzeichnis sei unvollstandig und\ndamit erganzungsbedurftig. Auch wenn die Beklagte das Eigentum an den beiden\nGrundstucken von dem Erblasser bereits vor Eingehung der Ehe ubertragen\nbekommen habe, musse sie daruber Auskunft erteilen. Außerdem seien Angaben\nuber die Finanzierungsleistungen des Erblassers anlaßlich des Hausbaues, des\nWertes und des Umfanges der Wohnungseinrichtungen sowie der in den letzten\nzehn Jahren vor dem Erbfall getatigten Anschaffungen erforderlich.\n\n8\n\nDie Klagerin hat beantragt,\n\n9\n\ndas unter dem Datum des 23. Marz 1992 erstellte Nachlaßverzeichnis zu erganzen\nhinsichtlich\n\n10\n\n1\\. des Wertes der bebauten Grundstukke G. 21 und G. 16, XXXX C.-O.,\neingetragen im Grundbuch von N., Bl. 0149, lfd. Nr. 1 und 2,\n\n11\n\n2\\. der Finanzierungsleistungen des Erblassers anlaßlich des Hausbaues,\n\n12\n\n3\\. des Wertes und des Umfanges der Wohnungseinrichtungen sowie\n\n13\n\n4\\. der in den letzten 10 Jahren vor dem Erbfall getatigten Anschaffungen.\n\n14\n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n15\n\nden Klageantrag abzuweisen.\n\n16\n\nDie Beklagte hat die Auffassung vertreten, zu einer Erganzung des\nNachlaßverzeichnisses vom 16.03.1992 nicht verpflichtet zu sein.\n\n17\n\nDurch Teilurteil vom 22.12.1992 hat das Landgericht der Klage nur bezuglich\nder von der Klagerin begehrten Erganzung des Nachlaßverzeichnisses\nhinsichtlich der wahrend der Ehe des Erblassers mit der Beklagten\nvorgenommenen Finanzierungsleistungen fur das im Eigentum der Beklagten\nstehende Haus in C. stattgegeben; im ubrigen hat es einen Anspruch der\nKlagerin auf Erganzung des Nachlaßverzeichnisses verneint, weil dieses nur die\nNachlaßgegenstande auffuhren, nicht aber ihren Wert angeben musse und einem\nWertermittlungsanspruch die Verstreichung der 10-Jahresfrist des § 2325 Abs.\n3, 1. Halbsatz BGB entgegenstehe. Diese Beurteilung gelte auch fur den Antrag\nauf Erganzung des Nachlaßverzeichnisses um den Wert und den Umfang der\nWohnungseinrichtung. Über die in den letzten 10 Jahren vor dem Erbfall\ngetatigten Anschaffungen habe die Beklagte bereits im Nachlaßverzeichnis vom\n16.03.1992 Auskunft erteilt.\n\n18\n\nGegen dieses ihr am 24.12.1992 zugestellte Teilurteil, auf das wegen aller\nweiteren Einzelheiten vollinhaltlich Bezug genommen wird, hat die Klagerin am\n25.01.1992 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel nach Verlangerung der\nBerufungsbegrundungsfrist bis 25.03.1992 mit an diesem Tag eingegangenem\nSchriftsatz begrundet.\n\n19\n\nDie Klagerin begehrt neben dem Antrag auf Ermittlung des Wertes der ihr vom.\nErblasser ubertragenen Grundstucke G. 21 und 16 in C. die Erganzung des\nNachlaßverzeichnisses hinsichtlich dieser beiden Grundstucke sowie\nhinsichtlich der Wohnungseinrichtungen und der Anschaffungen, soweit sie\ninnerhalb von 10 Jahren vor der Eheschließung des Erblassers mit der Beklagten\ndieser schenkweise ubereignet, bzw. vom Erblasser getatigt worden sind.\n\n20\n\nDie Klagerin tragt unter Wiederholung, Erganzung und Vertiefung ihres\nerstinstanzlichen Vorbringens vor:\n\n21\n\nAlle vom Erblasser an die Beklagte vorgenommenen Übereignungen unterlagen als\nSchenkungen dem Auskunfts- und Pflichtteilserganzungsanspruch. Auch die\ninnerhalb von 10 Jahren vor der Eheschließung des Erblassers 1977 erfolgten\nSchenkungen und Anschaffungen seien in das Nachlaßverzeichnis aufzunehmen, da\ndie 10-Jahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB nach Sinn und Zweck der Vorschrift\nnicht vor der Auflosung der Ehe zu laufen beginne. Zudem habe der Erblasser\ndie ubertragenen Grundstucke nebst Mobiliar durch Einraumung eines\nlebenslanglichen uneingeschrankten grundbuchlich gesicherten Nießbrauchs- und\nNutzungsrechtes weiterhin uneingeschrankt nutzen konnen, so daß sie\nwirtschaftlich nicht vollstandig aus seinem Vermogen ausgegliedert gewesen\nseien. Daraus folge die Einbeziehung von bis zu 10 Jahren vor Eheschließung\nerfolgten Schenkungen in den Pflichtteilserganzungsanspruch. Durch\nRechtsirrtum uber die Fristbestimmung des § 2325 Abs. 3, 2. HS BGB beeinflußt,\nhabe die Beklagte die innerhalb von 10 Jahren vor der Eheschließung\nschenkweise in ihr Vermogen gelangten Gegenstande der Wohnungseinrichtung\nnicht in das Nachlaßverzeichnis aufgenommen. Desgleichen stehe ihr, der\nKlagerin, ein Anspruch auf Erganzung hinsichtlich der Gegenstande zu, die in\nden letzten 10 Jahren vom Erblasser angeschafft worden seien und nunmehr der\nBeklagten verblieben. Die Ausweitung des Auskunftsanspruches auf die Zeit vor\nder Eheschließung stelle keine Klageanderung, sondern nur eine Erweiterung des\nKlageantrags dar, die zudem sachdienlich sei und nicht zu einer Verzogerung\ndes Rechtsstreits fuhre.\n\n22\n\nDie Klagerin beantragt,\n\n23\n\nunter Abanderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zusatzlich zu\nverurteilen,\n\n24\n\n1\\. das unter dem Datum des 23.03.1990 erstellte Nachlaßverzeichnis zu\nerganzen hinsichtlich\n\n25\n\na) der bebauten Grundstucke G. 21 und G. 16, XXXX C., eingetragen im Grundbuch\nvon N., Bl. 0149, lfd.-Nr. .1 und 2,\n\n26\n\nb) der Wohnungseinrichtungen, soweit sie der Beklagten innerhalb von 10 Jahren\n\n27\n\nvor der Eheschließung mit dem Erblasser Prof. Dr. med. H. Q. I. E. schenkweise\nubereignet worden sind,\n\n28\n\nc) Anschaffungen, soweit sie innerhalb von 10 Jahren vor der Eheschließung der\nBeklagten mit dem Erblasser getatigt worden sind;\n\n29\n\n2\\. den Wert ermitteln zu lassen hinsichtlich der im Antrag zu 1. a) genannten\nGrundstucke.\n\n30\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n31\n\n1\\. die Berufung zuruckzuweisen;\n\n32\n\n2\\. der Berufungsbeklagten zu gestatten, Sicherheit auch durch\nselbstschuldnerische Burgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank\noder offentlichenSparkasse leisten zu konnen;\n\n33\n\nDie Beklagte tritt den Ausfuhrungen der Berufung mit naheren Darlegungen\nentgegen.\n\n34\n\nErganzend wird wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien\nauf den vorgetragenen Inhalt der von ihnen in beiden Instanzen gewechselten\nSchriftsatze und zu den Akten gereichten Unterlagen und den nicht\nnachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 27.05.1993 Bezug genommen.\n\n35\n\n** _Entscheidungsgr unde_**\n\n36\n\nDie in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Klagerin hat\nauch in der Sache selbst im erkannten Umfang Erfolg.\n\n37\n\n**A.**\n\n38\n\nI. Bei den mit der Berufung verfolgten Antragen der Klagerin handelt es sich -\nmit Ausnahme der gemaß dem erstinstanzlichen Antrag zu Ziffer 1 bereits\nerstrebten Wertermittlung - allerdings um neues Begehren, das mit den fruheren\nAntragen nicht erfaßt war; denn es wird nunmehr ausdrucklich Auskunft durch\nErganzung des Nachlaßverzeichnisses hinsichtlich der bebauten Grundstucke G.\n21 und 16 in C. sowie hinsichtlich der Wohnungseinrichtungen und Anschaffungen\ndes Erblassers fur einen anderen Zeitraum, namlich 10 Jahre vor der\nEheschließung des Erblassers mit der Beklagten, verlangt.\n\n39\n\nOb dieses zusatzliche Begehren eine echte Klageanderung im Sinn des § 263 ZPO\nbeinhaltet oder nicht, weil es nur eine quantitative Änderung ohne eine solche\ndes Klagegrundes enthalt, namlich ohne Änderung des zugrundeliegenden\nLebenssachverhaltes eine Auskunftsanspruch betreffend einen anderen Zeitraum,\nnicht vom 12.07.1980 bis 12.07.1990 (Tod des Erblassers), sondern von 1967 bis\n1977 geltend gemacht wird, kann letztlich dahinstehen. Denn auch eine in den\nerganzenden Antragen zu sehende Klageanderung ist als sachdienlich zuzulassen,\nda sie dazu dient, den Streit zwischen den Parteien endgultig zu beheben und\neinen neuen Rechtsstreit zu vermeiden (vgl. Zoller-Stephan, 16. Aufl., zu §\n263 Rn 14 m.w.N.).\n\n40\n\nDieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß die geanderten Antrage erstmals\nin der Berufungsinstanz geltend gemacht werden. Sowohl eine Klageerweiterung\nals auch eine Klageanderung sind gemaß den §§ 523, 264, 263 ZPO zulassig (vgl.\nZoller/Schneider, a.a.O., zu § 28 Rn 9 und 11 - jeweils mit Nachweisen der\nRechtsprechung -). Die neuen Antrage begegnen vorliegend auch bei Annahme\neiner Klageanderung keinen Bedenken, weil mit der Zulassung eine Änderung oder\nErganzung des streitigen Tatsachenstoffes nicht verbunden ist.\n\n41\n\nII. Der Einwand der Rechtskraft steht den mit der Berufung verfolgten Antragen\nauf Erganzung des Nachlaßverzeichnisses nicht entgegen, da uber den nunmehr\nstreitgegenstandlichen Zeitraum nicht entschieden worden ist. Aufgrund des\nTeilanerkenntnisurteils vom 26.11.1991 steht nicht fest, daß sich das\nVerzeichnis "nur" auf den Zeitraum vom 12.07.1980 bis 12.07.1990 zu erstrecken\nhabe. Die Auskunftspflicht ist nicht beschrankt; die Zeit von 1967 bis 1977\nwar nicht Gegenstand der klagerischen Antrage erster Instanz und der\nangefochtenen Entscheidung.\n\n42\n\nIII. Die gemaß § 253 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO erforderliche Bestimmtheit der\nAntrage ist auch hinsichtlich des Antrages zu Ziffer 1. c) betreffend die vom\nErblasser innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Eheschließung mit der\nBeklagten getatigten Anschaffungen zu bejahen. Dieser Antrag ist entsprechend\nder Erorterung in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat einschrankend dahin\nzu verstehen und zu konkretisieren, daß Auskunft durch Erganzung des\nNachlaßverzeichnisses zu erteilen ist uber der Beklagten zugewandte\nAnschaffungen des Erblassers im genannten Zeitraum, die uber die Befriedigung\ndes laufenden Lebensbedarfs hinausgehen und nicht die unter Ziffer 1. b)\nerfaßten Wohnungseinrichtungen betreffen, wie z.B. Schmuck, Kunstgegenstande,\nWertpapiere, Grundstucke und ahnliches. Eine entsprechende Fassung hat der\nTenor gefunden. Soweit solche Anschaffungen des Erblassers der Beklagten nicht\nim genannten Zeitraum zugewandt worden sind, sondern ihr nur "verbleiben",\nd.h. durch den Tod des Erblassers zugefallen sind, sind sie bereits vom\nTeilanerkenntnis-Urteil vom 26.11.1991 umfaßt.\n\n43\n\n**B.**\n\n44\n\nDas klagerische Begehren auf Erganzung des Nachlaßverzeichnisses ist -\nhinsichtlich des Antrages zu Ziffer 1. c) im vorstehend dargestellten\nVerstandnis - begrundet.\n\n45\n\nI. 1. a) Der Antrag der Klagerin findet seine rechtliche Grundlage in § 2314\nAbs. 1 Satz 1 BGB, da hiernach der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten auf\nVerlangen Auskunft uber den Bestand des Nachlasses zu erteilen hat und zwar in\nder Form eines Nachlaßverzeichnisses (§ 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB).\n\n46\n\nDaß bislang nicht geklart ist, ob die beiden Grundstucke nebst den\nubertragenen Wohnungseinrichtungen tatsachlich zum Nachlaß gehoren, ist\nunerheblich. § 2314 BGB gibt namlich nach einhelliger Auffassung (vgl.\nPalandt-Edenhofer, 50. Aufl., zu § 2314 Rn 5; Soergel-Dieckmann, 12. Aufl., zu\n§ 2314 Rn 31; Staudinger-Fered-Cieslar, 12. Aufl., zu § 2314 Rn 23; BGH 89,\n24, 26/27) nicht nur einen Anspruch auf Auskunft uber die tatsachlichen\nNachlaßgegenstande, sondern auch uber den sogenannten fiktiven Nachlaßbestand,\nd.h. die ausgleichungsarheblichen Zuwendungen und Leistungen (§ 2316 BGB) und\npflichtteilserganzungserheblichen Schenkungen (§§ 2325 f. BGB).\n\n47\n\nb) Das von der Beklagten zu erstellende Nachlaßverzeichnis hat demgemaß nicht\nnur Auskunft zu geben uber die tatsachlich im Nachlaß vorhandenen Gegenstande,\nsondern auch uber die vom Erblasser vorgenommenen ausgleichungs- und\nerganzungspflichtigen Zuwendungen und Schenkungen. Dabei hat die Auskunft sich\nauch auf eine Zuwendung zu erstrekken, von der streitig und ungeklart ist, ob\nsie eine Schenkung darstellt, sofern sie nur unter Umstanden erfolgt ist, die\ndie Annahme nahelegen, es handele sich in Wirklichkeit - wenigstens zum Teil -\num eine Schenkung (vgl. BGH 89, 24, 27; Palandt-Edenhofer, a.a.O., zu § 2314\nRn. 5; Staudinger-Fered-Cieslar, a.a.O., zu § 2314 Rn. 24). Denn die\nEntscheidung daruber, ob wirklich eine Schenkung vorliegt, gehort wesensmaßig\nin den Streit um die Hohe des Zahlungsanspruches, und ihre Vorverlagerung in\nden Streit um die Auskunftspflicht wurde diesen Anspruch nach seinem Sinn und\nZweck weitgehend entwerten (vgl. BGH WM 1975, 28, 31).\n\n48\n\n2\\. Dem Anspruch auf Aufnahme der beiden bebauten Grundstucke, der\nubertragenen Wohnungseinrichtungen und der der Beklagten zugewandten\nAnschaffungen des Erblassers in das von der Beklagten geschuldete\nNachlaßverzeichnis steht nicht entgegen, daß die Beklagte ein solches gemaß\nTeilanerkenntnisurteil vom 26.11.1991 bereits erstellt hat. Denn der\nPflichtteilsberechtigte kann auch die Erganzung des Nachlaßverzeichnisses\nverlangen, wenn der Verpflichtete einen Vermogensteil ganz ausgelassen (RG JW\n1914, 348) oder aus Rechtsirrtum eine unbestimmte Anzahl von Gegenstanden\nnicht darin aufgenommen hat (BGH LM Nr. 1 zu § 260 BGB).\n\n49\n\nDiese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Zwar sind die Grundstucke und\nWohnungseinrichtungen der Beklagten bereits aufgrund Vertrages vom 05.11.1970\n- die Grundstucke mit der Eintragung des Eigentumsuberganges am 19.12.1972 -\nubertragen worden, und die Beklagte brauchte hieruber nach dem\nTeilanerkenntnisurteil Auskunft nicht zu erteilen, da mit der Klage Auskunft\nnur uber den Bestand des Nachlasses (Stand 12.07.1990) sowie uber die\nSchenkungen in der Zeit vom 12.07.1980 bis 12.07.1990 begehrt worden war.\nGleichwohl sind sowohl der der Beklagten ubereignete Grundbesitz nebst\nWohnungseinrichtungen als auch weitere der Beklagten zugewandte Anschaffungen\ndes Erblassers in den letzten 10 Jahren vor der Eheschließung des Erblassers\nmit der Beklagten aus Rechtsirrtum nicht in das Nachlaßverzeichnis aufgenommen\nworden, weil die Beklagte zu Unrecht die Auffassung vertritt, zur Auskunft nur\nuber Zuwendungen des Erblassers in den letzten 10 Jahren vor dessen Tod\nverpflichtet zu sein.\n\n50\n\nII. Die Beklagte ist aber auskunftspflichtig auch uber die ihr ubertragenen\nGrundstucke sowie die ihr innerhalb von 10 Jahren vor der Eheschließung mit\ndem Erblasser 1977 zugewandten Wohnungseinrichtungen und Anschaffungen im oben\nnaher konkretisierten Sinne.\n\n51\n\n1\\. Die Übertragung der Grundstucke G. 16 und 21 in C. sowie der darin\nbefindlichen Wohnungseinrichtungen stellen jedenfalls eine gemischte und damit\nentsprechend pflichtteilserganzungserhebliche Schenkung dar, da nach dem von\nden Parteien vorgetragenen Sachverhalt der Wert der vom Erblasser ubertragenen\nVermogensgegenstande den Gegenwert der von der Beklagten versprochenen\nPflegeleistung ganz erheblich ubersteigt.\n\n52\n\nAls gemischte Schenkung wird ein einheitlicher Austauschvertrag bezeichnet,\nbei dem Leistung und Gegenleistung objektiv in einem Mißverhaltnis stehen und\ndie Parteien außerdem daruber einig sind, daß der Mehrwert dem Empfanger\nunentgeltlich zukommen soll (vgl. Erman-Seiler, 7. Aufl., zu § 516 RN 16\nm.w.N.; Palandt-Putzo, 52. Aufl., zu § 516 RN 13). Dabei ist die allgemeine\nFrage nach dem "ob" einer gemischten Schenkung bereits zu bejahen, wenn das\nGericht in einer groben Überschlagsberechnung auch nur zur Annahme eines\ngeringen Wertunterschiedes gelangt (so BGH FamRZ 1984, 880,\n\n53\n\nIII).\n\n54\n\nDer der Übereignung der Grundstucke nebst gesamtem Mobiliar zugrundeliegende\nVersorgungs- und Übergabevertrag vom 05.11.1970 (B1. 148 f. d.A.) stellt sich\naußerlich als entgeltlicher Vertrag dar, da die Beklagte als Gegenleistung fur\ndie Übertragungen die hausliche Pflege und Wartung des Erblassers ubernommen\nhatte. Die Leistung des Erblassers wurde jedoch nur zu einem Teil durch die\nGegenleistung der Beklagten aufgewogen, und es ist davon auszugehen, daß die\nParteien ubereinstimmend den uberschießenden Wert der Beklagten unentgeltlich\nzuwenden wollten. Bei dieser Beurteilung ist der Wert der ubertragenden\nGrundstucke und des Mobiliars zu berucksichtigen, den der Erblasser und die\nBeklagte im Vertrag vom 05.11.1970 mit einem Verkehrswert des Grundbesitzes\nvon 200.000,-- DM und des Mobiliars von 50.000,-- DM ausdrucklich aus\nKostengrunden und mithin niedrig angesetzt haben, wie die abandernde\nVereinbarung vom 20.11.1971 (B1. 159 f. d.A.) belegt, in der der Wert der\nubertragenden Grundstucke nebst dem gesamten Mobiliar mit 300.000,-- DM\nbeziffert wird und ferner die erbrechtlichen Vereinbarungen des Erblassers und\nder Beklagten erkennen lassen, in denen der Wert ihres reinen Vermogens am\n13.07.1979 mit 1,2 Millionen und der Wert einer Testamentsanderung am\n29.06.1983 mit 600.000,-- DM angegeben wurden. Auch wenn der vom Erblasser\nvorbehaltene Nießbrauch und die zu seinen Gunsten eingetragene Reallast den\nWert der Zuwendungen an die Beklagte schmalern (vgl. dazu BGH FamRZ 1991, 552\nf.), ist von einem zugewandten Wert von mindestens 200.000,-- DM bis\n300.000,-- DM auszugehen. Sowohl die Wertangaben im Vertrag vom 05.11.1970 als\nin der erganzenden Vereinbarung vom 20.07.1971 resultieren aus kosten- und\nsteuerlichen Erwagungen, die Werte moglichst niedrig anzusetzen, was besonders\ndeutlich wird durch die Abmachung, die Leistungen des Erblassers von\n300.000,-- DM mit kapitalisierten Gegenleistungen und einem verrechneten\nDifferenzbetrag von 110.800,-- DM in vollem Umfang auszugleichen. Der\nErblasser hat im Alter von 57 Jahren ersichtlich seinen gesamten Grundbesitz\nund die darin befindlichen Wohnungseinrichtungen gegen eine\nPflegeverpflichtung an die Beklagte - damals noch nicht seine Ehefrau -\nubertragen. Die von der Beklagten als Gegenleistung ubernommene Verpflichtung,\nden Erblasser bis zu seinem Ableben in gesunden und kranken Tagen zu pflegen,\nstand in keinem auch nur annahernd angemessenem Verhaltnis zum Wert der\nubereigneten Grundstucke und Wohnungseinrichtungen, zumal die Beklagte -\nfruhere Sekretarin des Erblassers - damals bereits mit dem Erblasser in einer\neheahnlichen Lebensgemeinschaft verbunden war und bereits daraus jedenfalls\ndie sittliche Pflicht entsprang, den Partner bei Bedarf auch zu pflegen.\n\n55\n\nBei dieser Beurteilung muß unberucksichtigt bleiben, daß der Erblasser nach\nDarstellung der Beklagten - in den letzten Jahren seines Lebens aufgrund einer\nschweren Erkrankung in erheblichem Maße auf die Pflege und Betreuung durch die\nBeklagte angewiesen war. Denn maßgeblich fur die Bewertung der vereinbarten\nGegenleistung ist - wie die Beklagte in der Berufungserwiderung einraumt - der\nZeitpunkt des Vertragsschlusses.\n\n56\n\nDa es vielfach schwierig ist, die subjektiven Voraussetzungen einer Schenkung\nnachzuweisen, tritt die Rechtsprechung (vgl. BGH FamRZ 1972, 503; 1989, 732,\n733; Munchener Kommentar-Frank, 2. Aufl., zu § 2314 RN 12) dem in Fallen eines\nauffallenden, groben Mißverhaltnisses zwischen Leistung und Gegenleistung mit\nHilfe einer tatsachlichen Vermutung fur die subjektiven Voraussetzungen der\nSchenkung dahin entgegen, daß sich die Vertragsschließenden uber die\nUnentgeltlichkeit der dem anderen Teil zugewandten Bereicherung einig waren.\nZwar konnen die Vertragspartner im Rahmen der Vertragsfreiheit den Wert der\nauszutauschenden Leistungen und damit auch die Große eines sich etwa\nergebenden Leistungsuberschusses selbst bestimmen (vgl. BGH RamRZ 1972, 503).\nSie durfen jedoch die Rechtsfolgen des § 2325 BGB nicht dadurch umgehen, daß\nsie die Werte von Leistung oder Gegenleistung ganz unangemessen festsetzen, um\neinen außerlichen Gleichstand zu erreichen (vgl. BGH FamRZ 1972, 503, 504;\n1989, 732, 733).\n\n57\n\nSoweit in der erganzenden Urkunde vom 22.11.1971 (B1. 159 f. d.A.) als\nzusatzliche Gegenleistung fur die Übertragung der Grundstucke die Verrechnung\neiner angeblichen Forderung der. Beklagten aus ihrer fruheren Tatigkeit fur\nden Erblasser wegen geleisteter Mehrarbeit und Überstunden von. 110.800,-- DM\nvereinbart worden ist, kann diese nicht berucksichtigt werden. Der genannte\nVertrag legt nach seinem Inhalt die Annahme nahe, daß nicht eine nachtragliche\nVergutung fur erbrachte Leistungen zu regeln war, sondern ein formeller\nAusgleich zwischen den beiderseitigen Leistungen hergestellt werden sollte, um\ndie ubertragenen Vermogenswerte einer erbrechtlichen Ausgleichung zu entziehen\nund Schenkungssteuer zu sparen. Die Beklagte hat die angeblichen\nDienstleistungen auch in zweiter Instanz nicht einmal ansatzweise erlautert\nund dargelegt.\n\n58\n\nDie Vertrage vom 05.11.1970 und 20.11.1971 sind darauf gerichtet, die Regelung\nuber die Pflichtteilserganzung wirkungslos zu machen, indem durch\nVermogensubertragungen, die ungefangen als Schenkung formuliert wurden, als\nvoll entgeltlich dargestellt werden (vgl. BGH FamRZ 1989, 732/733).\n\n59\n\nDer Charakter jedenfalls teilweiser Schenkung der Übertragungen an die\nBeklagte entfallt schließlich nicht deshalb, weil es sich um sogenannte\nunbenannte Zuwendungen handelt, die als Beitrag zu Erhaltung, Gestaltung und\nSicherung der ehelichen oder nichtehelichen Lebensgemeinschaft erbracht worden\nsind. Zwar zeigt die Regelung im Versorgungs- und Übergabevertrag von 1970,\nnach der der Erblasser sich den jederzeitigen Rucktritt vom Vertrag fur den\nFall vorbehalten hat, daß die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Pflege und\nWartung nicht in vollem Umfang nachkommen wurde, daß es ihm auch darum ging,\nden Bestand der (damals noch nichtehelichen) Lebensgemeinschaft zu sichern.\n\n60\n\nSolche unbenannten Zuwendungen sind indes objektiv unentgeltlich und im\nErbrecht wie Schenkungen im Sinne des § 2325 zu behandeln (vgl. BGH FamRZ\n1992, 300, 301; Sandweg NJW 1989, 1965, 1972; Jaeger DNotZ 1991, 431, 437).\nDas Eingreifen der Schutzvorschriften uber die Pflichtteilserganzung kann\nnicht davon abhangig gemacht werden, ob dies mit dem Willen und den\nVorstellungen des Erblassers und des von ihm Beschenkten in Einklang steht\n(vgl. Sandweg NJW 1989, 1965, 1972 unter Hinweis auf BGH DNotZ 1987, 774).\nDenn § 2325 will gerade die nachsten Verwandten des Erblassers davor schutzen,\ndaß dieser sie durch gezielte Vermogensverschiebungen an seine Ehefrau oder an\ndie Lebensgefahrtin um eine angemessene Beteiligung am Nachlaß bringt (vgl.\nBGH FamRZ 1990, 300, 303; OLG Celle FamRZ 1989, 1012, 1013; Palandt-Edenhofer,\na.a.O., zu § 2325 RN 1). Eine Schenkung ist zwar zu verneinen, wenn die\nZuwendung einem Anspruch des Beschenkten objektiv entspricht, der\nAlterssicherung dient oder hiermit langjahrige Dienste, die ein Ehegatte vor\nund nach der Eheschließung geleistet hat, nachtraglich vergutet werden\nsollten. Fur solche Voraussetzungen hat die Beklagte weder Ausreichendes\nvorgetragen, noch ist dafur etwas ersichtlich. Daß die Beklagte den Erblasser\nvor seinem Tod gepflegt hat, entspricht der ehelichen Betreuungspflicht, zumal\nder Erblasser unstreitig den Aufwand der gemeinsamen Lebensfuhrung getragen\nhat.\n\n61\n\n2\\. Der von der Klagerin mit der Berufung begehrten Auskunft hinsichtlich\neines Zeitraumes von 10 Jahren vor der Eheschließung des Erblassers mit der\nBeklagten, d.h. insbesondere hinsichtlich der Grundstucke und der ubertragenen\nWohnungsreinrichtungen, steht auch § 2325 Abs. 3 BGB nicht entgegen, obwohl\ndie 10-Jahresfrist seit der Übertragung der Grundstucke nebst Mobiliar in den\nJahren 1970, bzw. 1972 vom reinen Zeitablauf her verstrichen ist.\n\n62\n\na) Die Regelungen des § 2325 Abs. 3 BGB bestimmt, daß der\nPflichtteilserganzung Schenkungen unterliegen, die in den letzten 10 Jahren\nvor dem Erbfall gemacht worden sind, daß diese 10-Jahresfrist fur Schenkungen\nan den Ehegatten des Erblassers aber erst mit der Auflosung der Ehe beginnt,\nwas fur die Beklagte bedeutet, daß sie zur Pflichtteilserganzung wegen\nSchenkungen des Erblassers an Dritte nur insoweit verpflichtet ist, als diese\nZuwendungen in den letzten 10 Jahren vor dem Erbfall gemacht worden sind, daß\nsie aber wahrend der Ehezeit selbst erhaltene Schenkungen ohne solche\nzeitliche Beschrankung im Wege der Pflichtteilserganzung ausgleichen muß (vgl.\nOLG Celle FamRZ 1989, 1012). Die Ungleichbehandlung von Ehegattenschenkungen\nund Drittschenkungen im Rahmen der Pflichtteilserganzung durch § 2325 Abs. 3\nHalbsatz 2 BGB verstoßt nach zutreffender Auffassung des\nBundesverfassungsgerichtes nicht gegen Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 BGB, weil die\nin einer typisierenden Betrachtung der normalerweise vorauszusetzenden Lebens-\nund Interessengemeinschaft der Ehegatten vom Gesetzgeber angenommene\nMoglichkeit des Schenkers, den seinem Ehegatten geschenkten Gegenstand\ntatsachlich mitbenutzen zu konnen, als wesentlicher Unterschied zur\nDrittschenkung gewertet und damit zur Grundlage der Ungleichbehandlung von\nDritt- und Ehegattenschenkungen gemacht werden kann (vgl.\nBundesverfassungsgericht NJW 1991, 217; OLG Celle FamRZ 1989, 1012; KG FamRZ\n1990, 729, 730).\n\n63\n\nDie Frage, ob diese Beurteilung auch Platz zugreifen hat, wenn die Schenkung\nvor der Eheerfolgt und die Eheschließung wahrend der 10-Jahresfrist\nvorgenommen wird, ist jedenfalls fur den vorliegenden Fall wegen\nvergleichbarer tatsachlicher und rechtlicher Situation zu bejahen.\n\n64\n\nDer Erblasser und die Beklagte waren zur Zeit der streitgegenstandlichen\nÜbertragungen in vorehelicher Lebensgemeinschaft verbunden, die im Jahr 1977\nzur Schließung der Ehe gefuhrt hat, die durch den Tod des Erblassers beendet\nworden ist. Wenn die Situation des Erblassers und der Beklagten im Zeitpunkt\nder Übertragungen auch nicht mit dem einer Ehe gleichzustellen ist, so war sie\neiner solchen jedoch in einem Maße vergleichbar, daß die Anwendung von § 2325\nAbs. 3 Halbsatz 2 BGB gerechtfertigt erscheint. Neben dem tatsachlichen\nZusammenleben zeigen die Vertrage vom 05.11.1970 und 20.11.1971, daß der\nErblasser und die Beklagte einerseits auch im vermogensrechtlichen Bereich\ngebunden sein wollten und andererseits dem Ge- _ sichtspunkt des\nMitbeherrschens und Mitbenutzens der ubertragenen Vermogenswerte dadurch\nRechnung getragen wurde, daß der Erblasser sich auf Lebenszeit ein\nuneingeschranktes Nießbrauchs- und Nutzungsrecht sowie ein Recht zum Rucktritt\nvom Versorgungs- und Übergabevertrag vom 05.11.1970 vorbehalten hat. Auch die\nschutzwurdigen Belange der Pflichtteilsberechtigten nach dem Tod des\nErblassers sprechen unter den vorliegenden Umstanden dafur, die 10-Jahresfrist\nmit der Eheschließung des Erblassers und der Beklagten zu unterbrechen mit\n**der Folge, da ß diese angesichts fortbestehender** Ehe beim Tod des\nErblassers noch nicht verstrichen war.\n\n65\n\nb) Diese rechtliche Beurteilung ist aber auch vorzunehmen, wenn man eine\nentsprechende Anwendung des § 2325 Abs. 3 Halbsatz 2 BGB vorliegend nicht fur\nzulassig erachtet, weil die vom Erblasser ubertragenen Vermogenswerte,\ninsbesondere Grundstucke und Wohnungseinrichtungen nicht vollstandig aus\nseinem Vermogen ausgegliedert worden sind.\n\n66\n\nDie uberzeugende Begrundung zu § 2325 Abs. 3 Halbsatz 2 BGB (vgl.\nBundesverfassungsgericht NJW 1991, 217, Protokolle IV, 588) spricht dafur, daß\nSchenkungen, bei denen der Schenker den Genuß des verschenkten Gegenstandes\nauch nach der rechtlichen Ausgliederung aus seinem Vermogen tatsachlich nicht\nentbehren muß, wie es bei Schenkungen unter Eheleuten in der Regel der Fall\nist, auch im Sinne von § 2325 Abs. 3 Halbsatz 1 BGB noch nicht als geleistet\ngelten sollen (BGH NJW 1987, 122, 123). Erforderlich ist vielmehr, daß der\nErblasser einen Zustand geschaffen hat, dessen Folgen er selbst noch 10 Jahre\nlang zu tragen hat und der ihn schon im Hinblick auf diese Folgen von einer\n"boslichen" Schenkung abhalten kann (vgl. BGH NJW 1987, 122, 124 = BGH 98,\n226, 232). Dazu bedarf eines vollstandigen wirtschaftlichen Ausscheidens des\nGeschenkes aus dem Vermogen des Erblassers. Diesem soll die Moglichkeit\nversagt werden, sein Vermogen unter Benachteiligung der\nPflichtteilsberechtigten in erheblichem Umfang ohne fur ihn fuhlbares eigenes\nVermogensopfer "am Nachlaß vorbei" weiterzuleiten (vgl. BGH NJW 1987, 122, 123\nm.w.N.).\n\n67\n\nNach diesen Grundsatzen sind die Grundstucke und die ubertragenen\nWohnungseinrichtungen nicht wegen Ablauf der 10-Jahresfrist unberucksichtigt\nzu lassen, da sie nicht hinreichend aus dem Vermogen des Erblassers\nausgegliedert waren. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichtes ist nicht\nauf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Band 102, 289 f. zu stutzen,\nda in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt eine vollstandige\nAusgliederung des betreffenden Vermogensteiles vorgenommen worden war. Im\nvorliegenden Fall hat der Erblasser die Schenkung indes rechtlich so\nausgestaltet, daß er die Folgen seiner Freigiebigkeit selbst nicht spuren\nmußte. Durch die vertragliche und durch Grundbucheintragung abgesicherte\nEinraumung eines lebenslanglichen Nießbrauchs- und Nutzungsrechtes konnte er\ndie Grundstucke nebst Inventar weiterhin uneingeschrankt nutzen. Durch den\nVorbehalt eines Rucktrittsrechtes fur den Fall, daß die Beklagte ihrer\nVerpflichtung zur Pflege nicht in vollem Umfang nachkommen wurde, wird\ndeutlich, daß der Eblasser sich der Herrschaftsmacht uber die Grundstucke bis\nzu seinem Tod nicht begeben hat.\n\n68\n\nAuch die Zuwendung der Wohnungseinrichtung hat sich wegen des vorbehaltenen\nNießbrauchs - und Rucktrittsrechtes erst mit dem Tod des Erblassers vollendet.\nDas vereinbarte Nutzungsrecht ist auch praktiziert worden, da der Erblasser\ngemeinsam mit der Beklagten die Grundstucke nebst Wohnungseinrichtung genutzt\nhat.\n\n69\n\nDa es zu einer volligen Ausgliederung der gemaß Vertrag vom 05.11.1970\nubertragenen Vermogenswerte vor der Eheschließung nicht gekommen ist, konnte\ndie 10-Jahresfrist erst mit dem Tod des Erblassers beginnen.\n\n70\n\nc) Die gleiche Beurteilung hat zu gelten hinsichtlich der Zuwendung von nicht\naufgrund des Vertrages vom 05.11.1970 ubertragener Wohnungseinrichtungen sowie\nsonstiger Wertgegenstande und Vermogenswerte an die Beklagte gemaß dem Antrag\nzu Ziffer 1. c), da auch insoweit von einer Mitbenutzung bzw. einem\nvorbehaltenen Nutzungsrecht seitens des Erblassers auszugehen ist.\n\n71\n\nDemgemaß kann die Klagerin verlangen, daß die Beklagte das Nachlaßverzeichnis\nhinsichtlich der beiden Grundstucke sowie der ihr in den letzten 10 Jahren vor\nder Eheschließung mit dem Erblasser ubertragenen Wohnungseinrichtungen und\nzugewandten sonstigen Anschaffungen im oben konkretisierten Verstandnis des\nAntrags zu Ziffer 1. c) erganzt.\n\n72\n\nIII. Ein Anspruch der Klagerin auf Wertermittlung hinsichtlich der beiden\nGrundstucke ist gemaß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB zu bejahen. Zwar lost auch der\nbegrundete Verdacht einer Schenkung nur den Auskunfts-, nicht aber den\nWertermittlungsanspurch aus (vgl. BGH 89, 24, 29; Munchener Kommentar/Frank,\n2. Aufl., zu § 2314 RN 12; SoergelDieckmann, 12. Aufl., zu § 2314 RN 32).\n\n73\n\nVorliegend ist aber nach den Wertverhaltnissen der ubertragenen Grundstucke\nund der von der Beklagten ubernommenen Pflegeleistungen jedenfalls von einer\ngemischten und damit erganzungspflichtigen Schenkung auszugehen. Damit ist\nauch die Verpflichtung der Beklagten die Werte der Grundstucke ermitteln zu\nlassen, begrundet.\n\n74\n\nC.\n\n75\n\nDie prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 10,\n711, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des\nBerufungsverfahrens gemaß § 92 Abs. 2 ZPO insgesamt zu tragen, da das\nUnterliegen der Klagerin hinsichtlich des Antrages zu Ziffer 1 c) relativ\ngeringfugig ist und keine besonderen Kosten verursacht hat.\n\n76\n\nGegenstandswert fur das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer fur die\nBeklagte: **70.000,-- DM**\n\n
314,157
olgk-1993-06-03-12-w-1993
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
12 W 19/93
1993-06-03
2019-03-13 13:55:40
2019-03-27 09:43:51
Beschluss
ECLI:DE:OLGK:1993:0603.12W19.93.00
## Tenor\n\nAuf die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2) wird der Beschluß des\nLandgerichts Koln vom 08.04.1993 - 2 0 23/92 - aufgehoben.\n\nZur weiteren Entscheidung uber den Einspruch des Beklagten zu 2) vom\n22.03.1993 gegen das Versaumnisurteil des Landgerichts Koln vom 22.10.1992\nwird die Sache an das Landgericht Koln, dem zugleich auch die Entscheidung\nuber die Kosten des Beschwerdeverfahrens ubertragen wird, zuruckverwiesen.\n\n \n1\n\n**G r u n d e :**\n\n2\n\n**I.**\n\n3\n\nSoweit sich der Beklagte zu 2) gegen die Verwerfung seines Einspruchs gegen\ndas Versaumnisurteil vom 22.10.1992 wendet, ist _die_ statthafte (§ 341 Abs. 2\nSatz 2 ZPO) und auch im ubrigen zulassige sofortige Beschwerde begrundet.\n\n4\n\nDer am 23.03.1993 bei Gericht eingegangene Einspruch des Beklagten zu 2) gegen\ndas Versaumnisurteil des Landgerichts vom 22.10.1992 war nicht verfristet, da\nder Rechtsstreit nach § 244 ZPO im Marz 1992 unterbrochen und bis zum Eingang\ndes Einspruchs noch nicht wieder aufgenommen war.\n\n5\n\nWie sich aus dem von dem Beklagten zu 2) vorgelegten Schreiben des Prasidenten\ndes Oberlandesgerichts Koln vom 26.03.1992 an Rechtsanwalt I. (GA 133) ergibt,\nwurde die Zulassung des fruheren Prozeßbevollmachtigten des Beklagten zu 2),\nRechtsanwalt O., durch Verfugung vom 27.09.1991 nach den §§ 14 Abs. 2, 16 BRAO\nwiderrufen. Der von Rechtsanwalt O. nach § 16 Abs. 5 BRAO angerufene\n\n6\n\nEhrengerichtshof hat die Widerrufsverfugung bestatigt. Der entsprechende\nBeschluß des Ehrengerichtshofs vom 07.02.1992 wurde am 05.03.1992\nrechtskraftig. Damit erlosch die Zulassung von Rechtsanwalt O. nach § 34 Nr. 2\nBRAO.\n\n7\n\nBereits vor der Widerrufsverfugung vom 27.09.1991hatte sich Rechtsanwalt O.\nmit Widerspruchsschreiben vom 03.07.1991 fur den Beklagten zu 2) als\nProzeßbevollmachtigter bestellt. Das Versaumnisurteil vom 22.10.1992 erging\ndemgegenuber erst\n\n8\n\nnach dem Erloschen der Zulassung von Rechtsanwalt O..\n\n9\n\nNach § 244 Abs. 1 ZPO wird ein Rechtsstreit unterbrochen, sofern im\nAnwaltsprozeß der Anwalt einer Partei stirbt oder unfahig wird, die Vertretung\nder Partei fortzufuhren. Nach allgemeiner Auffassung wird ein Rechtsanwalt\nauch dann unfahig, die Vertretung der Partei fortzufuhren, wenn er seine\nAnwaltseigenschaft verliert, z.B. durch Widerruf der Zulassung nach den §§ 14,\n16, 34 BRAO. Stellt der Anwalt keinen Antrag nach § 16 Abs. 5 BRAO, tritt\nUnterbrechung mit Ablauf der dort genannten Frist ein, ansonsten mit\nRechtskraft der darauf ergehenden, die Zurucknahme der Zulassung bestatigenden\nEntscheidung des Ehrengerichtshofs (vgl. Feiber, in: Munchener Kommentar, §\n244 ZPO Rdn. 19; Thomas/Putzo, 18. AufI., § 244 ZPO Rdn. 8).\n\n10\n\nEine Unterbrechung des Verfahrens nach § 244 ZPO wurde nicht dadurch\nausgeschlossen, daß ausweislich des Schreibens des Prasidenten des\nOberlandesgerichts\n\n11\n\nKoln vom 26.03.1992 Rechtsanwalt I. zunachst zum Vertreter von Rechtsanwalt O.\n\n12\n\nsowie durch das genannte Schreiben zum Abwickler der Kanzlei von Rechtsanwalt\nO. bestellt wurde. Dabei kann dahinstehen, wann Rechtsanwalt I. zum Vertreter\nvon Rechtsanwalt O. bestellt wurde und ob gegebenenfalls vor oder nach der\nBestellung\n\n13\n\ndie sofortige Vollziehung der Widerrufsverfugung vom 27.09.1991 angeordnet\nworden war, §§ 16 Abs. 7, 155 Abs. 2, 161 BRAO.\n\n14\n\nDie Frage, ob eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 244 ZPO auch dann\neintritt, wenn fur den Anwalt im Zeitpunkt der sonst eintretenden\nUnterbrechung ein Vertreter nach war, wird im Anschluß an die Rechtsprechung\ndes Bundesgerichtshofes (BGHZ 61, 84; NJW 1982, 2324 = VersR 1982, 190; VersR\n1982, 365) einhellig dahingehend beantwortet, daß im Hinblick auf die\nVorschrift des § 54 BRAO eine Unterbrechung erst mit der Loschung des\nverstorbenen Anwalts in der Liste der Rechtsanwalte antritt. Keine Einigkeit\nherrscht demgegenuber fur die ubrigen Unterbrechungsgrunde des § 244 ZPO.\nSchumann (in: Stein/Jonas, 20. Aufl., § 244 ZPO Rdn. 13; ebenso wohl\nThomas/Putzo, 18. Aufl., § 244 ZPO Rdn. 6 bis 8) vertritt die Auffassung, die\nvorherige Bestellung eines Vertreters sei außer bei Tod lediglich\n\n15\n\nnoch beim Verlust der Prozeßfahigkeit des Anwalts durch Geisteskrankheit und\nEntmundigung geeignet, den Eintritt der Unterbrechung bis zum Ende der\nAmtszeit des Vertreters bzw. bis zur Zurucknahme der Zulassung des Anwalts\nhinauszuschieben. Stephan (in: Zoller, 17. Aufi., § 244 ZPO Rdn. 3, 4) erwahnt\neine Verzogerung der Unterbrechung demgegenuber nur fur den Fall des\nverstorbenen Anwalts. Nach Baumbach/Hartmann, 51. Aufl., § 244 ZPO Rdn. 11\nsoll bei Bestellung eines Vertreters nach § 53 BRAO generell keine\nVertretungsunfahigkeit vorliegen. Wieczorek (2. Aufi., § 244 ZPO Anm. B II)\ngeht davon aus, daß neben der Bestellung eines\n\n16\n\nallgemeinen Vertreters im Falle des Todes auch bei der Bestellung eines\nVertreters nach § 161 BRAO fur den Fall eines vorlaufigen Berufsverbots nach §\n150 BRAO keine Unterbrechung eintritt. Entsprechendes mußte auch fur die\nBestellung eines Vertreters nach § 161 BRAO im Falle der Anordnung der\nsofortigen Vollziehung der Widerrufsverfugung nach § 16 Abs. 7 BRAO gelten.\nNach der Auffassung von\n\n17\n\nWieczorek soll eine Unterbrechung des Verfahrens in entsprechender Anwendung\nvon § 54 BRAO dann mit der Loschung des Anwalts in der Liste der Rechtsanwalte\n\n18\n\nerfolgen. Feiber (in: Munchener Kommentar, § 244 ZPO Rdn. 19) wiederum will\neine Unterbrechung des Verfahrens bei der Bestellung eines Vertreters generell\nausschließen. Nur im Falle des Todes soll dann nachtraglich eine Unterbrechung\ndes Verfahrens durch die Loschung des verstorbenen Anwalts in der Liste der\nAnwalte eintreten, § 54 BRAO.\n\n19\n\nDie Frage, ob und in welchen Fallen die Bestellung eines Vertreters nach § 53\nBRAO bzw. § 161 BRAO eine Verfahrensunterbrechung nach § 244 ZPO ausschließt,\nbraucht hier nicht abschließend geklart zu werden. Selbst wenn Rechtsanwalt I.\nvor\n\n20\n\nEintritt einer Unterbrechung nach § 244 ZPO zum Vertreter von Rechtsanwalt O.\nbestellt wurde und die Vertreterbestellung grundsatzlich geeignet war, eine\nUnterbrechung des Verfahrens (zunachst) hinauszuzogern, trat nach Auffassung\ndes Senats eine Unterbrechung des Verfahrens jedenfalls mit dem Ende der\nBestellung von Rechtsanwalt I. zum Vertreter von Rechtsanwalt O., d.h. mit\nZugang des Schreibens vom 26.03.1992, ein. Da Rechtsanwalt O. den Beklagten zu\n2) nicht mehr vertreten\n\n21\n\nkonnte, weil seine Zulassung rechtskraftig widerrufen worden war und\nRechtsanwalt I. den Beklagten zu 2) nicht mehr vertreten konnte, weil seine\nVertreterbestellung endete, war zu diesem Zeitpunkt eine anwaltliche\nVertretung des Beklagten zu 2) nicht mehr moglich.\n\n22\n\nDem steht nicht entgegen, daß Rechtsanwalt I. durch das Schreiben des\nPrasidenten des Oberlandesgerichts Koln vom 26.03.1992 zugleich nach § 55 Abs.\n5 BRAO zum Abwickler der Kanzlei von Rechtsanwalt O. bestellt wurde. Schon bei\nrein formaler Betrachtungsweise handelt es sich bei der Vertretung einerseits\nund der Abwicklung andererseits um unterschiedliche Rechtsinstitute, zwischen\ndenen zumindest fur eine logische Sekunde eine Zasur liegt. Die Tatigkeit des\nVertreters setzt regelmaßig voraus, daß es noch einen Vertretenen gibt. Nach §\n55 Abs. 1, 5 BRAO wird der Abwickler demgegenuber fur die Kanzlei eines\nverstorbenen oder fruheren Rechtsanwalts bestellt. Hinzu kommt, daß es auch\nnach der Interessenlage der Beteiligten\n\n23\n\nnicht gerechtfertigt erscheint, beide Rechtsinstitute nahtlos ineinander\nubergehen zu lassen.\n\n24\n\nIm Falle der Vertreterbestellung besteht das Mandatsverhaltnis zwischen der\nPartei und dem vertretenen Anwalt fort. Die Vertretung ist zeitlich befristet\nmit dem Ziel, daß der vertretene Anwalt das Mandat zu ei.nem spateren\nZeitpunkt wieder selbst weiterfuhrt. Nach § 55 Abs. 2 Satz 4 BRAO gilt der\nAbwickler demgegenuber nur von der Partei als bevollmachtigt, sofern diese\nnicht fur die Wahrnehmung ihrer Rechte in anderer Weise gesorgt hat. Dahinter\nsteht die uberlegung, daß die Partei eigenverantwortlich soll entscheiden\nkonnen, ob sie das Mandat durch den ihr praktisch aufgedrangten Abwickler z.B.\naus Kostengrunden fortfuhren lassen oder ob sie einen neuen Rechtsanwalt ihres\nVertrauens beauftragen will. Die dazu benotigte Zeit wird\n\n25\n\nder Partei durch die vom Gesetz vorgesehene Unterbrechung des Verfahrens\nverschafft.\n\n26\n\nFur den bestellten Abwickler selbst ist von Bedeutung, daß er nach der\nFunktion des § 55 BRAO regelmaßig nur nach § 244 ZPO unterbrochene Verfahren\nabzuwickeln hat. Insoweit hat er Gelegenheit, zunachst eine Verstandigung mit\nder Partei herbeizufuhren. Es wurde eine erhebliche Erschwerung seiner\nTatigkeit bedeuten, wenn er damit rechnen mußte, je nach den Umstanden der\nvorangegangenen Vertreterbestellung auch mit einer Vielzahl laufender\nVerfahren konfrontiert zu werden. Dies mag dann noch angehen, wenn der spatere\nAbwickler zuvor bereits als Vertreter Gelegenheit hatte, sich mit dem\nVerfahren vertraut zu machen. Wurde man einen nahtlosen Übergang von der\nVertretung zur Abwicklung anerkennen, so mußte dies folgerichtig jedoch auch\nfur die Falle gelten, in denen der Abwickler vorher nur ganz kurz zum\nVertreter bestellt war oder in denen sogar ein Personenwechsel zwischen\nVertreter und Abwickler stattfand.\n\n27\n\nDurch die Unterbrechung des Verfahrens selbst bei Bestellung eines Abwicklers\nin unmittelbarem Anschluß an die Beendigung der Vertretertatigkeit wird die\nGegenpartei nicht unzumutbar belastet. Da nach § 55 BRAO kein Anspruch auf\nBestellung eines Abwicklers besteht ("kann"), muß diese ohnehin damit rechnen,\ndaß kein Abwickler bestellt wird oder daß die Bestellung erst so spat erfolgt,\ndaß in jedem Falle eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 244 ZPO eintritt.\n§ 244 Abs. 2 ZPO bietet der Gegenpartei zudem eine wirksame Handhabe, die\nAufnahme des unterbrochenen Verfahrens zu erzwingen.\n\n28\n\nEine Wiederaufnahme des im Marz 1992 unterbrochenen Verfahrens ist bis zu dem\nEinspruch des Beklagten zu 2) gegen das Versaumnisurteil vom 22.10.1992 nicht\nerfolgt. Nach § 244 Abs. 1, 250 ZPO erfolgt die Aufnahme eines unterbrochenen\nVerfahrens durch schriftliche Anzeige des neu bestellten (oder wieder\nvertretungsfahig gewordenen alten) Anwalts dem Gericht gegenuber und\nZustellung der Anzeige an\n\n29\n\ndie Gegenpartei (vgl. Baumbach/Hartmann, 51. Aufl., § 244 ZPO Rdn. 14;\nThomas/Putzo, 18. Aufl., § 244 ZPO Rdn. 13; Zoller/Stephan, 17. Aufl., § 244\nZPO Rdn. 5). Dies gilt auch fur die Aufnahme durch den nach § 55 BRAO\nbestellten Abwickler\n\n30\n\n(Baumbach/Hartmann a.a.O.). Eine ausdruckliche schriftliche Erklarung, das\nVerfahren aufzunehmen, hat Rechtsanwalt I. ausweislich des Akteninhalts nicht\nabgegeben. Nach allgemeiner Auffassung kann die Aufnahme allerdings konkludent\nerfolgen.\n\n31\n\nEine derartige konkludente Aufnahme wird regelmaßig in einem auf Forderung des\nVerfahrens gerichteten Schriftsatz zu sehen sein, z.B. in einem vorbereitenden\nSchriftsatz zur Sache selbst, einem Wiedereinsetzungsgesuch oder einer\nRechtsmitteleinlegung. Derartiges ist hier jedoch ebenfalls nicht erfolgt.\nRechtsanwalt I. hat lediglich die Empfangsbekenntnisse fur die Ladung zum\n22.10.1992 und die Zustellung des Versaumnisurteils vom 22.10.1992\nunterzeichnet und mit Schriftsatz vom 18.03.1992 um Akteneinsicht gebeten.\nEine gewollte Forderung des Verfahrens erfolgte dadurch nicht.\n\n32\n\nEs kann schließlich dahinstehen, ob - wie der Klager im Schriftsatz vom\n06.05.1993 behauptet - vor Erlaß des Versaumnisurteils ein Gesprach zwischen\nseinem Prozeßbevollmachtigten und Rechtsanwalt I. stattgefunden hat, bei dem\nRechtsanwalt I. erklart habe, es konne ein Versaumnisurteil ergehen; eine\nentsprechende Mitteilung habe Rechtsanwalt I. auch dem Vorsitzenden der 2.\nZivilkammer gemacht. Hierbei handelt es sich lediglich um mundliche\nErklarungen. Angesichts der weitreichenden\n\n33\n\nFolgen der Unterbrechung und Wiederaufnahme eines unterbrochenen Verfahrens\nist jedoch an der vom Gesetz vorgesehenen _schriftlichen_ Aufnahme eines\nunterbrochenen Verfahrens festzuhalten. Auf die vorgesehene Schriftform mag\nzwar nach § 295 ZPO verzichtet werden, wenn beide Parteien zum Termin\nerscheinen und rugelos zur Sache verhandeln. Fehlt es daran, so geht es jedoch\nnicht an, etwa uber\n\n34\n\ndie Aufnahme des Verfahrens durch eine Beweisaufnahme uber behauptete\nmundliche Erklarungen zu entscheiden.\n\n35\n\nNach § 249 ZPO hatte die Unterbrechung des Verfahrens im Marz 1992 zur Folge,\ndaß das Landgericht kein Versaumnisurteil hatte erlassen durfen (vgl.\nThomas/Putzo, 18. Aufl., § 249 ZPO Rdn. 8; Zoller/Stephan, 17. AufI., § 249\nZPO Rdn. 3). Das\n\n36\n\ngleichwohl erlassene Urteil ist den Parteien gegenuber relativ unwirksam.\nDiese Unwirksamkeit kann und muß von dem Beklagten zu 2) mit dem vorgesehenen\nRechtsbehelf - hier also dem Einspruch nach § 338 ZPO - geltend gemacht\nwerden. Der Einspruch ist dabei unbefristet zulassig, weil nach § 249 Abs. 1\nZPO die Einspruchsfrist des § 339 ZPO nicht lief.\n\n37\n\n**II.**\n\n38\n\nDa der Einspruch vom 22.03.1993 nach alledem fristgerecht erfolgte, sind der\ngleichzeitig gestellte Wiedereinsetzungsantrag, die Entscheidung des\nLandgerichts uber den Wiedereinsetzungsantrag im Beschluß vom 08.04.1993 und\ndie gegen diese Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde gegenstandslos.\nDa mit der Aufhebung der Verwerfung des Einspruchs zugleich auch den\nEntscheidungen des Landgerichts uber den Antrag auf einstweilige Einstellung\nder Zwangsvollstreckung aus dem Versaumnisurteil des Landgerichts vom\n22.10.1992 die Grundlage entzogen wurde, wird das Landgericht uber den\nentsprechenden Antrag des Beklagten zu 2) vom 25.3.1993 neu zu entscheiden\nhaben.\n\n39\n\n**III.**\n\n40\n\nDa noch nicht abzusehen ist, inwieweit der Einspruch des Beklagten zu 2)\nletztlich in der Sache selbst Erfolg haben wird, war die Kostenentscheidung\ndes Beschwerdeverfahrens dem Landgericht zu ubertragen.\n\n41\n\n _Beschwerdewert:_ 42.143,84 DM.\n\n
314,274
olgk-1993-03-03-26-u-4192
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
26 U 41/92
1993-03-03
2019-03-13 13:58:40
2019-03-27 09:43:34
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1993:0303.26U41.92.00
## Tenor\n\n \n1\n\n**E n t s c h e i d u n g s g r u n d e :**\n\n2\n\nDie Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Klager sind in\nformeller Hinsicht bedenkenfrei. In der Sache bleiben die Rechtsmittel bis auf\neine geringfugi-ge, durch einen offensichtlichen Rechenfehler bedingte\nKorrektur hinsichtlich des Klagers zu 4) ohne Erfolg. Dies ergibt sich im\neinzelnen aus den nachfolgenden Er-wagungen.\n\n3\n\nA Berufung\n\n4\n\n1)\n\n5\n\nZu Recht hat das Landgericht den Klagern Erstattungsan-spruche nach § 651 c\nAbs. 3 BGB zuerkannt. Die hiergegen mit der Berufung vorgetragenen Angriffe\nder Beklagten fuhren nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung.\n\n6\n\na)\n\n7\n\nDie Verschiebung der Ruckreise auf den 25.11.1991 stellt einen Mangel der\nReise im Sinne von § 651 c Abs. 1 BGB dar. Entgegen der Auffassung der\nBeklagten entsprach diese Verschiebung nicht den vertraglichen Vereinbarun-gen\nder Parteien. Soweit die Beklagte in erster Instanz vorgetragen hat, sie habe\neine fruhere Ruckreise nie zugesagt, trifft dies nicht zu. Der tatsachliche\nAblauf der Vertragsverhandlungen war insoweit folgender:\n\n8\n\nZunachst wurde mit den Reisebestatigungen vom 12.8.1991 betreffend die\nKlagerin zu 3) und 4) sowie vom 26.8.1991 betreffend die Klager zu 1) und 2)\nder im Reiseprospekt vorgesehene Reisetermin vom 2.11. bis 23.11.1991 besta-\ntigt. Insoweit war auch in der Reisebeschreibung, die nach der eigenen\nDarstellung der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 1.6.1992 Grundlage der\nBuchung und der Reisebestatigung war, die Ruckreise nach F. fur den 22. Tag\nder Reise, also fur Samstag, den 23.11.1991 vor-gesehen.\n\n9\n\nAm 25.10.1991 teilte die Beklagte den Reiseteilnehmern mit, daß die Ruckreise\nin zwei Etappen stattfinde, wobei aber die letzte Etappe von D. nach F. erst\nam 24.11.1991 vorgesehen war (Bl. 113 d.A.). Insoweit handelte es sich\nallerdings nicht, wie die Beklagte in der Berufungsbe-grundung geltend gemacht\nhat, nur um einen unverbindli-chen, weil "vorlaufigen" Ruckreisetermin. Soweit\nsich in dem besagten Schreiben der Beklagten vom 25.10.1991 die\nmißverstandliche Formulierung "vorlaufigen, endgultigen Flugplan" findet,\nbedeutete dies keineswegs, daß die Beklagte die vorgesehene Ruckreise beliebig\nverschieben konnte. Vielmehr bezog sich das Wort "vorlaufig" offen-bar nur auf\ndie in dem Flugplan vorgesehenen Alternativ-fluge bei der Hinreise am\n3.11.1991 von D. nach K. sowie bei der Ruckreise am 23.11.1991 von K. nach D.,\nwobei aber die Alternativen jeweils nur stundliche Verschie-bungen zum Inhalt\nhatten und nicht Verschiebungen um ei-nen oder mehrere Tage.\n\n10\n\nAbgesehen davon ist nicht klar, ob insoweit uberhaupt eine wirksame Änderung\ndes ursprunglichen, durch die genannten Reisebestatigungen zustandegekommenen\nRei-severtrages erfolgt ist. Jedenfalls haben die Klager nicht, wie in der\nBerufungsbegrundung vorgetragen, dem Schreiben der Beklagten vom 25.11.1991\nzugestimmt, son-dern - so jedenfalls die Klager zu 1) und 2) mit ihren\nSchreiben vom 28. und 31.10.1991 - Bedenken hiergegen angemeldet. Ob die\nKlager dann letztlich durch den Antritt der Reise stillschweigend ihr\nEinverstandnis mit einer Verschiebung der Ruckreise auf den 24.11.1991 er-\nklarten, kann indessen dahinstehen. Denn jedenfalls ent-sprach eine Ruckreise\nerst am 25.11.1991 keinesfalls den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien.\n\n11\n\nEntgegen der Auffassung der Beklagten stellt die Ver-schiebung des vertraglich\nvorgesehenen Ruckreisetermins um einen Tag auch bei einer mehrwochigen\nAsienreise einen Reisemangel dar. Es trifft nicht zu, daß nach der\nRechtsprechung derartige Verzogerungen nicht als Reise-mangel qualifiziert\nwerden. Als hinnehmbar im Flugreise-verkehr werden zwar Verzogerungen von\nmehreren Stunden angesehen (vgl. Staudinger, Schwerdtner, 12. Aufl. 1991, Rdn.\n93 zu § 651 c), nicht aber Verzogerungen um einen oder mehrere Tage (vgl.\nMunchener Kommentar/Wolter, 2. Aufl. 1988, Rdn. 64 zu § 651 c; außerdem AG F.\nMDR 1992, 451, LG F., NJW RR 1991, 630 f.; LG Berlin NJW RR 1990, 1018 f.).\n\n12\n\nFur die Frage, ob ein Reisemangel vorliegt, kommt es auch nicht auf den Streit\nder Parteien daruber an, inwieweit die Klager zu 2) bis 4) bereits am Montag,\ndem 25.11.1991 wieder ihren beruflichen Tatigkeiten nachge-hen mußten. Zum\neinen ist ohnehin bei einer immerhin 3-wochigen Reise davon auszugehen, daß\nberufstatige Rei-seteilnehmer alsbald nach Reiseende wieder arbeiten mus-sen.\nAber auch wenn das hier nicht der Fall war und den Klagern in Deutschland noch\neinige Urlaubstage zur Ver-fugung standen, fuhrt dies nicht zu einer anderen\nBeur-teilung. Denn diese Urlaubstage braucht man erfahrungs-gemaß \\-\ninsbesondere nach einer strapaziosen Reise, wie sie vorliegend unternommen\nwurde - um sich einerseits von der Reise zu "erholen" und anderseits auf den\nAr-beitsbeginn vorzubereiten oder sonstige Erledigungen zu tatigen. Diese bei\neiner Reiseplanung regelmaßig einkal-kulierten Überlegungen kann der\nReiseveranstalter nicht einfach durchkreuzen, indem er das Reiseende um einen\nTag hinausschiebt (vgl. LG F., a.a.O.). Dabei kommt im vorliegenden Fall\nhinzu, daß die Klager sich ohnehin we-gen der nur wenige Tage vor Reisebeginn\nvon der Beklag-ten mit Schreiben vom 25.10.1991 mitgeteilten Verschie-bung des\nRuckreisetermins in ihrer ursprunglichen Rei-seplanung umstellen mußten, was\nerfahrungsgemaß auch zu Abstimmungsschwiergkeiten im Hinblick auf die\nberufliche Tatigkeit fuhren kann.\n\n13\n\nb)\n\n14\n\nDie Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe fur die\nVerschiebung des Ruckreisetermins nicht einzustehen, da mit derartigen\nVerzogerungen generell gerechnet werden musse und diese deshalb zum\nallgemeinen Lebensrisiko gehorten. Es kommt auch nicht darauf an, ob bei\nReisen in zentralasiatische Lander eher mit derartigen Verzogerungen zu\nrechnen ist, weil bei Flugen in diese Lander moglicherweise haufiger Flugplane\nnicht eingehalten oder Fluge ganz gestrichen werden. Wenn die Beklagte ein\ndamit verbundenes Risiko nicht ubernehmen wollte, blieb ihr die Moglichkeit,\ndarauf bei Abschluß des Reisevertrages ausdrucklich hinzuweisen. Daß dies\ngeschehen und eine Haftung fur derartige Falle ausge-schlossen sein sollte,\nist nicht dargetan. Die Beklagte hat sich auch nicht darauf berufen, daß die\nHaftung in-soweit durch ihre Allgemeinen Geschaftsbedingungen ein-geschrankt\noder ausgeschlossen war, so daß sich diesbe-zuglich weitere Ausfuhrungen\nerubrigen.\n\n15\n\nc)\n\n16\n\nDer Anspruch der Klager ist weder wegen fehlenden Ver-schuldens der Beklagten\nnoch aufgrund einer Haftungsbe-schrankung durch hohere Gewalt ausgeschlossen.\n\n17\n\nGrundsatzlich normiert § 651 c BGB eine verschuldensun-abhangige\nGewahrleistungsverpflichtung des Reiseveran-stalters (vgl. unter anderen\nMunchener Kommentar/Wolter a.a.O., Rdn. 5 und 36 f. zu § 651 c BGB). Zwar\nwerden in Rechtsprechung und Schriftum Moglichkeiten der Begrenzung der\nEinstandspflicht des Reiseveranstalters erortert, wobei zum Teil aus § 651 j\nBGB geschlossen wird, daß im Falle hoherer Gewalt ein Reisemangel nicht\ngegeben sei (z.B. Munchener Kommentar/Wolter, Rdn. 37 zu § 651 c; Fuhrich,\nReiserecht, S. 132 f.). Dem steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs\ngegenuber, der § 651 e BGB - die Vorschrift setzt das Vorliegen eines\nReisemangels voraus - auch dann anwendet, wenn hohere Gewalt vorliegt (BGH NJW\n1983, 33: In dieser Entschei-dung ist ausdrucklich ausgefuhrt, daß der\nGesetzgeber nicht die Absicht gehabt habe, aus § 651 e BGB "und dem sonstigen\nSystem der Gewahrleistung" die Falle unvorher-sehbarer hoherer Gewalt\nherauszunehmen).\n\n18\n\nSelbst wenn man sich aber der Auffassung anschließt, daß bei hoherer Gewalt\neine Haftung nach § 651 c BGB nicht besteht, vermag dies die Beklagte im\nvorliegenden Fall nicht zu entlasten. Denn ein Fall hoherer Gewalt liegt nicht\nvor. Die Beklagte beruft sich darauf, daß die fur den Ruckflug vorgesehene\nMaschine der Fluggesell-schaft Air I. kurzfristig von der indischen Regierung\nbeschlagnahmt worden sei. Ob ein solcher Vorgang den Begriff der hoheren\nGewalt uberhaupt erfullt, was die Klager bezweifeln, weil nach ihrer Ansicht\ndarunter hoheitliche Anordnungen nicht fallen, kann dahinstehen. Denn hohere\nGewalt setzt unter anderem voraus, daß es sich um ein auch durch außerste\nSorgfalt nicht abzuwendendes Ereignis handelt. Davon kann indessen im\nvorliegenden Falle nicht ausgegangen werden. Zwar mag die behauptete\nBeschlagnahme als solche nicht abzuwenden gewesen sein. Abzuwenden waren aber\ndie Auswirkungen auf die hier vorliegende Ruckreise. Denn die - bestrittene -\nBeschlagnahme erfolgte jedenfalls nicht spater als am 21.11.1991, weil zu\ndiesem Zeitpunkt die Beklagte die Reiseteilnehmer von der Verschiebung der\nRuckreise un-terrichtete. Die Beklagte oder der von ihr eingeschalte-te\nLeistungstrager, die Fluggesellschaft Air I., hatten also noch genugend Zeit\ngehabt, den Ruckflug mit einem anderem Flugzeug, notfalls auch mit einer\nanderen Flug-gesellschaft zu organisieren. Von daher scheidet hohere Gewalt\naus.\n\n19\n\nd)\n\n20\n\nDer Anspruch der Klager scheitert auch nicht daran, daß die Klager die von der\nBeklagten ubernommenen Bemu-hungen um eine anderweitige Durchfuhrung der\nRuckreise am 24.11.1991 gar nicht abgewartet, sondern - wie im\nBerufungsverfahren unstreitig geworden ist den Ruckflug bereits am 22.11.1991\nselbst bei der Lufthansa gebucht haben. Ein Anspruch nach § 651 c Abs. 3 BGB\nsetzt zwar grundsatzlich voraus, daß der Reiseveranstalter inner-halb einer\nihm gesetzten Frist keine Abhilfe geleistet hat oder die Bestimmung einer\nFrist entbehrlich war. Im vorliegenden Falle ist eine Fristsetzung offenbar\nnicht erfolgt; eine solche war jedoch auch entbehrlich. Denn eine andere\nAbhilfemoglichkeit als diejenige, welche die Klager im Wege der Selbstabhilfe\nwahrgenommen haben, war nicht moglich. Dies raumt die Beklagte selbst ein.\nUnstreitig ist weiterhin, daß die Beklagte zu dieser Art der Abhilfe nicht\nbereit war. Da aber eine andere Abhil-femoglichkeit nicht bestand, ware eine\nFristsetzung sei-tens der Klager bloße Formelei gewesen. Es kommt daher nicht\ndarauf an, daß die Klager den Ruckflug bereits im Verlaufe des 22.11.1991\nbuchten und weitere Bemuhungen der Beklagten um anderweitige Abhilfe, die\nohnehin kei-nen Erfolg gehabt hatten, nicht abwarteten.\n\n21\n\ne)\n\n22\n\nMit dem angefochtenen Urteil ist der Senat der Auffas-sung, daß den Klagern\nauch nicht vorgeworfen werden kann, mit der Inanspruchnahme des Ersatzfluges\nunver-haltnismaßig hohe Kosten aufgewandt zu haben, auch wenn entgegen der\nBerechnung des Landgerichts die Kosten der Ersatzfluge sogar etwas mehr als 50\n% des Reisepreises erreichten. Auch insoweit kommt es nicht darauf an, ob den\nKlagern bei einer verspateten Ruckkehr arbeitsrecht-liche Sanktionen drohten\noder nicht.\n\n23\n\nAbgesehen davon bleibt offen, ob die Beklagte die hoheren Kosten letztlich in\nvollem Umfange zu tragen hat oder die Moglichkeit besteht, sich insoweit bei\nder von ihr eingeschalteten Fluggesellschaft - zumindest teil-weise - schadlos\nzu halten.\n\n24\n\nSoweit die Beklagte geltend macht, die Klager hatten durch den fruheren\nRuckflug ohnehin keinen großen Zeit-gewinn erzielt, was auch zur\nUnverhaltnismaßigkeit der von ihnen verursachten Kosten fuhren musse, geht die\nBeklagte von falschen tatsachlichen Voraussetzungen aus, weil sie offenbar das\nerstinstanzliche Vorbringen der Klager mißverstanden hat. Danach waren die\nKlager zu 3) und 4) am 25.11.1991 etwa gegen 0.00 Uhr in ihren Heima-torten B.\nbzw. R. angelangt und nicht, wie die Beklagte offenbar meint, erst in F.. Dort\nerfolgte vielmehr die Landung am 24.11.1991 um 19.00 Uhr deutscher Ortszeit,\nso daß die Klager zu 1) und 2) mit ihrem Anschlußflug bereits um 21.15 Uhr des\n24.11.1991 in Berlin waren, wie in der Berufungserwiderung im einzelnen -\nunwiderspro-chen - vorgetragen worden ist.\n\n25\n\nf)\n\n26\n\nSchließlich hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht angenommen, daß der\nAnspruch nicht durch das Warschauer Abkommen ausgeschlossen ist. Insoweit mag\nzwar zweifel-haft sein, ob die Beklagte nicht doch Luftfrachtfuhrer war. Denn\nnach dem Zusatzabkommen zum Warschauer Abkom-men vom 18.9.1961 ist der\nReiseveranstalter vertragli-cher Luftfrachtfuhrer und haftet neben dem\nausfuhrenden Luftfrachtfuhrer (Fluggesellschaft) als Gesamtschuldner (vgl.\ndazu Fuhrich, a.a.O., S. 41). Jedoch stehen die Regeln des Warschauer\nAbkommens den geltend gemachten Anspruchen aus anderen Grunden nicht entgegen.\nArt. 17 des Abkommens enthalt eine Schadensersatzverpflichtung fur den Fall\nder Totung und Korperverletzung eines Rei-senden; Art. 18 regelt eine\nSchadensersatzhaftung im Be-zug auf das Reisegepack und Art. 19 den\nSchadensersatz, der durch Verspatung bei der Luftbeforderung entsteht. Danach\nschließt das Warschauer Abkommen zwar Schadens-ersatzanspruche nach § 651 f\nAbs. 1 BGB aus, nicht aber Anspruche nach § 651 c und 651 f Abs. 2 BGB (vgl.\nFuh-rich, a.a.O., S. 41 und 248).\n\n27\n\n2)\n\n28\n\nDen Klagern steht auch der vom Landgericht zuerkannte Anspruch nach § 651 f.\nAbs. 2 BGB wegen nutzlos aufge-wandter Urlaubszeit fur einen halben Tag zu.\nInsoweit wird auf die nachfolgenden Erorterungen zur Anschlußbe-rufung\nverwiesen. Hinsichtlich der Hohe des Anspruchs ist lediglich ein\noffensichtlicher Rechenfehler im Bezug auf den Klager zu 4) zu korrigieren.\nDas Landgericht hat fur die Bemessung des Schadensersatzes anhand des\nNettoeinkommens des Klagers zu 4) eines Tagessatz von 175,06 DM errechnet. Da\nes dem Klager, wie auch den Klagern zu 1) bis 3), einen halben Tagessatz als\nScha-densersatz zusprechen wollte, hatte es insoweit einen Betrag von (175,06\n: 2 =) 87,53 DM zugrundelegen mussen. Tatsachlich ist aber ein um 9,00 DM\nhoherer Betrag in die Berechnung eingeflossen, so daß der ausgeurteilte\nRestanspruch um 9,00 DM zu kurzen ist, womit ein an den Klager zu 4) zu\nzahlender Betrag von 1.081,53 DM nebst Zinsen verbleibt.\n\n29\n\nB Anschlußberufung\n\n30\n\nÜber die vom Landgericht zuerkannten Betrage hinaus stehen den Klagern\nEntschadigungsanspruche nach § 651 Abs. 2 BGB wegen nutzlos aufgewendeter\nUrlaubszeit nicht zu.\n\n31\n\n1)\n\n32\n\nSoweit ein Anspruch mit Verzogerungen bei der Hinreise begrundet wird, steht\ndas Vorbringen der Klager im Beru-fungsrechtszug im Widerspruch zu ihrem\nerstinstanzlichen Vortrag, ohne daß hierfur eine Erlauterung erfolgt. So wird\nerstmals behauptet, daß die Verzogerung auf dem Flughafen in D. 13 Stunden\nbetragen haben soll, wahrend fruher nur von funf oder sechs Stunden die Rede\nwar, wovon auch das angefochtene Urteil ausgeht. Neu ist auch die Behauptung\nder Klager, daß die Ankunft in K. erst am 3. Reisetag, also am 4.11.1991\nerfolgt sein soll. Dies steht im ubrigen auch im Widerspruch zu der\nvorgericht-lichen Aktennotiz des Klagers zu 2) vom 25.11.1991, die als Anlage\nmit der Klageschrift uberreicht worden ist. Da die Klager zu den Widerspruchen\nin ihrem Sachvortrag keine Erklarung abgegeben haben, sind sie am fruheren\nVorbringen festzuhalten.\n\n33\n\n2)\n\n34\n\nSoweit ein Anspruch auf Entschadigung fur nutzlos aufgewandte Urlaubszeit aus\nder behaupteten Lebensmit-telvergiftung hergeleitet wird, konnen die Klager\nauch damit nicht durchdringen. Dabei kann es dahinstehen, ob es uberhaupt zu\neiner Lebensmittelvergiftung gekommen ist. Denn fur eine solche hatte die\nBeklagte nicht ein-zustehen. Nach der Darstellung der Klager soll es zu der\nVergiftung wahrend des Aufenthalts in einem den Reise-teilnehmern zugewiesenen\nHotel im Ch. National Park ge-kommen sein. Hinsichtlich der Verpflegung in\ndiesem Ho-tel ist jedoch kein Leistungstrager der Beklagten tatig geworden,\nfur dessen Verschulden sie einzustehen hatte. Dies ergibt sich aus dem Umfang\nder Leistungen, die die Beklagte nach der Reisebeschreibung schuldete. Danach\nwar nur die Übernachtung in den angegebenen Hotels Gegenstand der geschuldeten\nLeistungen. Hinsichtlich der Verpflegung war lediglich wahrend des Aufenthalts\nin K. Fruhstuck vorgesehen sowie wahrend der angebotenen Trek-king-Tour\nVollpension. Daraus ergibt sich, daß wahrend des Aufenthalts der\nReiseteilnehmer im Ch. National Park die Verpflegung nicht zum von der\nBeklagten geschuldeten Leistungsumfang gehorte.\n\n35\n\n3)\n\n36\n\nEin Entschadigungsanspruch ist den Klagern lediglich in dem vom Landgericht\nzugrundegelegten Umfange im Hinblick auf die Bemuhungen um einen Ruckflug am\n24.11.1991 zuzu-erkennen.\n\n37\n\nAllerdings laßt sich dieser Anspruch nicht mit einem Zeitverlust aus den von\nden Klagern behaupteten Bemuhun-gen um die Beschaffung von indischen Visa\nbegrunden. Die Beklagte hat in zweiter Instanz sowohl bestritten, daß Visa fur\nden von den Klagern gebuchten Ruckflug uber-haupt erforderlich waren, als\nauch, daß die Klager sich um die Beschaffung derartiger Visa tatsachlich\nbemuht haben. Dem sind die Klager nicht mehr entgegengetreten. Sie haben auch\nvorgerichtlich aus einem solchen Sachver-halt Anspruche nicht hergeleitet. In\nden mit der Klage eingereichten Unterlagen - Aktennotiz des Klagers zu 2) vom\n25.11.1991 und Schreiben der Klager zu 3) und 4) vom 27.11.1991 - ist nur von\nZeitverlusten im Zusammenhang mit einer versuchten Visumbeschaffung am\n7.11.1991 die Rede. Darauf haben die Klager einen Entschadigungsan-spruch im\nRechtsstreit aber nicht gestutzt.\n\n38\n\nNach dem in der Reisebeschreibung vorgesehenen Reisever-lauf und dem\ntatsachlichen Ablauf der Reise kommt ledig-lich der 22.11.1991 als nutzlos\naufgewandter Urlaubstag in Betracht. Nach der Reisebeschreibung war\nvorgesehen, daß die Reiseteilnehmer am 20. Tag der Reise, also am 21.11.1991\nwieder in K. sein sollten. Dies ist auch geschehen. Der 21. Tag, also der\n22.11.1991 war alterna-tiv fur einen Himalayarundflug oder zur freien\nVerfugung vorgesehen. Am 22. bzw. nach der Verschiebung des Ruckreisetermins\nam 23. Tag, also am 23. bzw. 24.11.1991 sollte die Ruckreise stattfinden.\n\n39\n\nNach der Benachrichtigung uber die Verschiebung der Ruk-kreise auf den\n25.11.1991, die am Abend des 21.11.1991 erfolgte, wollen die Klager nach ihrer\nDarstellung den 22.11.1991 mit der Beschaffung der Flugscheine fur den\nErsatzflug am 24.11.1991 verbracht haben. Tatsachlich erfolgte die Buchung der\nFluge am fruhen Abend des 22.11.1991. Gleichwohl kann nicht der gesamte Tag\nals vertane Urlaubszeit angesehen werden, die von der Beklagten zu\nentschadigen ware. Denn die Beklagte hat diesen Verlust nur teilweise zu\nvertreten. Die Klager mußten der Beklagten nach dem Bekanntwerden der Stornie-\nrung des Fluges am 21.11.1991 jedenfalls fur einen kur-zen Zeitraum\nGelegenheit geben, sich um einen Ersatzflug fur den 24.11.1991 zu kummern,\nbevor sie - die Klager - selbst entsprechende Bemuhungen unternahmen. Die\nhier-fur einzuraumende Frist erscheint bis zum Mittag des 22.11.1991\nausreichend und angemessen. Danach verbleibt fur eine Entschadigung wegen\nnutzlos aufgewandter Ur-laubszeit ein halber Reisetag.\n\n40\n\nHinsichtlich der Hohe der Tagessatze folgt der Senat den Ausfuhrungen des\nLandgerichts unter Berucksichtigung der geringfugigen Korrektur bezuglich des\nKlagers zu 4.\n\n41\n\nc)\n\n42\n\nDie prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Ziff. 10,\n713 ZPO.\n\n43\n\nStreitwert fur den zweiten Rechtszug:\n\n44\n\na) Berufung 4.621,99 DM\n\n45\n\nb) Anschlußberufung 3.715,94 DM c) insgesamt 8.337,93 DM\n\n
314,311
olgk-1993-02-02-ss-1693
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
Ss 16/93
1993-02-02
2019-03-13 13:59:36
2019-03-27 09:43:29
Beschluss
ECLI:DE:OLGK:1993:0202.SS16.93.00
## Tenor\n\n**I.**\n\nDie Rechtsbeschwerde wird zugelassen.\n\nII.\n\nDas angefochtene Urteil wird aufgehoben. Der Betroffene wird freigesprochen.\n\nIII.\n\nDie Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden\nder Staatskasse auferlegt.\n\n \n1\n\nGrunde :\n\n2\n\nDas Amtsgericht hat den Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen ein\nVerkehrsverbot zu einer Geldbuße von 20,00 DM verurteilt. Das Amtsgericht hat\nfolgende Feststellungen getroffen: Der Betroffene befuhr am 2. Oktober 1991 um\n7.25 Uhr mit einem als Schulbus gekennzeichneten Kleinbus in C eine Straße,\ndie durch Verkehrszeichen fur Kraftfahrzeuge aller Art gesperrt war. Durch\nZusatzschilder war die Einfahrt lediglich fur Anlieger und Linienverkehr\nfreigegeben. Der Betroffene fahrt gewohnlich nicht durch das gesperrte\nStraßenstuck; er fahrt dort nur bei starkem Verkehrsaufkommen, um Zeit zu\nsparen.\n\n3\n\nDas Amtsgericht hat die Ansicht vertreten, der Betroffene sei nicht berechtigt\ngewesen, die Straße zu befahren. Insoweit fuhrt das Amtsgericht aus:\n\n4\n\n"Der Betroffene gehort mit seinem als Schulbus gekennzeichneten Kleinbus zu\nden Sonderformen des Linienverkehrs nach § 43 Personenbeforderungsgesetz, ohne\ndaß fur diese Sonderformen des Linienverkehrs eine besondere Streckenfuhrung\nfestgelegt ist. Diese Tatsache gibt dem Betroffenen aber nicht das Recht, jede\nfur den Linienverkehr freigegebene, ansonsten gesperrte Straßenstrecke in\nAnspruch zu nehmen. Die Ausnahmeregelung "fur Linienverkehr frei" gilt fur den\nLinienverkehr, der in dem gesperrten Straßenstuck etwas zu suchen hat, nicht\nfur jeden Linienverkehr, der fur seine Zwecke dieses Straßenstuck nicht\nbenotigt. Die Ausnahmeregelungen von der Sperre, die hier fur Anwohner und fur\nLinienverkehr geschaffen worden sind, gelten fur den, den es angeht, nicht fur\njedermann. So konnen nur die Anlieger in dieses Straßenstuck einfahren, die\ndort Anlieger sind und nur der Linienverkehr, der fur seine Zwecke und seine\nFahrtroute dieses Stuck benotigt. Der Betroffene hat eingeraumt, daß er diese\nFahrtroute wahlt, wenn starker Verkehr herrscht und daß er damit Wartezeiten\nan der Ampel fur sich verkurzt. Der Linienverkehr ist jedoch dem\nIndividualverkehr gegenuber nicht so privilegiert, daß aus diesem Grunde jeder\nFahrer eines als Linienfahrzeug gekennzeichneten Busses in jede gesperrte und\nnur fur den Linienverkehr freigegebene Straße einfahren darf, auch dann, wenn\ndiese Straße nicht auf seiner Route liegt."\n\n5\n\nMit dem Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird\nVerletzung materiellen Rechts gerugt.\n\n6\n\nDie Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag, die Rechtsbeschwerde\nzuzulassen und den Betroffenen unter Aufhebung des angefochtenen Urteils\nfreizusprechen, wie folgt begrundet:\n\n7\n\n"Die Rechtsbeschwerde ist zur Fortbildung des Rechts (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG)\nzuzulassen. Die Frage, ob ein im Einsatz befindlicher Schulbus bei\nAbweichungen von seiner Strecke eine gesperrte Straße, die fur Anlieger und\nFahrzeuge des Linienverkehrs freigegeben ist, befahren darf, ist - soweit\nersichtlich -in der obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden\nworden. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung\nmateriellen Rechts gerugt wird, fuhrt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils\nund zum Freispruch des Betroffenen. Der Schuldspruch wird von den\nFeststellungen nicht getragen. Nach § 42 Personenbeforderungsgesetz ist\nVoraussetzung des Linienverkehrs ein bestimmter Ausgangs- und Endpunkt sowie\nregelmaßige Verkehrsverbindung und Fahrgastfreiheit. Das bedeutet, daß der\nUnternehmer die Abfahrt und Ankunftstelle, nicht aber die Strecke dazwischen\ngleichbleibend festlegen muß (vgl. Erbs/Meyer, Personenbeforderungsgesetz § 42\nZiff. 2 a). Nach § 43 desselben Gesetzes gilt als Linienverkehr auch der\nVerkehr, der unter Ausschluß anderer Fahrgaste der regelmaßigen Beforderung\nvon Schulern zwischen Wohnung und Lehranstalt dient. Der Schulbusverkehr\nunterscheidet sich demnach gegenuber dem Linienverkehr in der fehlenden\nFahrgastfreiheit und der Moglichkeit, den Ablauf der Fahrten wechselnden\nBedurfnissen der Beteiligten anzupassen. Voraussetzung des Linienverkehrs und\ndamit auch des Schulbusverkehrs ist allein ein bestimmter Ausgangs- und\nEndpunkt. Nicht gefordert wird, daß die Strecke dazwischen gleichbleibend\nfestgelegt ist. Auch die Sonderform des Linienverkehrs nach § 43\nPersonenbeforderungsgesetz setzt im Hinblick auf den dort definierten\nAusgangs- und Endpunkt keine festgelegte Route voraus.\n\n8\n\nNach den Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils befand sich der\nBetroffene auf einer schulbusfahrt im Sinnne von §§ 42, 43 des\nPersonenbeforderungsgesetzes. Im Hinblick auf die vorerwahnten Grundsatze war\nder Betroffene demnach nicht gehindert, die mit einer Ausnahmeregelung\ngesperrte Straße nach den Verkehrsbedurfnissen zu befahren. Es liegt demnach\nkein Verstoß gegen die Sondernutzungsmoglichkeit der gesperrten Straße vor.\n\n9\n\nDer Betroffene ist deshalb freizusprechen."\n\n10\n\nDem stimmt der Senat zu. Soweit das Amtsgericht nicht ausdrucklich\nfestgestellt hat, daß der vom Betroffenen durchgefuhrte Verkehr der\nregelmaßigen Beforderung von Schulern zwischen Wohnung und Lehranstalt gedient\nhat (vgl. § 43 Satz 1 Nr. 2 PBefG), laßt sich dies hinreichend deutlich dem\nZusammenhang der Urteilsgrunde entnehmen.\n\n11\n\nDie Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46\nOWiG.\n\n
314,949
olgk-1991-04-30-22-u-27790
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
22 U 277/90
1991-04-30
2019-03-13 14:42:19
2019-03-27 10:01:43
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1991:0430.22U277.90.00
## Tenor\n\n \n1\n\n**E n t s c h e i d u n g s g r u n d e**\n\n2\n\n3\n\n4\n\n5\n\nDie Berufungen beider Parteien, uber die nach Ver-bindung beider Verfahren\ngemeinsam zu entscheiden ist, sind form- und fristgerecht eingelegt und auch\nsonst zulassig.\n\n6\n\n7\n\nI.\n\n8\n\n9\n\nDie Berufung der Klagerin gegen das zweite Versaum-nisurteil vom 18. Oktober\n1990 - 7 0 526/89 - hat teilweise dahingehend Erfolg, daß diese ihren Ein-\nspruch gegen das Versaumnisurteil vom 30. Januar 1990 als unzulassig\nverwerfende Entscheidung aufzu-heben ist.\n\n10\n\n 1. Das Landgericht hat zu Unrecht den Einspruch vom\n\n11\n\n12\n\n25\\. Juli 1990 gegen das Versaumnisurteil vom 30. Januar 1990 als verspatet\nund damit unzulas-sig verworfen.\n\n13\n\n14\n\nZum Zeitpunkt des Eingangs des Einspruchs am 26. Juli 1990 war die mit\nZustellung des Ver-saumnisurteils beginnende Zwei-Wochen-Frist (§ 339 Abs. 1\nZPO) noch nicht abgelaufen. Denn das Versaumnisurteil ist der Klagerin,\nvertreten durch ihre damaligen Prozeßbevollmachtigten, erst am 13. Juli 1990\nzugestellt worden.\n\n15\n\n16\n\nEine wirksame Zustellung des Versaumnisurteils zu einem fruheren Zeitpunkt ist\nnicht festzu-stellen. Zwar hat das Buro der fruheren Prozeß-bevollmachtigten\nder Klagerin am 3. Juli 1990 dem Gericht mitgeteilt, daß das Empfangsbekennt-\nnis noch am selben Tage ubersandt werde. Tat-sachlich ist ein von der Anwaltin\nunterschriebe-nes Empfangsbekenntnis aber nicht zu den Ge-richtsakten gereicht\nworden. Entgegen der Auf-fassung des Landgerichts reicht der tatsachliche\nZugang des Versaumnisurteils an den Prozeßbe-vollmachtigten nicht aus, um eine\nwirksame Zu-stellung anzunehmen. Vielmehr ist bei der von der Geschaftsstelle\ngewahlten Zustellungsart nach § 212 a ZPO die Zustellung erst bewirkt, wenn\ndas zuzustellende Schriftstuck dem Anwalt zugegangen ist und dieser das\nSchriftstuck als zugestellt entgegennehmen will (BGH NJW 89, 1154, 1155\nm.w.N.), was durch Rucksendung des Empfangsbekenntnisses dokumentiert wird.\nEin solcher Entgegennahmewille laßt sich aber nicht feststellen, zumal da\ntrotz Ankundigung das Emp-fangsbekenntnis nicht unterschrieben zuruckge-sandt\nworden ist. Auch die Vorschrift des § 187 Satz 1 ZPO kann die Heilung von\nZustellungsman-geln im Rahmen einer Zustellung nach § 212 a ZPO nicht\nherbeifuhren, weil fur eine Zustellung nach dieser Vorschrift der bloße Zugang\ndes Schriftstucks nicht genugt, sondern vielmehr die formliche\nEmpfangsbereitschaft des Adressaten hinzutreten muß (BGH a.a.0.).\n\n17\n\n18\n\nEntgegen der Auffassung der Beklagten kann eine die Einspruchsfrist in Lauf\nsetzende Zustellung auch nicht darin gesehen werden, daß bis zum 2. Juli 1990\nein Bevollmachtigter der Klagerin die Akten eingesehen und dabei von der\nTatsache des Erlasses des Versaumnisurteils Kenntnis ge-nommen hatte. Es kann\ndahinstehen, ob darin ein Zugang des Versaumnisurteils im Sinne von § 187 Satz\n1 ZPO gesehen werden kann. Denn jedenfalls ist gemaß § 187 Satz 2 ZPO die\nZustellungsfik-tion des Satzes 1 nicht gultig, soweit durch die Zustellung der\nLauf einer Notfrist in Gang ge-setzt werden soll; und die Frist zur Einlegung\ndes Einspruchs gegen ein Versaumnisurteil ist eine solche Notfrist (§ 339 Abs.\n1 ZPO).\n\n19\n\n 1. Die im Wege der Klageanderung rechtshangig ge-\n\n20\n\n21\n\nwordene Zahlungsklage uber insgesamt 6.160,-- DM nebst Zinsen ist in Hohe von\n5.076,55 DM nebst Zinsen unbegrundet, so daß das eine Klageabwei-sung\naussprechende Versaumnisurteil vom 30. Ja-nuar 1990 insoweit aufrecht zu\nerhalten ist (§ 341 Satz 1 ZPO). Da insoweit Entscheidungs-reife besteht,\nmacht der Senat von seiner Befug-nis zur Sachentscheidung Gebrauch (§ 540\nZP0). Wegen der weitergehenden Klageforderung ist die Sache zur erneuten\nVerhandlung und Entscheidung an das Landgericht verwiesen.\n\n22\n\n23\n\nEin Anspruch auf teilweise Ruckzahlung der als Mietzins fur den Zeitraum\nJanuar 1989 bis August 1990 gezahlten Betrage gemaß § 812 BGB steht der\nKlagerin allenfalls zu, soweit der Beklagte Be-trage vereinnahmt hat, die 95 %\ndes vertraglich vereinbarten Zinses ubersteigen.\n\n24\n\n25\n\nTrifft der Vortrag der Klagerin zu, so konnte der geschuldete Mietzins gemaß §\n537 Abs. 1 2. Alternative BGB hochstens bis zu 5 % der Gesamt-miete gemindert\nwerden, weil das Mietobjekt mit einem seine Gebrauchstauglichkeit nicht\nunerheb-lich mindernden Fehler behaftet war, und deshalb die Zahlung der\nvollen vereinbarten Miete teil-weise ohne rechtlichen Grund geschah.\n\n26\n\n27\n\nDie Behauptung der Klagerin, entnommenes Wasser aus der Zapfstelle in der\nKuche des Burogebaudes habe einen die nach der Trinkwasserverordnung zulassige\nGrenze von 0,04 mg Blei/Liter uber-schreitenden Bleigehalt von 0,075 mg am 8.\nDe-zember 1988, von 0,18 mg am 7. Januar 1989 und von 0,23 mg am 13\\. Marz\n1989 gehabt, rechtfer-tigt eine hohere Mietzinsminderung nicht.\n\n28\n\n29\n\nGrundsatzlich gehort auch bei der hier vorgenom-menen Vermietung von Buro- und\nLagerraumen zu Gewerbezwecken eine den Rechtsvorschriften ent-sprechende\nQualitat des Trinkwassers zu den Ei-genschaften der Mietsache, welche ihren\nver-tragsgemaßen Gebrauch mitbestimmen, weil die Mitarbeiter des Mieters in\nPausenzeiten sich im Aufenthaltsraum aufhalten und Trinkwasser z. B. zum\nKaffeekochen benutzen. Die Klagerin muß sich auch nicht entschadigungslos\ndarauf verweisen lassen, daß eventuell andere Zapfstellen auf dem Mietgelande\nqualitativ besseres Wasser geben, da es zum vertragsgemaßen Zustand der\nMietsache ge-hort, daß im mitvermieteten Bereich Kuche/Auf-enthaltsraum und\nnicht an anderer Stelle Trink-wasser zur Verfugung steht.\n\n30\n\n31\n\nIm Hinblick auf die Tatsache, daß die Klagerin im maßgebenden Zeitraum nur\nvier bis sechs Mit-arbeiter beschaftigte und der großere Teil der Flache zu\nLagerzwecken vermietet ist, erscheint eine Mietzinsminderung von hochstens 5 %\nange-messen, was monatlich noch einem Betrag im Be-reich von 350,-- bis 400,--\nDM entspricht, wah-rend die gesamten monatlichen Wasserkosten bei ca. 10,-- DM\nlagen.\n\n32\n\n33\n\nSelbst wenn der gesamte Trinkwasserbedarf durch Mineralwasser gedeckt wurde\nund man von einem hohen Tagesbedarf von 2 Litern pro Mitarbeiter ausginge,\nwurden die Gesamtkosten pro Monat 100,-- DM nicht ubersteigen. Bei dieser\nSachlage kommt eine Minderung bis hochstens 5 % je nach dem Grad der\nÜberschreitung des zulassigen Blei-gehaltes im Trinkwasser auch nur deswegen\nin Be-tracht, weil auch die Muhe der Herbeischaffung des Wassers zu\nberucksichtigen ist und die even-tuell daraus resultierende Rufschadigung fur\ndas Unternehmen der Klagerin, welche mit dem Be-kanntwerden der Tatsache\nverbunden sein konnte, daß das Leitungswasser in den Arbeitsraumen ver-\nunreinigt ist.\n\n34\n\n35\n\nDie Klage ist damit unbegrundet, soweit die Kla-gerin Ruckzahlung eines\nBetrages fordert, wel-cher die Differenz zwischen dem vollen verein-barten\nMietzins einerseits und 95 % desselben andererseits ubersteigt.\n\n36\n\n37\n\nDiese Differenz errechnet sich wie folgt:\n\n38\n\n1/89 - 3/89 4/89 - 8/90\n\n39\n\n40\n\nvolle monatliche Miete bis\n\n41\n\n 1. 7.223,04 DM 7.223,04 DM\n\n42\n\nErhohungsbetrag ab 4/89: 540,97 DM\n\n43\n\n44\n\nvolle monatlich Miete ab\n\n45\n\n 1. 7.764,01 DM\n\n46\n\nmonatlich gezahlte Miete: 7.223,04 DM 7.223,04 DM\n\n47\n\n48\n\ndem Beklagten jedenfalls zu-\n\n49\n\nstehende 95 % der Miete: 6.861,89 DM 7.375,81 DM\n\n50\n\n51\n\nDifferenz zu Gunsten der\n\n52\n\nKlagerin monatlich: 361,15 DM - . -\n\n53\n\n54\n\nx 3 (Gesamtzahl der Mona-\n\n55\n\n 1. 1.083,45 DM\n\n56\n\n57\n\nWegen des Mehrbetrages in Hohe von (6.160,-- - 1.083,45 DM =) 5.076,45 DM ist\ndie Klage abzu-weisen.\n\n58\n\n59\n\nII.\n\n60\n\n61\n\nDie Berufung des Widerklagers gegen das die Wi-derklage abweisende Urteil vom\n15. November 1990 - 7 0 300/90 - hat dahingehend Erfolg, daß das Ur-teil vom\n15. November 1990 - im Umfang der Anfech-tung - wegen eines wesentlichen\nVerfahrensfehlers ebenfalls aufzuheben ist.\n\n62\n\n63\n\nIn Hohe eines Teilbetrages von 2.597,09 DM ist die Widerklage\nentscheidungsreif und begrundet, so daß der Senat insoweit von seiner Befugnis\nzur eigenen Sachentscheidung Gebrauch macht (§ 540 ZP0). Wegen der\nweitergehenden Mietzinsforderung ist die Sache zur erneuten Verhandlung und\nEntscheidung an das Landgericht zuruckzuverweisen, soweit nicht die\nKlageabweisung in Hohe eines Teilbetrages von 540,97 DM nebst Zinsen\nrechtskraftig geworden ist.\n\n64\n\n 1. Das erstinstanzliche Verfahren zur Widerklage\n\n65\n\n66\n\nleidet an einem wesentlichen Mangel (§ 539 ZPO) und kann nicht als\nordnungsgemaße Entschei-dungsgrundlage angesehen werden.\n\n67\n\n68\n\nDas Landgericht hat gegen das Gebot der Er-schopfung der angebotenen\nBeweismittel und den Grundsatz der Gewahrung rechtlichen Gehors ver-stoßen, in\ndem es sich bei seiner Überzeugungs-bildung dahin, daß das Trinkwasser einen\nunzu-lassig erhohten Bleigehalt gehabt habe, auf die von der Widerbeklagten\neingeholten Privatgut-achten des Amts fur Umweltschutz der Stadt B. beschrankt\nund das Beweisangebot des Widerkla-gers ubergangen hat, die Frage des\nBleigehalts durch das Gutachten eines gerichtlich bestell-ten Sachverstandigen\nzu klaren (Schriftsatz vom 25. September 1990, Bl. 196 -198 d.A.). Es handelt\nsich um einen wesentlichen Verfahrens-mangel, auf dem das angefochtene Urteil\nauch beruht; denn die Einholung eines Sachverstandi-gengutachtens hatte\nmoglicherweise zu einer an-deren Beurteilung gefuhrt.\n\n69\n\n70\n\n2\\. Da die vertraglich vereinbarte Miete allenfalls\n\n71\n\n72\n\nbis zur Hohe von 5 % gemindert sein kann, ist die Widerklage gemaß § 535 BGB\nbegrundet, so-weit 95 % des vertraglich vereinbarten Mietzin-ses noch nicht\ngeleistet worden sind. Die Wi-derbeklagte war ab 1. April 1989 zur Zahlung\neines monatlichen Mietzinses in Hohe von ((7.223,04 + 540,97) x 95 % =))\n7.375,81 DM verpflichtet. Sie hat aber pro Monat nur 7.223,04 DM gezahlt. Die\noffenstehende Miete betragt damit mindestens pro Monat 152,77 DM und fur den\nder Widerklage zugrundeliegenden Gesamtzeitraum April 1989 bis August 1990 (x\n17 =) 2.597,09 DM.\n\n73\n\n74\n\nAuf diesen Mietzinsruckstand sind gemaß den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB 4 %\nZinsen seit Zustellung der Widerklage am 7. August 1990 zu entrichten.\n\n75\n\n76\n\nIII.\n\n77\n\n78\n\nÜber die restliche Klage in Hohe von 1.083,45 DM und die restliche Widerklage\nin Hohe von 6.599,40 DM kann noch nicht abschließend entschie-den werden, da\nnoch ein Sachverstandigengutachten zur Frage einzuholen ist, ob der Bleigehalt\ndes Trinkwasser die zulassigen Grenzwerte uberschrei-tet.\n\n79\n\n80\n\nEs erscheint sachgerecht, die erforderliche Be-weisaufnahme sowie die weitere\nVerhandlung und Entscheidung dem Landgericht zu ubertragen. Ande-renfalls\nwurden die Parteien im Ergebnis eine In-stanz verlieren. Dies widersprache\njedoch der grundsatzlichen Aufteilung der Zustandigkeiten in zwei\nTatsacheninstanzen, mit der eine sachliche Prufung des Streitstoffes in beiden\nInstanzen ge-wahrleistet sein soll.\n\n81\n\n82\n\nDie Sache war daher, soweit sie nicht ohne weitere Sachaufklarung\nentscheidungsreif war, gemaß den §§ 538 Abs. 1 Nr. 1, 539 ZPO an das\nLandgericht zuruck zu verweisen.\n\n83\n\n84\n\nDie Entscheidung uber die Kosten des Berufungsver-fahrens war ebenfalls dem\nLandgericht zu ubertra-gen, weil diese Entscheidung von dem weiteren Aus-gang\ndes Rechtsstreits abhangt.\n\n85\n\n86\n\nFur die erneute Verhandlung und Entscheidung des Landgerichts weist der Senat\nauf folgendes hin:\n\n87\n\n 1. Der Geltendmachung der Minderung steht nicht\n\n88\n\n89\n\ngemaß § 545 Abs. 2, 2. Halbsatz BGB eine Ver-letzung der Pflicht der Klagerin\nals Mieterin entgegen, den Mangel der Mietsache unverzuglich anzuzeigen.\nVielmehr hat die Klagerin unverzug-lich nach Erhalt der\nUntersuchungsergebnisse (Bericht vom 12. Januar 1989) den Mangel mit Schreiben\nvom 27. Januar 1989 schriftlich ange-zeigt, nachdem der Beklagte schon vorher\nauf den Verdacht der Bleihaltigkeit des Wassers an-gesprochen worden war.\nEiner weiteren Mangelan-zeige bedurfte es nicht mehr, obwohl die Klage-rin\nauch spater noch Untersuchungen uber den Bleigehalt des Wassers veranlaßt hat.\n\n90\n\n 1. Das Recht auf Minderung ist auch nicht in ent-\n\n91\n\n92\n\nsprechender Anwendung von § 539 BGB durch vor-behaltslose Weiterzahlung des\nMietzinses in Kenntnis der Mangel verwirkt.\n\n93\n\n 1. Fur den Monat Januar 1989 konnte die Klage-\n\n94\n\n95\n\n96\n\nrin die Miete nicht rechtzeitig mindern, da ihr bei Zahlung zu Beginn des\nMonats der Un-tersuchungsbericht vom 12. Januar 1989 noch nicht vorlag und sie\ndaher nicht sicher wis-sen konnte, ob ein zur Minderung berechti-gender Mangel\nbestand.\n\n97\n\n 1. Bei der Zahlung der Marzmiete konnte die\n\n98\n\n99\n\n100\n\nKlagerin zunachst davon ausgehen, daß durch den Rohraustausch, welcher im\nFebruar vorge-nommen worden war, der Mangel behoben sei.\n\n101\n\n 1. Die Miete fur die Monate Februar und April\n\n102\n\n103\n\n104\n\nbis August 1989 ist zunachst in Hohe von 1.083,41 DM gemindert worden und erst\nunter dem Druck einer angebotenen fristlosen Kun-digung unter Vorbehalt\nnachgezahlt worden.\n\n105\n\n 1. Fur die Folgemonate ist mit Schreiben vom\n\n106\n\n107\n\n108\n\n4\\. September 1989 ausdrucklich ein Vorbe-halt erklart worden und mit\nSchreiben vom 6. September 1989 Klage auf Feststellung des Rechts der\nMietzinsminderung erhoben worden.\n\n109\n\n110\n\nNach allem hat die Klagerin ihr Recht auf Miet-zinsminderung nicht wegen\nvorbehaltsloser Zahlung in Kenntnis der Mangel der Mietsache verwirkt.\n\n111\n\n112\n\nDie Entscheidung zur vorlaufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.\n10, 713 ZPO.\n\n113\n\n114\n\nUrteilsbeschwer beider Parteien:\n\n115\n\n116\n\nunter 60.000,-- DM.\n\n117\n\n118\n\nStreitwert\n\n119\n\n120\n\nKlage (zugleich Streitwert des\n\n121\n\n122\n\nVerfahrens 22 U 277/90\n\n123\n\n124\n\nbis zur Verhinderung): 6.160,-- DM\n\n125\n\n126\n\nWiderklage (zugleich Streitwert des\n\n127\n\n128\n\nVerfahrens 22 U 304/90\n\n129\n\n130\n\nbis zur Verhinderung): 9.196,49 DM\n\n131\n\n132\n\nGesamtstreitwert nach Verhinderung\n\n133\n\n134\n\nam 12. April 1991: 15.356,49 DM\n\n
314,950
lg-dusseldorf-1991-04-26-16-0-19089
808
Landgericht Düsseldorf
lg-dusseldorf
Düsseldorf
Nordrhein-Westfalen
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
16 0 190/89
1991-04-26
2019-03-13 14:42:21
2019-03-27 10:01:43
Urteil
ECLI:DE:LGD:1991:0426.16.0.190.89.00
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Klagerin tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDer Klagerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstrek­\n\nkung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Hohe\n\nvon 1.500 DM abzuwenden, wenn diese nicht zuvor Si­\n\ncherheit in gleicher Hohe leistet.\n\nDie Sicherheit kann auch durch Burgschaft einer Bank oder Sparkasse mit Sitz\nin der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden.\n\n \n1\n\nTatbestand:\n\n2\n\nDie Klagerin begehrt von der Beklagten Zahlung eines Schmerzensgeldes fur eine\nwahrend einer Kreuzfahrt erlittenen Verletzung des rechten Daumens. Sie hatte\nbei der Beklagten, die ein Reiseunternehmen betreibt, in der Zeit vom 1. ,bis\nzum 18.12.1988 eine Karibik-Kreuzfahrt auf dem unter der Flagge Panamas\nfahrenden Schiff A. gebucht und die Reise dann angetreten.\n\n3\n\nAm 3.12. wurde anlaßlich der Vorstellung des Reiseteams\n\n4\n\nseitens der Beklagten darauf hingewiesen, daß bei starkem\n\n5\n\nSeegang nicht arretierte Turen bei plotzlichen Bewegungen\n\n6\n\ndes Schiffes unvermittelt zuschlagen konnten. An dieser\n\n7\n\nVeranstaltung hatte die Klagerin indes angeblich nicht teilgenommen.Am\n5.12.1988 wollte die Klagerin in der von ihr belegten Kabine gegen 4.30 Uhr\nnachts die Toilette aufsuchen. Zu dieser Zeit herrschte starker Seegang und\nWindstarke 9. Die Klagerin, die gerade aus dem Schlaf aufgewacht war und\ndeshalb noch benommen war, rutschte von dem Griff der WC-Tur ab und versuchte,\nsich irgendwie festzuhalten. Die von der Klagerin geoffnete Tur schlug\nzunachst vollig in Richtung des Bettes auf und fiel dann in entgegengesetzter\nBewegung wieder zu. Da die Klagerin sich am Turrahmen zu halten versucht\nhatte, geriet sie mit dem Daumen der rechten Hand zwischen den Metallrahmen\nund die wieder zuschlagende Tur. Hierbei wurde der Daumen dergestalt\ngequetscht, daß die nachbehandelnden Ärzte unter anderem eine Fraktur fest­\n\n8\n\nstellten. Gleichwohl konnte die Klagerin unter arztlicher\n\n9\n\nBehandlung die Kreuzfahrt fortsetzen. Die weitere arztliche\n\n10\n\nBehandlung erfolgte nach der Ruckkehr der Klagerin an ihrem Wohnort Bonn.\n\n11\n\nDie Klagerin nimmt die Beklagte auf Zahlung eines Schmerzensgelds in Anspruch\nund wirft ihr vor, die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt zu\nhaben. Insoweit sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den international\nvorgeschriebenen Sicherheitsstandard einzuhalten, auch wenn sie ein\npanamesisches Schiff gechartert habe. Sie hatte ihr eine Kabine anbieten\nmussen, die eine Sicherung der Toilettentur mit Hilfe eines Magnetschnappers\naufwies, da dadurch das Zuschlagen der Tur hatte verhindert werden konnen.\nUnstreitig wies die Kabine der Klagerin eine solche Einrichtung nicht auf,\nwahrend andere, mit einem Magnetschnapper versehene Kabinen wahrend der\nKreuzfahrt leerstanden. Eine solche Magnetsicherung gehore zu den\nStandardsicherheitsmaßnahmen, die ublicherweise vorhanden seien und deren\nAnbringung die Beklagte habe uberwachen mussen.\n\n12\n\nAußerdem habe die Beklagte sie auf die bestehende Gefahr\n\n13\n\nnicht hinreichend hingewiesen. Das unstreitig an der in\n\n14\n\nRede stehenden Tur montierte Schild, das einen abgeklemmten\n\n15\n\nFinger symbolisiert, sei viel zu klein und an unauffalliger Stelle angebracht\ngewesen und habe deshalb eine Warnfunktion nicht erfullt.\n\n16\n\nWeiter tragt sie vor, eine vollstandige Ausheilung des Daumens sei nicht\nerreicht worden, es bestehe die Gefahr, daß das Glied steif bleibe. Sie sei\nauch heute noch verletzungsbedingt in der Ausubung ihrer hauslichen Arbeit\nbehindert.\n\n17\n\nDie Beklagte sei sich bewußt, daß sie fur die Verletzung\n\n18\n\nder Klagerin einzustehen habe. Das ergebe sich daraus daß\n\n19\n\nsie nach dem Unfall - unstreitig - in der Bordzeitung auf\n\n20\n\ndie Gefahren von infolge Seegangs zuschlagenden Turen auf­\n\n21\n\nmerksam gemacht habe. Insoweit habe der Geschaftsfuhrer der\n\n22\n\nBeklagten B. ein Anerkenntnis abgegeben. Er habe er­\n\n23\n\nklart, die Angelegenheit der Versicherung melden zu wollen\n\n24\n\nund er habe auf eine außergerichtliche Einigung der Par­\n\n25\n\nteien gedrangt.\n\n26\n\nDie Klagerin* beantragt,\n\n27\n\nDie Beklagte zu verurteilen, an die Klagerin ein in\n\n28\n\ndas Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld,\n\n29\n\nmindestens aber 7000 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezu­\n\n30\n\nstellung, zu zahlen.\n\n31\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n32\n\ndie Klage abzuweisen .\n\n33\n\nSie tragt vor: Sie habe ihrer Verkehrssicherungspflicht Genuge getan, da\nMagnetstopper an Turen nicht zu den behordlich verlangten\nSicherheitsausrustungen gehorten. Ein solches Gerat diene allenfalls der\nAnhebung des Komforts. Sie selbst habe auch keinen Einfluß auf die Ausstattung\nder Kabinen, da dies der Reederei obliege. Außerdem hatte ein Magnetstopper\ndie plotzlich aufschwingende Tur nicht festhalten konnen. Des weiteren sei das\nauf der Tur angebrachte Warnschild zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht\nausreichend gewesen. Hatte die Klagerin um eine Kabine mit Magnetstopper\ngebeten, dann ware ihr eine solche auch zur Verfugung gestellt worden.\n\n34\n\nZudem hatte die Klagerin sich auf die Gefahren an Bord ei­\n\n35\n\nnes Seeschiffes einstellen mussen und hatte nicht im schlaftrunkenen Zustand\nsich durch die Kabine bewegen durfen.\n\n36\n\nKeineswegs habe ihr Geschaftsfuhrer eine Zahlungspflicht\n\n37\n\nanerkannt, sondern er habe nur eine gutliche Beilegung der\n\n38\n\nStreitigkeit erreichen wollen.\n\n39\n\nDas Gericht hat durch Einholung eines Sachverstandigengut­\n\n40\n\nachtens Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das\nGutachten des Sachverstandigen Kapt.K.-H.C. vom 7.11.1990,. B1.77-79 GA, und\nwegen der weiteren Einzelheiten auf die zwischen den Parteien gewechselten\nSchriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n41\n\nEntscheidungsgrunde:\n\n42\n\nDie Klage ist nicht begrundet. Ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes\nnach §§ 823, 847 BGB steht der Klagerin bereits dem Grunde nach nicht zu.\n\n43\n\nZunachst liegt ein zugunsten der Klagerin wirksames, vom\n\n44\n\nGeschaftsfuhrer der Beklagten abgegebenes Anerkenntnis bereits nach dem\nVorbringen der Klagerin nicht vor. Ein schriftliches Anerkenntnis nach §§\n780,781 BGB liegt unstreitig nicht vor; gleichfalls kann in den vorgetragenen\nÄußerungen des Geschaftsfuhrers kein nach § 782 BGB formfreies, im Wege des\nVergleiches erteiltes Schuldanerkenntnis gesehen werden. Angeblich hatte er\nder Klagerin gegenuber geaußert:\n\n45\n\nWarum wollen Sie gleich mit so großen Geschutzen\n\n46\n\nschießen, wir sind doch alle Menschen und konnen die\n\n47\n\nAngelegenheit doch unter uns regeln.\n\n48\n\nDas kann allenfalls als Einleitung eines Vergleichsgesprachs gewertet werden,\nzu dessen Abschluß es jedoch nicht gekommen ist. Weder darin noch in der\nÄußerung, er werde die Angelegenheit der Versicherung melden, kommt ein\nAnerkenntnis zum Ausdruck. Letzteres konnte die Klagerin bei verstandiger\nWurdigung lediglich dahingehend verstehen, daß der Versicherung wie auch der\nBeklagten die Prufung der Berechtigung der geltend gemachten Anspruche noch\noffenbleiben sollte. Die Klagerin tragt nicht etwa vor, ihr sei unbedingte\nRegulierung ohne jede Nachprufung zugesagt worden.\n\n49\n\nIm ubrigen hat die Klagerin nicht dargelegt, daß sie von der Beklagten Zahlung\neines bestimmten Geldbetrages gefordert hat. Daß aber der Geschaftsfuhrer der\nBeklagten mit einer Einstandspflicht in unbestimmter Hohe einverstanden\ngewesen ware, kann erst recht nicht angenommen werden.\n\n50\n\nDer Beklagten kann vorliegend die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht\nnicht vorgeworfen werden. Dabei verkennt das Gericht nicht, daß der Beklagten\nals Reiseveranstalterin grundsatzlich die Pflicht obliegt, selbst die von ihr\nangebotene Reise und, somit das Kreuzfahrtschiff A.auf die Einhaltung der\nnotwendigen ,Sicherheitsvorschriften zu uberprufen. Die Beklagte war insoweit\ndurchaus gehalten, entsprechende Uberwachungsmaßnahmen durchzufuhren; indes\nhat sie dies nach der Auffassung des erkennenden Einzelrichters , vorliegend\ngetan. Nach den Ausfuhrungen des Sachverstandigen Kapt.C., denen das Gericht\nfolgt, besteht namlich bei unter panamesischer, Flagge fahrenden Schiffen,\nkeine Sicherheitsvorschrift, derzufolge eine Turarretierung als\nSicherheitseinrichtung anzubringen ist. Somit war die Reederei nicht\nverpflichtet, in jeder Kabine eine solche Arretierung anzubringen und\ndemzufolge war auch die Beklagte nicht verpflichtet/ auf eine mangelnde\nArretierung im Rahmen der Uberwachung zu achten bzw. darauf hinzuweisen.\n\n51\n\nGleichfalls laßt sich eine fur die eingetretene Verletzung der Klagerin\nursachliche Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht daraus herleiten,\ndaß die Beklagte nicht sofort nach Antritt der Reise die Klagerin in einer mit\nMagnetarretierung versehenen Kabine untergebracht hat. Nach der Auffassung des\nerkennenden Einzelrichters laßt sich namlich nicht mit hinreichender\nSicherheit feststellen, daß in diesem Fall die Daumenfraktur nicht ebenfalls\neingetreten ware. Dies laßt sich den -allerdings knappen - Ausfuhrungen des\nSachverstandigen entnehmen. Danach bietet eine Magnetarretierung bei schwerem\nSeegang keinen hundertprozentigen Schutz gegen das Hin- und Herschlagen der\nTuren. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß der nur auf magnetischer Basis\nfunktionierende Turhalter zwar infolge der Anziehung in der Lage ist, eine\nlangsam dagegen gedruckte Tur festzuhalten. Bei einer schwingenden oder auf-\nund zuschlagenden Tur mag dies durchaus anders sein. Mithin hatte die\nsofortige Unterbringung der Klagerin in einer mit einer Magneteinrichtung\nausgestatteten Kabine nicht mit hinreichender Sicherheit den Eintritt des\nUnfallgeschehens verhindert.\n\n52\n\nDes weiteren ist unerheblich, daß eine Arretierung nach den Ausfuhrungen des\nSachverstandigen zum "ublichen Standard" gehort. Insoweit hat er eindeutig\nausgefuhrt, daß bei schwerem Seegang keine der moglichen\nSicherheitseinrichtungen geeignet ist, ein Schlagen der Turen zu vermeiden.\nDes weiteren kommt es nicht darauf an, welche Maßeinheit fur Sehstarke oder\nWindstarke zur Unfallzeit aufgetreten war. Insoweit hat namlich auch der\nSachverstandige sich nicht auf eine bestimmte Maßeinheit berufen. Es verhilft\nder Klage nicht zum Erfolg, daß die Klagerin nach Vorliegen des Gutachtens\nbestreitet, daß Seestarke 9 gegeben war und daß sie vortragt, die Klagerin sei\nuber zu erwartendes schlechtes Wetter nicht informiert worden. Die Klagerin\nhat namlich vorgetragen, daß Sie infolge des starken Seegangs von der Klinke\nabgerutscht ist, und daß sich die fehlende Magnethalterung erst bei starkem\nSeegang bemerkbar mache. Es vermag nicht zu uberzeugen, wenn sie nach\nVorliegen des Sachverstandigengutachtens im Widerspruch dazu vortragt, am\nUnfalltag habe kein schwerer Seegang geherrscht, so daß die vorhandene\nArretierung ausgereicht hatte. Insoweit war die Klagerin gehalten, diesen\nWiderspruch nachvollziehbar zu erklaren, was indes nicht geschehen ist. Somit\ngeht das Gericht davon aus, daß zur Unfallzeit starker Seegang herrschte; auf\ndie genaue Maßeinheit kommt es nicht an. Des weiteren kommt es nicht darauf\nan, welcher Seegang zu Beginn der Kreuzfahrt, zwei Tage vor dem Unfall,\naufgetreten ist.\n\n53\n\nDaruber hinaus ist zu berucksichtigen, daß die von dem Sachverstandigen als\neher sicher erachtete Klinkenarretierung unstreitig an Bord der MS Azur in\nkeiner Kabine montiert war; jedenfalls ist dies nicht vorgetragen.\n\n54\n\nIm ubrigen laßt sich eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht seitens\nder Beklagten auch nicht aus dem auf der Tur angebrachten Warnschild\nherleiten. Aus den uberreichten Fotografien ist nach der Auffassung des\nerkennenden Einzelrichters die Warnfunktion dieses Schildes fur jedermann\neindeutig ersichtlich. Es stellt dar, daß ein zwischen Turrahmen und Tur -auf\nder Seite der Scharniere geratener Zeigefinger abgetrennt werden kann. Das\nreicht mit Sicherheit aus, um die von einer schwingenden oder schlagenden Tur\nausgehenden Gefahren eindeutig zu demonstrieren. Dazu kommt, daß das Schild\neindeutig direkt uber der Drehklinke angebracht ist und gegenuber der Farbe\ndes Turblatts ebenso eindeutig absticht. Da beim offnen einer Tur ein Benutzer\nder Kabine notwendigerweise auf die Klinke blickt, um diese steher zu\nergreifen, wird der Blick ebenso zwangslaufig auf das Warnschild gelenkt. Dazu\nkommt noch, daß die Klagerin bereits zwei Tage vor dem Unfall in der Kabine\nuntergebracht war und somit die Tur sicherlich mindestens einmal taglich\ngeoffnet hat. Das Warnschild kann ihr mithin nicht verborgen geblieben sein.\nGleichfalls verhilft es der Klage nicht zum Erfolg, daß die Beklagte nicht\nzuvor, schriftlich vor den Gefahren der Tur gewarnt hat. Unstreitig hat sie\nnach Antritt der Fahrt und vor dem Unfall eine Informationsveranstaltung unter\nHinweis auf die Gefahren hohen Seegangs abgehalten, an der die Klagerin nach\nihrem eigenen Vorbringen nicht teilgenommen hat. Selbst wenn die Beklagte\nanlaßlich dieser Veranstaltung auf die Gefahren der schlagenden Toilettenturen\nnicht hingewiesen hatte, ware das somit fur die eingetretene Verletzung nicht\nursachlich gewesen.\n\n55\n\nIm ubrigen steht der Klagerin nach der Auffassung des erkennenden\nEinzelrichters ein Schmerzensgeldanspruch selbst dann nicht zu, wenn man\nentgegen den vorstehenden Darlegungen eine Verletzung der\nVerkehrssicherungspflicht seitens der Beklagten annehmen wurde. Vorliegend hat\nsich eine der fur eine Seereise typischen Gefahren realisiert. Es liegt auf\nder Hand, daß bei einer Kreuzfahrt schlechtes Wetter, verbunden mit hohem\nWellengang, auftreten kann, was wiederum zu entsprechenden Schlingerbewegungen\ndes Schiffes fuhren kann. Dies indes kann dann leicht, wie vorliegend\ngeschehen, zu Verletzungen der Passagiere fuhren. Auch wenn es sich um die\nerste Kreuzfahrt der Klagerin gehandelt hat, so kann nicht ohne weiteres\nangenommen werden, daß der Klagerin nicht bewußt war, daß insoweit einer\nSeereise Gefahren innewohnen. denen sie im taglichen Leben nicht ausgesetzt\nist. Das Gericht ist der Ansicht, daß derjenige, der an einer Veranstaltung\nteilnimmt, sei es eine Reise oder etwa eine sportliche Veranstaltung, die\njeweils typischen Risiken hinnehmen muß, was bei der Abklargung der\nVerantwortlichkeit der Parteien berucksichtigt werden muß. (vgl. Mertens in\nMunchner Kommentar, § 823 BGB Rdn.190, 190 a). Insoweit kann der Beklagten\nnicht eine so weitgehende Pflicht auferlegt werden. daß sie ein\nSicherheitsniveau garantieren mußte, das jegliches Risiko fur die Passagiere\nausschloß. Daruber hinaus ist auch das Verhalten der Klagerin zu\nberucksichtigen, die ihrem Vorbringen zufolge nicht die ihr mogliche Sorgfalt\nhat walten lassen. Sie hatte namlich den bedauerlichen Unfall unter Umstanden\ndadurch vermeiden konnen, daß sie sich beim Aufsuchen der Toilette etwas mehr\nZeit gelassen hatte, um die Bewegungen des Schiffes besser einschatzen zu\nkonnen.\n\n56\n\nNach alledem kommt es auf den im einzelnen streitigen Um­\n\n57\n\nfang der Verletzungen und der moglichen Spatschaden nicht\n\n58\n\nmehr an.\n\n59\n\nDie Kostenentscheidung fOlgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung\n\n60\n\nuber die vorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708\n\n61\n\nNr.ll, 711 ZPO.\n\n62\n\nStreitwert: 7.000,--DM.\n\n
315,053
olgham-1990-10-09-20-w-4890
821
Oberlandesgericht Hamm
olgham
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
20 W 48/90
1990-10-09
2019-03-13 14:44:58
2019-03-27 10:01:27
Beschluss
ECLI:DE:OLGHAM:1990:1009.20W48.90.00
## Tenor\n\nDer angefochtene Beschluß wird abgeandert.\n\nDer Antragstellerin wird fur einen Zahlungsantrag in Hohe von 6.173,- DM nebst\n4 % Zinsen seit dem 01.02.1990 Prozeßkostenhilfe bewilligt und ihr\nRechtsanwalt Seidenzahl in Bochum beigeordnet.\n\nDie weitergehende Beschwerde wird zuruckgewiesen.\n\nDie Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragt die Antragstellerin nach\neinem Gegenstandswert von 2.619,- DM; außergerichtliche Kosten, die nach einem\nGegenstandswert von 8.792,- DM entstanden sind, werden nicht erstattet.\n\n \n1\n\n**Gr unde:**\n\n2\n\n**I.**\n\n3\n\nDie Antragstellerin beantragt Prozeßkostenhilfe fur eine beabsichtigte Klage,\nmit der sie die Antragsgegnerin als ihren Hausratversicherer auf Entschadigung\nfur einen Wohnungseinbruch in Anspruch nehmen mochte.\n\n4\n\nAm 04.11.1989 brachen unbekannte Tater in die Wohnung der Antragstellerin ein.\nAufgrund ihrer Schadensmeldung leistete die Antragsgegnerin eine\nEntschadigungszahlung von 13.234,- DM. Die Antragstellerin ist mit dieser\nEntschadigungshohe nicht einverstanden und begehrt mit naherer Begrundung eine\nweitere Zahlung von 8.792,- DM. Das Landgericht hat die Bewilligung von\nProzeßkostenhilfe durch Beschluß vom 27. Juni 1990 zuruckgewiesen.\n\n5\n\n**II.**\n\n6\n\nDie gegen diesen Beschluß gerichtete gemaß §127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulassige\nBeschwerde der Antragstellerin ist zum uberwiegenden Teil begrundet.\n\n7\n\n1.\n\n8\n\nDie Antragstellerin kann - soweit es um einen Zahlungsantrag in Hohe von\n6.173,- DM nebst Zinsen geht - nach ihren personlichen und wirtschaftlichen\nVerhaltnissen die Kosten der Prozeßfuhrung nicht aufbringen.\n\n9\n\nDurch nachgereichte eidesstattliche Versicherung von 27.07.1990 hat sie\nnunmehr glaubhaft gemacht, daß sie ihren Lebensunterhalt ausschließlich durch\nSozialhilfe bestreitet; nacheheliche Unterhaltsanspruche gegen ihren\ngeschiedenen Ehemann, einen Juwelier, seien nicht realisierbar, ca.\nEigentumerin des Juweliergeschaftes dessen Mutter sei. Entgegen der vom\nLandgericht in seinem Nichtabhilfebeschluß geaußerten Auffassung kann der\nAntragsteller in auch nicht entgegengehalten werden, sie musse die von der\nAntragsgegnerin bereits erhaltene Entschadigungsleistung fur die beabsichtigte\nProzeßfuhrung verwenden. Die Antragstellerin hat dazu mit Schriftsatz vom\n25.09.1990 vorgetragen, die Entschadigungsleistung sei fur eine erforderliche\nWohnungsrenovierung, Neuanschaffungen wie Kinderzimmermobel, Fernseher,\nTiefkuhltruhe und Kinderfahrrader, eine Neueinkleidung der gesamten Familie\nsowie einen nach mehreren Jahren erstmals durchgefuhrten Familienurlaub in ...\nvollstandig verbraucht worden. Es ist nicht ersichtlich, daß eine derartige\nVerwendung der von der Antragsgegnerin geleisteten Entschadigungszahlung in\nBezug auf die Vorsorge fur die Prozeßkostenfinanzierung grob fahrlassig (vgl.\ndazu Kalthoener/Buttner, Prozeßkostenhilfe und BeratungshLife, Rdnr. 335\nm.w.N.) gewesen ist.\n\n10\n\nSoweit die Antragstellerin allerdings eine Entschadigungsleistung fur im\nEigentum des Zeugen ... stehende Gegenstande (Videokamera Hitachi VM 52 E und\nHerrenarmband 585 Gold) in Hohe von insgesamt 2.619,- DM begehrt, kommt eine\nBewilligung von Prozeßkostenhilfe nicht in Betracht. Diese Gegenstande\nunterlagen zwar nach §2 Nr. 1 und 2 VHB 74 dem Versicherungsschutz aufgrund\ndes zwischen den Parteien geschlossenen Hausratsversicherungsvertrages;\ninsoweit handelt es sich um eine Versicherung fur fremde Rechnung. Nach §12\nNr. 2 2. Halbsatz VHB 74 kann der Versicherte, obwohl nicht selbst\nVersicherungsnehmer, die sein Eigentum betreffende Entschadigungsforderung\njedoch im eigenen Namen beim Versicherer geltend machen, wenn der\nVersicherungsnehmer zustimmt. Danach ist der Zeuge ... mit Zustimmung der\nAntragstellerin zur selbstandigen Geltendmachung eines Entschadigungsanspruchs\nvon 2.619,- DM gegen die Antragsgegnerin befugt. Ein eigenes Interesse der\nAntragstellerin an der prozessualen Geltendmachung der dem Zeugen ...\nzustehenden Entschadigungsleistung ist nicht ersichtlich. Wie der Senat\nbereits entschieden hat (VersR 1982, 381) ist in einem Fall, in dem vom\nVersicherungsnehmer ausschließlich Rechte aus einer Fremdversicherung\nzugunsten des Versicherten geltend gemacht werden, fur die Bewilligung der\nProzeßkostenhilfe in der Regel dann kein Raum, wenn der Versicherte nach\nseinen personlichen und wirtschaftlichen Verhaltnissen in der Lage ist, die\nProzeßkosten ganz oder teilweise zu tragen. Der Zweck der Prozeßkostenhilfe\nbesteht darin, dem minderbemittelten Rechtsinhaber die Verfolgung seiner\nRechte zu ermoglichen. Dieser Zweck erfordert aber zumindest ein eigenes\nschutzwurdiges Interesse des Antragstellers an der beabsichtigten\nRechtsverfolgung. Daruber hinaus ist es der klagenden Partei in solchen Fallen\nregelmaßig moglich und zumutbar, den vermogenden Dritten zu den Prozeßkosten\nheranzuziehen.\n\n11\n\nDies muß auch dann gelten, wenn - wie im Streitfall - ein Antragsteller im\nRahmen der beabsichtigten Klage nur zum Teil, soweit die\nEntschadigungsforderung die Fremdversicherung betrifft, fremde Interessen\nverfolgt. Danach kann eine Prozeßkostenhilfebewilligung fur die Prozeßkosten,\nsoweit sie durch eine auf das Eigentum des Versicherten entfallende\nEntschadigungsforderung veranlaßt werden, nicht erfolgen. Die Antragstellerin\nhat eine Bedurftigkeit des Zeugen ... nicht geltend gemacht. Eines rechtlichen\nHinweises seitens des Senats bedurfte es insoweit nicht, da bereits das\nLandgericht am Ende des angefochtenen Beschlusses ausgefuhrt hat, es sei der\nAntragstellerin zumutbar, entweder ihren Anspruch gegen den Versicherer an den\nZeugen ... abzutreten oder aber von diesem einen Prozeftkostenvorschuß zu\nverlangen.\n\n12\n\n2.\n\n13\n\nEinem Klageantrag von 6.173,- DM nebst Zinsen kann auch die hinreichende\nErfolgsaussicht nicht versagt werden. Die Antragsgegnerin hat den behaupteten\nEinbruchsdiebstahl nicht dadurch bestritten, daß sie im letzten Satz ihres\nSchriftsatzes vom 01.06.1990 ausgefuhrt hat, im ubrigen mochte sie darauf\nhinweisen, daß durch die Feststellung der Schadenshohe durch den von ihr\nbeauftragten Sachverstandigen noch nicht der Besitz, Wert und der\nunfreiwillige Besitzverlust durch Einbruchdiebstahl nachgewiesen sei. Dies\nlaßt nicht hinreichend deutlich erkennen, daß der Versicherungsfall selbst\nbestritten werden soll, zumal da die Antragsgegnerin unstreitig bereits eine\nEntschadigungsleistung von 13.234,- DM erbracht hat.\n\n14\n\nDie Antragstellerin hat fur den Besitz und den Wiederbeschaffungswert der in\nder Klageschrift als entwendet aufgefuhrten Gegenstande Beweis angetreten.\nDieser Beweis muß erhoben werden; gegebenenfalls hat eine Schadensschatzung\nnach §287 ZPO zu erfolgen.\n\n15\n\nDie Nebenentscheidungen beruhen auf Nr. 1181 der Anlage 1 zu §11 GKG und §118\nAbs. 1 S. 4 ZPO.\n\n
315,134
lg-dusseldorf-1990-02-23-20-s-14699
808
Landgericht Düsseldorf
lg-dusseldorf
Düsseldorf
Nordrhein-Westfalen
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
20 S 146/99
1990-02-23
2019-03-13 14:47:15
2019-03-27 10:01:15
Urteil
ECLI:DE:LGD:1990:0223.20S146.99.00
## Tenor\n\nfur\n\nRecht\n\nerkannt\n\nAuf die Berufung des Klagers wird das am 29. Juni 1989 verkundete Ur¬teil des\nAmtsgerichts Neuss - 32 C 231/89 - teilweise abgeandert und die Beklagten als\nGesamtschuldner verurteilt, an den Klager weitere 2.000,-- DM nebst 4 % Zinsen\nseit dem 6. Marz 1989 zu zahlen.\n\nDie Kosten des Rechtsstreits tragen die Bek1agten .\n\nVon der Darstellung des Tatbestandes wird gemaß § 543 Abs 1 ZPO abgesehen.\n\n \n1\n\nEntscheidungsgrunde:\n\n2\n\nDie zulassige Berufung ist begrundet. Dem Klager steht, gegenuber den\nReklagten der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch gemaß den §§ 823, 847\nBGB. § 3 PflVG ZU. Der Beklagte ZU 1) hat den Verkehrsunfall, bei dem _der_\nKlager verletzt worden ist. schuldhaft verursacht. Ihm ist ein Verstoß gegen §\n3 Abs. _2_ a StVO _zur_ Last zu legen. Nach dieser Vorschrift wird dem\nKraftfahrer außerste Sorgfalt gegenuber Kindern im Straßenverkehr auferlegt.\nDabei wird eine nach den Umstanden hochstmogliche Sorgfalt verlangt; außerste\nSorgfalt bedeutet dabei nicht schlechthin einen unbedingten\nGefahrdungsausschluß oder eine Gefahrdungshaftung, vielmehr muß _der_\nKraftfahrer die in § 3 Abs. _2_ a StVO besonders geschutzte Person bei\nAnwendung außerster Sorgfalt bemerken konnen oder zumindest mit ihrer\nAnwesenheit im Fahrbereich rechnen mussen. Ein solcher Fall ist vorliegend\ngegeben. Die Unfallstelle befindet sich nach der Aussage der Zeugin X nur ein\nkurzes Stuck hinter einem neben der Straße liegenden Kinderspielplatz. Hinzu\nkommt, daß \\- insoweit unstreitig - an diesem Fahrbahnabschnitt ein\nVerkehrszeichen Nr. 136 (Kinder) gemaß § 40 StVO aufgestellt ist.\n\n3\n\nNach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer ferner davon uberzeugt,\ndaß der Beklagte zu 1) mit seiner Fahrweise, insbesondere der gefahrenen\nGeschwindigkeit, den aufgrund der geschilderten Umstande zu stellenden\nSorgfaltsanforderungen nicht genugt hat. Der Beklagte zu 1) hatte, da er mit\nKindern im Fahrbereich hatte rechnen mussen, seine Geschwindigkeit deutlich\nherabsetzen mussen.\n\n
315,253
ag-neuss-1989-04-14-36-c-11488
713
Amtsgericht Neuss
ag-neuss
Neuss
Nordrhein-Westfalen
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
36 C 114/88
1989-04-14
2019-03-13 14:50:40
2019-03-27 10:00:56
Urteil
ECLI:DE:AGNE:1989:0414.36C114.88.00
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Kosten des Rechtsstreits tragt der Klager.\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDem Klager wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 700,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte\nvorab in gleicher Hohe Sicherheit leistet.\n\nDie Sicherheitsleistung kann auch durch die selbstschuldnerische Burgschaft\neiner westdeutschen Großbank oder Sparkasse erbracht werden.\n\n \n1\n\nTatbestand:\n\n2\n\nZwischen den Parteien besteht ein Mietverhaltnis uber die im Obergeschoss des\nHauses H-Weg in O gelegene Wohnung.\n\n3\n\nMit Schreiben vom 04.03.1987 kundigte der Klager das Mietverhaltnis wegen\nEigenbedarfs zum 30.04.1988.\n\n4\n\nDer Klager beantragt,\n\n5\n\ndie Beklagte zu verurteilen,\n\n6\n\ndie im Hause H-Weg, 4040 O, Obergeschoss, gelegene Wohnung bestehend aus\nWohnzimmer, Schlafzimmer, Bad und WC, Kuche sowie zwei Kellerraume zu raumen\nund in geraumtem Zustand an den Klager herauszugeben.\n\n7\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n8\n\ndie Klage abzuweisen,\n\n9\n\nhilfsweise,\n\n10\n\nihr eine geraumige Raumungsfrist zu gewahren.\n\n11\n\nDie Beklagte bestreitet den Eigenbedarf. Sie beruft sich unter anderem darauf,\ndass sie die Wohnung - unstreitig - seit Mai 1951 bewohne und die Wohnung zu\nihrem Lebensmittelpunkte geworden sei.\n\n12\n\nWegen der naheren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 17.03.1988 (Blatt\n19 ff d.A.) verwiesen.\n\n13\n\nWege der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\nSchriftsatze vom 18.04.1988 (Blatt 23 ff d.A.), 01.07.1988 (Blatt 40 ff d.A.),\n15.07.1988 (Blatt 44 ff d.A.), 18.08.1988 (Blatt 46 ff d.A.), 12.10.1988\n(Blatt 50 ff d.A.), 18.10.1988 (Blatt 52, 53 d.A.) sowie den Inhalt der\ngewechselten Schriftsatze im ubrigen verwiesen.\n\n14\n\nEntscheidungsgrunde:\n\n15\n\nDie Klage ist nicht begrundet.\n\n16\n\nDie Beklagte ist nicht gemaß § 556 Abs. 1 BGB zur Raumung und Herausgabe der\nvon ihr bewohnten Wohnung an den Klager verpflichtet.\n\n17\n\nDas Mietverhaltnis der Parteien ist nicht gemaß § 564 b BGB durch die\nKundigung des Klagers vom 04.03.1987 beendet worden. Danach ist das\nKundigungsrecht des Vermieters abhangig von dem Bestehen eines berechtigten\nInteresses, das - nach dem hier maßgeblichen Absatz 2 Nr. 2 - bei Vorliegen\nvon Eigenbedarf anzunehmen ist. Durch diese Beschrankung des Kundigungsrechts\nsoll der Mieter vor willkurlichen Kundigungen geschutzt werden, weil die\nWohnung fur ihn einen Lebensmittelpunkt darstellt und jeder Wohnungswechsel\nfur ihn mit erheblichen Unzutraglichkeiten in personlicher, familiarer,\nsozialer und wirtschaftlicher Hinsicht verbunden ist. Der Vermieter soll\ndeshalb nicht berechtigt sein, den Mietvertrag ohne beachtliche Grunde zu\nkundigen. Dies vorausgeschickt, ist nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 103,\n91) und des Bundesverfassungsgerichts (DWW 89, 46 = NJW 89, 970) Eigenbedarf\nzu bejahen, wenn der Vermieter vernunftige und nachvollziehbare Grunde fur\nseinen Wunsch anfuhrt, die Wohnung des auf Raumung in Anspruch genommenen\nMieters selbst oder durch einen nach § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB priviligierten\nDritten bewohnen zu lassen. Diese Voraussetzungen liegen in der Person des\nKlagers nicht vor. Der Klager hat keinen vernunftigen und nachvollziehbaren\nGrund dafur vorgetragen, weshalb sein Sohn Michael gerade in die Wohnung der\nBeklagten einziehen soll, obwohl das Haus H-Weg uber eine weitere, nahezu\ngleichgroße Wohnung im Erdgeschoss verfugt. Zwar ist der Vermieter bei\nmehreren in Betracht kommenden Wohnungen grundsatzlich nicht verpflichtet,\neine soziale Auswahl zu treffen. Das Erlangungsinteresse des Vermieters ist\njedoch dann nicht mehr gerechtfertigt und im Sinne der Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts rechtsmissbrauchlich, wenn fur den\nEigenbedarfswunsch eine frei gewordene oder frei werdende Wohnung zur\nVerfugung steht, ohne dass der Vermieter fur die beabsichtigte Selbstnutzung\nder anderen Wohnung beachtliche Grunde vorbringen kann (BVerfG, a.a.O.; NJW\n1985, 2633). Dabei ist in die unter Missbrauchsgesichtspunkten vorzunehmende\nPrufung auch Wohnraum einzubeziehen, der vor der Eigenbedarfskundigung frei\ngeworden, anschließend aber neu vermietet worden ist (BVerfG DWW 89, 46;\nRochling, WM 1989, 109). Unter Beachtung dieser Grundsatze muss der geltend\ngemachte Eigenbedarf des Klagers als willkurlich angesehen werden. Der nunmehr\ngeltend gemachte Eigenbedarf war namlich bereits im Januar 1986 voraussehbar\n(§ 286 ZPO). Der Klager musste bei lebensnaher Betrachtung bereits zu diesem\nZeitpunkt davon ausgehen, dass sein altester Sohn Michael sein Sportstudium in\nKurze beenden wurde, denn der Studienabschluss im Marz 1987 lasst den\nRuckschluss zu, dass sich der Sohn Michael bereits Anfang 1986 in einem\nfortgeschrittenen Semester befunden haben muss. Hiervon ist offensichtlich\nauch der Klager ausgegangen - ohne dass es insoweit auf das genaue Datum der\nStudiumsbeendigung ankommt -, wenn er der Tochter der Beklagten im Dezember\n1985 mitgeteilt haben will, er konne die Wohnung im Erdgeschoss nicht langere\nZeit vermieten, weil sein Sohn nach Beendigung des Studiums eine Wohnung\nbrauche. Gleichwohl hat er die im Erdgeschoss des Hauses gelegene und frei\ngewordene Wohnung im Januar 1986 neu vermietet, ohne dem Wohnbedarf seines\nSohnes Michael bei der Vertragsgestaltung mit dem neuen Mieter - etwa durch\nAbschluss eines auf ein oder zwei Jahre befristeten Mietverhaltnisses (vgl. §\n564 c BGB) Rechnung zu tragen. Dies ist um so unverstandlicher, als der Klager\ndas Haus seinerzeit mit dem Gedanken erworben haben will, dass seine Sohne in\ndem Objekt Wohnungen zur Verfugung haben. Unbeachtlich ist in diesem\nZusammenhang der weitere Sohn des Klagers, denn dieser ist - wie der Klager\nausdrucklich vortragt - erst in zwei Jahren mit seinem Studium fertig. Liegen\ndanach aber die von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts\ngeforderten nachvollziehbaren und vernunftigen Eigenbedarfsgrunde nicht vor,\nso bedarf es keiner weiteren Ausfuhrungen, ob nicht das Mietverhaltnis\nanderenfalls im Hinblick auf die lange Mietdauer und das Alter der Beklagten\n(68 Jahre) gemaß § 556 a BGB hatte verlangert werden mussen.\n\n18\n\nDie Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.\n\n19\n\nStreitwert: 3.000,00 DM\n\n
315,460
olgham-1987-06-25-23-u-7886
821
Oberlandesgericht Hamm
olgham
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
23 U 78/86
1987-06-25
2019-03-13 14:56:21
2019-03-27 09:43:04
Urteil
ECLI:DE:OLGHAM:1987:0625.23U78.86.00
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Beklagten wird das am 6. Dezember 1985 verkundete Urteil\nder 1. Zivilkammer des Landgerichts xxx unter Zuruckweisung des Rechtsmittels\nim ubrigen abgeandert und wie folgt neu gefaßt:\n\nDie Beklagte wird verurteilt, an den Klager 4.604,-- DM nebst 4% Zinsen seit\ndem 5. Dezember 1986 zu zahlen.\n\nDie weitergehende Klage wird abgewiesen.\n\nVon den Kosten des Rechtsstreits tragen der Klager 17/18 und die Beklagte\n1/18.\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDer Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 5.000,-- DM, die auch durch unbefristete und\nunbedingte selbstschuldnerische Burgschaft der Sparkasse xxx erbracht werden\nkann, abzuwenden, wenn nicht der Klager vor der Vollstreckung Sicherheit in\ngleicher Hohe leistet.\n\nDem Klager bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 12.100,-- DM abzuwenden, wenn nicht die\nBeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\nDie Beschwer des Klagers betragt 78.291,12 DM, die der Beklagten 4.604,-- DM.\n\n \n1\n\n _Tatbestand_\n\n2\n\nDer Klager verlangt von der Beklagten in erster Linie Ersatzlieferung einer\nSegelyacht, hilfsweise Wandlung des zwischen den Parteien abgeschlossenen\nKaufvertrages und weiter hilfsweise Minderung des Kaufpreises.\n\n3\n\nGemaß Bestellschein vom 7. April 1984 und Auftragsbestatigung vom 9. April\n1984 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag uber die Lieferung einer\nSegelyacht - Typ xxx - zum Preise von 75.848,--DM. Der Bestellschein enthalt\noben links einen Hinweis auf die umseitig abgedruckten Allgemeinen\nGeschaftsbedingungen der Beklagten, in denen es in Abschnitt VII Ziffer 3\nheißt:\n\n4\n\n"Die Rechte des Bestellers auf Gewahrleistung beschranken sich unter Ausschluß\nweitergehender Rechte auf den Anspruch des Bestellers auf Nachbesserung oder\nErsatzlieferung, es sei denn, daß sich die Nachbesserung als von vornherein\nunmoglich erweist oder fehlschlagt. In diesen Fallen steht dem Besteller der\nAnspruch auf Herabsetzung des Kaufpreises oder, wenn der Mangel den Gebrauch\ndes Liefergegenstandes wesentlich beeintrachtigt, auf Ruckgangigmachung des\nVertrags zu".\n\n5\n\nEbenfalls am 7. April 1984 unterschrieben die Parteien sogenannte "Besondere\nGeschaftsbedingungen zum Kauf und Liefervertrag vom 07.04.1984", in denen\nAbschnitt VII Ziffer 1 der Allgemeinen Geschaftsbedingungen wie folgt\nabgewandelt wird:\n\n6\n\n"a) Der Verkaufer erklart sich bereit, die gesetzlichen Gewahrleistungsfristen\nfur alle Teile aus eigener Fertigung auf 12 Monate zu verlangern. Fur Mangel\nim Polyester-Material wird die Garantiezeit auf 5 Jahre erweitert.\n\n7\n\nb) Der Kaufer erklart sich bereit, den beanstandeten Liefergegenstand oder\nTeile dieses Liefergegenstandes auf Verlangen des Lieferers zum Lieferwerk\noder einer vom Lieferer benannten Service-Stelle zu transportieren. Die aus\nAnlaß des Hin- und Rucktransportes entstehenden Kosten ubernimmt der Kaufer".\n\n8\n\nEnde Juni/Anfang Juli 1984 wurde die Yacht geliefert und vom Klager bezahlt.\n\n9\n\nMit Schreiben vom 18. Juli 1984 und 17. Oktober 1984 rugte der Klager\nzahlreiche Mangel an der Yacht und forderte die Beklagte auf, auf die Einrede\nder Verjahrung zu verzichten und die Bereitschaft zur kostenlosen Beseitigung\nder Mangel zu erklaren. In ihrem Antwortschreiben vom 5. November 1984 bat die\nBeklagte darum, die beanstandeten Fehler auf ihre Erheblichkeit zu uberprufen.\nAlsdann konne die Nachbesserung in dem zwischen den Parteien vereinbarten\nRahmen durchgefuhrt werden.\n\n10\n\nAuf Antrag des Klagers vom 28. Dezember 1984 - beim Amtsgericht xxx\neingegangen am 7. Januar 1985 - wurde uber die vom Klager gerugten Mangel zur\nSicherung des Beweises ein Sachverstandigengutachten des offentlich bestellten\nund vereidigten Sachverstandigen xxx eingeholt. Dieser hielt die seiner\nAnsicht nach bestehenden Mangel in seinen Gutachten vom 5. Marz und 2. Oktober\n1985 fest und veranschlagte die Mangelbeseitigungskosten auf etwa 3.000,-- DM\nohne Mehrwertsteuer.\n\n11\n\nMit Schreiben vom 18. April 1985 erklarte sich die Beklagte bereit, "die durch\nden Sachverstandigen xxx in xxx im Beweissicherungsgutachten vom 5. Marz 1985\n- 3 H 14/85 Amtsgericht xxx - festgestellten Mangel ordnungsgemaß zu\nbeseitigen mit der Maßgabe, daß die nachstehend aufgefuhrten Mangel mangels\nNachweises und Verursachung durch unsere Mandantschaft von Ihrem Auftraggeber\nzu tragen sind: Pos. 1 m), Pos. 1 o), Pos. 1 p)."\n\n12\n\nUnter Position 1 m) hat der Klager beanstandet, daß die Polster im gesamten\nBoot durch eingedrungenes Wasser stockig sind, unter Position 1 o), daß am\nGaskocher Emaille abplatzt und unter Position 1 p), daß das Boot insgesamt\nWasser zieht.\n\n13\n\nMit Schreiben 19.04.1985 teilte die Beklagte dem Klager mit, sie habe ihren\nService-Techniker in xxx gebeten, sich mit ihm in Verbindung zu setzen und\neinen Reparaturort und Reparaturtermin zu vereinbaren. Er moge auch personlich\nbis zum 4. Mai bei der Firma xxx vorstellig werden, damit der Termin\nkurzfristig vereinbart werden konne.\n\n14\n\nMit Schreiben vom 24. April 1985 verlangte der Klager eine "allumfassende\nAbdichtung des Fahrzeugs". Nach den Allgemeinen Geschaftsbedingungen der\nBeklagten stehe ihm zwar nunmehr ein Anspruch auf Ersatzlieferung zu.\nVergleichsweise sei er jedoch damit einverstanden, daß das Boot umfassend bei\nder Beklagten repariert werde. "Dazu gehort nach Auffassung unseres Mandanten\ninsbesondere, daß das Deck abgenommen wird, die Risse gefullt und\nabgeschliffen werden und das Deck neu in eine Form gebracht wird, um so eine\neinheitliche "Ganzlackierung" zu erreichen".\n\n15\n\nMit Schreiben vom 13. Mai 1985 erklarte sich die Beklagte erneut zur\nNachbesserung im Rahmen des Sachverstandigengutachtens bereit.\n\n16\n\nMit Schreiben vom 5. Juni 1985 forderte der Klager die Beklagte unter\nFristsetzung von 2 Wochen auf, samtliche bisher von ihm gerugten Mangel zu\nbeseitigen. Gleichzeitig drohte er an, nach Ablauf der Frist die Beseitigung\nder Mangel durch die Beklagte abzulehnen und Lieferung eines Ersatzfahrzeugs\nzu verlangen.\n\n17\n\nDie Beklagte antwortete mit Schreiben vom 10. Juni, 14. Juni und 25. Juni\n1985.\n\n18\n\nEine Mangelbeseitigung ist unstreitig bisher nicht durchgefuhrt worden.\n\n19\n\nDer Klager hat behauptet, die Beklagte habe - wie sich aus der Baunummer xxx\nergebe - ein gebrauchtes Altboot geliefert, da ihm laut Rechnung vom 26. Juni\n1984 ein Boot mit der Baunummer xxx habe geliefert werden sollen.\n\n20\n\nDer Klager hat beantragt,\n\n21\n\ndie Beklagte zu verurteilen, an den Klager eine Segelyacht Typ xxx nebst\nDecksbelag-Antislipp, Wendefock-Vorrichtung, Radsteuerung, Sicherheitsleiter,\nBilgenlenzpumpe, Gaskocher, Kuhlschrank, Schiffsheizung, Pump-WC, elektrischer\nAnlage mit Batterie, Positionsleuchten, Dreifarbenleuchte, Sumlog Silva 2000,\nKompaß und Einbaumotor: Typ xxx zu liefern Zug-um-Zug gegen Rucknahme der\nYacht xxx Schiffs-Nr. xxx.\n\n22\n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n23\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n24\n\nSie hat die Einrede der Verjahrung erhoben und ist der Ansicht, daß der Klager\ndie Lieferung eines neuen Boots nicht verlangen konne. Zur Nachbesserung sei\nsie nach wie vor bereit.\n\n25\n\nDurch das angefochtene Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgrunde\nim ubrigen gemaß § 543 Abs. 2 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht der\nKlage stattgegeben und zur Begrundung ausgefuhrt, dem Klager stehe nach\nAbschnitt VII Ziffer 3 der AGB der Beklagten ein Anspruch auf Lieferung einer\nErsatzyacht zu, weil das Boot zahlreiche vom Sachverstandigen festgestellte\nMangel aufweise, deren Beseitigung der Klager von der Beklagten vergeblich\nverlangt habe.\n\n26\n\nGegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte\nBerufung der Beklagten, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen\nwiederholt und erganzt. Sie ist der Ansicht, die Vereinbarung in Abschnitt VII\nZiffer 3 ihrer Allgemeinen Geschaftsbedingungen beziehe sich nicht auf die\nErsatzlieferung eines ganzen Schiffs, sondern lediglich auf den Austausch\nmangelhafter Einzelteile. Sie behauptet, die Produktion der xxx im Fruhjahr\n1985 eingestellt zu haben. Im ubrigen benutze der Klager das Schiff wahrend\nder Sommersaison von Anfang Mai bis Anfang Oktober jeden Jahres regelmaßig\nsowohl zum Wohnen als auch zum Segeln weiter. Mit dem Anspruch auf\nNutzungsentschadigung in Hohe von 40.000,-- DM rechne sie vorsorglich auf.\n\n27\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n28\n\ndas angefochtene Urteil abzuandern und die Klage abzuweisen,\n\n29\n\nhilfsweise ihr Sicherheitsleistung durch Burgschaft der Sparkasse xxx\nnachzulassen.\n\n30\n\nDer Klager beantragt,\n\n31\n\ndie Berufung zuruckzuweisen,\n\n32\n\nhilfsweise,\n\n33\n\ndie Beklagte zu verurteilen, an den Klager 82.895,12 DM nebst 4% Zinsen seit\ndem 8. April 1987 zu zahlen, und zwar Zug-um-Zug gegen Rucknahme der Yacht xxx\nSchiffsnummer xxx,\n\n34\n\nweiter hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an den Klager einen\nMinderungsbetrag von 41.000,-- DM zu zahlen.\n\n35\n\nEr wiederholt und erganzt seinen Vortrag erster Instanz. Fur den Fall, daß\nsein Wandlungsbegehren durchgreift, verlangt er neben der Ruckzahlung des\nKaufpreises die Kosten der Bootsvermessung in Hohe von 840,-- DM und die\nnutzlos aufgewendeten Mietzahlungen fur 1985 und 1986 in Hohe von 6.207,12 DM\nersetzt.\n\n36\n\nWegen des Parteivorbringens im ubrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der\ngewechselten Schriftsatze und der zu ihnen uberreichten Anlagen Bezug\ngenommen.\n\n37\n\nDie Akten des Beweissicherungsverfahrens 3 H 14/85 Amtsgericht xxx lagen vor\nund waren Gegenstand der mundlichen Verhandlung.\n\n38\n\nDer Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen xxx und\neidliche Vernehmung der Zeugen xxx und xxx sowie des Sachverstandigen xxx.\n\n39\n\nAuf den Berichterstattervermerk vom 25. Mai 1987 wird Bezug genommen.\n\n40\n\n _Entscheidungsgr unde_\n\n41\n\nDie Berufung der Beklagten ist zulassig und uberwiegend begrundet. Die\nWeiterbenutzung des Boots durch den Klager hat namlich unter den besonderen,\nhier vorliegenden Umstanden zum Verlust seines Anspruchs auf Ersatzlieferung\ngefuhrt und steht auch der hilfsweise erklarten Wandlung des Vertrages\nentgegen, so daß er stattdessen nur Minderung des Kaufpreises verlangen kann.\n\n42\n\n1\\. Unstreitig weist die dem Klager gelieferte Segelyacht eine Reihe von\nFehlern auf, die der Sachverstandige xxx in seinen im Rahmen des\nBeweissicherungsverfahrens - 3 H 14/85 Amtsgericht xxx - erstatteten Gutachten\nvom 5. Marz und 2. Oktober 1985 im einzelnen festgestellt hat und zu deren\nBeseitigung er im Jahre 1985 einen Kostenaufwand in Hohe von etwa 3.000,-- DM\nohne Mehrwertsteuer fur angemessen und ausreichend hielt.\n\n43\n\nEntgegen der Darstellung des Klagers kann auf Grund der Gutachten aber nicht\ndavon ausgegangen werden, daß das Boot insgesamt "Wasser zieht" und eine\n"allumfassende Abdichtung" des Schiffs notwendig ist. Und entgegen seiner\nAnsicht hat es der Sachverstandige fur eine "astreine" Reparatur der\nvorhandenen Risse auch nicht fur erforderlich gehalten, daß das Deck\nabgenommen und nach Auffullung und Abschleifen der Risse neu in Form gebracht\nwird. Schließlich kann auf Grund der Aussage des Zeugen xxx auch nicht davon\nausgegangen werden, daß die Beklagte dem Klager ein gebrauchtes Altboot\n"untergejubelt" hat; denn wie der Zeuge xxx glaubhaft bekundet hat, liegt\nzwischen der Herstellung des Boots mit der Baunummer xxx und desjenigen mit\nder Baunummer xxx bei Serienproduktion allenfalls ein Zeitraum von etwa 20\nTagen.\n\n44\n\nAuch wenn die Mehrzahl der vom Sachverstandigen festgestellten Fehler - jeder\nfur sich gesehen - keine Auswirkungen auf die Gebrauchstauglichkeit der Yacht\nhat und nur einen unbedeutenden Nachbesserungsaufwand erfordert, ist beim\nVorliegen mehrerer Mangel hinsichtlich der Erheblichkeit auf die Gesamtwirkung\nabzustellen und kann bei einem Gesamtnachbesserungsaufwand von 3.000,-- DM\nnicht mehr von einer unerheblichen Fehlerhaftigkeit des Boots im Sinne des §\n459 Abs. 1 Satz 2 BGB gesprochen werden.\n\n45\n\n2\\. Nach Abschnitt VII Ziffer 3 der Allgemeinen Geschaftsbedingungen der\nBeklagten beschranken sich die Gewahrleistungsanspruche des Klagers fur Mangel\ndes Liefergegenstandes unter Ausschluß weitergehender Rechte auf den Anspruch\nauf Nachbesserung oder Ersatzlieferung. Daß diese Klausel Bestandteil des\nzwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrags geworden ist, wird von den\nParteien nicht in Frage gestellt. Die Beklagte will jedoch den Begriff\n"Ersatzlieferung" so verstanden wissen, daß nicht die Neulieferung eines\nganzen Boots, sondern nur die Neulieferung einzelner Bestandteile des Boots im\nFalle ihrer Mangelhaftigkeit verlangt werden kann. Diese Ansicht teilt der\nSenat nicht.\n\n46\n\nDie Auslegung von Allgemeinen Geschaftsbedingungen erfolgt nach objektiven\nMaßstaben. Nach herrschender Meinung sind sie so auszulegen, wie sie nach der\nVerstandnismoglichkeit eines Durchschnittskunden unter Abwagung der Interessen\nder normalerweise an den betreffenden Geschaften beteiligten Kreise verstanden\nwerden (vgl. Palandt 46. Aufl., AGB-Gesetz § 5 Anm. 3 mit weiteren\nNachweisen).\n\n47\n\nFur eine Auslegung der Klausel im Sinne der Beklagten konnte sprechen, daß in\nSatz 1 Halbsatz 2 der Klausel nur von der Unmoglichkeit oder einem\nFehlschlagen der Nachbesserung die Rede ist, was den Schluß zulassen konnte,\ndaß die Beklagte in dem einleitenden Halbsatz nur das Recht auf Nachbesserung\neinraumen wollte. Fur eine solche Auslegung konnte ferner ihr Interesse\nsprechen, die Gewahrleistungsrechte ihrer Kunden moglichst weit\neinzuschranken.\n\n48\n\nGegen diesen Sinn der Klausel spricht jedoch der allgemeine Sprachgebrauch des\nBegriffs "Ersatzlieferung". Hiermit ist regelmaßig die Lieferung eines neuen\nGegenstands anstelle des ursprunglichen gemeint. Auch der Gesetzgeber\nverwendet diesen Begriff in § 11 Nr. 10 b AGB-G im Sinne der Neulieferung des\nVertragsgegenstandes (vgl. Wolf/Horn/Lindacher, Kommentar zum AGB-Gesetz 1984,\n§ 11 Nr. 10 b Randnummer 4), wahrend der Austausch und Ersatz einzelner\nuntergeordneter Teile eines Gegenstands eine Maßnahme im Rahmen der\nNachbesserung darstellt.\n\n49\n\nDie wahlweise Einraumung von Nachbesserungs- und Ersatzlieferungsanspruch\nwiderspricht auch nicht massiv dem Interesse der Beklagten, die\nGewahrleistungsrechte ihrer Kunden moglichst gering zu halten. Denn in erster\nLinie ist der Verwender von Allgemeinen Geschaftsbedingungen daran\ninteressiert, die Gewahrleistungsrechte der Wandlung und Minderung\nauszuschließen, da in diesen Fallen der Vertrag nicht oder nur in geringerem\nUmfang bestehen bleibt.\n\n50\n\nEntgegen der Ansicht der Beklagten scheitert eine Auslegung der Klausel dahin,\ndaß der Anspruch auf Nachbesserung Vorrang vor demjenigen auf Ersatzlieferung\nhat (vgl. ihr Schreiben vom 13. Mai 1985 Bl. 100 d.A.), ebenfalls am Wortlaut\nder Klausel. Einen solchen Willen hatte die Beklagte in der Weise deutlich\nmachen mussen, daß sie die Ersatzlieferung in Satz 2 der Klausel zusammen mit\nden subsidiaren Rechten auf Wandlung und Minderung genannt hatte.\n\n51\n\nAbschnitt VII Ziffer 3 der AGB ist daher so zu verstehen, daß dem Kunden\nwahlweise das Recht auf Nachbesserung oder Ersatzlieferung im Sinne einer\nNeulieferung des Vertragsgegenstandes eingeraumt wird.\n\n52\n\nSelbst wenn man die anderen Auslegungsmoglichkeiten fur rechtlich vertretbar\nhielte, ware gemaß § 5 AGB-Gesetz wegen der Unklarheit der Klausel dieser\nAuslegung als der dem Kunden gunstigsten der Vorzug zu geben.\n\n53\n\n3\\. Fraglich ist allerdings, ob Abschnitt VII Ziffer 3 der AGB der Beklagten\nwirksam ist.\n\n54\n\nDie Klausel unterfallt dem Anwendungsbereich des § 11 AGB-Gesetz. Nach § 11\nNr. 10 b AGB-Gesetz ist eine Beschrankung der Gewahrleistungsrechte auf\nNachbesserungs- und/oder Ersatzlieferungsanspruche nur wirksam, wenn dem\nKunden fur den Fall des Fehlschlagens bzw. der Unmoglichkeit dieser Rechte\nwahlweise die Rechte auf Wandlung und Minderung ausdrucklich vorbehalten\nwerden (vgl. Staudinger-Schlosser, AGB-Gesetz, 12. Aufl., § 11 Nr. 10\nRandnummer 53; BGH BB 1981, 815).\n\n55\n\nBedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Klausel mit § 11 Nr. 10 b AGB-\nGesetz konnten sich hier daraus ergeben, daß die Wandlungs- und\nMinderungsrechte ausdrucklich nur fur den Fall der Unmoglichkeit oder des\nFehlschlagens der Nachbesserung, nicht aber der Ersatzlieferung vorbehalten\nworden sind.\n\n56\n\nDiese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn auch wenn\nein Verstoß gegen § 11 Nr. 10b AGB-Gesetz vorliegt und Abschnitt VII Ziffer 3\nder AGB der Beklagten insgesamt unwirksam macht, weil eine Reduzierung der\nKlausel auf den nach dem AGB-Gesetz gerade noch zulassigen Inhalt im Wege der\nrichterlichen Auslegung ausgeschlossen ist (vgl. OLG Hamm NJW 1982, 283 ff.;\nBGH NJW 1982, 2309 = BGHZ 84, 109/114 ff.; BGH NJW 1984, 48; Staudinger-\nSchlosser, AGB-Gesetz § 6 Anm. 15 a; anderer Ansicht Munchener Kommentar zum\nAGB-Gesetz 2. Aufl., § 6 Randnummer 9), mithin die Moglichkeit entfallt,\nAbschnitt VII Ziffer 3 im Wege der Auslegung so zu gestalten, daß die\nBestimmung mit § 11 Nr. 10 b AGB-Gesetz vereinbar ist, sie also mit der\nMaßgabe aufrechtzuerhalten, daß die Rechte auf Wandlung und Minderung auch im\nFalle der Unmoglichkeit oder des Fehlschlagens der Ersatzlieferung wieder\naufleben, konnte der Klager Lieferung eines mangelfreien Boots verlangen. Denn\nsoweit einzelne Vertragsbestimmungen unwirksam sind, richtet sich der Inhalt\ndes Vertrages gemaß § 6 Abs. 2 AGB-Gesetz nach den gesetzlichen Vorschriften,\nso daß, da das in Serienproduktion hergestellte Boot eine nur der Gattung nach\nbestimmte Sache ist, in diesem Fall § 480 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage\nzum Zuge kommt.\n\n57\n\n4\\. Der Anspruch auf Neulieferung des Boots ist auch nicht deshalb\nausgeschlossen, weil der Klager ein etwa bestehendes Wahlrecht zwischen\nNachbesserung und Ersatzlieferung entsprechend § 465 BGB verloren hat. Die\nVorschrift des § 465 BGB ist zwar auf den Fall wahlweise vereinbarter Rechte\nauf Nachbesserung oder Ersatzlieferung entsprechend anwendbar (vgl. BGH NJW\n1970, 1502). Der Klager hat aber ein Wahlrecht zwischen Nachbesserung und\nErsatzlieferung - vorausgesetzt beide Rechte waren vertraglich wirksam\nnebeneinander eingeraumt - nicht verloren, weil sich die Parteien uber die vom\nKlager zunachst verlangte Nachbesserung nie einig geworden sind. Ein solches\nEinverstandnis setzt voraus, daß es vom Verkaufer bedingungs- und\nvorbehaltslos erklart wird und daß die Mangelhaftigkeit des Gegenstandes\nzwischen den Parteien unstreitig ist (vgl. Staudinger-Honsell, BGB, 12. Aufl.,\n§ 465 Randnummern 8 und 9; BGH NJW 61, 117/118). Ein vorbehaltsloses\nEinverstandnis kann aber weder im Schreiben der Beklagten vom 5. November 1984\ngesehen werden, noch ist es irgendwann zu einem spateren Zeitpunkt erklart\nworden; denn die Beklagte hat die Nachbesserung nur "in dem zwischen den\nParteien vereinbarten Rahmen" (vgl. ihr Schreiben vom 5. November 1984 und die\nInbezugnahme dieses Schreibens im Schreiben vom 18. April 1985) durchfuhren\nwollen, daß heißt gemaß b) ihrer "Besonderen Geschaftsbedingungen" vom 7.\nApril 1984 stets von der frachtfreien Anlieferung des Boots durch den Klager\nbei der Beklagten oder der von ihr benannten Service-Station in xxx abhangig\ngemacht. Das ergibt sich klar und unmißverstandlich aus der Telefonnotiz des\nZeugen xxx vom 20./22. November 1984 (Bl. 92 d.A.) und ebenso deutlich aus dem\nmit Schriftsatz vom 2. Oktober 1986 uberreichten vorgefertigten Brief (Bl. 147\nd.A.), den die Beklagte dem Klager Ende Januar 1985 - zusammen mit den\nDurchschriften zweier Reparaturauftrage an den Reparaturausfuhrer xxx -\nzugesandt hat mit der Bitte, ein Exemplar unterschrieben zuruckzuschicken.\n\n58\n\nDem Verlangen der Beklagten auf frachtfreie Anlieferung des Boots steht aber\nentgegen, daß die in b) Satz 2 enthaltene Regelung gemaß § 11 Nr. 10 c AGB-\nGesetz unwirksam ist. Bei den sogenannten "Besonderen Geschaftsbedinggungen"\nhandelt es sich namlich nicht um eine Individualvereinbarung, die zwischen den\nParteien besonders ausgehandelt worden ist, sondern um fur eine Vielzahl von\nVertragen vorformulierte Vertragsbedingungen, mithin um Allgemeine\nGeschaftsbedingungen im Sinne von § 1 AGB-Gesetz, die nur deshalb einen\naußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden, um den Eindruck zu\nerwecken, als seien sie zwischen den Parteien im einzelnen ausgehandelt\nworden.\n\n59\n\nAbgesehen von dem nicht berechtigten Vorbehalt der Beklagten auf frachtfreie\nAnlieferung des Boots bestand aber auch auf Seiten des Klagers zu keinem\nZeitpunkt Einverstandnis mit der von der Beklagten erklarten Bereitschaft,\nNachbesserung im Rahmen der Sachverstandigengutachten durchzufuhren; denn bis\nzuletzt hat er die Beklagte - unabhangig von den Feststellungen des\nSachverstandigen xxx - zur Beseitigung samtlicher von ihm gerugter Mangel\naufgefordert (vgl. sein Schreiben vom 5. Juni 1985 Bl. 102 ff. d.A.),\ninsbesondere sein Verlangen nach "allumfassender Abdichtung" des Boots\naufrechterhalten und noch in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat auf der\nLieferung eines neuen Decks bestanden.\n\n60\n\nDa eine Einigung der Parteien uber die Nachbesserung mithin nicht\nzustandegekommen ist, war der Klager nicht gehindert, von seinem\nursprunglichen Verlangen auf Nachbesserung zur Ersatzlieferung uberzugehen.\n\n61\n\nWie das Landgericht zutreffend angenommen hat, kann sich die Beklagte auch\nnicht auf die Einrede der Verjahrung berufen.\n\n62\n\n5\\. Der Klager hat den Anspruch auf Neulieferung aber verloren, weil er das\nBoot nach Übergang zum Anspruch auf Ersatzlieferung mit Schreiben vom 12. Juli\n1985 (Bl. 111 d.A.) in erheblichem Umfang weiterbenutzt hat und weil es der\nBeklagten, die die Produktion dieses Bootstyps im Fruhsommer 1985 eingestellt\nhat, angesichts des geringen Umfangs und der geringen Bedeutung der vom\nSachverstandigen xxx festgestellten Mangel nicht zuzumuten ist, die Kosten\naufzuwenden, die erforderlich sind, um jetzt noch ein Ersatzboot dieses Typs\nin Einzelproduktion anzufertigen.\n\n63\n\na) Solange sich der Kaufer noch nicht entschlossen hat, Ersatzlieferung oder\nRuckgangigmachung des Vertrags zu verlangen, kann es ihm nicht verwehrt\nwerden, die ihm ubereignete Sache zu benutzen, mag diese Benutzung auch ohne\nweiteres eine Verschlechterung zur Folge haben. Anders ist die Frage aber von\ndem Zeitpunkt an zu beurteilen, in dem der Kaufer Neulieferung des\nVertragsgegenstandes oder Wandlung des Vertrags verlangt. Nunmehr hat an die\nStelle der Rucksicht auf den eigenen Bedarf, auf den Zweck, zu dem der\nKaufgegenstand erworben wurde, die Rucksicht auf die Belange des Verkaufers zu\ntreten, der die Sache zurucknehmen soll (vgl. RGZ 145, 79/83).\n\n64\n\nAuf Grund der vor dem Berufungsgericht durchgefuhrten Beweisaufnahme steht zur\nÜberzeugung des Senats fest, daß der Klager die Yacht auch nach der mit\nSchreiben vom 12. Juli 1985 verlangten Ersatzlieferung bis zum Ende der Saison\n1985 und wahrend der ganzen Saison 1986 ununterbrochen als Hausboot\nweiterbenutzt hat. Der Zeuge xxx hat glaubhaft bekundet, daß das Schiff bis\nEnde 1986 standig benutzt und als letztes Boot an Land gezogen worden sei.\nAbgesehen von der berufsbedingten Abwesenheit des Klagers, wahrend der er nur\ndie Zeugin xxx auf dem Schiff gesehen habe, habe er sowohl den Klager als auch\ndessen Lebensgefahrtin laufend auf dem Boot gesehen. Da seine - des Zeugen -\nArbeitszeit um 7.00 Uhr morgens beginne und er schon um 6.30 Uhr zum\nAnlegeplatz komme, habe er auch beobachtet, daß der Klager und seine\nLebensgefahrtin auf dem Boot geschlafen hatten. Das schließe er jedenfalls\ndaraus, daß sie fruh morgens zum Waschen ins Waschhaus gegangen seien. Seine\nFeststellungen habe er sowohl wahrend der Woche als auch an den Wochenenden\ngetroffen. Er habe auch die Bootsheizung laufen gehort. Der Klager habe das\nBoot nicht nur mit Motorkraft bewegt, sondern auch die Segel gesetzt. Im\nvergangenen Jahr sei das Boot 1 1/2 Monate lang gar nicht am Anlegeplatz\ngewesen.\n\n65\n\nDiese Aussage des Zeugen xxx deckt sich im wesentlichen mit der der Zeugin\nxxx. Letztere hat zwar in Abrede gestellt, auf dem Boot gewohnt und geschlafen\nzu haben, gleichzeitig aber eingeraumt, daß sie das Boot wahrend der\nSommersaison wenigstens 3 mal wochentlich geluftet, geputzt und gewaschen habe\nund daß sie und der Klager sich auf dem Boot gesonnt und ab und zu auch mal\neine Tasse Kaffee gekocht hatten. Der Klager und sie seien auch zwischen 10.00\nund 12.00 Uhr vormittags zum Duschen ins Waschhaus gegangen. Sie habe auch\nKleidung zum Wechseln und Decken zum Schlafen an Bord.\n\n66\n\nDie Zeugin hat ferner bekundet, daß der Klager das Boot 1985 und 1986 etwa 4\nbis 5 mal im Monat zum Segeln auf dem xxx und auf der xxx benutzt habe, im\nlaufenden Jahr allerdings noch nicht, weil sie im Krankenhaus gelegen und der\nKlager keine Zeit gehabt habe.\n\n67\n\nEhe das Boot im November 1986 als letztes an Land geholt worden sei, sei es 1\n1/2 Monate lang weggewesen, sie wisse aber nicht, wo es wahrend dieser Zeit\ngewesen sei. Der Klager habe ihr das nicht erzahlt und sie habe auch nicht\ndanach gefragt. Sie habe mit dem Klager auch auf dem Boot Urlaub gemacht. Der\nUrlaub habe ein paar Monate gedauert, weil der Klager solange Urlaub gehabt\nhabe.\n\n68\n\nDa die mit dem Eid bekraftigten Aussagen beider Zeugen in wesentlichen Punkten\nubereinstimmen, hat der Senat keine Bedenken, davon auszugehen, daß der Klager\ndas Boot entgegen seiner Darstellung auch nach dem Schreiben vom 12. Juli 1985\nweiterhin regelmaßig als Hausboot benutzt hat, ohne daß es darauf ankommt, ob\ndas Boot wahrend der 1 1/2-monatigen Abwesenheit im Herbst 1986 unbenutzt bei\ndem Bootshaus xxx in xxx gelegen hat (so die unter Beweis gestellte Behauptung\ndes Klagers im Schriftsatz vom 10. Juni 1987) oder ob es fur einen langeren\nTurn nach xxx usw. benutzt worden ist (so die Behauptung der Beklagten im\nSchriftsatz vom 18. Mai 1987).\n\n69\n\nSchon durch die Weiterbenutzung in dem vom Senat festgestellten Umfang hat der\nKlager namlich seinen Anspruch auf Lieferung eines Ersatzboots und sein Recht,\nden Vertrag ruckgangig zu machen, verloren.\n\n70\n\nIn der Rechtsprechung ist anerkannt, daß der einigermaßen dauernde\nWeitergebrauch einer fehlerhaften Sache mit dem Wandlungsbegehren des Kaufers\nan sich nicht vereinbar ist (vgl. BGH MDR 1955, 464; BGH NJW 1958, 1773; BGH\nNJW 1960, 2331), weil der Kaufer vom Augenblick seiner Wandlungserklarung an\nverpflichtet ist, auf die Belange des Verkaufers Rucksicht zu nehmen (vgl. RGZ\n145, 79/83). Gleichwohl schließt die Weiterbenutzung der Kaufsache allein das\nWandlungsrecht grundsatzlich nicht aus (vgl. BGH NJW 1984, 1526).\n\n71\n\nTritt durch die Weiterbenutzung vor Vollziehung der Wandlung eine wesentliche\nVerschlechterung der Sache ein, so kann sich der Wandlungsverpflichtete gemaß\n§ 467 Satz 1 in Verbindung mit § 351 BGB auf den Wegfall seiner Verpflichtung\nberufen, es sei denn, daß dem Berechtigten Rechtfertigungsgrunde zur Seite\nstehen, die der Annahme entgegenstehen, der Kaufer habe die Verschlechterung\nder Sache im Sinne des § 351 BGB verschuldet (vgl. BGH MDR 1955, 464 = BGH LM\n§ 351 Nr. 2 fur den Fall der Weiterbenutzung einer vom Verkaufer eingebauten\nKinobestuhlung; BGH NJW 1958, 1773 fur den Fall der Weiterbenutzung eines\nRaupenladegerats; BGH NJW 1960, 2331). Entsprechendes gilt gemaß § 480 Abs. 1\nSatz 2 in Verbindung mit §§ 467 Satz 1, 351 BGB fur den gesetzlichen\nNachlieferungsanspruch; nichts anderes kann fur den vertraglich vereinbarten\nErsatzlieferungsanspruch gelten.\n\n72\n\nAbgesehen von dem Fall einer schuldhaften Verschlechterung der mangelhaften\nKaufsache kann in dem Weitergebrauch der Sache durch den Kaufer unter\nUmstanden auch der Ausdruck seines Willens gesehen werden, den Gegenstand zu\nbehalten, wenn das Verhalten des Kaufers objektiv nach Treu und Glauben im\nVerkehr so zu wurdigen ist. Schließen jedoch besondere Umstande die Annahme\neiner Aufgabe des Rechts auf Wandlung durch Verzicht aus, so kann dessen\nungeachtet eine Verwirkung dieses Rechts angenommen werden, wenn dem Kaufer\nnach Treu und Glauben die Berufung auf den Anspruch auf Wandlung zu versagen\nist (vgl. BGH NJW 1958, 1773; BGH NJW 1960, 2331; OLG xxx BB 1955, 916). Da\ndie Interessenlage dieselbe ist, bestehen keine Bedenken, diese Grundsatze\nauch auf den gesetzlichen und den vertraglich vereinbarten\nErsatzlieferungsanspruch zu ubertragen.\n\n73\n\nUmstande, die fur eine ubermaßige Abnutzung des Boots durch den Klager in den\nletzten 2 Jahren sprechen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich, so daß von\neiner durch die Weiterbenutzung eingetretenen wesentlichen Verschlechterung\ndes Boots im Sinne der §§ 467 Satz 1, 351 BGB ohne weitere Sachaufklarung\nnicht ausgegangen werden kann.\n\n74\n\nDer Annahme eines Verzichts durch schlussiges Verhalten steht entgegen, daß\nder Klager am Ersatzlieferungsanspruch immer festgehalten und seinen auf\nErsatzlieferung, hilfsweise auf Wandlung gerichteten Klageantrag bis zum\nSchluß der mundlichen Verhandlung aufrechterhalten hat (vgl. BGH NJW 1984,\n1525/1526). In seinem Verhalten kann daher auch nicht der Ausdruck seines\nWillens gesehen werden, das Boot zu behalten.\n\n75\n\nDem Ersatzlieferungs- und dem Wandlungsbegehren des Klagers steht aber der\nEinwand der unzulassigen Rechtsausubung in Form des Verbots widerspruchlichen\nVerhaltens entgegen (vgl. BGH NJW 1984, 1525/1526). Wie bereits erwahnt,\nschließt zwar die Weiterbenutzung allein Wandlung und Ersatzlieferung\ngrundsatzlich nicht aus (vgl. Staudinger-Honsell BGB 12. Aufl., § 467\nRandnummer 12; BGH NJW 1984, 1525/1526). Vielmehr kann nur auf Grund einer\numfassenden Abwagung der beiderseitigen Interessen entschieden werden, wobei\nalle Umstande des Einzelfalls heranzuziehen sind. Diese unter\nBilligkeitsgesichtspunkten durchzufuhrende Abwagung fuhrt unter den gegebenen\nUmstanden aber zu einem Ausschluß beider Rechte.\n\n76\n\nDa der Klager die Segelyacht allein fur seinen privaten Gebrauch angeschafft\nhat, konnen die fur die Weiterbenutzung einer Maschine sprechenden\nGesichtspunkte: wie ihre Notwendigkeit zur Weiterfuhrung des Betriebs (vgl.\nBGH NJW 1984, 1525/1526) und/oder zur Abwendung erheblicher Folgeschaden (vgl.\nRGZ 145, 79/84) oder der hohe Wert der dem Verkaufer zu ersetzenden\nGebrauchsvorteile (vgl. BGH NJW 1958, 1773) den Weitergebrauch des Schiffs\nhier nicht rechtfertigen. Auch die fur die Weiterbenutzung eines Autos\nsprechenden Grundsatze (vgl. BGH NJW 1971, 1809/1810) sind nicht ohne weiteres\nauf ein Schiff ubertragbar. Fur dessen Weiterbenutzung durch den Klager\nspricht allein der anderenfalls notwendige Verzicht auf Freizeitgenuß. Dieser\nGesichtspunkt allein kann den Weitergebrauch unter den besonderen hier\nvorliegenden Umstanden aber nicht rechtfertigen, wenn man bedenkt, daß die vom\nSachverstandigen festgestellten Mangel - jedenfalls einzeln fur sich gesehen -\nso unbedeutend sind, daß sie - wie vom Klager ursprunglich selbst so\nvorgesehen (vgl. seine Antragsschrift Seite 3 Bl. 3 der Beweissicherungsakten\n3 H 14/85 Amtsgericht xxx und seinen Schriftsatz vom 24. April 1985 Blatt 33\nder Beweissicherungsakten) - ohne großen Aufwand und, ohne daß der Klager auf\ndie Benutzung der Yacht hatte verzichten mussen, durch einen Fremdunternehmer\nhatten beseitigt werden konnen. Wer selbst geringfugige und leicht zu\nbeseitigende Mangel, die den Gebrauch der Sache nur unwesentlich\nbeeintrachtigen, zum Anlaß nimmt, den Kaufgegenstand "umzutauschen" oder Zug-\num-Zug gegen Ruckzahlung des Kaufpreises zuruckzugeben, muß sich jeglichen\nWeitergebrauchs des Gegenstands, der notwendigerweise eine uber den durch\nAlterung verursachten normalen Wertverlust hinausgehende Abnutzung zur Folge\nhat, enthalten, will er sich nicht in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten\nsetzen. Eine Ausnahme von dieser Regel ist jedenfalls nicht schon deshalb\ngerechtfertigt, weil der Klager anderenfalls Freizeitfreuden entbehren muß.\n\n77\n\nHiernach hat der Klager durch die Weiterbenutzung des Boots sowohl seinen\nAnspruch auf Ersatzlieferung als auch sein hilfsweise geltend gemachtes Recht\nauf Wandlung des Vertrags verloren.\n\n78\n\nb) Der Anspruch auf Ersatzlieferung scheitert daruber hinaus auch daran, daß\nes der Beklagten nach Treu und Glauben nicht zumutbar ist, ein Ersatzboot des\ndem Klager verkauften Typs jetzt noch herzustellen, nachdem sie - wie der\nZeuge xxx bei seiner Vernehmung vor dem Senat glaubhaft bekundet hat - die\nProduktion dieses Bootstyps zum Sommer 1985 eingestellt und die zum Bau\nnotwendigen Formen im vergangenen Jahr vernichtet hat. Es sind zwar Falle\ndenkbar, in denen es der Beklagten verwehrt ware, sich gegenuber dem\nErsatzlieferungsverlangen eines Kunden auf die Vernichtung der zur Herstellung\ndes Ersatzboots notwendigen Formen zu berufen, wenn sie vernichtet worden\nsind, wahrend ein Rechtsstreit uber den Ersatzlieferungsanspruch anhangig ist.\nAngesichts der Geringfugigkeit der vom Sachverstandigen festgestellten Mangel\nist es der Beklagten unter den gegebenen Umstanden aber nicht zuzumuten, mit\nhohem Kostenaufwand zunachst die zum Bau eines Ersatzschiffs notwendigen\nFormen und anschließend ein Boot jenes - seit 2 Jahren ausgelaufenen -\nProgramms in Einzelarbeit herzustellen.\n\n79\n\n6\\. Unberuhrt von alledem bleibt jedoch das Recht des Klagers auf Minderung\ndes Kaufpreises (vgl. Staudinger-Honsell BGB 12. Aufl., § 467 Randnummer 12).\nInsoweit hat sein Hilfsantrag teilweise Erfolg.\n\n80\n\nDa keine Anhaltspunkte fur einen die zur Wiederherstellung eines einwandfreien\nZustands notwendigen Reparaturkosten ubersteigenden Minderwert gegeben sind,\nist auf der Grundlage der Gutachten xxx von einem Minderungsbetrag von\ninsgesamt 4.604,-- DM auszugehen. Hierbei hat der Senat berucksichtigt, daß\ndie Lohnkosten seit Erstattung der schriftlichen Gutachten - wie der\nSachverstandige bei seiner Anhorung vor dem Senat angegeben hat - um etwa 20%\ngestiegen sind und, da die Mangelbeseitigungskosten uberwiegend Lohnkosten\nbeinhalten, ohne daß der Sachverstandige Lohn- und Materialkosten in seinen\nGutachten scharf getrennt hat, - zugunsten des Klagers - den vom\nSachverstandigen ermittelten Gesamtbetrag von 3.000,-- DM um 20% erhoht und\n14% Mehrwertsteuer hinzugerechnet. Um alle Unwagsamkeiten zu berucksichtigen,\nhat der Senat ferner zum Ausgleich eines eventuell verbleibenden merkantilen\nMinderwerts bei der Großenordnung der Reparaturkosten zugunsten des Klagers\nnoch weitere 500,-- DM hinzugesetzt. Dafur, daß bei einwandfreier Reparatur\nein technischer Minderwert verbleibt, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich.\nDer dem Klager zustehende Minderungsbetrag belauft sich daher auf insgesamt\n4.604,-- DM.\n\n81\n\nEntsprechend ist das angefochtene Urteil abzuandern.\n\n82\n\nDie Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 97, 92, 708 Ziffer 10, 711, 546\nAbs. 2 ZPO.\n\n
315,518
olgham-1986-11-07-20-u-37485
821
Oberlandesgericht Hamm
olgham
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
20 U 374/85
1986-11-07
2019-03-13 14:57:57
2019-03-27 09:42:55
Urteil
ECLI:DE:OLGHAM:1986:1107.20U374.85.00
## Tenor\n\nDie Berufung des Klagers gegen das am 9. September 1985 verkundete Urteil der\n5. Ferienzivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zuruckgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten der Berufung.\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDem Klager bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 8.500,- DM abzuwenden, falls nicht die\nBeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\n \n1\n\n**Tatbestand**\n\n2\n\nDer Klager hat bei der Beklagten eine Unfallversicherung abgeschlossen. Die\nVersicherungssumme betrug zuletzt 250.000,- DM. Am 24.06.1982 fuhrte der\nKlager seinen Lkw beim ... vor. Da die Feststellbremse dieses Lkws keine\nhinreichende Wirkung zeigte, wollte der Klager sie noch einmal kraftig\nanziehen. Bei dieser Tatigkeit verspurte er plotzlich bei dem dritten Anziehen\ndieser Feststellbremse, die als Ratschenbremse konstruiert ist, einen starken\nSchmerz im Kreuz. Spater wurde ein Kompressionsbruch des zweiten\nLendenwirbelkorpers festgestellt.\n\n3\n\nDer Klager nimmt nun die Beklagte aus der abgeschlossenen Unfallversicherung\nin Anspruch. In erster Instanz hat er behauptet, eine Minderung der\nErwerbsfahigkeit von mindestens 50 % erlitten zu haben.\n\n4\n\nEr hat den Antrag gestellt,\n\n5\n\ndie Beklagte zu verurteilen, an ihn 125.000,- DM nebst 14 % Zinsen seit dem 8.\nMai 1985 zu zahlen.\n\n6\n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n7\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n8\n\nSie ist der Auffassung, es liege kein Unfall im Sinne von §2 I AUB vor. Auch\ndie Voraussetzungen des §2 II a AUB seien nicht gegeben.\n\n9\n\nDas Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die naheren Ausfuhrungen des\nUrteils wird verwiesen.\n\n10\n\nGegen dieses Urteil wendet sich die form- und fristgerecht eingelegte und\nbegrundete Berufung. In der Berufungsinstanz wiederholen und vertiefen beide\nParteien ihre bisherigen Argumente. Der Klager hat vor der mundlichen\nVerhandlung seine Klage ermaßigt und beantragt nunmehr, das angefochtene\nUrteil abzuandern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 50.000,- DM nebst 4\n% Zinsen seit dem 8. Mai 1985 zu zahlen.\n\n11\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n12\n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n13\n\nWegen des weiteren Parteivortrags wird auf den vorgetragenen Inhalt der\ngewechselten Schriftsatze verwiesen.\n\n14\n\nDer Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen\nSachverstandigengutachtens des Sachverstandigen ... vom 14. Januar 1986. In\nder Senatssitzung hat der Sachverstandige sein Gutachten mundlich erlautert\nund erganzt. Zusatzlich ist der Zeuge ... zum Hergang des Vorfalls am\n24.06.1982 gehort worden.\n\n15\n\nDer Zeuge ... hat bekundet:\n\n16\n\nIch kann mich an den Vorfall erinnern. Ich weiß, daß der Klager mit einem Lkw\nkam und ihn mir zur Inspektion vorfuhrte. Die Feststellbremse zeigte nicht\ngenug Wirkung. Ich hatte sie selbst vorher angezogen, sagte dem Klager aber\nnoch, er sollte es vielleicht einmal selbst versuchen. Der Klager stieg dann\nein und versuchte, die Feststellbremse weiter anzuziehen. Ich horte dann nur\nnoch ein Stohnen. Der Klager sagte: "Jetzt ist irgendetwas im Kreuz kaputt".\nUnd ich kann mich auch noch erinnern, daß es ihm sehr schwerfiel, wieder aus\ndem Lkw auszusteigen.\n\n17\n\nDas Anziehen einer Feststellbremse kann "unheimlich viel Kraft brauchen". Die\nBremse ist bei dem hier fraglichen Lkw als Ratschenbremse ausgebildet. Sie\nkann dann jeweils bis zum Anschlag durchgezogen werden. Wenn keine weitere\nWirkung mehr zu erreichen ist, steht die Bremse fest und kann nicht mehr\nbewegt werden.\n\n18\n\nDer Sachverstandige ... hat ausgefuhrt:\n\n19\n\nAus medizinischer Sicht ist davon auszugehen, daß die Wirbelsaule eines\nFunfzigjahrigen mit Sicherheit irgendwie vorgeschadigt ist. Meines Erachtens\nist unter dem Ausdruck "Zerreißung" ein Kompressionsbruch nicht zu verstehen.\nAus medizinischer Sicht mag das der Fall sein, wenn Knochenteile (zum Beispiel\nder Dornfortsatz) eines Wirbelkorpers abgerissen werden. Bei einem\nKompressionsbruch ist aber nichts zerrissen, auch nicht die anliegenden Bander\n(außeres oder inneres Langsband). Nach medizinischer Auffassung ist ein Bruch\nkeine Zerreißung.\n\n20\n\nAllgemein ist zu sagen, daß Kompressionsbruche (insbesondere bei Frauen) nicht\nselten sind. Es kommt durchaus vor, daß spontan Einbruche eines oder mehrerer\nWirbelkorpern festzustellen sind. Ein Kompressionsbruch ist damit kein\nbesonders seltener und auffallender Vorgang.\n\n21\n\n**Entscheidungsgr unde**\n\n22\n\nDie Berufung hat keinen Erfolg. Der Klager hat den Eintritt eines\nVersicherungsfalles nicht bewiesen.\n\n23\n\n**1.**\n\n24\n\nEr hat bei dem fraglichen Vorfall keinen Unfall im Sinne des §2 I AUB\nerlitten. Es fehlt an einem "von außen auf seinen Korper wirkenden Ereignis".\nDas Anziehen einer schon festgezogenen Bremse ist physiologisch nicht anders\nanzusehen als der Versuch, eine uberschwere Last zu heben. Verletzungen, die\ndabei erlitten werben, sind korperinterne. Vorgange, bei denen nicht deshalb,\nweil der Gegenstand der Kraftanstrengung ein beliebiger außerer Gegenstand\nist, dieser Vorgang als außeres Ereignis zu werten ist (Prolss-Martin, §182\nAnm. 3 a). Es bleibt ein innerer Vorgang, solange der Gegenstand einfaches\nObjekt der Bemuhungen bleibt. Daß dies dann anders ist, wenn der Gegenstand\nbeim Heben umsturzt oder wenn der Versicherungsnehmer dabei zu Fall kommt,\nliegt auf der Hand. Anders konnte es auch dann sein, wenn der Gegenstand dem\nVersicherungsnehmer abrutscht und er sich beim Festhalten oder Abfangen des\nObjektes verletzt (LG Bielefeld, VersR 59, 605). In diesen Fallen ist der\nGegenstand wegen der beginnenden oder drohenden Eigenbewegung nicht mehr\nbloßes Einwirkungsobjekt. Bei dem Festziehen einer Bremse liegt jedoch kein\ndiesen Sonderfallen vergleichbarer Sachverhalt vor.\n\n25\n\n**2.**\n\n26\n\nEs besteht auch kein Anspruch nach §2 II a AUB. Dabei kann davon ausgegangen\nwerden, daß der Klager die Verletzung durch eine Kraftanstrengung beim\nAnziehen der Bremse erlitten hat. Der Kompressionsbruch ist aber eine keine\n"Verrenkung, Zerrung oder Zerreißung an der Wirbelsaule". Die Begriffe\n"Verrenkung" und "Zerrung" scheiden von vornherein aus. Verrenkungen sind nach\nallgemeinem medizinischem Wortgebrauch die Entfernung von Gelenkflachen\nvoneinander (Bruck/Moller/Wagner, Versicherungsvertragsgesetz, VI 1\n"Unfallversicherung", 8. Aufl., Anm. G 105). Zerrungen sind revisible\nVorgange, die nicht zu einer Zerreißung gefuhrt haben. Der Kompressionsbruch\nwar aber auch keine Zerreißung der Wirbelsaule oder an der Wirbelsaule. Nach\nallgemeinem Sprachgebrauch sind Zerreißungen das Ergebnis zweier\nauseinanderstrebender Krafte. Hier handelt es sich nach allgemeinem\nSprachgebrauch um eine Stauchung, bei der der Knochen zerbrochen und nicht\nzerrissen ist. Diesem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht nach der\nAusfuhrung des Sachverstandigen ... auch die medizinische Sicht, die in einem\nKompressionsbruch keine Zerreißung sieht (so auch: LG Munchen, VersR 73, 1060;\nOLG Oldenburg, VersR 85, 35/36). Eine Zerreißung der Wirbelkorper durch eigene\nKraftanstrengung liegt allenfalls beim Abriß eines Teils des Wirbelknochens\nvor (Wagner G 115).\n\n27\n\nNach Auffassung des Senates besteht angesichts des eindeutigen Wortlautes der\nBestimmung auch kein Ansatzpunkt fur eine extensive Auslegung. Hinzu kommt\nnoch, daß eine solche ausdehnende Anwendung auch deshalb bedenklich ware, weil\n§2 II a AUB schon selbst eine Erweiterung des Versicherungsschutzes uber die\nFolgen eines Unfalls hinaus ist (OLG Oldenburg a.a.O.). Außerdem handelt es\nsich bei dieser Art von Verletzungen der Wirbelsaule nach den Ausfuhrungen des\nSachverstandigen ... nicht um hochst seltene und kaum zu erwartende\nEreignisse. Deshalb kann auch nicht angenommen werden, daß sie als Folgen\neiner Kraftanstrengung bei der Abfassung der AUB nicht bedacht worden sind.\nWie insbesondere aus den Aufuhrungen von Wagner (Anm. G 108 ff.) folgt,\nsollten diese Folgen vielmehr bewußt von dem Versicherungsschutz nicht erfaßt\nwerden.\n\n28\n\nDanach war die Klage abzuweisen.\n\n29\n\n**3.**\n\n30\n\nDie Entscheidung uber die Kosten und die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht\nauf §§97, 708 Ziff. 10, 711 ZPO.\n\n31\n\nDer Wert der Beschwer betragt 50.000,- DM.\n\n
315,674
olgk-1984-08-17-4-uf-6484
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
4 UF 64/84
1984-08-17
2019-03-13 15:10:47
2019-03-27 09:42:30
Urteil
ECLI:DE:OLGK:1984:0817.4UF64.84.00
## Tenor\n\n1)\n\nAuf die Berufung des Klagers wird das Urteil des Amtsgerichts -\nFamiliengericht - Rheinbach vom 31.1.1984 (6 F 304/83) abgeandert und wie\nfolgt neu gefaßt:\n\nDie Zwangsvollstreckung aus dem am 2.5.1977 vor dem Amtsgericht Rheinbach (3 C\n348/76) geschlossenen Vergleich wird fur unzulassig er-klart. Die Beklagte hat\ndie vollstreckbare Ausfertigung dieses Vergleichs an den Klager herauszugeben.\n\n2)\n\nDie Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.\n\n3)\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n \n1\n\n** _T a t b e s t a n d :_**\n\n2\n\nDer 70-jahrige Klager und die 62-jahrige Beklagte leben seit Juli 1983\nvoneinander getrennt, seit Dezember 1983 ist ein Scheidungsverfahren anhangig.\n\n3\n\nSchon fruher war es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten gekommen, die zum\nVerfahren 3 C 348/76 vor dem Amtsgericht Rheinbach fuhrten, wobei beide\nParteien anwaltlich vertreten waren. Dieser Rechtsstreit wurde am 2.5.1977\ndurch folgenden Vergleich beendet:\n\n4\n\n"1. Der Beklagte zahlt ab 1.3.1977 an die Klagerin einen Haushaltsvorschuß in\nHohe von 650,-- DM; davon zahlt die Klagerin bis zum funften Werktag eines\nMonats 550,-- DM in bar, daneben stellt der Beklagte der Klagerin Naturalien\n(Gemuse, Getranke, Obst, Fleisch oder ahnliches) im Wert von 100,-- DM zur\nVerfugung.\n\n5\n\n2\\. ..."\n\n6\n\nNach der Trennung der Parteien hat die Beklagte am 23.9.1983 die\nZwangsvollstreckung aus dem Vergleich in Hohe von 11.000,-- DM betrieben.\nSchon im Juli 1983 hatte sie den Beklagten durch anwaltliches Schreiben\nauffordern lassen, einen Unterhaltsruckstand von 10.750,-- DM an sie zu\nzahlen, da von Dezember 1979 bis einschließlich Juni 1983 monatlich 250,-- DM\nzu wenig Unterhalt bezahlt worden seien (43 x 250,-- = 10.750,-- DM).\n\n7\n\nMit der Vollstreckungsgegenklage hat der Klager vorgetragen, er habe seine\nVerpflichtungen aus dem Vergleich voll erfullt. Soweit in einzelnen Monaten\nausnahmsweise geringe Betrage gezahlt worden seien, sei dies einverstandlich\ngeschehen, weil die gezahlten Betrage genugt hatten. Hinsichtlich der\nNaturalien fehle es an einem vollstreckbaren Titel.\n\n8\n\nDer Klager hat beantragt,\n\n9\n\ndie Zwangsvollstreckung aus dem am 2.5.1977 vor dem Amtsgericht Rheinbach - 3\nC 348/76 - geschlossenen Vergleich fur unzulassig zu erklaren und\n\n10\n\nder Beklagten aufzugeben, die vollstreckbare Ausfertigung an ihn\nherauszugeben.\n\n11\n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n12\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n13\n\nSie hat behauptet, es seien regelmaßig nur 400,-- DM monatlich gezahlt worden.\nNaturalien habe sie nicht erhalten. Die Reduzierung habe der Klager\neigenmachtig vorgenommen, sie habe sich damit nie einverstanden erklart und\ndie Minderleistung gerugt.\n\n14\n\nDas Amtsgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil abgewiesen.\n\n15\n\nEs hat den Vergleich als Titel uber 650,-- DM Barunterhalt mit\nErsetzungsbefugnis angesehen. Dem Erfullungseinwand des Beklagten ist es nicht\ngefolgt, da er weder eine weitergehende Erfullung noch eine stillschweigende\nHerabsetzung des zu zahlenden Unterhalts bewiesen habe. Es hat es als\nunerheblich angesehen, daß es sich um Vorschusse zur Versorgung beider\nParteien handelte. Da der Klager keine Einschrankungen in seiner Versorgung\nbehauptet habe, sei davon auszugehen, daß die Einschrankungen durch\nTeilerfullung voll die Beklagte habe hinnehmen mussen, so daß sie auch\nnachtraglich den nicht gezahlten Rest verlangen konne.\n\n16\n\nMit der Regelung des Klagers gegen diese Entscheidung macht dieser geltend,\ndaß einer Nachforderung der Beklagten schon der Charakter der geschuldeten\nLeistung als Vorschußanspruch entgegenstehe. Das Familiengericht habe die\nBeweislast verkannt.\n\n17\n\nDer Klager beantragt,\n\n18\n\nunter Abanderung des angefochtenen Urteils nach seinen erstinstanzlichen\nAntrage zu erkennen.\n\n19\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n20\n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n21\n\nSie verteidigt insbesondere die vom Familiengericht angenommene\nBeweislastverteilung. Die Beklagte habe die Minderzahlung des Haushaltsgeldes\nhingenommen, weil der Klager sie psychisch und physisch massiv eingeschuchtert\nhabe. Sie habe die nicht gezahlten Betrage regelmaßig angemahnt. An einem Tag\nim Sommer 1982 sei auch ihre Schwester dabeigewesen (Zeugnis: G. P.).\n\n22\n\nIn der mundlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte mitgeteilt, daß\nihr außer dem vom Klager gezahlten Unterhaltsbetrag eigene Einkunfte von\n3000,-- bis 4000,-- DM; jahrlich zuflossen (Gewinnanteile aus dem vom Sohn\nubernommenen Gartenbaubetrieb). Das Haus, in dem die Parteien zusammen lebten,\nstand im Eigentum der Beklagten, die es jedoch unter Einraumung eines\nunentgeltlichen Nießbrauchs auf den gemeinsamen Sohn ubertragen hat.\n\n23\n\nDer Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Klagers als Partei.\n\n24\n\nWegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den\ngesamten vorgetragenen Akteninhalt erganzend Bezug genommen.\n\n25\n\n** _E n t s c h e i d u n g s g r u n d e :_**\n\n26\n\nDie zulassige Berufung ist begrundet.\n\n27\n\nDer Senat ist als Familiensenat zustandig (§ 119 I Ziff. 1 GVG), auch wenn es\nsich um eine Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) gegen einen seinerzeit noch\nvor der allgemeinen Zivilabteilung des Amtsgerichts geschlossenen Vergleich\nhandelt, denn der Streit "betrifft" einen ehelichen Unterhaltsanspruch, so daß\ndie Familiengerichte ausschließlich zustandig sind (§§ 23 Beklagte Abs. 1 Nr.\n6 GVG, 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO; vgl. BGH NJW 1978, 1811 ff.).\n\n28\n\nDas Familiengericht hat die Vollstreckungsgegenklage mit Recht als in vollem\nUmfang zulassig angesehen, denn es liegt in Hohe eines Montagsbetrages von\n650,-- DM ein vollstreckbarer Titel vor. Der Wortlaut des Vergleiches ergibt,\ndaß der Gesamtbetrag von 650,-- DM, der in erster Linie genannt wird,\ngeschuldet war und tituliert werden sollte und dem Klager - von Beruf Gartner\n- lediglich die Befugnis eingeraumt werden sollte, einen Teilbetrag in\nNaturalien zu leisten (Ersetzungsbefugnis).\n\n29\n\nEntgegen der Auffassung des Familiengerichts ist die Vollstreckungsgegenklage\naber auch begrundet, denn der Klager beruft sich zu Recht darauf, daß die\ngeschuldeten Leistungen durch Erfullung erloschen sind.\n\n30\n\nNach den ubereinstimmenden Angaben beider Parteien ist durch den Vergleich\nnicht das "Wirtschaftsgeld" im umfassenden Sinn des § 1360 a Abs. 1, Abs. 2\nBGB geregelt worden, sondern lediglich das "Haushaltsgeld" als Teilbereich\ndieses Unterhaltsanspruchs (vgl. Goppinger-Haberle, 4. Aufl., Rn. 455), der\nsich mit Recht gegen die Gleichsetzung der Begriffe Wirtschaftsgeld und\nHaushaltsgeld wendet. Der Betrag sollte lediglich dazu dienen, die Ausgaben\nfur Essen, Trinken, Waschen und kleinere laufende Ausgaben zu decken. Nicht\ndarin enthalten waren Betrage fur Kleidung und großere Ausgaben und nach den\nUmstanden auch nicht das Taschengeld des haushaltsfuhrenden Ehepartners. Die\nAngabe der Beklagten, sie habe sich vorgestellt, sich davon auch einmal ein\nStuck Kuchen kaufen zu konnen, steht dem nicht entgegen, denn solche Ausgaben\nfallen nicht in den Bereich des Taschengeldes, sondern noch in den Bereich der\nNahrungskosten. Dieses Verstandnis des Vergleichs entspricht auch den\nobjektiven Gegebenheiten, denn die Beklagte hatte laufende Eigeneinkunfte von\nmindestens 300 - 400 DM monatlich, aus denen sie ihre personlichen Bedurfnisse\ndecken konnte.\n\n31\n\nDie Vollstreckung aus dem Titel auf Haushaltsgeldvorschuß ist allerdings nicht\nschon deshalb ausgeschlossen, weil es sich um einen Vorschußanspruch handelt,\ndessen Erfullung durch Zeitablauf nachtraglich unmoglich geworden ist (§ 275\nAbs. 1 BGB). Die Eigenart eines Unterhaltsanspruchs, zur Befriedigung\nlaufender Bedurfnisse zu dienen, hindert nicht seine nachtragliche\nGeltendmachung, wie schon §§ 1613 Abs. 1, 1585 Abs. 2 und 3 BGB zeigen. Erst\nrecht gilt die nachtragliche Erfullbarkeit fur den titulierten Anspruch, da\ndie Titulierung gerade eine Vollstreckungsmoglichkeit unabhangig von der\nfreiwilligen Erfullung schafft.\n\n32\n\nDer Umstand, daß die Beklagte fur einen zuruckliegenden Zeitraum keine\nLeistungen mehr erbringen kann, steht daher der Durchsetzung des Anspruchs\nnicht entgegen; die Frage ist allenfalls, ob die Beklagte die Erfullung noch\nin vollem Umfang verlangen kann, wenn die Leistungen - die ja das Taschengeld\nnicht umfaßten - zu gleichen Teilen fur Glaubiger und Schuldner zu verwenden\nwaren.\n\n33\n\nDiese Frage kann jedoch offenbleiben, da die Beklagte die erbrachten\nLeistungen als Erfullung angenommen hat und ihrerseits nicht bewiesen hat, daß\ndie Leistung nicht die geschuldete oder unvollstandig gewesen sei (§ 363 BGB).\n\n34\n\nDie Vermutung des § 363 BGB greift allerdings nur ein, wenn der an sich fur\ndie Erfullung beweispflichtige Schuldner die Umstande dargelegt und bewiesen\nhat, aus denen sich der Schluß ergibt, daß der Glaubiger die Leistung als im\nwesentlichen vertragsgemaße Erfullung hinnehmen wollte (vgl. schon RGZ 109,\n295 f.; Baumgartel/Strieder, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. I, §\n363, Anm. 3; Rosenberg, Beweislast, 5. Aufl., S. 349).\n\n35\n\nDer Klager hat hier dargelegt und bewiesen, daß die den Haushalt fuhrende\nBeklagte jahrelang die Haushaltskosten mit den gezahlten Betragen bestritten\nhat. Ungeachtet der Tatsache, daß die Leistungen des Klagers zur laufenden\nDeckung von Kosten erforderlich waren (insoweit spielt der Vorschußcharakter\nder Leistungen eine Rolle) und sie aufgrund der von ihr herbeigefuhrten\nTitulierung der Anspruche die laufend erforderlichen Mittel hatte vollstrecken\nkonnen, hat sie sich mit den tatsachlich gestellten Betragen zur Finanzierung\ndes Haushalts zufriedengegeben. An einer Geltendmachung der Anspruche ist sie\nnicht durch Drohung des Klagers gehindert worden, denn die behaupteten\nDrohungen haben sie weder gehindert, die durchaus ungewohnliche Titulierung\ndes Haushaltsgeldes herbeizufuhren noch hatte spater ein Hindernis bestanden,\nsich bei auftretenden Schwierigkeiten nochmals an die Anwaltin zu wenden, die\nsie damals vertreten hat. Bei seiner Parteivernehmung hat der Klager auch\nglaubhaft Drohungen in Abrede gestellt.\n\n36\n\nDer Grund fur die Beweislastumkehr bei Annahme als Erfullung liegt darin, daß\ndem Schuldner der Nachweis vollstandiger und ordnungsgemaßer Erfullung nicht\nmehr zugemutet werden kann, wenn er den geleisteten Gegenstand nicht mehr in\nHanden hat, wahrend der Glaubiger noch im Besitz des Leistungsgegenstandes ist\n(Baumgartel/Strieder a.a.O. Anm. 2).\n\n37\n\nSo ist die Sachlage hier zwar nicht, weil auch die Beklagte nicht mehr im\nBesitz des Leistungsgegenstandes ist. Dennoch trifft der Sinn der gesetzlichen\nRegelung auch hier zu, denn bei laufender Leistung von\nHaushaltsgeldvorschussen wahrend des Zusammenlebens von Ehepartnern ist es\nnicht zu erwarten, daß der Unterhaltsschuldner sich Quittungen ausstellen\nlaßt, wahrend es umgekehrt vom Unterhaltsglaubiger der Vorschußanspruche\njedenfalls bei Titulierung zu erwarten ist, daß er sich alsbald meldet und die\nunzureichende Leistung geltend macht. Das gilt umsomehr als der\nhaushaltsfuhrende Ehegatte den Haushalt in eigener Verantwortung fuhrt (§ 1356\nAbs. 1 BGB) und so allein beurteilen kann, ob die zur Verfugung gestellten\nMittel ausreichen, den laufenden Bedarf zu decken. Ebenso hat er uber die\nVerwendung der Vorschusse in groben Zugen Rechnung zu legen und darf\neventuelle Überschusse jedenfalls nicht ohne weiteres fur sich behalten (vgl.\nGoppinger/Haberle, 4. Aufl., Rn. 459 ff.). Auch diese Umstande rechtfertigen\nes, der Beklagten die Beweislast fur den Empfang unvollstandiger Leistungen\naufzuerlegen, wenn restliche Vorschußanspruche erst erhebliche Zeit nach den\nZeitraumen, fur die sie bestimmt waren, geltend gemacht werden.\n\n38\n\nDiesen Beweis hat die Beklagte nicht erbracht.\n\n39\n\nDie Parteivernehmung des Klagers hat nicht ergeben, daß die zur\nHaushaltsfuhrung erforderlichen Vorschusse nicht ordnungsgemaß geleistet\nworden sind oder die Beklagte fehlende Betrage standig angemahnt hat. Das gibt\nauch insoweit als der Klager eingeraumt hat, nicht immer den vollen Barbetrag\ngeleistet zu haben. Zwar war die Hohe des Haushaltsgeldes durch den\ngerichtlichen Vergleich geregelt, das andert aber nichts daran, daß es sich um\nVorschußanspruche handelte und die Parteien den tatsachlich erforderlichen\nBetrag abweichend regeln konnten. In der langjahrigen Annahme eines\nTeilbetrages des an sich geschuldeten Betrages liegt daher nach der Natur\ndieses Anspruchs eine einverstandliche Abanderung der fur den jeweiligen Monat\nzu zahlenden Vorschusse.\n\n40\n\nDie von der Beklagten noch als Zeugin dafur, daß sie die Restbetrage abgemahnt\nhabe, benannte Schwester der Beklagten brauchte der Senat nicht zu horen.\n\n41\n\nIn der mundlichen Verhandlung hat die Beklagte vorgetragen, sie habe die\nunvollstandige Zahlung im Sommer 1982 in Gegenwart ihrer Schwester gerugt.\nDiese Behauptung zu diesem Einzelfall kann als richtig unterstellt werden,\ndenn die Klagerin hat sich letztlich doch mit dem gezahlten Betrag\nzufriedengegeben, so daß von einer nachtraglichen einverstandlichen Abanderung\nder Vorschußhohe auszugehen ist.\n\n42\n\nEntsprechend § 371 BGB hat der Klager auch einen Anspruch auf Herausgabe des\nvollstreckbaren Titels (OLG Dusseldorf MDR 1953, 557;M MK-Heinrichs, § 371 Rn.\n8). Da der Titel mit der Trennung der Parteien im Juli 1983 erloschen ist, ist\nder Herausgabeanspruch zur Vermeidung kunftiger mißbrauchlicher Verwendung\ngerechtfertigt.\n\n43\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.\n\n44\n\nDie Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10\nZPO.\n\n45\n\nDie Voraussetzungen fur die Revisionszulassung liegen nicht vor; die\nBeweislastverteilung bei der hier gegebenen Einzelfallgestaltung ist nicht von\ngrundsatzlicher Bedeutung im Sinne des § 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.\n\n
315,719
olgk-1983-11-18-3-ss-65883
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
3 Ss 658/83
1983-11-18
2019-03-13 15:12:16
2019-03-27 09:42:23
Beschluss
ECLI:DE:OLGK:1983:1118.3SS658.83.00
## Tenor\n\nDas angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.\nDie Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch uber die Kosten\nder Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Bonn zuruckverwiesen.\n\n \n1\n\n**Gr unde:**\n\n2\n\nDas Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlassiger Zuwiderhandlung gegen\ndie §§ 1, 4, 5, 16 StVO zu einem Bußgeld von 360,- DM verurteilt. Mit der\nRechtsbeschwerde rugt der Betroffene Verletzung formellen und materiellen\nRechts.\n\n3\n\nDer Betroffene rugt insbesondere, das Amtsgericht habe punktlich zur Termins\nstunde mit der Hauptverhandlung begonnen und den Betroffenen vernommen, ohne\nauf den Verteidiger zu warten; die Zeugen hatten nach der Belehrung alle den\nGerichtssaal verlassen, so daß der Zeuge B. bei der anschließenden\nGegenuberstellung den Betroffenen ohne weiteres als den beschuldigten Fahrer\nhabe identifizieren konnen.\n\n4\n\nDie Verfahrensruge greift durch.\n\n5\n\nUnerheblich ist, ob - wie der Betroffene vortragt und das Protokoll ausweist -\ntatsachlich alle Zeugen zunachst in den Sitzungssaal gerufen wurden und ihn\nnach Belehrung wieder verlassen haben oder ob - wie die Amtsrichterin in ihrer\ndienstlichen Äußerung darlegt - die Zeugen B. und K. nicht in den Sitzungssaal\ngebeten wurden und von den ubrigen Personen bis zur Gegenuberstellung niemand\nden Saal verlassen hat. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die\nSitzungsniederschrift insoweit gemaß § 274 StPO unwiderlegbare Beweiskraft\nhat. Das Verfahren des Amtsgerichts war schon deshalb fehlerhaft, weil es mit\nder Hauptverhandlung vor Eintreffen des Verteidigers begonnen hat.\n\n6\n\nEs ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß die prozessuale Fursorgepflicht es\ngebieten kann, bei einem Ausbleiben des Verteidigers auch in Bußgeldsachen -\nje nach Lage des Einzelfalls - 15 Minuten oder bei bekannten Erschwernissen\nauch langer auf das Erscheinen des Verteidigers zu warten (OLG Koln VRS 42,\n284; Bay ObLG VRS 60, 304; OLG Hamm VRS 55, 438 und 59, 449; OLG Koblenz VRS\n45, 455; Senatsentscheidung vom 17.8.1982 - 3 Ss 545/82). Unter den konkreten\nUmstanden des vorliegenden Falles hatte das Amtsgericht jedenfalls 15 Minuten\nabwarten mussen. Das Amtsgericht beabsichtigte eine Gegenuberstellung von 2\nBelastungszeugen mit mehreren Personen zur Identifizierung des Betroffenen.\nDie Durchfuhrung einer solchen Gegenuberstellung bedarf besonderer Sorgfalt,\num Fehlerquellen auszuschließen, da einmal unterlaufene Fehler, die dem Zeugen\neine Identifizierung erleichtert oder gar ermoglicht haben, nicht mehr\nruckgangig gemacht werden konnen; jede neue Gegenuberstellung wurde namlich\nallenfalls zu einem wiederholtem Wiedererkennen fuhren, dessen Beweiswert\nfragwurdig ist (vgl. BGH NJW 1961, 2070). Bei der Gegenuberstellung ist daher\nalles zu vermeiden, was dem Zeugen Anhaltspunkte dafur geben konnte, wer\nderjenige ist, der als Tater in Betracht kommt. Auch bei Aufruf der Sache ist\nschon entsprechende Vorsicht geboten. Angesichts dieser Schwierigkeiten ist\nstets bei Durchfuhrung einer Gegenuberstellung zur Identifizierung des\nBetroffenen in der Hauptverhandlung bei Nichterscheinen des Verteidigers\nzumindest die ubliche Wartezeit von 15 Minuten einzuhalten, um dem Verteidiger\nGelegenheit zu geben, nicht nur an der Durchfuhrung der Gegenuberstellung\nselbst teilzunehmen, sondern auch den vorausgehenden Teil der Verhandlung zu\nbeobachten und darauf zu achten, daß alles vermieden wird, was Einfluß auf den\nAusgang der Gegenuberstellung haben konnte.\n\n7\n\nWie dem Protokoll zu entnehmen ist, erschien der Verteidiger um 12.00 Uhr,\nalso 10 Minuten nach der punktlich zur Terminsstunde begonnenen\nHauptverhandlung. Es ist nicht auszuschließen, daß der Verteidiger bei\nAnwesenheit zu Beginn der Hauptverhandlung Einfluß auf die Verfahrensweise des\nAmtsgerichts hatte nehmen konnen.\n\n8\n\nFur die neue Hauptverhandlung wird auf folgendes hingewiesen:\n\n9\n\nSollte erneut eine Gegenuberstellung zur Identifizierung des Betroffenen\nvorgenommen werden und der Zeuge B. dabei den Betroffenen wieder als Fahrer\nbezeichnen, so wird zu beachten sein, daß der Beweiswert wiederholten\nWiedererkennens fragwurdig ist (vgl. BGH NJW 1961, 2070).\n\n10\n\nHinsichtlich des Vorwurfs, in zu geringem Abstand hinter dem Zeugen B.\nhergefahren zu sein, bedarf es der naheren Feststellung, in welchem Abstand\nder Betroffene hinter dem Zeugen B. hergefahren ist. Der Abstand muß in der\nRegel der in 1,5 Sekunden durchfahrenen Strecke entsprechen; ein gefahrdender\nAbstand (§ 1 Abs. 2 StVO) liegt vor, wenn er geringer ist als die in 0,8\nSekunden durchfahrene Strecke (standige Senatsrechtsprechung, vgl.\nSenatsentscheidung vom 03.08.1982 - 3 Ss 335/82; vgl. ferner OLG Koln, 1.\nStrafsenat, Beschluß vom 8.3.1983 1 Ss 126/83). Eine Verurteilung setzt\naußerdem die Feststellung voraus, daß der gebotene Sicherheitsabstand "nicht\nnur ganz vorubergehend" mißachtet worden ist (standige Senatsrechtsprechung;\nvgl. Senatsentscheidung VRS 60, 62 m.w.N. und Senatsentscheidung vom\n22.07.1983 - 3 Ss 471/83). Bei hoherer Geschwindigkeit muß der Abstand\njedenfalls auf einer Strecke von 250 bis 300 Metern unterschritten sein (vgl.\nSenatsentscheidung vom 06.09.1983 - 3 Ss 555/83).\n\n11\n\nNach § 16 Abs. 1 Nr. 1 StVO durfen beim Überholen außerhalb geschlossener\nOrtschaften Schall- und Leuchtzeichen gegeben werden., Nach § 5 Abs. 5 Satz 1\nStVO darf das Überholen allerdings nur durch kurze Schall- und Leuchtzeichen\nangekundigt werden. Ein Verstoß gegen § 5 Abs. 5 Satz 1 StVO ist aber nicht\nbußgeldbewahrt (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 StVO). Wer sich nicht auf notwendige\nWarnzeichen beschrankt, also zu oft oder zu lange hupt oder blinkt, kann nur\nnach § 1 Abs. 2 StVO belangt werden, wenn durch sein verkehrswidriges\nVerhalten andere gefahrdet oder belastigt werden (vgl. Senatsentscheidung vom\n20. Mai 1983 - 3 Ss 258/83; vgl. ferner Full-Mohl-Ruth, Straßenverkehrsrecht,\n§ 16 StVO Randnummer 13 und § 5 StVO Randnummer 39).\n\n12\n\nWerden im Bußgeldverfahren bei der Bemessung der Geldbuße zum Nachteil des\nBetroffenen Voreintragungen berucksichtigt, so muß der Tatrichter in seinem\nUrteil Zeit, Art und Umfang der Verfehlungen sowie Datum des ersten Urteils\nbzw. - bei Bußgeldverfahren - den Tag der Rechtskraft angeben, damit die\nVerwertbarkeit der Vorbelastungen (prognostischer Aussagewert? Tilgungsreife?)\nuberprufbar ist (standige Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsentscheidung vom\n20. Mai 1983 - 3 Ss 258/83). Daruberhinaus bedarf es bei Geldbußen uber 200,-\nDM naherer Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhaltnissen des\nBetroffenen (standige Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsentscheidung vom 20.\nMai 1983 - 3 Ss 258/83).\n\n
315,899
olgk-1981-01-13-4-uf-19480
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
4 UF 194/80
1981-01-13
2019-03-13 15:16:53
2019-03-27 09:41:56
Beschluss
ECLI:DE:OLGK:1981:0113.4UF194.80.00
## Tenor\n\nDie Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Fa-\nmiliengericht - Siegburg vom 22.8.1980 - 36 F 92/79 - wird auf Kosten der An-\ntragstellerin zuruckgewiesen.\n\nDie weitere Beschwerde wird zugelassen.\n\n \n1\n\n _G r u n d e :_\n\n2\n\nDurch Beschluß vom 22.8.1980 hat das Familiengericht den Versorgungsausgleich\nzwischen den Parteien durchgefuhrt. Dabei ist zunachst ein Ausgleich gemaß §\n1587 b Abs. 1 BGB durchgefuhrt worden, der von den Beteiligten nicht\nangegriffen wird. Außerdem aber hat das Familiengericht den Antragsgegner\nverurteilt gemaß § 1587 b Abs. 3 BGB zur Begrundung von Anwartschaften in Hohe\nvon monatlich 9,82 DM einen Betrag von 1.761,36 DM auf das Versicherungskonto\nder Antragstellerin zu zahlen. Dabei ist es\n\n3\n\ndavon ausgegangen, daß von den durch den Antragsgegner bei der S.\nZusatzversorgungskasse erworbenen Anwartschaften nur die der Hohe nach bereits\nunverfallbar gewordene wahrend der Ehezeit erworbene Versicherungsrente von\n155,-- DM, die nicht dynamisch ist, in den Versorgungsausgleich einbezogen\nwerden kann.\n\n4\n\nGegen diesen am 29.9.1980 zugestellten Beschluß hat die Antragstellerin am\n8.10.1980 befristete Beschwerde eingelegt, die sie am 5.11.1980 begrundet hat.\nSie ist der Ansicht, die von dem Antragsgegner wahrend der Ehezeit erworbenen\nAnwartschaften\n\n5\n\nauf eine Versorgungsrente in Hohe von 196,30 DM, die dynamisch ist und sich\netwa wie eine Beamtenpension erhoht, sei in den offentlich rechtlichen\nVersorgungsausgleich einzubeziehen, weil sie insgesamt unverfallbar sei. Der\nAntragsgegner habe daher Zahlungen zur Begrundung von Anwartschaften in Hohe\nvon insgesamt 98,15 DM monatlich, bezogen auf den 28. 2.1979, auf das\nVersicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt fur\nAngestellte in C. Berlin, Konto Nr. XX XXXXXX H XXX zu zahlen.\n\n6\n\nDer Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zuruckzuweisen. Er ist der\nAnsicht, daß das Familiengericht zu Recht nur die Versicherungsrente\nzugrundegelegt habe. Beide Parteien bitten, die weitere Beschwerde zuzulassen.\n\n7\n\nWegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt\nverwiesen.\n\n8\n\nDie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemaß §§ 621 e, 516, 519\nZPO zulassig. In der Sache kann sie jedoch keinen Erfolg haben.\n\n9\n\nDa der Antragsgegner sich der Beschwerde der Antragstellerin nicht\nangeschlossen und auch kein eigenes Rechtsmittel eingelegt hat, ist die\nEntscheidung des Familiengerichts, soweit der Antragsgegner zur Zahlung von\n1.761,36 DM zur Begrundung von Anwartschaften zugunsten der Antragstellerin\nverurteilt worden ist, nicht zur Überprufung durch den Senat gestellt worden.\nZu der Frage, ob die Regelung des § 1587 b Abs. 3 BGB mit der Verfassung in\nEinklang steht, braucht der Senat in dem vorliegenden Fall deshalb nicht\nStellung zu nehmen, weil die jetzige Entscheidung nicht zu einer weiteren\nVerurteilung des Antragsgegners fuhrt.\n\n10\n\nNach Auffassung des Senats ist die angefochtene Entscheidung des\nFamiliengerichts richtig. Das Familiengericht hat zu Recht bei der\nDurchfuhrung des Versorgungsausgleichs nach § 1587 b Abs. 3 BGB die\nAnwartschaften des Antragsgegners bei der S.\n\n11\n\nVersorgungskasse nur in Hohe der unverfallbaren nicht dynamischen\nVersicherungsrente, namlich mit 155,-- DM herangezogen. Die dynamischen\nVersorgungsanwartschaften in Hohe von 196,30 DM konnen nicht in den offentlich\nrechtlichen Versorgungsausgleich\n\n12\n\neinbezogen werden, sondern sind dem schuldrechtlichen Ausgleich vorbehalten.\n\n13\n\nNach der Auskunft der Rheinischen Zusatzversorgungskasse vom 20. 6**.** 1980\nhat der Antragsgegner wahrend der Ehezeit vom 1.5.1963 bis zum 28.2.1979\nAnwartschaft auf eine Versorgungsrente in Hohe von 196,30 DM erworben. Der\nWert dieser Anwartschaft\n\n14\n\nsteigt in nahezu gleicher Weise wie der Wert der in § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 und\n2 BGB genannten Anwartschaften. Die Frage, ob diese Versorgungsrente, die nur\ngezahlt wird, wenn der Versicherte im Versicherungsfall noch im offentlichen\nDienst beschaftigt ist, als unverfallbar anzusehen und deshalb in den\noffentlich rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen ist oder nicht, ist\nin der Rechtsprechung umstritten. Wahrend das OLG Bamberg (FamRZ 80/161), das\nOLG Zweibrucken (FamRZ 80/804: und das OLG Munchen (FamRZ 80/598J die\nVersorgungsrente voll einbeziehen, sobald die satzungsmaßige Wartezeit erfullt\nist, sind andere Oberlandesgerichte der Auffassung, daß die Versorgungsrente\nerst mit Eintritt des Versicherungsfalles unverfallbar wird und deshalb vorher\nnicht berucksichtigt werden kann, (s. OLG Celle, FamRZ 80/164; OLG Hamm FamRZ\n80/1016; OLG Dusseldorf FamRZ 80/1018 und OLG Hamburg FamRZ 80/1133). Der\nSenat schließt sich der letztgenannten Meinung an, wie auch bereits\n\n15\n\nin dem Beschluß des Senats vom 9. 3. 1979 -4 UF 239/78- geschehen.\n\n16\n\nDas OLG Bamberg und die erstgenannte Meinung vertreten die Auffassung, die\nVersorgungsrente sei schon dann als unverfallbar anzusehen, wenn die\nsatzungsmaßig vorgesehene Wartezeit erfullt und damit die Anwartschaft\nerworben sei. Der Begriff der "Unverfallbarkeit" in § 1587 a 11 Nr. 3 BGB\nbeziehe sich nur auf die eigentliche betriebliche Altersversorgung und musse\nim Bereich der beamtenahnlichen Zusatzversorgung des offentlichen Dienstes\ngroßzugiger gehandhabt werden. Daß die Versorgungsrente dem Versicherten unter\nUmstanden gar nicht gezahlt werde, weil er vor Erreichen der Altersgrenze aus\ndem offentlichen Dienst ausgeschieden sei, sei unerheblich, zumal nach der\nRegelvorschrift des § 1587 a Abs. VII BGB die Nichterfullung zeitlicher\nVoraussetzungen\n\n17\n\nfur die Entstehung des Versorgungsausgleichsanspruchs außer Betracht zu\nbleiben habe. Diese Ansicht uberzeugt nicht.\n\n18\n\nIm Rahmen der Gesamt-Versorgungszusage erhalt die volldynamische\nVersorgungsrente nur der Versicherte, der die Wartezeit erfullt hat und bei\nEintritt des Versicherungsfalles noch im offentlichen Dienst tatig ist.\nScheidet er nach Erfullung der Wartezeit (hier 60 Monate) aber vor Eintritt\ndes Versicherungsfalles aus dem offentlichen Dienst aus, verbleibt ihm zwar\neine Versorgungsanwartschaft, aber nur die Anwartschaft auf die nicht\ndynamische Versichertenrente (§ 44 VBL-Satzung) oder bei Vorliegen der\nVoraussetzungen des § 1 BetrAVG ( 10 Jahre Betriebszugehorigkeit oder Alter\nvon mindestens 35 Jahren) die sogenannte qualifizierte Versichertenrente (§ 44\na VBL-Satzung). Diese beiden Renten knupfen, wie sich auch aus der Auskunft\nder Rheinischen Zusatzversorgungskasse ergibt, an die geleisteten Beitrage an\nund sind nicht dynamisch.\n\n19\n\nIn dem vorliegenden Fall hat der Antragsgegner die 10-jahrige Wartezeit\nerfullt und damit einen der Hohe nach unverfallbaren Anspruch auf eine nicht\ndynamische Versichertenrente in Hohe von 155,--**** DM wahrend, der Ehezeit\nerworben. Diesen Anspruch hat\n\n20\n\ndas Amtsgericht zu Recht in den Versorgungsausgleich einbezogen. Die\nVersorgungsrente kann nicht einbezogen werden, weil nicht sicher ist, ob der\nAntragsgegner diese Rente jemals beziehen wird da die Moglichkeit besteht, daß\nder Antragsgegner vorzeititg aus dem offentlichen Dienst ausscheidet. Mit dem\nBegriff "Unverfallbarkeit" in § 1587 a 11 Nr.3 S. 3 BGB soll gerade\ngewahrleistet werden, daß nur solche Versorgungsanwartschaften ausgeglichen\nwerden, die in der Zukunft nicht mehr beeintrachtigt werden konnen, dem\nArbeitnehmer also auch bei Wechsel des Arbeitsplatzes verbleiben. Die\nVersorgungsrente kann aber bei Ausscheiden aus dem offentlichen Dienst noch\nwegfallen und durch die in der Regel niedrigere und nicht dynamische\nVersichertenrente ersetzt werden. Wurde man dennoch (moglicherweise wegen der\nSeltenheit des Stellenwechsels im offentlichen Dienst) die Versorgungsrente\nvoll einbeziehen, wurde der Antragsgegner zu erheblichen Zahlungen\nverpflichtet werden mussen, obwohl er moglicherweise gar nicht in den Genuß\nseiner Anwartschaften\n\n21\n\nkame. Wenn aber der kunftige Bezug der Versorgungsrente nicht sicher\ngewahrleistet ist, kann sie nicht als unverfallbar angesehen werden und\ndeshalb nicht in den offentlich rechtlichen Versorgungsausgleich einbezogen\nwerden.\n\n22\n\nDie Beschwerde war daher zuruckzuweisen. Da die Rechtsfrage *jedoch\ngrundsatzliche Bedeutung hat und, soweit ersichtlich, eine Entscheidung des\nBundesgerichtshofes zu dieser Frage noch nicht vorliegt, war die weitere\nBeschwerde zuzulassen.\n\n23\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.\n\n24\n\nBeschwerdewert: 1. 095,96 DM\n\n
315,900
lg-wuppertal-1980-12-22-10-s-23981
818
Landgericht Wuppertal
lg-wuppertal
Wuppertal
Nordrhein-Westfalen
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
10 S 239/81
1980-12-22
2019-03-13 15:16:56
2019-03-27 09:41:55
Anerkenntnisurteil
ECLI:DE:LGW:1980:1222.10S239.81.00
## Tenor\n\nDie Beklagte wird verurteilt, an den Klager 600,-- DM nebst 10 % Zinsen von\n300,-- DM fur die Zeit vom 3. Oktober bis zum 4. November 1980 und aus 600,--\nDM fur die Zeit vom 5» November 1980 bis zum 30. April 1981 zu zahlen Zug um\nZug gegen die Übergabe einer schriftlichen Abrechnung der in der Zeit vom 1.\nMai bis zum 31- Oktober 1980 fur das Haus I-Straße in P angefallenen\nNebenkosten, aus der sich der Inhalt des Heizoltanks zum 1. Mai 1980 oder zum\n\n * 1\\. Oktober 1980 und der Tankinhalt zum 31. Oktober 1980 ergibt.\n\nIm ubrigen wird die Klage abgewiesen.\n\nDie weitergehende Berufung wird zuruckgewiesen.\n\nDie Kosten beider Rechtszuge werden gegeneinander aufgehoben.\n\n \n1\n\nTatbestand\n\n2\n\nDie Beklagte hatte in der Zeit vom 1.5« bis zum 31.10.1980 von dem Klager eine\nWohnung in dessen Hause I-Straße in P gemietet. Die Mietzinsraten fur\nSeptember und. Oktober in Hohe von insgesamt 600,-- DM zahlte sie nicht. Sie\nhat sich auf den Standpunkt gestellt, der Klager konne dieses Geld allenfalls\ndann beanspruchen, wenn er zuvor eine ordnungsgemaße Nebenkostenabrechnung\nerteilt habe.\n\n3\n\nDer Klager hat beantragt,\n\n4\n\ndie Beklagte zu verurteilen, an ihn 600,-- DM nebst 10 _%_ Zinsen fur die Zeit\nvom 3.10. bis zum 04.11.1980 aus 300,-- DM sowie fur die Zeit seit dem\n05.11.1980 aus 600,-- DM zu zahlen.\n\n5\n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n6\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n7\n\nDas Amtsgericht hat die Beklagte durch das Urteil vom 26.5.1981, auf dessen\nEntscheidungsgrunde Bezug genommen wird, antragsgemaß verurteilt.\n\n8\n\nHiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.\n\n9\n\nSie greift die Rechtsauffassung des Amtsgerichts an und tragt vor,\nmittlerweile habe der Klager - insoweit unstreitig - eine\nNebenkostenabrechnung erteilt, diese Abrechnung sei jedoch nicht ordnungs\ngemaß.\n\n10\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n11\n\nunter Abanderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.\n\n12\n\nDer Klager bittet darum,\n\n13\n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n14\n\nWegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf den\nvorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsatze und der uberreichten\nUnterlagen.\n\n15\n\nEntscheidungsgrunde\n\n16\n\nDie Berufung der Beklagten ist zulassig, fuhrt jedoch nur teilweise zum\nErfolg.\n\n17\n\nDaß dem Klager an sich ein Anspruch auf Zahlung der "beiden Mietzinsraten fur\nSeptember und Oktober 1980 in Hohe von insgesamt 600,-- DM gegen die Beklagte\nzusteht, ist zwischen den Parteien außer Streit.\n\n18\n\nDiesem Anspruch steht jedoch seit dem 1.5.1981 ein Zuruckbehaltungsrecht der\nBeklagten entgegen. Seit diesem Zeitpunkt hat die Beklagte namlich einen\nAnspruch gegenuber dem Klager auf Erteilung einer Nebenkostenabrechnung. Fur\nden Zeitraum vor dem 1.5.1981 bestand ein solcher Anspruch nicht. Denn der\nKlager konnte erst im April 1981 samtliche Nebenkosten ermitteln. Bis April\n1981 hat er namlich nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vortrag auf den\nGrundabgabenbe- scheid der Stadt P gewartet.\n\n19\n\nDer Klager hat den Anspruch der Beklagten auf Erteilung einer\nNebenkostenabrechnung noch nicht erfullt. Zwar hat er der Beklagten im Juni\n1981 eine Nebenkostenabrechnung ubersandt und die darin enthaltenen Angaben in\neinem weiteren Schreiben vom 1.9.1981 erlautert. Diese Nebenkostenabrechnung\nist aber in einem Punkt nicht ordnungsgemaß. Der Klager hat namlich den\nAnfangs- und Endbestand des Heizols lediglich fur die Stichtage 1.1. und\n31.12.1980 mitgeteilt; den auf die Beklagte entfallenden Anteil der Kosten fur\ndie Beschaffung des Heizols hat er dann dadurch errechnet, daß er die\nGesamtkosten auf die beiden Wohnungen des Hauses und auf den einen Monat der\nHeizperiode, der in die Mietzeit der Beklagten fiel, umgelegt hat. Dieses\nVerfahren erfullt nicht die Anforderungen, die an eine Nebenkostenabrechnung\nzu stellen sind.\n\n20\n\nDer Vermieter ist verpflichtet, die Nebenkosten zu ermitteln, die auf die\nWohnung und auf die Mietzeit des Mieters entfallen. Dies muß er in einer fur\nden Mieter nachvollziehbaren und nachprufbaren Weise tun. Zieht der Mieter\nwahrend des Abrechnungsjahres ein bzw. aus, muß sich demnach aus der\nNebenkostenabrechnung eindeutig ergeben, welcher Teil der Nebenkosten gerade\nauf den Teil des Abrechnungsjahres entfallen sind, in dem der Mieter die\nWohnung bewohnt hat. Dazu ist es bezuglich der Kosten fur die Beschaffung von\nHeizol erforderlich, den beim Einzug des Mieters oder bei dem spateren Beginn\nder Heizperiode vorhandenen Inhalt des Heizoltanks festzustellen, die wahrend\nder Mietzeit des Mieters gekauften Heizolmengen hinzuzuziehen und den\nTankinhalt zum Zeitpunkt des Auszugs des Mieters wieder abzuziehen, dies alles\nunter Angabe der entsprechenden Preise. Nur wenn diese Angaben in der\nNebenkostenabrechnung enthalten sind, kann der Mieter nachvollziehen, welche\nNebenkosten auf seine Mietzeit entfallen sind. Legt man dagegen wie es der\nKlager getan hat - den GesamtJahresverbrauch auf die einzelnen Monate der\nHeizperiode um, so besteht die Moglichkeit, daß der Mieter Heizol mitbezahlen\nmuß, das erst nach dem Ende seiner Mietzeit und zu hoheren Preisen eingekauft\nworden ist.\n\n21\n\nEine weitere Unrichtigkeit dieses Umlegungsmaßstabs ergibt sich daraus, daß\nwahrend der einzelnen Monate der Heizperiode nicht jeweils gleichviel Heizol\nverbraucht wird. So wird im Oktober regelmaßig mit geringerem Energieeinsatz\ngeheizt als etwa im Dezember oder Januar.\n\n22\n\nAbgesehen von dieser fehlenden Angabe des auf die Mietzeit der Beklagten\nbezogenen Anfangs- und Endbestands des Heizols ist die Nebenkostenabrechnung\ndes Klagers ordnungsgemaß, weil nachprufbar.\n\n23\n\nIn sachlicher Hinsicht wird der Klager allerdings bei der Erteilung der neuen\nNebenkostenabrechnung zu berucksichtigen haben, daß er den Anfangs- und\nEndbestand des Heizols nicht - wie geschehen - zu einem Durchschnittspreis\nbewerten darf. Er muß vielmehr die Preise zugrunde legen, die fur diejenigen\nLieferungen gezahlt worden sind, aus denen sich der Anfangs- und Endbestand\njeweils zusammensetzt.\n\n24\n\nIm ubrigen wird der Klager zu berucksichtigen haben, daß die Kosten fur\nImmissionsmessung, Heizungswartung und Kaminkehren nicht auf die gesamten\nzwolf Monate des Jahres, sondern nur auf die sieben Monate der Heizperiode\numgelegt werden durfen. Denn auch dabei handelt es sich um Heizkosten.\n\n25\n\nDas Zuruckbehaltungsrecht der Beklagten fuhrt gemaß §§ 273, 274 BGB nicht zur\nAbweisung der Klage, sondern zu einer Verurteilung der Beklagten Zug um Zug\ngegen Erfullung der Gegenleistung des Klagers.\n\n26\n\nDie zuerkannten Zinsen stehen dem Klager gemaß §§ 286 Abs. 1, 284 Abs. 2 BGB\nzu. Fur die Zeit seit dem 1.5.1981 kann er keine Zinsen verlangen, weil sein\nAnspruch ab diesem Zeitpunkt durch das Zuruckbehaltungsrecht der Beklagten\ngehemmt ist.\n\n27\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.\n\n28\n\nDer Wert des Beschwerdegegenstandes betragt 600,-- DM.\n\n
316,287
eugh-2014-12-04-c-41313
2
Europäischer Gerichtshof
eugh
Europäische Union
C-413/13
2014-12-04
2019-03-14 08:26:44
2019-03-14 08:26:44
Urteil
ECLI:EU:C:2014:2411
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)\n\n4. Dezember 2014 ( *1 )\n\n„Vorlage zur Vorabentscheidung -- Wettbewerb -- Art. 101 AEUV -- Sachlicher\nAnwendungsbereich -- Tarifvertrag -- Bestimmung, die Mindesttarife fur\nselbstandige Dienstleistungserbringer vorsieht -- Begriff ‚Unternehmen\' --\nBegriff ‚Arbeitnehmer\'"\n\nIn der Rechtssache C‑413/13\n\nbetreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom\nGerechtshof te \'s‑Gravenhage (Niederlande) mit Entscheidung vom 9. Juli 2013,\nbeim Gerichtshof eingegangen am 22. Juli 2013, in dem Verfahren\n\nFNV Kunsten Informatie en Media\n\ngegen\n\nStaat der Nederlanden\n\nerlasst\n\nDER GERICHTSHOF (Erste Kammer)\n\nunter Mitwirkung des Kammerprasidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der\nRichter A. Borg Barthet und E. Levits, der Richterin M. Berger und des\nRichters S. Rodin,\n\nGeneralanwalt: N. Wahl,\n\nKanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsratin,\n\naufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mundliche Verhandlung vom\n18. Juni 2014,\n\nunter Berucksichtigung der Erklarungen\n\n-- | der FNV Kunsten Informatie en Media, vertreten durch R. Duk, advocaat, \n---|--- \n-- | der niederlandischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und J.\nLanger als Bevollmachtigte, \n---|--- \n-- | der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vlačil und T.\nMuller als Bevollmachtigte, \n---|--- \n-- | der Europaischen Kommission, vertreten durch F. Ronkes Agerbeek und P.\nJ. O. Van Nuffel als Bevollmachtigte, \n---|--- \n \nnach Anhorung der Schlussantrage des Generalanwalts in der Sitzung vom 11.\nSeptember 2014\n\nfolgendes\n\nUrteil\n\n1 | Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Anwendungsbereichs von Art. 101 Abs. 1 AEUV. \n---|--- \n2 | Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Gewerkschaftsverband FNV Kunsten Informatie en Media (im Folgenden: FNV) und dem Staat der Nederlanden uber die Begrundetheit eines Reflexionspapiers, in dem sich die Nederlandse Mededingingsautoriteit (niederlandische Wettbewerbsbehorde, im Folgenden: NMa) auf den Standpunkt gestellt hat, dass eine tarifvertragliche Bestimmung, die Mindesttarife fur selbstandige Dienstleistungserbringer vorsehe, nicht vom Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen sei. \n---|--- \n \nRechtlicher Rahmen\n\n3 | Art. 1 des Tarifvertragsgesetzes (Wet op de collectieve arbeidsovereenkomst) bestimmt: „(1) Unter einem Tarifvertrag ist ein Vertrag zu verstehen, der zwischen einem oder mehreren Arbeitgebern oder einer oder mehreren voll rechtsfahigen Vereinigungen von Arbeitgebern und einer oder mehreren voll rechtsfahigen Vereinigungen von Arbeitnehmern geschlossen wird und hauptsachlich oder ausschließlich die Arbeitsbedingungen regelt, die im Rahmen der Arbeitsvertrage zu beachten sind. (2) Er kann auch Vertrage uber die Herstellung eines Werkes und uber die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Die Vorschriften des vorliegenden Gesetzes uber Arbeitsvertrage, Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten in diesem Fall entsprechend." \n---|--- \n4 | Art. 6 Abs. 1 des Wettbewerbsgesetzes (Mededingingswet, im Folgenden: Mw), der im Wesentlichen Art. 101 Abs. 1 AEUV entspricht, bestimmt: „Verboten sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlusse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschrankung oder Verfalschung des Wettbewerbs auf dem niederlandischen Markt oder einem Teil davon bezwecken oder bewirken." \n---|--- \n5 | Art. 16 Buchst. a Mw sieht vor: „Art. 6 Abs. 1 gilt nicht fur | a) | einen Tarifvertrag im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes …" \n---|--- \n \nAusgangsverfahren und Vorlagefragen\n\n6 | Nach den Angaben in den Akten konnen sich niederlandische selbstandige Dienstleistungserbringer in den Niederlanden jeder Gewerkschaft, Arbeitnehmer- oder Arbeitgebervereinigung anschließen. Daher konnen die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmervereinigungen nach dem Tarifvertragsgesetz einen Tarifvertrag nicht nur fur die Arbeitnehmer, sondern auch fur die ihnen angeschlossenen selbstandigen Dienstleistungserbringer schließen. \n---|--- \n7 | In den Jahren 2006 und 2007 schlossen die FNV und die Arbeitnehmervereinigung Nederlandse toonkunstenaarsbond (niederlandischer Tonkunstlerbund, im Folgenden: Ntb) mit der Arbeitgebervereinigung Vereniging van Stichtingen Remplaçanten Nederlandse Orkesten (Verband der Stiftungen fur Aushilfsmusiker in niederlandischen Orchestern) einen Tarifvertrag fur Musiker, die Mitglieder eines Orchesters vertreten (im Folgenden: Aushilfsmusiker). \n---|--- \n8 | Dieser Tarifvertrag legte u. a. Mindesttarife nicht nur fur die im Rahmen eines Arbeitsvertrags beschaftigten Aushilfsmusiker fest (im Folgenden: angestellte Aushilfsmusiker), sondern auch fur Aushilfsmusiker, die im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags tatig werden und nicht als „Arbeitnehmer" im Sinne des Tarifvertrags anzusehen sind (im Folgenden: selbstandige Aushilfsmusiker). \n---|--- \n9 | Im Einzelnen sah Anhang 5 des Tarifvertrags vor, dass selbstandigen Aushilfsmusikern mindestens der fur angestellte Aushilfsmusiker vereinbarte Proben- und Konzerttarif zuzuglich 16 % zu zahlen ist. \n---|--- \n10 | Am 5. Dezember 2007 veroffentlichte die NMa ein Reflexionspapier, in dem sie sich auf den Standpunkt stellte, dass eine tarifvertragliche Bestimmung, die Mindesttarife fur selbstandige Aushilfsmusiker vorsehe, nicht vom Anwendungsbereich des Art. 6 Mw und des Art. 81 Abs. 1 EG im Sinne des Urteils Albany (C‑67/96, [EU:C:1999:430](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1999%3A430&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab)) ausgenommen sei. Nach Ansicht der NMa wechselt ein Tarifvertrag, der Dienstleistungsvertrage regelt, seine Rechtsnatur und weist die Merkmale einer Vereinbarung zwischen Unternehmervereinigungen auf, da er auf Gewerkschaftsseite von einer Organisation ausgehandelt werde, die nicht als Arbeitnehmervereinigung, sondern als Vereinigung von Selbstandigen auftrete. \n---|--- \n11 | Daraufhin kundigten der Arbeitgeberverband Vereniging van Stichtingen Remplaçanten Nederlandse Orkesten und die Arbeitnehmervereinigung Nederlandse toonkunstenaarsbond den Tarifvertrag und lehnten es ab, einen neuen Tarifvertrag abzuschließen, der eine Bestimmung uber Mindesttarife fur selbstandige Aushilfsmusiker enthalt. \n---|--- \n12 | Die FNV erhob Klage bei der Rechtbank \'s-Gravenhage (Gericht von Den Haag) und beantragte zum einen, festzustellen, dass das niederlandische Wettbewerbsrecht und das Wettbewerbsrecht der Union einer tarifvertraglichen Bestimmung, die den Arbeitgeber dazu verpflichtet, nicht nur gegenuber angestellten Aushilfsmusikern, sondern auch gegenuber selbstandigen Aushilfsmusikern Mindesttarife einzuhalten, nicht entgegenstehen, und zum anderen dem niederlandischen Staat aufzugeben, den von der NMa in ihrem Reflexionspapier vertretenen Standpunkt zu berichtigen. \n---|--- \n13 | Die Rechtbank \'s-Gravenhage stellte dazu fest, dass eine solche Bestimmung eine der beiden kumulativen Voraussetzungen fur die Unanwendbarkeit des Wettbewerbsrechts der Union im Sinne der Urteile Albany ([EU:C:1999:430](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1999%3A430&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab)), Brentjens\' (C‑115/97 bis C‑117/97, [EU:C:1999:434](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1999%3A434&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab)), Drijvende Bokken (C‑219/97, [EU:C:1999:437](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1999%3A437&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab)) und van der Woude (C‑222/98, [EU:C:2000:475](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2000%3A475&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab)) nicht erfulle. Eine solche Tarifregelung musse erstens aus dem Dialog der Sozialpartner hervorgegangen und im Rahmen eines Tarifvertrags zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen vereinbart worden sein und zweitens unmittelbar zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer beitragen. In vorliegenden Fall trage die fragliche Bestimmung nicht unmittelbar zur Verbesserung der Beschaftigungs- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer bei. Die Rechtbank \'s‑Gravenhage wies daher die Antrage der FNV zuruck, ohne zu prufen, ob die erste in dieser Rechtsprechung aufgestellte Voraussetzung, namlich dass die fragliche Bestimmung ihrer Natur nach aus dem Dialog zwischen den Sozialpartnern hervorgegangen sein muss, erfullt ist. \n---|--- \n14 | Die FNV hat gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim Gerechtshof te \'s‑Gravenhage (Gerichtshof von Den Haag) eingelegt. Ihr einziger Rechtsmittelgrund betrifft die Frage, ob das Verbot wettbewerbsbeschrankender Vereinbarungen in Art. 101 Abs. 1 AEUV eine tarifvertragliche Bestimmung erfasst, die Mindesttarife fur selbstandige Dienstleistungserbringer vorsieht, die fur einen Arbeitgeber die gleiche Tatigkeit verrichten wie die bei diesem Arbeitgeber angestellten Arbeitnehmer. \n---|--- \n15 | Im Rahmen dieses Verfahrens hat der Gerechtshof die selbstandigen Aushilfsmusiker zwar vorlaufig als „Unternehmer" eingestuft, da ihre Einkunfte von den Auftragen abhingen, die sie selbstandig auf dem Markt fur Aushilfsmusiker akquirierten, da sie mit anderen Aushilfsmusikern konkurrierten und da sie in Musikinstrumente investierten. Jedoch lasst sich seiner Ansicht nach weder dem Vertrag noch der Rechtsprechung des Gerichtshofs eindeutig entnehmen, wie der Ausgangsrechtsstreit zu entscheiden ist. \n---|--- \n16 | Unter diesen Umstanden hat der Gerechtshof te \'s‑Gravenhage beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: | 1. | Sind die Wettbewerbsregeln des Unionsrechts dahin auszulegen, dass eine Vorschrift in einem zwischen Vereinigungen von Arbeitgebern und von Arbeitnehmern geschlossenen Tarifvertrag - wonach Selbstandige, die aufgrund einer Dienstleistungsvereinbarung fur einen Arbeitgeber die gleiche Arbeit wie die Arbeitnehmer verrichten, fur die der Tarifvertrag gilt, schon deshalb einen bestimmten Mindesttarif erhalten mussen, weil diese Vorschrift in einem Tarifvertrag vorkommt - vom Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV ausgenommen ist? \n---|--- \n2. | Sofern die erste Frage verneint wird: Ist die genannte Vorschrift vom Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV ausgenommen, wenn sie (auch) zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer dient, fur die der Tarifvertrag gilt, und ist es dabei von Belang, ob diese Arbeitsbedingungen dadurch unmittelbar oder nur mittelbar verbessert werden? \n---|--- \n \nZur Zustandigkeit des Gerichtshofs\n\n17 | Vorab ist zu prufen, ob der Gerichtshof fur die Beantwortung der Vorlagefragen zustandig ist. Die im Ausgangsverfahren fragliche Vereinbarung betrifft namlich, wie der Gerechtshof te \'s‑Gravenhage in seiner Vorlageentscheidung ausgefuhrt hat, einen rein innerstaatlichen Sachverhalt und hat keine Auswirkung auf den innergemeinschaftlichen Handel. Daher ist Art. 101 AEUV auf den Ausgangsrechtsstreit nicht anwendbar. \n---|--- \n18 | In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof wiederholt seine Zustandigkeit fur die Entscheidung uber Vorabentscheidungsersuchen bejaht hat, die Vorschriften des Unionsrechts in Fallen betrafen, in denen der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht in den unmittelbaren Anwendungsbereich des Unionsrechts fiel, diese Vorschriften aber durch das nationale Recht, das sich zur Regelung rein innerstaatlicher Sachverhalte nach den im Unionsrecht getroffenen Regelungen richtete, fur anwendbar erklart worden waren. In solchen Fallen besteht nach standiger Rechtsprechung namlich ein klares Interesse der Europaischen Union daran, dass die aus dem Unionsrecht ubernommenen Bestimmungen oder Begriffe unabhangig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden sollen, einheitlich ausgelegt werden, um kunftige Auslegungsunterschiede zu vermeiden (Urteil Allianz Hungaria Biztosito u. a., C‑32/11, [EU:C:2013:160](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2013%3A160&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 20). \n---|--- \n19 | Zum vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen ist festzustellen, dass Art. 6 Abs. 1 Mw den wesentlichen Inhalt von Art. 101 Abs. 1 AEUV ubernimmt. Ferner ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass der niederlandische Gesetzgeber ausdrucklich das nationale Wettbewerbsrecht dem der Union angleichen wollte und sich dabei von der Vorstellung leiten ließ, dass sich die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Mw eng an der von Art. 101 Abs. 1 AEUV ausrichten sollte. \n---|--- \n20 | Unter diesen Umstanden ist der Gerichtshof fur die Beantwortung der Vorlagefragen zustandig, auch wenn Art. 101 Abs. 1 AEUV den im Ausgangsverfahren fraglichen Sachverhalt nicht unmittelbar regelt. \n---|--- \n \nZu den Vorlagefragen\n\n21 | Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prufen sind, mochte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass eine tarifvertragliche Bestimmung, die Mindesttarife fur selbstandige Dienstleistungserbringer vorsieht, die einer der angeschlossenen Arbeitnehmervereinigungen angehoren und fur einen Arbeitgeber auf der Grundlage eines Dienstleistungsvertrags die gleiche Tatigkeit ausuben wie die bei diesem Arbeitgeber angestellten Arbeitnehmer, nicht in den Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV fallt. \n---|--- \n22 | Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach standiger Rechtsprechung mit Tarifvertragen zwischen Organisationen, die die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer vertreten, zwar zwangslaufig gewisse den Wettbewerb beschrankende Wirkungen verbunden sind, die Erreichung der mit derartigen Vertragen angestrebten sozialpolitischen Ziele jedoch ernsthaft gefahrdet ware, wenn die Sozialpartner bei der gemeinsamen Suche nach Maßnahmen zur Verbesserung der Beschaftigungs- und Arbeitsbedingungen Art. 101 Abs. 1 AEUV unterlagen (vgl. Urteile Albany, [EU:C:1999:430](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1999%3A430&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 59, International Transport Workers\' Federation und Finnish Seamen\'s Union, C‑438/05, [EU:C:2007:772](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2007%3A772&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 49, und 3F/Kommission, C‑319/07 P, [EU:C:2009:435](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2009%3A435&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 50). \n---|--- \n23 | Der Gerichtshof hat daher entschieden, dass die im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern im Hinblick auf solche Ziele geschlossenen Vertrage aufgrund ihrer Art und ihres Gegenstands nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen (vgl. Urteile Albany, [EU:C:1999:430](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1999%3A430&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 60, Brentjens\', [EU:C:1999:434](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1999%3A434&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 57, Drijvende Bokken, [EU:C:1999:437](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1999%3A437&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 47, Pavlov u. a., C‑180/98 bis C‑184/98, [EU:C:2000:428](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2000%3A428&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 67, van der Woude, [EU:C:2000:475](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2000%3A475&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 22, und AG2R Prevoyance, C‑437/09, [EU:C:2011:112](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2011%3A112&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 29). \n---|--- \n24 | Im Ausgangsverfahren wurde die in Rede stehende Vereinbarung zwischen einer Arbeitgebervereinigung und gemischt zusammengesetzten Arbeitnehmervereinigungen geschlossen, die im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht nicht nur fur angestellte, sondern auch fur ihnen angeschlossene selbstandige Aushilfsmusiker verhandelt haben. \n---|--- \n25 | Daher ist zu prufen, ob in Anbetracht der Art und des Gegenstands einer solchen Vereinbarung davon ausgegangen werden kann, dass sie im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern geschlossen wurde, und es somit gerechtfertigt ist, dass sie bezuglich ihres die Mindesttarife fur selbstandige Aushilfsmusiker betreffenden Teils vom Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen ist. \n---|--- \n26 | Erstens ergibt sich zur Art dieser Vereinbarung aus den Feststellungen des vorlegenden Gerichts, dass sie in Form eines Tarifvertrags geschlossen wurde. Die Vereinbarung ist jedoch gerade in Bezug auf die Bestimmung uber die Mindesttarife in ihrem Anhang 5 das Ergebnis von Verhandlungen zwischen einer Arbeitgebervereinigung und Arbeitnehmervereinigungen, die auch die Interessen selbstandiger Aushilfsmusiker vertreten, die Orchestern gegenuber Leistungen aufgrund eines Dienstleistungsvertrags erbringen. \n---|--- \n27 | Insoweit ist festzustellen, dass Dienstleistungserbringer wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Aushilfsmusiker, auch wenn sie die gleiche Tatigkeit wie die Arbeitnehmer ausuben, grundsatzlich „Unternehmen" im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellen, da sie ihre Dienstleistungen gegen Entgelt auf einem bestimmten Markt anbieten (Urteil Ordem dos Tecnicos Oficiais de Contas, C‑1/12, [EU:C:2013:127](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2013%3A127&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 36 und 37) und ihre Tatigkeit als gegenuber ihren Auftraggebern selbstandige Wirtschaftsteilnehmer ausuben (vgl. Urteil Confederacion Española de Empresarios de Estaciones de Servicio, C‑217/05, [EU:C:2006:784](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2006%3A784&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 45). \n---|--- \n28 | Daraus folgt, dass, wie auch der Generalanwalt in Nr. 32 seiner Schlussantrage und die NMa in ihrem Reflexionspapier ausgefuhrt haben, eine Organisation, die Arbeitnehmer vertritt, bei Verhandlungen im Namen und fur Rechnung der ihr angehorenden selbstandigen Dienstleistungserbringer nicht als Gewerkschaft und damit als Sozialpartner auftritt, sondern in Wirklichkeit als Unternehmervereinigung agiert. \n---|--- \n29 | Dem ist hinzuzufugen, dass der Vertrag zwar einen Dialog der Sozialpartner vorsieht, jedoch keine Bestimmung enthalt, die wie die Art. 153 AEUV und 155 AEUV sowie die Art. 1 und 4 des Abkommens uber die Sozialpolitik ([ABl. 1992, C 191, S. 91](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:C:1992:191:TOC)) selbstandige Leistungserbringer ermutigt, in einen solchen Dialog mit den Arbeitgebern zu treten, denen gegenuber sie Leistungen aufgrund eines Dienstleistungsvertrags erbringen, und daher Kollektivvereinbarungen mit diesen Arbeitgebern zu schließen, um ihre Beschaftigungs- und Arbeitsbedingungen zu verbessern (vgl. entsprechend Urteil Pavlov u. a., [EU:C:2000:428](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2000%3A428&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 69). \n---|--- \n30 | Daraus ergibt sich, dass eine tarifvertragliche Bestimmung wie die im Ausgangsverfahren fragliche nicht das Ergebnis von Kollektivverhandlungen zwischen den Sozialpartnern ist, da sie von einer Arbeitnehmervereinigung im Namen und fur Rechnung der ihr angeschlossenen selbstandigen Dienstleistungserbringer vereinbart wurde, und deshalb nicht aufgrund ihrer Art vom Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen sein kann. \n---|--- \n31 | Dies schließt jedoch nicht aus, dass auch eine solche tarifvertragliche Bestimmung als Ergebnis eines Dialogs zwischen den Sozialpartnern angesehen werden kann, wenn die Dienstleistungserbringer, in deren Namen und fur deren Rechnung die Gewerkschaft verhandelt hat, in Wirklichkeit „Scheinselbstandige" sind, d. h. Leistungserbringer, die sich in einer vergleichbaren Situation wie die Arbeitnehmer befinden. \n---|--- \n32 | Es ist namlich, wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussantrage sowie die FNV, die niederlandische Regierung und die Europaische Kommission in der mundlichen Verhandlung ausgefuhrt haben, in der heutigen Wirtschaft nicht immer leicht, zu bestimmen, ob bestimmte selbstandige Leistungserbringer wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Aushilfsmusiker Unternehmensstatus haben. \n---|--- \n33 | In Bezug auf das Ausgangsverfahren ist darauf hinzuweisen, dass nach standiger Rechtsprechung zum einen ein Dienstleistungserbringer seine Eigenschaft als unabhangiger Wirtschaftsteilnehmer und damit als Unternehmen verliert, wenn er sein Verhalten auf dem Markt nicht selbstandig bestimmt, sondern vollkommen abhangig von seinem Auftraggeber ist, weil er keines der finanziellen und wirtschaftlichen Risiken aus dessen Geschaftstatigkeit tragt und als Hilfsorgan in sein Unternehmen eingegliedert ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Confederacion Española de Empresarios de Estaciones de Servicio, [EU:C:2006:784](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2006%3A784&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 43 und 44). \n---|--- \n34 | Zum anderen ist der Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des Unionsrechts selbst anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhaltnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der Betroffenen kennzeichnen. Nach standiger Rechtsprechung besteht das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhaltnisses darin, dass eine Person wahrend einer bestimmten Zeit fur eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, fur die sie als Gegenleistung eine Vergutung erhalt (vgl. Urteile N., C‑46/12, [EU:C:2013:97](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2013%3A97&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 40 und die dort angefuhrte Rechtsprechung, sowie Haralambidis, C‑270/13, [EU:C:2014:2185](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2014%3A2185&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 28). \n---|--- \n35 | Dazu hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die Einstufung als „selbstandiger Leistungserbringer" nach innerstaatlichem Recht es nicht ausschließt, dass eine Person als „Arbeitnehmer" im Sinne des Unionsrechts einzustufen ist, wenn ihre Selbstandigkeit nur fiktiv ist und damit ein tatsachliches Arbeitsverhaltnis verschleiert (vgl. in diesem Sinne Urteil Allonby, C‑256/01, [EU:C:2004:18](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2004%3A18&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 71). \n---|--- \n36 | Daraus folgt, dass die Eigenschaft als „Arbeitnehmer" im Sinne des Unionsrechts nicht dadurch beruhrt wird, dass eine Person aus steuerlichen, administrativen oder verwaltungstechnischen Grunden nach innerstaatlichem Recht als selbstandiger Dienstleistungserbringer beschaftigt wird, sofern sie nach Weisung ihres Arbeitgebers handelt, insbesondere was ihre Freiheit bei der Wahl von Zeit, Ort und Inhalt ihrer Arbeit angeht (vgl. Urteil Allonby, [EU:C:2004:18](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2004%3A18&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 72), nicht an den geschaftlichen Risiken dieses Arbeitgebers beteiligt ist (Urteil Agegate, C‑3/87, [EU:C:1989:650](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1989%3A650&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 36) und wahrend der Dauer des Arbeitsverhaltnisses in dessen Unternehmen eingegliedert ist und daher mit ihm eine wirtschaftliche Einheit bildet (vgl. Urteil Becu u. a., C‑22/98, [EU:C:1999:419](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1999%3A419&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 26). \n---|--- \n37 | Im Licht dieser Grundsatze muss sich das vorlegende Gericht, um die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden selbstandigen Aushilfsmusiker nicht als „Arbeitnehmer" im Sinne des Unionsrechts, sondern als echte „Unternehmen" im unionsrechtlichen Sinne einstufen zu konnen, daher vergewissern, dass bei diesen Aushilfsmusikern - uber die Rechtsnatur ihres Dienstleistungsvertrags hinaus - nicht die in den Rn. 33 bis 36 des vorliegenden Urteils genannten Bedingungen vorliegen und dass sie sich insbesondere wahrend der Dauer des Vertragsverhaltnisses nicht in einem Verhaltnis der Unterordnung zum betreffenden Orchester befinden und damit in Bezug auf die Bestimmung von Zeit, Ort und Durchfuhrungsmodalitaten der ihnen ubertragenen Aufgaben, d. h. der Proben und Konzerte, uber mehr Autonomie und Flexibilitat verfugen als die die gleiche Tatigkeit ausubenden Arbeitnehmer. \n---|--- \n38 | Zweitens ist zum Gegenstand des im Ausgangsverfahren fraglichen Tarifvertrags festzustellen, dass eine Prufung anhand der in den Rn. 22 und 23 des vorliegenden Urteils angefuhrten Rechtsprechung in diesem Punkt nur dann gerechtfertigt ist, wenn das vorlegende Gericht die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Aushilfsmusiker nicht als „Unternehmen", sondern als „Scheinselbstandige" einstufen sollte. \n---|--- \n39 | Fur diesen Fall ist zu beachten, dass die mit der Bestimmung in Anhang 5 des Tarifvertrags eingefuhrte Mindesttarifregelung einen unmittelbaren Beitrag zur Verbesserung der Beschaftigungs- und Arbeitsbedingungen dieser - als „Scheinselbstandige" eingestuften - Aushilfsmusiker leistet. \n---|--- \n40 | Eine solche Regelung sichert diesen Leistungserbringern namlich nicht nur eine hohere als die ohne die genannte Bestimmung erzielbare Grundvergutung, sondern ermoglicht, wie das vorlegende Gericht festgestellt hat, auch die Zahlung von Beitragen zu einer Rentenversicherung, die der fur die Arbeitnehmer vorgesehenen Beteiligung am Versorgungssystem entspricht, und garantiert ihnen damit die notigen Mittel, um in der Zukunft uber ein bestimmtes Rentenniveau verfugen zu konnen. \n---|--- \n41 | Daher kann eine tarifvertragliche Bestimmung, die Mindesttarife fur Dienstleistungserbringer, die „Scheinselbstandige" sind, vorsieht, wegen ihrer Art und ihres Gegenstands nicht in den Anwendungsbereich von Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen. \n---|--- \n42 | Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass eine tarifvertragliche Bestimmung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die Mindesttarife fur selbstandige Dienstleistungserbringer vorsieht, die einer der angeschlossenen Arbeitnehmervereinigungen angehoren und fur einen Arbeitgeber auf der Grundlage eines Dienstleistungsvertrags die gleiche Tatigkeit ausuben wie die bei diesem Arbeitgeber angestellten Arbeitnehmer, nur dann vom Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen ist, wenn die Leistungserbringer „Scheinselbstandige" sind, d. h. sich in einer vergleichbaren Situation wie die Arbeitnehmer befinden. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu prufen. \n---|--- \n \nKosten\n\n43 | Fur die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhangigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter fur die Abgabe von Erklarungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfahig. \n---|--- \n| Aus diesen Grunden hat der Gerichtshof (Erste Kammer) fur Recht erkannt: \n---|--- \n| Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass eine tarifvertragliche\nBestimmung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die Mindesttarife fur\nselbstandige Dienstleistungserbringer vorsieht, die einer der angeschlossenen\nArbeitnehmervereinigungen angehoren und fur einen Arbeitgeber auf der\nGrundlage eines Dienstleistungsvertrags die gleiche Tatigkeit ausuben wie die\nbei diesem Arbeitgeber angestellten Arbeitnehmer, nur dann vom\nAnwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen ist, wenn die\nLeistungserbringer „Scheinselbstandige" sind, d. h. sich in einer\nvergleichbaren Situation wie die Arbeitnehmer befinden. Es ist Sache des\nvorlegenden Gerichts, dies zu prufen. \n---|--- \n| Unterschriften \n---|--- \n \n* * *\n\n( *1 ) Verfahrenssprache: Niederlandisch.\n\n
316,705
eugh-2014-06-05-c-55712
2
Europäischer Gerichtshof
eugh
Europäische Union
C-557/12
2014-06-05
2019-03-14 13:49:20
2019-03-14 13:49:20
Urteil
ECLI:EU:C:2014:1317
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Funfte Kammer)\n\n5. Juni 2014 ( *1 )\n\n„Art. 101 AEUV -- Ersatz des Schadens, der durch ein nach diesem Artikel\nverbotenes Kartell verursacht wurde -- Schaden, der sich aus dem hoheren Preis\nergibt, der von einem Unternehmen als Folge eines verbotenen Kartells, an dem\nes nicht beteiligt ist, verlangt wird (‚umbrella pricing\') --\nKausalzusammenhang"\n\nIn der Rechtssache C‑557/12\n\nbetreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom\nObersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 17. Oktober 2012, beim\nGerichtshof eingegangen am 3. Dezember 2012, in dem Verfahren\n\nKone AG,\n\nOtis GmbH,\n\nSchindler Aufzuge und Fahrtreppen GmbH,\n\nSchindler Liegenschaftsverwaltung GmbH,\n\nThyssenKrupp Aufzuge GmbH\n\ngegen\n\nÖBB‑Infrastruktur AG\n\nerlasst\n\nDER GERICHTSHOF (Funfte Kammer)\n\nunter Mitwirkung des Kammerprasidenten T. von Danwitz sowie der Richter E.\nJuhasz, A. Rosas (Berichterstatter), D. Švaby und C. Vajda,\n\nGeneralanwaltin: J. Kokott,\n\nKanzler: V. Tourres, Verwaltungsrat,\n\naufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mundliche Verhandlung vom\n12. Dezember 2013,\n\nunter Berucksichtigung der Erklarungen\n\n-- | der Kone AG, vertreten durch Rechtsanwalt H. Wollmann, \n---|--- \n-- | der Otis GmbH, vertreten durch die Rechtsanwalte D. Hauck und E. Hold, \n---|--- \n-- | der Schindler Aufzuge und Fahrtreppen GmbH und der Schindler\nLiegenschaftsverwaltung GmbH, vertreten durch die Rechtsanwalte A. Traugott\nund S. Riegler, \n---|--- \n-- | der ThyssenKrupp Aufzuge GmbH, vertreten durch die Rechtsanwalte A.\nReidlinger, T. Kustor und E. Rittenauer, \n---|--- \n-- | der ÖBB‑Infrastruktur AG, vertreten durch Rechtsanwalt A. Egger, \n---|--- \n-- | der osterreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als\nBevollmachtigte, \n---|--- \n-- | der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als\nBevollmachtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato, \n---|--- \n-- | der Europaischen Kommission, vertreten durch G. Meessen und P. Van\nNuffel als Bevollmachtigte, \n---|--- \n \nnach Anhorung der Schlussantrage der Generalanwaltin in der Sitzung vom 30.\nJanuar 2014\n\nfolgendes\n\nUrteil\n\n1 | Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 101 AEUV. \n---|--- \n2 | Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Kone AG (im Folgenden: Kone), der Otis GmbH (im Folgenden: Otis), der Schindler Aufzuge und Fahrtreppen GmbH (im Folgenden: Schindler Aufzuge und Fahrtreppen), der Schindler Liegenschaftsverwaltung GmbH (im Folgenden: Schindler Liegenschaftsverwaltung) und der ThyssenKrupp Aufzuge GmbH (im Folgenden: ThyssenKrupp Aufzuge) - Unternehmen, die sich an Kartellen beim Einbau und bei der Wartung von Aufzugen und Fahrtreppen in mehreren Mitgliedstaaten beteiligt haben - einerseits und der ÖBB-Infrastruktur AG (im Folgenden: ÖBB-Infrastruktur), einer Tochtergesellschaft der Österreichischen Bundesbahnen, andererseits wegen der Moglichkeit, Ersatz des Schadens zu verlangen, der dadurch entstanden sein soll, dass beim Abschluss von Vertragen mit an diesen Kartellen nicht beteiligten Unternehmen hohere Preise gegolten hatten. \n---|--- \n \nRechtlicher Rahmen\n\n3 | § 1295 des Allgemeinen Burgerlichen Gesetzbuchs (im Folgenden: ABGB) lautet: „Jedermann ist berechtigt, von dem Beschadiger den Ersatz des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefugt hat, zu fordern; der Schade mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein." \n---|--- \n4 | Nach § 1311 Satz 2 ABGB haftet derjenige, der „ein Gesetz, das den zufalligen Beschadigungen vorzubeugen sucht [(‚Schutzgesetz\')], ubertreten" hat, fur den verursachten Schaden. \n---|--- \n \nAusgangsverfahren und Vorlagefrage\n\n5 | Zumindest seit den 80er Jahren fuhrten Kone, Otis, Schindler Aufzuge und Fahrtreppen, Schindler Liegenschaftsverwaltung und ThyssenKrupp Aufzuge in großem Umfang ein Übereinkommen in mehreren Mitgliedstaaten durch, um den Aufzugs- und Fahrtreppenmarkt unter sich aufzuteilen. \n---|--- \n6 | Am 21. Februar 2007 verhangte die Europaische Kommission gegen Kone, Otis, Schindler Aufzuge und Fahrtreppen sowie Schindler Liegenschaftsverwaltung eine Geldbuße von insgesamt 992 Mio. Euro wegen ihrer Teilnahme an Kartellen beim Einbau und bei der Wartung von Aufzugen und Fahrtreppen in Belgien, Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden. \n---|--- \n7 | Der Oberste Gerichtshof bestatigte als Kartellobergericht am 8. Oktober 2008 den Beschluss des Kartellgerichts vom 14. Dezember 2007, mit dem Geldbußen gegen Kone, Otis und Schindler Aufzuge und Fahrtreppen sowie zwei andere Unternehmen verhangt worden waren. Da ThyssenKrupp Aufzuge einen Kronzeugenantrag gestellt hatte, war sie im Kartellverfahren nicht Antragsgegnerin. \n---|--- \n8 | Das im Ausgangsverfahren fragliche Kartell (im Folgenden: fragliches Kartell) war darauf gerichtet, dem jeweils bevorzugten Unternehmen einen hoheren als den unter normalen Wettbewerbsbedingungen erzielbaren Preis zu sichern. Dadurch wurden der Markt und insbesondere die unter normalen Wettbewerbsbedingungen eintretende Entwicklung der Preise verfalscht. \n---|--- \n9 | Nach den Ausfuhrungen des vorlegenden Gerichts hatten die an diesem Kartell Beteiligten versucht, sich hinsichtlich mehr als der Halfte des Marktvolumens in ganz Österreich fur Neuanlagen zu koordinieren. Bei mehr als der Halfte der betreffenden Projekte sei eine einvernehmliche Zuteilung erfolgt, so dass mindestens ein Drittel des Marktvolumens abgesprochen worden sei. Ungefahr zwei Drittel der abgestimmten Projekte seien wie geplant zustande gekommen. Bei einem Drittel der Falle seien entweder dritte Unternehmen (Kartellaußenseiter) zum Zuge gekommen oder einer der Kartellbeteiligten, der sich nicht an die vereinbarte Zuteilung gehalten und billiger angeboten habe. Auch auf bilateraler Ebene seien Projekte einvernehmlich zugeteilt worden. Das Verhalten der an dem fraglichen Kartell Beteiligten habe dazu gefuhrt, dass sich die Marktpreise auch in den letzten Jahren vor 2004 kaum geandert hatten und ihre Marktanteile annahernd gleich geblieben seien. \n---|--- \n10 | Unter Berufung auf Preisschirmeffekte („umbrella effects" oder „umbrella pricing") begehrt ÖBB-Infrastruktur von den Rekurswerberinnen des Ausgangsverfahrens Ersatz eines auf 1839239,74 EUR bezifferten Schadens, den sie dadurch erlitten habe, dass sie von dritten, nicht am Kartell beteiligten Unternehmen deren Aufzuge und Fahrtreppen zu einem hoheren Preis gekauft habe, als es der Marktlage ohne Kartell entsprochen hatte, weil diese Unternehmen im Windschatten des Kartells ihre Preise dem erhohten Niveau angepasst hatten. \n---|--- \n11 | Das Erstgericht wies dieses Begehren von ÖBB-Infrastruktur zuruck, das Gericht zweiter Instanz gab ihm jedoch statt. \n---|--- \n12 | Der von den Rekurswerberinnen des Ausgangsverfahrens angerufene Oberste Gerichtshof wirft die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen die Haftung der an einem Kartell Beteiligten gemaß Art. 101 AEUV und der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere der Urteile Courage und Crehan (C‑453/99, [EU:C:2001:465](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2001%3A465&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab)), Manfredi u. a. (C‑295/04 bis C‑298/04, [EU:C:2006:461](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2006%3A461&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab)) und Pfleiderer (C‑360/09, [EU:C:2011:389](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2011%3A389&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab)), eintritt. \n---|--- \n13 | Nach der Rechtsprechung der osterreichischen Gerichte musse derjenige, der auf der Grundlage außervertraglicher Haftung Schadensersatz verlange, einen adaquaten Kausalzusammenhang und den Rechtswidrigkeitszusammenhang, d. h. einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB, nachweisen. \n---|--- \n14 | Der Schadiger hafte in Anwendung des Begriffs des adaquaten Kausalzusammenhangs fur alle, auch zufallige, Folgen, mit deren Moglichkeit er in abstracto zu rechnen habe, nicht aber fur einen atypischen Erfolg. Nach dieser Rechtsprechung fehle es an der Adaquanz des Kausalzusammenhangs zwischen dem Kartell und einem Schaden des Abnehmers, wenn ein Kartellaußenseiter sich den Preisschirmeffekt zunutze mache, da es sich um einen mittelbaren Schaden, um eine Seitenwirkung einer selbstandigen, aus eigenen unternehmerischen Erwagungen des Kartellaußenseiters motivierten Entscheidung handele. Wie die durch die Kartellbeteiligten beeinflusste Marktlage auf einen Mitbewerber wirke, welche wirtschaftlichen Schlusse er daraus fur sein eigenes Unternehmen und seine Produkte ziehe und welche unternehmerischen, insbesondere die Preisgestaltung betreffenden Entscheidungen er dann treffe, hange entscheidend von einer Vielzahl von Faktoren ab, die in keinem Zusammenhang mit dem Kartell stunden. \n---|--- \n15 | Zur Frage der Rechtswidrigkeit habe der Oberste Gerichtshof entschieden, dass nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm die Verursachung eines Vermogensschadens nur dann ersatzpflichtig mache, wenn sich die Rechtswidrigkeit der Schadigung aus der Verletzung vertraglicher Pflichten, absoluter Rechte oder von Schutzgesetzen ableiten lasse. Es komme also darauf an, ob die Norm, die der Schadiger verletzt habe, gerade den Schutz der Interessen des Geschadigten bezwecke. Beim „umbrella pricing" sei der Rechtswidrigkeitszusammenhang zu verneinen. Die rechtswidrigen Handlungen der Kartellbeteiligten zielten auf eine Schadigung jener ab, die ihre Produkte zu den von ihnen kunstlich hoch gehaltenen Preisen abnahmen. Der Schaden durch „umbrella pricing" trete nur infolge einer Seitenwirkung der selbstandigen, aus eigenen unternehmerischen Erwagungen des Kartellaußenseiters motivierten Entscheidung ein. \n---|--- \n16 | Die Frage, ob nach dem Unionsrecht im Fall des „umbrella pricing" Schadensersatz zu gewahren sei, werde in der Literatur sowohl in Österreich als auch in Deutschland kontrovers beantwortet. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts sei die Vorlagefrage von ausschlaggebender Bedeutung, weil zweifelhaft sei, ob der vom Gerichtshof postulierte Effektivitatsgrundsatz gewahrt werde, wenn ein Schadersatzanspruch verneint werde. \n---|--- \n17 | Der Oberste Gerichtshof hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen: Ist Art. 101 AEUV (Art. 81 EG, Art. 85 EG-Vertrag) dahin auszulegen, dass jedermann von Kartellanten den Ersatz auch des Schadens verlangen kann, der ihm durch einen Kartellaußenseiter zugefugt wurde, der im Windschatten der erhohten Marktpreise seine eigenen Preise fur seine Produkte mehr anhebt, als er dies ohne das Kartell getan hatte („umbrella pricing"), so dass der vom Gerichtshof postulierte Effektivitatsgrundsatz einen Zuspruch nach nationalem Recht verlangt? \n---|--- \n \nZur Vorlagefrage\n\n18 | Da die Art. 85 EG-Vertrag, 81 EG und 101 AEUV inhaltlich weitgehend ubereinstimmen, wird nur auf den derzeit geltenden Art. 101 AEUV Bezug genommen. \n---|--- \n19 | Mit seiner Frage mochte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 101 AEUV einer Auslegung und Anwendung des Rechts eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach es aus Rechtsgrunden kategorisch ausgeschlossen ist, dass die an einem Kartell beteiligten Unternehmen zivilrechtlich fur Schaden haften, die daraus resultieren, dass ein an diesem Kartell nicht beteiligtes Unternehmen in Anbetracht der Machenschaften des Kartells seine Preise hoher festgesetzt hat, als es dies ohne das Kartell getan hatte. \n---|--- \n20 | Es ist darauf hinzuweisen, dass die Art. 101 Abs. 1 AEUV und 102 AEUV in den Beziehungen zwischen Einzelnen unmittelbare Wirkungen erzeugen und unmittelbar in deren Person Rechte entstehen lassen, die die nationalen Gerichte zu wahren haben (vgl. Urteile BRT und Societe belge des auteurs, compositeurs et editeurs, 127/73, [EU:C:1974:25](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1974%3A25&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 16, Courage und Crehan, [EU:C:2001:465](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2001%3A465&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 23, sowie Manfredi u. a., [EU:C:2006:461](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2006%3A461&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 39). \n---|--- \n21 | Die volle Wirksamkeit des Art. 101 AEUV und insbesondere die praktische Wirksamkeit des in seinem Abs. 1 ausgesprochenen Verbots waren beeintrachtigt, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen konnte, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschranken oder verfalschen kann, oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist (Urteile Courage und Crehan, [EU:C:2001:465](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2001%3A465&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 26, Manfredi u. a., [EU:C:2006:461](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2006%3A461&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 60, Otis u. a., C‑199/11, [EU:C:2012:684](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2012%3A684&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 41, sowie Donau Chemie u. a., C‑536/11, [EU:C:2013:366](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2013%3A366&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 21). \n---|--- \n22 | Daher kann jedermann Ersatz des ihm entstandenen Schadens verlangen, wenn zwischen dem Schaden und einem nach Art. 101 AEUV verbotenen Kartell oder Verhalten ein ursachlicher Zusammenhang besteht (Urteile Manfredi u. a., [EU:C:2006:461](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2006%3A461&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 61, sowie Otis u. a., [EU:C:2012:684](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2012%3A684&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 43). \n---|--- \n23 | Das Recht eines jeden, Ersatz eines solchen Schadens zu verlangen, erhoht namlich die Durchsetzungskraft der Wettbewerbsregeln der Union und ist geeignet, Unternehmen von - oft verschleierten - Vereinbarungen oder Verhaltensweisen abzuhalten, die den Wettbewerb beschranken oder verfalschen konnen; damit tragt es zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Europaischen Union bei (Urteile Courage und Crehan, [EU:C:2001:465](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2001%3A465&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 27, Manfredi u. a., [EU:C:2006:461](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2006%3A461&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 91, Pfleiderer, [EU:C:2011:389](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2011%3A389&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 29, Otis u. a., [EU:C:2012:684](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2012%3A684&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 42, sowie Donau Chemie u. a., [EU:C:2013:366](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2013%3A366&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 23). \n---|--- \n24 | In Ermangelung einer einschlagigen Unionsregelung ist die Regelung der Modalitaten fur die Ausubung dieses Rechts einschließlich derjenigen fur die Anwendung des Begriffs „ursachlicher Zusammenhang" Aufgabe der innerstaatlichen Rechtsordnung des einzelnen Mitgliedstaats, wobei der Äquivalenz- und der Effektivitatsgrundsatz zu beachten sind (Urteil Manfredi u. a., [EU:C:2006:461](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2006%3A461&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 64). \n---|--- \n25 | Daher durfen die Vorschriften uber die Rechtsbehelfe, die den Schutz der dem Einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts erwachsenden Rechte gewahrleisten sollen, nicht weniger gunstig sein als bei entsprechenden Rechtsbehelfen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und sie durfen die Ausubung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmoglich machen oder ubermaßig erschweren (Effektivitatsgrundsatz) (vgl. Urteile Courage und Crehan, [EU:C:2001:465](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2001%3A465&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 29, Manfredi u. a., [EU:C:2006:461](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2006%3A461&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 62, Pfleiderer, [EU:C:2011:389](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2011%3A389&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 24, sowie Donau Chemie u. a., [EU:C:2013:366](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2013%3A366&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 27). \n---|--- \n26 | Dabei durfen diese Vorschriften speziell im Bereich des Wettbewerbsrechts nicht die wirksame Anwendung der Art. 101 AEUV und 102 AEUV beeintrachtigen (vgl. Urteile VEBIC, C‑439/08, [EU:C:2010:739](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2010%3A739&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 57, Pfleiderer, [EU:C:2011:389](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2011%3A389&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 24, sowie Donau Chemie u. a., [EU:C:2013:366](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2013%3A366&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 27). \n---|--- \n27 | Im Ausgangsverfahren tragt ÖBB-Infrastruktur vor, ein Teil des ihr entstandenen Schadens sei durch das fragliche Kartell verursacht worden, das es ermoglicht habe, den Marktpreis so hoch anzusetzen, dass auch nicht am Kartell beteiligte Wettbewerber von diesem Marktpreis, der hoher gewesen sei, als er es ohne das Kartell gewesen ware, hatten profitieren konnen, sei es in Bezug auf die Gewinnspanne oder auch nur in Bezug auf die Überlebensspanne, wenn sie aufgrund ihrer Kostenstruktur unter normalen Wettbewerbsbedingungen vom Markt hatten verdrangt werden konnen. \n---|--- \n28 | Die Beteiligten, die Erklarungen beim Gerichtshof eingereicht haben, bestreiten nicht, dass eine Erscheinung wie das „umbrella pricing" unter bestimmten Umstanden als mogliche Folge eines Kartells anerkannt sei. Dagegen machen die Rekurswerberinnen des Ausgangsverfahrens im Wesentlichen geltend, es sei nicht opportun, das Unionsrecht dahin auszulegen, dass es auf das „umbrella pricing" gestutzte Schadensersatzanspruche („umbrella claims") anerkenne. \n---|--- \n29 | Hierzu ist festzustellen, dass der Marktpreis einer der wichtigsten Gesichtspunkte ist, die ein Unternehmen bei der Festsetzung des Preises berucksichtigt, zu dem es seine Waren oder Dienstleistungen anbietet. Gelingt es einem Kartell, den Preis fur bestimmte Produkte kunstlich hoch zu halten, und sind bestimmte Marktbedingungen, insbesondere hinsichtlich der Art des Produkts oder der Große des von diesem Kartell erfassten Marktes, erfullt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich das nicht am Kartell beteiligte konkurrierende Unternehmen entschließt, den Preis fur sein Angebot hoher festzusetzen, als es dies unter normalen Wettbewerbsbedingungen, d. h. ohne das Kartell, getan hatte. In einem solchen Kontext ist jedoch festzustellen, dass der Kartellaußenseiter seine Entscheidung uber die Festsetzung eines Angebotspreises, auch wenn sie als eine vollig autonome Entscheidung anzusehen ist, unter Bezugnahme auf einen Marktpreis treffen konnte, der durch dieses Kartell verfalscht worden und damit wettbewerbswidrig war. \n---|--- \n30 | Folglich gehort, anders als Schindler Aufzuge und Fahrtreppen sowie Schindler Liegenschaftsverwaltung vortragen, die Schadigung des Kunden eines nicht an einem Kartell beteiligten, aber von den wirtschaftlichen Bedingungen des „umbrella pricing" profitierenden Unternehmens durch einen Angebotspreis, der hoher ist, als er es ohne dieses Kartell gewesen ware, zu den moglichen Folgen des Kartells, die den Kartellbeteiligten nicht verborgen bleiben konnen. \n---|--- \n31 | Bezuglich der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass das osterreichische Recht einen Schadensersatzanspruch in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens kategorisch ausschließt, weil davon ausgegangen wird, dass der Kausalzusammenhang zwischen dem entstandenen Schaden und dem betreffenden Kartell in Ermangelung einer vertraglichen Beziehung zu einem Kartellbeteiligten durch die eigenstandige Entscheidung des Unternehmens, das nicht am Kartell beteiligt ist, aber aufgrund des Kartells einen hoheren Preis festgesetzt hat („umbrella pricing"), unterbrochen wurde. \n---|--- \n32 | Zwar ist, wie in Rn. 24 des vorliegenden Urteils ausgefuhrt, die Bestimmung der Regeln fur die Anwendung des Begriffs „ursachlicher Zusammenhang" grundsatzlich Aufgabe des innerstaatlichen Rechts des einzelnen Mitgliedstaats. Nach der in Rn. 26 des vorliegenden Urteils angefuhrten Rechtsprechung des Gerichtshofs mussen diese nationalen Regeln jedoch die volle Wirksamkeit des Wettbewerbsrechts der Union sicherstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil VEBIC, [EU:C:2010:739](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2010%3A739&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 63). Sie mussen daher speziell das mit Art. 101 AEUV verfolgte Ziel berucksichtigen, das darin besteht, die Aufrechterhaltung eines wirksamen und unverfalschten Wettbewerbs im Binnenmarkt zu gewahrleisten und damit Preise, die unter den Bedingungen eines freien Wettbewerbs festgesetzt werden. Infolgedessen hat der Gerichtshof, wie in Rn. 22 des vorliegenden Urteils ausgefuhrt, entschieden, dass die nationalen Regeln jedermann das Recht zuerkennen mussen, Ersatz des ihm entstandenen Schadens zu verlangen. \n---|--- \n33 | Die volle Wirksamkeit von Art. 101 AEUV ware aber in Frage gestellt, wenn das jedem zustehende Recht, Ersatz des ihm entstandenen Schadens zu verlangen, nach dem nationalen Recht kategorisch und unabhangig von den speziellen Umstanden des konkreten Falles vom Vorliegen eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs abhangig gemacht wurde und aufgrund der Tatsache ausgeschlossen ware, dass der Betroffene vertragliche Beziehungen nicht zu einem Kartellbeteiligten, sondern zu einem Kartellaußenseiter hatte, auch wenn dessen Preispolitik eine Folge des Kartells ist, das zu einer Verfalschung der auf wettbewerbsorientierten Markten herrschenden Preisgestaltungsprozesse beigetragen hat. \n---|--- \n34 | Daher kann ein durch das „umbrella pricing" Geschadigter den Ersatz des ihm durch die Mitglieder eines Kartells entstandenen Schadens verlangen, obwohl er keine vertraglichen Beziehungen zu ihnen hatte, wenn erwiesen ist, dass dieses Kartell nach den Umstanden des konkreten Falles und insbesondere den Besonderheiten des betreffenden Marktes ein „umbrella pricing" durch eigenstandig handelnde Dritte zur Folge haben konnte, und wenn diese Umstande und Besonderheiten den Kartellbeteiligten nicht verborgen bleiben konnten. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prufen, ob diese Voraussetzungen erfullt sind. \n---|--- \n35 | Kone und Otis machen geltend, dass mit Klagen auf Ersatz des Schadens, der durch die aufgrund des „umbrella pricing" erhohten Preise entstanden sei, ein Strafschadensersatz verlangt werde, da dem Schaden von ÖBB-Infrastruktur keine Bereicherung der Rekurswerberinnen des Ausgangsverfahrens gegenuberstehe. Dazu ist jedoch festzustellen, dass die Regeln uber die außervertragliche Haftung die Hohe eines ersatzfahigen Schadens nicht von dem Gewinn abhangig machen, den der Schadensverursacher erzielt hat. \n---|--- \n36 | Kone und Otis tragen weiter vor, dass ein solcher Schadensersatz geeignet sei, die Bereitschaft der betroffenen Unternehmen zur Unterstutzung der Ermittlungshandlungen der Wettbewerbsbehorden zu vermindern, was dem Effektivitatsgrundsatz widerspreche. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Kronzeugenregelung eine von der Kommission mit ihrer Mitteilung uber den Erlass und die Ermaßigung von Geldbußen in Kartellsachen ([ABl. 2006, C 298, S. 17](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:C:2006:298:TOC)) eingefuhrte Regelung ist, die keine Gesetzeskraft besitzt und fur die Mitgliedstaaten nicht verbindlich ist (Urteil Pfleiderer, [EU:C:2011:389](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2011%3A389&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 21). Folglich kann die Kronzeugenregelung dem Einzelnen nicht das Recht nehmen, vor den nationalen Gerichten den Ersatz des Schadens zu verlangen, der ihm durch einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV entstanden ist. \n---|--- \n37 | Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 101 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Auslegung und Anwendung des innerstaatlichen Rechts eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach es aus Rechtsgrunden kategorisch ausgeschlossen ist, dass die an einem Kartell beteiligten Unternehmen zivilrechtlich fur Schaden haften, die daraus resultieren, dass ein an diesem Kartell nicht beteiligtes Unternehmen in Anbetracht der Machenschaften des Kartells seine Preise hoher festgesetzt hat, als es dies ohne das Kartell getan hatte. \n---|--- \n \nKosten\n\n38 | Fur die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhangigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter fur die Abgabe von Erklarungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfahig. \n---|--- \n| Aus diesen Grunden hat der Gerichtshof (Funfte Kammer) fur Recht erkannt: \n---|--- \n| Art. 101 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Auslegung und Anwendung\ndes innerstaatlichen Rechts eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach es aus\nRechtsgrunden kategorisch ausgeschlossen ist, dass die an einem Kartell\nbeteiligten Unternehmen zivilrechtlich fur Schaden haften, die daraus\nresultieren, dass ein an diesem Kartell nicht beteiligtes Unternehmen in\nAnbetracht der Machenschaften des Kartells seine Preise hoher festgesetzt hat,\nals es dies ohne das Kartell getan hatte. \n---|--- \n| Unterschriften \n---|--- \n \n* * *\n\n( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.\n\n
316,751
eugh-2014-05-15-c-35912
2
Europäischer Gerichtshof
eugh
Europäische Union
C-359/12
2014-05-15
2019-03-14 13:49:56
2019-03-14 13:49:56
Urteil
ECLI:EU:C:2014:325
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)\n\n15. Mai 2014 ( *1 )\n\n„Vorabentscheidungsersuchen -- Verbraucherschutz -- Richtlinie 2003/71/EG --\nArt. 14 Abs. 2 Buchst. b -- Verordnung (EG) Nr. 809/2004 -- Art. 22 Abs. 2 und\n29 Abs. 1 -- Basisprospekt -- Prospektnachtrag -- Endgultige Bedingungen --\nZeitpunkt sowie Art und Weise der Veroffentlichung erforderlicher\nInformationen -- Voraussetzungen der Veroffentlichung in elektronischer Form"\n\nIn der Rechtssache C‑359/12\n\nbetreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom\nHandelsgericht Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 12. Juli 2012, beim\nGerichtshof eingegangen am 30. Juli 2012, in dem Verfahren\n\nMichael Timmel\n\ngegen\n\nAviso Zeta AG,\n\nBeteiligte:\n\nLore Tinhofer,\n\nerlasst\n\nDER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)\n\nunter Mitwirkung der Kammerprasidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter\nJ. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), G. Arestis, J.‑C. Bonichot und A.\nArabadjiev,\n\nGeneralanwaltin: E. Sharpston,\n\nKanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsratin,\n\naufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mundliche Verhandlung vom\n11. September 2013,\n\nunter Berucksichtigung der Erklarungen\n\n-- | von Herrn M. Timmel, vertreten durch die Rechtsanwalte W. Haslinger und\nJ. Motamedi de Silva, \n---|--- \n-- | der Aviso Zeta AG, vertreten durch Rechtsanwalt A. Jank, \n---|--- \n-- | der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne und J.‑C. Halleux\nals Bevollmachtigte, \n---|--- \n-- | der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und S. Šindelkova\nals Bevollmachtigte, \n---|--- \n-- | der niederlandischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Ree\nals Bevollmachtigte, \n---|--- \n-- | der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, A.\nCunha und S. Borba als Bevollmachtigte, \n---|--- \n-- | der Europaischen Kommission, vertreten durch G. Braun, I. Rogalski und\nR. Vasileva als Bevollmachtigte, \n---|--- \n \nnach Anhorung der Schlussantrage der Generalanwaltin in der Sitzung vom 26.\nNovember 2013\n\nfolgendes\n\nUrteil\n\n1 | Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2003/71/EG des Europaischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim offentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veroffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG ([ABl. L 345, S. 64](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2003:345:TOC), im Folgenden: Prospektrichtlinie) sowie der Art. 22 Abs. 2 und 29 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71 betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veroffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung ([ABl. L 149, S. 1](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2004:149:TOC), im Folgenden: Prospektverordnung). \n---|--- \n2 | Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Timmel und der Aviso Zeta AG (im Folgenden: Aviso Zeta) wegen der Kundigung eines Vertrags, mit dem er 40000 Stuck des vom Intermediar Aviso Zeta zum Kauf angebotenen Wertpapiers „Dragon FG Garant" gezeichnet hatte. \n---|--- \n \nRechtlicher Rahmen\n\nUnionsrecht\n\nProspektrichtlinie\n\n3 | Im vierten Erwagungsgrund der Prospektrichtlinie heißt es u. a., dass durch sie „der weitestmogliche Zugang zu Anlagekapital auf Gemeinschaftsbasis durch Gewahrung einer Einmalzulassung von Emittenten erleichtert werden" soll. \n---|--- \n4 | Nach ihrem zehnten Erwagungsgrund ist es Ziel dieser Richtlinie und der in ihr vorgesehenen Durchfuhrungsmaßnahmen, in Übereinstimmung mit den strengen Aufsichtsbestimmungen, die in den einschlagigen internationalen Foren festgelegt wurden, den Anlegerschutz und die Markteffizienz sicherzustellen. \n---|--- \n5 | Der 31. Erwagungsgrund der Richtlinie lautet: „Um die Verbreitung der verschiedenen den Prospekt ausmachenden Dokumente zu erleichtern, sollte der Ruckgriff auf elektronische Kommunikationsmittel wie das Internet gefordert werden. Der Prospekt sollte Anlegern auf Anfrage stets kostenlos in Papierform zur Verfugung gestellt werden." \n---|--- \n6 | Der 34. Erwagungsgrund der Richtlinie lautet: „Jeder neue Umstand, der die Anlageentscheidung beeinflussen konnte und nach der Veroffentlichung des Prospekts, aber vor dem Schluss des offentlichen Angebots oder der Aufnahme des Handels an einem geregelten Markt eintritt, sollte von den Anlegern angemessen bewertet werden konnen und erfordert deshalb die Billigung und Verbreitung eines Nachtrags zum Prospekt." \n---|--- \n7 | Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. r der Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Basisprospekt"„einen Prospekt, der alle in den Artikeln 5, 7 und - im Falle eines Nachtrags - 16 bezeichneten notwendigen Angaben zum Emittenten und zu den offentlich anzubietenden oder zum Handel zuzulassenden Wertpapieren sowie, nach Wahl des Emittenten, die endgultigen Bedingungen des Angebots enthalt". \n---|--- \n8 | Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie sieht vor: „Fur die folgenden Wertpapierarten kann der Prospekt nach Wahl des Emittenten, des Anbieters oder der Person, die die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt beantragt, aus einem Basisprospekt bestehen, der alle notwendigen Angaben zum Emittenten und den offentlich angebotenen oder zum Handel an einem geregelten Markt zuzulassenden Wertpapieren enthalt: | a) | Nichtdividendenwerte, wozu auch Optionsscheine jeglicher Art gehoren, die im Rahmen eines Angebotsprogramms begeben werden; \n---|--- \nb) | Nichtdividendenwerte, die dauernd oder wiederholt von Kreditinstituten begeben werden, \n---|--- \n \n…\n\nDie Angaben des Basisprospekts sind erforderlichenfalls durch aktualisierte\nAngaben zum Emittenten und zu den Wertpapieren, die offentlich angeboten bzw.\nzum Handel an einem geregelten Markt zugelassen werden sollen, gemaß Artikel\n16 zu erganzen.\n\nWerden die endgultigen Bedingungen des Angebots weder in den Basisprospekt\nnoch in einen Nachtrag aufgenommen, so sind sie den Anlegern zu ubermitteln\nund bei der zustandigen Behorde zu hinterlegen, sobald ein offentliches\nAngebot unterbreitet wird und die Übermittlung bzw. Hinterlegung praktisch\ndurchfuhrbar ist, und dies sofern moglich vor Beginn des Angebots. In diesen\nFallen gelten die Bestimmungen von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a)." \n \n9 | Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass fur den Fall, dass der endgultige Emissionskurs und das Emissionsvolumen, die Gegenstand des offentlichen Angebots sind, im Prospekt nicht genannt werden konnen, | a) | die Kriterien und/oder die Bedingungen, anhand deren die genannten Werte ermittelt werden, bzw. im Falle des Emissionskurses ein Hochstkurs im Prospekt genannt werden oder \n---|--- \nb) | die Zusage zum Erwerb bzw. zur Zeichnung der Wertpapiere innerhalb von mindestens zwei Arbeitstagen nach Hinterlegung des endgultigen Emissionskurses und der Gesamtzahl der offentlich angebotenen Wertpapiere zuruckgezogen werden kann. \n---|--- \n \nDer endgultige Emissionskurs und das Emissionsvolumen werden bei der\nzustandigen Behorde des Herkunftsmitgliedstaates hinterlegt und gemaß Artikel\n14 Absatz 2 veroffentlicht." \n \n10 | Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie lautet: „Ein Prospekt darf vor der Billigung durch die zustandige Behorde des Herkunftsmitgliedstaats nicht veroffentlicht werden." \n---|--- \n11 | Art. 14 Abs. 2, 5, 7 und 8 der Richtlinie bestimmt: „(2) Der Prospekt gilt als dem Publikum zur Verfugung gestellt, wenn er … | b) | dem Publikum in gedruckter Form kostenlos bei den zustandigen Stellen des Marktes, an dem die Wertpapiere zum Handel zugelassen werden sollen, oder beim Sitz des Emittenten oder bei den Finanzintermediaren einschließlich der Zahlstellen, die die Wertpapiere platzieren oder verkaufen, zur Verfugung gestellt wurde oder \n---|--- \nc) | in elektronischer Form auf der Website des Emittenten und gegebenenfalls auf der Website der die Wertpapiere platzierenden oder verkaufenden Finanzintermediare einschließlich der Zahlstellen veroffentlicht wird oder \n---|--- \nd) | in elektronischer Form auf der Website des geregelten Marktes, fur den die Zulassung zum Handel beantragt wurde, veroffentlicht wird oder \n---|--- \ne) | in elektronischer Form auf der Website der zustandigen Behorde des Herkunftsmitgliedstaats veroffentlicht wird, wenn diese Behorde beschlossen hat, diese Dienstleistung anzubieten. \n---|--- \n \n…\n\n(5) Fur den Fall, dass der Prospekt in mehreren Einzeldokumenten erstellt wird\nund/oder Angaben in Form eines Verweises enthalt, konnen die den Prospekt\nbildenden Dokumente und Angaben getrennt veroffentlicht und in Umlauf gebracht\nwerden, wenn sie dem Publikum gemaß den Bestimmungen des Absatzes 2 kostenlos\nzur Verfugung gestellt werden. …\n\n…\n\n(7) Wird der Prospekt in elektronischer Form veroffentlicht, so muss dem\nAnleger jedoch vom Emittenten, vom Anbieter, von der die Zulassung zum Handel\nbeantragenden Person oder von den Finanzintermediaren, die die Wertpapiere\nplatzieren oder verkaufen, auf Verlangen eine Papierversion kostenlos zur\nVerfugung gestellt werden.\n\n(8) Um den technischen Entwicklungen auf den Finanzmarkten Rechnung zu tragen\nund die einheitliche Anwendung dieser Richtlinie sicherzustellen, erlasst die\nKommission nach dem in Artikel 24 Absatz 2 genannten Verfahren\nDurchfuhrungsmaßnahmen zu den Absatzen 1, 2, 3 und 4\\. Die ersten\nDurchfuhrungsmaßnahmen werden bis zum 1. Juli 2004 erlassen." \n \n12 | Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor: „Jeder wichtige neue Umstand oder jede wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit in Bezug auf die im Prospekt enthaltenen Angaben, die die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen konnten und die zwischen der Billigung des Prospekts und dem endgultigen Schluss des offentlichen Angebots bzw. der Eroffnung des Handels an einem geregelten Markt auftreten bzw. festgestellt werden, mussen in einem Nachtrag zum Prospekt genannt werden. Dieser Nachtrag ist innerhalb von hochstens sieben Arbeitstagen auf die gleiche Art und Weise zu billigen und zumindest gemaß denselben Regeln zu veroffentlichen, wie sie fur die Verbreitung des ursprunglichen Prospekts galten. Auch die Zusammenfassung und etwaige Übersetzungen davon sind erforderlichenfalls durch die im Nachtrag enthaltenen Informationen zu erganzen." \n---|--- \n \nProspektverordnung\n\n13 | Der 21. Erwagungsgrund der Prospektverordnung lautet: „Ein Basisprospekt und seine endgultigen Konditionen sollten die gleichen Informationen wie ein Prospekt enthalten. Alle allgemeinen Grundsatze eines Prospekts gelten auch fur die endgultigen Konditionen. Sind die endgultigen Konditionen indes nicht Gegenstand des Basisprospekts, mussen sie von der zustandigen Behorde auch nicht genehmigt werden." \n---|--- \n14 | Im 25. Erwagungsgrund der Prospektverordnung heißt es, dass die verstarkte Flexibilitat bei der Verbindung des Basisprospekts mit seinen endgultigen Konditionen im Vergleich zu einem einzigen Emissionsprospekt den leichten Zugang der Anleger zu wichtigen Informationen nicht beeintrachtigen sollte. \n---|--- \n15 | Der 26. Erwagungsgrund der Verordnung lautet: „In Bezug auf die Basisprospekte sollte auf leicht verstandliche Art und Weise erlautert werden, welche Informationen als endgultige Konditionen aufzunehmen sind. Dieser Anforderung sollte auf verschiedene Art und Weise nachgekommen werden konnen: z. B. konnte der Basisprospekt Lucken fur Angaben enthalten, die noch in die endgultigen Konditionen aufzunehmen waren, oder er konnte eine Liste der noch fehlenden Informationen enthalten." \n---|--- \n16 | Art. 22 Abs. 1, 2, 4, 5 und 7 der Prospektverordnung bestimmt: „1. Ein Basisprospekt wird erstellt, indem auf ein Schema bzw. Modul oder aber die Kombinationsmoglichkeiten zwischen ihnen zuruckgegriffen wird, die in den Artikeln 4 bis 20 vorgesehen sind. Dabei sind die in Anhang XVIII festgelegten Kombinationsmoglichkeiten zwischen den verschiedenen Wertpapiertypen zugrunde zu legen. Ein Basisprospekt enthalt die in den Anhangen I bis XVII genannten Informationsbestandteile. Diese richten sich nach der Art des jeweiligen Emittenten und der Art der jeweiligen Wertpapiere, so wie sie in den Schemata und Modulen von Artikel 4 bis 20 genannt werden. Die zustandigen Behorden schreiben fur den Prospekt nur die in den Anhangen I bis XVII genannten Informationsbestandteile vor. Um die Einhaltung der in Artikel 5 Absatz 1 der [Prospektrichtlinie] genannten Verpflichtung zu gewahrleisten, kann die zustandige Herkunftslandbehorde bei der Genehmigung eines Basisprospekts im Sinne von Artikel 13 dieser Richtlinie vorschreiben, dass die vom Emittenten, vom Anbieter oder von der Person, die die Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt beantragt, beigebrachten Informationen fur jeden einzelnen Informationsbestandteil im Einzelfall erganzt werden. 2. Der Emittent, der Anbieter oder die Person, die die Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt beantragt, kann auf eine Angabe der Informationsbestandteile verzichten, die zum Zeitpunkt der Genehmigung des Basisprospekts nicht bekannt sind und die lediglich zum Zeitpunkt der jeweiligen Emission bestimmt werden konnen. … 4. Die endgultigen Konditionen, die einem Basisprospekt angefugt sind, enthalten lediglich die Informationsbestandteile, die sich aus den verschiedenen Schemata fur Wertpapierbeschreibungen ergeben, denen zufolge der Basisprospekt erstellt wird. 5. Zusatzlich zu den Informationen, die in den Schemata und Modulen genannt werden, auf die in Artikel 4 bis 20 eingegangen wird, sind folgende Informationen in einen Basisprospekt aufzunehmen: | (1) | Angabe der Informationen, die in die endgultigen Konditionen aufzunehmen sind; \n---|--- \n(2) | Veroffentlichungsmethode fur die endgultigen Konditionen. Ist der Emittent zum Zeitpunkt der Genehmigung des Prospekts nicht in der Lage, die Veroffentlichungsmethode fur die endgultigen Konditionen zu nennen, so ist anzugeben, wie das Publikum informiert wird und welche Methode fur die Veroffentlichung der endgultigen Konditionen verwendet werden soll; \n---|--- \n \n…\n\n7. Tritt ein in Artikel 16 Absatz 1 der [Prospektrichtlinie] genannter Fall in dem Zeitraum ein, der zwischen dem Zeitpunkt der Genehmigung des Basisprospekts und dem endgultigen Abschluss des Angebots fur eine Wertpapieremission im Rahmen des Basisprospekts bzw. dem Zeitpunkt liegt, an dem der Handel mit den Wertpapieren auf einem geregelten Markt beginnt, so hat der Emittent, der Anbieter bzw. die Person, die die Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt beantragt, einen Nachtrag zum Prospekt zu veroffentlichen. Dies hat vor dem endgultigen Abschluss des Angebots oder der Zulassung dieser Wertpapiere zum Handel zu erfolgen." \n \n17 | Nach Art. 26 Abs. 5 der Prospektverordnung sind die endgultigen Konditionen zum Basisprospekt in Form eines gesonderten Dokuments, das lediglich die endgultigen Konditionen enthalt, oder durch Einbeziehung der endgultigen Konditionen in den Basisprospekt zu prasentieren. \n---|--- \n18 | Art. 29 Abs. 1 der Verordnung bestimmt: „Die Veroffentlichung des Prospekts oder des Basisprospekts in elektronischer Form im Sinne von Artikel 14 Absatz 2 Buchstaben c), d) und e) der [Prospektrichtlinie] oder als ein zusatzliches Mittel der Verfugbarkeit ist an die folgenden Bedingungen gebunden: | (1) | der Prospekt oder der Basisprospekt mussen bei Aufrufen der Website leicht zuganglich sein; \n---|--- \n \n…\n\n(4) | den Anlegern muss es moglich sein, den Prospekt bzw. den Basisprospekt herunterzuladen und auszudrucken. \n---|--- \n \n…" \n \nÖsterreichisches Recht\n\n19 | § 5 Abs. 1 des Kapitalmarktgesetzes vom 6. Dezember 1991 (BGBl. 625/1991) sieht vor: „Erfolgt ein prospektpflichtiges Angebot ohne vorhergehende Veroffentlichung eines Prospekts oder der Angaben nach § 6, so konnen Anleger, die Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 [des Konsumentenschutzgesetzes] sind, von ihrem Angebot oder vom Vertrag zurucktreten." \n---|--- \n \nAusgangsverfahren und Vorlagefragen\n\n20 | Am 30. Oktober 2006 zeichnete Herr Timmel, der seinen Wohnsitz in Wien (Österreich) hat, bei Aviso Zeta, die ihren Sitz ebenfalls in Wien hat, 40000 Stuck des Wertpapiers „Dragon FX Garant", das eine Stuckelung von weniger als 50000 Euro aufwies und dessen Emittent die Lehman Brothers Treasury Co. BV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande) war. \n---|--- \n21 | Herr Timmel erklarte in der Folge, gemaß § 5 des Kapitalmarktgesetzes vom 6. Dezember 1991 von dieser Zeichnung zurucktreten zu wollen, und begrundete dies damit, dass das Angebot ohne ordnungsgemaße Veroffentlichung der entsprechenden Informationen gemacht worden sei. Weder die „International Securities Identification Number" (ISIN) noch die Wahrung der Emission oder irgendeine Angabe zur vergangenen oder zukunftigen Wertentwicklung des Produkts oder zur Methode der Renditeberechnung sei veroffentlicht worden. \n---|--- \n22 | Nach den Angaben von Herrn Timmel wurden am 9. und am 29. August 2006 sowie am 6. und am 26. September 2006 ein Basisprospekt und drei Nachtrage veroffentlicht. Ferner seien am 19. September 2006 ein Entwurf endgultiger Konditionen und am 4. Dezember 2006 deren Endfassung veroffentlicht worden. \n---|--- \n23 | Jedoch sei keine ordnungsgemaße Veroffentlichung am Borsensitz, am Sitz des Emittenten oder am Sitz des Finanzintermediars erfolgt. Die verschiedenen Dokumente, aus denen sich der Prospekt zusammensetze, seien namlich nur in Wien verfugbar gewesen. Daruber hinaus seien die Dokumente zum Wertpapierangebot eine Zeit lang auf der Website der Luxemburger Borse abrufbar gewesen, jedoch habe das Abrufen der Dokumente einen Registrierungsvorgang sowie die Zahlung von Gebuhren, insbesondere fur den Abruf des zwingenden Nachtrags zum Prospekt in Bezug auf die endgultigen Bedingungen des Angebots, vorausgesetzt. \n---|--- \n24 | Vor diesem Hintergrund hat Herr Timmel das Handelsgericht Wien angerufen. Dieses Gericht ist der Auffassung, die Entscheidung des Rechtsstreits hange insbesondere davon ab, ob Aviso Zeta gemaß Art. 22 Abs. 2 der Prospektverordnung zur Veroffentlichung der grundsatzlich zwingend aufzunehmenden Informationen verpflichtet gewesen sei, die zwar zum Zeitpunkt der Billigung des Basisprospekts noch nicht bekannt waren, wohl aber zum Zeitpunkt der Veroffentlichung eines Nachtrags. \n---|--- \n25 | Das vorlegende Gericht weist auch auf eine Abweichung zwischen den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der Prospektrichtlinie in Bezug auf die Frage hin, ob der Prospekt der Öffentlichkeit am Sitz des Emittenten und/oder in den Raumlichkeiten des Finanzintermediars zur Verfugung gestellt werden muss. \n---|--- \n26 | Unter diesen Umstanden hat das Handelsgericht Wien beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: | 1. | Ist Art. 22 Abs. 2 der Prospektverordnung dahin gehend auszulegen, dass grundsatzlich zwingend aufzunehmende Informationen, welche zum Zeitpunkt der Billigung des Basisprospekts noch nicht bekannt waren, jedoch zum Zeitpunkt der Veroffentlichung eines Prospektnachtrags bereits bekannt sind, in diesen aufzunehmen sind? \n---|--- \n2. | Findet die Ausnahmeregelung des Art. 22 Abs. 2 der Prospektverordnung, wonach auf die Angabe der Informationsbestandteile im Sinne des Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 verzichtet werden kann, auch dann Anwendung, wenn diese (zwingend aufzunehmenden) Informationen vor dem Emissionsdatum, allerdings nach Veroffentlichung des Basisprospekts, in dem diese Informationen nicht enthalten waren, bekannt waren? \n---|--- \n3. | Kann man von einer ordnungsgemaßen Veroffentlichung sprechen, wenn nur ein Basisprospekt ohne die zwingend notwendigen Informationen gemaß Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Prospektverordnung insbesondere (bei Wertpapieren mit einer Stuckelung von weniger als 50000 Euro) gemaß Anhang V veroffentlicht wurde und keine Veroffentlichung von endgultigen Bedingungen erfolgte? \n---|--- \n4. | Ist das in Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 der Prospektverordnung festgelegte Erfordernis, dass der Prospekt oder der Basisprospekt bei Aufrufen der Website, wo diese verfugbar gemacht werden, leicht zuganglich sein muss, erfullt, | a) | wenn fur die Abrufbarkeit, das Herunterladen sowie das Ausdrucken eine Registrierung auf der Website erforderlich ist, auf der der Abruf danach erfolgen kann, wobei fur die Registrierung die Akzeptanz eines Disclaimers und die Bekanntgabe einer E‑Mail-Adresse notwendig sind, oder \n---|--- \nb) | wenn dafur ein Entgelt zu leisten ist oder \n---|--- \nc) | wenn die kostenlose Abrufbarkeit von Prospektteilen auf zwei Dokumente pro Monat begrenzt ist, aber fur den Erhalt samtlicher zwingender Informationen im Sinne des Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Prospektverordnung das Herunterladen von zumindest drei Dokumenten erforderlich ist? \n---|--- \n5. | Ist die Bestimmung des Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der Prospektrichtlinie dahin gehend zu interpretieren, dass der Basisprospekt am Sitz des Emittenten und des Finanzintermediars zur Verfugung gestellt werden muss? \n---|--- \n \nZu den Vorlagefragen\n\nZur ersten und zur zweiten Frage\n\n27 | Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prufen sind, mochte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 22 Abs. 2 der Prospektverordnung dahin auszulegen ist, dass gemaß Abs. 1 dieser Vorschrift zwingend aufzunehmende Informationen, die zwar zum Zeitpunkt der Veroffentlichung des Basisprospekts nicht bekannt waren, jedoch zum Zeitpunkt der Veroffentlichung eines Prospektnachtrags bekannt sind, in einen Prospektnachtrag aufzunehmen sind oder ob auf die Angabe dieser Informationen gegebenenfalls verzichtet werden kann. \n---|--- \n28 | Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Art. 22 der Prospektverordnung Informationen betrifft, die in den Basisprospekt sowie in die endgultigen Konditionen aufzunehmen sind. \n---|--- \n29 | Insoweit geht aus Art. 26 Abs. 5 der Prospektverordnung hervor, dass den Emittenten mit dieser Verordnung eine gewisse Flexibilitat eingeraumt werden soll, indem eine Veroffentlichung der endgultigen Konditionen entweder im Basisprospekt oder in einem gesonderten Dokument erlaubt wird. \n---|--- \n30 | Es besteht namlich ein Unterschied zwischen den fur den Abschluss einer konkreten Transaktion notwendigen Details (wie z. B. dem endgultigen Emissionskurs der fraglichen Wertpapiere) und allgemeinen Angaben, die Anleger in die Lage versetzen, eine fundierte Bewertung der Risiken vorzunehmen, bevor sie sich zur Zeichnung entschließen. \n---|--- \n31 | Gleichwohl verpflichtet Art. 22 Abs. 5 Nr. 1 der Prospektverordnung den Emittenten, im Basisprospekt die Informationen anzugeben, die in die endgultigen Konditionen aufzunehmen sind. Dem liegt die Erwagung zugrunde, dass die in den endgultigen Konditionen enthaltenen Informationen zwar nicht in den Basisprospekt aufgenommen werden mussen, doch muss darin auf ihre Existenz hingewiesen werden. \n---|--- \n32 | Außerdem sieht Art. 22 Abs. 7 der Prospektverordnung vor, dass der Emittent oder der Anbieter u. a. dann, wenn im Zeitraum zwischen der Genehmigung des Basisprospekts und dem endgultigen Abschluss des Angebots fur eine Wertpapieremission ein wichtiger neuer Umstand oder eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit in Bezug auf die im Basisprospekt enthaltenen Angaben, die die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen konnten, im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Prospektrichtlinie eintritt, vor dem endgultigen Abschluss des Angebots einen Nachtrag zum Prospekt zu veroffentlichen hat. \n---|--- \n33 | Im Licht der vorstehenden Erwagungen ist Art. 22 Abs. 2 der Prospektverordnung auszulegen, der es u. a. dem Emittenten oder dem Anbieter erlaubt, bestimmte gemaß Art. 22 Abs. 1 zwingend aufzunehmende Informationen nicht anzugeben, wenn diese zum Zeitpunkt der Genehmigung des Basisprospekts nicht bekannt sind und lediglich zum Zeitpunkt der jeweiligen Emission bestimmt werden konnen. \n---|--- \n34 | Dazu ergibt sich, wie die Generalanwaltin in Nr. 38 ihrer Schlussantrage dargelegt hat, im Umkehrschluss aus diesen Bestimmungen, dass ein Emittent oder Anbieter die in Art. 22 Abs. 1 der Prospektverordnung genannten Informationen, wenn er sie zum Zeitpunkt der Genehmigung des Basisprospekts kennt oder bestimmen kann, im Basisprospekt veroffentlichen muss. \n---|--- \n35 | Stellen die zwingend aufzunehmenden Informationen, die zum Zeitpunkt der Veroffentlichung des Basisprospekts nicht bekannt sind und lediglich zum Zeitpunkt der jeweiligen Emission bestimmt werden konnen, als solche weder einen wichtigen neuen Umstand noch eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Prospektrichtlinie dar, mussen sie gegebenenfalls in den endgultigen Konditionen veroffentlicht werden. \n---|--- \n36 | Aus den Erwagungsgrunden 21 und 25 der Prospektverordnung geht namlich hervor, dass ein durch die endgultigen Konditionen erganzter Basisprospekt die gleichen Informationen enthalten sollte wie ein in einem einzigen Dokument veroffentlichter Prospekt. Hieraus folgt insbesondere, dass die gemaß Art. 22 Abs. 1 dieser Verordnung zwingend aufzunehmenden Informationen, die zum Zeitpunkt der Veroffentlichung des Basisprospekts nicht bekannt sind und lediglich zum Zeitpunkt der jeweiligen Emission bestimmt werden konnen, in den endgultigen Konditionen mitgeteilt werden. \n---|--- \n37 | Sofern diese Informationen hingegen erstens einen wichtigen neuen Umstand darstellen oder eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit richtigstellen und zweitens die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen konnen, machen sie nach Art. 16 Abs. 1 der Prospektrichtlinie und Art. 22 Abs. 7 der Prospektverordnung die Veroffentlichung eines Nachtrags erforderlich. \n---|--- \n38 | Insoweit obliegt dem vorlegenden Gericht die Klarung der Frage, ob im Rahmen des Ausgangsverfahrens die fraglichen Informationen die Beurteilung der Wertpapiere im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Prospektrichtlinie beeinflussten. \n---|--- \n39 | Wie die Generalanwaltin in Nr. 43 ihrer Schlussantrage ausfuhrt, erfordert die Beantwortung dieser Frage eine Wurdigung der Beweise in Bezug auf die Art der Informationen und ihren Einfluss auf die Entscheidung eines Anlegers zur Zeichnung der Wertpapiere. \n---|--- \n40 | Daher ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 22 Abs. 2 der Prospektverordnung dahin auszulegen ist, dass gemaß Abs. 1 dieser Vorschrift zwingend aufzunehmende Informationen, die zwar zum Zeitpunkt der Veroffentlichung des Basisprospekts nicht bekannt waren, jedoch zum Zeitpunkt der Veroffentlichung eines Nachtrags zu diesem Prospekt bekannt sind, in den Nachtrag aufzunehmen sind, wenn es sich bei den Informationen um einen wichtigen neuen Umstand oder eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit, die die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen konnten, im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Prospektrichtlinie handelt; dies zu beurteilen ist Sache des vorlegenden Gerichts. \n---|--- \n \nZur dritten Frage\n\n41 | Mit seiner dritten Frage mochte das vorlegende Gericht wissen, ob die Veroffentlichung eines Basisprospekts ohne die zwingend notwendigen Informationen gemaß Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Prospektverordnung, insbesondere die in Anhang V dieser Verordnung aufgefuhrten Angaben, und ohne spatere Veroffentlichung von endgultigen Bedingungen, den Anforderungen von Art. 22 der Prospektverordnung genugt. \n---|--- \n42 | Aus der Antwort auf die ersten beiden Fragen geht hervor, dass ein Prospekt nur dann den in Art. 22 der Prospektverordnung aufgestellten Anforderungen genugt, wenn erstens der Basisprospekt im Einklang mit Art. 22 Abs. 1 die zwingend notwendigen und dem Emittenten zum Zeitpunkt seiner Veroffentlichung bekannten Angaben enthalt. \n---|--- \n43 | Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass gemaß Art. 13 Abs. 1 der Prospektrichtlinie und Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Prospektverordnung der Basisprospekt veroffentlicht worden sein muss, nachdem er durch die zustandigen Behorden gebilligt wurde. \n---|--- \n44 | Zweitens mussen die zwingend notwendigen Informationen, die dem Emittenten nach der Veroffentlichung des Basisprospekts, aber vor dem endgultigen Schluss des Angebots bekannt geworden sind, in einen Nachtrag aufgenommen werden, wenn es sich bei ihnen um einen wichtigen neuen Umstand oder eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Prospektrichtlinie handelt. \n---|--- \n45 | Die ordnungsgemaße Veroffentlichung eines solchen Nachtrags setzt gemaß Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie ebenfalls seine vorherige Billigung durch die zustandigen Behorden voraus. \n---|--- \n46 | Handelt es sich bei den genannten Informationen weder um einen wichtigen neuen Umstand noch um eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Prospektrichtlinie, sind sie in den endgultigen Konditionen zu veroffentlichen, wenn die in Art. 22 Abs. 4 der Prospektverordnung vorgesehenen Voraussetzungen erfullt sind und wenn diese Informationen keine Information des Basisprospekts andern oder ersetzen. \n---|--- \n47 | Außerdem sind gemaß Art. 22 Abs. 5 der Prospektverordnung im Basisprospekt die Informationen anzugeben, die in die endgultigen Konditionen aufzunehmen sind. \n---|--- \n48 | Hierzu ist festzustellen, dass die Veroffentlichung der endgultigen Informationen, wie aus dem 21. Erwagungsgrund der Prospektverordnung hervorgeht, keiner vorherigen Genehmigung durch die zustandigen Behorden bedarf. Aus Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 3 der Prospektrichtlinie geht namlich hervor, dass die endgultigen Bedingungen des Angebots, wenn sie weder in den Basisprospekt noch in einen Nachtrag aufgenommen werden, unverzuglich und sofern moglich vor Beginn des Angebots den Anlegern zu ubermitteln und bei der zustandigen Behorde zu hinterlegen sind. \n---|--- \n49 | Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass die Veroffentlichung eines Basisprospekts ohne die zwingend notwendigen Informationen gemaß Art. 22 Abs. 1 der Prospektverordnung, insbesondere die in Anhang V dieser Verordnung aufgefuhrten Angaben, den Anforderungen von Art. 22 der Prospektverordnung nicht genugt, wenn sie nicht durch die Veroffentlichung der endgultigen Bedingungen erganzt wird. Damit die Informationen, die gemaß Art. 22 Abs. 1 der Prospektverordnung im Basisprospekt enthalten sein mussen, in die endgultigen Konditionen eingefugt werden konnen, mussen im Basisprospekt die Informationen angegeben werden, die in die endgultigen Konditionen aufzunehmen sind, und diese Informationen mussen die in Art. 22 Abs. 4 der Verordnung genannten Anforderungen erfullen. \n---|--- \n \nZur vierten Frage\n\n50 | Mit seiner vierten Frage mochte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 der Prospektverordnung dahin auszulegen ist, dass das Erfordernis der leichten Zuganglichkeit eines Prospekts bei Aufrufen der Webseite, auf der er veroffentlicht wird, erfullt ist, wenn auf der Website eine mit einer Haftungsausschlussklausel und der Pflicht zur Bekanntgabe einer E‑Mail-Adresse verbundene Registrierungspflicht besteht, wenn dieser elektronische Zugang kostenpflichtig ist oder wenn die kostenlose Abrufbarkeit von Prospektteilen auf zwei Dokumente pro Monat begrenzt ist. \n---|--- \n51 | Erstens ist zu der mit einer Haftungsausschlussklausel und der Pflicht zur Bekanntgabe einer E‑Mail-Adresse verbundenen Registrierungspflicht festzustellen, dass derartige Bedingungen den Zugang zu dem in elektronischer Form veroffentlichten Prospekt beschranken und als solche nicht mit dem in Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 der Prospektverordnung aufgestellten Erfordernis der leichten Zuganglichkeit vereinbar sind. \n---|--- \n52 | Derartige Bedingungen konnen insbesondere eine Reihe potenzieller Anleger abschrecken. Zudem stellt die Zustimmung zu einer Haftungsausschlussklausel eine Bedingung dar, die zu einem Ungleichgewicht zwischen dem Emittenten oder Intermediar und dem potenziellen Anleger fuhrt und daher dem im zehnten Erwagungsgrund der Prospektrichtlinie genannten Ziel, den Anlegerschutz sicherzustellen, zuwiderlauft. \n---|--- \n53 | Was zweitens die Entgeltlichkeit der Bereitstellung des Prospekts in elektronischer Form betrifft, ist Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 der Prospektverordnung im Licht von Art. 14 Abs. 5 der Prospektrichtlinie auszulegen, der ausdrucklich vorsieht, dass der Prospekt, auch wenn seine verschiedenen Teile getrennt veroffentlicht werden, dem Publikum kostenlos zur Verfugung gestellt werden muss. \n---|--- \n54 | Folglich genugt die elektronische Veroffentlichung eines Prospekts auf einer Website, deren Zugang kostenpflichtig ist oder auf der nur der Abruf einiger diesen Prospekt bildender Dokumente kostenlos ist, nicht dem in Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 der Prospektverordnung vorgesehenen Erfordernis leichter Zuganglichkeit. \n---|--- \n55 | Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Art. 14 Abs. 7 der Prospektrichtlinie, der bestimmt, dass bei einer Veroffentlichung in elektronischer Form dem Anleger auf dessen Verlangen eine Papierversion kostenlos zur Verfugung zu stellen ist, insoweit unerheblich ist. \n---|--- \n56 | Weder aus einer Bestimmung der Prospektrichtlinie oder der Prospektverordnung noch aus ihrer allgemeinen Systematik geht namlich hervor, dass die Voraussetzung der Zuganglichkeit der einen Prospekt bildenden Dokumente je nach der vom Emittenten gewahlten Übermittlungsmethode unterschiedlich beurteilt werden konnte. \n---|--- \n57 | Vielmehr hat der Unionsgesetzgeber in Art. 29 Abs. 1 der Prospektverordnung klargestellt, dass die dort genannten Bedingungen einer Veroffentlichung in elektronischer Form unabhangig davon erfullt sein mussen, ob die Veroffentlichung gemaß Art. 14 Abs. 2 Buchst. c bis e der Prospektrichtlinie erfolgt oder ob die Veroffentlichung in elektronischer Form nur ein zusatzliches Mittel der Verfugbarkeit ist. \n---|--- \n58 | Desgleichen ergibt sich aus dem 31. Erwagungsgrund der Prospektrichtlinie, dass der Gesetzgeber die Veroffentlichung von Prospekten in elektronischer Form fordern wollte, da dies ihre Verbreitung erleichtert. Es liefe aber einem solchen Ziel zuwider, wenn man zuließe, dass im Fall einer elektronischen Veroffentlichung ein geringerer Anlegerschutz bestunde. \n---|--- \n59 | Daher ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 der Prospektverordnung dahin auszulegen ist, dass das Erfordernis der leichten Zuganglichkeit eines Prospekts bei Aufrufen der Webseite, auf der er veroffentlicht wird, nicht erfullt ist, wenn auf der Website eine mit einer Haftungsausschlussklausel und der Pflicht zur Bekanntgabe einer E‑Mail-Adresse verbundene Registrierungspflicht besteht, wenn dieser elektronische Zugang kostenpflichtig ist oder wenn die kostenlose Abrufbarkeit von Prospektteilen auf zwei Dokumente pro Monat begrenzt ist. \n---|--- \n \nZur funften Frage\n\n60 | Mit seiner funften Frage mochte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der Prospektrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der Basisprospekt dem Publikum sowohl am Sitz des Emittenten als auch beim Finanzintermediar zur Verfugung gestellt werden muss. \n---|--- \n61 | Das vorlegende Gericht fuhrt dazu aus, dass der Basisprospekt nach der deutschen Sprachfassung dieser Bestimmung dem Publikum am Sitz des Emittenten oder beim Finanzintermediar zur Verfugung gestellt werden muss, wahrend er nach ihrer spanischen, englischen und franzosischen Fassung an beiden Orten verfugbar sein muss. \n---|--- \n62 | Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Vorschrift, aus deren Wortlaut sich aufgrund von Abweichungen zwischen den verschiedenen Sprachfassungen keine klare und einheitliche Auslegung herleiten lasst, anhand ihrer Zielsetzung und ihres Gesamtsystems auszulegen ist (vgl. u. a. Urteile Bouchereau, 30/77, [EU:C:1977:172](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1977%3A172&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 14, und Borgmann, C‑1/02, [EU:C:2004:202](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2004%3A202&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 25). \n---|--- \n63 | Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts schließt es aus, sie in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet, sie nach dem wirklichen Willen ihres Urhebers und dem von ihm verfolgten Zweck namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen auszulegen (vgl. Urteil Internetportal und Marketing, C‑569/08, [EU:C:2010:311](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2010%3A311&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 35 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n64 | Hinsichtlich der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorschrift geht aus den Erwagungsgrunden 4 und 10 der Prospektrichtlinie klar hervor, dass die Richtlinie u. a. darauf abzielt, den Anlegerschutz sicherzustellen und einen weitestmoglichen Zugang der Unternehmen zu Anlagekapital in der gesamten Europaischen Union durch Gewahrung einer Einmalzulassung von Wertpapieremittenten zu gewahrleisten. \n---|--- \n65 | Wie die Generalanwaltin in Nr. 81 ihrer Schlussantrage ausfuhrt, konnten diese Ziele in Fallen, in denen der Emittent seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat als der Finanzintermediar, beeintrachtigt werden, da ein dem Publikum allein in Papierform zur Verfugung gestellter Prospekt dann nur an einem dieser beiden Orte verfugbar ware. \n---|--- \n66 | Daruber hinaus spricht die Systematik der Prospektrichtlinie dafur, dass der Prospekt dem Publikum am Sitz sowohl des Emittenten als auch des Finanzintermediars zur Verfugung gestellt werden muss. \n---|--- \n67 | Da Art. 14 Abs. 7 der Richtlinie namlich fur den Fall der Veroffentlichung des Prospekts in elektronischer Form vorschreibt, dass dem Anleger auf dessen Verlangen vom Emittenten oder von den Finanzintermediaren eine Papierversion zur Verfugung gestellt werden muss, ist es erforderlich, dass die Finanzintermediare uber ein Exemplar des Prospekts verfugen, damit sie dieser Verpflichtung nachkommen konnen. Wie die Kommission hervorhebt, impliziert diese Feststellung, dass der Prospekt sowohl am Sitz des Emittenten als auch bei den Finanzintermediaren verfugbar sein muss. \n---|--- \n68 | Daher ist auf die funfte Frage zu antworten, dass Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der Prospektrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der Basisprospekt dem Publikum sowohl am Sitz des Emittenten als auch bei den Finanzintermediaren zur Verfugung gestellt werden muss. \n---|--- \n \nKosten\n\n69 | Fur die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhangigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter fur die Abgabe von Erklarungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfahig. \n---|--- \n| Aus diesen Grunden hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) fur Recht erkannt: \n---|--- \n| | 1. | Art. 22 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europaischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veroffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung ist dahin auszulegen, dass gemaß Abs. 1 dieser Vorschrift zwingend aufzunehmende Informationen, die zwar zum Zeitpunkt der Veroffentlichung des Basisprospekts nicht bekannt waren, jedoch zum Zeitpunkt der Veroffentlichung eines Nachtrags zu diesem Prospekt bekannt sind, in den Nachtrag aufzunehmen sind, wenn es sich bei den Informationen um einen wichtigen neuen Umstand oder eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit, die die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen konnten, im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2003/71/EG des Europaischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim offentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veroffentlichen ist, handelt; dies zu beurteilen ist Sache des vorlegenden Gerichts. \n---|--- \n| | 2. | Die Veroffentlichung eines Basisprospekts ohne die zwingend notwendigen Informationen gemaß Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 809/2004, insbesondere die in Anhang V dieser Verordnung aufgefuhrten Angaben, genugt nicht den Anforderungen von Art. 22 der Verordnung, wenn sie nicht durch die Veroffentlichung der endgultigen Bedingungen erganzt wird. Damit die Informationen, die gemaß Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 809/2004 im Basisprospekt enthalten sein mussen, in die endgultigen Konditionen eingefugt werden konnen, mussen im Basisprospekt die Informationen angegeben werden, die in die endgultigen Konditionen aufzunehmen sind, und diese Informationen mussen die in Art. 22 Abs. 4 der Verordnung genannten Anforderungen erfullen. \n---|--- \n| | 3. | Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung Nr. 809/2004 ist dahin auszulegen, dass das Erfordernis der leichten Zuganglichkeit eines Prospekts bei Aufrufen der Webseite, auf der er veroffentlicht wird, nicht erfullt ist, wenn auf der Website eine mit einer Haftungsausschlussklausel und der Pflicht zur Bekanntgabe einer E‑Mail-Adresse verbundene Registrierungspflicht besteht, wenn dieser elektronische Zugang kostenpflichtig ist oder wenn die kostenlose Abrufbarkeit von Prospektteilen auf zwei Dokumente pro Monat begrenzt ist. \n---|--- \n| | 4. | Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2003/71 ist dahin auszulegen, dass der Basisprospekt dem Publikum sowohl am Sitz des Emittenten als auch bei den Finanzintermediaren zur Verfugung gestellt werden muss. \n---|--- \n| Unterschriften \n---|--- \n \n* * *\n\n( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.\n\n
316,821
eugh-2014-04-09-c-7413
2
Europäischer Gerichtshof
eugh
Europäische Union
C-74/13
2014-04-09
2019-03-14 13:51:01
2019-03-14 13:51:01
Urteil
ECLI:EU:C:2014:243
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)\n\n9. April 2014 ( *1 )\n\n„Vorabentscheidungsersuchen -- Gemeinsamer Zolltarif -- Tarifierung --\nKombinierte Nomenklatur -- TARIC‑Codes 7019 59 00 10 und 7019 59 00 90 --\nVerordnungen zur Einfuhrung von Antidumpingzollen auf Einfuhren bestimmter\noffenmaschiger Gewebe aus Glasfasern mit Ursprung in China -- Abweichende\nSprachfassungen -- Verpflichtung zur Zahlung der Antidumpingzolle"\n\nIn der Rechtssache C‑74/13\n\nbetreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom\nDebreceni Kozigazgatasi es Munkaugyi Birosag (Ungarn) mit Entscheidung vom 30.\nJanuar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Februar 2013, in dem\nVerfahren\n\nGSV Kft.\n\ngegen\n\nNemzeti Ado\\- es Vamhivatal Észak-Alfoldi Regionalis Vam- es Penzugyőri\nFőigazgatosaga\n\nerlasst\n\nDER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)\n\nunter Mitwirkung der Kammerprasidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter\nJ. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis, J.‑C. Bonichot und A. Arabadjiev\n(Berichterstatter),\n\nGeneralanwalt: P. Mengozzi,\n\nKanzler: A. Calot Escobar,\n\naufgrund des schriftlichen Verfahrens,\n\nunter Berucksichtigung der Erklarungen\n\n-- | der ungarischen Regierung, vertreten durch K. Szijjarto, Z. Feher und G.\nKoos als Bevollmachtigte, \n---|--- \n-- | der griechischen Regierung, vertreten durch M. Germani als\nBevollmachtigte, \n---|--- \n-- | der Europaischen Kommission, vertreten durch L. Keppenne und A. Sipos\nals Bevollmachtigte, \n---|--- \n \naufgrund des nach Anhorung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne\nSchlussantrage uber die Rechtssache zu entscheiden,\n\nfolgendes\n\nUrteil\n\n1 | Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Integrierten Tarifs der Europaischen Gemeinschaften (im Folgenden: TARIC), der durch Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 uber die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif ([ABl. L 256, S. 1](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:1987:256:TOC)) eingefuhrt wurde. \n---|--- \n2 | Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der GSV Kft. (im Folgenden: GSV) und der Nemzeti Ado\\- es Vamhivatal Észak-Alfoldi Regionalis Vam- es Penzugyőri Főigazgatosaga (Oberfinanzdirektion der nationalen Abgaben- und Steuerverwaltung fur die Region Nordliche Tiefebene) uber die Zahlung von Antidumpingzollen, die sich aus der Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 138/2011 der Kommission vom 16. Februar 2011 zur Einfuhrung eines vorlaufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter offenmaschiger Gewebe aus Glasfasern mit Ursprung in der Volksrepublik China ([ABl. L 43, S. 9](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2011:043:TOC)) und der Durchfuhrungsverordnung (EU) Nr. 791/2011 des Rates vom 3. August 2011 zur Einfuhrung eines endgultigen Antidumpingzolls und zur endgultigen Vereinnahmung des vorlaufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter offenmaschiger Gewebe aus Glasfasern mit Ursprung in der Volksrepublik China ([ABl. L 204, S. 1](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2011:204:TOC)) ergeben. \n---|--- \n \nRechtlicher Rahmen\n\nHarmonisiertes System und Kombinierte Nomenklatur\n\n3 | Die Kombinierte Nomenklatur (im Folgenden: KN) beruht auf dem weltweiten Harmonisierten System zur Bezeichnung und Codierung der Waren, das vom Rat fur die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollorganisation, ausgearbeitet und mit dem am 14. Juni 1983 in Brussel geschlossenen Internationalen Übereinkommen uber das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren eingefuhrt wurde, das durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 ([ABl. L 198, S. 1](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:1987:198:TOC)) im Namen der Europaischen Wirtschaftsgemeinschaft genehmigt wurde. \n---|--- \n4 | Teil I der KN enthalt eine Reihe einfuhrender Vorschriften. In Titel I („Allgemeine Vorschriften") dieses Teils heißt es unter Abschnitt A („Allgemeine Vorschriften fur die Auslegung der [KN]"): „Fur die Einreihung von Waren in die [KN] gelten folgende Grundsatze: | 1. | Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nur Hinweise. Maßgebend fur die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und - soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist - die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften. \n---|--- \n2. | … | b) | Jede Anfuhrung eines Stoffes in einer Position gilt fur diesen Stoff sowohl in reinem Zustand als auch gemischt oder in Verbindung mit anderen Stoffen. Jede Anfuhrung von Waren aus einem bestimmten Stoff gilt fur Waren, die ganz oder teilweise aus diesem Stoff bestehen. Solche Mischungen oder aus mehr als einem Stoff bestehende Waren werden nach den Grundsatzen der Allgemeinen Vorschrift 3 eingereiht. \n---|--- \n3. | Kommen fur die Einreihung von Waren bei Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 2 b) oder in irgendeinem anderen Fall zwei oder mehr Positionen in Betracht, so wird wie folgt verfahren: | a) | Die Position mit der genaueren Warenbezeichnung geht den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vor. Zwei oder mehr Positionen, von denen sich jede nur auf einen Teil der in einer gemischten oder zusammengesetzten Ware enthaltenen Stoffe oder nur auf einen oder mehrere Bestandteile einer fur den Einzelverkauf aufgemachten Warenzusammenstellung bezieht, werden im Hinblick auf diese Waren als gleich genau betrachtet, selbst wenn eine von ihnen eine genauere oder vollstandigere Warenbezeichnung enthalt. \n---|--- \nb) | Mischungen, Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, und fur den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen, die nach der Allgemeinen Vorschrift 3 a) nicht eingereiht werden konnen, werden nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann. \n---|--- \nc) | Ist die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 3 a) und 3 b) nicht moglich, wird die Ware der von den gleichermaßen in Betracht kommenden Positionen in dieser Nomenklatur zuletzt genannten Position zugewiesen. \n---|--- \n \n…" \n \n5 | In Teil II der KN unter Abschnitt XI („Spinnstoffe und Waren daraus") enthalt Kapitel 59 („Getrankte, bestrichene, uberzogene oder mit Lagen versehene Gewebe; Waren des technischen Bedarfs, aus Spinnstoffen"), die Position 5911 20 00, in der es heißt: 5911Erzeugnisse und Waren des technischen Bedarfs, aus Spinnstoffen, aufgefuhrt in Anmerkung 7 zu diesem Kapitel…5911 20 00- Mullergaze, auch konfektioniert …\\- Gewebe und Filze, endlos oder mit Verbindungsvorrichtungen, von der auf Papiermaschinen oder ahnlichen Maschinen verwendeten Art (z. B. zum Herstellen von Halbstoff oder Asbestzement) \n---|--- \n6 | In Anmerkung 7 Buchst. a zu Kapitel 59 der KN heißt es: „Zu Position 5911, und nicht zu anderen Positionen des Abschnitts XI, gehoren die folgenden Waren: | a) | Die nachstehend erschopfend aufgefuhrten Erzeugnisse aus Spinnstoffen, als Meterware, auf Lange geschnitten oder nur quadratisch oder rechteckig zugeschnitten (ausgenommen Waren der Positionen 5908 bis 5910): \n---|--- \n \n…\n\n-- | Mullergaze; \n---|--- \n \n…" \n \n7 | Kapitel 70 („Glas und Glaswaren") der KN enthalt folgende Position 7019 59: | 7019 | Glasfasern (einschließlich Glaswolle) und Waren daraus (z. B. Garne, Gewebe) \n---|--- \n\\- Vorgarne (Lunten), Glasseidenstrange (Rovings), Garne und Stapelfasern \n… \n\\- Vliese, Matten, Matratzen, Platten und ahnliche nicht gewebte Erzeugnisse \n… | \n7019 59 | \\-- andere \n\\--- offenmaschige Gewebe aus Glasfasern, mit einer Zelllange und ‑breite von\nmehr als 1,8 mm und mit einem Quadratmetergewicht von mehr als 35 g,\nausgenommen Glasfaserscheiben \n \nIntegrierter Tarif der Europaischen Gemeinschaften\n\n8 | Im funften Erwagungsgrund der Verordnung Nr. 2658/87 heißt es: „Bestimmte besondere Gemeinschaftsregelungen konnen im Rahmen der [KN] nicht behandelt werden; es ist deshalb erforderlich, zusatzliche gemeinschaftliche Unterteilungen zu schaffen und diese in einen Integrierten Tarif der Europaischen Gemeinschaften (TARIC) aufzunehmen. …" \n---|--- \n9 | Art. 2 dieser Verordnung sieht vor: „Von der Kommission wird ein [TARIC] erstellt, der den Erfordernissen des Gemeinsamen Zolltarifs, der Außenhandelsstatistiken, der Handels- und Agrarpolitik sowie sonstiger Politiken der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Wareneinfuhr oder -ausfuhr genugt. Dieser Tarif beruht auf der [KN] und umfasst: | a) | die in dieser Verordnung enthaltenen Maßnahmen; \n---|--- \nb) | die zusatzlichen gemeinschaftlichen Unterteilungen, genannt ‚Unterpositionen TARIC\', die zur Durchfuhrung der in Anhang II aufgefuhrten besonderen gemeinschaftlichen Maßnahmen notwendig sind; \n---|--- \n \n…" \n \n10 | Zum Zweck der Einfuhrung eines vorlaufigen Antidumpingzolls hat die Kommission in den TARIC den Code 7019 59 00 10 aufgenommen, der in seiner bei Einfuhrung der vorlaufigen Antidumpingzolle nach der Verordnung Nr. 138/2011 anwendbaren Fassung lautet: „Offenmaschige Gewebe aus Glasfasern, mit einer Zelllange und ‑breite von mehr als 1,8 mm und mit einem Quadratmetergewicht von mehr als 35 g". \n---|--- \n11 | Der TARIC‑Code 7019 59 00 10 in seiner bei Einfuhrung der endgultigen Antidumpingzolle nach der Verordnung Nr. 791/2011 anwendbaren Fassung enthalt den Zusatz, dass „Glasfaserscheiben" von dieser Tarifposition ausgenommen sind. \n---|--- \n12 | Der TARIC‑Code 7019 59 00 90 ist wie folgt definiert: „andere". \n---|--- \n \nVerordnung Nr. 138/2011\n\n13 | In den Erwagungsgrunden 14 und 15 der Verordnung Nr. 138/2011 heißt es: | „(14) | Die Überprufung betrifft offenmaschige Gewebe aus Glasfasern, mit einer Zelllange und ‑breite von mehr als 1,8 mm und mit einem Quadratmetergewicht von mehr als 35 g, mit Ursprung in der Volksrepublik China …, die derzeit unter den KN‑Codes 7019 40 00, ex 7019 51 00, ex 7019 59 00, ex 7019 90 91 und ex 7019 90 99 eingereiht werden. \n---|--- \n(15) | Offenmaschige Gewebe werden aus Glasfasergarnen hergestellt; sie weisen unterschiedlich Zellgroßen und Quadratmetergewicht auf. Sie werden in erster Linie zur Bewehrung in der Baubranche eingesetzt (Außendammung, Marmor-/Bodenbewehrung, Wandreparatur)." \n---|--- \n14 | Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor: „Es wird ein vorlaufiger Antidumpingzoll eingefuhrt auf die Einfuhren von offenmaschigen Geweben aus Glasfasern, mit einer Zelllange und ‑breite von mehr als 1,8 mm und mit einem Quadratmetergewicht von mehr als 35 g, mit Ursprung in der Volksrepublik China, die derzeit unter den KN-Codes 7019 40 00, ex 7019 51 00, ex 7019 59 00, ex 7019 90 91 und ex 7019 90 99 (TARIC‑Codes 7019 40 00 11, 7019 40 00 21, 7019 40 00 50, 7019 51 00 10, 7019 59 00 10, 7019 90 91 10 und 7019 90 99 50) eingereiht werden." \n---|--- \n \nVerordnung Nr. 791/2011\n\n15 | Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 791/2011 bestimmt: „Es wird ein endgultiger Antidumpingzoll eingefuhrt auf die Einfuhren bestimmter offenmaschiger Gewebe aus Glasfasern mit einer Zelllange und ‑breite von mehr als 1,8 mm und mit einem Quadratmetergewicht von mehr als 35 g/m2, ausgenommen Glasfaserscheiben, mit Ursprung in der Volksrepublik China, die derzeit unter den KN-Codes ex 7019 51 00 und ex 7019 59 00 (TARIC‑Codes 7019 51 00 10 und 7019 59 00 10) eingereiht werden." \n---|--- \n \nZollkodex\n\n16 | Art. 239 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ([ABl. L 302, S. 1](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:1992:302:TOC)) lautet: „(1) Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben konnen in anderen als den in den Artikeln 236, 237 und 238 genannten Fallen erstattet oder erlassen werden; diese Falle | -- | werden nach dem Ausschussverfahren festgelegt; \n---|--- \n-- | ergeben sich aus Umstanden, die nicht auf betrugerische Absicht oder\noffensichtliche Fahrlassigkeit des Beteiligten zuruckzufuhren sind. Nach dem\nAusschussverfahren wird festgelegt, in welchen Fallen diese Bestimmung\nangewandt werden kann und welche Verfahrensvorschriften dabei zu beachten\nsind. Die Erstattung oder der Erlass kann von besonderen Voraussetzungen\nabhangig gemacht werden. \n---|--- \n \n(2) Die Erstattung oder der Erlass der Abgaben aus den in Absatz 1 genannten\nGrunden erfolgt auf Antrag; dieser ist innerhalb von zwolf Monaten nach der\nMitteilung der Abgaben an den Zollschuldner bei der zustandigen Zollstelle zu\nstellen. Jedoch konnen\n\n-- | in begrundeten Ausnahmefallen die Zollbehorden diese Frist verlangern, \n---|--- \n \n..." \n \nAusgangsverfahren und Vorlagefragen\n\n17 | Am 17. und am 30. Marz 2011 beantragte GSV die Überfuhrung einer Ware in Form eines Gewebes aus Glasfasern mit Ursprung in China, die sie unter dem TARIC‑Code 7019 59 00 90 anmeldete, in den zollrechtlich freien Verkehr. \n---|--- \n18 | Die Nemzeti Ado\\- es Vamhivatal Hajdu-Bihar Megyei Vam- es Penzugyőri Igazgatosaga (Finanzdirektion der nationalen Abgaben- und Steuerverwaltung fur das Komitat Haiduckenboden-Bihar) war der Ansicht, die betreffende Ware falle unter den TARIC‑Code 7019 59 00 10, da sie die in dieser Position beschriebenen Merkmale aufweise, namlich offenmaschiges Gewebe aus Glasfasern, mit einer Zelllange und ‑breite von mehr als 1,8 mm und mit einem Quadratmetergewicht von mehr als 35 g, und auf sie daher nicht die Tarifposition 7019 59 00 90 des TARIC Anwendung finde, die GSV in ihrer Zollanmeldung angegeben habe. \n---|--- \n19 | Infolge dieser Einreihung waren die ungarischen Zollbehorden der Auffassung, dass die betreffende Ware erst einem vorlaufigen Antidumpingzoll nach Art. 1 der Verordnung Nr. 138/2011 und dann einem endgultigen Antidumpingzoll nach Art. 1 der Verordnung Nr. 791/2011 unterlegen habe, und forderten GSV auf, diese Antidumpingzolle zu entrichten. \n---|--- \n20 | GSV focht diese Entscheidung bei der Nemzeti Ado\\- es Vamhivatal Észak-Alfoldi Regionalis Vam- es Penzugyőri Főigazgatosaga an und machte geltend, dass die von ihr eingefuhrte Ware in die Tarifposition 7019 59 00 90 des TARIC einzureihen sei, da sie nicht dem Begriff „szitaszovet" entspreche, wie er in der ungarischen Sprachfassung dieser Verordnungen und des TARIC‑Codes 7019 59 00 10 verwendet werde. Das ungarische Wort „szitaszovet" ist u. a. ins Englische mit „bolting cloth" und ins Franzosische mit „gazes et toiles a bluter" zu ubersetzen, wahrend in der englischen und in der franzosischen Sprachfassung des genannten TARIC‑Codes die Ausdrucke „open mesh fabrics" und „tissu a maille ouverte" verwendet werden, die in ungarischer Übersetzung „halos szovet" bedeuten. \n---|--- \n21 | Nachdem die Beklagte des Ausgangsverfahrens die genannte Entscheidung bestatigt hatte, erhob GSV beim vorlegenden Gericht Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der von den ungarischen Zollbehorden vorgenommenen tariflichen Einreihung und auf Aufhebung der von diesen erlassenen Entscheidungen. \n---|--- \n22 | Die Parteien des Ausgangsrechtsstreits sind sich daruber einig, dass es sich bei der betreffenden Ware nicht um „szitaszovet" handelt. \n---|--- \n23 | Unter diesen Umstanden hat das Debreceni Kozigazgatasi es Munkaugyi Birosag entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: | 1. | Kann unter Berucksichtigung der zolltariflichen Einreihung und der unterschiedlichen Sprachfassungen des Unionsrechts ein Material, das | -- | weiß, \n---|--- \n-- | rechteckig, \n---|--- \n-- | gewebt und \n---|--- \n-- | im Dreherbindungsverfahren hergestellt ist, \n---|--- \n-- | wobei der Schuss aus zwei Faden besteht, \n---|--- \n-- | welche miteinander verschlungen den Kettfaden einfassen, \n---|--- \n-- | mit einer Gewebelochgroße von 4 × 4 mm, \n---|--- \n-- | mit einem Ausmaß von 100 cm × 201 cm, \n---|--- \n-- | dessen Fasern aus Glas bestehen und \n---|--- \n-- | mit einem Kunststoffuberzug aus Styrolacrylatcopolymer versehen sind, \n---|--- \n-- | das nicht aus Glasseidenstrangen hergestellt ist, \n---|--- \n-- | mit einem Flachengewicht von 136 g/m2, \n---|--- \n-- | mit einer Kettfadenfeinheit von 415 tex und \n---|--- \n-- | einer Schussfadenfeinheit von 132 tex \n---|--- \n \ndie Materialeigenschaften eines\n\n-- | offenmaschigen Gewebes, \n---|--- \n-- | aus Glasfasern, \n---|--- \n-- | mit einer Zelllange und ‑breite von mehr als 1,8 mm \n---|--- \n-- | und mit einem Quadratmetergewicht von mehr als 35 g, \n---|--- \n \nim Sinne des 14. Erwagungsgrundes und des Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr.\n138/2011 aufweisen, und ist der TARIC‑Code 7019 59 00 10 somit dahin\nauszulegen, dass ein solches Material mit den genannten Eigenschaften unter\ndiesen TARIC‑Code fallt? \n \n2. | Falls die erste Frage zu bejahen ist, erlaubt dann das Gemeinschaftsrecht, diejenige naturliche oder juristische Person, die im Vertrauen auf den in der Sprache ihrer Staatsangehorigkeit bekannt gemachten Normtext einer Verordnung - ohne sich der eventuell abweichenden Bedeutung weiterer Sprachfassungen vergewissert zu haben - auf der Grundlage der allgemeinen und gelaufigen Bedeutung des Wortlauts des Normtextes in der betreffenden Sprache ein außerhalb der Europaischen Union gefertigtes Erzeugnis in das Gebiet der Union einfuhrt, das nach der ihr bekannten Sprachfassung nicht unter die Erzeugnisse fallt, die mit Antidumpingzoll belegt werden konnen, auch dann von der Zahlung des Antidumpingzolls zu befreien, wenn sich aus einem Vergleich der unterschiedlichen Sprachfassungen des Gemeinschaftsrechts ableiten lasst, dass das Erzeugnis nach dem Gemeinschaftsrecht gleichwohl mit einem Antidumpingzoll zu belegen ware? \n---|--- \n \nZu den Vorlagefragen\n\nZur ersten Frage\n\n24 | Mit seiner ersten Frage mochte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der TARIC‑Code 7019 59 00 10 dahin auszulegen ist, dass diese Position Waren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erfasst, die u. a. aus einem Gewebe aus Glasfasern bestehen und eine Gewebelochgroße von 4 mm Lange und Breite sowie ein Quadratmetergewicht von 136 g aufweisen. \n---|--- \n25 | Von dieser Tarifposition erfasst werden nach ihrer franzosischen Sprachfassung „tissus de fibre de verre a maille ouverte dont la cellule mesure plus de 1,8 mm tant en longueur qu\'en largeur et dont le poids est superieur a 35 g/m2" („offenmaschige Gewebe aus Glasfasern mit einer Zelllange und ‑breite von mehr als 1,8 mm und mit einem Quadratmetergewicht von mehr als 35 g"). \n---|--- \n26 | Die ungarische Sprachfassung dieser Tarifposition weicht jedoch von dem in der vorstehenden Randnummer wiedergegebenen Text insoweit ab, als darin der Begriff „szitaszovet" verwendet wird, der ins Franzosische mit „gazes et toiles a bluter" („Mullergaze") und nicht mit „tissu a maille ouverte" („offenmaschige Gewebe") ubersetzt wird. \n---|--- \n27 | Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach standiger Rechtsprechung die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage fur die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder Vorrang vor den anderen sprachlichen Fassungen beanspruchen kann. Die Bestimmungen des Unionsrechts mussen namlich im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Textes des Unionsrechts voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehort (vgl. Urteil Kurcums Metal, C‑558/11, [EU:C:2012:721](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2012%3A721&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 48 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n28 | Festzustellen ist insoweit, dass sich die Fassungen des TARIC‑Codes 7019 59 00 10 in den anderen Sprachen der Union - anders als die ungarische Sprachfassung - wie die in Rn. 26 des vorliegenden Urteils wiedergegebene franzosische Sprachfassung ausdrucklich auf „offenmaschige Gewebe" und nicht auf „Mullergaze" beziehen. So ist etwa in der spanischen Sprachfassung von „tejidos de malla abierta" die Rede, in der deutschen Sprachfassung wird der Ausdruck „offenmaschige Gewebe" verwendet, in der englischen Sprachfassung heißt es „open mesh fabrics", in der polnischen Sprachfassung wird der Ausdruck „tkaniny siatkowe o otwartych" verwendet, und in der schwedischen Sprachfassung heißt es „oppna maskor". \n---|--- \n29 | Der Wortlaut des TARIC‑Codes 7019 59 00 10 in den in der vorstehenden Randnummer genannten Fassungen legt somit nahe, dass diese Tarifposition auf „Mullergaze" keine Anwendung finden soll. \n---|--- \n30 | Die allgemeine Systematik und der Zweck dieser Tarifposition stutzen diese Schlussfolgerung. Der Wortlaut der Position 7019 der KN bezieht sich namlich auf Glasfasern, einschließlich Glaswolle, und Waren daraus, z. B. Garne und Gewebe, und bezeichnet damit ausschließlich Waren, deren Haupteigenschaft ist, dass sie aus Glasfaser bestehen. Daraus ergibt sich, dass das Merkmal, wonach es sich um ein offenmaschiges Gewebe handeln muss, notwendigerweise zusammen mit dem Merkmal zu lesen ist, wonach dieses Gewebe aus Glasfasern bestehen muss. \n---|--- \n31 | Indes ist der Ausdruck „gazes et toiles a bluter" („Mullergaze") insbesondere in dem gewohnlichen Sinn, den das Verb „bluter" („sieben") im allgemeinen Sprachgebrauch hat, aufzufassen, wonach es den Vorgang des Siebens, also des Filterns und Aussonderns, bezeichnet, wahrend sich Glasfasern im Gegensatz dazu durch ihre bewehrenden und dammenden Eigenschaften auszeichnen, wie sich u. a. aus dem 15. Erwagungsgrund der Verordnung Nr. 138/2011 ergibt. \n---|--- \n32 | Außerdem ist „Mullergaze" ausdrucklich - auch in der ungarischen Sprachfassung der KN - von der Position 5911 der KN „Erzeugnisse und Waren des technischen Bedarfs, aus Spinnstoffen, aufgefuhrt in Anmerkung 7 zu diesem Kapitel", erfasst. In Buchst. a dieser Anmerkung 7 zu Kapitel 59 der KN ist ausdrucklich darauf hingewiesen, dass die Position 5911 u. a. „Mullergaze" umfasst, die somit nicht zu anderen Positionen des Abschnitts XI („Spinnstoffe und Waren daraus") der KN gehort. Daraus folgt, dass „Mullergaze" auch nicht unter den Abschnitt XIII („Waren aus Steinen, Gips, Zement, Asbest, Glimmer oder ahnlichen Stoffen; keramische Waren; Glas und Glaswaren") der KN fallen kann, zu dem die Position 7019 der KN gehort. \n---|--- \n33 | Im Übrigen ist hervorzuheben, dass der TARIC‑Code 7019 59 00 10 zu dem Zweck eingefuhrt wurde, einen Antidumpingzoll auf, wie sich aus dem Wortlaut der Verordnungen Nrn. 138/2011 und 791/2011 ergibt, bestimmte offenmaschige Gewebe aus Glasfasern mit Ursprung in China zu erheben. \n---|--- \n34 | Daraus folgt, dass eine gegenteilige Auslegung wie die von der Klagerin des Ausgangsverfahrens vertretene einer Umgehung der so eingefuhrten Antidumpingmaßnahmen gleichkame. \n---|--- \n35 | Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Tarifposition 7019 59 00 10 des TARIC dahin auszulegen ist, dass offenmaschige Glasfasergewebe mit einer Zelllange und ‑breite von mehr als 1,8 mm und einem Quadratmetergewicht von mehr als 35 g davon erfasst sind. \n---|--- \n36 | Was ferner die Frage betrifft, ob die Merkmale der von der Klagerin des Ausgangsverfahrens eingefuhrten Ware, wie sie in der Vorlageentscheidung beschrieben sind, samtlichen Merkmalen dieser Tarifposition entsprechen, ist darauf hinzuweisen, dass es in einem Vorabentscheidungsverfahren auf dem Gebiet der Tarifierung Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht die Kriterien aufzuzeigen, anhand deren es die betreffenden Waren ordnungsgemaß in die KN einreihen kann, nicht aber, diese Einreihung selbst vorzunehmen, zumal der Gerichtshof nicht immer uber alle hierfur erforderlichen Angaben verfugt. Das nationale Gericht ist hierzu jedenfalls besser in der Lage (vgl. in diesem Sinne Urteile Proxxon, C‑500/04, [EU:C:2006:111](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2006%3A111&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 23, und Digitalnet u. a., C‑320/11, C‑330/11, C‑382/11 und C‑383/11, [EU:C:2012:745](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2012%3A745&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 61). \n---|--- \n37 | Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben und ihm die Tarifierung, mit der es befasst ist, zu ermoglichen, kann ihm der Gerichtshof jedoch im Geist der Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten und unter Berucksichtigung der Angaben in der Vorlageentscheidung alle Hinweise geben, die er fur erforderlich halt (vgl. in diesem Sinne Urteile Lohmann und Medi Bayreuth, C‑260/00 bis C‑263/00, [EU:C:2002:637](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2002%3A637&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 28, und Parlitigu, C‑56/08, [EU:C:2009:467](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2009%3A467&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 23). \n---|--- \n38 | Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach standiger Rechtsprechung im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprufbarkeit das entscheidende Kriterium fur die Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. u. a. Urteile Proxxon, [EU:C:2006:111](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2006%3A111&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 21, Rakvere Lihakombinaat, C‑140/08, [EU:C:2009:667](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2009%3A667&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 42, und Digitalnet u. a., [EU:C:2012:745](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2012%3A745&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 27 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n39 | Hinsichtlich des ersten im TARIC‑Code 7019 59 00 10 genannten Merkmals, namlich, dass das Gewebe aus Glasfasern besteht, ist in Anbetracht der Angaben, die das vorlegende Gericht in Beantwortung eines gemaß Art. 101 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs an es ergangenen Ersuchens um Klarstellung ubermittelt hat, festzustellen, dass die Garne, aus denen die Bindung des von der Klagerin des Ausgangsverfahrens eingefuhrten Gewebes besteht, aus Glasfasern sind. \n---|--- \n40 | Zum zweiten Merkmal, das eine Ware im Sinne des TARIC‑Codes 7019 59 00 10 aufweisen muss, namlich, dass sie offenmaschig sein muss, ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass die von der Klagerin des Ausgangsverfahrens eingefuhrte Ware im Dreherbindungsverfahren hergestellt ist, wobei der Schuss aus zwei Faden besteht, welche miteinander verschlungen den Kettfaden einfassen, keine Auswirkungen auf die zolltarifliche Einreihung der betreffenden Ware hat, da diese, wie sich aus den vom vorlegenden Gericht ubermittelten Angaben ergibt, tatsachlich Gewebelocher von 4 × 4 mm enthalt. \n---|--- \n41 | Diese Tarifposition setzt ferner voraus, dass das offenmaschige Glasfasergewebe eine Zelllange und ‑breite von mehr als 1,8 mm und ein Quadratmetergewicht von mehr als 35 g aufweist. \n---|--- \n42 | Wie sich aus dem Wortlaut der ersten Vorlagefrage ergibt, besteht die Ware, die die Klagerin des Ausgangsverfahrens bei den ungarischen Zollbehorden angemeldet hat, wie in Rn. 40 des vorliegenden Urteils ausgefuhrt, aus einem Gewebe mit einer Gewebelochgroße von 4 × 4 mm und einem Quadratmetergewicht von 136 g. \n---|--- \n43 | Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Verwendungszweck des Erzeugnisses ein objektives Einreihungskriterium sein kann, sofern er sich aus der Natur des Erzeugnisses ergibt; ob Letzteres zutrifft, muss sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften des Erzeugnisses beurteilen lassen (vgl. insbesondere Urteile, Sunshine Deutschland Handelsgesellschaft, C‑229/06, [EU:C:2007:239](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2007%3A239&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 28, Medion und Canon Deutschland, C‑208/06 und C‑209/06, [EU:C:2007:553](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2007%3A553&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 37, und TNT Freight Management, C‑291/11, [EU:C:2012:459](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2012%3A459&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab), Rn. 33 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n44 | Daher ist hervorzuheben, dass in Anbetracht des 15. Erwagungsgrundes der Verordnung Nr. 138/2011 das offenmaschige Glasfasergewebe in der Baubranche als Bewehrungsmaterial verwendet werden soll, namlich als Außendammung, zur Marmor- oder Bodenbewehrung oder zur Wandreparatur. \n---|--- \n45 | Aus den Angaben, die das vorlegende Gericht in Beantwortung des oben in Rn. 39 genannten Ersuchens um Klarstellung ubermittelt hat, geht auch hervor, dass die von der Klagerin des Ausgangsverfahrens eingefuhrte Ware fur die Baubranche bestimmt ist. \n---|--- \n46 | Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass der TARIC‑Code 7019 59 00 10 dahin auszulegen ist, dass von dieser Position Waren wie die vom vorlegenden Gericht beschriebenen erfasst sein konnen, die insbesondere aus Glasfasergewebe mit einer Gewebelochgroße von 4 x 4 mm und einem Quadratmetergewicht von mehr als 35 g bestehen und fur die Baubranche bestimmt sind. \n---|--- \n \nZur zweiten Frage\n\n47 | Mit seiner zweiten Frage mochte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Umstand, dass die in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zollanmeldung bezeichnete Ware zwar die Merkmale erfullt, die nach dem TARIC‑Code 7019 59 00 10 vorgesehen sind und in den Verordnungen, nach denen diese Ware einem Antidumpingzoll unterliegt, aufgegriffen werden, jedoch nicht der Bezeichnung entspricht, die sie in den in der Sprache des Herkunftsmitgliedstaats des Anmelders veroffentlichten Fassungen dieses Codes und dieser Verordnungen erhalten hat, auf die sich der Anmelder in seiner Anmeldung ausschließlich gestutzt hat, zur Aufhebung der zolltariflichen Einreihung dieser Ware unter den genannten Code, die die Zollbehorden auf der Grundlage samtlicher anderer Sprachfassungen dieses Codes und dieser Verordnungen vorgenommen haben, fuhren kann. \n---|--- \n48 | Wie sich aus der in Rn. 27 des vorliegenden Urteils angefuhrten standigen Rechtsprechung ergibt, kann die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage fur die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder insoweit Vorrang vor den anderen sprachlichen Fassungen beanspruchen, da die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden mussen. \n---|--- \n49 | Außerdem ist der TARIC‑Code 7019 59 00 10, wie sich aus der Antwort auf die erste Frage ergibt, dahin auszulegen, dass von dieser Position eine Ware erfasst ist, die insbesondere aus Glasfasergewebe mit einer Gewebelochgroße von 4 x 4 mm und einem Quadratmetergewicht von mehr als 35 g besteht und fur die Baubranche bestimmt ist. \n---|--- \n50 | Entspricht also die von der Klagerin des Ausgangsverfahrens eingefuhrte Ware der Beschreibung der Ware, die nach den Verordnungen Nrn. 138/2011 und 791/2011 Antidumpingzollen unterliegt, sind fur ihre Einfuhr in die Union diese Zolle zu zahlen. \n---|--- \n51 | Unter diesen Umstanden kann den Zollbehorden kein Vorwurf daraus gemacht werden, die genannte Ware in die Tarifposition 7019 59 00 10 des TARIC eingereiht zu haben. \n---|--- \n52 | Allerdings stehen die vorstehenden Erwagungen einer etwaigen Erstattung oder einem etwaigen Erlass dieser Antidumpingzolle nach dem Verfahren des Art. 239 des Zollkodex nicht entgegen, sofern die dort vorgesehenen Voraussetzungen erfullt sind. \n---|--- \n53 | Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass der Umstand, dass die in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zollanmeldung bezeichnete Ware zwar die Merkmale erfullt, die nach dem TARIC‑Code 7019 59 00 10 vorgesehen sind und in den Verordnungen, nach denen diese Ware einem Antidumpingzoll unterliegt, aufgegriffen werden, jedoch nicht der Bezeichnung entspricht, die sie in den in der Sprache des Herkunftsmitgliedstaats des Anmelders veroffentlichten Fassungen dieses Codes und dieser Verordnungen erhalten hat, auf die sich der Anmelder in seiner Anmeldung ausschließlich gestutzt hat, nicht zur Aufhebung der zolltariflichen Einreihung dieser Ware unter den genannten Code, die die Zollbehorden auf der Grundlage samtlicher anderer Sprachfassungen dieses Codes und dieser Verordnungen vorgenommen haben, fuhren kann. \n---|--- \n \nKosten\n\n54 | Fur die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhangigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter fur die Abgabe von Erklarungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfahig. \n---|--- \n| Aus diesen Grunden hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) fur Recht erkannt: \n---|--- \n| | 1. | Der Integrierte Tarif der Europaischen Gemeinschaften, der durch Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 uber die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif eingefuhrt wurde, ist dahin auszulegen, dass von seinem Code 7019 59 00 10 Waren wie die vom vorlegenden Gericht beschriebenen erfasst sein konnen, die insbesondere aus Glasfasergewebe mit einer Gewebelochgroße von 4 x 4 mm und einem Quadratmetergewicht von mehr als 35 g bestehen und fur die Baubranche bestimmt sind. \n---|--- \n| | 2. | Der Umstand, dass die in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zollanmeldung bezeichnete Ware zwar die Merkmale erfullt, die nach dem Code 7019 59 00 10 des Integrierten Tarifs der Europaischen Gemeinschaften vorgesehen sind und in den Verordnungen, nach denen diese Ware einem Antidumpingzoll unterliegt, aufgegriffen werden, jedoch nicht der Bezeichnung entspricht, die sie in den in der Sprache des Herkunftsmitgliedstaats des Anmelders veroffentlichten Fassungen dieses Codes und dieser Verordnungen erhalten hat, auf die sich der Anmelder in seiner Anmeldung ausschließlich gestutzt hat, kann nicht zur Aufhebung der zolltariflichen Einreihung dieser Ware unter den genannten Code, die die Zollbehorden auf der Grundlage samtlicher anderer Sprachfassungen dieses Codes und dieser Verordnungen vorgenommen haben, fuhren. \n---|--- \n| Unterschriften \n---|--- \n \n* * *\n\n( *1 ) Verfahrenssprache: Ungarisch.\n\n
316,863
eugh-2014-03-20-c-6112
2
Europäischer Gerichtshof
eugh
Europäische Union
C-61/12
2014-03-20
2019-03-14 13:51:51
2019-03-14 13:51:51
Urteil
ECLI:EU:C:2014:172
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Funfte Kammer)\n\n20. Marz 2014 ( *1 )\n\n„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats -- Zulassung von Kraftfahrzeugen --\nArt. 34 AEUV und 36 AEUV -- Richtlinie 70/311/EWG -- Richtlinie 2007/46/EG --\nRechtsverkehr in einem Mitgliedstaat -- Verpflichtung, fur die Zulassung die\nLenkanlage von Personenkraftwagen auf die linke Seite zu versetzen, wenn sie\nsich auf der rechten Seite befindet"\n\nIn der Rechtssache C‑61/12\n\nbetreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 6.\nFebruar 2012,\n\nEuropaische Kommission, vertreten durch A. Steiblytė, G. Wilms und G. Zavvos\nals Bevollmachtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,\n\nKlagerin,\n\ngegen\n\nRepublik Litauen, vertreten durch D. Kriaučiūnas und R. Krasuckaitė als\nBevollmachtigte,\n\nBeklagte,\n\nunterstutzt durch\n\nRepublik Estland, vertreten durch M. Linntam als Bevollmachtigte,\n\nRepublik Lettland, vertreten durch I. Kalniņš und A. Nikolajeva als\nBevollmachtigte,\n\nRepublik Polen, vertreten durch B. Majczyna und M. Szpunar als\nBevollmachtigte,\n\nStreithelferinnen,\n\nerlasst\n\nDER GERICHTSHOF (Funfte Kammer)\n\nunter Mitwirkung des Kammerprasidenten T. von Danwitz sowie der Richter E.\nJuhasz (Berichterstatter), A. Rosas, D. Švaby und C. Vajda,\n\nGeneralanwalt: N. Jaaskinen,\n\nKanzler: A. Calot Escobar,\n\naufgrund des schriftlichen Verfahrens,\n\nnach Anhorung der Schlussantrage des Generalanwalts in der Sitzung vom 7.\nNovember 2013\n\nfolgendes\n\nUrteil\n\n1 | Mit ihrer Klage beantragt die Europaische Kommission die Feststellung, dass die Republik Litauen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 2a der Richtlinie 70/311/EWG des Rates vom 8. Juni 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten uber die Lenkanlagen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhangern ([ABl. L 133, S. 10](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:1970:133:TOC)), aus Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46/EG des Europaischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens fur die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhangern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstandigen technischen Einheiten fur diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) ([ABl. L 263, S. 1](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2007:263:TOC)) und aus Art. 34 AEUV verstoßen hat, dass sie die Zulassung von Personenkraftwagen, deren Lenkrad auf der rechten Seite angebracht ist, verbietet und/oder fur die Zulassung von neuen oder zuvor in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Personenkraftwagen, deren Lenkanlage sich auf der rechten Seite befindet, verlangt, dass das Lenkrad auf die linke Seite versetzt wird. \n---|--- \n \nRechtlicher Rahmen\n\nUnionsrecht\n\n2 | Die Erwagungsgrunde 2, 3 und 14 der Richtlinie 2007/46 lauten: | „(2) | Im Interesse der Verwirklichung und des Funktionierens des Binnenmarktes der Gemeinschaft sollten die Genehmigungssysteme der Mitgliedstaaten durch ein gemeinschaftliches Genehmigungsverfahren ersetzt werden, das auf dem Grundsatz einer vollstandigen Harmonisierung beruht. \n---|--- \n(3) | Die technischen Anforderungen fur Systeme, Bauteile, selbstandige technische Einheiten und Fahrzeuge sollten in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden. Diese Rechtsakte sollten vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen. \n---|--- \n \n…\n\n(14) | Mit den Rechtsvorschriften fur die Genehmigung von Fahrzeugen soll in erster Linie sichergestellt werden, dass neue Fahrzeuge, Bauteile und selbstandige technische Einheiten, die in Verkehr gebracht werden, ein hohes Sicherheits- und Umweltschutzniveau bieten. Dieses Ziel sollte nicht durch den Einbau bestimmter Teile oder Ausrustungen nach dem Inverkehrbringen oder der Inbetriebnahme von Fahrzeugen beeintrachtigt werden. Daher sollten geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass Teile oder Ausrustungen, die in Fahrzeuge eingebaut werden konnen und die Funktionsweise von Systemen, die in Bezug auf Sicherheit und Umweltschutz von wesentlicher Bedeutung sind, erheblich beeintrachtigen konnen, einer vorhergehenden Kontrolle durch eine Genehmigungsbehorde unterliegen, bevor sie zum Kauf angeboten werden. Diese Maßnahmen sollten als technische Bestimmungen fur die Anforderungen ausgestaltet werden, denen diese Teile oder Ausrustungen entsprechen mussen." \n---|--- \n3 | Art. 1 („Gegenstand") der Richtlinie 2007/46 bestimmt: „Diese Richtlinie schafft einen harmonisierten Rahmen mit den Verwaltungsvorschriften und allgemeinen technischen Anforderungen fur die Genehmigung aller in ihren Geltungsbereich fallenden Neufahrzeuge und der zur Verwendung in diesen Fahrzeugen bestimmten Systeme, Bauteile und selbstandigen technischen Einheiten; damit sollen ihre Zulassung, ihr Verkauf und ihre Inbetriebnahme in der Gemeinschaft erleichtert werden. Diese Richtlinie enthalt außerdem die Vorschriften fur den Verkauf und die Inbetriebnahme von Teilen und Ausrustungen fur Fahrzeuge, die nach dieser Richtlinie genehmigt wurden. Zur Durchfuhrung dieser Richtlinie werden in Rechtsakten besondere technische Anforderungen fur den Bau und den Betrieb von Fahrzeugen festgelegt; Anhang IV enthalt eine vollstandige Auflistung dieser Rechtsakte." \n---|--- \n4 | Art. 4 („Pflichten der Mitgliedstaaten") Abs. 3 dieser Richtlinie sieht vor: „Die Mitgliedstaaten gestatten die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen, Bauteilen und selbstandigen technischen Einheiten nur, wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen. Die Mitgliedstaaten durfen die Zulassung, den Verkauf, die Inbetriebnahme oder die Teilnahme am Straßenverkehr von Fahrzeugen, Bauteilen oder selbstandigen technischen Einheiten nicht unter Verweis auf die von dieser Richtlinie erfassten Aspekte des Baus oder der Wirkungsweise untersagen, beschranken oder behindern, wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen." \n---|--- \n5 | Art. 9 („Spezifische Bestimmungen fur Fahrzeuge") Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie bestimmt: „Die Mitgliedstaaten erteilen eine EG-Genehmigung fur | a) | einen Typ eines Fahrzeugs, der mit den Angaben in der Beschreibungsmappe ubereinstimmt und den technischen Anforderungen der in Anhang IV aufgefuhrten einschlagigen Rechtsakte entspricht". \n---|--- \n6 | Anhang IV Teil I der genannten Richtlinie enthalt die Liste der sogenannten „Einzelrichtlinien", die die speziell fur die Erteilung der EG-Typgenehmigung anzuwendenden technischen Anforderungen festlegen. \n---|--- \n7 | Art. 18 („Übereinstimmungsbescheinigung") Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2007/46 hat folgenden Wortlaut: „Der Hersteller in seiner Eigenschaft als Inhaber einer EG-Typgenehmigung fur Fahrzeuge legt jedem vollstandigen, unvollstandigen oder vervollstandigten Fahrzeug, das in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellt wurde, eine Übereinstimmungsbescheinigung bei." \n---|--- \n8 | Art. 26 („Zulassung, Verkauf und Inbetriebnahme von Fahrzeugen") Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie sieht vor: „Unbeschadet der Artikel 29 und 30 gestatten die Mitgliedstaaten die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen nur dann, wenn sie mit einer gultigen Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 versehen sind." \n---|--- \n9 | Anhang I dieser Richtlinie tragt die Überschrift „Gesamtumfang der Beschreibungsmerkmale zur EG-Typgenehmigung fur Fahrzeuge". Abschnitt 1 („Allgemeine Baumerkmale des Fahrzeugs") dieses Anhangs sieht vor: „… | 1.8. | Links- oder Rechtslenker (1) \n---|--- \n1.8.1. | Das Fahrzeug ist fur Rechtsverkehr/Linksverkehr (1) ausgerustet. \n---|--- \n \n…"\n\nDie Erlauterungen zu Anhang I lauten wie folgt:\n\n„(1) Nichtzutreffendes streichen (Trifft mehr als eine Angabe zu, ist unter\nUmstanden nichts zu streichen.)" \n \n10 | Anhang III der genannten Richtlinie tragt die Überschrift „Beschreibungsbogen zur EG-Typgenehmigung fur Fahrzeuge". Abschnitt 1 („Allgemeine Baumerkmale des Fahrzeugs") dieses Anhangs sieht vor: „… | 1.8. | Links- oder Rechtslenker (1) \n---|--- \n1.8.1. | Das Fahrzeug ist fur Rechtsverkehr/Linksverkehr (1) ausgerustet \n---|--- \n \n…"\n\nDie Erlauterung zum Verweis (1) des Anhangs III Abschnitt 1 ist wortgleich mit\nder Erlauterung zum Verweis (1) des in Rn. 9 des vorliegenden Urteils\nzitierten Anhangs I Abschnitt 1. \n \n11 | Anhang IX der Richtlinie 2007/46, der durch die Verordnung (EG) Nr. 385/2009 der Kommission vom 7. Mai 2009 ([ABl. L 118, S. 13](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2009:118:TOC)) zur Anpassung an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt ersetzt wurde, tragt die Überschrift „EG-Übereinstimmungsbescheinigung". In Abschnitt 0 („Ziele") dieses Anhangs heißt es: „Die Übereinstimmungsbescheinigung stellt eine Erklarung des Fahrzeugherstellers dar, in der er dem Fahrzeugkaufer versichert, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Europaischen Union geltenden Rechtsvorschriften ubereinstimmte. Die Übereinstimmungsbescheinigung soll es außerdem den zustandigen Behorden der Mitgliedstaaten ermoglichen, Fahrzeuge zuzulassen, ohne vom Antragsteller zusatzliche technische Unterlagen anfordern zu mussen. …" \n---|--- \n12 | S. 1 dieser Bescheinigung enthalt folgende Angabe: „Der Unterzeichner … bestatigt hiermit, dass das unten bezeichnete Fahrzeug … mit dem in der am … erteilten Genehmigung … beschriebenen Typ in jeder Hinsicht ubereinstimmt und zur fortwahrenden Teilnahme am Straßenverkehr in Mitgliedstaaten mit Rechts-/Linksverkehr … zugelassen werden kann." \n---|--- \n13 | Die Erlauterungen zu Anhang IX der Richtlinie 2007/46 sehen in den Buchst. b und d vor: | „b) | Geben Sie an, ob das Fahrzeug fur Rechts- oder Linksverkehr oder fur beide Verkehrssysteme geeignet ist. \n---|--- \n \n…\n\nd) | Diese Angabe hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, technische Änderungen vorzuschreiben, wenn ein Fahrzeug in einem Mitgliedstaat zugelassen werden soll, fur den es nicht bestimmt war und in dem eine andere Verkehrsrichtung gilt." \n---|--- \n14 | Die Richtlinie 70/311 ist eine der in Anhang IV der Richtlinie 2007/46 genannten Einzelrichtlinien. Art. 2a der Richtlinie 70/311, der dieser durch die Akte uber die Bedingungen des Beitritts des Konigreichs Danemark, Irlands und des Vereinigten Konigreichs Großbritannien und Nordirland zu den Europaischen Gemeinschaften und die Anpassungen der Vertrage ([ABl. 1972, L 73, S. 14](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:1972:073:TOC)) hinzugefugt wurde, bestimmt: „Die Mitgliedstaaten durfen den Verkauf, die Zulassung, die Inbetriebnahme oder die Benutzung der Kraftfahrzeuge nicht wegen der Lenkanlage verweigern oder verbieten, wenn diese den Vorschriften des Anhangs entspricht." \n---|--- \n15 | Anhang I dieser Richtlinie tragt die Überschrift „Geltungsbereich, Begriffsbestimmungen, Antrag auf Erteilung der EG-Typengenehmigung, Erteilung der EG-Typengenehmigung, Bauvorschriften, Prufvorschriften, Veranderungen des Typs und Änderungen der Typengenehmigungen, Übereinstimmung der Produktion". \n---|--- \n16 | In Abschnitt 1.3 dieses Anhangs heißt es: „Im Sinne dieser Richtlinie [bedeutet]: … Lenkanlage, die gesamte Einrichtung, mit der die Fahrtrichtung des Fahrzeugs bestimmt wird. Die Lenkanlage umfasst: | -- | die Betatigungseinrichtung, \n---|--- \n-- | die Übertragungseinrichtung, \n---|--- \n-- | die gelenkten Rader, \n---|--- \n-- | ggf. die Energieversorgungsanlage". \n---|--- \n17 | Abschnitt 4.1.1 dieses Anhangs sieht vor: „Die Lenkanlage muss ein einfaches sicheres Lenken des Fahrzeugs bis zu seiner bauartbedingten Hochstgeschwindigkeit … gewahrleisten …" \n---|--- \n18 | Anlage 1 des Anhangs I der Richtlinie 70/311 tragt die Überschrift „Beschreibungsbogen … gemaß Anhang I der Richtlinie 70/156/EWG des Rates betreffend die EG-Typgenehmigung eines Fahrzeugs in Bezug auf die Lenkanlage …". In Abschnitt 1 („Allgemeine Baumerkmale des Fahrzeugs") dieser Anlage heißt es: „… | 1.8. | Links- oder Rechtslenker … \n---|--- \n \n…" \n \nLitauisches Recht\n\n19 | Das Gesetz uber die Sicherheit des Straßenverkehrs (Žin., 2000, Nr. 92‑2883), das am 1. Juli 2008 in neuer Fassung in Kraft getreten ist, legt den gesetzlichen Rahmen der Sicherheit des Straßenverkehrs in Litauen fest. \n---|--- \n20 | Art. 25 Abs. 4 dieses Gesetzes bestimmt: „Es ist verboten, auf offentlichen Straßen Kraftfahrzeuge zu fuhren, die fur den Linksverkehr bestimmt sind und/oder deren Lenkrad sich auf der rechten Seite befindet, es sei denn, sie wurden vor dem 1. Mai 1993 in der Republik Litauen zugelassen oder sind aufgrund ihrer Konzeption und Ausstattung fur besondere Zwecke bestimmt. Dieses Verbot gilt zeitlich begrenzt (bis zu 90 Tage im Jahr) nicht fur Auslander, die mit einem im Ausland zugelassenen Fahrzeug in die Republik Litauen eingereist sind und nicht uber einen vorlaufigen oder endgultigen Aufenthaltstitel fur die Republik Litauen verfugen, fur litauische Burger, deren standiger Wohnsitz sich im Ausland befindet, und fur Fahrzeuge, die nach dem Gesetz zu den historischen Fahrzeugen gehoren." \n---|--- \n21 | Art. 27 Abs. 1 und 2 dieses Gesetzes lautet: „1. Ordnungsgemaß zugelassene Kraftfahrzeuge und ihre Anhanger durfen auf offentlichen Straßen in der Republik Litauen fahren. Das Erfordernis der Zulassung von Kraftfahrzeugen in der Republik Litauen gilt zeitlich begrenzt (bis zu 90 Tage im Jahr) nicht fur Auslander, die mit einem im Ausland zugelassenen Fahrzeug in die Republik Litauen eingereist sind und nicht uber einen vorlaufigen oder endgultigen Aufenthaltstitel fur die Republik Litauen verfugen oder die uber einen EU-Aufenthaltstitel verfugen, sowie fur litauische Burger, die dauerhaft im Ausland ansassig sind. 2. Kraftfahrzeuge, die fur den Linksverkehr hergestellt sind und/oder deren Lenkrad sich auf der rechten Seite befindet, durfen nicht in der Republik Litauen zugelassen werden, es sei denn, es handelt sich um historische Fahrzeuge oder um Fahrzeuge, die fur besondere Zwecke bestimmt sind." \n---|--- \n22 | Der Erlass Nr. 2B-290 des Leiters der nationalen Aufsichtsbehorde fur den Straßenverkehr beim Ministerium fur Kommunikation vom 29. Juli 2008 sieht in Kapitel IV bezuglich der allgemeinen Einbauvoraussetzungen fur das Lenksystem vor: „Das Lenksystem eines Fahrzeugs darf außer fur Kraftfahrzeuge, die vor dem 1. Mai 1993 in Litauen zugelassen wurden oder unter eine spezielle Zulassungsregelung fallen, nicht auf der rechten Seite der Fahrgastzelle/Kabine eingebaut werden." \n---|--- \n23 | Der Erlass Nr. 2B‑515 des Leiters der nationalen Aufsichtsbehorde fur den Straßenverkehr beim Ministerium fur Kommunikation vom 23. Dezember 2008 uber die Herstellung und den Umbau von Kraftfahrzeugen und Anhangern sowie die Genehmigung der Anforderungen und Prozesse, die auf die Reparatur und die technische Prufung von Kraftfahrzeugen und Anhangern anwendbar sind, die nicht auf offentlichen Straßen fahren durfen, legt in Nr. 28 die Anforderungen fur die Versetzung des Lenkrads von der rechten auf die linke Seite wie folgt fest: „Die Versetzung der Lenkanlage eines Fahrzeugs von der rechten auf die linke Seite ist in folgenden Fallen gestattet: Der Umbau des Fahrzeugs erfolgt in einer vom Hersteller zugelassenen Werkstatt; …" \n---|--- \n24 | Aus dieser Regelung geht hervor, dass fur die Zulassung eines Fahrzeugs in Litauen das Lenksystem auf der linken Seite des Fahrzeugs angebracht sein oder auf diese Seite versetzt werden muss, wenn es vorher auf der rechten Seite angebracht war. \n---|--- \n \nVorverfahren\n\n25 | Im Laufe der letzten Jahre erhielt die Kommission zahlreiche Beschwerden von Personen, die im Vereinigten Konigreich oder in Irland Personenkraftwagen gekauft hatten, die fur den Linksverkehr bestimmt waren und fur die sie in Litauen nur unter der Voraussetzung eine Zulassung erhalten konnten, dass das Lenkrad auf die linke Seite versetzt wurde. Da die Kommission der Ansicht war, dass diese Voraussetzung gegen Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46 und Art. 2a der Richtlinie 70/311 verstoße, richtete sie am 3. November 2009 ein Mahnschreiben an die Republik Litauen. Nach Auffassung der Kommission geht aus diesen Bestimmungen hervor, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, ein Neufahrzeug zuzulassen, das mit den in diesen Richtlinien vorgesehenen technischen Anforderungen u. a. an die Lenkanlage in Einklang stehe. \n---|--- \n26 | Mit Schreiben vom 5. Januar 2010 beantworteten die litauischen Behorden dieses Mahnschreiben und machten geltend, dass die in der litauischen Regelung aufgestellte Voraussetzung das einzige geeignete und verhaltnismaßige Mittel sei, um die Verkehrssicherheit zu gewahrleisten und das Leben und die Gesundheit der Verkehrsteilnehmer zu schutzen. Es handele sich daher um zwingende Grunde des Gemeinwohls, die eine eventuelle Behinderung des freien Warenverkehrs rechtfertigten. Außerdem verpflichteten die Richtlinien 2007/46 und 70/311 die Mitgliedstaaten nicht, neue Personenkraftwagen zuzulassen, deren Lenkanlage den Anforderungen dieser Richtlinien entspreche, ohne zu berucksichtigen, auf welcher Seite des Fahrzeugs die Lenkanlage angebracht sei. \n---|--- \n27 | Am 25. November 2010 ubermittelte die Kommission den litauischen Behorden eine mit Grunden versehene Stellungnahme, in der sie ausfuhrte, dass sie nicht ausreichend die Behinderungen der Zulassung von Personenkraftwagen rechtfertigten, die mit einem Lenksystem auf der rechten Seite ausgestattet seien. Die Kommission wiederholte ihr Vorbringen, wonach die Seite eines Personenkraftwagens, auf der die Lenkanlage angebracht sei, die Weigerung, dieses Fahrzeug zuzulassen, nicht rechtfertigen konne, wenn das Fahrzeug den technischen Anforderungen dieser Richtlinien entspreche, deren Bestimmungen unabhangig davon galten, auf welcher Seite der Straße der Verkehr stattfinde. \n---|--- \n28 | Die litauischen Behorden antworteten auf die mit Grunden versehene Stellungnahme am 19. Januar 2011 und machten geltend, die in Rede stehende nationale Regelung grunde sich auf Erwagungen der Verkehrssicherheit und stehe in keinem Zusammenhang mit den in den Richtlinien 2007/46 und 70/311 vorgesehenen technischen Anforderungen. Diese Regelung liege außerhalb des Rahmens dieser Richtlinien und sei einzig im Hinblick auf die Art. 34 AEUV und 36 AEUV zu beurteilen. Die Regelung verstoße jedoch nicht gegen den freien Warenverkehr, da die Einfuhr, die Ausfuhr, der Verkauf und der Transit von Personenkraftwagen, die mit einem Lenksystem auf der rechten Seite ausgestattet seien, im litauischen Hoheitsgebiet erlaubt seien. \n---|--- \n29 | Jedenfalls sei die in Rede stehende Maßnahme unter Berucksichtigung des Zustands des litauischen Straßennetzes, der Zahl todlicher Unfalle sowie der Zahl und des Alters der auf diesem Straßennetz fahrenden Fahrzeuge geeignet, das Ziel der Verbesserung der Verkehrssicherheit zu erreichen. Diese Maßnahme sei auch verhaltnismaßig, da es erlaubt sei, Fahrzeuge, die mit einem Lenksystem auf der rechten Seite ausgestattet und vor 1993 zugelassen worden seien und die sich vorubergehend im litauischen Hoheitsgebiet befanden, historische Fahrzeuge und Fahrzeuge, die fur besondere Zwecke bestimmt seien, zu nutzen. \n---|--- \n30 | Nach der Prufung dieses Vorbringens hat die Kommission beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben. \n---|--- \n31 | Mit Beschluss des Prasidenten des Gerichtshofs vom 20. Juni 2012 sind die Republik Estland, die Republik Lettland und die Republik Polen als Streithelferinnen zur Unterstutzung der Antrage der Republik Litauen zugelassen worden. \n---|--- \n \nZur Klage\n\n32 | Vorab ist festzustellen, dass die Kommission in ihrer Klageschrift eine Unterscheidung zwischen neuen Personenkraftwagen, bezuglich deren die in Rede stehende nationale Maßnahme im Hinblick auf die Richtlinien 2007/46 und 70/311 beurteilt werden musse, und zuvor in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Fahrzeugen trifft, bezuglich deren die Beurteilung auf der Grundlage von Art. 34 AEUV erfolgen musse. Der Gerichtshof wird bei seiner Prufung dieser Unterscheidung folgen. \n---|--- \n \nZur Anwendung der Richtlinien 2007/46 und 70/311 auf neue Personenkraftwagen\n\nVorbringen der Parteien\n\n33 | Die Kommission macht im Wesentlichen geltend, dass die Richtlinien 70/311 und 2007/46 sowie die in Anhang IV der letztgenannten Richtlinie aufgefuhrten Einzelrichtlinien die technischen Anforderungen, denen neue Personenkraftwagen genugen mussten, erschopfend regelten und den Mitgliedstaaten in diesem Bereich keinen Wertungsspielraum beließen. Die Lenkanlage eines Fahrzeugs falle unter die technischen Anforderungen, so dass die in der nationalen Regelung vorgesehene Verpflichtung, die Position dieser Anlage zu verandern, ein technisches Erfordernis sei, das die Mitgliedstaaten nicht vorschreiben durften. Die Kommission fugt hinzu, dass die in diesen Richtlinien vorgeschriebenen technischen Anforderungen zum Ziel hatten, eine hohe Verkehrssicherheit zu garantieren. \n---|--- \n34 | Aus dem Wortlaut von Art. 2a der Richtlinie 70/311 und Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46 gehe hervor, dass die Seite, auf der sich der Fahrerplatz eines Fahrzeugs befinde, keine technische Vorschrift im Sinne der Richtlinien uber die Genehmigung von neuen Kraftfahrzeugen sei, die mit der Eignung des Fahrzeugs fur den Links- oder Rechtsverkehr zu tun habe. Der Verweis in mehreren Bestimmungen der Richtlinien 2007/46 und 70/311 auf „Links- oder Rechtslenker" bedeute nur, dass die Konstruktion des Fahrzeugs bezuglich seiner Lenkanlage den in diesen Richtlinien vorgesehenen technischen Anforderungen im Zusammenhang mit der Verkehrsrichtung genuge, und besage nicht, dass sich die Lenkanlage fur den Rechtsverkehr auf der linken Seite befinden musse. \n---|--- \n35 | Die litauische Regierung, unterstutzt durch die estnische, die lettische und die polnische Regierung, macht geltend, das Verbot, Fahrzeuge mit einer Lenkanlage auf der rechten Seite zuzulassen, hange nicht mit Erwagungen zum Betrieb oder zur Übereinstimmung der Lenkanlage dieser Fahrzeuge mit den technischen Anforderungen der Richtlinien 2007/46 und 70/311 zusammen, sondern mit der Moglichkeit der Fahrer, solche Fahrzeuge auf Straßen mit Rechtsverkehr sicher zu fuhren. Diese Richtlinien sahen lediglich Vorschriften im Bereich der Herstellung, der Montage und der Genehmigung der Fahrzeuge vor und gingen nicht auf die Position des Lenkrads ein, denn dies habe nicht mit einer technischen Anforderung an das Fahrzeug zu tun, sondern mit der Verkehrssicherheit, die zum großen Teil in die Zustandigkeit der Mitgliedstaaten falle. \n---|--- \n36 | Die technischen Anforderungen hatten auch die Verkehrssicherheit zum Ziel, seien aber nicht die einzigen Maßnahmen, mit denen diese Sicherheit gewahrleistet werden konne. Folglich falle die in Rede stehende nationale Maßnahme nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinien und musse unter dem Blickwinkel der Art. 34 AEUV und 36 AEUV beurteilt werden, gleichgultig ob es sich um Neu- oder Gebrauchtwagen handele. Sollte diese Maßnahme jedoch den Grundsatz des freien Warenverkehrs beschranken, ware sie gleichwohl aus zwingenden Grunden des Gemeinwohls gerechtfertigt, die die Verkehrssicherheit betrafen. \n---|--- \n37 | Die Abschnitte 1.8 und 1.8.1 der Anhange I und III der Richtlinie 2007/46 sowie die Anlage 1 Abschnitt 1.8 des Anhangs I der Richtlinie 70/311 unterschieden die Fahrzeuge danach, ob sie fur den Rechts- oder den Linksverkehr bestimmt seien. Keine der Bestimmungen dieser Richtlinien lasse die Feststellung zu, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet sei, ein Fahrzeug zuzulassen, ohne berucksichtigen zu durfen, auf welcher Seite in diesem Staat gefahren werde. Außerdem gestatte die Erlauterung in Anhang IX Buchst. d der Richtlinie 2007/46 einem Mitgliedstaat, in dem Rechtsverkehr vorgeschrieben sei, vor der Zulassung die Versetzung des Lenkrads auf die linke Seite des Fahrzeugs zu verlangen. \n---|--- \n \nWurdigung durch den Gerichtshof\n\n38 | Aus der Gegenuberstellung der angefuhrten Argumente geht hervor, dass sich die Parteien in dem zentralen Punkt nicht einig sind, ob die Position des Fahrerplatzes eines Fahrzeugs in dem durch die Richtlinien 2007/46 und 70/311 geschaffenen harmonisierten Rahmen liegt oder ob sie nicht von dieser Harmonisierung erfasst wird, so dass es den Mitgliedstaaten freisteht, fur die Zulassung eines Neufahrzeugs in ihrem Hoheitsgebiet aus Sicherheitsgrunden die Versetzung des Fahrerplatzes dieses Fahrzeugs auf die der Verkehrsrichtung gegenuberliegende Seite zu verlangen. \n---|--- \n39 | Hierzu ist festzustellen, dass die als „Rahmenrichtlinie" bezeichnete Richtlinie 2007/46, wie aus ihrem Art. 1 in Verbindung mit ihren Erwagungsgrunden 2, 3 und 14 hervorgeht, ein einheitliches Genehmigungsverfahren fur Neufahrzeuge eingefuhrt hat, das auf dem Grundsatz der vollstandigen Harmonisierung ihrer technischen Merkmale beruht, wobei die spezifischen technischen Anforderungen an den Bau und den Betrieb der Fahrzeuge in den Einzelrichtlinien festgelegt werden, die in Anhang IV dieser Richtlinie genannt sind. \n---|--- \n40 | Aus den oben genannten Bestimmungen geht hervor, dass der harmonisierte Rahmen die Verwirklichung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Ziel hat und dabei ein hohes Maß an Verkehrssicherheit garantieren will, das durch die vollstandige Harmonisierung der technischen Anforderungen u. a. an den Bau der Fahrzeuge gewahrleistet wird. \n---|--- \n41 | So bestimmt Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46, dass die Mitgliedstaaten u. a. die Zulassung von Fahrzeugen in keiner Weise unter Verweis insbesondere auf die von dieser Richtlinie erfassten Aspekte des Baus behindern durfen, wenn diese den Anforderungen der Richtlinie entsprechen. \n---|--- \n42 | Die Lenkanlage und entsprechend die Position des Fahrerplatzes, der zu dieser Anlage gehort, sind grundlegende Elemente der Konstruktion eines Fahrzeugs. \n---|--- \n43 | Zwar legen die Richtlinien 2007/46 und 70/311 nicht die Position des Fahrerplatzes eines Fahrzeugs fest, indem sie z. B. bestimmen, dass er sich immer auf der der Verkehrsrichtung gegenuberliegenden Seite befinden muss, es geht allerdings auch nicht aus ihnen hervor, dass dieser Gesichtspunkt nicht in ihren Geltungsbereich fallt. Der Unionsgesetzgeber hat hierbei den Kraftfahrzeugbauern einen Spielraum gewahrt, den die nationalen Regelungen weder aufheben noch beschranken durfen. \n---|--- \n44 | Die Lenkanlagen von Fahrzeugen sind konkret Gegenstand der Richtlinie 70/311, deren Art. 2a den Mitgliedstaaten vorschreibt, u. a. die Zulassung von Fahrzeugen nicht „wegen der Lenkanlage" zu verbieten, wenn diese den Vorschriften dieser Richtlinie entspricht. \n---|--- \n45 | Das in diesem Art. 2a enthaltene Verbot, die Zulassung zu verweigern, ist kategorisch und allgemein, und die Formulierung „wegen der Lenkanlage" ist inhaltlich eindeutig, wobei der Begriff „Lenkanlage" auch den Fahrerplatz, d. h. die Position des Lenkrads der Fahrzeuge, einen wesentlichen Bestandteil der Lenkanlage, erfasst. \n---|--- \n46 | Art. 2a wurde der Richtlinie 70/311 aber durch die Akte uber die Bedingungen des Beitritts u. a. Irlands und des Vereinigten Konigreichs Großbritannien und Nordirland - zu diesem Zeitpunkt die einzigen Mitgliedstaaten mit Linksverkehr - zu den Europaischen Gemeinschaften hinzugefugt, ohne dass der Katalog der Vorschriften in Anhang I dieser Richtlinie vervollstandigt wurde. \n---|--- \n47 | Vor diesem Hintergrund kann bei vernunftiger Betrachtung nicht die Ansicht vertreten werden, dass der Unionsgesetzgeber sich nicht der Tatsache bewusst war, dass der Beitritt von Staaten, in deren Hoheitsgebiet Fahrzeuge links fahren und von denen einer Hersteller von Kraftfahrzeugen ist, deren Fahrerplatz sich grundsatzlich rechts befindet, in einem Binnenmarkt, der das Recht auf freien Verkehr umfasst, die Fahrgewohnheiten beeinflussen, ja sogar ein gewisses Risiko im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr mit sich bringen kann. Es ist vielmehr der Schluss zu ziehen, dass der Gesetzgeber dieses mogliche Risiko berucksichtigt hat und sich fur den Erlass von Art. 2a der Richtlinie 70/311 entschieden hat. \n---|--- \n48 | Aus diesen Erwagungen folgt, dass der Verweis in bestimmten Vorschriften der Richtlinien 2007/46 und 70/311 auf den „Rechts- oder Linksverkehr", der auf dem Beschreibungsbogen zur EG-Typgenehmigung fur Fahrzeuge angegeben werden muss, sowie die in der Übereinstimmungsbescheinigung zu machende Angabe, dass das Fahrzeug fur Rechts- oder Linksverkehr „geeignet" ist, keine grundlegenden Elemente der Konstruktion des Fahrzeugs wie die Position des Lenkrads betreffen konnen, sondern lediglich andere Punkte wie die Beleuchtungseinrichtungen und die Scheibenwischer oder die Einrichtungen fur indirekte Sicht. \n---|--- \n49 | Dieselbe Schlussfolgerung gilt bezuglich der Erlauterung in Anhang IX Buchst. d der Richtlinie 2007/46, wonach, wenn der Kaufer ein solches Fahrzeug auswahlt, die Erklarung des Herstellers in der Übereinstimmungsbescheinigung nicht das Recht der Mitgliedstaaten beschrankt, fur die Zulassung des Fahrzeugs „technische Änderungen" vorzuschreiben. \n---|--- \n50 | Wie der Generalanwalt in Nr. 48 seiner Schlussantrage ausgefuhrt hat, durfen sich namlich die Änderungen, die vorgeschrieben werden konnen, nicht auf die Versetzung des Fahrerplatzes beziehen, was einen substanziellen Eingriff in die Konstruktion des Fahrzeugs darstellen wurde, der dem Wortlaut und dem Ziel der Richtlinie 70/311 zuwiderliefe, sondern nur auf geringfugigere Eingriffe wie die in Rn. 48 des vorliegenden Urteils genannten. \n---|--- \n51 | Dem Argument, wonach nur Grunde im Zusammenhang mit den technischen Erfordernissen und nicht solche im Zusammenhang mit der Gewahrleistung der Verkehrssicherheit unter das in Art. 2a der Richtlinie 70/311 enthaltene Verbot der Zulassungsverweigerung fallen, kann nicht gefolgt werden. Zum einen sollen, wie die Kommission zu Recht bemerkt, die in den Richtlinien uber die Genehmigung von Neufahrzeugen festgelegten technischen Vorschriften ein hohes Maß an Verkehrssicherheit garantieren, so dass es nicht moglich ware, den Geltungsbereich des in Art. 2a der Richtlinie 70/311 genannten Verbots auf andere Grunde als die mit der Verkehrssicherheit in Zusammenhang stehenden zu beschranken. Zum anderen wurde die von der litauischen und der polnischen Regierung befurwortete Auslegung Art. 2a seine praktische Wirksamkeit nehmen, denn sie wurde erlauben, die Zulassung von Neufahrzeugen, die den technischen Anforderungen genugen, aus Grunden der Verkehrssicherheit zu behindern, die jedoch durch diese technischen Anforderungen gerade gewahrleistet wird. \n---|--- \n52 | Demzufolge wird die Position des Fahrerplatzes, eines wesentlichen Bestandteils der Lenkanlage eines Fahrzeugs, von der durch die Richtlinien 2007/46 und 70/311 eingefuhrten Harmonisierung erfasst, so dass die Mitgliedstaaten nicht aus Sicherheitsgrunden fur die Zulassung eines Neufahrzeugs in ihrem Hoheitsgebiet die Versetzung des Fahrerplatzes des Fahrzeugs auf die der Verkehrsrichtung gegenuberliegende Seite verlangen konnen. \n---|--- \n \nZur Anwendung von Art. 34 AEUV auf zuvor in einem anderen Mitgliedstaat\nzugelassene Personenkraftwagen\n\nVorbringen der Parteien\n\n53 | Die Kommission tragt vor, dass die Zulassung von zuvor in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugen nicht vom Sekundarrecht der Union erfasst werde, sondern von den primarrechtlichen Bestimmungen uber den freien Warenverkehr. Die streitige nationale Regelung stelle, obwohl sie unterschiedslos auf alle Fahrzeuge anwendbar sei, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmaßige Einfuhrbeschrankungen dar, da sie eine ungunstigere Behandlung der Waren aus anderen Mitgliedstaaten zum Gegenstand oder zur Wirkung habe. \n---|--- \n54 | Die in Rede stehende Regelung sei nicht geeignet, das verfolgte Ziel der Verkehrssicherheit zu erreichen, wenn man die ubrigen relevanten Faktoren, die diese Sicherheit beeinflussten, berucksichtige. Das Niveau der Verkehrssicherheit hange nicht davon ab, auf welcher Seite des Fahrzeugs seine Lenkanlage eingebaut sei, sondern hange mit dem Verhalten und der Erfahrung der Fahrer sowie mit dem Zustand der Straßen und der Fahrzeuge zusammen. Jedenfalls sei die in Rede stehende Maßnahme unverhaltnismaßig, da andere, weniger restriktive Maßnahmen wie die Anbringung zusatzlicher Außenruckspiegel und die Anpassung der Beleuchtungseinrichtungen und der Scheibenwischer dem verfolgten Ziel dienen konnten. \n---|--- \n55 | Die litauische Regierung ist der Auffassung, dass die streitige Regelung unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit gerechtfertigt sei, die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs als zwingendes Erfordernis des Gemeinwohls zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Verkehrsteilnehmer angesehen werde. \n---|--- \n56 | Aus diesem Blickwinkel sei die in Rede stehende Regelung geeignet, das verfolgte Ziel zu erreichen, da im Rechtsverkehr der Fahrer eines Fahrzeugs mit dem Lenkrad auf der rechten Seite im Vergleich zu einem Fahrer, dessen Fahrzeug das Lenkrad auf der linken Seite habe, ein betrachtlich vermindertes Sichtfeld habe, was die Kommission nicht bestreite. Dies stelle eine Gefahr fur die Verkehrssicherheit dar, deren Schutzniveau in das Ermessen der Mitgliedstaaten falle. Die in Rede stehende Maßnahme sei außerdem verhaltnismaßig. Die von der Kommission vorgeschlagenen alternativen Maßnahmen seien entweder vollig unverhaltnismaßig, ja sogar gefahrlich, oder gewahrleisteten nicht dasselbe Maß an Sicherheit. \n---|--- \n \nWurdigung durch den Gerichtshof\n\n57 | Im Licht der standigen Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt die streitige Regelung eine nach Art. 34 AEUV verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmaßige Einfuhrbeschrankungen dar, da sie die Wirkung hat, den Zugang von Fahrzeugen, deren Fahrerplatz sich auf der rechten Seite befindet und die rechtmaßig in anderen Mitgliedstaaten als der Republik Litauen hergestellt und zugelassen worden sind, zum litauischen Markt zu behindern (vgl. zu den Ursprungen dieser Rechtsprechung Urteile vom 11. Juli 1974, Dassonville, [8/74, Slg. 1974, 837](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61974??0008&locale=DE), Rn. 5, vom 20. Februar 1979, Rewe‑Zentral, „Cassis de Dijon", [120/78, Slg. 1979, 649](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61978??0120&locale=DE), Rn. 14, sowie in jungerer Zeit Urteil vom 10. Februar 2009, Kommission/Italien, [C-110/05, Slg. 2009, I-519](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62005C?0110&locale=DE), Rn. 58). \n---|--- \n58 | Nach derselben Rechtsprechung kann eine solche Regelung durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sein, sofern sie geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewahrleisten, und nicht uber das hinausgeht, was dazu erforderlich ist (Urteil Kommission/Italien, Rn. 59 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n59 | Die litauische Regierung beruft sich zur Rechtfertigung der in Rede stehenden Regelung auf die Notwendigkeit, die Verkehrssicherheit zu gewahrleisten, die unstreitig nach der Rechtsprechung einen zwingenden Grund des Gemeinwohls darstellt, der geeignet ist, eine Behinderung des freien Warenverkehrs zu rechtfertigen (Urteil Kommission/Italien, Rn. 60 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n60 | Nach ebenfalls standiger Rechtsprechung ist es, wenn auf der Ebene der Europaischen Union keine vollstandige Harmonisierung erfolgt ist, wie dies bei der Zulassung von bereits in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugen in einem Mitgliedstaat der Fall ist, Sache der Mitgliedstaaten, unter Berucksichtigung der Erfordernisse des freien Warenverkehrs innerhalb der Union zu entscheiden, auf welchem Niveau sie die Sicherheit des Straßenverkehrs in ihrem Hoheitsgebiet gewahrleisten wollen. Hierbei obliegt es den zustandigen nationalen Behorden, nachzuweisen, dass ihre Regelung geeignet ist, das verfolgte Ziel zu erreichen, und nicht uber das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Italien, Rn. 61 und 62 sowie die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n61 | Was erstens die Geeignetheit der in Rede stehenden Regelung betrifft, macht die litauische Regierung geltend, die Anbringung des Lenkrads eines Fahrzeugs auf der Seite der Verkehrsrichtung verringere die Sicht des Fahrers, erschwere das Überholen und das Manovrieren betrachtlich, insbesondere auf einspurigen Straßen mit zwei Fahrtrichtungen wie denjenigen, die den Großteil des litauischen Straßennetzes ausmachten, und erhohe so das Unfallrisiko. \n---|--- \n62 | Hierzu ist festzustellen, dass eine nationale Regelung, die die Zulassung eines Fahrzeugs, dessen Lenkanlage sich auf derselben Seite befindet wie die Verkehrsrichtung, im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats verbietet, die Zahl solcher Fahrzeuge, die in diesem Mitgliedstaat am Verkehr teilnehmen, und damit das mit dieser Verkehrsteilnahme verbundene Risiko verringern kann. Dieses Risiko entspricht der allgemeinen Erfahrung, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Position des Lenkrads und dem Sichtfeld des Fahrers besteht, und wird außerdem durch die standige Praxis der Hersteller und der Handler von Kraftfahrzeugen bestatigt, die darin besteht, grundsatzlich in jedem Land Fahrzeuge zum Verkauf anzubieten, deren Lenkrad sich auf der der Verkehrsrichtung gegenuberliegenden Seite befindet. \n---|--- \n63 | Was zweitens die Frage betrifft, ob die in Rede stehende Regelung nicht uber das hinausgeht, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist, macht die litauische Regierung geltend, dass angesichts der Verkehrsrisiken, die die Anbringung des Lenkrads auf der rechten Seite mit sich bringe, keine andere Maßnahme und kein anderes technisches Ersatzmittel dasselbe Schutzniveau wie die in Rede stehende Maßnahme gewahrleisteten. \n---|--- \n64 | Hierzu ist zunachst darauf hinzuweisen, dass das Risiko, das die Teilnahme von Fahrzeugen mit dem Lenkrad auf der rechten Seite am Verkehr im litauischen Hoheitsgebiet mit sich bringt, gleich hoch ist, unabhangig davon, ob es sich um Neufahrzeuge oder um zuvor in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene Fahrzeuge handelt. Was Neufahrzeuge betrifft, ist aber in Rn. 47 des vorliegenden Urteils festgestellt worden, dass der Gesetzgeber dieses potenzielle Risiko beim Erlass von Art. 2a der Richtlinie 70/311 berucksichtigt hat. \n---|--- \n65 | Sodann enthalt die streitige Regelung Ausnahmen fur die Nutzung von Fahrzeugen mit dem Lenkrad auf der rechten Seite durch Personen, die in anderen Mitgliedstaaten wohnen, z. B. Touristen, und die sich fur einen begrenzten Zeitraum nach Litauen begeben, sowie fur die Nutzung von vor 1993 in Litauen zugelassenen Fahrzeugen, was zeigt, dass diese Regelung das Risiko aus einer solchen Verkehrsteilnahme toleriert. Das Risiko fur die Verkehrssicherheit ist aber in diesen Fallen dasselbe, zumal kontinuierlich Besucher nach Litauen kommen und das Risiko nicht mit der Begrundung als weniger hoch angesehen werden kann, dass Besucher, die sich fur einen begrenzten Zeitraum mit einem solchen Fahrzeug nach Litauen begaben, vorsichtiger fuhren als Personen, deren Fahrzeug in diesem Mitgliedstaat zugelassen sei. Auch die Überalterung der vor 1993 zugelassenen Fahrzeuge tragt nicht zur Verringerung dieses Risikos bei. \n---|--- \n66 | Nach den dem Gerichtshof zur Verfugung stehenden Informationen erlauben außerdem die Regelungen von 22 Mitgliedstaaten, d. h. der großen Mehrheit der Mitgliedstaaten, entweder ausdrucklich die Zulassung von Fahrzeugen, deren Fahrerplatz sich auf derselben Seite wie die Verkehrsrichtung befindet, oder tolerieren sie, auch wenn in bestimmten dieser Mitgliedstaaten der Zustand des Straßennetzes mit dem in der Republik Litauen vergleichbar ist (vgl. entsprechend Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission/Frankreich, [C-333/08, Slg. 2010, I-757](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62008C?0333&locale=DE), Rn. 105). \n---|--- \n67 | Des Weiteren belegen die von der litauischen Regierung angefuhrten statistischen Daten zur Zahl todlicher Unfalle auf dem litauischen Straßennetz nicht hinreichend eine Beziehung zwischen der Zahl von Unfallen und der Beteiligung von Fahrzeugen, deren Fahrerplatz sich auf der rechten Seite befindet. Außerdem sind die Umstande, dass die Republik Litauen die Besonderheit einer sehr hohen Zahl von zugelassenen Fahrzeugen pro tausend Einwohner aufweist und dass sie einen der altesten Fuhrparks der Union besitzt, keine ausschlaggebenden Faktoren. \n---|--- \n68 | Schließlich ist hervorzuheben, dass es Mittel und Maßnahmen gibt, die den freien Warenverkehr weniger beeintrachtigen als die in Rede stehende Maßnahme und die zugleich geeignet sind, das Risiko, das die Verkehrsteilnahme von Fahrzeugen mit sich bringt, deren Lenkrad sich auf derselben Seite wie die Verkehrsrichtung befindet, erheblich zu verringern. Besonders zu betonen ist, dass die Mitgliedstaaten hierbei uber einen Wertungsspielraum verfugen, wenn sie Maßnahmen einschließlich der von der Kommission vorgeschlagenen anordnen, die nach dem Stand der Technik geeignet waren, zu gewahrleisten, dass der Fahrer eines Fahrzeugs, dessen Lenkrad sich auf derselben Seite wie die Verkehrsrichtung befindet, sowohl hinten als auch vorne eine ausreichende Sicht hat. \n---|--- \n69 | Angesichts der vorstehenden Erwagungen ist daher anders als in dem Fall, der zum Urteil Kommission/Italien gefuhrt hat, nicht ersichtlich, dass die in Rede stehende Maßnahme als fur die Erreichung des verfolgten Ziels notwendig angesehen werden kann. Demzufolge ist diese Maßnahme nicht mit dem Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit vereinbar. \n---|--- \n70 | Folglich ist die Vertragsverletzung der Republik Litauen entsprechend dem Wortlaut der Klageschrift der Kommission festzustellen. \n---|--- \n \nKosten\n\n71 | Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Republik Litauen mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Gemaß Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen, ist zu entscheiden, dass die Republik Estland, die Republik Lettland und die Republik Polen ihre eigenen Kosten tragen. \n---|--- \n| Aus diesen Grunden hat der Gerichtshof (Funfte Kammer) fur Recht erkannt\nund entschieden: \n---|--- \n| | 1. | Die Republik Litauen hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 2a der Richtlinie 70/311/EWG des Rates vom 8. Juni 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten uber die Lenkanlagen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhangern, aus Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46/EG des Europaischen Parlaments und des Rates vom5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens fur die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhangern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstandigen technischen Einheiten fur diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) sowie aus Art. 34 AEUV verstoßen, dass sie die Zulassung von Personenkraftwagen, deren Lenkrad auf der rechten Seite angebracht ist, verbietet und/oder fur die Zulassung von neuen oder zuvor in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Personenkraftwagen, deren Lenkanlage sich auf der rechten Seite befindet, verlangt, dass das Lenkrad auf die linke Seite versetzt wird. \n---|--- \n| | 2. | Die Republik Litauen tragt die Kosten. \n---|--- \n| | 3. | Die Republik Estland, die Republik Lettland und die Republik Polen tragen ihre eigenen Kosten. \n---|--- \n| Unterschriften \n---|--- \n \n* * *\n\n( *1 ) Verfahrenssprache: Litauisch.\n\n
316,864
eugh-2014-03-20-c-13912
2
Europäischer Gerichtshof
eugh
Europäische Union
C-139/12
2014-03-20
2019-03-14 13:51:52
2019-03-14 13:51:52
Urteil
ECLI:EU:C:2014:174
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)\n\n20. Marz 2014 ( *1 )\n\n„Vorabentscheidungsersuchen -- Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie -- Befreiungen\n-- Umsatze, die den Verkauf von Wertpapieren betreffen und die Übertragung des\nEigentums an unbeweglichen Sachen mit sich bringen -- Erhebung einer von der\nMehrwertsteuer verschiedenen indirekten Steuer -- Art. 49 AEUV und 63 AEUV --\nRein innerstaatlicher Sachverhalt"\n\nIn der Rechtssache C‑139/12\n\nbetreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom\nTribunal Supremo (Spanien) mit Entscheidung vom 9. Februar 2012, beim\nGerichtshof eingegangen am 19. Marz 2012, in dem Verfahren\n\nCaixa d\'Estalvis i Pensions de Barcelona\n\ngegen\n\nGeneralidad de Cataluña\n\nerlasst\n\nDER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)\n\nunter Mitwirkung des Kammerprasidenten E. Juhasz sowie der Richter A. Rosas\n(Berichterstatter) und C. Vajda,\n\nGeneralanwalt: M. Wathelet,\n\nKanzler: V. Tourres, Verwaltungsrat,\n\naufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mundliche Verhandlung vom\n12. Juni 2013,\n\nunter Berucksichtigung der Erklarungen\n\n-- | der Caixa d\'Estalvis i Pensions de Barcelona, vertreten durch C. Gomez\nBarrero, J. Buendia Sierra und E. Zamarriego Santiago, abogados, \n---|--- \n-- | der Generalidad de Cataluña, vertreten durch N. Paris als\nBevollmachtigte, \n---|--- \n-- | der spanischen Regierung, vertreten durch N. Diaz Abad als\nBevollmachtigte, \n---|--- \n-- | der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als\nBevollmachtigten, \n---|--- \n-- | der Europaischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios als\nBevollmachtigte, \n---|--- \n \naufgrund des nach Anhorung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne\nSchlussantrage uber die Rechtssache zu entscheiden,\n\nfolgendes\n\nUrteil\n\n1 | Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten uber die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ([ABl. L 145, S. 1](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:1977:145:TOC)) in der durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 ([ABl. L 376, S. 1](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:1991:376:TOC)) geanderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie) sowie der Art. 49 AEUV und 63 AEUV. \n---|--- \n2 | Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Caixa d\'Estalvis i Pensions de Barcelona (im Folgenden: Caixa) und der Generalidad de Cataluña uber einen Antrag auf Erstattung einer Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen und beurkundete Rechtsakte (im Folgenden: Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen). \n---|--- \n \nRechtlicher Rahmen\n\nUnionsrecht\n\n3 | In Abschnitt V („Steuerbarer Umsatz") der Sechsten Richtlinie sieht Art. 5 vor: „(1) Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befahigung, wie ein Eigentumer uber einen korperlichen Gegenstand zu verfugen. … (3) Die Mitgliedstaaten konnen als korperlichen Gegenstand behandeln: … | c) | Anteilrechte und Aktien, deren Besitz rechtlich oder tatsachlich das Eigentums- oder Nutzungsrecht an einem Grundstuck oder Grundstucksteil begrundet." \n---|--- \n4 | In Abschnitt X („Steuerbefreiungen") dieser Richtlinie besteht Art. 13 („Steuerbefreiungen im Inland") aus Teil A („Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tatigkeiten"), Teil B („Sonstige Steuerbefreiungen") und Teil C („Optionen"). \n---|--- \n5 | In Art. 13 Teil B der Richtlinie heißt es: „Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewahrleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhutung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbrauchen festsetzen, von der Steuer: … | d) | die folgenden Umsatze: … | 5. | die Umsatze - einschließlich der Vermittlung, jedoch mit Ausnahme der Verwahrung und der Verwaltung - die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von | -- | Warenpapieren, \n---|--- \n-- | Rechten oder Wertpapieren im Sinne von Artikel 5 Absatz 3, \n---|--- \n \n…\n\ng) | die Lieferungen von Gebauden oder Gebaudeteilen und dem dazugehorigen Grund und Boden, mit Ausnahme der in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a) bezeichneten Gegenstande; \n---|--- \nh) | die Lieferungen unbebauter Grundstucke mit Ausnahme der in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b) bezeichneten Baugrundstucke." \n---|--- \n6 | Art. 4 Abs. 3 Buchst. a und b der Richtlinie nehmen Bezug auf „die Lieferung von Gebauden oder Gebaudeteilen und dem dazugehorigen Grund und Boden, wenn sie vor dem Erstbezug erfolgt" und auf „die Lieferung von Baugrundstucken". \n---|--- \n7 | Art. 13 Teil C der Sechsten Richtlinie sieht vor: „Die Mitgliedstaaten konnen ihren Steuerpflichtigen das Recht einraumen, fur eine Besteuerung zu optieren: … | b) | bei den Umsatzen nach Teil B Buchstaben d), g) und h). \n---|--- \n \nDie Mitgliedstaaten konnen den Umfang des Optionsrechts einschranken; sie\nbestimmen die Modalitaten seiner Ausubung." \n \n8 | Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie bestimmt: „Wahrend der in Absatz 4 genannten Übergangszeit konnen die Mitgliedstaaten … | b) | die in Anhang F aufgefuhrten Umsatze unter den in den Mitgliedstaaten bestehenden Bedingungen weiterhin befreien; \n---|--- \n \n…" \n \n9 | Anhang F („Liste der in Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b] vorgesehenen Umsatze") der Richtlinie fuhrt in Nr. 16 „Lieferungen der in Artikel 4 Absatz 3 bezeichneten Gebaude und Grundstucke" auf. \n---|--- \n10 | Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie lautet: „Unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen, insbesondere der geltenden Gemeinschaftsbestimmungen uber das allgemeine System, den Besitz, die Beforderung und die Kontrolle von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsvertrage, Abgaben auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebuhren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzufuhren, sofern diese Steuern, Abgaben und Gebuhren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitaten beim Grenzubergang verbunden sind." \n---|--- \n \nSpanisches Recht\n\nMehrwertsteuerregelung\n\n11 | Art. 8 des Gesetzes 30/1985 uber die Mehrwertsteuer (Ley 30/1985 del Impuesto sobre el Valor Añadido) vom 2. August 1985 (BOE Nr. 190 vom 9. August 1985, S. 25214) sieht vor: „Von der Mehrwertsteuer sind befreit: … | 18. | Folgende Finanzgeschafte, unabhangig von der Person oder dem Unternehmen, das sie tatigt: … | g) | die Dienstleistungen und Umsatze - mit Ausnahme der Verwahrung und der Verwaltung -, die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, die in den vorstehenden Absatzen dieser Nr. 18 nicht aufgefuhrt sind, mit Ausnahme von \n---|--- \na. | Warenpapieren, \n---|--- \nb. | Wertpapieren, deren Besitz rechtlich oder tatsachlich das Eigentums-, das Gebrauchs- oder das ausschließliche Nutzungsrecht an einem Grundstuck begrundet. \n---|--- \n \n…" \n \n12 | In Art. 13 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. k des Koniglichen Dekrets 2028/1985, durch das die Verordnung uber die Mehrwertsteuer angenommen wird (Real Decreto 2028/1985 por el que se aprueba el Reglamento del Impuesto sobre el Valor Añadido), vom 30. Oktober 1985 (BOE Nr. 261 vom 31. Oktober 1985, S. 34469) wird der obige Wortlaut von Art. 8 des Gesetzes 30/1985 ubernommen und wie folgt erganzt: „Aktien oder Anteilrechte an Gesellschaften oder anderen Unternehmen fallen nicht darunter. …" \n---|--- \n13 | Art. 20 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. k des Gesetzes 37/1992 uber die Mehrwertsteuer (Ley 37/1992 del Impuesto sobre el Valor Añadido) vom 28. Dezember 1992 (BOE Nr. 312 vom 29. Dezember 1992, S. 44247) ist inhaltlich identisch mit dem obigen Auszug des Koniglichen Dekrets 2028/1985. \n---|--- \n \nRegelung uber den Wertpapierhandel\n\n14 | Das Gesetz 24/1988 uber den Wertpapierhandel (Ley 24/1988 del Mercado de Valores) vom 28. Juli 1988 (BOE Nr. 181 vom 29. Juli 1988, S. 23405) in der durch das Gesetz 18/1991 uber die Steuer auf das Einkommen naturlicher Personen (Ley 18/1991 del Impuesto sobre la Renta de las Personas Fisicas) vom 6. Juni 1991 (BOE Nr. 136 vom 7. Juni 1991, S. 18665) geanderten Fassung (im Folgenden: Gesetz uber den Wertpapierhandel) sieht in Art. 108 vor: „(1) Die Übertragung von Wertpapieren ist unabhangig davon, ob sie zum Handel auf einem amtlichen Sekundarmarkt zugelassen sind, von der Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen und beurkundete Rechtsakte und der Mehrwertsteuer befreit. (2) Abweichend von der Bestimmung des vorhergehenden Absatzes unterliegen im Rahmen der Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen und beurkundete Rechtsakte als ‚entgeltliche vermogensrechtliche Übertragungen\' der Steuer: | 1. | Übertragungen auf dem Sekundarmarkt sowie der durch Ausubung von Bezugsrechten und des Rechts auf Umtausch von Schuldverschreibungen in Aktien erfolgende Erwerb auf einem Primarmarkt von Wertpapieren, die Bruchteile des Gesellschaftskapitals oder des Vermogens von Gesellschaften, Fonds, Personenvereinigungen oder anderen Korperschaften verkorpern, deren Aktiva zu mindestens 50 % aus inlandischem Grundvermogen bestehen, wenn der Erwerber infolge der Übertragung bzw. des Erwerbs die Alleininhaberschaft an diesem Vermogen oder zumindest eine Stellung erlangt, die ihm die Ausubung der Kontrolle uber diese Korperschaften ermoglicht. Bei Handelsgesellschaften gilt die Kontrolle als erlangt, wenn unmittelbar oder mittelbar eine Beteiligung am Gesellschaftskapital von mehr als 50 % erreicht wird. Bei der Berechnung des Anteils von 50 % der aus Grundvermogen bestehenden Aktiva wird mit Ausnahme von Grundstucken und Bauplatzen Grundvermogen nicht berucksichtigt, das Teil des Umlaufvermogens von Korperschaften bildet, deren einziger Gesellschaftszweck in der Ausubung unternehmerischer Tatigkeiten des Baus oder der Bautragerschaft besteht. \n---|--- \n2. | Übertragungen von Aktien oder Gesellschaftsanteilen, die fur die Einbringung von Grundstucken im Rahmen der Grundung einer Gesellschaft oder der Erhohung ihres Kapitals empfangen wurden, sofern zwischen der Einbringung und der Übertragung weniger als ein Jahr vergangen ist. In den vorstehenden Fallen findet der fur entgeltliche Übertragungen von Grundstucken maßgebliche Steuersatz auf den Wert der betreffenden Gegenstande Anwendung, der nach den Regeln berechnet wird, die in den geltenden Bestimmungen uber die Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen und beurkundete Rechtsakte enthalten sind." \n---|--- \n \nRegelung uber die Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen\n\n15 | Art. 7 Abs. 5 der kodifizierten Fassung des Gesetzes uber die Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen und beurkundete Rechtsakte (Ley del Impuesto sobre Transmisiones Patrimoniales y Actos Juridicos Documentados), angenommen durch das Real Decreto Legislativo 3050/1980 vom 30. Dezember 1980 (BOE Nr. 29 vom 3. Februar 1981, S. 2442), in der durch das Gesetz 29/1991 uber die Anpassung bestimmter steuerrechtlicher Begriffe an die Richtlinien und Verordnungen der Europaischen Gemeinschaften (Ley 29/1991 de adecuacion de determinados conceptos impositivos a las Directivas y Reglamentos de las Comunidades Europeas) vom 16. Dezember 1991 (BOE Nr. 301 vom 17. Dezember 1991, S. 40533) geanderten Fassung bestimmt: „Vom Begriff der in diesem Abschnitt geregelten ‚entgeltlichen vermogensrechtlichen Übertragungen\' sind die zuvor aufgefuhrten Umsatze nicht umfasst, wenn sie durch Unternehmer oder Freiberufler im Rahmen ihrer unternehmerischen oder freiberuflichen Tatigkeit bewirkt werden, und jedenfalls dann, wenn es sich um mehrwertsteuerpflichtige Lieferungen von Gegenstanden oder Dienstleistungen handelt. Gleichwohl unterliegen diesem steuerrechtlichen Begriff die Lieferung oder die Vermietung von Grundstucken, wenn sie von der Mehrwertsteuer befreit sind, sowie die Lieferung dieser Grundstucke im Rahmen der Übertragung der Gesamtheit eines Betriebsvermogens, wenn die Übertragung dieses Vermogens nicht der Mehrwertsteuer unterliegt." \n---|--- \n \nAusgangsrechtsstreit und Vorlagefragen\n\n16 | Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Caixa, die 3,26 % des Gesellschaftskapitals der Inmobiliaria Colonial SA (im Folgenden: Inmobiliaria Colonial) hielt, im Juni 1991 beschloss, ihren Anteil an dieser Gesellschaft aufzustocken, und zu diesem Zweck in Verhandlungen uber den Erwerb des Anteils der Banco Central SA an dieser Gesellschaft eintrat, deren Aktiva im Wesentlichen aus Grundvermogen bestanden. Diese Verhandlungen fuhrten dazu, dass Caixa im Februar 1992 den Anteil der Banco Central SA an Inmobiliaria Colonial erwarb, der sich auf 63,85 % von deren Gesellschaftskapital belief. Durch diesen Erwerb erlangte Caixa einen Anteil von uber 65 % an Inmobiliaria Colonial. Nach dem Erwerb machte Caixa ein offentliches Übernahmeangebot fur den verbleibenden Teil des Gesellschaftskapitals von Inmobiliaria Colonial und erwarb auf diese Weise 96,85 % der Aktien dieser Gesellschaft. \n---|--- \n17 | Im Marz 1992 legte Caixa, da sie einen uber 50 % liegenden Anteil am Kapital der in Rede stehenden Immobiliengesellschaft erlangt hatte, gemaß Art. 108 des Gesetzes uber den Wertpapierhandel eine Selbstveranlagung zur Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen mit einem Satz von 6 % vor. Sie gab eine Bemessungsgrundlage von 16256808232 spanischen Peseten (ESP) sowie eine zu zahlende Steuerschuld von 975408494 ESP an. \n---|--- \n18 | Im Februar 1993 beantragte Caixa jedoch bei der Delegacion Territorial de Barcelona del Departamento de Economia y Finanzas de la Generalidad de Cataluña die Erstattung zu Unrecht gezahlter Betrage in Hohe von 975408454 ESP zuzuglich entsprechender Zinsen, da Art. 108 des Gesetzes uber den Wertpapierhandel den unionsrechtlichen Bestimmungen, konkret der Sechsten Richtlinie, widerspreche und da er jedenfalls keine Anwendung auf den vollzogenen Erwerb von Wertpapieren finde, der keinen Verkauf unbeweglicher Sachen verschleiere. \n---|--- \n19 | Da Caixa innerhalb der vorgesehenen gesetzlichen Frist keine ausdruckliche Antwort erhielt, erhob sie Einspruch gegen die stillschweigende Zuruckweisung ihres Antrags auf Erstattung. Das Tribunal Economico-Administrativo Regional de Cataluña wies diesen Einspruch mit Entscheidung vom 30. Januar 1998, die am 14. Mai 1999 durch das Tribunal Economico-Administrativo Central bestatigt wurde, zuruck. \n---|--- \n20 | Caixa erhob gerichtliche Klage bei der Sala de lo Contencioso-Administrativo des Tribunal Superior de Justicia de Cataluña, deren Vierte Abteilung der Klage mit Urteil vom 28. Mai 2004 nur insoweit stattgab, als die Bemessungsgrundlage nicht anhand des tatsachlichen Werts von 100 % des Grundvermogens, das die Aktiva von Inmobiliaria Colonial bilde, zu bestimmen sei, sondern anhand des Teils des Grundvermogenswerts, der den Aktien, die Gegenstand der Übertragung gewesen seien, entspreche. \n---|--- \n21 | Die anderen von Caixa in ihrer Klage angefuhrten Argumente wurden dagegen zuruckgewiesen. Dieses Vorbringen betraf zum einen die Unvereinbarkeit von Art. 108 des Gesetzes uber den Wertpapierhandel mit Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie, soweit Art. 108 bestimme, dass der Erwerb von Aktien zwingend der Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen unterliege und diesen damit der Mehrwertsteuer entziehe, obwohl die unionsrechtliche Vorschrift es nicht gestatte, die Befreiung von der Mehrwertsteuer auf „Anteilrechte und Aktien, deren Besitz rechtlich oder tatsachlich das Eigentums- oder Nutzungsrecht an einem Grundstuck oder Grundstucksteil begrundet", auszudehnen. Zum anderen hatte Caixa die Unvereinbarkeit von Art. 108 mit der spanischen Verfassung und dem Unionsrecht geltend gemacht, die ihrer Ansicht nach insoweit besteht, als diese Bestimmung des spanischen Rechts eine generelle, unwiderlegliche Betrugsvermutung schaffe, nach der alle Übertragungen von Aktien von Gesellschaften, deren Aktiva im Wesentlichen aus Grundvermogen bestunden, aus Grunden der Steuerumgehung durchgefuhrt wurden. \n---|--- \n22 | Caixa legte gegen das Urteil des Tribunal Superior de Justicia de Cataluña beim vorlegenden Gericht Kassationsbeschwerde ein und machte einen einzigen Kassationsgrund geltend, der insbesondere auf einen Verstoß gegen Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5, Art. 5 Abs. 3 und Art. 27 der Sechsten Richtlinie gestutzt wurde. \n---|--- \n23 | Nach Ansicht von Caixa verstoßt sowohl die Befreiung des in Rede stehenden Umsatzes von der Mehrwertsteuer als auch dessen Belegung mit der Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen, die im Gesetz uber den Wertpapierhandel vorgesehen sei, gegen die Sechste Richtlinie. Es sei unzulassig, die Übertragung von Aktien oder Gesellschaftsanteilen, deren Besitz das Eigentums- oder Nutzungsrecht an einem Grundstuck oder Grundstucksteil begrunde, mit der Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen zu belegen und diesen Umsatz von der Mehrwertsteuer zu befreien, zumal der betreffende Mitgliedstaat von der Anwendung der Sechsten Richtlinie Abstand genommen habe, ohne das in deren Art. 27 vorgesehene Verfahren befolgt zu haben, um die erforderliche Ermachtigung durch den Rat im Hinblick darauf einzuholen, die Steuerumgehung im Bereich der durch die Zwischenschaltung von Gesellschaften erfolgenden Übertragung unbeweglicher Sachen zu verhindern. \n---|--- \n24 | Da das vorlegende Gericht insbesondere Bedenken hatte, ob Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 Buchst. c der Sechsten Richtlinie es den Mitgliedstaaten gestattet, Umsatze von der Mehrwertsteuer zu befreien, die den Erwerb von Aktien von Gesellschaften betreffen, deren Vermogen im Wesentlichen aus Grundvermogen besteht, und ob die Richtlinie es erlaubt, dass die Erlangung der Mehrheit des Kapitals dieser Gesellschaften mit einer von der Mehrwertsteuer verschiedenen indirekten Steuer wie der Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen belegt wird, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: | 1. | Schreibt die Sechste Richtlinie in ihrem Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 vor, dass den Kauf von Aktien betreffende Umsatze durch einen Steuerpflichtigen, die den Erwerb des Eigentums an unbeweglichen Sachen einschließen, ohne Befreiung der Mehrwertsteuer unterliegen, wenn man die Ausnahme berucksichtigt, die sie fur Wertpapiere vorsieht, deren Besitz rechtlich oder tatsachlich das Eigentums- oder Nutzungsrecht an einem Grundstuck oder Grundstucksteil begrundet? \n---|--- \n2. | Lasst die Sechste Richtlinie das Bestehen von Vorschriften wie Art. 108 des Gesetzes uber den Wertpapierhandel zu, wonach auf die Erlangung der Mehrheit des Kapitals einer Gesellschaft, deren Aktiva im Wesentlichen aus Grundvermogen bestehen, ohne Rucksicht auf die mogliche Unternehmereigenschaft der an dem Umsatz Beteiligten eine von der Mehrwertsteuer verschiedene indirekte Steuer, die sogenannte Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen, erhoben wird, ohne dabei den Fall auszuschließen, in dem der Umsatz bei direkter Übertragung der unbeweglichen Sachen anstelle der Aktien oder Anteile der Mehrwertsteuer unterlegen hatte? \n---|--- \n3. | Ist eine nationale Vorschrift wie Art. 108 des Gesetzes uber den Wertpapierhandel, wonach die Erlangung der Mehrheit des Kapitals von Gesellschaften, deren Aktiva im Wesentlichen aus in Spanien belegenem Grundvermogen bestehen, besteuert wird, ohne den Nachweis zuzulassen, dass die Gesellschaft, deren Kontrolle erlangt wird, wirtschaftlich tatig ist, mit der durch Art. 49 AEUV garantierten Niederlassungsfreiheit und dem in Art. 63 AEUV geregelten freien Kapitalverkehr vereinbar? \n---|--- \n \nZu den Vorlagefragen\n\nZur zweiten Frage\n\n25 | Mit seiner zweiten Frage, die als erste zu prufen ist, mochte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Sechste Richtlinie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach auf die Erlangung der Mehrheit des Kapitals einer Gesellschaft, deren Aktiva im Wesentlichen aus Grundvermogen bestehen, eine von der Mehrwertsteuer verschiedene indirekte Steuer, namlich die Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen, ohne Rucksicht darauf erhoben wird, ob die betreffenden Umsatze der Mehrwertsteuer unterlagen, wenn sie den direkten Erwerb dieser unbeweglichen Sachen und nicht den Erwerb von solche Sachen betreffenden Aktien zum Gegenstand hatten. \n---|--- \n26 | Zunachst ist festzustellen, dass die Sechste Richtlinie unbewegliche Sachen betreffende Umsatze weitgehend von der Mehrwertsteuer befreit. Insoweit befreit Art. 13 Teil B Buchst. g und h dieser Richtlinie insbesondere die dort aufgefuhrten, unbewegliche Sachen betreffenden Umsatze mit Ausnahme der in Art. 4 Abs. 3 Buchst. a und b der Richtlinie bezeichneten, d. h. namentlich Lieferungen neuer Immobilien oder solche von Baugrundstucken. Daruber hinaus lassen letztere Bestimmungen die den Mitgliedstaaten nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. b der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit ihrem Anhang F Nr. 16 eingeraumte Moglichkeit unberuhrt, auch Lieferungen der in Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie bezeichneten Gebaude und Grundstucke weiterhin zu befreien. \n---|--- \n27 | Was die vom vorlegenden Gericht angefuhrte Ungleichbehandlung des mehrwertsteuerpflichtigen direkten Erwerbs unbeweglicher Sachen einerseits und des der Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen unterliegenden indirekten Erwerbs dieser Sachen andererseits angeht, ist deshalb festzustellen, dass jedenfalls die Mehrwertsteuerpflichtigkeit des direkten Erwerbs unbeweglicher Sachen vor allem von der Art der erworbenen unbeweglichen Sache abhangt. \n---|--- \n28 | Ferner ist zur angeblich diskriminierenden steuerlichen Behandlung moglicherweise mehrwertsteuerpflichtiger Lieferungen unbeweglicher Sachen darauf hinzuweisen, dass die Sechste Richtlinie, wie sich aus ihrem Art. 33 Abs. 1 ergibt, einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, alle Steuern, Abgaben und Gebuhren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzufuhren. Da das Unionsrecht demnach konkurrierende Abgabenregelungen zulasst, konnen solche Steuern auch dann erhoben werden, wenn dies zu einer Kumulierung mit der Mehrwertsteuer bei ein und demselben Umsatz fuhrt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Juli 1986, Kerrutt, [73/85, Slg. 1986, 2219](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61985??0073&locale=DE), Rn. 22, und vom 11. Oktober 2007, KÖGÁZ u. a., [C-283/06 und C-312/06, Slg. 2007, I-8463](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62006C?0283&locale=DE), Rn. 33). \n---|--- \n29 | Was die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung anbelangt, ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof zu ihrer Vereinbarkeit mit Art. 33 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie bereits im Rahmen der Rechtssache, in der der Beschluss vom 27. November 2008, Renta (C‑151/08), ergangen ist, Stellung genommen hat. Der Gerichtshof hat in diesem Beschluss, nachdem er die in seiner Rechtsprechung (vgl. u. a. Urteil vom 3. Oktober 2006, Banca popolare di Cremona, [C-475/03, Slg. 2006, I-9373](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62003C?0475&locale=DE), Rn. 28 und die dort angefuhrte Rechtsprechung) entwickelten wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer in Erinnerung gerufen hatte, festgestellt, dass sich eine Steuer, die die Merkmale der Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen aufweist, in einer Weise von der Mehrwertsteuer unterscheidet, dass sie nicht als Steuer mit dem Charakter einer Umsatzsteuer im Sinne des Art. 33 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie eingestuft werden kann. \n---|--- \n30 | Die dem Gerichtshof vorgelegten Akten enthalten nichts, was die Feststellung zuließe, dass diese Frage im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens anders zu beurteilen ware. In Anbetracht der im Beschluss Renta angestellten Erwagungen ist deshalb festzustellen, dass die Sechste Richtlinie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung nicht entgegensteht. \n---|--- \n31 | Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Sechste Richtlinie dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Vorschrift wie Art. 108 des Gesetzes uber den Wertpapierhandel nicht entgegensteht, wonach auf die Erlangung der Mehrheit des Kapitals einer Gesellschaft, deren Aktiva im Wesentlichen aus Grundvermogen bestehen, eine von der Mehrwertsteuer verschiedene indirekte Steuer wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende erhoben wird. \n---|--- \n \nZur ersten Frage\n\n32 | Mit seiner ersten Frage, die als zweite zu prufen ist, mochte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob den Erwerb von Aktien betreffende Umsatze durch einen Steuerpflichtigen, die den Erwerb des Eigentums an unbeweglichen Sachen einschließen, nach der Sechsten Richtlinie, insbesondere ihrem Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 zweiter Gedankenstrich, zwingend der Mehrwertsteuer unterliegen mussen. \n---|--- \n33 | Die Kommission vertritt in ihren schriftlichen Erklarungen die Ansicht, dass es im Ausgangsverfahren um die Belegung von Umsatzen, die durch Caixa bewirkt worden seien, mit der Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen und nicht mit der Mehrwertsteuer gehe und dass sich mit der Beantwortung dieser Frage nicht klaren lasse, ob diese Umsatze anderen Steuern als der Mehrwertsteuer unterworfen werden konnten. \n---|--- \n34 | Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hierzu hervor, dass sich das vorlegende Gericht mit dieser Frage an den Gerichtshof wendet, um festzustellen, ob die von Caixa bewirkten, den Erwerb von Aktien betreffenden Umsatze mit der Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen zu belegen sind, da die spanischen Rechtsvorschriften vorsehen, dass mehrwertsteuerpflichtige Umsatze nicht der Steuer auf vermogensrechtliche Übertragungen unterliegen. \n---|--- \n35 | Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die steuerliche Behandlung, die in der Sechsten Richtlinie dem Erwerb von Aktien betreffenden Umsatzen, die den Erwerb des Eigentums an unbeweglichen Sachen einschließen, vorbehalten ist, insbesondere je danach variieren kann, ob der betreffende Mitgliedstaat etwa von den Moglichkeiten Gebrauch gemacht hat, uber die er gemaß Art. 5 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit ihrem Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 zweiter Gedankenstrich sowie nach Art. 13 Teil C Buchst. b dieser Richtlinie verfugt. \n---|--- \n36 | Die Vorlageentscheidung enthalt jedoch keine genauen Angaben zu der Frage, ob der spanische Gesetzgeber von diesen Moglichkeiten Gebrauch gemacht hat. Unter diesen Umstanden ist der Gerichtshof nicht in der Lage, in sachdienlicher Weise eine Verbindung zwischen den im Ausgangsverfahren anwendbaren Vorschriften des nationalen Rechts und denen der Sechsten Richtlinie, um deren Auslegung ersucht wird, herzustellen. \n---|--- \n37 | Wie sich aus der Antwort auf die zweite Frage ergibt, hindert diese Richtlinie jedenfalls nicht daran, dass den Erwerb von Aktien betreffende Umsatze wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden einer von der Mehrwertsteuer verschiedenen indirekten Steuer wie derjenigen unterworfen werden, um die es im Ausgangsverfahren geht. Fur die Erhebung dieser Steuer ist es deshalb unerheblich, ob diese Umsatze nach der Sechsten Richtlinie der Mehrwertsteuer unterliegen mussen oder nicht. \n---|--- \n38 | Nach alledem ist die erste Frage daher nicht zu beantworten. \n---|--- \n \nZur dritten Frage\n\n39 | Die spanische Regierung halt die dritte Frage fur unzulassig. Alle Merkmale, die fur den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalt kennzeichnend seien, fielen in einen einzigen Mitgliedstaat, und es handele sich deshalb um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt, der nicht der Unionsrechtsordnung unterliege. Daher sei der Gerichtshof fur die Beantwortung dieser Frage nicht zustandig. \n---|--- \n40 | Zwar ist es nach der Verteilung der Zustandigkeiten im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens allein Sache des nationalen Gerichts, den Gegenstand der Fragen festzulegen, die es dem Gerichtshof vorlegen mochte, doch obliegt es Letzterem, zur Prufung seiner eigenen Zustandigkeit die Umstande zu untersuchen, unter denen er vom nationalen Gericht angerufen wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert, [C-92/09 und C-93/09, Slg. 2010, I-11063](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62009C?0092&locale=DE), Rn. 39, und vom 21. Juni 2012, Susisalo u. a., C‑84/11, Rn. 16). \n---|--- \n41 | In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof fur die Beantwortung einer Vorlagefrage nicht zustandig ist, wenn die ihm zur Auslegung vorgelegte unionsrechtliche Vorschrift offensichtlich keine Anwendung finden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Oktober 2009, Woningstichting Sint Servatius, [C-567/07, Slg. 2009, I-9021](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62007C?0567&locale=DE), Rn. 43 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n42 | Zu den unionsrechtlichen Vorschriften, um deren Auslegung mit der dritten Frage ersucht wird, ist festzustellen, dass die Bestimmungen des AEU-Vertrags uber die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale samtlich nicht uber die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, keine Anwendung finden (vgl. in diesem Sinne zur Niederlassungsfreiheit Urteil vom 17. Juli 2008, Kommission/Frankreich, [C-389/05, Slg. 2008, I-5397](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62005C?0389&locale=DE), Rn. 49 und die dort angefuhrte Rechtsprechung, sowie zum freien Kapitalverkehr Urteil vom 5. Marz 2002, Reisch u. a., [C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, Slg. 2002, I-2157](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61999C?0515&locale=DE), Rn. 24 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n43 | Der rein innerstaatliche Charakter des betreffenden Sachverhalts hindert den Gerichtshof jedoch unter bestimmten, sehr genauen Voraussetzungen nicht daran, eine nach Art. 267 AEUV vorgelegte Frage zu beantworten. \n---|--- \n44 | Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn das nationale Recht dem vorlegenden Gericht vorschreibt, einem Staatsburger seines Mitgliedstaats die gleichen Rechte zuzuerkennen, die dem Staatsburger eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage aufgrund des Unionsrechts zustunden (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 5. Dezember 2000, Guimont, [C-448/98, Slg. 2000, I-10663](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61998C?0448&locale=DE), Rn. 23, vom 30. Marz 2006, Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, [C-451/03, Slg. 2006, I-2941](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62003C?0451&locale=DE), Rn. 29, und vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a., [C-94/04 und C-202/04, Slg. 2006, I-11421](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62004C?0094&locale=DE), Rn. 30), oder wenn das Vorabentscheidungsersuchen unionsrechtliche Vorschriften betrifft, auf die das innerstaatliche Recht eines Mitgliedstaats verweist, um die auf einen rein innerstaatlichen Sachverhalt anwendbaren Regelungen zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 18. Oktober 1990, Dzodzi, [C-297/88 und C-197/89, Slg. 1990, I-3763](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61988C?0297&locale=DE), Rn. 36, vom 16. Marz 2006, Poseidon Chartering, [C-3/04, Slg. 2006, I-2505](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62004C?0003&locale=DE), Rn. 15, und vom 7. November 2013, Romeo, C‑313/12, Rn. 21). \n---|--- \n45 | Im vorliegenden Fall ist mit der spanischen Regierung festzustellen, dass samtliche Merkmale des Ausgangsrechtsstreits nicht uber die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, da dieser Rechtsstreit den Erwerb einer betrachtlichen Beteiligung an einer Immobiliengesellschaft mit Sitz in Spanien durch eine ebenfalls in diesem Mitgliedstaat ansassige andere Gesellschaft betrifft, wobei Letztere mit einer Steuer belastet wird, da die Aktiva der von ihr erworbenen Immobiliengesellschaft mindestens zu 50 % aus in Spanien belegenem Grundvermogen bestehen. \n---|--- \n46 | Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht jedoch nicht hervor, dass das vorlegende Gericht den Parteien des Ausgangsrechtsstreits nach nationalem Recht eine Behandlung zu gewahren hatte, die danach zu bestimmen ware, wie ein Wirtschaftsteilnehmer eines anderen Mitgliedstaats, der sich in der gleichen Lage befindet, nach dem Unionsrecht behandelt wird. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es sich auf eine Auslegung der unionsrechtlichen Vorschriften stutzen musste, um den Inhalt des im vorliegenden Fall anwendbaren nationalen Rechts zu bestimmen. \n---|--- \n47 | Da die Vorlageentscheidung keine hinreichenden konkreten Anhaltspunkte dafur enthalt, dass ein Zusammenhang zwischen den im Rahmen der dritten Frage angefuhrten Bestimmungen des AEU-Vertrags und den auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften besteht, folgt daraus letztlich, dass der Gerichtshof unter Umstanden wie denen des Ausgangsrechtsstreits, dessen Merkmale samtlich nicht uber die Grenzen des betreffenden Mitgliedstaats hinausweisen, fur die Beantwortung der dritten Vorlagefrage des Tribunal Supremo nicht zustandig ist. \n---|--- \n48 | Demnach ist festzustellen, dass die dritte Frage unzulassig ist. \n---|--- \n \nKosten\n\n49 | Fur die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhangigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter fur die Abgabe von Erklarungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfahig. \n---|--- \n| Aus diesen Grunden hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) fur Recht erkannt: \n---|--- \n| Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur\nHarmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten uber die\nUmsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche\nsteuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 91/680/EWG\ndes Rates vom 16. Dezember 1991 geanderten Fassung ist dahin auszulegen, dass\nsie einer nationalen Vorschrift wie Art. 108 des Gesetzes 24/1988 uber den\nWertpapierhandel (Ley 24/1988 del Mercado de Valores) vom 28. Juli 1988 in der\ndurch das Gesetz 18/1991 uber die Steuer auf das Einkommen naturlicher\nPersonen (Ley 18/1991 del Impuesto sobre la Renta de las Personas Fisicas) vom\n6. Juni 1991 nicht entgegensteht, wonach auf die Erlangung der Mehrheit des\nKapitals einer Gesellschaft, deren Aktiva im Wesentlichen aus Grundvermogen\nbestehen, eine von der Mehrwertsteuer verschiedene indirekte Steuer wie die im\nAusgangsverfahren in Rede stehende erhoben wird. \n---|--- \n| Unterschriften \n---|--- \n \n* * *\n\n( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.\n\n
316,873
eugh-2014-03-14-t-29611
2
Europäischer Gerichtshof
eugh
Europäische Union
T-296/11
2014-03-14
2019-03-14 13:52:02
2019-03-14 13:52:02
Urteil
ECLI:EU:T:2014:121
URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)\n\n14. Marz 2014 ( *1 )\n\n„Wettbewerb -- Verwaltungsverfahren -- Auskunftsbeschluss -- Erforderlichkeit\nder verlangten Auskunfte -- Hinreichend ernsthafte Indizien -- Gerichtliche\nNachprufung -- Verhaltnismaßigkeit"\n\nIn der Rechtssache T‑296/11\n\nCementos Portland Valderrivas, SA mit Sitz in Pamplona (Spanien),\nProzessbevollmachtigte: Rechtsanwalte L. Ortiz Blanco, A. Lamadrid de Pablo\nund N. Ruiz Garcia,\n\nKlagerin,\n\ngegen\n\nEuropaische Kommission, vertreten durch F. Castillo Contreras, C. Urraca\nCaviedes und C. Hodlmayr als Bevollmachtigte im Beistand von Rechtsanwalt A.\nRivas,\n\nBeklagte,\n\nwegen Nichtigerklarung des Beschlusses C(2011) 2368 final der Kommission vom\n30. Marz 2011 in einem Verfahren nach Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung (EG)\nNr. 1/2003 des Rates (Sache 39520 - Zement und verwandte Produkte)\n\nerlasst\n\nDAS GERICHT (Siebte Kammer)\n\nunter Mitwirkung des Prasidenten A. Dittrich, der Richterin I. Wiszniewska-\nBiałecka und des Richters M. Prek (Berichterstatter),\n\nKanzler: J. Palacio Gonzalez, Hauptverwaltungsrat,\n\naufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mundliche Verhandlung vom 6.\nFebruar 2013\n\nfolgendes\n\nUrteil\n\nSachverhalt und Verfahren\n\n1 | Im November 2008 und im September 2009 fuhrte die Kommission der Europaischen Gemeinschaften nach Art. 20 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchfuhrung der in den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln ([ABl. 2003, L 1, S. 1](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2003:001:TOC)) mehrere Nachprufungen in den Raumlichkeiten von Gesellschaften der Zementbranche durch. Im Anschluss an diese Nachprufungen wurden Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verschickt. Die Klagerin, die Cementos Portland Valderrivas, SA war weder von Nachprufungen in ihren Raumlichkeiten noch von Auskunftsverlangen betroffen. \n---|--- \n2 | Mit Schreiben vom 17. November 2010 unterrichtete die Kommission die Klagerin von ihrer Absicht, einen Auskunftsbeschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 an sie zu richten, und ubermittelte ihr den Entwurf des Fragebogens, den sie diesem Beschluss beizufugen gedachte. \n---|--- \n3 | Mit Schreiben vom 3. Dezember 2010 nahm die Klagerin zu diesem Fragebogenentwurf Stellung. \n---|--- \n4 | Am 6. Dezember 2010 teilte die Kommission der Klagerin mit, dass sie beschlossen habe, gegen die Klagerin und sieben weitere in der Zementbranche tatige Unternehmen ein Verfahren nach Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 wegen mutmaßlicher Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV einzuleiten, bei denen es sich um „die Beschrankung des Handelsverkehrs im Europaischen Wirtschaftsraum (EWR), einschließlich der Beschrankung von Einfuhren in den EWR [aus] Lander[n] außerhalb des EWR, um Marktaufteilung, um Preisabsprachen und [um] andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken in den Markten fur Zement und verwandte Produkte" handele. \n---|--- \n5 | Am 30. Marz 2011 erließ die Kommission den Beschluss C(2011) 2368 final in einem Verfahren nach Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1/2003 (Sache 39520 - Zement und verwandte Produkte) (im Folgenden: angefochtener Beschluss). \n---|--- \n6 | Im angefochtenen Beschluss wies die Kommission darauf hin, dass sie nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 zur Erfullung der ihr durch diese Verordnung ubertragenen Aufgaben durch einfaches Auskunftsverlangen oder durch Beschluss von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen verlangen konne, alle erforderlichen Auskunfte zu erteilen (dritter Erwagungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Im Anschluss an den Hinweis, dass die Klagerin von der Absicht der Kommission, einen Beschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zu erlassen, in Kenntnis gesetzt worden sei und zu einem Fragebogenentwurf Stellung genommen habe (Erwagungsgrunde 4 und 5 des angefochtenen Beschlusses), ersuchte die Kommission die Klagerin sowie ihre in der Europaischen Union ansassigen und von ihr direkt oder indirekt kontrollierten Tochtergesellschaften per Beschluss, den 94 Seiten umfassenden und aus elf Fragengruppen bestehenden Fragebogen in Anhang I des angefochtenen Beschlusses zu beantworten (sechster Erwagungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Anhang II des Beschlusses enthalt Anweisungen fur die Abfassung der Antworten auf diesen Fragebogen, wahrend sich die zu verwendenden Antwortvorlagen in Anhang III befinden. \n---|--- \n7 | Die Kommission wies ferner auf die oben in Rn. 4 wiedergegebene Beschreibung der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen hin (zweiter Erwagungsgrund des angefochtenen Beschlusses). \n---|--- \n8 | Unter Verweis auf Art und Umfang der verlangten Auskunfte sowie auf die Schwere der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln erachtete es die Kommission fur angemessen, der Klagerin eine Frist von zwolf Wochen fur die Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen und von zwei Wochen fur die Beantwortung der elften, „Kontakte und Sitzungen" betreffenden Fragengruppe zu gewahren (achter Erwagungsgrund des angefochtenen Beschlusses) \n---|--- \n9 | Der verfugende Teil des angefochtenen Beschlusses lautet: „Artikel 1 [Die Klagerin] (einschließlich ihrer Tochtergesellschaften in der EU, die direkt oder indirekt von ihr kontrolliert werden) muss die in Anhang I dieses Beschlusses beschriebenen Informationen in der in Anhang II und Anhang III dieses Beschlusses verlangten Form innerhalb von zwolf Wochen bezuglich der Fragen 1 bis 10 und innerhalb von zwei Wochen bezuglich Frage 11 nach Bekanntgabe dieses Beschlusses vorlegen. Alle Anhange sind Bestandteil dieses Beschlusses. Artikel 2 Dieser Beschluss ist an die [Klagerin] (einschließlich ihrer Tochtergesellschaften in der EU, die direkt oder indirekt von ihr kontrolliert werden) … gerichtet." \n---|--- \n10 | Am 15. April 2011 ubermittelte die Klagerin ihre Antwort auf die elfte Fragengruppe. Am 3. Mai 2011 verlangte die Kommission Erlauterungen zu dieser Antwort. Am 4. und am 31. Mai 2011 antwortete die Klagerin der Kommission. \n---|--- \n11 | Am 9. Mai 2011 beantragte die Klagerin bei der Kommission, sie in Anbetracht des finanziellen Schadens, den die erhebliche, mit der Pflicht zur Beantwortung des angefochtenen Beschlusses in einem besonders schwierigen wirtschaftlichen Kontext verbundene Arbeitsbelastung verursache, von dieser Pflicht zu entbinden und jedenfalls die Beantwortungsfrist zu verlangern. \n---|--- \n12 | Am 19. Mai 2011 fand ein Treffen von Vertretern der Kommission und der Klagerin statt. \n---|--- \n13 | Am 25. Mai 2011 beantragte die Klagerin bei der Kommission, die Frist fur die Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen um acht Wochen zu verlangern oder zumindest eine teilweise Beantwortung zu akzeptieren. \n---|--- \n14 | Am 1. Juni 2011 lehnte die Kommission die Gewahrung der beantragten Verlangerung ab und ersuchte die Klagerin um genaue Angabe der Fragen, bei denen ihres Erachtens eine zusatzliche Frist erforderlich sei. \n---|--- \n15 | Am 7. Juni 2011 beantragte die Klagerin eine zusatzliche Beantwortungsfrist fur die Fragen 1B, 3, 5, 9A und 9B von zwei Wochen, bis zum 11. Juli 2011. \n---|--- \n16 | Mit Klageschrift, die am 10. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klagerin die vorliegende Klage auf Nichtigerklarung des angefochtenen Beschlusses erhoben. \n---|--- \n17 | Mit besonderem Schriftsatz, der am 15. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klagerin einen Antrag auf vorlaufigen Rechtsschutz gestellt, mit dem sie den Prasidenten des Gerichts ersucht hat, den Vollzug des angefochtenen Beschlusses auszusetzen. \n---|--- \n18 | Mit Schreiben vom 23. Juni 2011 unterrichtete die Kommission die Klagerin daruber, dass ihre Frist fur die Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen um funf Wochen, d. h. bis zum 2. August 2011, verlangert werde. \n---|--- \n19 | Der Prasident des Gerichts hat den Antrag auf vorlaufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 29. Juli 2011, Cementos Portland Valderrivas/Kommission (T‑296/11 R, nicht in der amtlichen Sammlung veroffentlicht), zuruckgewiesen. \n---|--- \n20 | Am 2. August 2011 beantwortete die Klagerin die ersten zehn Fragengruppen. \n---|--- \n21 | Das Gericht (Siebte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mundliche Verhandlung zu eroffnen. \n---|--- \n22 | Die Parteien haben in der Sitzung vom 6. Februar 2013 mundlich verhandelt und mundliche Fragen des Gerichts beantwortet. Am Ende der Sitzung hat das Gericht beschlossen, das mundliche Verfahren nicht zu schließen. \n---|--- \n23 | Am 25. Marz 2013 hat das Gericht im Rahmen der in Art. 64 seiner Verfahrensordnung vorgesehenen prozessleitenden Maßnahmen die Kommission aufgefordert, ihm eine Liste und eine Zusammenfassung der Indizien vorzulegen, aufgrund deren sie ein Verfahren nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 gegen die Klagerin eingeleitet hat. \n---|--- \n24 | Am 11. April 2013 hat sich die Kommission geweigert, dieser Aufforderung nachzukommen. Mit Beschluss vom 14. Mai 2013 hat das Gericht der Kommission aufgegeben, ihm die Liste der genannten Indizien und deren Zusammenfassung vorzulegen. Nach Art. 67 § 3 Unterabs. 1 der Verfahrensordnung ist, um den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens einerseits sowie die Merkmale des Verfahrensabschnitts der Voruntersuchung - in dem das betroffene Unternehmen weder das Recht hat, uber die wesentlichen Gesichtspunkte informiert zu werden, auf die sich die Kommission stutzt, noch ein Recht auf Akteneinsicht - miteinander in Einklang zu bringen, durch den Beschluss vom 14. Mai 2013 die Einsichtnahme in die von der Kommission vorgelegten Auskunfte allein den Rechtsanwalten der Klagerin vorbehalten worden, unter der Bedingung, dass sie sich zur Vertraulichkeit verpflichten. \n---|--- \n25 | Die Kommission ist diesem Ersuchen fristgerecht nachgekommen und hat dem Gericht die Liste und eine Zusammenfassung der Indizien vorgelegt, auf deren Grundlage sie ein Verfahren nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 gegen die Klagerin eingeleitet hat. \n---|--- \n26 | Am 19. Juni 2013 haben die Rechtsanwalte der Klagerin die in der obigen Rn. 23 erwahnten Schriftstucke in der Kanzlei des Gerichts eingesehen, und am 15. Juli 2013 haben sie zu den von der Kommission vorgelegten Schriftstucken Stellung genommen. Schließlich hat die Kommission am 18. September 2013 auf die Stellungnahmen der Rechtsanwalte der Klagerin geantwortet. \n---|--- \n27 | Das mundliche Verfahren ist am 27. September 2013 geschlossen worden. \n---|--- \n \nAntrage der Parteien\n\n28 | Die Klagerin beantragt, | -- | den angefochtenen Beschluss fur nichtig zu erklaren; \n---|--- \n-- | der Kommission die Kosten aufzuerlegen. \n---|--- \n29 | Die Kommission beantragt, | -- | die Klage abzuweisen; \n---|--- \n-- | der Klagerin die Kosten aufzuerlegen. \n---|--- \n \nRechtliche Wurdigung\n\n30 | Die Klagerin stutzt ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 und gegen den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit rugt. Dieser Klagegrund besteht im Wesentlichen aus vier Teilen, die erstens den als willkurlich eingestuften Charakter des angefochtenen Beschlusses, zweitens die fehlende Erforderlichkeit der verlangten Auskunfte, drittens die Natur der verlangten Auskunfte und viertens die Unverhaltnismaßigkeit des Auskunftsverlangens betreffen. \n---|--- \n \nZum ersten Teil des einzigen Klagegrundes, mit dem gerugt wird, dass der\nangefochtene Beschluss willkurlich sei\n\n31 | Die Klagerin ist im Wesentlichen der Ansicht, dass die bloße Nennung der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen im angefochtenen Beschluss keinen hinreichenden Schutz gegen einen Missbrauch der Befugnisse der Kommission darstelle, die sie aus Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 ableite. Die Kommission musse uber Indizien fur das Vorliegen einer Zuwiderhandlung verfugen. Weder der angefochtene Beschluss noch dessen Kontext erlaube die Annahme, dass die Kommission im Besitz solcher Indizien sei. Dies deute vielmehr darauf hin, dass der angefochtene Beschluss Ausforschungscharakter habe (fishing expedition) und dazu diene, etwaige Indizien fur eine Verletzung des Wettbewerbsrechts zu finden. Die Klagerin regt auch an, dass das Gericht um Mitteilung der Indizien ersuche, auf die sich die Kommission stutze. \n---|--- \n32 | Die Kommission weist darauf hin, dass sie aufgrund ihrer Pflicht zur Begrundung eines Auskunftsbeschlusses gehalten sei, klar anzugeben, welche mutmaßlichen Zuwiderhandlungen sie prufen wolle, nicht aber, uber welche Indizien sie verfuge. Beim Erlass des angefochtenen Beschlusses habe sie uber solche Indizien verfugt. \n---|--- \n33 | Bei der Beantwortung des vorliegenden Teils des Klagegrundes ist zu berucksichtigen, dass das Verwaltungsverfahren nach der Verordnung Nr. 1/2003, das vor der Kommission stattfindet, in zwei unterschiedliche, aufeinanderfolgende Abschnitte unterteilt ist, die jeweils einer eigenen inneren Logik folgen, namlich einen Abschnitt der Voruntersuchung und einen kontradiktorischen Abschnitt. Der Abschnitt der Voruntersuchung, in dem die Kommission von ihren in der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Untersuchungsbefugnissen Gebrauch macht und der bis zur Mitteilung der Beschwerdepunkte wahrt, soll es der Kommission ermoglichen, alle relevanten Elemente zusammenzutragen, durch die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln bestatigt oder nicht bestatigt wird, und eine erste Position zur Ausrichtung und zum weiteren Gang des Verfahrens einzunehmen. Dagegen soll der kontradiktorische Abschnitt, der sich von der Mitteilung der Beschwerdepunkte bis zum Erlass der Endentscheidung erstreckt, es der Kommission ermoglichen, sich abschließend zu der gerugten Zuwiderhandlung zu außern (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, AC-Treuhand/Kommission, [T-99/04, Slg. 2008, II-1501](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62004T?0099&locale=DE), Rn. 47). \n---|--- \n34 | Zum einen beginnt der Abschnitt der Voruntersuchung, wenn die Kommission in Ausubung der ihr durch die Art. 18 und 20 der Verordnung Nr. 1/2003 verliehenen Befugnisse Maßnahmen trifft, die mit dem Vorwurf verbunden sind, eine Zuwiderhandlung begangen zu haben, und die erhebliche Auswirkungen auf die Situation der unter Verdacht stehenden Unternehmen haben. Zum anderen wird das betroffene Unternehmen erst zu Beginn des kontradiktorischen Abschnitts des Verwaltungsverfahrens durch die Mitteilung der Beschwerdepunkte uber alle wesentlichen Gesichtspunkte informiert, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stutzt, und verfugt erst zu diesem Zeitpunkt zur Sicherstellung der wirksamen Ausubung seiner Verteidigungsrechte uber ein Recht auf Akteneinsicht. Folglich kann das betroffene Unternehmen seine Verteidigungsrechte erst nach Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte umfassend geltend machen. Durch die Erstreckung dieser Rechte auf den Zeitraum vor Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte wurde namlich die Wirksamkeit der von der Kommission durchgefuhrten Untersuchung beeintrachtigt, da das betroffene Unternehmen schon im Abschnitt der Voruntersuchung erfahren wurde, welche Informationen der Kommission bekannt sind und welche damit noch vor ihr verborgen werden konnen (vgl. in diesem Sinne Urteil AC-Treuhand/Kommission, oben in Rn. 33 angefuhrt, Rn. 48 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n35 | Die von der Kommission im Abschnitt der Voruntersuchung ergriffenen Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere die Nachprufungsmaßnahmen und die Auskunftsverlangen, implizieren jedoch naturgemaß den Vorwurf einer Zuwiderhandlung und konnen erhebliche Auswirkungen auf die Situation der unter Verdacht stehenden Unternehmen haben. Folglich muss verhindert werden, dass die Verteidigungsrechte in diesem Abschnitt des Verwaltungsverfahrens in nicht wiedergutzumachender Weise beeintrachtigt werden konnten, da die getroffenen Ermittlungsmaßnahmen zur Erbringung von Beweisen fur rechtswidrige Verhaltensweisen von Unternehmen, die geeignet sind, deren Haftung auszulosen, von entscheidender Bedeutung sein konnen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission, [46/87 und 227/88, Slg. 1989, 2859](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61987??0046&locale=DE), Rn. 15, und Urteil AC-Treuhand/Kommission, oben in Rn. 33 angefuhrt, Rn. 50 und 51). \n---|--- \n36 | In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die der Kommission nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 obliegende Verpflichtung zur Angabe der Rechtsgrundlage und des Zwecks eines Auskunftsverlangens ein grundlegendes Erfordernis darstellt, da dadurch die Berechtigung des Ersuchens um Auskunfte der betreffenden Unternehmen aufgezeigt werden soll, diese aber auch in die Lage versetzt werden sollen, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen und zugleich ihre Verteidigungsrechte zu wahren. Daraus folgt, dass die Kommission nur Auskunfte verlangen darf, die ihr die Prufung der die Durchfuhrung der Untersuchung rechtfertigenden und im Auskunftsverlangen angegebenen mutmaßlichen Zuwiderhandlungen ermoglichen konnen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 1991, SEP/Kommission, [T-39/90, Slg. 1991, II-1497](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61990T?0039&locale=DE), Rn. 25, und vom 8. Marz 1995, Societe Generale/Kommission, [T-34/93, Slg. 1995, II-545](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61993T?0034&locale=DE), Rn. 40). \n---|--- \n37 | Nach alledem kann von der Kommission nicht verlangt werden, im Stadium des Abschnitts der Voruntersuchung außer den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, denen sie nachzugehen beabsichtigt, auch die Indizien anzugeben, d. h. die Gesichtspunkte, aufgrund deren sie die Moglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV in Betracht zieht. Eine solche Verpflichtung wurde namlich das durch die Rechtsprechung geschaffene Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Wirksamkeit der Untersuchung und dem Schutz der Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens in Frage stellen. \n---|--- \n38 | Daraus lasst sich jedoch nicht ableiten, dass die Kommission vor dem Erlass eines Beschlusses gemaß Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht im Besitz von Anhaltspunkten sein muss, aufgrund deren sie einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV fur denkbar halt. \n---|--- \n39 | Das Erfordernis eines Schutzes gegen willkurliche oder unverhaltnismaßige Eingriffe der offentlichen Gewalt in die Sphare der privaten Betatigung jeder - naturlichen oder juristischen - Person stellt namlich einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar (Urteil des Gerichts vom 22. Marz 2012, Slovak Telekom/Kommission, T‑458/09 und T‑171/10, Rn. 81). \n---|--- \n40 | Zur Wahrung dieses allgemeinen Grundsatzes muss ein Auskunftsbeschluss auf die Erlangung von Unterlagen gerichtet sein, die erforderlich sind, um die Richtigkeit und die Tragweite einer bestimmten Sach- und Rechtslage zu uberprufen, in Bezug auf die die Kommission bereits uber Erkenntnisse verfugt, die hinreichend ernsthafte Indizien fur den Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln darstellen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 22. Oktober 2002, Roquette Freres, [C-94/00, Slg. 2002, I-9011](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62000C?0094&locale=DE), Rn. 54 und 55). \n---|--- \n41 | Im vorliegenden Fall hat die Klagerin das Gericht ausdrucklich ersucht, der Kommission die Vorlage der in ihrem Besitz befindlichen Indizien aufzugeben, damit sich das Gericht vergewissern kann, dass der angefochtene Beschluss keinen willkurlichen Charakter hat. Zur Rechtfertigung dieses Ersuchens fuhrt die Klagerin aus, sie habe Zweifel, dass sich solche Informationen vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses im Besitz der Kommission befunden hatten. Statt die Richtigkeit und die Tragweite einer bestimmten Sach- und Rechtslage zu uberprufen, in Bezug auf die sie bereits uber Erkenntnisse verfuge, versuche die Kommission vermutlich in Wirklichkeit, Anhaltspunkte zu finden, die fur eine Zuwiderhandlung sprechen konnten. Die Klagerin stutzt ihr Vorbringen auf die besonders große Tragweite des an sie gerichteten angefochtenen Beschlusses und darauf, dass die Kommission keine Nachprufung in ihren Raumlichkeiten im Sinne von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgenommen und kein Auskunftsverlangen im Sinne von Art. 18 Abs. 2 dieser Verordnung an sie gerichtet habe. \n---|--- \n42 | Da dem Gericht ein entsprechender Antrag vorliegt und die Klagerin einige Anhaltspunkte vorgetragen hat, die geeignet sind, Zweifel an der hinreichenden Ernsthaftigkeit der Indizien zu wecken, aufgrund deren die Kommission einen Beschluss im Sinne von Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 erließ, ist das Gericht gehalten, diese Indizien zu untersuchen und nachzuprufen, ob sie hinreichend ernsthaft sind. \n---|--- \n43 | Die Beurteilung der hinreichenden Ernsthaftigkeit dieser Indizien ist unter Berucksichtigung des Umstands vorzunehmen, dass der angefochtene Beschluss im Rahmen des Abschnitts der Voruntersuchung ergangen ist, der es der Kommission ermoglichen soll, alle relevanten Elemente zusammenzutragen, durch die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln bestatigt oder nicht bestatigt wird, und eine erste Position zur Ausrichtung und zum weiteren Gang des Verfahrens einzunehmen. Zu diesem Zweck darf die Kommission Auskunftsverlangen nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 versenden oder Nachprufungen nach Art. 20 der Verordnung vornehmen. Daher kann in dieser Phase von der Kommission vor dem Erlass eines Auskunftsbeschlusses nicht verlangt werden, dass sie sich im Besitz von Anhaltspunkten fur das Vorliegen einer Zuwiderhandlung befindet. Die Kommission ist daher schon dann berechtigt, zusatzliche Auskunfte im Wege eines Beschlusses gemaß Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zu verlangen, wenn diese Indizien geeignet sind, einen begrundeten Verdacht des Vorhandenseins mutmaßlicher Zuwiderhandlungen zu wecken. \n---|--- \n44 | Die Kommission hat in ihrer Antwort auf den Beschluss vom 14. Mai 2013 dem Gericht die Indizien zur Kenntnis gebracht, uber die sie verfugte und die ihres Erachtens den Erlass des angefochtenen Beschlusses rechtfertigten. \n---|--- \n45 | Nach Kenntnisnahme der von der Kommission vorgelegten Zusammenfassung sowie der darin enthaltenen Auszuge aus Indizien bejaht das Gericht die Berechtigung der Kommission, einen Auskunftsbeschluss an die Klagerin zu richten, und zwar fur alle vom angefochtenen Beschluss erfassten mutmaßlichen Zuwiderhandlungen. Diese sind im zweiten Erwagungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannt und betreffen die Beschrankung des Handelsverkehrs im Europaischen Wirtschaftsraum (EWR), einschließlich der Beschrankung von Einfuhren in den EWR aus Landern außerhalb des EWR, Marktaufteilung, Preisabsprachen und andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken in den Markten fur Zement und verwandte Produkte. \n---|--- \n46 | Als Erstes ist zur Beschrankung des Handelsverkehrs im Europaischen Wirtschaftsraum (EWR), einschließlich der Beschrankung von Einfuhren in den EWR aus Landern außerhalb des EWR, festzustellen, dass die Bezugnahme in der Zusammenfassung und den Auszugen des Dokuments [vertraulich] die Kommission dazu berechtigte, die Erlangung von Auskunften uber das Verhalten der Klagerin anzustreben. Desgleichen konnten die Angaben in der Zusammenfassung und den Auszugen des Dokuments [vertraulich]. \n---|--- \n47 | Ferner geht aus der Zusammenfassung und den Auszugen des Dokuments [vertraulich] hervor, [vertraulich]. Ein solches Dokument war bei vernunftiger Betrachtung geeignet, die Kommission zu veranlassen, die Klagerin der Beteiligung [vertraulich] an Praktiken zur Beschrankung des Handelsverkehrs zu verdachtigen. \n---|--- \n48 | Was als Zweites die mutmaßlichen Zuwiderhandlungen in Form der Marktaufteilung angeht, stellen mehrere Kategorien von Anhaltspunkten, die die Kommission vorgetragen hat, hinreichend ernsthafte Indizien dar, um es ihr zu erlauben, an die Klagerin hierzu ein Auskunftsverlangen zu richten. Erstens kann sich die Hypothese der Kommission, es gebe eine grundsatzliche Marktaufteilung, [vertraulich]. \n---|--- \n49 | Zweitens ist festzustellen, dass [vertraulich]. Gleiches gilt fur das Dokument [vertraulich]. \n---|--- \n50 | Drittens bezieht sich die Kommission im Kern auf eine [vertraulich]. \n---|--- \n51 | Viertens schließlich, in einem Kontext, in dem die Kommission uber [vertraulich] verfugte, [vertraulich]. \n---|--- \n52 | Was als Drittes die Preisabsprachen und andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken im Sinne des zweiten Erwagungsgrundes des angefochtenen Beschlusses betrifft, [vertraulich]. Erstens [vertraulich]. \n---|--- \n53 | Zweitens wurde das Dokument [vertraulich]. \n---|--- \n54 | Drittens war die Kommission berechtigt, aus dem Verweis in der Zusammenfassung und den Auszugen des Dokuments [vertraulich] abzuleiten, [vertraulich]. \n---|--- \n55 | Schließlich kann viertens auch aus der Zusammenfassung und den Auszugen des Dokuments [vertraulich] bei vernunftiger Betrachtung abgeleitet werden, [vertraulich]. \n---|--- \n56 | Aus alledem ist zu schließen, dass sich die Kommission im Besitz hinreichend ernsthafter Indizien befand, die es ihr erlaubten, die Erlangung zusatzlicher Auskunfte der Klagerin in Bezug auf alle im zweiten Erwagungsgrund des angefochtenen Beschlusses angefuhrten mutmaßlichen Zuwiderhandlungen anzustreben. \n---|--- \n57 | Dieses Ergebnis wird durch das Vorbringen in der Stellungnahme zur Antwort der Kommission auf die prozessleitenden Maßnahmen nicht entkraftet. \n---|--- \n58 | Dieses Vorbringen beruht im Wesentlichen auf einer abweichenden Auslegung der von der Kommission herangezogenen Indizien. Beispielsweise wird ausgefuhrt, dass [vertraulich]. \n---|--- \n59 | Ein solches Vorbringen berucksichtigt nicht den besonderen Rahmen, in den sich der angefochtene Beschluss einfugt, da es in Wirklichkeit auf die Ansicht hinauslauft, dass die von der Kommission herangezogenen Anhaltspunkte nicht geeignet seien, die Beteiligung der Klagerin an den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen darzutun, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses sind. Aus den oben in Rn. 43 angegebenen Grunden trifft die Kommission aber keine solche Darlegungslast, da sonst die ihr durch die Art. 18 und 20 der Verordnung Nr. 1/2003 verliehenen Befugnisse nutzlos wurden. Deshalb kann der Umstand, dass die herangezogenen Anhaltspunkte unterschiedlich ausgelegt werden konnen, nicht verhindern, dass sie hinreichend ernsthafte Indizien im Sinne der oben in Rn. 40 angefuhrten Rechtsprechung darstellen, sofern die von der Kommission vertretene Auslegung plausibel erscheint. \n---|--- \n60 | Ferner wird hervorgehoben, dass [vertraulich]. \n---|--- \n61 | Nach alledem ist der erste Teil des Klagegrundes zuruckzuweisen. \n---|--- \n \nZum zweiten Teil des einzigen Klagegrundes, mit dem die fehlende\nErforderlichkeit der verlangten Auskunfte gerugt wird\n\n62 | Die Klagerin bestreitet im Wesentlichen die Erforderlichkeit, im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, der mit dem angefochtenen Beschluss verlangten Auskunfte. Ihr Vorbringen lasst sich in zwei Rugen aufteilen. Im Rahmen einer ersten Ruge macht die Klagerin geltend, dass der angefochtene Beschluss zahlreiche Beispiele von Auskunften umfasse, die dieser Voraussetzung der Erforderlichkeit nicht entsprachen, da sie keinen Bezug zu den im angefochtenen Beschluss erwahnten mutmaßlichen Zuwiderhandlungen hatten. Im Rahmen einer zweiten Ruge bestreitet die Klagerin die Erforderlichkeit der verlangten Auskunfte, die sich bereits im Besitz der Kommission befanden oder offentlich verfugbar seien. In der Stellungnahme zur Antwort der Kommission auf die prozessleitenden Maßnahmen des Gerichts wird schließlich eine dritte, die Erforderlichkeit des Auskunftsverlangens betreffende Ruge vorgebracht, wonach keine Beziehung zwischen den im Besitz der Kommission befindlichen Indizien und dem der Klagerin ubermittelten Fragebogen bestehe. \n---|--- \n63 | Die Kommission beantragt, den vorliegenden Teil des Klagegrundes zuruckzuweisen. \n---|--- \n64 | Vorab ist die in der Stellungnahme zur Antwort der Kommission erhobene Ruge zuruckzuweisen. Zwar ist sie nach Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung zulassig, da sie auf tatsachliche Grunde gestutzt wird, die der Klagerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht zuganglich waren, doch entspricht sie nicht den Anforderungen von Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung, da sie sich auf eine allgemeine Beanstandung beschrankt und nicht die besonderen Grunde erlautert, aus denen keine Beziehung zwischen dem Fragebogen und den im Besitz der Kommission befindlichen Indizien bestehen soll. Daher ist diese Ruge nicht klar und prazise genug, um der Beklagten die Vorbereitung ihrer Verteidigung und dem Gericht, gegebenenfalls ohne Einholung weiterer Informationen, die Entscheidung uber die Klage zu ermoglichen, und ist daher fur unzulassig zu erklaren (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Mo och Domsjo/Kommission, [T-352/94, Slg. 1998, II-1989](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61994T?0352&locale=DE), Rn. 333 und 334). Sollte sich diese Ruge schließlich auf das Vorbringen stutzen, mit dem die Beweiskraft der von der Kommission vorgelegten Indizien in Abrede gestellt wird, ware sie aus den oben in den Rn. 43 bis 59 dargestellten Grunden zuruckzuweisen. \n---|--- \n \nZum Bestreiten der Erforderlichkeit einiger verlangter Auskunfte im Hinblick\nauf die Verdachtsfalle, denen die Kommission nachgehen mochte\n\n65 | Wie bereits oben in Rn. 36 hervorgehoben worden ist, darf die Kommission nur Auskunfte verlangen, die ihr die Prufung der die Durchfuhrung der Untersuchung rechtfertigenden und im Auskunftsverlangen angegebenen mutmaßlichen Zuwiderhandlungen ermoglichen konnen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile SEP/Kommission, oben in Rn. 36 angefuhrt, Rn. 25, und Societe Generale/Kommission, oben in Rn. 36 angefuhrt, Rn. 40). \n---|--- \n66 | In Anbetracht der weitgehenden Ermittlungs- und Nachprufungsbefugnisse der Kommission ist es ihre Sache, die Erforderlichkeit der Auskunfte zu beurteilen, die sie von den betroffenen Unternehmen verlangt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 18. Mai 1982, AM & S Europe/Kommission, [155/79, Slg. 1982, 1575](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61979??0155&locale=DE), Rn. 17, und vom 18. Oktober 1989, Orkem/Kommission, [374/87, Slg. 1989, 3283](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61987??0374&locale=DE), Rn. 15). Zu der vom Gericht ausgeubten Kontrolle dieser Beurteilung der Kommission ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung bei der Auslegung des Begriffs der erforderlichen Auskunfte auf den Zweck abzustellen ist, zu dem der Kommission die fraglichen Untersuchungsbefugnisse ubertragen wurden. Das Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen dem Auskunftsverlangen und der mutmaßlichen Zuwiderhandlung ist daher erfullt, wenn in diesem Stadium des Verfahrens Grund zu der Annahme besteht, dass das Verlangen insofern in Beziehung zur mutmaßlichen Zuwiderhandlung steht, als die Kommission vernunftigerweise davon ausgehen kann, dass ihr das Dokument bei der Ermittlung des Vorliegens der gerugten Zuwiderhandlung helfen wird (Urteile SEP/Kommission, oben in Rn. 36 angefuhrt, Rn. 29, und Slovak Telekom/Kommission, oben in Rn. 39 angefuhrt, Rn. 42). \n---|--- \n67 | Die einzigen Fragen, deren Erforderlichkeit die Klagerin aus diesem Grund anzweifelt, sind die Fragen 5 Punkt AG und 5 Punkt AH, mit denen von ihr verlangt wird, zum einen die auf jede Betriebsstatte jeder ihrer Gesellschaften entfallenden Kohlendioxid(CO2)-Emissionen in Tonnen und zum anderen den Durchschnittspreis der tatsachlich fur die betreffende Anlage genutzten CO2-Emissionsrechte anzugeben. \n---|--- \n68 | Die Klagerin hat das Vorbringen in der Klagebeantwortung der Kommission, wonach die CO2-Emissionen einen der wichtigsten Bestandteile der Produktionskosten von Zement darstellten, die ihrerseits einer der wichtigsten Bestandteile des von den Kunden und den Verbrauchern verlangten Preises seien, nicht in Frage gestellt. \n---|--- \n69 | Ferner ist daran zu erinnern, dass eine der von der Kommission untersuchten mutmaßlichen Zuwiderhandlungen in einer moglichen Absprache der Preise zwischen konkurrierenden Unternehmen besteht. Bei Auskunften, die sich auf einen der wesentlichen Bestandteile der betreffenden Erzeugnisse beziehen, ist aber die Annahme berechtigt, dass sie einen Zusammenhang mit einer solchen mutmaßlichen Zuwiderhandlung aufweisen. \n---|--- \n70 | Diese Ruge ist daher zuruckzuweisen. \n---|--- \n \nZum Bestreiten der Erforderlichkeit bestimmter verlangter Auskunfte mit der\nBegrundung, dass sie sich bereits im Besitz der Kommission befanden oder\noffentlichen Charakter hatten\n\n71 | Die Klagerin tragt im Wesentlichen vor, die Übermittlung von Auskunften, die sich bereits im Besitz der Kommission befanden oder offentlichen Charakter hatten, konne nicht als erforderlich im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 betrachtet werden. \n---|--- \n72 | Zwar trifft es zu, dass das Gericht in seinem Urteil vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission ([T-191/98, T-212/98 bis T-214/98, Slg. 2003, II-3275](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61998T?0191&locale=DE), Rn. 425), hervorgehoben hat, dass Auskunftsverlangen, die auf die Erlangung von Informationen aus einem bereits im Besitz der Kommission befindlichen Schriftstuck gerichtet sind, nicht als durch die Erfordernisse der Untersuchung gerechtfertigt angesehen werden konnen. \n---|--- \n73 | An die Klagerin wurden jedoch zuvor keine Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 gerichtet. Daher kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass mit dem Fragebogen in Anhang I des angefochtenen Beschlusses von der Klagerin Auskunfte verlangt werden, die sich bereits im Besitz der Kommission befinden. \n---|--- \n74 | In Bezug auf die Ruge, dass einige der verlangten Auskunfte offentlich und damit auch der Kommission zuganglich seien, ohne dass sie deren Übermittlung anzuordnen brauche, besteht das einzige von der Klagerin angefuhrte Beispiel aus den „Postleitzahlen im Zusammenhang mit einer bestimmten Anschrift". \n---|--- \n75 | Solche Auskunfte sind jedoch die logische Erganzung von Informationen, die allein der Klagerin vorliegen. Daher kann ihr etwaiger offentlicher Charakter nichts daran andern, dass sie als erforderlich im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 angesehen werden konnen. \n---|--- \n76 | Somit sind die zweite Ruge und damit der zweite Teil des Klagegrundes zuruckzuweisen. \n---|--- \n \nZum dritten Teil des einzigen Klagegrundes, mit dem die Natur der verlangten\nAuskunfte gerugt wird\n\n77 | Die Klagerin macht im Wesentlichen geltend, nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 sei die Kommission nur befugt, von den Wirtschaftsteilnehmern die in ihrem Besitz befindlichen Informationen oder Daten zu verlangen, nicht jedoch anzuordnen, dass ein Unternehmen diese Informationen bearbeite, um sie in einem Format vorzulegen, das die Aufgabe der Kommission erleichtere, und damit die Beweise zu erstellen, die die Kommission ihm gegenuber verwenden wolle. \n---|--- \n78 | Die Kommission beantragt, diesen Teil des Klagegrundes zuruckzuweisen. \n---|--- \n79 | Der 23. Erwagungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 lautet: „Die Kommission sollte die Befugnis haben, im gesamten Bereich der [Union] die Auskunfte zu verlangen, die notwendig sind, um gemaß Artikel [101 AEUV] verbotene Vereinbarungen, Beschlusse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen sowie die nach Artikel [102 AEUV] untersagte missbrauchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung aufzudecken. Unternehmen, die einer Entscheidung der Kommission nachkommen, konnen nicht gezwungen werden, eine Zuwiderhandlung einzugestehen; sie sind auf jeden Fall aber verpflichtet, Fragen nach Tatsachen zu beantworten und Unterlagen vorzulegen, auch wenn die betreffenden Auskunfte dazu verwendet werden konnen, den Beweis einer Zuwiderhandlung durch die betreffenden oder andere Unternehmen zu erbringen." \n---|--- \n80 | Da unter der Erteilung von „Auskunften" im Sinne von Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht nur die Vorlage von Schriftstucken zu verstehen ist, sondern auch die Pflicht zur Beantwortung von Fragen zu diesen Schriftstucken, ist die Kommission somit nicht darauf beschrankt, allein die Vorlage von Daten zu verlangen, die unabhangig vom Tatigwerden des betroffenen Unternehmens vorliegen. Daher darf sie an ein Unternehmen Fragen richten, die voraussetzen, dass die verlangten Daten in eine bestimmte Form gebracht werden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Schlussantrage des Generalanwalts Darmon zum Urteil Orkem/Kommission, oben in Rn. 66 angefuhrt, Slg. 1989, 3301, Nr. 55). \n---|--- \n81 | Es ist jedoch hervorzuheben, dass die Ausubung dieser Befugnis durch die Beachtung mindestens zweier Grundsatze begrenzt wird. Zum einen durfen die an ein Unternehmen gerichteten Fragen, wie im 23. Erwagungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 ausgefuhrt wird, es nicht dazu zwingen, eine Zuwiderhandlung einzugestehen. Zum anderen darf die Beantwortung dieser Fragen keine Belastung darstellen, die zu den Erfordernissen der Untersuchung außer Verhaltnis steht (Urteile SEP/Kommission, oben in Rn. 36 angefuhrt, Rn. 51, Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Rn. 72 angefuhrt, Rn. 418, und Slovak Telekom/Kommission, oben in Rn. 39 angefuhrt, Rn. 81). \n---|--- \n82 | Im vorliegenden Fall wird zwar nicht vorgetragen, dass einige der an die Klagerin gerichteten Fragen sie zu Antworten verpflichteten, mit denen sie eine Zuwiderhandlung zugeben musste, deren Nachweis die Kommission zu erbringen hat, doch rugt die Klagerin, dass die mit der Beantwortung des Fragebogens verbundene Belastung unverhaltnismaßig sei. Da sich diese Ruge mit dem vierten Teil des Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit gerugt wird, deckt, ist sie dort zu prufen. \n---|--- \n83 | Unter diesem Vorbehalt ist der dritte Teil des Klagegrundes zuruckzuweisen. \n---|--- \n \nZum vierten Teil des einzigen Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen den\nGrundsatz der Verhaltnismaßigkeit gerugt wird\n\n84 | Im Rahmen dieses Teils des Klagegrundes rugt die Klagerin im Wesentlichen die Unverhaltnismaßigkeit der mit dem angefochtenen Beschluss verbundenen Arbeitsbelastung in Anbetracht erstens des Umfangs und der Detailliertheit der verlangten Auskunfte sowie der Notwendigkeit, sie in einem bestimmten Format zu erteilen, zweitens der Beantwortungsfrist und drittens ihres Einflusses auf die finanzielle Situation der Klagerin. Schließlich macht die Klagerin geltend, dass das Zusammenwirken dieser verschiedenen Umstande das Gericht in jedem Fall veranlassen musse, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit zu bejahen. \n---|--- \n85 | Die Kommission beantragt, diesen Teil des Klagegrundes zuruckzuweisen. \n---|--- \n86 | Nach standiger Rechtsprechung mussen die von der Kommission an ein Unternehmen gerichteten Auskunftsverlangen dem Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit entsprechen, und die einem Unternehmen auferlegte Pflicht zur Auskunftserteilung darf fur das Unternehmen keine Belastung darstellen, die zu den Erfordernissen der Untersuchung außer Verhaltnis steht (Urteile SEP/Kommission, oben in Rn. 36 angefuhrt, Rn. 51, Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Rn. 72 angefuhrt, Rn. 418, und Slovak Telekom/Kommission, oben in Rn. 39 angefuhrt, Rn. 81). \n---|--- \n87 | Im Rahmen einer ersten Ruge beanstandet die Klagerin den Umfang und die ubermaßige Detailliertheit der verlangten Auskunfte sowie das von der Kommission vorgeschriebene Antwortformat. Sie verweist als Beispiel auf Frage 1B, die Angaben uber samtliche von den Unternehmen, die die Klagerin kontrolliere, im Inland in einem Zeitraum von zehn Jahren getatigten Kaufe von funf Erzeugnissen (Zement, CEM 1 lose, Klinker, Zuschlagstoffe, Zement aus Hochofenschlacke, granuliert und zerkleinert, sowie Zement aus Hochofenschlacke, granuliert) verlange und die Aufschlusselung der Antwort anhand von 37 Parametern vorschreibe. \n---|--- \n88 | Zwar konnen der Umfang der mit dem Fragebogen verlangten Auskunfte, insbesondere bei Frage 1B, und ihr sehr hoher Genauigkeitsgrad nicht bestritten werden. Dies bedeutet unbestreitbar, dass die Beantwortung dieses Fragebogens fur die Klagerin mit einer besonders hohen Belastung verbunden war. \n---|--- \n89 | Gleichwohl kann in Anbetracht der Erfordernisse der Untersuchung, die insbesondere mit den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, denen die Kommission nachzugehen beabsichtigt, und den Umstanden des vorliegenden Verfahrens zusammenhangen, hieraus nicht geschlossen werden, dass diese Belastung unverhaltnismaßigen Charakter hat. \n---|--- \n90 | Insoweit ist erstens daran zu erinnern, dass der angefochtene Beschluss zu einem Verfahren gehort, in dem es um Einschrankungen des Handelsverkehrs im Europaischen Wirtschaftsraum (EWR), einschließlich der Einschrankung von Einfuhren in den EWR aus Landern außerhalb des EWR, um Marktaufteilung, um Preisabsprachen und um andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken in den Markten fur Zement und verwandte Produkte geht. Es ist festzustellen, dass der besonders weite Anwendungsbereich und die Schwere der von der Kommission untersuchten mutmaßlichen Zuwiderhandlungen die Erteilung einer hohen Zahl von Auskunften rechtfertigen konnen. \n---|--- \n91 | Zweitens ist auch darauf hinzuweisen, dass der angefochtene Beschluss im Rahmen einer Untersuchung wettbewerbswidriger Praktiken erlassen wurde, die neben der Klagerin sieben weitere in der Zementbranche tatige Gesellschaften betrifft. In Anbetracht des Umfangs der abzugleichenden Auskunfte erscheint es somit nicht unangemessen, dass die Kommission verlangt, die Antworten in einem Format zu geben, das ihren Vergleich ermoglicht. \n---|--- \n92 | Diese erste Ruge ist deshalb zuruckzuweisen. \n---|--- \n93 | Im Rahmen einer zweiten Ruge macht die Klagerin geltend, dass die Fristen von zwolf bzw. zwei Wochen fur die Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen bzw. der elften Fragengruppe in Anbetracht der Menge der zu liefernden Auskunfte unverhaltnismaßig seien. \n---|--- \n94 | Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klagerin entgegen. Sie verweist darauf, dass dieser zur Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen 17 Wochen und nicht, wie ursprunglich vorgesehen, zwolf Wochen zur Verfugung gestanden hatten. \n---|--- \n95 | Zunachst ist festzustellen, dass die Klagerin die Kommission im Verwaltungsverfahren zwar um eine Verlangerung der zwolfwochigen Frist fur die Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen ersucht hat, doch hat sie keinen solchen Antrag fur die elfte Fragengruppe gestellt. Dies genugt fur die Feststellung, dass diese Frist fur sie ausreichend war (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Finnboard/Kommission, [T-338/94, Slg. 1998, II-1617](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61994T?0338&locale=DE), Rn. 54). \n---|--- \n96 | Bei der Beurteilung der Frage, ob die mit der Pflicht, die ersten zehn Fragengruppen binnen zwolf Wochen zu beantworten, verbundene Belastung unverhaltnismaßig sein konnte, ist zu berucksichtigen, dass die Klagerin als Adressatin eines Auskunftsbeschlusses nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht nur Gefahr lief, dass ihr eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b oder Art. 24 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 auferlegt wird, falls sie die Auskunfte unvollstandig, verspatet oder gar nicht erteilt, sondern auch, dass ihr eine Geldbuße nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung auferlegt wird, falls die Kommission eine erteilte Auskunft als unrichtig oder „irrefuhrend" einstuft. \n---|--- \n97 | Folglich kommt der Prufung, ob die durch einen Auskunftsbeschluss auferlegte Frist angemessen ist, besondere Bedeutung zu. Diese Frist muss es dem Adressaten namlich nicht nur ermoglichen, tatsachlich zu antworten, sondern auch, sich zu vergewissern, dass die erteilten Auskunfte vollstandig, richtig und nicht irrefuhrend sind. \n---|--- \n98 | Wie bereits oben in Rn. 88 ausgefuhrt, fuhrten die Vielzahl der verlangten Auskunfte und das besonders anspruchsvolle Format, in dem die Antworten zu ubermitteln waren, zwar unbestreitbar zu ganz erheblichem Arbeitsaufwand. \n---|--- \n99 | Das Gericht ist jedoch der Ansicht, dass die Klagerin in Anbetracht der ihr aufgrund ihrer Wirtschaftskraft zur Verfugung stehenden Mittel bei vernunftiger Betrachtung als fahig angesehen werden konnte, innerhalb der ihr gesetzten Frist, die im Übrigen letztlich auf 17 Wochen ausgedehnt wurde, eine den oben in Rn. 97 genannten Anforderungen genugende Antwort zu geben. \n---|--- \n100 | Daher ist diese zweite Ruge zuruckzuweisen. \n---|--- \n101 | Im Rahmen einer dritten Ruge hebt die Klagerin den Schaden hervor, der ihr durch die mit der Beantwortung des Fragebogens verbundene Arbeitsbelastung entstanden sei, und erinnert daran, dass sie beantragt habe, von der Pflicht, diesen zu beantworten, entbunden zu werden. Über die finanziellen Kosten hinaus habe die Vorbereitung der Beantwortung die nachteilige Auswirkung gehabt, dass ihre Verwaltungsressourcen in einer fur die Zementbranche und insbesondere die Klagerin besonders schwierigen wirtschaftlichen Situation beansprucht und gelahmt worden seien. \n---|--- \n102 | Erstens ist in Bezug auf den finanziellen Schaden, den die Beantwortung des Fragebogens der Klagerin verursacht haben soll, daran zu erinnern, dass aus den oben in den Rn. 88 bis 91 angegebenen Grunden die mit der Beantwortung dieses Fragebogens verbundene Belastung nicht offensichtlich außer Verhaltnis zu den Umstanden des vorliegenden Falles stand. Die eventuelle Hohe der finanziellen Kosten dieser Antwort spiegelt aber nur diese Arbeitsbelastung wider. Trotz ihrer moglichen Hohe sind diese Kosten folglich als solche nicht geeignet, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit zu belegen. \n---|--- \n103 | Was zweitens die geltend gemachte Lahmung der Verwaltungsressourcen der Klagerin angeht, genugt die Feststellung, dass es sich dabei um eine bloße Behauptung handelt, fur die kein wirklich stichhaltiger Beweis vorgelegt worden ist. Der einzige dieser Frage gewidmete Anhang, Anhang A 13, besteht aus nur einer Tabelle, in der die Klagerin die Kosten aufschlusselt, die ihr durch die Beantwortung des Fragebogens und die Zahl der darauf verwendeten Stunden entstanden sein sollen. Sie vermag fur sich genommen nicht zu belegen, dass das Vorbringen der Klagerin in Bezug auf eine Lahmung ihrer Verwaltungsressourcen zutreffend ware. \n---|--- \n104 | Daher ist die dritte Ruge zuruckzuweisen. \n---|--- \n105 | Schließlich macht die Klagerin im Rahmen einer vierten Ruge geltend, dass das Zusammenwirken des Umfangs und der Detailliertheit der verlangten Auskunfte, der Verpflichtung, sie in einem zwingend vorgeschriebenen Format vorzulegen, der Natur der verlangten Auskunfte, der Kurze der Beantwortungsfristen und der involvierten finanziellen Kosten das Gericht in jedem Fall veranlassen musse, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit zu bejahen. \n---|--- \n106 | Ein solches Vorbringen kann unter den Umstanden des vorliegenden Falles keinen Erfolg haben. \n---|--- \n107 | Wie namlich oben in Rn. 102 ausgefuhrt worden ist, spiegeln die von der Klagerin angefuhrten erheblichen finanziellen Kosten nur die mit der Beantwortung des Fragebogens verbundene Arbeitsbelastung wider. Da es sich zum einen in Anbetracht der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, die die Kommission zu prufen beabsichtigte, nicht um eine offensichtlich ubermaßige Belastung handelte und zum anderen die letztlich eingeraumte Frist es der Klagerin ermoglichte, diese Belastung zu tragen, folgt daraus zwingend, dass die Ruge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit zuruckzuweisen ist. \n---|--- \n108 | Nach alledem ist der vierte Teil des Klagegrundes zuruckzuweisen, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist. \n---|--- \n \nKosten\n\n109 | Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klagerin unterlegen ist, sind ihr neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission einschließlich der durch das Verfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten aufzuerlegen. \n---|--- \n| Aus diesen Grunden hat DAS GERICHT (Siebte Kammer) fur Recht erkannt und\nentschieden: \n---|--- \n| | 1. | Die Klage wird abgewiesen. \n---|--- \n| | 2. | Die Cementos Portland Valderrivas, SA tragt die Kosten einschließlich der durch das Verfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten. \n---|--- \n| Dittrich Wiszniewska-Białecka Prek Verkundet in offentlicher Sitzung in\nLuxemburg am 14. Marz 2014. Unterschriften \n---|--- \n \n* * *\n\n( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.\n\n
317,152
eugh-2013-11-07-c-61512
2
Europäischer Gerichtshof
eugh
Europäische Union
C-615/12
2013-11-07
2019-03-14 16:18:19
2019-03-14 16:18:19
Beschluss
ECLI:EU:C:2013:742
BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)\n\n7\\. November 2013(*)\n\n„Rechtsmittel - Schadensersatzklage - Zuschusse, die im Rahmen von uber das\nProgramm ,Kultur 2000ʻ finanzierten Projekten gewahrt wurden - Antrage auf\nZahlung verschiedener Betrage - Inhalt der Klageschrift - Teilweise\noffensichtlich unzulassiges und teilweise offensichtlich unbegrundetes\nRechtsmittel"\n\nIn der Rechtssache C‑615/12 P\n\nbetreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der\nEuropaischen Union, eingelegt am 21. Dezember 2012,\n\n**Arbos, Gesellschaft f ur Musik und Theater **mit Sitz in Klagenfurt\n(Österreich), Prozessbevollmachtigter: Rechtsanwalt H. Karl,\n\nRechtsmittelfuhrerin,\n\nandere Verfahrensbeteiligte:\n\n**Europ aische Kommission,** vertreten durch W. Molls und D. Roussanov als\nBevollmachtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,\n\nBeklagte im ersten Rechtszug,\n\nerlasst\n\nDER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)\n\nunter Mitwirkung des Kammerprasidenten J. L. da Cruz Vilaça sowie der Richter\nG. Arestis (Berichterstatter) und J.-C. Bonichot,\n\nGeneralanwalt: M. Wathelet,\n\nKanzler: A. Calot Escobar,\n\naufgrund der gemaß Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs nach\nAnhorung des Generalanwalts getroffenen Entscheidung, durch mit Grunden\nversehenen Beschluss zu entscheiden,\n\nfolgenden\n\n**Beschluss**\n\n1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Arbos, Gesellschaft fur Musik und\nTheater die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europaischen Union vom 25.\nOktober 2012, Arbos/Kommission (T‑161/06, im Folgenden: angefochtenes Urteil),\nmit dem dieses ihre Klage auf Verurteilung der Europaischen Kommission zum\neinen zur Zahlung von 38 585,42 Euro zuzuglich 12 % Zinsen seit dem 1\\. Januar\n2001 sowie von 27 618,91 Euro zuzuglich 12 % Zinsen seit dem 1. Marz 2003 und\nzum anderen zur Zahlung von 26 459,38 Euro netto an vorgerichtlich\nentstandenen Interventionskosten abgewiesen hat.\n\n**Vorgeschichte des Rechtsstreits**\n\n2 Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wird in den Randnrn. 1 bis 8 des\nangefochtenen Urteils dargelegt und kann wie folgt zusammengefasst werden.\n\n3 Im Rahmen des Programms „Kultur 2000", das mit dem Beschluss Nr. 508/2000/EG\ndes Europaischen Parlaments und des Rates vom 14\\. Februar 2000 (ABl. L 63, S.\n1) geschaffen wurde, schlossen die Rechtsmittelfuhrerin und die Kommission am\n10. Januar 2000 bzw. am 16. Mai und am 5. Juni 2002 zwei Vereinbarungen, in\ndenen sich die Kommission verpflichtete, 8,18 % der Kosten eines ersten\nProjekts, hochstens 100 000 Euro, sowie einen Hochstbetrag von 59 160 Euro,\nder 42,51 % der geschatzten forderfahigen Gesamtkosten von 139 160 Euro\nentspricht, fur ein zweites Projekt zu finanzieren. Die Rechtsmittelfuhrerin\nerhielt seitens der Kommission verschiedene Betrage in Form von Vorschussen,\nu. a. 50 000 Euro im Hinblick auf die finanzielle Unterstutzung des ersten\nProjekts.\n\n4 Mit Schreiben vom 25. Juni 2003 teilte die Kommission der\nRechtsmittelfuhrerin mit, dass die Prufung der Durchfuhrung des ersten\nProjekts zuschussfahige Gesamtausgaben in Hohe von 158 301,19 Euro ergeben\nhabe und dass sich der Betrag des Zuschusses der Kommission auf 12 949,04 Euro\nbelaufe. Da die Rechtsmittelfuhrerin einen Vorschuss von 50 000 Euro erhalten\nhabe, sehe sich die Kommission gezwungen, von ihr 37 050,96 Euro\nzuruckzuverlangen.\n\n5 Mit Schreiben vom 7. Juli 2003 wandte sich die Rechtsmittelfuhrerin gegen\ndas Schreiben der Kommission vom 25. Juni 2003 und beantragte die Zahlung des\nzweiten Teils des Zuschusses fur das erste Projekt.\n\n6 Nach einem Briefwechsel wies die Kommission die Rechtsmittelfuhrerin mit\nSchreiben vom 23. September 2005 nochmals darauf hin, dass sie von ihr die\nRuckzahlung des Betrags von 37 050,96 Euro verlange. Mit Schreiben vom 28.\nNovember 2006 unterrichtete die Kommission die Rechtsmittelfuhrerin, dass sie\nbinnen zwei Wochen die Aufrechnung des Restbetrags, der der\nRechtsmittelfuhrerin aus dem zweiten Projekt geschuldet werde, mit der\nForderung vornehmen werde, die sie gegen die Rechtsmittelfuhrerin aus dem\nersten Projekt habe. Die Kommission forderte sie daher auf, ihr den\nDifferenzbetrag zu zahlen.\n\n**Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil**\n\n7 Mit Klageschrift, die am 23. Juni 2006 bei der Kanzlei des Gerichts einging,\nerhob die Rechtsmittelfuhrerin eine Klage auf Verurteilung der Kommission zur\nZahlung bestimmter Betrage aufgrund der beiden in den Jahren 2000 und 2002\nunterzeichneten Vereinbarungen und der vorgerichtlich entstandenen\nInterventionskosten.\n\n8 Mit besonderem Schriftsatz, der am 22. Dezember 2006 bei der Kanzlei des\nGerichts einging, erhob die Kommission eine Einrede der Unzulassigkeit nach\nArt. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts.\n\n9 Mit dem angefochtenen Urteil wies das Gericht die Klage als unzulassig ab.\n\n10 In Randnr. 36 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgefuhrt, dass\ndie von der Rechtsmittelfuhrerin getroffene Wahl der Rechtsgrundlage der Klage\ndahin gehend, dass sie diese auf vertragliche Haftung oder auf\naußervertragliche Haftung oder sogar auf diese beiden Rechtsgrundlagen stutze,\nnicht klar und deutlich aus der Klageschrift hervorgehe, wobei die spateren\nSchriftsatze die sich aus der Klageschrift ergebenden Unklarheiten jedenfalls\nbestatigt hatten. Nach Ansicht des Gerichts ergab sich aus den oben genannten\nErwagungen auch, dass diese Wahl durch die in die Klageschrift aufgenommenen\nVerweise auf Vorschriften, aufgrund deren das Gericht zustandig sein solle,\nnicht geklart werden konne, wobei die spateren Schriftsatze und die Angaben\nder Rechtsmittelfuhrerin in der mundlichen Verhandlung die sich aus der\nKlageschrift ergebenden Unklarheiten jedenfalls verstarkt hatten.\n\n11 So hat das Gericht in Randnr. 38 des angefochtenen Urteils festgestellt,\ndass zwar die Klage die Zahlung verschiedener Betrage, namlich zum einen zwei\nBetrage zuzuglich Zinsen als Restzahlungen der im Rahmen der beiden Projekte\nbewilligten Zuschusse und zum anderen vorgerichtlich entstandene\nInterventionskosten, zum Gegenstand habe und im Wesentlichen auf\n„Schadenersatz" gerichtet sei, die Rechtsgrundlage dieser Anspruche in der\nKlageschrift aber nicht eindeutig und hinreichend deutlich angegeben sei.\n\n12 Weiter hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die Klageschrift, selbst\nwenn man unterstelle, dass sie die Bestimmung der Rechtsgrundlage der\nvorliegenden Klage zulasse, jedenfalls nicht die Feststellung des oder der zur\nStutzung der vorliegenden Klage geltend gemachten Klagegrunde zulasse.\n\n13 In Randnr. 53 des angefochtenen Urteils hat das Gericht namlich\nfestgestellt, dass die Klageschrift nicht einmal eine knappe Angabe der\nKlagegrunde enthalte und aus einer kurzen Darstellung des Sachverhalts und der\nAntrage bestehe. Das Gericht hat daher die Ansicht vertreten, dass der\nKlagegrund und die Rugen, die in der Klageschrift geltend gemacht worden sein\nsollten, nicht den Mindestanforderungen entsprachen, die Art. 44 § 1 der\nVerfahrensordnung des Gerichts zur Gewahrleistung der Rechtssicherheit und der\nordnungsgemaßen Rechtspflege aufstelle.\n\n14 Das Gericht hat in Randnr. 54 des angefochtenen Urteils außerdem\nfestgestellt, dass jedenfalls in der Klageschrift das Vorbringen zum einzigen\nim Raum stehenden Klagegrund nicht hinreichend klar und deutlich sei, um der\nKommission eine angemessene Verteidigung und dem Gericht die Entscheidung uber\ndie Antrage zu ermoglichen. Hierzu hat das Gericht in Randnr. 59 des\nangefochtenen Urteils ausgefuhrt, dass der Inhalt der Erwiderung der\nRechtsmittelfuhrerin fur die Heilung eines bei Erhebung der Klage begangenen\nVerstoßes gegen die Anforderungen von Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung des\nGerichts unerheblich sei, da diese Vorschrift sonst vollig ausgehohlt wurde.\n\n15 Das Gericht ist in Randnr. 60 des angefochtenen Urteils zum Ergebnis\ngekommen, dass die Rechtsmittelfuhrerin die Kommission und das Gericht notige,\nMutmaßungen in Bezug auf die Schlussfolgerungen und die konkreten Erwagungen\nsowohl tatsachlicher als auch rechtlicher Art anzustellen, die ihren\nAusfuhrungen zugrunde liegen konnten. Eine solche Situation sei jedoch eine\nQuelle von Rechtsunsicherheit und mit einer ordnungsgemaßen Rechtspflege nicht\nzu vereinbaren, was Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung verhindern solle. Die\nKlage wurde deshalb als unzulassig abgewiesen.\n\n**Antr age der Verfahrensbeteiligten**\n\n16 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelfuhrerin,\n\n- das angefochtene Urteil aufzuheben;\n\n- entsprechend ihren Antragen in der Sache zu entscheiden und \n\n- hilfsweise, die Sache an das Gericht zuruckzuverweisen.\n\n17 Die Kommission beantragt,\n\n- das Rechtsmittel zuruckzuweisen; \n\n- hilfsweise, die Klage als unzulassig, außerst hilfsweise, als unbegrundet abzuweisen;\n\n- der Rechtsmittelfuhrerin die Kosten dieses Verfahrens und, soweit relevant, des Verfahrens vor dem Gericht aufzuerlegen.\n\n**Zum Rechtsmittel**\n\n18 Die Rechtsmittelfuhrerin stutzt ihr Rechtsmittel im Wesentlichen auf zwei\nRechtsmittelgrunde. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund macht sie geltend, dass\ndas Gericht gegen Art. 44 § 1 Buchst. c seiner Verfahrensordnung verstoßen\nhabe und unter Nichteinhaltung eines fairen und ausgewogenen Verfahrens\njegliche Vorhersehbarkeit, Transparenz und Effizienz im erstinstanzlichen\nVerfahren habe vermissen lassen. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund macht sie\ngeltend, dass das Gericht die Argumente der Rechtsmittelfuhrerin in ihrer\nErwiderung und in der Stellungnahme zu der von der Kommission erhobenen\nEinrede der Unzulassigkeit nicht gebuhrend einbezogen habe.\n\n19 Ist das Rechtsmittel oder Anschlussrechtsmittel ganz oder teilweise\noffensichtlich unzulassig oder offensichtlich unbegrundet, so kann der\nGerichtshof es jederzeit auf Bericht des Berichterstatters und nach Anhorung\ndes Generalanwalts ganz oder teilweise durch mit Grunden versehenen Beschluss\nzuruckweisen. Von dieser Moglichkeit ist in der vorliegenden Rechtssache\nGebrauch zu machen.\n\n _Zum ersten Rechtsmittelgrund_\n\nVorbringen der Verfahrensbeteiligten\n\n20 Zur Stutzung ihres ersten Rechtsmittelgrundes tragt die\nRechtsmittelfuhrerin vor, dass Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts\nweder verlange, dass der Streitgegenstand und die Klagegrunde getrennt\nvoneinander darzustellen seien, noch, dass diese besonders ausfuhrlich oder\ndetailliert sein mussten.\n\n21 Außerdem gehe hinreichend klar und genau aus der Klageschrift hervor, dass\nsich die Klage auf Betrage stutze, die aufgrund vertraglicher Haftung aus den\nmit der Kommission geschlossenen Vertragen geschuldet wurden. Zudem sei die\nKommission in der Lage gewesen, ihr Klagebegehren inhaltlich zu verstehen, und\ndas Gericht sei aufgrund seines formalistischen Ansatzes nicht darauf\neingegangen. Das Gericht hatte der Rechtsmittelfuhrerin durch prozessleitende\nMaßnahmen Gelegenheit geben mussen, etwaige Mangel zu beheben.\n\n22 Überdies laufe es der Effizienz und der Transparenz des Verfahrens zuwider,\ndass das Gericht im Jahr 2007 die Entscheidung uber die Zulassigkeit der Klage\nfunf Jahre bis zur Verkundung des angefochtenen Urteils vorbehalten habe, auch\nwenn dies die Verfahrensordnung des Gerichts gestatte.\n\n23 Nach Ansicht der Kommission gehen die Argumente der Rechtsmittelfuhrerin\nins Leere und sind unbegrundet. Das Gericht habe die Abweisung der Klage wegen\nUnzulassigkeit nicht nur auf das Fehlen von klaren und genauen Angaben zu\nderen Rechtsgrundlage, sondern auch auf die Feststellung gestutzt, dass anhand\nder Klageschrift nicht ermittelt werden konne, welche Klagegrunde die\nRechtsmittelfuhrerin geltend mache.\n\nWurdigung durch den Gerichtshof\n\n24 Zunachst ist festzustellen, dass das Gericht Art. 44 § 1 Buchst. c seiner\nVerfahrensordnung ordnungsgemaß ausgelegt und angewandt hat. Wie sich\ninsbesondere aus den Randnrn. 19, 20 und 25 des angefochtenen Urteils ergibt,\nhat das Gericht namlich die Zulassigkeit der Klage im Hinblick auf die\nAnforderungen nach dieser Bestimmung gepruft, nach denen die Klageschrift den\nStreitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegrunde enthalten muss, so\ndass sie den in dieser Vorschrift aufgestellten Erfordernissen der Klarheit\nund Deutlichkeit entspricht. Damit hat das Gericht entgegen den Ausfuhrungen\nder Rechtsmittelfuhrerin weder gefordert, dass der Streitgegenstand und die\nKlagegrunde getrennt voneinander darzustellen seien, noch, dass sie besonders\nausfuhrlich und detailliert sein mussten.\n\n25 Die Rechtsmittelfuhrerin kann daher keinen Verstoß gegen Art. 44 § 1 der\nVerfahrensordnung des Gerichts geltend machen.\n\n26 Des Weiteren behauptet die Rechtsmittelfuhrerin bloß, ihre Klageschrift\nerfulle die Erfordernisse nach Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des\nGerichts, und legt deren Inhalt dar, ohne jedoch den Rechtsfehler zu benennen,\nder dem Gericht im angefochtenen Urteil unterlaufen sein soll. Somit\nbeschrankt sich die Rechtsmittelfuhrerin u. a. in den Randnrn. 17, 18, 24 und\n26 ihrer Rechtsmittelschrift auf die Behauptung, dass es „schwer\nnachvollziehbar" sei, warum das Gericht zum Ergebnis komme, dass die\nKlageschrift unzulassig sei.\n\n27 Im Übrigen ist das Vorbringen der Rechtsmittelfuhrerin, wonach die\nKommission in der Lage gewesen sei, ihr Klagebegehren inhaltlich zu verstehen,\nals ins Leere gehend zuruckzuweisen. In den Randnrn. 54 und 60 des\nangefochtenen Urteils hat das Gericht namlich ausgefuhrt, dass die in der\nKlageschrift festgestellten Unzulanglichkeiten nicht nur die Kommission daran\nhinderten, eine angemessene Verteidigung vorzutragen, sondern es auch dem\nGericht unmoglich machten, uber die Antrage zu entscheiden, die von der\nRechtsmittelfuhrerin gestellt worden sein sollten, was sowohl die Kommission\nals auch das Gericht dazu veranlasse, Mutmaßungen anzustellen.\n\n28 Schließlich genugt hinsichtlich des Vorbringens, das Gericht habe die\nGrundsatze der Effizienz und Transparenz des Verfahrens nicht gewahrt, als es\ndie Entscheidung uber die Zulassigkeit der Klage bis zur Verkundung des\nangefochtenen Urteils vorbehalten habe, die Feststellung, dass die\nRechtsmittelfuhrerin einraumt, dass sich das Gericht sehr wohl an seine\nVerfahrensordnung gehalten hat.\n\n29 Demnach ist der erste Rechtsmittelgrund als teilweise offensichtlich\nunzulassig und teilweise offensichtlich unbegrundet zuruckzuweisen.\n\n _Zum zweiten Rechtsmittelgrund_\n\nVorbringen der Verfahrensbeteiligten\n\n30 Nach Ansicht der Rechtsmittelfuhrerin ist dem Gericht ein\nBeurteilungsfehler unterlaufen, als es ihre Erwiderung nicht einbezogen habe,\nin der im Einzelnen dargelegt werde, worauf sich die Klage rechtlich stutze.\nAußerdem habe es das Gericht versaumt, von der Rechtsmittelfuhrerin in der\nmundlichen Verhandlung vorgebrachte weitere Argumente hinsichtlich der\nZulassigkeit der Klage zu berucksichtigen. Daher habe das Gericht mit seiner\nEntscheidung, uber die Zulassigkeit erst im Stadium der Endentscheidung zu\nentscheiden, die Grundsatze eines fairen und transparenten Verfahrens nicht\ngewahrt.\n\n31 Die Kommission halt den zweiten Rechtsmittelgrund fur unbegrundet.\n\nWurdigung durch den Gerichtshof\n\n32 Das Gericht hat zu Recht in Randnr. 59 des angefochtenen Urteils\nausgefuhrt, dass die Zulassigkeit von Klagegrunden, die in der Erwiderung\nvorgebracht werden, um in der Klageschrift enthaltene Angriffsmittel naher\nauszufuhren, nicht geltend gemacht werden kann, um einen bei Erhebung der\nKlage begangenen Verstoß gegen die Anforderungen von Art. 44 § 1 der\nVerfahrensordnung zu heilen, da diese Vorschrift sonst vollig ausgehohlt\nwurde.\n\n33 Insoweit hat der Gerichtshof bereits zum Umfang einer solchen Anforderung\nim Zusammenhang mit Art. 120 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs\nStellung bezogen, der denselben Wortlaut hat wie Art. 44 § 1 der\nVerfahrensordnung des Gerichts. Er hat dazu ausgefuhrt, dass die geforderten\nAngaben hinreichend klar und deutlich sein mussen, um dem Beklagten die\nVorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gerichtshof die\nWahrnehmung seiner Kontrollaufgabe zu ermoglichen. Folglich mussen sich die\nwesentlichen tatsachlichen und rechtlichen Umstande, auf die eine Klage\ngestutzt wird, zusammenhangend und verstandlich unmittelbar aus der\nKlageschrift ergeben (Urteile vom 9. Januar 2003, Italien/Kommission,\nC‑178/00, Slg. 2003, I‑303, Randnr. 6, vom 15. September 2005,\nIrland/Kommission, C‑199/03 Slg. 2005, I‑8027, Randnr. 50, und vom 18. Juli\n2006, Rossi/HABM, C‑214/05 P, Slg. 2006, I‑7057, Randnr. 35).\n\n34 Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelfuhrerin kann das Fehlen solcher\nAngaben in der Klageschrift durch deren Darstellung in der Erwiderung nicht\ngeheilt werden (vgl. entsprechend Urteil Rossi/HABM, Randnr. 37).\n\n35 Außerdem ist auch darauf hinzuweisen, dass sich sowohl aus Art. 48 § 2 der\nVerfahrensordnung des Gerichts als auch aus Art. 127 Abs. 1 der\nVerfahrensordnung des Gerichtshofs ergibt, dass neue Angriffs- und\nVerteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden\nkonnen, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsachliche Grunde gestutzt\nwerden, die erst wahrend des Verfahrens zutage getreten sind. Es steht aber\nfest, dass die Rechtsmittelfuhrerin vor dem Gericht keinen dahin gehenden\nGrund angegeben hat.\n\n36 Zum Vorbringen hinsichtlich eines etwaigen Verstoßes des Gerichts gegen die\nGrundsatze eines fairen und transparenten Verfahrens genugt der Hinweis, dass\nes im Wesentlichen identisch mit dem im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes\nausgefuhrten Vorbringen ist. Daher ist es aus denselben Grunden wie den in\nRandnr. 28 des vorliegenden Beschlusses angegebenen Grunden zuruckzuweisen.\n\n37 Folglich hat das Gericht demnach keinen Rechtsfehler begangen und ist der\nzweite Rechtsmittelgrund als offensichtlich unbegrundet zuruckzuweisen.\n\n38 Daher ist das Rechtsmittel als teilweise offensichtlich unzulassig und als\nteilweise offensichtlich unbegrundet zuruckzuweisen.\n\n**Kosten**\n\n39 Gemaß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der aufgrund von Art. 184 Abs.\n1 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist\ndie unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da\ndie Kommission die Verurteilung der Rechtsmittelfuhrerin beantragt hat und\ndiese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten im Zusammenhang\nmit dem Rechtsmittel aufzuerlegen.\n\nAus diesen Grunden hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) beschlossen:\n\n1. **Das Rechtsmittel wird zur uckgewiesen.**\n\n2. **Die Arbos, Gesellschaft f ur Musik und Theater tragt die Kosten. **\n\nUnterschriften\n\n* * *\n\n* Verfahrenssprache: Deutsch. \n\n
317,264
eugh-2013-09-19-c-29712
2
Europäischer Gerichtshof
eugh
Europäische Union
C-297/12
2013-09-19
2019-03-14 16:20:07
2019-03-14 16:20:07
Urteil
ECLI:EU:C:2013:569
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)\n\n19. September 2013 ( *1 )\n\n„Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts -- Ruckfuhrung illegal\naufhaltiger Drittstaatsangehoriger -- Richtlinie 2008/115/EG -- Art. 11 Abs. 2\n-- Ruckkehrentscheidung, die mit einem Einreiseverbot einhergeht --\nGrundsatzlich auf funf Jahre beschrankte Dauer des Einreiseverbots --\nNationale Regelung, wonach das Einreiseverbot unbefristet ist, sofern kein\nBefristungsantrag gestellt wird -- Art. 2 Abs. 2 Buchst. b --\nDrittstaatsangehorige, die aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion oder\ninfolge einer strafrechtlichen Sanktion ruckkehrpflichtig sind --\nNichtanwendung der Richtlinie"\n\nIn der Rechtssache C‑297/12\n\nbetreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom\nAmtsgericht Laufen (Deutschland) mit Entscheidung vom 13. Juni 2012, beim\nGerichtshof eingegangen am 18. Juni 2012, in den Strafverfahren gegen\n\nGjoko Filev,\n\nAdnan Osmani\n\nerlasst\n\nDER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)\n\nunter Mitwirkung des Kammerprasidenten L. Bay Larsen, der Richter J.\nMalenovský, U. Lohmus (Berichterstatter) und M. Safjan sowie der Richterin A.\nPrechal,\n\nGeneralanwalt: N. Jaaskinen,\n\nKanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsratin,\n\naufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mundliche Verhandlung vom\n20. Marz 2013,\n\nunter Berucksichtigung der Erklarungen\n\n-- | der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und N. Graf Vitzthum\nals Bevollmachtigte, \n---|--- \n-- | der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vlačil als\nBevollmachtigte, \n---|--- \n-- | der Europaischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande und V.\nKreuschitz als Bevollmachtigte, \n---|--- \n \naufgrund des nach Anhorung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne\nSchlussantrage uber die Rechtssache zu entscheiden,\n\nfolgendes\n\nUrteil\n\n1 | Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2008/115/EG des Europaischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 uber gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Ruckfuhrung illegal aufhaltiger Drittstaatsangehoriger ([ABl. L 348, S. 98](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2008:348:TOC)) und insbesondere des Art. 11 Abs. 2 dieser Richtlinie. \n---|--- \n2 | Es ergeht im Rahmen von Strafverfahren, die gegen Herrn Filev, einen Staatsangehorigen der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien, und Herrn Osmani, einen Staatsangehorigen der Republik Serbien, eingeleitet wurden, nachdem diese mehr als funf Jahre nach ihrer Ausweisung aus Deutschland unter Verstoß gegen die unbefristeten Einreiseverbote, mit denen die gegen sie erlassenen Ausweisungsbescheide einhergingen, nach Deutschland eingereist waren. \n---|--- \n \nRechtlicher Rahmen\n\nUnionsrecht\n\n3 | Die Erwagungsgrunde 4, 5 und 14 der Richtlinie 2008/115 lauten: | „(4) | Eine wirksame Ruckkehrpolitik als notwendiger Bestandteil einer gut geregelten Migrationspolitik muss mit klaren, transparenten und fairen Vorschriften unterlegt werden. \n---|--- \n(5) | Mit dieser Richtlinie sollte eine Reihe von horizontalen Vorschriften eingefuhrt werden, die fur samtliche Drittstaatsangehorige gelten, die die Voraussetzungen fur die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfullen. \n---|--- \n \n…\n\n(14) | Die Wirkung der einzelstaatlichen Ruckfuhrungsmaßnahmen sollte durch die Einfuhrung eines Einreiseverbots, das die Einreise in das Hoheitsgebiet samtlicher Mitgliedstaaten und den dortigen Aufenthalt verbietet, europaischen Zuschnitt erhalten. Die Dauer des Einreiseverbots sollte in Anbetracht der jeweiligen Umstande des Einzelfalls festgesetzt werden und im Regelfall funf Jahre nicht uberschreiten. …" \n---|--- \n4 | Art. 2 („Anwendungsbereich") der Richtlinie 2008/115 bestimmt in seinem Abs. 2: „Die Mitgliedstaaten konnen beschließen, diese Richtlinie nicht auf Drittstaatsangehorige anzuwenden: … | b) | die nach einzelstaatlichem Recht aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion ruckkehrpflichtig sind oder gegen die ein Auslieferungsverfahren anhangig ist." \n---|--- \n5 | Art. 3 Nr. 6 der Richtlinie 2008/115 definiert den Begriff „Einreiseverbot" als „die behordliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt fur einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Ruckkehrentscheidung einhergeht". \n---|--- \n6 | Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/115 lautet: „Eine Ruckkehrentscheidung sieht unbeschadet der Ausnahmen nach den Absatzen 2 und 4 eine angemessene Frist zwischen sieben und 30 Tagen fur die freiwillige Ausreise vor. Die Mitgliedstaaten konnen in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorsehen, dass diese Frist nur auf Antrag der betreffenden Drittstaatsangehorigen eingeraumt wird. In einem solchen Fall unterrichtet der Mitgliedstaat die betreffenden Drittstaatsangehorigen davon, dass die Moglichkeit besteht, einen solchen Antrag zu stellen." \n---|--- \n7 | Art. 11 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/115 bestimmt: „(1) Ruckkehrentscheidungen gehen mit einem Einreiseverbot einher, | a) | falls keine Frist fur eine freiwillige Ausreise eingeraumt wurde oder \n---|--- \nb) | falls der Ruckkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. \n---|--- \n \nIn anderen Fallen kann eine Ruckkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot\neinhergehen.\n\n(2) Die Dauer des Einreiseverbots wird in Anbetracht der jeweiligen Umstande\ndes Einzelfalls festgesetzt und uberschreitet grundsatzlich nicht funf Jahre.\nSie kann jedoch funf Jahre uberschreiten, wenn der Drittstaatsangehorige eine\nschwerwiegende Gefahr fur die offentliche Ordnung, die offentliche Sicherheit\noder die nationale Sicherheit darstellt." \n \nDeutsches Recht\n\n8 | Das Gesetz uber den Aufenthalt, die Erwerbstatigkeit und die Integration von Auslandern im Bundesgebiet in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. 2008 I, S. 162, im Folgenden: Aufenthaltsgesetz), geandert durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europaischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl. 2011 I, S. 2258, im Folgenden: Gesetz vom 22. November 2011), enthalt folgenden § 11 Abs. 1: „Ein Auslander, der ausgewiesen, zuruckgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Satzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berucksichtigung der Umstande des Einzelfalls festzusetzen und darf funf Jahre nur uberschreiten, wenn der Auslander auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr fur die offentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Lange der Frist wird berucksichtigt, ob der Auslander rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Eine Befristung erfolgt nicht, wenn ein Auslander wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde. Die oberste Landesbehorde kann im Einzelfall Ausnahmen von Satz 7 zulassen." \n---|--- \n9 | Nach § 14 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes ist die Einreise eines Auslanders nach Deutschland u. a. dann unerlaubt, wenn er nach § 11 Abs. 1 nicht einreisen darf, es sein denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 2. \n---|--- \n10 | § 95 („Strafvorschriften") des Aufenthaltsgesetzes sieht in Abs. 2 Nr. 1 vor: „(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer | 1. | entgegen § 11 Abs. 1 Satz 1 | a) | in das Bundesgebiet einreist oder \n---|--- \nb) | sich darin aufhalt". \n---|--- \n11 | § 456a der Strafprozessordnung bestimmt: „(1) Die Vollstreckungsbehorde kann von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung absehen, wenn der Verurteilte wegen einer anderen Tat einer auslandischen Regierung ausgeliefert, an einen internationalen Strafgerichtshof uberstellt oder wenn er aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgewiesen wird. (2) Kehrt der Ausgelieferte, der Überstellte oder der Ausgewiesene zuruck, so kann die Vollstreckung nachgeholt werden. …" \n---|--- \n \nAusgangsverfahren und Vorlagefragen\n\nSachverhalt in Bezug auf Herrn Filev\n\n12 | Nach Einstellung des Verfahrens uber seinen Asylantrag wurde Herr Filev durch Bescheid des Bundesamts fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge vom 29. Oktober 1992 aufgefordert, das deutsche Hoheitsgebiet zu verlassen. In den Jahren 1993 und 1995 wurde er in die Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien abgeschoben; die Wirkung der Abschiebungen war unbefristet. \n---|--- \n13 | Am 28. April 2012 reiste Herr Filev erneut nach Deutschland ein und wurde dort einer Polizeikontrolle unterzogen. Diese Kontrolle ergab, dass er 1992 ausgewiesen worden war. Daraufhin wurde ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet, und er wurde in Untersuchungshaft genommen. \n---|--- \n14 | Am 3. Mai 2012 beantragte die Anklagebehorde in der Hauptverhandlung vor dem vorlegenden Gericht, Herrn Filev wegen Verstoßes gegen § 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b des Aufenthaltsgesetzes aufgrund unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt zu einer Geldstrafe in Hohe von 60 Tagessatzen zu je 15 Euro zu verurteilen. \n---|--- \n \nSachverhalt in Bezug auf Herrn Osmani\n\n15 | Am 19. November 1999 erging gegen Herrn Osmani ein Ausweisungsbescheid der Stadt Stuttgart (Deutschland) gemaß den Vorschriften des damals gultigen Auslandergesetzes, das eine Ausweisung bei Verstoßen gegen das Betaubungsmittelgesetz vorsah. Die Wirkung der Ausweisung war unbefristet. \n---|--- \n16 | Am 10. Juni 2003 wurde Herr Osmani wiederum wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betaubungsmitteln in zwei Fallen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Nachdem er einen Teil dieser Strafe verbußt hatte, wurde er am 30. Juni 2004 entlassen und unbefristet abgeschoben. Gemaß § 456a der Strafprozessordnung ordnete die Staatsanwaltschaft Stuttgart die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe von 474 Tagen fur den Fall an, dass Herr Osmani erneut nach Deutschland einreisen wurde. \n---|--- \n17 | Am 29. April 2012 reiste Herr Osmani erneut nach Deutschland ein und wurde einer Polizeikontrolle unterzogen, bei der festgestellt wurde, dass gegen ihn ein Ausweisungsbescheid ergangen war. Daraufhin wurde ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet. In der Hauptverhandlung vor dem vorlegenden Gericht am 3. Mai 2012 beantragte die Anklagebehorde, Herrn Osmani wegen Verstoßen gegen § 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b des Aufenthaltsgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Strafaussetzung zur Bewahrung zu verurteilen. \n---|--- \n18 | Zum Zeitpunkt der Einreichung des Vorabentscheidungsersuchens verbußte Herr Osmani den Rest der Freiheitsstrafe, zu der er 2003 verurteilt worden war. \n---|--- \n \nVorlagefragen in den beiden Verfahren\n\n19 | Das vorlegende Gericht hat im Hinblick auf Art. 11 Abs. 2 und die Erwagungsgrunde 4 und 5 der Richtlinie 2008/115 Bedenken, § 11 Abs. 1 und § 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b des Aufenthaltsgesetzes in den bei ihm anhangigen Rechtssachen anzuwenden. \n---|--- \n20 | Insoweit weist es darauf hin, dass nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 die Dauer eines Einreiseverbots funf Jahre grundsatzlich nicht uberschreiten durfe. Diese Bestimmung habe in Deutschland zwischen dem 24. Dezember 2010, dem Zeitpunkt, bis zu dem diese Richtlinie nach ihrem Art. 20 Abs. 1 Unterabs. 1 spatestens umzusetzen gewesen sei, und dem 26. November 2011, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes vom 22. November 2011 zur Umsetzung dieser Richtlinie, unmittelbare Wirkung gehabt, so dass Ausweisungen und Abschiebungen, die mehr als funf Jahre vor dem erstgenannten Zeitpunkt erfolgt seien, nicht mehr als Grundlage fur eine strafrechtliche Verurteilung nach § 95 des Aufenthaltsgesetzes dienen konnten. Außerdem sehe § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes in der durch das Gesetz vom 22. November 2011 geanderten Fassung keine Befristung der Wirkung derartiger Maßnahmen vor, sondern raume dem Betroffenen lediglich das Recht ein, eine solche Befristung zu beantragen. \n---|--- \n21 | Das vorlegende Gericht legt dar, dass Herr Filev zum einen erkennbar wohl keine schwerwiegende Gefahr fur die offentliche Ordnung, die offentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115 darstelle. Zum anderen habe er keinen Antrag auf Befristung seiner Ausweisung und seiner Abschiebungen gestellt, mit der Folge, dass diese seit beinahe 20 Jahren Wirkungen hervorriefen. \n---|--- \n22 | In Bezug auf Herrn Osmani weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass er nach § 95 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz wegen seiner Einreise nach Deutschland nach seiner Ausweisung 1999 und/oder seiner Abschiebung 2004 Sanktionen unterliege und dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/115 den Mitgliedstaaten die Moglichkeit einraume, die Richtlinie nicht anzuwenden, wenn eine Person aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion ruckkehrpflichtig sei. Wahrend des Zeitraums, in dem die Richtlinie in Deutschland unmittelbare Wirkung gehabt habe, sei jedoch keine Ausnahme nach dieser Bestimmung in das deutsche Recht ubernommen worden, vielmehr sei eine derartige Ausnahme durch § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes in der durch das Gesetz vom 22. November 2011 geanderten Fassung eingefuhrt worden. \n---|--- \n23 | Unter diesen Umstanden hat das Amtsgericht Laufen beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, und zwar die ersten drei in beiden Ausgangsrechtssachen und die vierte nur in der, die Herrn Osmani betrifft: | 1. | Ist Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin gehend auszulegen, dass es Mitgliedstaaten untersagt ist, verwaltungsrechtliche Ausweisungen bzw. Abschiebungen mit Strafe zu bewehren, wenn die Ausweisung/Abschiebung bei der Wiedereinreise alter als funf Jahre ist? \n---|--- \n2. | Ist Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin gehend auszulegen, dass es der Bundesrepublik Deutschland untersagt ist, verwaltungsrechtliche Ausweisungen/Abschiebungen mit Strafe zu bewehren, die vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 22. November 2011 alter als funf Jahre waren? \n---|--- \n3. | Ist eine einzelstaatliche Regelung unionskonform im Sinne von Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115, die vorsieht, dass Ausweisungen/Abschiebungen grundsatzlich unbefristet wirksam sind, es sei denn, der Betroffene stelle einen Antrag auf Befristung? Entspricht eine derartige Norm Nr. 4 der Erwagungen der Richtlinie im Sinne einer gut geregelten Migrationspolitik durch klare, transparente und faire Vorschriften? \n---|--- \n4. | Ist die Richtlinie 2008/115 dahin gehend auszulegen, dass es Mitgliedstaaten untersagt ist, Ausweisungen/Abschiebungen, die wahrend des Zeitraums der Nichtumsetzung der Richtlinie funf Jahre und alter waren, spater wieder zur Grundlage einer strafrechtlichen Ahndung zu machen, wenn die Ausweisung/Abschiebung auf einer strafrechtlichen Verurteilung basierte? \n---|--- \n24 | Auf Antrag des vorlegenden Gerichts hat die hierfur bestimmte Kammer gepruft, ob es erforderlich ist, die vorliegende Rechtssache im Eilverfahren nach Art. 104b § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs in ihrer zum Zeitpunkt dieses Antrags geltenden Fassung zu entscheiden. Sie hat nach Anhorung des Generalanwalts beschlossen, diesem Antrag nicht stattzugeben. \n---|--- \n \nZu den Vorlagefragen\n\nZur dritten Frage\n\n25 | Mit seiner dritten Frage, die zuerst zu prufen ist, mochte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Vorschrift wie § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes entgegensteht, die die Befristung eines Einreiseverbots an die Voraussetzung knupft, dass der betroffene Drittstaatsangehorige einen Antrag auf eine derartige Befristung stellt. \n---|--- \n26 | Nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2008/115 wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstande des Einzelfalls festgesetzt und uberschreitet grundsatzlich nicht funf Jahre. \n---|--- \n27 | Es ist festzustellen, dass aus den Worten „[d]ie Dauer des Einreiseverbots wird … festgesetzt" klar hervorgeht, dass eine Verpflichtung fur die Mitgliedstaaten besteht, alle Einreiseverbote - grundsatzlich auf hochstens funf Jahre - zu befristen, unabhangig von einem hierauf gerichteten Antrag des betroffenen Drittstaatsangehorigen. \n---|--- \n28 | Diese Auslegung ergibt sich auch aus Satz 2 des 14. Erwagungsgrundes der Richtlinie 2008/115, der ebenfalls vorsieht, dass die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstande des Einzelfalls festgesetzt werden und im Regelfall funf Jahre nicht uberschreiten sollte. \n---|--- \n29 | Im Übrigen wird die genannte Auslegung erstens durch die Definition des Begriffs „Einreiseverbot" in Art. 3 Nr. 6 der genannten Richtlinie gestutzt, die sich u. a. auf eine Entscheidung bezieht, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt „fur einen bestimmten Zeitraum" untersagt wird. \n---|--- \n30 | Zweitens bestimmt Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/115 hinsichtlich der Frist fur eine freiwillige Ausreise, die im Rahmen einer Ruckkehrentscheidung festzusetzen ist, dass die Mitgliedstaaten in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorsehen konnen, dass diese Frist nur auf Antrag des betreffenden Drittstaatsangehorigen eingeraumt wird. Dieser Wortlaut legt nahe, dass der Unionsgesetzgeber, wenn er den Mitgliedstaaten eine solche Moglichkeit in Bezug auf die Befristung eines Einreiseverbots hatte einraumen wollen, dies in Art. 11 Abs. 2 dieser Richtlinie ausdrucklich bestimmt hatte. \n---|--- \n31 | Entgegen dem Vorbringen der deutschen Regierung in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklarungen genugt es fur die Erreichung des Ziels von Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 nicht, wenn eine solche Befristung eines Einreiseverbots im innerstaatlichen Recht von einem Antrag des betreffenden Drittstaatsangehorigen abhangig gemacht wird. \n---|--- \n32 | Dieses Ziel besteht namlich u. a. darin, zu gewahrleisten, dass die Dauer eines Einreiseverbots funf Jahre nicht uberschreitet, es sei denn, die betreffende Person stellt eine schwerwiegende Gefahr fur die offentliche Ordnung, die offentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit dar. \n---|--- \n33 | Selbst wenn das innerstaatliche Recht, wie die deutsche Regierung in Bezug auf ihr innerstaatliches Recht ausfuhrt, vorsieht, dass der betreffende Drittstaatsangehorige uber die Moglichkeit, eine Befristung des gegen ihn verhangten Einreiseverbots zu beantragen, unterrichtet wird und diese Unterrichtungspflicht von den zustandigen nationalen Behorden stets befolgt wird, ist jedoch nicht gewahrleistet, dass der betreffende Drittstaatsangehorige einen solchen Antrag tatsachlich stellt. Wird ein solcher Antrag nicht gestellt, kann das Ziel von Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 nicht als erreicht angesehen werden. \n---|--- \n34 | Angesichts der vorstehenden Erwagungen ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Vorschrift wie § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes entgegensteht, die die Befristung eines Einreiseverbots davon abhangig macht, dass der betreffende Drittstaatsangehorige einen Antrag auf eine derartige Befristung stellt. \n---|--- \n \nZur ersten und zur zweiten Frage\n\n35 | Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die gemeinsam zu prufen sind, mochte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen ist, dass er es verbietet, einen Verstoß gegen ein Verbot, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einzureisen und sich dort aufzuhalten, das mehr als funf Jahre vor dem Zeitpunkt verhangt wurde, zu dem der betreffende Drittstaatsangehorige erneut in dieses Hoheitsgebiet eingereist oder die innerstaatliche Regelung zur Umsetzung dieser Richtlinie in Kraft getreten ist, strafrechtlich zu ahnden. \n---|--- \n36 | In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass zwar weder Art. 63 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b EG, der in Art. 79 Abs. 2 Buchst. c AEUV ubernommen wurde, noch die Richtlinie 2008/115, die u. a. auf der Grundlage der erstgenannten dieser beiden Bestimmungen erlassen wurde, die strafrechtliche Zustandigkeit der Mitgliedstaaten im Bereich der illegalen Einwanderung und des illegalen Aufenthalts ausschließen, die Mitgliedstaaten ihre Rechtsvorschriften in diesem Bereich jedoch so ausgestalten mussen, dass die Wahrung des Unionsrechts gewahrleistet ist. Insbesondere durfen sie keine strafrechtliche Regelung anwenden, die die Verwirklichung der mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele gefahrden und die Richtlinie damit ihrer praktischen Wirksamkeit berauben konnte (vgl. Urteile vom 28. April 2011, El Dridi, [C-61/11 PPU, Slg. 2011, I-3015](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62011C?0061&locale=DE), Randnrn. 54 und 55, und vom 6. Dezember 2011, Achughbabian, [C-329/11, Slg. 2011, I-12695](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62011C?0329&locale=DE), Randnr. 33). \n---|--- \n37 | Daraus folgt, dass ein Mitgliedstaat einen Verstoß gegen ein Einreiseverbot, das in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115 fallt, nicht strafrechtlich ahnden darf, wenn die Aufrechterhaltung der Wirkungen dieses Verbots nicht mit Art. 11 Abs. 2 dieser Richtlinie im Einklang steht. \n---|--- \n38 | Daher ist anhand der Umstande der Ausgangsverfahren zu prufen, ob der genannte Art. 11 Abs. 2 es verbietet, die Wirkung unbefristeter Einreiseverbote, die vor dem Zeitpunkt verhangt wurden, zu dem der betreffende Mitgliedstaat die Richtlinie 2008/115 hatte umsetzen mussen, uber die in dieser Bestimmung vorgesehene Hochstdauer eines solchen Verbots, d. h. grundsatzlich funf Jahre, hinaus aufrechtzuerhalten. \n---|--- \n39 | Hierzu ist zunachst festzustellen, dass die genannte Richtlinie keine Übergangsbestimmungen fur Einreiseverbote enthalt, die erlassen wurden, bevor sie anwendbar wurde. \n---|--- \n40 | Nach standiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gilt indessen eine neue Vorschrift, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, unmittelbar fur die kunftigen Auswirkungen eines Sachverhalts, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden ist (vgl. Urteile vom 29. Januar 2002, Pokrzeptowicz-Meyer, [C-162/00, Slg. 2002, I-1049](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62000C?0162&locale=DE), Randnr. 50, vom 10. Juni 2010, Bruno u. a., [C-395/08 und C-396/08, Slg. 2010, I-5119](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62008C?0395&locale=DE), Randnr. 53, und vom 1. Marz 2012, O\'Brien, C‑393/10, Randnr. 25). \n---|--- \n41 | Daraus ergibt sich, dass die Richtlinie 2008/115 auf nach dem Zeitpunkt, ab dem sie in dem betreffenden Mitgliedstaat anwendbar war, eingetretene Wirkungen von Einreiseverboten, die gemaß den vor diesem Zeitpunkt geltenden innerstaatlichen Vorschriften erlassen wurden, Anwendung findet (vgl. entsprechend Urteil vom 30. November 2009, Kadzoev, [C-357/09 PPU, Slg. 2009, I-11189](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62009C?0357&locale=DE), Randnr. 38). \n---|--- \n42 | Daher ist bei der Beurteilung, ob die Aufrechterhaltung der Wirkung derartiger Verbote insbesondere hinsichtlich der in Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 fur Einreiseverbote vorgesehenen Hochstdauer von grundsatzlich funf Jahren mit dieser Bestimmung vereinbar ist, auch der Zeitraum zu berucksichtigen, in dem dieses Verbot in Kraft war, bevor die Richtlinie 2008/115 anwendbar war (vgl. entsprechend Urteile Kadzoev, Randnr. 36, sowie Bruno u. a., Randnr. 55). \n---|--- \n43 | Diesen Zeitraum nicht zu berucksichtigen, stunde nicht im Einklang mit dem Ziel des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115, das, wie in Randnr. 32 des vorliegenden Urteils festgestellt, darin besteht, zu gewahrleisten, dass die Dauer eines Einreiseverbots außer in den im Satz 2 dieser Bestimmung genannten Fallen funf Jahre nicht uberschreitet (vgl. entsprechend Urteil Kadzoev, Randnr. 37). \n---|--- \n44 | Daraus folgt, dass Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 es verbietet, die Wirkungen unbefristeter Einreiseverbote wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die vor dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/115 verhangt wurden, uber die in dieser Bestimmung vorgesehene Hochstdauer des Verbots hinaus aufrechtzuerhalten, es sei denn, diese Verbote wurden gegen Drittstaatsangehorige verhangt, die eine schwerwiegende Gefahr fur die offentliche Ordnung, die offentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellen. \n---|--- \n45 | Folglich ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen ist, dass er es verbietet, einen Verstoß gegen ein Verbot, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einzureisen und sich dort aufzuhalten, das mehr als funf Jahre vor dem Zeitpunkt verhangt wurde, zu dem der betreffende Drittstaatsangehorige erneut in dieses Hoheitsgebiet eingereist oder die innerstaatliche Regelung zur Umsetzung dieser Richtlinie in Kraft getreten ist, strafrechtlich zu ahnden, es sei denn, dieser Drittstaatsangehorige stellt eine schwerwiegende Gefahr fur die offentliche Ordnung, die offentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit dar. \n---|--- \n \nZur vierten Frage\n\n46 | Mit seiner vierten Frage mochte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen ist, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach eine Ausweisung oder Abschiebung, die mehr als funf Jahre vor dem Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt, zu dem diese Richtlinie hatte umgesetzt werden mussen, und dem Zeitpunkt, zu dem sie tatsachlich umgesetzt wurde, erfolgte, spater erneut als Grundlage fur eine strafrechtliche Verfolgung dienen kann, wenn diese Maßnahme im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der genannten Richtlinie aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion vorgenommen wurde. \n---|--- \n \nZur Zulassigkeit\n\n47 | Die deutsche Regierung halt die vierte Frage fur unzulassig, da ihre Beantwortung fur die Entscheidung des Herrn Osmani betreffenden Ausgangsverfahrens nicht erforderlich sei. Die Einreise von Herrn Osmani nach Deutschland, die zu der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Strafverfolgung gefuhrt habe, sei nicht in dem Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die Richtlinie 2008/115 hatte umgesetzt werden mussen, und dem Zeitpunkt, zu dem sie tatsachlich umgesetzt worden sei, sondern nach letzterem Zeitpunkt erfolgt. Daher komme es nicht darauf an, ob sich die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehene Ausnahme in dem genannten Zeitraum habe auswirken konnen. \n---|--- \n48 | Hierzu genugt die Feststellung, dass sich die vierte Frage nicht auf die etwaigen Auswirkungen der genannten Ausnahme in dem in der vorstehenden Randnummer genannten Zeitraums bezieht, sondern darauf, wie sich das Bestehen dieses Zeitraums auf die Moglichkeit eines Mitgliedstaats auswirkt, sich nach Inkrafttreten der innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie auf diese Ausnahme zu berufen. Diese Frage erscheint fur die Entscheidung des Rechtsstreits, der Herrn Osmani betrifft, erheblich. \n---|--- \n49 | Somit ist die vierte Frage des vorlegenden Gerichts zulassig. \n---|--- \n \nZur Beantwortung der Frage\n\n50 | Es ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/115 beschließen konnen, diese nicht auf Drittstaatsangehorige anzuwenden, die u. a. nach einzelstaatlichem Recht aufgrund oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion ruckkehrpflichtig sind (vgl. in diesem Sinne Urteile El Dridi, Randnr. 49, und Achughbabian, Randnr. 41). \n---|--- \n51 | Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht keine Zweifel daran hat, dass Herr Osmani in den personlichen Anwendungsbereich der genannten Bestimmung fallt. Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich namlich, dass er zum einen im Jahr 1999 gemaß den Bestimmungen des Auslandergesetzes, die eine Ausweisung von Auslandern vorsahen, die gegen die Vorschriften des deutschen Betaubungsmittelgesetzes verstoßen, unbefristet ausgewiesen wurde. Zum anderen wurde Herr Osmani im Jahr 2004, als er eine Freiheitsstrafe verbußte, zu der er wegen Handeltreibens mit Betaubungsmitteln verurteilt worden war, mit unbefristeter Wirkung abgeschoben. \n---|--- \n52 | Macht ein Mitgliedstaat von der in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/115 vorgesehenen Moglichkeit spatestens bei Ablauf der Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie Gebrauch, hat dies zur Folge, dass die darin genannten Drittstaatsangehorigen zu keinem Zeitpunkt vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie erfasst werden. \n---|--- \n53 | Sofern hingegen ein Mitgliedstaat nach Ablauf der genannten Umsetzungsfrist von dieser Moglichkeit noch keinen Gebrauch gemacht hat, insbesondere weil er die Richtlinie 2008/115 noch nicht in seinem nationalen Recht umgesetzt hat, kann er sich nicht auf das Recht berufen, den personlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinie gemaß ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. b gegenuber Personen einzuschranken, auf die die Wirkungen der Richtlinie bereits anwendbar waren. \n---|--- \n54 | Unter diesen Umstanden kann eine Einschrankung des personlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie 2008/115 gemaß ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. b, die erst nach Ablauf der Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie erfolgt, auch einer Person wie Herrn Osmani nicht entgegengehalten werden, der am 30. Juni 2004 abgeschoben wurde und nach dem Inkrafttreten der nationalen Vorschriften, mit denen von der in der genannten Bestimmung vorgesehenen Moglichkeit Gebrauch gemacht wurde, in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats einreiste. \n---|--- \n55 | Einer Person wie Herrn Osmani, der sich bereits unmittelbar auf die betreffenden Bestimmungen der Richtlinie 2008/115 berufen konnte, entgegenzuhalten, dass von der in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehenen Moglichkeit Gebrauch gemacht wurde, hatte namlich zur Folge, die Situation dieser Person zu verschlechtern. \n---|--- \n56 | Angesichts der vorstehenden Erwagungen ist auf die vierte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen ist, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach eine Ausweisung oder Abschiebung, die mehr als funf Jahre vor dem Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt, zu dem diese Richtlinie hatte umgesetzt werden mussen, und dem Zeitpunkt, zu dem sie tatsachlich umgesetzt wurde, erfolgte, spater erneut als Grundlage fur eine strafrechtliche Verfolgung dienen kann, wenn diese Maßnahme im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der genannten Richtlinie aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion vorgenommen wurde und der betreffende Mitgliedstaat von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Moglichkeit Gebrauch gemacht hat. \n---|--- \n \nKosten\n\n57 | Fur die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhangigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter fur die Abgabe von Erklarungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfahig. \n---|--- \n| Aus diesen Grunden hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) fur Recht erkannt: \n---|--- \n| | 1. | Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 des Europaischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 uber gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Ruckfuhrung illegal aufhaltiger Drittstaatsangehoriger ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Vorschrift wie § 11 Abs. 1 des Gesetzes uber den Aufenthalt, die Erwerbstatigkeit und die Integration von Auslandern im Bundesgebiet entgegensteht, die die Befristung eines Einreiseverbots davon abhangig macht, dass der betreffende Drittstaatsangehorige einen Antrag auf eine derartige Befristung stellt. \n---|--- \n| | 2. | Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 ist dahin auszulegen, dass er es verbietet, einen Verstoß gegen ein Verbot, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einzureisen und sich dort aufzuhalten, das mehr als funf Jahre vor dem Zeitpunkt verhangt wurde, zu dem der betreffende Drittstaatsangehorige erneut in dieses Hoheitsgebiet eingereist oder die innerstaatliche Regelung zur Umsetzung dieser Richtlinie in Kraft getreten ist, strafrechtlich zu ahnden, es sei denn, dieser Drittstaatsangehorige stellt eine schwerwiegende Gefahr fur die offentliche Ordnung, die offentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit dar. \n---|--- \n| | 3. | Die Richtlinie 2008/115 ist dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach eine Ausweisung oder Abschiebung, die mehr als funf Jahre vor dem Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt, zu dem diese Richtlinie hatte umgesetzt werden mussen, und dem Zeitpunkt, zu dem sie tatsachlich umgesetzt wurde, erfolgte, spater erneut als Grundlage fur eine strafrechtliche Verfolgung dienen kann, wenn diese Maßnahme im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der genannten Richtlinie aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion vorgenommen wurde und der betreffende Mitgliedstaat von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Moglichkeit Gebrauch gemacht hat. \n---|--- \n| Unterschriften \n---|--- \n \n* * *\n\n( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.\n\n
317,335
eugh-2013-07-18-c-58410c-59310c-
2
Europäischer Gerichtshof
eugh
Europäische Union
C-584/10,C-593/10,C-595/10
2013-07-18
2019-03-14 16:21:21
2019-03-14 16:21:21
Urteil
ECLI:EU:C:2013:518
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)\n\n18. Juli 2013 ( *1 )\n\n„Rechtsmittel -- Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) --\nRestriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit\nOsama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen --\nVerordnung (EG) Nr. 881/2002 -- Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen\nRessourcen einer Person, die in eine von einem Organ der Vereinten Nationen\nerstellte Liste aufgenommen ist -- Aufnahme dieser Person in die in Anhang I\nder Verordnung (EG) Nr. 881/2002 enthaltene Liste -- Nichtigkeitsklage --\nGrundrechte -- Verteidigungsrechte -- Grundsatz des effektiven gerichtlichen\nRechtsschutzes -- Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit -- Recht auf Achtung des\nEigentums -- Begrundungspflicht"\n\nIn den verbundenen Rechtssachen C-584/10 P, C-593/10 P und C-595/10 P\n\nbetreffend drei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der\nEuropaischen Union, eingelegt am 10. Dezember 2010,\n\nEuropaische Kommission, zunachst vertreten durch P. Hetsch, S. Boelaert, E.\nPaasivirta und M. Konstantinidis, dann durch L. Gussetti, S. Boelaert, E.\nPaasivirta und M. Konstantinidis als Bevollmachtigte, Zustellungsanschrift in\nLuxemburg,\n\nVereinigtes Konigreich Großbritannien und Nordirland, zunachst vertreten durch\nE. Jenkinson, dann durch S. Behzadi-Spencer als Bevollmachtigte im Beistand\nvon J. Wallace, QC, D. Beard, QC, und M. Wood, Barrister,\n\nRechtsmittelfuhrer,\n\nunterstutzt durch:\n\nRepublik Bulgarien, vertreten durch B. Zaimov, T. Ivanov und E. Petranova als\nBevollmachtigte,\n\nItalienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmachtigte im\nBeistand von M. Fiorilli, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in\nLuxemburg,\n\nGroßherzogtum Luxemburg, vertreten durch C. Schiltz als Bevollmachtigten,\n\nUngarn, vertreten durch M. Feher, K. Szijjarto und K. Molnar als\nBevollmachtigte,\n\nKonigreich der Niederlande, vertreten durch C. Wissels und M. Bulterman als\nBevollmachtigte,\n\nSlowakische Republik, vertreten durch B. Ricziova als Bevollmachtigte,\n\nRepublik Finnland, vertreten durch H. Leppo als Bevollmachtigte,\n\nStreithelfer in den Rechtsmittelverfahren (C-584/10 P und C-595/10 P),\n\nRat der Europaischen Union, vertreten durch M. Bishop, E. Finnegan und R.\nSzostak als Bevollmachtigte,\n\nRechtsmittelfuhrer,\n\nunterstutzt durch:\n\nRepublik Bulgarien, vertreten durch B. Zaimov, T. Ivanov und E. Petranova als\nBevollmachtigte,\n\nTschechische Republik, vertreten durch K. Najmanova, E. Ruffer, M. Smolek und\nD. Hadroušek als Bevollmachtigte,\n\nKonigreich Danemark, vertreten durch L. Volck Madsen als Bevollmachtigten,\n\nIrland, zunachst vertreten durch D. O\'Hagan, dann durch E. Creedon als\nBevollmachtigte im Beistand von N. Travers, BL, und P. Benson, Solicitor,\nZustellungsanschrift in Luxemburg,\n\nKonigreich Spanien, vertreten durch M. Muñoz Perez und N. Diaz Abad als\nBevollmachtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,\n\nItalienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmachtigte im\nBeistand von M. Fiorilli, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in\nLuxemburg,\n\nGroßherzogtum Luxemburg, vertreten durch C. Schiltz als Bevollmachtigten,\n\nUngarn, vertreten durch M. Feher, K. Szijjarto und K. Molnar als\nBevollmachtigte,\n\nKonigreich der Niederlande, vertreten durch C. Wissels und M. Bulterman als\nBevollmachtigte,\n\nRepublik Österreich, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmachtigte,\nZustellungsanschrift in Luxemburg,\n\nSlowakische Republik, vertreten durch B. Ricziova als Bevollmachtigte,\n\nRepublik Finnland, vertreten durch H. Leppo als Bevollmachtigte,\n\nStreithelfer im Rechtsmittelverfahren (C-593/10 P),\n\nandere Parteien des Verfahrens:\n\nYassin Abdullah Kadi, Prozessbevollmachtigte: D. Vaughan, QC, V. Lowe, QC, J.\nCrawford, SC, M. Lester und P. Eeckhout, Barristers, G. Martin, Solicitor, und\nC. Murphy,\n\nKlager im ersten Rechtszug,\n\nFranzosische Republik, vertreten durch E. Belliard, G. de Bergues, D. Colas,\nA. Adam und E. Ranaivoson als Bevollmachtigte,\n\nStreithelferin im ersten Rechtszug,\n\nerlasst\n\nDER GERICHTSHOF (Große Kammer)\n\nunter Mitwirkung des Prasidenten V. Skouris, des Vizeprasidenten K. Lenaerts\n(Berichterstatter), der Kammerprasidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen und T. von\nDanwitz, der Kammerprasidentin M. Berger, der Richter U. Lohmus, E. Levits und\nA. Arabadjiev, der Richterin C. Toader sowie der Richter J.-J. Kasel, M.\nSafjan und D. Švaby,\n\nGeneralanwalt: Y. Bot,\n\nKanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsratin,\n\naufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mundliche Verhandlung vom\n16. Oktober 2012,\n\nnach Anhorung der Schlussantrage des Generalanwalts in der Sitzung vom 19.\nMarz 2013\n\nfolgendes\n\nUrteil\n\n1 | Mit ihren Rechtsmitteln beantragen die Europaische Kommission, der Rat der Europaischen Union und das Vereinigte Konigreich Großbritannien und Nordirland die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europaischen Union vom 30. September 2010, Kadi/Kommission ([T-85/09, Slg. 2010, II-5177](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62009T?0085&locale=DE), im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht die Verordnung (EG) Nr. 1190/2008 der Kommission vom 28. November 2008 zur 101. Änderung der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates uber die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen ([ABl. L 322, S. 25](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2008:322:TOC), im Folgenden: streitige Verordnung), fur nichtig erklart hat, soweit sie Herrn Kadi betrifft. \n---|--- \n \nRechtlicher Rahmen\n\nCharta der Vereinten Nationen\n\n2 | Gemaß Art. 1 Abs. 1 und 3 der am 26. Juni 1945 in San Francisco (Vereinigte Staaten) unterzeichneten Charta der Vereinten Nationen gehort es zu den Zielen der Vereinten Nationen, „den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren" sowie „eine internationale Zusammenarbeit herbeizufuhren, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitarer Art zu losen und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten fur alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fordern und zu festigen". \n---|--- \n3 | Gemaß Art. 24 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen tragt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (im Folgenden: Sicherheitsrat) die Hauptverantwortung fur die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Nach Art. 24 Abs. 2 der Charta handelt er bei der Erfullung dieser Pflichten im Einklang mit den Zielen und Grundsatzen der Vereinten Nationen. \n---|--- \n4 | Nach Art. 25 der Charta der Vereinten Nationen kommen die Mitglieder der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) uberein, die Beschlusse des Sicherheitsrats im Einklang mit dieser Charta anzunehmen und durchzufuhren. \n---|--- \n5 | In Kapitel VII („Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen") der Charta der Vereinten Nationen sind die Maßnahmen definiert, die in derartigen Fallen zu ergreifen sind. Art. 39 der Charta, der dieses Kapitel einleitet, bestimmt, dass der Sicherheitsrat feststellt, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt, und Empfehlungen abgibt oder beschließt, welche Maßnahmen aufgrund der Art. 41 und 42 der Charta zu treffen sind, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen. Gemaß Art. 41 der Charta kann der Sicherheitsrat beschließen, welche Maßnahmen - unter Ausschluss von Waffengewalt - zu ergreifen sind, um seinen Beschlussen Wirksamkeit zu verleihen, und er kann die Mitglieder der Vereinten Nationen auffordern, diese Maßnahmen durchzufuhren. \n---|--- \n6 | Nach Art. 48 Abs. 2 der Charta der Vereinten Nationen werden die Beschlusse des Sicherheitsrats zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit von den Mitgliedern der Vereinten Nationen unmittelbar sowie durch Maßnahmen in den geeigneten internationalen Einrichtungen durchgefuhrt, deren Mitglieder sie sind. \n---|--- \n7 | Widersprechen sich die Verpflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen aus der Charta und ihre Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkunften, haben nach Art. 103 der Charta die Verpflichtungen aus der Charta Vorrang. \n---|--- \n \nMaßnahmen des Sicherheitsrats gegen den internationalen Terrorismus und\nUmsetzung dieser Maßnahmen durch die Union\n\n8 | Seit Ende der 90er Jahre und verstarkt seit den Anschlagen vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten hat der Sicherheitsrat eine Reihe von Resolutionen verabschiedet, die auf Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen gestutzt sind und der Bekampfung der terroristischen Bedrohungen des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit gelten. Wahrend sich diese Resolutionen ursprunglich allein gegen die Taliban in Afghanistan richteten, wurden sie spater auf Osama bin Laden, Al-Qaida und Personen und Einrichtungen, die mit ihnen in Verbindung stehen, ausgeweitet. Sie sehen u. a. vor, dass die Vermogenswerte der Organisationen, Einrichtungen und Personen eingefroren werden, die der vom Sicherheitsrat gemaß seiner Resolution 1267 (1999) vom 15. Oktober 1999 eingesetzte Ausschuss (im Folgenden: Sanktionsausschuss) in eine konsolidierte Liste (im Folgenden: konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses) aufgenommen hat. \n---|--- \n9 | Zur Bearbeitung der Antrage von Organisationen, Einrichtungen oder Personen, deren Namen in diese Liste aufgenommen wurden, auf Streichung von der Liste sah die Resolution 1730 (2006) des Sicherheitsrats vom 19. Dezember 2006 vor, beim Sicherheitsrat eine „Koordinierungsstelle" zur Entgegennahme dieser Antrage zu schaffen. Diese Koordinierungsstelle wurde im Marz 2007 eingerichtet. \n---|--- \n10 | Ziff. 5 der Resolution 1735 (2006) des Sicherheitsrats vom 22. Dezember 2006 sieht vor, dass die Staaten, wenn sie beim Sanktionsausschuss die Aufnahme des Namens einer Organisation, Einrichtung oder Person in seine konsolidierte Liste beantragen, „eine Darstellung des Falls vorlegen werden; diese Falldarstellung soll moglichst viele Einzelheiten uber die Grundlage(n) fur die Aufnahme in die Liste enthalten, darunter: i) spezifische Informationen zur Stutzung der Feststellung, dass die Person oder Einrichtung den genannten Kriterien entspricht, ii) Angaben uber die Art der Informationen und iii) Nachweise oder Dokumente, die beigebracht werden konnen". Nach Ziff. 6 der Resolution werden die Staaten ersucht, „bei der Vorlage ihres Antrags anzugeben, welche Teile der Falldarstellung fur die Zwecke der Benachrichtigung der in die [konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses] aufzunehmenden Person oder Einrichtung veroffentlicht werden konnen und welche Teile interessierten Staaten auf Antrag bekannt gegeben werden konnen". \n---|--- \n11 | Nach Ziff. 12 der Resolution 1822 (2008) des Sicherheitsrats vom 30. Juni 2008 haben die Mitgliedstaaten u. a. „fur jeden Vorschlag zur Aufnahme in die Liste anzugeben …, welche Teile der Falldarstellung veroffentlicht werden konnen, auch zur Verwendung durch den [Sanktionsausschuss] bei der Erstellung der in Ziffer 13 beschriebenen Zusammenfassung oder fur die Zwecke der Benachrichtigung oder Information der in die [konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses] aufgenommenen Person oder Einrichtung, und welche Teile interessierten Staaten auf Antrag bekannt gegeben werden konnen". Ziff. 13 dieser Resolution sieht vor, dass der Sanktionsausschuss nach der Aufnahme eines Namens in die konsolidierte Liste auf seiner Website eine „Zusammenfassung der Grunde fur die Aufnahme des jeweiligen Eintrags/der jeweiligen Eintrage" und eine „Zusammenfassung der Grunde fur die Aufnahme derjenigen Eintrage, die vor dem Datum der Verabschiedung dieser Resolution in die Konsolidierte Liste aufgenommen wurden", veroffentlicht. \n---|--- \n12 | Hinsichtlich der Antrage auf Streichung von der Liste wurde durch die Resolution 1904 (2009) des Sicherheitsrats vom 17. Dezember 2009 ein „Buro der Ombudsperson" eingerichtet, das nach Ziff. 20 dieser Resolution dem Sanktionsausschuss bei der Prufung dieser Antrage zur Seite stehen soll. Die Person, die zur Ombudsperson ernannt wird, muss sich nach Ziff. 20 durch hohes sittliches Ansehen, Unparteilichkeit und Integritat auszeichnen und uber hohe Qualifikationen und Erfahrung auf einschlagigen Gebieten, wie dem Recht, den Menschenrechten, der Terrorismusbekampfung und Sanktionen verfugen. Die Aufgaben der Ombudsperson, die in Anlage II dieser Resolution umschrieben sind, umfassen eine Phase der Sammlung von Informationen bei den betreffenden Staaten und eine Phase des Austauschs, die auch den Dialog mit der Organisation, Einrichtung oder Person einschließen kann, die die Streichung ihres Namens aus der konsolidierten Liste des Sanktionsausschusses beantragt. Nach Abschluss dieser beiden Phasen muss die Ombudsperson einen „umfassenden Bericht" erstellen und dem Sanktionsausschuss ubermitteln; dieser muss sodann den Streichungsantrag unter Mitwirkung der Ombudsperson prufen und nach Abschluss dieser Prufung entscheiden, ob er ihm stattgibt. \n---|--- \n13 | Da die Mitgliedstaaten in mehreren im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik verabschiedeten Gemeinsamen Standpunkten die Auffassung vertraten, dass ein Tatigwerden der Union erforderlich sei, um die Resolutionen des Sicherheitsrats auf dem Gebiet der Bekampfung des internationalen Terrorismus umzusetzen, erließ der Rat eine Reihe von Verordnungen, die u. a. vorsahen, die Vermogenswerte der vom Sanktionsausschuss benannten Organisationen, Einrichtungen und Personen einzufrieren. \n---|--- \n14 | Neben der vorstehend beschriebenen Regelung, die sich nur auf Organisationen, Einrichtungen und Personen bezieht, die vom Sanktionsausschuss namentlich als mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban verbunden benannt wurden, gibt es eine umfangreichere, in der Resolution 1373 (2001) des Sicherheitsrats vom 28. September 2001 vorgesehene Regelung, die ebenfalls als Reaktion auf die Terroranschlage vom 11. September 2001 erlassen wurde. Diese Resolution, die desgleichen Maßnahmen des Einfrierens von Vermogenswerten vorsieht, unterscheidet sich von den oben genannten Resolutionen dadurch, dass die Benennung der Organisationen, Einrichtungen oder Personen, auf die sie Anwendung finden soll, vollstandig in das Ermessen der Staaten gestellt ist. \n---|--- \n15 | Auf der Ebene der Union wurde die genannte Resolution durch den Gemeinsamen Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 uber die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekampfung des Terrorismus ([ABl. L 344, S. 93](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2001:344:TOC)) und die Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 uber spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekampfung des Terrorismus ([ABl. L 344, S. 70](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2001:344:TOC)) umgesetzt. Diese Rechtsakte enthalten eine regelmaßig uberarbeitete Liste von Organisationen, Einrichtungen und Personen, die im Verdacht stehen, in terroristische Handlungen verwickelt zu sein. \n---|--- \n \nVorgeschichte der Rechtsstreitigkeiten\n\nRechtssache, in der das Urteil Kadi ergangen ist\n\n16 | Am 17. Oktober 2001 wurde der Name von Herrn Kadi, der als mit Osama bin Laden und dem Al-Qaida-Netzwerk verbundene Person benannt wurde, in die konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses aufgenommen. \n---|--- \n17 | Sein Name wurde daraufhin in die in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 467/2001 des Rates vom 6. Marz 2001 uber das Verbot der Ausfuhr bestimmter Waren und Dienstleistungen nach Afghanistan, uber die Ausweitung des Flugverbots und des Einfrierens von Geldern und anderen Finanzmitteln betreffend die Taliban von Afghanistan und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 337/2000 ([ABl. L 67, S. 1](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2001:067:TOC)) enthaltene Liste aufgenommen, und zwar durch die Verordnung (EG) Nr. 2062/2001 der Kommission vom 19. Oktober 2001 zur dritten Änderung der Verordnung Nr. 467/2001 ([ABl. L 277, S. 25](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2001:277:TOC)). Anschließend wurde er in die Liste in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 uber die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen, und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 467/2001 ([ABl. L 139, S. 9](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2002:139:TOC)) aufgenommen. \n---|--- \n18 | Am 18. Dezember 2001 erhob Herr Kadi beim Gericht Klage auf Nichtigerklarung zunachst der Verordnungen Nrn. 467/2001 und 2062/2001, dann der Verordnung Nr. 881/2002, soweit diese Verordnungen ihn betrafen. Er begrundete seine Nichtigkeitsklage mit einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehor und seines Eigentumsrechts, einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit und einer Verletzung seines Anspruchs auf eine effektive gerichtliche Kontrolle. \n---|--- \n19 | Mit Urteil vom 21. September 2005, Kadi/Rat und Kommission ([T-315/01, Slg. 2005, II-3649](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62001T?0315&locale=DE)), wies das Gericht diese Klage ab. Im Wesentlichen entschied es, dass sich aus den Grundsatzen, nach denen sich die Ausgestaltung der Beziehungen zwischen der durch die Vereinten Nationen entstandenen internationalen Rechtsordnung und der Unionsrechtsordnung richte, ergebe, dass die Verordnung Nr. 881/2002, da sie der Umsetzung einer Resolution des Sicherheitsrats diene, die insoweit keinen Ermessensspielraum lasse, nicht Gegenstand einer gerichtlichen Kontrolle ihrer materiellen Rechtmaßigkeit sein konne und daher außer in Bezug auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorschriften des ius cogens - verstanden als internationaler ordre public, der fur alle Volkerrechtssubjekte einschließlich der Organe der UNO gelte und von dem nicht abgewichen werden durfe - nicht justiziabel sei. \n---|--- \n20 | Daher schloss das Gericht in diesem Fall nach dem Standard des universellen Schutzes der zum ius cogens gehorenden Menschenrechte einen Verstoß gegen die von Herrn Kadi geltend gemachten Rechte aus. Insbesondere wies es in Bezug auf den Anspruch auf effektive gerichtliche Kontrolle darauf hin, dass es weder befugt sei, mittelbar zu prufen, ob die Resolutionen des Sicherheitsrats mit den durch die Unionsrechtsordnung geschutzten Grundrechten vereinbar seien, noch zu uberprufen, ob die Tatsachen und Beweise, die der Sicherheitsrat zur Stutzung der getroffenen Maßnahmen herangezogen habe, nicht fehlerhaft gewurdigt worden seien, oder mittelbar zu kontrollieren, ob diese Maßnahmen zweckmaßig und verhaltnismaßig seien. Eine derartige Lucke im gerichtlichen Rechtsschutz von Herrn Kadi verstoße fur sich genommen nicht gegen das ius cogens. \n---|--- \n21 | Mit seinem Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission ([C-402/05 P und C-415/05 P, Slg. 2008, I-6351](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62005C?0402&locale=DE), im Folgenden: Urteil Kadi), hob der Gerichtshof das Urteil Kadi/Rat und Kommission auf und erklarte die Verordnung Nr. 881/2002 fur nichtig, soweit sie Herrn Kadi betraf. \n---|--- \n22 | Im Wesentlichen entschied der Gerichtshof, dass die Verpflichtungen aus einer internationalen Übereinkunft nicht die Verfassungsgrundsatze des EG-Vertrags beeintrachtigen durfen, insbesondere nicht den Grundsatz, dass alle Handlungen der Union die Grundrechte achten mussen, da deren Achtung eine Voraussetzung fur die Rechtmaßigkeit dieser Handlungen ist, die der Gerichtshof im Rahmen des mit dem Vertrag geschaffenen umfassenden Systems von Rechtsbehelfen zu uberprufen hat. Ungeachtet dessen, dass die im Rahmen der UNO ubernommenen Verpflichtungen bei der Umsetzung der Resolutionen des Sicherheitsrats beachtet werden mussen, implizieren die Grundsatze, die fur die durch die Vereinten Nationen entstandene Volkerrechtsordnung gelten, nicht, dass ein Unionsrechtsakt wie die Verordnung Nr. 881/2002 nicht justiziabel ist. Eine solche Nichtjustiziabilitat findet im EG-Vertrag keine Stutze. \n---|--- \n23 | Daher entschied der Gerichtshof in den Randnrn. 326 und 327 des Urteils Kadi, dass die Unionsgerichte eine grundsatzlich umfassende Kontrolle der Rechtmaßigkeit samtlicher Handlungen der Union im Hinblick auf die Grundrechte gewahrleisten mussen, und zwar auch dann, wenn solche Handlungen der Umsetzung von Resolutionen des Sicherheitsrats dienen sollen, und dass die Beurteilung durch das Gericht folglich mit einem Rechtsfehler behaftet war. \n---|--- \n24 | Zu der von Herrn Kadi beim Gericht erhobenen Klage entschied der Gerichtshof in den Randnrn. 336 bis 341 des Urteils Kadi, dass die Effektivitat der gerichtlichen Kontrolle voraussetzt, dass die zustandige Unionsbehorde der betroffenen Person die Begrundung der fraglichen Entscheidung uber die Aufnahme in die Liste mitteilt und ihr die Gelegenheit einraumt, hierzu gehort zu werden. Soweit es um eine Entscheidung uber die erstmalige Aufnahme in die Liste geht, rechtfertigten es Grunde der Wirksamkeit der fraglichen restriktiven Maßnahmen und das Ziel der betreffenden Verordnung, dass diese Mitteilung und diese Anhorung nicht vor dem Erlass der Entscheidung, sondern zum Zeitpunkt ihres Erlasses oder so bald wie moglich danach erfolgen. \n---|--- \n25 | In den Randnrn. 345 bis 349 des Urteils Kadi fuhrte der Gerichtshof des Weiteren aus, da der Rat Herrn Kadi weder die ihm zur Last gelegten Umstande, mit denen die gegen ihn verhangten Restriktionen begrundet wurden, mitgeteilt noch ihm das Recht gewahrt hatte, innerhalb einer angemessenen Frist nach Anordnung der betreffenden Maßnahmen Auskunft uber diese Umstande zu erhalten, konnte der Betroffene seinen Standpunkt hierzu nicht sachdienlich vortragen, so dass die Verteidigungsrechte und der Anspruch auf eine effektive gerichtliche Kontrolle verletzt worden waren. In Randnr. 350 des genannten Urteils stellte er zudem fest, dass dieser Verstoß vor dem Unionsrichter nicht geheilt worden war, da der Rat nichts zur Heilung vorgetragen hatte. In den Randnrn. 369 bis 371 des Urteils Kadi stellte der Gerichtshof aus den gleichen Grunden einen Verstoß gegen das Grundrecht von Herrn Kadi auf Achtung des Eigentums fest. \n---|--- \n26 | Die Wirkungen der, soweit sie Herrn Kadi betraf, fur nichtig erklarten Verordnung wurden fur einen Zeitraum von hochstens drei Monaten aufrechterhalten, um dem Rat zu ermoglichen, die festgestellten Verstoße zu heilen. \n---|--- \n \nDie Maßnahmen, die die Unionsorgane auf das Urteil Kadi folgen ließen, und die\nstreitige Verordnung\n\n27 | Am 21. Oktober 2008 ubermittelte der Prasident des Sanktionsausschusses dem Standigen Vertreter Frankreichs bei der UNO die Begrundung fur die Aufnahme von Herrn Kadi in die konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses und gestattete die Übermittlung dieser Begrundung an Herrn Kadi. \n---|--- \n28 | In dieser Begrundung heißt es: „Die Einzelperson Yasin Abdullah Ezzedine Qadi … erfullt die Voraussetzungen fur die Aufnahme in die Liste [des Sanktionsausschusses] aufgrund folgender von ihr begangener Handlungen: a) die Beteiligung an der Finanzierung, Planung, Erleichterung, Vorbereitung oder Begehung von Handlungen oder Aktivitaten durch, zusammen mit, unter dem Namen oder im Namen von oder zur Unterstutzung der Al-Qaida, Osama bin Ladens oder der Taliban oder einer ihrer Zellen, Unterorganisationen, Splittergruppen oder Ableger; b) die Lieferung, der Verkauf oder die Weitergabe von Rustungsgutern und sonstigem Wehrmaterial an diese; c) die Rekrutierung fur diese; d) die sonstige Unterstutzung ihrer Handlungen oder Aktivitaten (vgl. Ziff. 2 der Resolution 1822 [2008] des Sicherheitsrats). Herr Qadi hat zugegeben, dass er Grundungsmitglied der Muwafaq-Foundation ist und deren Tatigkeiten geleitet hat. Die Muwafaq-Foundation war ursprunglich unter der Kontrolle der Makhtab al-Khidamat (QE.M.12.01.) tatig, einer von Abdullah Azzam und Osama bin Laden [Usama Muhammad Awad bin Laden] (QI.B.8.01.) gegrundeten Organisation, dem Vorganger von Al-Qaida (QE.A.4.01.). Nachdem die Makhtab al-Khidamat Anfang Juni 2001 aufgelost worden und in Al-Qaida aufgegangen war, schlossen sich mehrere Nichtregierungsorganisationen, die fruher mit ihr in Verbindung gestanden hatten, darunter die Muwafaq-Foundation, ebenfalls der Al-Qaida an. 1992 ubertrug Herr Qadi die Leitung der europaischen Buros der Muwafaq-Foundation an Shafiq Ben Mohamed Ben Mohamed Al-Ayadi (QI.A.25.01.). Mitte der 90er Jahre leitete Herr Al-Ayadi auch den Zweig der Muwafaq-Foundation in Bosnien-Herzegowina. Herr Qadi stellte Herrn Al-Ayadi auf Empfehlung des bekannten Al-Qaida-Finanziers Wa\'el Hamza Abd al-Fatah Julaidan (QI.J.79.02.) ein, der in den 80er Jahren an der Seite von Osama bin Laden in Afghanistan kampfte. Als Herr Al-Ayadi von Herrn Qadi zum europaischen Leiter der Muwafaq-Foundation ernannt wurde, war Herr Al-Ayadi in Absprache mit Osama bin Laden tatig. Herr Al-Ayadi war einer der Hauptanfuhrer des Front Islamique Tunisien. Anfang der 90er Jahre begab sich Herr Al-Ayadi fur eine paramilitarische Ausbildung nach Afghanistan und ging anschließend mit weiteren Personen in den Sudan, wo er Osama bin Laden traf, mit dem sie eine formliche Vereinbarung uber die Aufnahme und Ausbildung von Tunesiern schlossen. Spater trafen sie Osama bin Laden ein zweites Mal und vereinbarten, dass Mitstreiter von bin Laden in Bosnien-Herzegowina aus Italien kommende tunesische Kampfer aufnehmen. 1995 erklarte der Fuhrer von Al-Gama\'at al Islamiyya, Herr Talad Fuad Kassem, dass die Muwafaq-Foundation einem Bataillon von Kampfern in Bosnien-Herzegowina logistische und finanzielle Unterstutzung gewahrt habe. Mitte der 90er Jahre war die Muwafaq-Foundation an der Erbringung finanzieller Unterstutzung fur terroristische Tatigkeiten der Kampfer und am Waffenhandel zwischen Albanien und Bosnien-Herzegowina beteiligt. Diese Tatigkeiten wurden zum Teil von Osama bin Laden finanziert. Herr Qadi war auch einer der wichtigsten Anteilseigner der mittlerweile geschlossenen Depo[z]itna Banka mit Sitz in Sarajevo, an der Herr Al-Ayadi ebenfalls beteiligt war und als Strohmann fur die Anteile von Herrn Qadi auftrat. In dieser Bank fanden moglicherweise Zusammenkunfte zur Vorbereitung eines Anschlags gegen eine Einrichtung der Vereinigten Staaten in Saudi-Arabien statt. Herrn Qadi gehorten zudem mehrere Firmen in Albanien, die Gelder an Extremisten leiteten oder Extremisten in Positionen beschaftigten, in denen sie die Firmenmittel kontrollierten. Bin Laden stellte das Betriebskapital fur bis zu funf der Gesellschaften von Herrn Qadi in Albanien bereit." \n---|--- \n29 | Diese Begrundung wurde auch auf der Website des Sanktionsausschusses veroffentlicht. \n---|--- \n30 | Am 22. Oktober 2008 ubermittelte der Standige Vertreter Frankreichs bei der Union der Kommission diese Begrundung. Die Kommission ubersandte sie am selben Tag Herrn Kadi und teilte ihm mit, dass sie aus den darin genannten Grunden beabsichtige, seine Eintragung in die in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 enthaltene Liste aufrechtzuerhalten. Die Kommission gewahrte Herrn Kadi eine Frist bis zum 10. November 2008, um sich zu diesen Grunden zu außern und ihr alle von ihm fur zweckdienlich gehaltenen Informationen zu ubermitteln, bevor sie ihre endgultige Entscheidung treffe. \n---|--- \n31 | Am 10. November 2008 ubermittelte Herr Kadi der Kommission seine Stellungnahme. Gestutzt auf Schriftstucke, aus denen hervorging, dass die schweizerischen, die turkischen und die albanischen Behorden Strafverfahren eingestellt hatten, die gegen ihn wegen Unterstutzung terroristischer Organisationen oder wegen Finanzkriminalitat eingeleitet worden waren, machte er geltend, dass er die ihn belastenden Behauptungen immer, wenn ihm die Gelegenheit gegeben worden sei, seinen Standpunkt zu den gegen ihn angefuhrten Beweisen vorzutragen, habe widerlegen konnen, und beantragte, ihm die Beweise fur die in der Begrundung enthaltenen, seine Aufnahme in die konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses betreffenden Äußerungen und Behauptungen sowie die relevanten Unterlagen der Kommissionsakte vorzulegen und ihm die Moglichkeit einzuraumen, zu diesen Beweisen Stellung zu nehmen. Er beanstandete die Unbestimmtheit und Allgemeinheit einer Reihe in dieser Begrundung enthaltener Behauptungen und trat den ihn belastenden Grunden unter Vorlage von Beweisen entgegen. \n---|--- \n32 | Am 28. November 2008 erließ die Kommission die streitige Verordnung. \n---|--- \n33 | In ihren Erwagungsgrunden 3 bis 6 sowie 8 und 9 heißt es: | „(3) | Um dem Urteil [Kadi] des Gerichtshofs nachzukommen, hat die Kommission Herrn Kadi … die vom … Sanktionsausschuss … zur Verfugung gestellte Zusammenfassung der Grunde ubermittelt und [ihm] Gelegenheit gegeben, zu diesen Grunden Stellung zu nehmen und [seinen] Standpunkt darzulegen. \n---|--- \n(4) | Die Kommission hat von Herrn Kadi … Stellungnahmen erhalten und diese gepruft. \n---|--- \n(5) | Die vom … Sanktionsausschuss … erstellte Liste der Personen, Gruppen und Organisationen, auf die das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen anzuwenden ist, umfasst Herrn Kadi … \n---|--- \n(6) | Nach sorgfaltiger Erwagung der von Herrn Kadi mit Schreiben vom 10. November 2008 ubermittelten Stellungnahme und angesichts des praventiven Charakters des Einfrierens von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen ist die Kommission der Auffassung, dass es aufgrund der Verbindungen von Herrn Kadi mit dem Al-Qaida-Netzwerk gerechtfertigt ist, ihn in der Liste zu fuhren. \n---|--- \n \n…\n\n(8) | Daher [ist] Herr Kadi … Anhang I hinzuzufugen. \n---|--- \n(9) | Angesichts des praventiven Charakters und der Ziele, die durch das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen gemaß der Verordnung … Nr. 881/2002 erreicht werden sollen, und der Notwendigkeit, die berechtigten Interessen der Wirtschaftsbeteiligten, die sich auf die Rechtmaßigkeit der [durch das Urteil Kadi] fur nichtig erklarten Verordnung gestutzt haben, zu schutzen, gilt diese Verordnung mit Wirkung vom 30. Mai 2002." \n---|--- \n34 | Durch Art. 1 und den Anhang der streitigen Verordnung wurde Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 u. a. dahin geandert, dass folgender Eintrag unter „Naturliche Personen" angefugt wurde: „Yasin Abdullah Ezzedine Qadi (alias a) Kadi, Shaykh Yassin Abdullah, b) Kahdi, Yasin; c) Yasin Al-Qadi). Geburtsdatum: 23.2.1955. Geburtsort: Kairo, Ägypten. Staatsangehorigkeit: Saudi-Arabisch. Reisepass-Nr.: a) B 751550, b) E 976177 (ausgestellt am 6.3.2004, gultig bis 11.1.2009). Sonstige Informationen: Jeddah, Saudi-Arabien." \n---|--- \n35 | Die streitige Verordnung trat gemaß ihrem Art. 2 am 3. Dezember 2008 in Kraft und gilt mit Wirkung vom 30. Mai 2002. \n---|--- \n36 | Mit Schreiben vom 8. Dezember 2008 antwortete die Kommission auf die Stellungnahme von Herrn Kadi vom 10. November 2008. \n---|--- \n \nVerfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil\n\n37 | Mit Klageschrift, die am 26. Februar 2009 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Herr Kadi Klage auf Nichtigerklarung der streitigen Verordnung, soweit diese ihn betrifft. Er stutzte seine Antrage auf funf Grunde. Der zweite Klagegrund wurde aus einer Verletzung der Verteidigungsrechte und des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, der funfte Klagegrund aus einem unverhaltnismaßigen Eingriff in das Eigentumsrecht hergeleitet. \n---|--- \n38 | In Randnr. 126 des angefochtenen Urteils hat das Gericht, gestutzt auf die Randnrn. 326 und 327 des Urteils Kadi, zunachst festgestellt, dass es eine „grundsatzlich umfassende" Kontrolle der Rechtmaßigkeit der streitigen Verordnung im Hinblick auf die von der Union garantierten Grundrechte zu gewahrleisten habe. In den Randnrn. 127 bis 129 des angefochtenen Urteils hat es hinzugefugt, solange die vom Sanktionsausschuss geschaffenen Überprufungsverfahren offenkundig nicht die Garantien eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes boten, konne die vom Unionsrichter ausgeubte Kontrolle der Maßnahmen der Union zum Einfrieren von Geldern nur dann als wirksam eingestuft werden, wenn sie sich indirekt auf die materiellen Feststellungen des Sanktionsausschusses selbst und die ihnen zugrunde liegenden Gesichtspunkte erstrecke. \n---|--- \n39 | Die Argumentation der Kommission und des Rates, wonach sich der Gerichtshof im Urteil Kadi nicht zur Frage des Umfangs und der Intensitat dieser gerichtlichen Kontrolle geaußert habe, bezeichnete das Gericht in Randnr. 131 des angefochtenen Urteils als offensichtlich unzutreffend. \n---|--- \n40 | Hierzu hat es zum einen in den Randnrn. 132 bis 135 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen festgestellt, dass sich insbesondere aus den Randnrn. 326, 327, 336 und 342 bis 344 des Urteils Kadi eindeutig ergebe, dass der Gerichtshof die grundsatzlich umfassende Kontrolle nicht nur auf die Prufung der Frage habe erstrecken wollen, ob der angefochtene Rechtsakt begrundet sei, sondern auch auf die Beweise und Angaben, auf denen die in diesem Rechtsakt enthaltenen Feststellungen beruhten. \n---|--- \n41 | Zum anderen hat es in den Randnrn. 138 bis 146 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof dadurch, dass er die vom Gericht im Zusammenhang mit der in den Randnrn. 14 und 15 des vorliegenden Urteils genannten Regelung im Urteil vom 12. Dezember 2006, Organisation des Modjahedines du peuple d\'Iran/Rat ([T-228/02, Slg. 2006, II-4665](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62002T?0228&locale=DE)), angestellten Erwagungen im Wesentlichen ubernommen habe, Umfang und Intensitat der in diesem Urteil festgelegten Kontrolle gebilligt habe und sich habe zu eigen machen wollen; danach musse der Unionsrichter die Beurteilung der zur Stutzung der fraglichen restriktiven Maßnahmen herangezogenen Tatsachen und Umstande durch das betreffende Organ und die sachliche Richtigkeit der Angaben und Beweise, auf die sich diese Beurteilung stutze, sowie ihre Zuverlassigkeit und ihre Koharenz uberprufen, ohne dass ihm die Geheimhaltungsbedurftigkeit oder die Vertraulichkeit dieser Beweise und Angaben entgegengehalten werden konne. \n---|--- \n42 | Nachdem das Gericht in den Randnrn. 148 bis 151 des angefochtenen Urteils zudem auf die erhebliche und dauerhafte Beeintrachtigung der Rechte von Herrn Kadi durch die ihn seit beinahe zehn Jahren treffenden restriktiven Maßnahmen hingewiesen hat, hat es in Randnr. 151 dieses Urteils den „Grundsatz einer umfassenden und strengen gerichtlichen Kontrolle der hier in Rede stehenden Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern" bekraftigt. \n---|--- \n43 | Anschließend hat es den zweiten und den funften Nichtigkeitsgrund gepruft und in den Randnrn. 171 bis 180 des angefochtenen Urteils eine Verletzung der Verteidigungsrechte von Herrn Kadi festgestellt, nachdem es im Wesentlichen Folgendes ausgefuhrt hat: | -- | Diese Rechte seien nur rein formal und dem Anschein nach gewahrt worden, denn die Kommission habe sich fur streng an die Beurteilungen des Sanktionsausschusses gebunden gehalten und weder vorgehabt, sie im Licht der Stellungnahme von Herrn Kadi in Frage zu stellen, noch ernsthafte Bemuhungen unternommen, um die von ihm vorgebrachten Entlastungsbeweise zu widerlegen; \n---|--- \n-- | die Kommission habe Herrn Kadi den Zugang zu den ihn belastenden\nBeweisen trotz seines ausdrucklichen Ersuchens verweigert, ohne seine\nInteressen gegen das Erfordernis abzuwagen, die Vertraulichkeit der fraglichen\nInformationen zu schutzen, und \n---|--- \n-- | die wenigen Angaben und die vagen Behauptungen in der Begrundung fur die\nAufnahme von Herrn Kadi in die konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses,\netwa dass er Anteilseigner einer bosnischen Bank gewesen sei, in der\n„moglicherweise" Zusammenkunfte zur Vorbereitung eines Anschlags gegen eine\nEinrichtung der Vereinigten Staaten in Saudi-Arabien stattgefunden hatten,\nhatten offenkundig nicht ausgereicht, um dem Betroffenen die Moglichkeit zu\ngeben, die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen wirksam zu widerlegen. \n---|--- \n44 | Ferner hat das Gericht in den Randnrn. 181 bis 184 des angefochtenen Urteils einen Verstoß gegen den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes festgestellt, denn zum einen habe Herr Kadi, da er nicht den geringsten zweckdienlichen Zugang zu den ihn belastenden Angaben und Beweisen gehabt habe, seine Rechte im Hinblick auf diese Angaben und Beweise vor dem Unionsrichter nicht unter zufriedenstellenden Bedingungen wahrnehmen konnen, und zum anderen sei dieser Verstoß im Verfahren vor dem Gericht nicht geheilt worden, da die betreffenden Organe dem Gericht nichts hierzu mitgeteilt und keine Angaben zu den Beweisen gemacht hatten, die gegen Herrn Kadi herangezogen worden seien. \n---|--- \n45 | Überdies hat das Gericht in den Randnrn. 192 bis 194 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die Verhangung der Maßnahmen zum Einfrieren der Gelder von Herrn Kadi, da die streitige Verordnung erlassen worden sei, ohne dass er sein Anliegen bei den zustandigen Stellen habe vortragen konnen, obwohl diese Maßnahmen das Eigentumsrecht aufgrund ihrer umfassenden Geltung und ihrer Dauer erheblich beschrankten, eine ungerechtfertigte Beschrankung dieses Rechts darstelle, so dass die Rugen von Herrn Kadi, wonach die Verletzung seines Grundrechts auf Achtung des Eigentums durch die genannte Verordnung einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit bedeute, begrundet seien. \n---|--- \n46 | Daher hat das Gericht die streitige Verordnung fur nichtig erklart, soweit sie Herrn Kadi betrifft. \n---|--- \n \nVerfahren vor dem Gerichtshof und Antrage der Parteien\n\n47 | Mit Beschluss des Prasidenten des Gerichtshofs vom 9. Februar 2011 sind die Rechtssachen C-584/10 P, C-593/10 P und C-595/10 P zu gemeinsamem schriftlichen und mundlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden. \n---|--- \n48 | Mit Beschluss des Prasidenten des Gerichtshofs vom 23. Mai 2011 sind die Tschechische Republik, das Konigreich Danemark, Irland, das Konigreich Spanien und die Republik Österreich in der Rechtssache C-593/10 P als Streithelfer zur Unterstutzung der Antrage des Rates und die Republik Bulgarien, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, das Konigreich der Niederlande, die Slowakische Republik und die Republik Finnland in den Rechtssachen C-584/10 P, C-593/10 P und C-595/10 P als Streithelfer zur Unterstutzung der Antrage der Kommission, des Rates und des Vereinigten Konigreichs zugelassen worden. \n---|--- \n49 | In der Rechtssache C-584/10 P beantragt die Kommission, | -- | das angefochtene Urteil in vollem Umfang aufzuheben; \n---|--- \n-- | die Klage von Herrn Kadi auf Nichtigerklarung der streitigen Verordnung,\nsoweit sie ihn betrifft, als unbegrundet abzuweisen, und \n---|--- \n-- | Herrn Kadi ihre Kosten im vorliegenden Rechtsmittelverfahren und im\nVerfahren vor dem Gericht aufzuerlegen. \n---|--- \n50 | In der Rechtssache C-593/10 P beantragt der Rat, | -- | das angefochtene Urteil aufzuheben; \n---|--- \n-- | die Klage von Herrn Kadi auf Nichtigerklarung der streitigen Verordnung,\nsoweit sie ihn betrifft, als unbegrundet abzuweisen, und \n---|--- \n-- | Herrn Kadi die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug und des\nvorliegenden Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen. \n---|--- \n51 | In der Rechtssache C-595/10 P beantragt das Vereinigte Konigreich, | -- | das angefochtene Urteil in vollem Umfang aufzuheben; \n---|--- \n-- | die Klage von Herrn Kadi auf Nichtigerklarung der streitigen Verordnung,\nsoweit sie ihn betrifft, abzuweisen, und \n---|--- \n-- | Herrn Kadi die Kosten aufzuerlegen, die dem Vereinigten Konigreich im\nVerfahren vor dem Gerichtshof entstanden sind. \n---|--- \n52 | Herr Kadi beantragt in den drei Rechtssachen, | -- | die Rechtsmittel zuruckzuweisen; \n---|--- \n-- | das angefochtene Urteil zu bestatigen und fur ab dem Tag seiner\nVerkundung sofort vollziehbar zu erklaren, und \n---|--- \n-- | den Rechtsmittelfuhrern die Kosten aufzuerlegen, die ihm im vorliegenden\nRechtsmittelverfahren entstanden sind, einschließlich samtlicher Kosten, die\ndurch die Beantwortung der Stellungnahmen der als Streithelfer beigetretenen\nMitgliedstaaten veranlasst worden sind. \n---|--- \n53 | Die Franzosische Republik als Streithelferin im ersten Rechtszug beantragt in den drei Rechtssachen, | -- | das angefochtene Urteil aufzuheben und \n---|--- \n-- | gemaß Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs der Europaischen Union\nendgultig in der Sache zu entscheiden und die von Herrn Kadi im ersten\nRechtszug gestellten Antrage zuruckzuweisen. \n---|--- \n54 | Die Republik Bulgarien, die Tschechische Republik, das Konigreich Danemark, Irland, das Konigreich Spanien, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, das Konigreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Slowakische Republik und die Republik Finnland beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Nichtigkeitsklage von Herrn Kadi abzuweisen. \n---|--- \n \nZum Antrag auf Wiedereroffnung der mundlichen Verhandlung\n\n55 | Mit Schreiben vom 9. April 2013 hat Herr Kadi die Wiedereroffnung der mundlichen Verhandlung beantragt und hierzu im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Ausfuhrungen in Nr. 117 der Schlussantrage des Generalanwalts zur Frage der Achtung der Verteidigungsrechte im Widerspruch zu den vom Gericht in den Randnrn. 171 und 172 des angefochtenen Urteils getroffenen tatsachlichen Feststellungen stunden, die von den Parteien im Rahmen der vorliegenden Rechtsmittel nicht erortert worden seien. \n---|--- \n56 | Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach Art. 83 der Verfahrensordnung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auch auf Antrag der Parteien u. a. dann die Wiedereroffnung der mundlichen Verhandlung beschließen kann, wenn er sich fur unzureichend unterrichtet halt oder ein zwischen den Parteien nicht erortertes Vorbringen fur entscheidungserheblich erachtet (vgl. Urteil vom 11. April 2013, Novartis Pharma, C-535/11, Randnr. 30 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n57 | Zum anderen hat der Generalanwalt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV die Aufgabe, offentlich in volliger Unparteilichkeit und Unabhangigkeit begrundete Schlussantrage zu den Rechtssachen zu stellen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs seine Mitwirkung erforderlich ist. Die Schlussantrage des Generalanwalts oder ihre Begrundung binden den Gerichtshof nicht (vgl. Urteil vom 22. November 2012, E.ON Energie/Kommission, C-89/11 P, Randnr. 62 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n58 | Im vorliegenden Fall halt sich der Gerichtshof nach Anhorung des Generalanwalts fur ausreichend unterrichtet, um den Rechtsstreit zu entscheiden, und erachtet kein Vorbringen fur entscheidungserheblich, das zwischen den Parteien nicht erortert worden ist. Daher ist dem Antrag auf Wiedereroffnung der mundlichen Verhandlung nicht stattzugeben. \n---|--- \n \nZu den Rechtsmitteln\n\n59 | Die Kommission, der Rat und das Vereinigte Konigreich stutzen ihre Rechtsmittel auf verschiedene Grunde, und zwar im Wesentlichen auf drei. Mit dem ersten, vom Rat geltend gemachten Rechtsmittelgrund wird ein Rechtsfehler gerugt, der darin bestehen soll, dass der streitigen Verordnung keine Nichtjustiziabilitat zuerkannt werde. Der zweite, von der Kommission, dem Rat und dem Vereinigten Konigreich geltend gemachte Rechtsmittelgrund bezieht sich auf Rechtsfehler in Bezug auf den im angefochtenen Urteil festgelegten Intensitatsgrad der gerichtlichen Kontrolle. Der dritte, ebenfalls von ihnen geltend gemachte Rechtsmittelgrund stutzt sich auf Rechtsfehler, die das Gericht bei der Prufung der Klagegrunde begangen haben soll, mit denen Herr Kadi eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sowie einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit rugte. \n---|--- \n \nZum ersten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler in Bezug darauf, dass der\nstreitigen Verordnung keine Nichtjustiziabilitat zuerkannt wurde\n\nVorbringen der Parteien\n\n60 | Im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes wirft der Rat, unterstutzt durch Irland, das Konigreich Spanien und die Italienische Republik, dem Gericht vor, dadurch einen Rechtsfehler begangen zu haben, dass es insbesondere in Randnr. 126 des angefochtenen Urteils im Einklang mit dem Urteil Kadi der streitigen Verordnung keine Nichtjustiziabilitat zugebilligt habe. Der Rat, unterstutzt durch Irland, fordert den Gerichtshof formlich auf, die im Urteil Kadi hierzu formulierten Grundsatze zu uberdenken. \n---|--- \n61 | Unter Bezugnahme auf die Randnrn. 114 bis 120 des angefochtenen Urteils macht der Rat, unterstutzt durch Irland und die Italienische Republik, geltend, dass es gegen das Volkerrecht verstoße, der streitigen Verordnung keine Nichtjustiziabilitat zuzubilligen. Damit werde namlich außer Acht gelassen, dass die Hauptverantwortung fur die Bestimmung der zur Erhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen beim Sicherheitsrat liege und dass die Verpflichtungen aus der Charta der Vereinten Nationen Vorrang vor den Verpflichtungen aus allen anderen internationalen Übereinkunften hatten. Zudem wurden das Gebot von Treu und Glauben und die Verpflichtung zum gegenseitigen Beistand missachtet, die bei der Umsetzung der Maßnahmen des Sicherheitsrats zu beachten seien. Mit einer derartigen Vorgehensweise setzten sich die Unionsorgane an die Stelle der insoweit zustandigen internationalen Organe. Sie laufe auf eine Kontrolle der Rechtmaßigkeit der Resolutionen des Sicherheitsrats anhand des Unionsrechts hinaus. Die einheitliche, unbedingte und sofortige Anwendung dieser Resolutionen werde gefahrdet. Die Staaten, die sowohl Mitglied der UNO als auch der Union seien, wurden hinsichtlich ihrer volkerrechtlichen Verpflichtungen in eine schwierige Lage gebracht. \n---|--- \n62 | Es verstoße auch gegen das Unionsrecht, der streitigen Verordnung keine Nichtjustiziabilitat zuzubilligen. Damit werde außer Acht gelassen, dass die Unionsorgane nach dem Unionsrecht verpflichtet seien, das Volkerrecht und die Entscheidungen der Organe der UNO zu beachten, wenn sie auf internationaler Ebene Befugnisse ausubten, die ihnen durch die Mitgliedstaaten ubertragen worden seien. Überdies werde die Notwendigkeit missachtet, ein Gleichgewicht zwischen der Erhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit zum einen und dem Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten zum anderen zu gewahrleisten. \n---|--- \n63 | Herr Kadi tragt vor, dass es gegen den Grundsatz der Rechtskraft verstoße, die Justiziabilitat eines Rechtsakts der Union wie der streitigen Verordnung in Frage zu stellen, da es um eine Rechtsfrage gehe, uber die im Urteil Kadi zwischen denselben Parteien nach Prufung derselben wie der im vorliegenden Fall vorgebrachten Argumente entschieden worden sei. \n---|--- \n64 | Unter Bezugnahme auf verschiedene Abschnitte des genannten Urteils stellt er jedenfalls in Abrede, dass es dem Volkerrecht und dem Unionsrecht zuwiderlaufe, der streitigen Verordnung keine Nichtjustiziabilitat zuzubilligen. \n---|--- \n \nWurdigung durch den Gerichtshof\n\n65 | In Randnr. 126 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgefuhrt, dass der streitigen Verordnung gemaß den Randnrn. 326 und 327 des Urteils Kadi eine wie auch immer geartete Nichtjustiziabilitat nicht deshalb zuzubilligen sei, weil sie zur Umsetzung von Resolutionen des Sicherheitsrats nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen diene. \n---|--- \n66 | In Bezug auf die verschiedenen Umstande, die der Entscheidung des Gerichtshofs in den Randnrn. 291 bis 327 des Urteils Kadi zugrunde liegen und die im Wesentlichen auf der verfassungsrechtlichen Garantie beruhen, die in einer Rechtsunion (vgl. Urteile vom 29. Juni 2010, E und F, [C-550/09, Slg. 2010, I-6213](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62009C?0550&locale=DE), Randnr. 44, sowie vom 26. Juni 2012, Polen/Kommission, C-335/09 P, Randnr. 48) darin zum Ausdruck kommt, dass alle Handlungen der Union, und zwar auch diejenigen, durch die wie im vorliegenden Fall ein Volkerrechtsakt umgesetzt wird, einer gerichtlichen Kontrolle ihrer Rechtmaßigkeit am Maßstab der durch die Union gewahrleisteten Grundrechte unterliegen, ist keine Entwicklung eingetreten, die es rechtfertigen konnte, diese Entscheidung in Frage zu stellen. \n---|--- \n67 | Dass Unionsrechtsakten, mit denen auf volkerrechtlicher Ebene beschlossene restriktive Maßnahmen umgesetzt werden, keine Nichtjustiziabilitat zuzubilligen ist, ist im Übrigen durch das Urteil vom 3. Dezember 2009, Hassan und Ayadi/Rat und Kommission ([C-399/06 P und C-403/06 P, Slg. 2009, I-11393](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62006C?0399&locale=DE), Randnrn. 69 bis 75), bestatigt worden sowie in jungerer Zeit durch das Urteil vom 16. November 2011, Bank Melli Iran/Rat ([C-548/09 P, Slg. 2011, I-11381](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62009C?0548&locale=DE)), in dessen Randnr. 105 es unter Bezugnahme auf das Urteil Kadi heißt, dass, ohne dass dadurch der volkerrechtliche Vorrang einer Resolution des Sicherheitsrats in Frage gestellt wurde, die Achtung, die die Unionsorgane den Organen der Vereinten Nationen entgegenzubringen haben, nicht zur Folge haben darf, dass eine Kontrolle der Rechtmaßigkeit derartiger Unionsrechtsakte im Hinblick auf die Grundrechte als Bestandteil der allgemeinen Grundsatze des Unionsrechts unterbleibt. \n---|--- \n68 | Daraus folgt, dass das angefochtene Urteil, insbesondere seine Randnr. 126, nicht mit einem Rechtsfehler behaftet ist, der daraus resultiert, dass das Gericht der streitigen Verordnung im Einklang mit dem Urteil Kadi keine Nichtjustiziabilitat zugebilligt hat. \n---|--- \n69 | Der erste Rechtsmittelgrund ist daher zuruckzuweisen. \n---|--- \n \nZum zweiten und zum dritten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler in Bezug auf den\nim angefochtenen Urteil festgelegten Intensitatsgrad der gerichtlichen\nKontrolle und Fehler des Gerichts bei der Prufung der Klagegrunde einer\nVerletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen\nRechtsschutz sowie eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit\n\n70 | Der zweite und der dritte Rechtsmittelgrund sind gemeinsam zu prufen, da mit ihnen im Wesentlichen Rechtsfehler gerugt werden, mit denen die Auslegung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz durch das Gericht im angefochtenen Urteil behaftet sein soll. \n---|--- \n \nVorbringen der Parteien\n\n71 | Im Rahmen des zweiten und des dritten Rechtsmittelgrundes machen die Kommission, der Rat und das Vereinigte Konigreich, unterstutzt durch die Republik Bulgarien, die Tschechische Republik, das Konigreich Danemark, Irland, das Konigreich Spanien, die Franzosische Republik, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, das Konigreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Slowakische Republik und die Republik Finnland erstens geltend, das angefochtene Urteil sei mit einem Rechtsfehler behaftet, da das Urteil Kadi entgegen den Ausfuhrungen in den Randnrn. 132 bis 147 des angefochtenen Urteils keinen Hinweis enthalte, der die Auffassung des Gerichts in Bezug auf den Intensitatsgrad der uber einen Unionsrechtsakt wie die streitige Verordnung auszuubenden gerichtlichen Kontrolle stutze. \n---|--- \n72 | Zum einen sei das in Randnr. 326 des Urteils Kadi aufgestellte Erfordernis einer „grundsatzlich umfassenden Kontrolle" der Rechtmaßigkeit der streitigen Verordnung in den internationalen Kontext ihres Erlasses zu setzen, wie er in den Randnrn. 292 bis 297 dieses Urteils geschildert werde. \n---|--- \n73 | Zum anderen habe das Gericht in Randnr. 138 des angefochtenen Urteils unzutreffend angenommen, dass der Gerichtshof sich im Urteil Kadi die vom Gericht in seiner Rechtsprechung zu der in den Randnrn. 14 und 15 des vorliegenden Urteils angefuhrten Regelung aufgestellte Definition des Umfangs der Kontrolle zu eigen gemacht habe. Das Urteil Kadi enthalte namlich keinerlei Bezugnahme auf diese Rechtsprechung des Gerichts. Außerdem lasse diese Erwagung die grundlegenden Unterschiede außer Acht, die zwischen der genannten und der hier in Rede stehenden Regelung hinsichtlich des Ermessensspielraums der Unionsorgane und ihres Zugangs zu Informationen und Beweisen im Zusammenhang mit den erlassenen restriktiven Maßnahmen bestunden. \n---|--- \n74 | Zweitens machen die Kommission, der Rat und das Vereinigte Konigreich, unterstutzt durch samtliche Mitgliedstaaten, die in den Rechtsmittelverfahren als Streithelfer beigetreten sind, auf der Grundlage von Argumenten, die sich aus dem Volkerrecht und dem Unionsrecht herleiten und die mit dem in den Randnrn. 61 und 62 des vorliegenden Urteils angefuhrten Vorbringen weitgehend vergleichbar sind, geltend, dass die Bestimmung des Intensitatsgrads der gerichtlichen Kontrolle in den Randnrn. 123 bis 147 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft sei. Der in hohem Maß interventionistische Ansatz, den das Gericht im angefochtenen Urteil gewahlt habe, sei nicht mit der standigen Rechtsprechung zu vereinbaren, nach der bei Rechtsakten, in denen auf komplexen Bewertungen beruhende Entscheidungen zum Ausdruck kamen, und bei einem weiten Ermessensspielraum im Hinblick auf allgemein definierte Ziele eine eingeschrankte, auf offensichtliche Beurteilungsfehler beschrankte gerichtliche Kontrolle angebracht sei. \n---|--- \n75 | Drittens tragen die Kommission, der Rat und das Vereinigte Konigreich vor, es sei verfehlt, dass das Gericht in den Randnrn. 148 bis 151 des angefochtenen Urteils angedeutet habe, dass es die im vorliegenden Fall in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen kunftig einer strafrechtlichen Sanktion gleichstellen wolle. Unterstutzt durch die Tschechische Republik, Irland, die Franzosische Republik, die Italienische Republik, Ungarn und die Republik Österreich machen sie geltend, dass mit diesen Maßnahmen, die Sicherungscharakter hatten, bezweckt werde, gegenwartige oder zukunftige Bedrohungen des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit vorherzusehen und zu verhindern, und dass sie sich von einer strafrechtlichen Sanktion unterschieden, die sich gegen vergangene und objektiv nachgewiesene strafbare Handlungen richte. Außerdem seien die genannten Maßnahmen zeitlich begrenzt und mit Ausnahmeregelungen versehen. \n---|--- \n76 | Viertens machen die Kommission, der Rat und das Vereinigte Konigreich geltend, dass die in den Randnrn. 171 bis 188 und 192 bis 194 des angefochtenen Urteils enthaltene Auslegung des Gerichts, die sich auf die aus der Achtung der Grundrechte von Herrn Kadi resultierenden Anforderungen beziehe, die im Anschluss an das Urteil Kadi fur die Aufnahme seines Namens in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 galten, rechtsfehlerhaft sei. \n---|--- \n77 | Unterstutzt durch die Republik Bulgarien, die Tschechische Republik, Irland, das Konigreich Spanien, die Franzosische Republik, die Italienische Republik, Ungarn, das Konigreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Slowakische Republik und die Republik Finnland machen sie geltend, das Gericht habe zu Unrecht entschieden, dass die Achtung dieser Grundrechte eine Offenlegung der Herrn Kadi belastenden Informationen und Beweise erfordere. \n---|--- \n78 | Diese Auslegung des Gerichts berucksichtige nicht die in den Randnrn. 342 bis 344 des Urteils Kadi hervorgehobene Moglichkeit, das Recht des Betroffenen auf Mitteilung der ihn belastenden Umstande einzuschranken, um zu verhindern, dass durch die Verbreitung sensibler Informationen Dritte an diese Informationen gelangten und sich so Maßnahmen zur Bekampfung des internationalen Terrorismus entziehen konnten. Die Beanstandungen in den Randnrn. 345 bis 352 des Urteils Kadi hatten sich im Übrigen darauf bezogen, dass Herrn Kadi die Grunde fur seine Aufnahme in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 nicht mitgeteilt worden seien, nicht aber darauf, dass die im Besitz des Sanktionsausschusses befindlichen Informationen und Beweise nicht offengelegt worden seien. \n---|--- \n79 | Die Vorgehensweise des Gerichts berucksichtige zudem nicht die zahlreichen tatsachlichen Hindernisse, die der Übermittlung solcher Angaben an die Unionsorgane entgegenstunden, insbesondere den Umstand, dass diese Angaben aus einer Mitteilung stammten, die ein UNO-Mitglied dem Sanktionsausschuss wegen ihres sensiblen Charakters in der Regel vertraulich ubermittelt habe. \n---|--- \n80 | Im vorliegenden Fall habe Herr Kadi der Begrundung, die der Sanktionsausschuss ihm ubermittelt habe, die Grunde fur die Aufnahme seines Namens in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 entnehmen konnen. Entgegen der Darstellung in den Randnrn. 157 und 177 des angefochtenen Urteils beschranke sich diese Begrundung keineswegs auf allgemeine, unbegrundete, vage und unprazise Behauptungen in Bezug auf Herrn Kadi, sondern darin wurden detailliert die Umstande dargelegt, die den Sanktionsausschuss zu der Annahme veranlasst hatten, Herr Kadi habe personliche und unmittelbare Verbindungen zum Al-Qaida-Netzwerk und zu Osama bin Laden. \n---|--- \n81 | Funftens tragt die Kommission vor, das Gericht habe, abgesehen von der tatsachlichen Feststellung in Randnr. 67 des angefochtenen Urteils, zu Unrecht die von Herrn Kadi gleichzeitig vor den Justizbehorden der Vereinigten Staaten erhobene Klage nicht berucksichtigt, um seine Ruge des Fehlens eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes und der Unmoglichkeit des Zugangs zu den relevanten Informationen und Beweisen zuruckzuweisen. \n---|--- \n82 | Sechstens machen die Kommission, der Rat und das Vereinigte Konigreich geltend, dass die Beurteilung, die das Gericht in den Randnrn. 127 und 128 des angefochtenen Urteils bezuglich der auf der Ebene der Vereinten Nationen eingefuhrten Änderungen der Überprufungsverfahren vorgenommen habe, fehlerhaft sei. \n---|--- \n83 | Unterstutzt durch samtliche Mitgliedstaaten, die in den Rechtsmittelverfahren als Streithelfer beigetreten sind, machen sie geltend, das durch die Resolution 1822 (2008) eingefuhrte Verfahren der regelmaßigen Überprufung von Amts wegen habe zur Verbesserung des Schutzes der Grundrechte beigetragen, wie die Streichung der Namen mehrerer Dutzend Personen und Einrichtungen von der konsolidierten Liste des Sanktionsausschusses zeige. Die Einrichtung des Buros der Ombudsperson durch die Resolution 1904 (2009) habe einen entscheidenden Wendepunkt dargestellt, da sie es dem Betroffenen ermogliche, seine Angelegenheit einer unabhangigen und unparteiischen Stelle vorzutragen, deren Aufgabe es sei, dem Sanktionsausschuss gegebenenfalls die Grunde darzulegen, die fur die beantragte Streichung sprachen. \n---|--- \n84 | Die Resolution 1989 (2011) des Sicherheitsrats vom 17. Juni 2011 bestatige den Willen, die Behandlung von Antragen auf Streichung von der konsolidierten Liste des Sanktionsausschusses standig zu verbessern. Insbesondere mussten einer solchen Streichung nicht mehr alle Mitglieder des Sanktionsausschusses zustimmen. Sie trete 60 Tage, nachdem der Ausschuss die Prufung einer dahin gehenden Empfehlung und des umfassenden Berichts der Ombudsperson abgeschlossen habe, in Kraft, es sei denn, dass ein gegenteiliger Konsens des Ausschusses oder ein Antrag auf Zuruckverweisung der Angelegenheit an den Sicherheitsrat vorliege. Die Begrundungs- und Transparenzpflichten des Sanktionsausschusses bei Entscheidungen, die der Empfehlung der Ombudsperson nicht folgten, seien verstarkt worden. Mit der genannten Resolution werde auch bezweckt, den Zugang der Ombudsperson zu den im Besitz der Mitglieder der Vereinten Nationen befindlichen vertraulichen Informationen und die Offenlegung der Identitat der Staaten, die eine Aufnahme in die Liste vorgeschlagen hatten, zu verbessern. \n---|--- \n85 | Herr Kadi halt dem erstens entgegen, das Gericht habe im angefochtenen Urteil zu Recht entschieden, dass der Gerichtshof im Urteil Kadi zum Umfang und zur Intensitat der im vorliegenden Fall auszuubenden gerichtlichen Kontrolle klar Stellung bezogen habe. Zum einen habe er im Urteil Kadi ausdrucklich von einer umfassenden Kontrolle der Rechtmaßigkeit gesprochen, die sich, allein unter dem Vorbehalt von Erfordernissen der Vertraulichkeit aus Grunden der offentlichen Sicherheit, auf die den Klager belastenden Informationen und Beweise erstrecke. Zum anderen spreche der Umstand, dass die im vorliegenden Fall in Rede stehende Regelung im Unterschied zu der in den Randnrn. 14 und 15 des vorliegenden Urteils genannten vor dem Verfahren auf Unionsebene kein die Wahrung der Verteidigungsrechte unter effektiver gerichtlicher Kontrolle gewahrleistendes Verfahren vorsehe, fur eine Verstarkung des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes auf Unionsebene, wie das Gericht in den Randnrn. 186 und 187 des angefochtenen Urteils hervorgehoben habe. \n---|--- \n86 | Zweitens stellt Herr Kadi in Abrede, dass die im angefochtenen Urteil in Bezug auf den Intensitatsgrad der im vorliegenden Fall auszuubenden gerichtlichen Kontrolle enthaltene Anforderung verfehlt sei. \n---|--- \n87 | Erstens verstoße der vom Gericht vertretene Ansatz nicht gegen das Volkerrecht. Die gerichtliche Kontrolle der Rechtmaßigkeit der streitigen Verordnung komme namlich nicht einer Kontrolle der Gultigkeit der durch diese Verordnung umgesetzten Resolution gleich. Sie stelle weder die Hauptverantwortung des Sicherheitsrats auf diesem Gebiet noch den Vorrang der Charta der Vereinten Nationen vor allen anderen internationalen Übereinkunften in Frage. Ebenso wenig bezwecke sie, die politische Einschatzung des Unionsrichters an die Stelle derjenigen der zustandigen internationalen Organe zu setzen. Sie solle lediglich gewahrleisten, dass die Resolutionen des Sicherheitsrats innerhalb der Union im erforderlichen Einklang mit den grundlegenden Prinzipien des Unionsrechts umgesetzt wurden. Insbesondere trage sie dazu bei, die Erfordernisse des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit mit dem Schutz der Grundrechte zum Ausgleich zu bringen. \n---|--- \n88 | Zweitens stehe der vom Gericht vertretene Ansatz im Einklang mit dem Unionsrecht, wonach auch in Bezug auf Maßnahmen der Union, die auf dem Volkerrecht beruhten, die Grundrechte zu achten und eine unabhangige und unparteiische gerichtliche Kontrolle zu gewahrleisten seien. \n---|--- \n89 | Drittens fuhrt Herr Kadi nach einem Hinweis auf den nichttragenden Charakter der Erwagungen des Gerichts zum Wesen der fraglichen restriktiven Maßnahmen gleichwohl aus, dass diese Maßnahmen in seinem besonderen Fall ihren praventiven Charakter verloren hatten und nunmehr wegen ihrer allgemeinen Geltung und ihrer sehr langen Anwendungsdauer repressiver Art seien, was eine umfassende und strenge Überprufung der streitigen Verordnung rechtfertige. \n---|--- \n90 | Viertens seien die Anforderungen, die das Gericht in Bezug auf die Achtung seiner Grundrechte aufgestellt habe, nicht mit einem Rechtsfehler behaftet. \n---|--- \n91 | Eine effektive gerichtliche Kontrolle konne nicht stattfinden, wenn keine der im Besitz der UNO-Stellen befindlichen Informationen und Beweise offengelegt wurden. Wie diese Stellen selbst einraumten, habe die vom Sanktionsausschuss gegebene Begrundung nicht als Beweis dienen sollen. Sie enthalte lediglich sachdienliche Angaben zu den vergangenen Tatigkeiten des Betroffenen und zu den Beweisen, die den Ausschussmitgliedern bekannt seien. \n---|--- \n92 | Dass es kein formliches Verfahren zum Austausch von Informationen zwischen dem Sicherheitsrat und den Unionsorganen gebe, stehe einem Austausch der notwendigen Informationen zur Erreichung ihres gemeinsamen Ziels der Wahrung der Grundrechte bei der Anwendung restriktiver Maßnahmen nicht entgegen. Im vorliegenden Fall habe die Kommission trotz des ausdrucklichen Antrags von Herrn Kadi nicht einmal versucht, sich vom Sanktionsausschuss eine genaue Darstellung der Tatsachen oder Beweise ubermitteln zu lassen, die die Aufnahme seines Namens in die fraglichen Listen rechtfertigten. \n---|--- \n93 | Die vom Sanktionsausschuss gegebene Begrundung enthalte einige allgemeine und nicht belegte Behauptungen, die Herr Kadi nicht wirksam habe widerlegen konnen. \n---|--- \n94 | Funftens spiele das Gerichtsverfahren in den Vereinigten Staaten fur die vorliegende Rechtssache keine Rolle, da damit, aus ganz anderen als den im vorliegenden Fall erorterten Grunden, die Streichung seines Namens von der Liste des Office of Foreign Assets Control (Amt fur die Kontrolle auslandischer Vermogenswerte) des amerikanischen Finanzministeriums angestrebt werde. Dieses Verfahren betreffe weder die streitige Verordnung noch die Resolutionen des Sicherheitsrats, die mit ihr umgesetzt werden sollten. \n---|--- \n95 | Sechstens habe es zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verordnung auf der Ebene der Vereinten Nationen allein das Überprufungsverfahren der Koordinierungsstelle gegeben. Die Einrichtung des Buros der Ombudsperson, die das Gericht, obwohl sie nach dem Erlass der streitigen Verordnung erfolgt sei, berucksichtigt habe, biete nicht die Garantien eines gerichtlichen Rechtsschutzes. Insbesondere verfuge eine Person, die die Streichung ihres Namens von der konsolidierten Liste des Sanktionsausschusses beantrage, weder uber eine genaue Darstellung der Grunde fur ihre Aufnahme in diese Liste noch uber die sie belastenden Umstande und habe keinen Anspruch darauf, vom Sanktionsausschuss, dem einzigen insoweit entscheidungsbefugten Organ, angehort zu werden. Zudem habe die Ombudsperson keinerlei Zwangsbefugnisse gegenuber den UNO-Mitgliedern und dem Sanktionsausschuss, der uber ein Ermessen verfuge. Auf die verbliebenen Mangel dieses Verfahrens habe u. a. das Buro der Ombudsperson selbst in seinem ersten Bericht vom Januar 2011 aufmerksam gemacht, in dem insbesondere auf den fehlenden Zugang zu Verschlusssachen oder vertraulichen Informationen und auf die Unkenntnis hingewiesen werde, in der der Antragsteller bezuglich der Identitat des Staates oder der Staaten gelassen werde, die seine Aufnahme in die Liste veranlasst hatten. \n---|--- \n96 | Diese Mangel seien durch die Resolution 1989 (2011) nicht beseitigt worden. Die Empfehlungen des Buros der Ombudsperson seien namlich noch immer nicht bindend. Die Festlegung von Kriterien fur die Streichung von der konsolidierten Liste des Sanktionsausschusses und die Befugnis zur Entscheidung uber die Streichung stunden weiterhin im Ermessen des Sanktionsausschusses. Ergehe eine Empfehlung des Buros der Ombudsperson, konne jedes Mitglied des Sanktionsausschusses den Sicherheitsrat anrufen, dessen funf standige Mitglieder befugt seien, nach ihrem Ermessen ihr Vetorecht auszuuben. Daruber hinaus sei das Buro der Ombudsperson von der Kooperationsbereitschaft der Staaten bei der Informationsbeschaffung abhangig. \n---|--- \n \nWurdigung durch den Gerichtshof\n\n- Zum Umfang der Verteidigungsrechte und zum Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz\n\n97 | Wie das Gericht in den Randnrn. 125, 126 und 171 des angefochtenen Urteils ausgefuhrt hat, hat der Gerichtshof in Randnr. 326 des Urteils Kadi entschieden, dass die Unionsgerichte im Einklang mit den Befugnissen, die ihnen aufgrund des Vertrags zustehen, eine grundsatzlich umfassende Kontrolle der Rechtmaßigkeit samtlicher Handlungen der Union im Hinblick auf die Grundrechte als Bestandteil der Unionsrechtsordnung gewahrleisten mussen, und zwar auch dann, wenn solche Handlungen der Umsetzung von Resolutionen des Sicherheitsrats nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen dienen sollen (vgl. in diesem Sinne auch Urteile Hassan und Ayadi/Rat und Kommission, Randnr. 71, und Bank Melli Iran/Rat, Randnr. 105). Dieses Erfordernis ist in Art. 275 Abs. 2 AEUV ausdrucklich verankert. \n---|--- \n98 | Grundrechtsrang haben u. a. das Recht auf Achtung der Verteidigungsrechte und das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz. \n---|--- \n99 | Das erstgenannte, in Art. 41 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Union (im Folgenden: Charta) niedergelegte Recht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Frankreich/People\'s Mojahedin Organization of Iran, [C-27/09 P, Slg. 2011, I-13427](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62009C?0027&locale=DE), Randnr. 66), umfasst den Anspruch auf rechtliches Gehor und das Recht auf Akteneinsicht unter Beachtung der berechtigten Interessen an Vertraulichkeit. \n---|--- \n100 | Das zweite der genannten Grundrechte, das in Art. 47 der Charta bekraftigt wird, verlangt, dass der Betroffene Kenntnis von den Grunden, auf denen die ihm gegenuber ergangene Entscheidung beruht, erlangen kann, entweder durch das Studium der Entscheidung selbst oder durch eine auf seinen Antrag hin erfolgte Mitteilung dieser Grunde, unbeschadet der Befugnis des zustandigen Gerichts, von der betreffenden Behorde die Übermittlung dieser Grunde zu verlangen, damit der Betroffene seine Rechte unter den bestmoglichen Bedingungen verteidigen und in Kenntnis aller Umstande entscheiden kann, ob es angebracht ist, das zustandige Gericht anzurufen, und damit dieses umfassend in die Lage versetzt wird, die Rechtmaßigkeit der fraglichen Entscheidung zu uberprufen (vgl. Urteil vom 4. Juni 2013, ZZ, C-300/11, Randnr. 53 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n101 | Art. 52 Abs. 1 der Charta lasst jedoch Einschrankungen der Ausubung der in ihr verankerten Rechte zu, sofern die betreffende Einschrankung den Wesensgehalt des fraglichen Grundrechts achtet sowie unter Wahrung des Grundsatzes der Verhaltnismaßigkeit erforderlich ist und tatsachlich den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen entspricht (vgl. Urteil ZZ, Randnr. 51). \n---|--- \n102 | Ob eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz vorliegt, ist zudem anhand der besonderen Umstande jedes Einzelfalls zu prufen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, [C-110/10 P, Slg. 2011, I-10439](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62010C?0110&locale=DE), Randnr. 63), insbesondere des Inhalts des betreffenden Rechtsakts, des Kontexts seines Erlasses sowie der Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. in diesem Sinne, in Bezug auf die Beachtung der Begrundungspflicht, Urteile vom 15. November 2012, Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa, C-539/10 P und C-550/10 P, Randnrn. 139 und 140, und Rat/Bamba, C-417/11 P, Randnr. 53). \n---|--- \n103 | Im vorliegenden Fall ist zu prufen, ob es angesichts der Erfordernisse, die sich u. a. aus Art. 3 Abs. 1 und 5 EUV und Art. 21 Abs. 1 und 2 Buchst. a und c EUV ergeben, die die Wahrung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit unter Einhaltung des Volkerrechts und insbesondere der Grundsatze der Charta der Vereinten Nationen betreffen, eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz darstellt, dass Herr Kadi und der Unionsrichter keinen Zugang zu den Herrn Kadi belastenden Informationen und Beweisen hatten, was das Gericht u. a. in den Randnrn. 173, 181 und 182 des angefochtenen Urteils beanstandet hat. \n---|--- \n104 | Hierzu ist, wie der Gerichtshof bereits insbesondere in Randnr. 294 des Urteils Kadi klargestellt hat, darauf hinzuweisen, dass die Mitglieder der UNO dem Sicherheitsrat nach Art. 24 der Charta der Vereinten Nationen die Hauptverantwortung fur die Wahrung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit ubertragen haben. Hierbei hat der Sicherheitsrat zu bestimmen, was eine Bedrohung fur diese Werte darstellt, und durch den Erlass von Resolutionen aufgrund von Kapitel VII dieser Charta die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sie im Einklang mit den Zielen und Grundsatzen der Vereinten Nationen, insbesondere der Achtung der Menschenrechte, zu wahren oder wiederherzustellen. \n---|--- \n105 | In diesem Zusammenhang hat der Sanktionsausschuss, wie sich aus den in den Randnrn. 10 und 11 des vorliegenden Urteils genannten Resolutionen ergibt, die das System restriktiver Maßnahmen wie der hier in Rede stehenden regeln, auf Vorschlag eines UNO-Mitglieds, der durch eine „Falldarstellung" untermauert wird, die „moglichst viele Einzelheiten uber die Grundlage(n) fur die Aufnahme in die Liste", „Angaben uber die Art der Informationen" und „Nachweise oder Dokumente, die beigebracht werden konnen" enthalten muss, unter Anwendung der vom Sicherheitsrat festgelegten Kriterien die Organisationen, Einrichtungen und Personen zu bezeichnen, deren Gelder und andere wirtschaftliche Ressourcen einzufrieren sind. Diese Bezeichnung in Gestalt der Aufnahme des Namens der betreffenden Organisation, Einrichtung oder Person in die konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses, die entsprechend den Antragen der Mitgliedstaaten der UNO aktualisiert wird, beruht auf einer „Zusammenfassung der Grunde", die der Sanktionsausschuss anhand der Angaben des Staates, von dem der Vorschlag fur die Aufnahme in die Liste stammt und der die Offenlegung der Angaben - insbesondere gegenuber dem Betroffenen - genehmigt hat, erstellt und die auf seiner Website zuganglich gemacht wird. \n---|--- \n106 | Bei der Umsetzung der nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen verabschiedeten Resolutionen des Sicherheitsrats durch die Union auf der Grundlage eines gemeinsamen Standpunkts oder einer gemeinsamen Aktion, die die Mitgliedstaaten aufgrund der Bestimmungen des EU-Vertrags uber die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik beschlossen haben, hat die zustandige Behorde der Union den Wortlaut und die Ziele dieser Resolutionen sowie die maßgeblichen Verpflichtungen, die sich aus der Charta der Vereinten Nationen in Bezug auf eine solche Umsetzung ergeben, gebuhrend zu berucksichtigen (vgl. Urteil Kadi, Randnrn. 295 und 296). \n---|--- \n107 | Hat der Sanktionsausschuss im Rahmen der einschlagigen Resolutionen des Sicherheitsrats beschlossen, den Namen einer Organisation, Einrichtung oder Person in seine konsolidierte Liste aufzunehmen, muss daher die zustandige Unionsbehorde, um diesem Beschluss im Namen der Mitgliedstaaten nachzukommen, die Entscheidung, den Namen der betreffenden Organisation, Einrichtung oder Person in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufzunehmen oder auf dieser Liste zu belassen, auf der Grundlage der vom Sanktionsausschuss gegebenen Begrundung treffen. Dagegen ist in diesen Resolutionen nicht vorgesehen, dass der Sanktionsausschuss u. a. der zustandigen Unionsbehorde fur den Erlass ihrer Entscheidung uber die Aufnahme oder Beibehaltung eines Eintrags von sich aus andere Angaben als diese Begrundung zur Verfugung stellt. \n---|--- \n108 | Sowohl hinsichtlich einer Entscheidung uber die erstmalige Aufnahme des Namens einer Organisation, Einrichtung oder Person in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 als auch, wie im vorliegenden Fall, hinsichtlich einer Entscheidung uber die Belassung eines erstmals vor dem 3. September 2008, dem Datum des Urteils Kadi, aufgenommenen Eintrags auf der Liste beziehen sich daher Art. 7a Abs. 1 und 2 und Art. 7c Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 881/2002, die durch die Verordnung (EU) Nr. 1286/2009 des Rates vom 22. Dezember 2009 zur Änderung der Verordnung Nr. 881/2002 ([ABl. L 346, S. 42](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2009:346:TOC)) eingefugt wurden, um - wie sich aus dem vierten Erwagungsgrund der Verordnung Nr. 1286/2009 ergibt - das Verfahren der Aufnahme in die genannte Liste auf das Urteil Kadi hin abzuandern, ausschließlich auf die Begrundung, die der Sanktionsausschuss zum Zweck des Erlasses derartiger Entscheidungen gegeben hat. \n---|--- \n109 | Zum speziellen Fall von Herrn Kadi ergibt sich aus den Akten, dass die erstmalige Aufnahme seines Namens in die konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses am 17. Oktober 2001 auf Antrag der Vereinigten Staaten erfolgte, dem der Erlass einer Entscheidung vom 12. Oktober 2001 zugrunde lag, mit der das Office of Foreign Assets Control Herrn Kadi als „Specially Designated Global Terrorist" einstufte. \n---|--- \n110 | Wie sich aus dem dritten Erwagungsgrund der streitigen Verordnung ergibt, beschloss die Kommission im Anschluss an das Urteil Kadi mittels dieser Verordnung, den Namen von Herrn Kadi auf der Grundlage der vom Sanktionsausschuss ubermittelten Begrundung auf der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 zu belassen. Wie das Gericht in Randnr. 95 des angefochtenen Urteils ausgefuhrt und die Kommission in der mundlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof bestatigt hat, wurden ihr zu diesem Zweck keine weiteren Informationen außer dieser Begrundung zur Verfugung gestellt. \n---|--- \n111 | Im Rahmen eines Verfahrens, das den Erlass der Entscheidung betrifft, den Namen einer Person in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufzunehmen oder auf dieser Liste zu belassen, erfordert die Achtung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, dass die zustandige Unionsbehorde der betroffenen Person die dieser Behorde vorliegenden, die betroffene Person belastenden Informationen, auf die sie ihre Entscheidung stutzt, d. h. zumindest die vom Sanktionsausschuss ubermittelte Begrundung, mitteilt (vgl. in diesem Sinne Urteil Kadi, Randnrn. 336 und 337), damit diese Person ihre Rechte unter den bestmoglichen Bedingungen verteidigen und in Kenntnis aller Umstande entscheiden kann, ob es angebracht ist, den Unionsrichter anzurufen. \n---|--- \n112 | Im Zusammenhang mit dieser Mitteilung muss die zustandige Unionsbehorde diese Person in die Lage versetzen, ihren Standpunkt zu den gegen sie herangezogenen Grunden in sachdienlicher Weise vorzutragen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Oktober 1996, Kommission/Lisrestal u. a., [C-32/95 P, Slg. 1996, I-5373](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61995C?0032&locale=DE), Randnr. 21, vom 21. September 2000, Mediocurso/Kommission, [C-462/98 P, Slg. 2000, I-7183](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61998C?0462&locale=DE), Randnr. 36, und vom 22. November 2012, M., C-277/11, Randnr. 87 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n113 | Bei einer Entscheidung, die wie hier darin besteht, den Namen der betroffenen Person auf der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 zu belassen, muss diese doppelte Verfahrenspflicht, anders als bei einer erstmaligen Aufnahme (vgl. hierzu Urteil Kadi, Randnrn. 336 bis 341 und 345 bis 349, und Urteil Frankreich/People\'s Mojahedin Organization of Iran, Randnr. 61), vor dem Erlass dieser Entscheidung erfullt werden (vgl. Urteil Frankreich/People\'s Mojahedin Organization of Iran, Randnr. 62). Es wird nicht bestritten, dass im vorliegenden Fall die Kommission als Urheberin der streitigen Verordnung dieser Pflicht nachgekommen ist. \n---|--- \n114 | Nimmt die betroffene Person zu der Begrundung Stellung, ist die zustandige Unionsbehorde verpflichtet, die Stichhaltigkeit der angefuhrten Grunde im Licht dieser Stellungnahme und der ihr gegebenenfalls beigefugten entlastenden Gesichtspunkte sorgfaltig und unparteiisch zu prufen (vgl. entsprechend Urteile vom 21. November 1991, Technische Universitat Munchen, [C-269/90, Slg. 1991, I-5469](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61990C?0269&locale=DE), Randnr. 14, vom 22. November 2007, Spanien/Lenzing, [C-525/04 P, Slg. 2007, I-9947](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62004C?0525&locale=DE), Randnr. 58, und M., Randnr. 88). \n---|--- \n115 | Dabei hat diese Behorde insbesondere unter Berucksichtigung des Inhalts dieser etwaigen Stellungnahme zu beurteilen, ob es notwendig ist, den Sanktionsausschuss und uber ihn den UNO-Mitgliedstaat, der die Aufnahme der betroffenen Person in die konsolidierte Liste des Ausschusses vorgeschlagen hat, um Zusammenarbeit zu bitten, damit ihr im Rahmen der zweckdienlichen Zusammenarbeit, die nach Art. 220 Abs. 1 AEUV die Beziehungen der Union zu den Organen der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Bekampfung des internationalen Terrorismus bestimmen soll, die - vertraulichen oder nicht vertraulichen - Informationen oder Beweise ubermittelt werden, die es ihr erlauben, ihrer Pflicht zu sorgfaltiger und unparteiischer Prufung nachzukommen. \n---|--- \n116 | Schließlich erfordert die in Art. 296 AEUV vorgesehene Begrundungspflicht, ohne so weit zu gehen, dass sie es gebote, im Einzelnen auf die Stellungnahme der betroffenen Person einzugehen (vgl. in diesem Sinne Urteil Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa, Randnr. 141), unter allen Umstanden - und zwar auch dann, wenn die Begrundung des Unionsrechtsakts den von einer internationalen Behorde dargelegten Grunden entspricht -, dass in dieser Begrundung die einzelfallbezogenen, spezifischen und konkreten Grunde genannt werden, aus denen die zustandigen Behorden der Auffassung sind, dass gegen die betroffene Person restriktive Maßnahmen verhangt werden mussen (vgl. in diesem Sinne Urteile Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa, Randnrn. 140 und 142, und Rat/Bamba, Randnrn. 49 bis 53). \n---|--- \n117 | Was das gerichtliche Verfahren betrifft, wenn die betroffene Person die Rechtmaßigkeit des Beschlusses, ihren Namen in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufzunehmen oder auf dieser Liste zu belassen, in Frage stellt, muss sich die Kontrolle durch den Unionsrichter auf die Einhaltung der Vorschriften uber die Form und die Zustandigkeit einschließlich der Prufung der Geeignetheit der Rechtsgrundlage erstrecken (vgl. in diesem Sinne Urteil Kadi, Randnrn. 121 bis 236; vgl. auch entsprechend Urteil vom 13. Marz 2012, Tay Za/Rat, C-376/10 P, Randnrn. 46 bis 72). \n---|--- \n118 | Außerdem hat der Unionsrichter zu prufen, ob die in den Randnrn. 111 bis 114 des vorliegenden Urteils genannten Verfahrensgarantien und die in Art. 296 AEUV vorgesehene Begrundungspflicht, auf die in Randnr. 116 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, eingehalten wurden und ob die angefuhrten Grunde insbesondere hinreichend prazise und konkret sind. \n---|--- \n119 | Die durch Art. 47 der Charta gewahrleistete Effektivitat der gerichtlichen Kontrolle erfordert auch, dass sich der Unionsrichter, wenn er die Rechtmaßigkeit der einer Entscheidung, den Namen einer bestimmten Person in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufzunehmen oder auf dieser Liste zu belassen, zugrunde liegenden Begrundung pruft (Urteil Kadi, Randnr. 336), vergewissert, dass diese Entscheidung, die eine individuelle Betroffenheit dieser Person begrundet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. April 2013, Gbagbo u. a./Rat, C-478/11 P bis C-482/11 P, Randnr. 56), auf einer hinreichend gesicherten tatsachlichen Grundlage beruht (vgl. in diesem Sinne Urteil Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa, Randnr. 68). Dies setzt eine Überprufung der Tatsachen voraus, die in der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Begrundung angefuhrt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil E und F, Randnr. 57), so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angefuhrten Grunde beschrankt, sondern auf die Frage erstreckt, ob diese Grunde - oder zumindest einer von ihnen, der fur sich genommen als ausreichend angesehen wird, um diese Entscheidung zu stutzen - erwiesen sind. \n---|--- \n120 | Hierzu hat der Unionsrichter bei dieser Prufung gegebenenfalls von der zustandigen Unionsbehorde - vertrauliche oder nicht vertrauliche - Informationen oder Beweise anzufordern, die fur eine solche Prufung relevant sind (vgl. entsprechend Urteil ZZ, Randnr. 59). \n---|--- \n121 | Im Streitfall ist es namlich Sache der zustandigen Unionsbehorde, die Stichhaltigkeit der gegen die betroffene Person vorliegenden Grunde nachzuweisen, und nicht Sache der betroffenen Person, den negativen Nachweis zu erbringen, dass diese Grunde nicht stichhaltig sind. \n---|--- \n122 | Hierzu braucht die betreffende Behorde dem Unionsrichter nicht samtliche Informationen und Beweise vorzulegen, die mit der vom Sanktionsausschuss ubermittelten Begrundung zusammenhangen. Die vorgelegten Informationen oder Beweise mussen jedoch die Grunde stutzen, die gegen die betroffene Person vorliegen. \n---|--- \n123 | Ist es der zustandigen Unionsbehorde nicht moglich, der Forderung des Unionsrichters nachzukommen, hat dieser sich allein auf die ihm ubermittelten Angaben zu stutzen, d. h. hier auf die Angaben, die in der vom Sanktionsausschuss gegebenen Begrundung enthalten sind, auf die Stellungnahme der betroffenen Person und die von ihr gegebenenfalls vorgelegten Entlastungsbeweise sowie auf die Antwort der zustandigen Unionsbehorde auf diese Stellungnahme. Lasst sich die Stichhaltigkeit eines Grundes anhand dieser Angaben nicht feststellen, schließt der Unionsrichter ihn als Grundlage der fraglichen Entscheidung uber die Aufnahme in die Liste oder die Belassung auf ihr aus. \n---|--- \n124 | Übermittelt die zustandige Unionsbehorde dagegen relevante Informationen oder Beweise, muss der Unionsrichter die inhaltliche Richtigkeit der vorgetragenen Tatsachen anhand dieser Informationen oder Beweise prufen und deren Beweiskraft anhand der Umstande des Einzelfalls und im Licht etwaiger dazu abgegebener Stellungnahmen, insbesondere der betroffenen Person, wurdigen. \n---|--- \n125 | Zwar konnen zwingende Erwagungen der Sicherheit oder der Gestaltung der internationalen Beziehungen der Union oder ihrer Mitgliedstaaten der Mitteilung bestimmter Informationen oder Beweise an die betroffene Person entgegenstehen. In einem solchen Fall muss allerdings der Unionsrichter, dem die Geheimhaltungsbedurftigkeit oder Vertraulichkeit dieser Informationen oder Beweise nicht entgegengehalten werden kann, im Rahmen der von ihm ausgeubten gerichtlichen Kontrolle Techniken anwenden, die es ermoglichen, die legitimen Sicherheitsinteressen in Bezug auf die Art und die Quellen der Informationen, die beim Erlass des betreffenden Rechtsakts berucksichtigt wurden, auf der einen Seite und das Erfordernis, dem Einzelnen die Wahrung seiner Verfahrensrechte wie des Rechts, gehort zu werden, und des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens hinreichend zu garantieren, auf der anderen Seite zum Ausgleich zu bringen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kadi, Randnrn. 342 und 344; vgl. auch entsprechend Urteil ZZ, Randnrn. 54, 57 und 59). \n---|--- \n126 | Dabei hat der Unionsrichter alle von der zustandigen Unionsbehorde beigebrachten rechtlichen und tatsachlichen Umstande sowie die Stichhaltigkeit der Grunde zu prufen, die diese Behorde angefuhrt hat, um eine derartige Mitteilung abzulehnen (vgl. entsprechend Urteil ZZ, Randnrn. 61 und 62). \n---|--- \n127 | Kommt der Unionsrichter zu dem Schluss, dass diese Grunde der zumindest teilweisen Mitteilung der betreffenden Informationen oder Beweise nicht entgegenstehen, gibt er der zustandigen Unionsbehorde die Moglichkeit, sie der betroffenen Person mitzuteilen. Lehnt die Behorde es ab, diese Informationen oder Beweise ganz oder teilweise zu ubermitteln, pruft der Unionsrichter die Rechtmaßigkeit des angefochtenen Rechtsakts allein anhand der mitgeteilten Umstande (vgl. entsprechend Urteil ZZ, Randnr. 63). \n---|--- \n128 | Zeigt sich dagegen, dass die von der zustandigen Unionsbehorde angefuhrten Grunde der Mitteilung der dem Unionsrichter vorgelegten Informationen oder Beweise an die betroffene Person tatsachlich entgegenstehen, sind die Erfordernisse, die mit dem Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, insbesondere der Einhaltung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens, verbunden sind und diejenigen, die sich aus der Sicherheit oder der Gestaltung der internationalen Beziehungen der Union oder ihrer Mitgliedstaaten ergeben, in angemessener Weise zum Ausgleich zu bringen (vgl. entsprechend Urteil ZZ, Randnr. 64). \n---|--- \n129 | Bei diesem Ausgleich kann auf Moglichkeiten wie die Übermittlung einer Zusammenfassung des Inhalts der fraglichen Informationen oder Beweise zuruckgegriffen werden. Unabhangig davon hat der Unionsrichter zu beurteilen, ob und inwieweit die Tatsache, dass die vertraulichen Informationen oder Beweise der betroffenen Person gegenuber nicht offengelegt werden und es ihr damit unmoglich ist, zu ihnen Stellung zu nehmen, die Beweiskraft der vertraulichen Beweise beeinflussen kann (vgl. entsprechend Urteil ZZ, Randnr. 67). \n---|--- \n130 | Gelangt der Unionsrichter im Rahmen seiner - der Definition in den Randnrn. 117 bis 129 des vorliegenden Urteils entsprechenden - Kontrolle der Rechtmaßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu der Auffassung, dass zumindest einer der in der vom Sanktionsausschuss ubermittelten Begrundung angefuhrten Grunde hinreichend prazise und konkret ist, dass er nachgewiesen ist und dass er fur sich genommen eine hinreichende Grundlage fur diese Entscheidung darstellt, kann in Anbetracht des praventiven Charakters der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen der Umstand, dass dies auf andere dieser Grunde nicht zutrifft, die Nichtigerklarung der Entscheidung nicht rechtfertigen. Im umgekehrten Fall erklart der Unionsrichter die angefochtene Entscheidung fur nichtig. \n---|--- \n131 | Eine solche gerichtliche Kontrolle ist unerlasslich, um einen gerechten Ausgleich zwischen der Erhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit und dem Schutz der Grundfreiheiten und -rechte der betroffenen Person, die gemeinsame Werte der UNO und der Union darstellen, zu gewahrleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil E und F, Randnr. 57). \n---|--- \n132 | Ungeachtet ihres praventiven Charakters haben die fraglichen restriktiven Maßnahmen namlich eine betrachtliche negative Auswirkung auf diese Rechte und Freiheiten, zum einen dadurch, dass sowohl das Berufs- als auch das Familienleben der betroffenen Person aufgrund der Einschrankungen des Gebrauchs ihres Eigentumsrechts, die sich aus der umfassenden Geltung und, wie hier, der tatsachlichen Dauer der Anwendung dieser Maßnahmen ergeben, betrachtlich erschuttert wird, und zum anderen dadurch, dass sie die betroffene Person stigmatisieren und das Misstrauen der Öffentlichkeit ihr gegenuber erwecken (vgl. in diesem Sinne Urteile Kadi, Randnrn. 358, 369 und 375, Frankreich/People\'s Mojahedin Organization of Iran, Randnr. 64, Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa, Randnr. 120, und vom 28. Mai 2013, Abdulrahim/Rat und Kommission, C-239/12 P, Randnr. 70 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n133 | Eine solche Kontrolle ist umso unerlasslicher, als die auf der Ebene der UNO eingefuhrten Verfahren der Streichung und der Überprufung von Amts wegen - trotz der daran insbesondere nach Erlass der streitigen Verordnung vorgenommenen Verbesserungen - der Person, deren Name in der konsolidierten Liste des Sanktionsausschusses und infolgedessen in der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufgefuhrt ist, nicht die Gewahr eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes bieten, wie der Europaische Gerichtshof fur Menschenrechte kurzlich in Randnr. 211 seines Urteils vom 12. September 2012, Nada/Schweiz (noch nicht in den Reports of Judgments and Decisions veroffentlicht), entschieden hat, wobei er sich der Beurteilung durch das Schweizerische Bundesgericht anschloss. \n---|--- \n134 | Das Wesen eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes muss namlich gerade darin bestehen, es der betroffenen Person zu ermoglichen, durch ein Nichtigkeitsurteil, mit dem die angefochtene Handlung ruckwirkend aus der Rechtsordnung entfernt und so behandelt wird, als ob sie niemals bestanden hatte, gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Aufnahme ihres Namens in die fragliche Liste oder seine Belassung auf dieser Liste mit einem Rechtsverstoß behaftet ist, dessen Anerkennung geeignet ist, sie zu rehabilitieren oder fur sie eine Form der Wiedergutmachung des erlittenen immateriellen Schadens darzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Abdulrahim/Rat und Kommission, Randnrn. 67 bis 84). \n---|--- \n \n- Zu den Rechtsfehlern, mit denen das angefochtene Urteil behaftet ist\n\n135 | Aus den vorstehenden Prufungsgesichtspunkten ergibt sich, dass die Wahrung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zum einen verlangt, dass die zustandige Unionsbehorde der betroffenen Person die vom Sanktionsausschuss gegebene Begrundung ubermittelt, auf der die Entscheidung beruht, ihren Namen in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 aufzunehmen oder darauf zu belassen, dass sie ihr die Moglichkeit einraumt, hierzu sachdienlich Stellung zu nehmen, und dass sie die Stichhaltigkeit der angefuhrten Grunde sorgfaltig und unparteiisch im Licht der Stellungnahme dieser Person und etwaiger von ihr beigebrachter Entlastungsbeweise pruft. \n---|--- \n136 | Die Wahrung dieser Rechte setzt zum anderen voraus, dass der Unionsrichter im Fall eines Rechtsstreits anhand der ihm mitgeteilten Anhaltspunkte insbesondere pruft, ob die in der vom Sanktionsausschuss ubermittelten Begrundung angefuhrten Grunde hinreichend prazise und konkret sind, und ob gegebenenfalls nachgewiesen ist, dass die dem betreffenden Grund entsprechenden Tatsachen zutreffen. \n---|--- \n137 | Der Umstand, dass die zustandige Unionsbehorde der betroffenen Person und spater dem Unionsrichter nicht die Informationen oder Beweise zuganglich gemacht hat, die sich ausschließlich im Besitz des Sanktionsausschusses oder des betreffenden UNO-Mitglieds befinden und die mit der Begrundung im Zusammenhang stehen, auf die sich die in Rede stehende Entscheidung stutzt, kann dagegen als solcher nicht die Feststellung eines Verstoßes gegen diese Rechte begrunden. In einer solchen Situation verfugt der Unionsrichter, der die Stichhaltigkeit der in der vom Sanktionsausschuss ubermittelten Begrundung enthaltenen Grunde in tatsachlicher Hinsicht unter Berucksichtigung der Stellungnahme der betroffenen Person und der von ihr gegebenenfalls vorgelegten Entlastungsbeweise sowie der Antwort der zustandigen Unionsbehorde auf diese Stellungnahme zu prufen hat, allerdings nicht uber zusatzliche Informationen oder Beweise. Ist es ihm nicht moglich, die Stichhaltigkeit dieser Grunde festzustellen, konnen sie daher nicht als Grundlage fur die angefochtene Entscheidung zur Aufnahme in die Liste dienen. \n---|--- \n138 | Somit hat das Gericht in den Randnrn. 173, 181 bis 184, 188 und 192 bis 194 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen, als es seine Feststellung einer Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sowie infolgedessen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit darauf gestutzt hat, dass die Kommission Herrn Kadi und ihm selbst die Informationen und Beweise nicht mitgeteilt habe, die der Begrundung fur die Belassung des Namens des Betroffenen auf der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 zugrunde lagen, obwohl es, wie sich aus den Randnrn. 81 und 95 des angefochtenen Urteils ergibt, sowohl im Zusammenhang mit der Zuruckweisung des Antrags auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme, den Herr Kadi gestellt hatte, um diese Mitteilung zu erlangen, als auch in der mundlichen Verhandlung festgestellt hat, dass die Kommission nicht uber diese Informationen und Beweise verfugte. \n---|--- \n139 | Aus den Passagen des Urteils Kadi, auf die in den Randnrn. 181, 183 und 184 des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird, ergibt sich entgegen den Ausfuhrungen in diesen Randnummern nicht, dass der fehlende Zugang des Betroffenen und des Unionsrichters zu Informationen oder Beweisen, uber die die zustandige Unionsbehorde nicht verfugt, als solcher eine Verletzung der Verteidigungsrechte oder des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz herbeifuhrt. \n---|--- \n140 | Im Übrigen hat das Gericht - wobei darauf hinzuweisen ist, dass seine Beurteilung der Frage, ob die Begrundung hinreichend ist, der Nachprufung durch den Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil Rat/Bamba, Randnr. 41 und die dort angefuhrte Rechtsprechung) - einen Rechtsfehler begangen, als es, wie sich aus den Randnrn. 174, 177, 188 und 192 bis 194 des angefochtenen Urteils ergibt, seine Feststellung einer solchen Rechtsverletzung auf den in seinen Augen vagen und ungenauen Charakter der Ausfuhrungen in der vom Sanktionsausschuss ubermittelten Begrundung gestutzt hat, obwohl eine gesonderte Prufung jedes dieser Grunde eine derartige allgemeine Schlussfolgerung nicht zulasst. \n---|--- \n141 | Zwar ist, wie das Gericht zutreffend entschieden hat, als es sich in Randnr. 177 des angefochtenen Urteils das in Randnr. 157 vierter Gedankenstrich dieses Urteils dargelegte Argument von Herrn Kadi zu eigen gemacht hat, der letzte der in der vom Sanktionsausschuss ubermittelten Begrundung angefuhrten Grunde, der daraus hergeleitet wird, dass Herrn Kadi mehrere Gesellschaften in Albanien gehort haben sollen, die Gelder an Extremisten geleitet oder diese mit Kontrollfunktionen in Bezug auf die Mittel dieser Gesellschaften betraut hatten und von denen bis zu funf Gesellschaften Betriebskapital von Osama bin Laden erhalten hatten, nicht hinreichend genau und konkret, da er keine Angaben zur Identitat der betreffenden Gesellschaften, zum Zeitraum der ihnen zur Last gelegten Handlungen und zur Identitat der „Extremisten" enthalt, die von diesen Handlungen profitiert haben sollen. \n---|--- \n142 | Dies gilt jedoch nicht fur die ubrigen Grunde, die in der vom Sanktionsausschuss ubermittelten Begrundung angefuhrt werden. \n---|--- \n143 | Der erste Grund, der daraus hergeleitet wird, dass Herr Kadi eingeraumt habe, Grundungsmitglied der Muwafaq-Foundation zu sein, die ursprunglich unter der Kontrolle der Makhtab al-Khidamat, einer u. a. von Osama bin Laden gegrundeten Vorgangerorganisation von Al-Qaida, tatig gewesen und nach Auflosung der Makhtab al-Khidamat im Juni 2001 in Al-Qaida aufgegangen sei, und deren Tatigkeiten geleitet zu haben, ist insofern hinreichend prazise und konkret, als darin die betroffene Einrichtung und die Rolle von Herrn Kadi im Zusammenhang mit ihr sowie die Umstande einer behaupteten Verbindung zwischen dieser Einrichtung einerseits sowie Osama bin Laden und Al-Qaida andererseits angegeben werden. \n---|--- \n144 | Der zweite Grund wird daraus hergeleitet, dass Herr Kadi 1992 auf Empfehlung von Herrn Julaidan, eines Finanziers, der in den 80er Jahren an der Seite von Osama bin Laden in Afghanistan gekampft habe, Herrn Al-Ayadi als Leiter der europaischen Buros der Muwafaq-Foundation eingestellt haben soll. Zum Zeitpunkt dieser Einstellung sei Herr Al-Ayadi einer der Hauptanfuhrer des Front Islamique Tunisien gewesen und habe in Absprache mit Osama bin Laden gehandelt. Anfang der 90er Jahre habe er sich fur eine paramilitarische Ausbildung nach Afghanistan begeben und sei anschließend mit weiteren Personen in den Sudan gegangen, um dort mit Osama bin Laden eine Vereinbarung uber die Aufnahme und Ausbildung von Tunesiern und spater eine Vereinbarung uber die Aufnahme aus Italien kommender tunesischer Kampfer durch Mitstreiter von Osama bin Laden in Bosnien-Herzegowina zu schließen. \n---|--- \n145 | Dieser zweite Grund ist insofern hinreichend prazise und konkret, als er die notwendigen Angaben zum Zeitraum und zum Kontext dieser Einstellung sowie zu den personellen Umstanden eines behaupteten Zusammenhangs zwischen ihr und Osama bin Laden enthalt. \n---|--- \n146 | Der dritte Grund, der sich auf eine Erklarung stutzt, die Talad Fuad Kassem, ein Fuhrer von Al-Gama\'at al Islamiyya, 1995 abgegeben haben soll und nach der die Muwafaq-Foundation einem Bataillon von Kampfern in Bosnien-Herzegowina logistische und finanzielle Unterstutzung gewahrt habe, wird daraus hergeleitet, dass die Muwafaq-Foundation Mitte der neunziger Jahre an der Seite von Osama bin Laden an der Erbringung finanzieller Unterstutzung fur terroristische Aktivitaten dieser Kampfer und am Waffenhandel zwischen Albanien und Bosnien-Herzegowina beteiligt gewesen sein soll. \n---|--- \n147 | Dieser dritte Grund ist hinreichend prazise und konkret, da darin der Urheber der fraglichen Erklarung, die Art der zur Last gelegten Handlungen, der Zeitraum, in dem sie begangen worden sein sollen, und die Verbindung, die sie zu den Tatigkeiten von Osama bin Laden aufweisen sollen, angegeben sind. \n---|--- \n148 | Der vierte Grund wird daraus hergeleitet, dass Herr Kadi einer der wichtigsten Anteilseigner der mittlerweile geschlossenen bosnischen Depozitna Banka gewesen sein soll, an der Herr Al-Ayadi ebenfalls beteiligt gewesen und als Strohmann fur die Anteile von Herrn Kadi aufgetreten sein soll und in der moglicherweise Zusammenkunfte zur Vorbereitung eines Anschlags gegen eine Einrichtung der Vereinigten Staaten in Saudi-Arabien stattgefunden hatten. \n---|--- \n149 | Entgegen den Ausfuhrungen in Randnr. 175 des angefochtenen Urteils ist dieser vierte Grund hinreichend prazise und konkret, da das Finanzinstitut, uber das Herr Kadi sich an terroristischen Handlungen beteiligt haben soll, und die Art des betreffenden terroristischen Vorhabens benannt werden. Dass die Ausfuhrungen, wonach in dieser Bank Zusammenkunfte zur Vorbereitung dieses behaupteten Vorhabens stattgefunden haben sollen, unter Vorbehalt formuliert sind, verstoßt nicht gegen die Anforderungen, die sich aus der Begrundungspflicht ergeben, denn die Grunde fur eine Aufnahme in die Liste der Union konnen auf einem Verdacht der Verwicklung in terroristische Handlungen beruhen, unbeschadet der Prufung, ob dieser Verdacht stichhaltig ist. \n---|--- \n150 | Auch wenn sich aus den Randnrn. 138 bis 140 und 142 bis 149 des vorliegenden Urteils ergibt, dass das Gericht Rechtsfehler begangen hat, ist zu prufen, ob sich der Tenor des angefochtenen Urteils ungeachtet dieser Rechtsfehler aus anderen als den vom Gericht angefuhrten Rechtsgrunden als richtig erweist und das Rechtsmittel daher zuruckzuweisen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. April 2012, Artegodan/Kommission, C-221/10 P, Randnr. 94 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n \n- Zur Rechtswidrigkeit der streitigen Verordnung\n\n151 | Hinsichtlich des ersten in der vom Sanktionsausschuss ubermittelten Begrundung angefuhrten und in Randnr. 143 des vorliegenden Urteils genannten Grundes ist darauf hinzuweisen, dass Herr Kadi in seiner zur Stutzung seiner Klage vor dem Gericht eingereichten Stellungnahme vom 10. November 2008 zwar eingeraumt hat, Grundungsmitglied der Muwafaq-Foundation gewesen zu sein, aber jegliche Unterstutzung des Terrorismus durch diese und jegliche Verbindung zwischen ihr und der Makhtab al-Khidamat bestritten hat. Unter Beifugung der Grundungsurkunde der Muwafaq-Foundation hat er geltend gemacht, dass diese ausschließlich karitative und humanitare Zwecke verfolge und sich hauptsachlich mit der Hilfeleistung fur hungernde Menschen in der Welt, insbesondere im Sudan, befasse. Er hat zwar eingeraumt, an internationalen strategischen Entscheidungen der Muwafaq-Foundation beteiligt gewesen zu sein, doch jegliche Beteiligung an der laufenden Verwaltung ihrer weltweiten Tatigkeiten, insbesondere an der Rekrutierung des Personals vor Ort, geleugnet. Ebenso hat er bestritten, dass die Muwafaq-Foundation sich im Juni 2001 Al-Qaida angeschlossen habe, wobei er unter Vorlage von Dokumenten insbesondere hervorgehoben hat, dass sie ihre gesamte Tatigkeit spatestens 1998 eingestellt habe. \n---|--- \n152 | In ihrer ebenfalls dem Gericht vorgelegten Antwort vom 8. Dezember 2008 auf die Stellungnahme von Herrn Kadi hat die Kommission geltend gemacht, die Einstellung samtlicher oder eines Teils der Tatigkeiten der in Rede stehenden Organisation konne nicht ausschließen, dass sich diese Organisation, die uber eigene Rechtspersonlichkeit verfuge, Al-Qaida angeschlossen habe. \n---|--- \n153 | Es sind jedoch keine Informationen oder Beweise vorgelegt worden, die die Behauptungen bezuglich einer Verwicklung der Muwafaq-Foundation in den internationalen Terrorismus im Rahmen von Verbindungen zur Makhtab al-Khidamat und zu Al-Qaida untermauern. Daher sind die Angaben zur Rolle und zu den Funktionen von Herrn Kadi im Zusammenhang mit der Muwafaq-Foundation nicht geeignet, auf Unionsebene den Erlass restriktiver Maßnahmen gegen ihn zu begrunden. \n---|--- \n154 | Was den zweiten in der vom Sanktionsausschuss ubermittelten Begrundung angefuhrten und in Randnr. 144 des vorliegenden Urteils genannten Grund betrifft, hat Herr Kadi in seiner Stellungnahme vom 10. November 2008 zwar zugegeben, Herrn Al-Ayadi 1992 auf Empfehlung von Herrn Julaidan als Leiter der europaischen Buros der Muwafaq-Foundation eingestellt zu haben, jedoch vorgetragen, dass der einzige Zweck, den die Muwafaq-Foundation in Europa verfolgt habe, in der Unterstutzung bosnischer und kroatischer Fluchtlinge wahrend der Balkankriege in den 90er Jahren bestanden habe. Herr Julaidan, der damals mit ihm bei einem Hilfsprojekt zur beruflichen Ausbildung kroatischer Fluchtlinge zusammengearbeitet habe, habe ihm Herrn Al-Ayadi aufgrund seiner beruflichen Erfahrung bei der Leitung humanitarer Tatigkeiten und seiner Integritat empfohlen. Zudem habe er 1992 keinen Grund gehabt, Herrn Al-Ayadi und Herrn Julaidan der Unterstutzung terroristischer Handlungen zu verdachtigen, denn Osama bin Laden sei in den 80er Jahren als Verbundeter der westlichen Machte im Verhaltnis zur Sowjetunion angesehen und erst ab 1996 als Bedrohung der internationalen Sicherheit bezeichnet worden, und Herr Al-Ayadi und Herr Julaidan seien erst im Oktober 2001 bzw. September 2002 in die konsolidierte Liste des Sanktionsausschusses aufgenommen worden. Schließlich wisse er nichts von der Existenz des Front Islamique Tunisien und den angeblichen Verbindungen zwischen Herrn Al-Ayadi und dieser Organisation. \n---|--- \n155 | In ihrer Antwort vom 8. Dezember 2008 auf die Stellungnahme von Herrn Kadi hat die Kommission vorgetragen, die Einstellung von Herrn Al-Ayadi durch Herrn Kadi auf Empfehlung von Herrn Julaidan lasse in Verbindung mit den Kontakten von Herrn Al-Ayadi und Herrn Julaidan zu Osama bin Laden den Schluss zu, dass diese verschiedenen Personen einvernehmlich gehandelt oder demselben Netzwerk angehort hatten. Unter diesen Umstanden spiele es keine Rolle, dass Herr Kadi nach eigenen Angaben nichts von den behaupteten Verbindungen zwischen Herrn Al-Ayadi und dem Front Islamique Tunisien gewusst habe. \n---|--- \n156 | Insoweit ist, ohne dass auszuschließen ware, dass die in der vom Sanktionsausschuss ubermittelten Begrundung enthaltenen Angaben zur Einstellung von Herrn Al-Ayadi durch Herrn Kadi auf Empfehlung von Herrn Julaidan im Jahr 1992 und zur behaupteten Verwicklung von Herrn Al-Ayadi und Herrn Julaidan in terroristische Handlungen gemeinsam mit Osama bin Laden als ausreichend angesehen werden konnten, die erstmalige Aufnahme des Namens von Herrn Kadi in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 881/2002 im Jahr 2002 zu rechtfertigen, darauf hinzuweisen, dass diese Angaben, die nicht anderweitig untermauert werden, es nicht rechtfertigen konnen, seinen Namen nach 2008 auf der Liste der genannten Verordnung in der durch die streitige Verordnung geanderten Fassung zu belassen. Angesichts des zeitlichen Abstands zwischen diesen beiden Rechtsakten reichen diese Angaben, die sich auf das Jahr 1992 beziehen, fur sich genommen namlich nicht mehr aus, um die Belassung des Namens von Herrn Kadi auf der Liste der Personen und Einrichtungen, auf die die fraglichen restriktiven Maßnahmen Anwendung finden, im Jahr 2008 auf Unionsebene zu rechtfertigen. \n---|--- \n157 | Zum dritten in der vom Sanktionsausschuss ubermittelten Begrundung angefuhrten und in Randnr. 146 des vorliegenden Urteils genannten Grund hat Herr Kadi in seiner Stellungnahme vom 10. November 2008 angegeben, Herrn Talad Fuad Kassem nicht zu kennen. Er hat bestritten, diesem, der von ihm geleiteten Einrichtung oder Kampfern in Bosnien-Herzegowina jemals auch nur die geringste finanzielle, logistische oder sonstige Unterstutzung erbracht zu haben. Auch habe nach seiner Kenntnis weder die Muwafaq-Foundation noch einer ihrer Mitarbeiter jemals eine derartige Unterstutzung geleistet. \n---|--- \n158 | In ihrer Antwort vom 8. Dezember 2008 auf die Stellungnahme von Herrn Kadi hat die Kommission ausgefuhrt, dass die Aussage von Herrn Talad Fuad Kassem die Annahme stutze, dass Herr Kadi seine Stellung zu Zwecken benutzt habe, die nicht zu den gewohnlichen Tatigkeiten gehorten. Unter diesen Umstanden komme es nicht darauf an, ob Herr Kadi Herrn Talad Fuad Kassem kenne. \n---|--- \n159 | Es sind jedoch keine Informationen oder Beweise vorgelegt worden, anhand deren sich nachprufen ließe, ob die Herrn Talad Fuad Kassem in der vom Sanktionsausschuss ubermittelten Begrundung zugeschriebene Aussage inhaltlich zutrifft, und - insbesondere in Anbetracht des Vorbringens von Herrn Kadi, wonach er Herrn Talad Fuad Kassem nicht kenne - die Beweiskraft dieser Aussage hinsichtlich der Behauptungen zu beurteilen, die Muwafaq-Foundation habe in Abstimmung mit Osama bin Laden terroristische Handlungen in Bosnien-Herzegowina unterstutzt. Unter diesen Umstanden stellt die Aussage von Herrn Talad Fuad Kassem keine Grundlage dar, die den Erlass restriktiver Maßnahmen gegenuber Herrn Kadi auf Unionsebene zu rechtfertigen vermag. \n---|--- \n160 | Was den vierten in der vom Sanktionsausschuss ubermittelten Begrundung angefuhrten und in Randnr. 148 des vorliegenden Urteils genannten Grund betrifft, hat Herr Kadi in seiner Stellungnahme vom 10. November 2008 bestritten, den internationalen Terrorismus jemals uber die Depozitna Banka oder irgendein anderes Institut finanziell unterstutzt zu haben. Er habe ausschließlich zu geschaftlichen Zwecken im Hinblick auf die Aussichten auf einen sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbau in Bosnien nach den Friedensabkommen von Dayton aus dem Jahr 1995 eine Beteiligung an dieser Bank erworben und aufgrund einer Vorgabe des ortlichen Rechts Herrn Al-Ayadi, der bosnischer Staatsangehoriger sei, mit der Vertretung seiner Interessen in dieser Bank betraut. Gestutzt auf Berichte internationaler Wirtschaftsprufungsgesellschaften fur den Zeitraum 1999 bis 2002 und auf den Bericht eines von einem schweizerischen Richter benannten Finanzanalysten fur den Zeitraum 1997 bis 2001 hat er geltend gemacht, aus keinem dieser Berichte ergaben sich Hinweise darauf, dass die Depozitna Banka in irgendeiner Weise in die Finanzierung oder Unterstutzung des Terrorismus verwickelt gewesen sei. Er hat bestritten, dass die Bank geschlossen worden sei, und unter Vorlage von Dokumenten erlautert, dass sie 2002 mit einer anderen Bank fusioniert habe. Außerdem hat er Dokumente zu den Kontakten vorgelegt, die im Marz 1999 zwischen den Behorden der Vereinigten Staaten, dem Direktor der Depozitna Banka und den bosnischen politischen Behorden zu rechtlichen Fragestellungen stattgefunden hatten, die den Bankensektor in Bosnien-Herzegowina betroffen hatten. Schließlich hat er ausgefuhrt, wenn die saudischen Behorden Grunde fur den Verdacht gehabt hatten, dass in der Depozitna Banka ein Anschlag gegen die Interessen der Vereinigten Staaten in ihrem Hoheitsgebiet vorbereitet werde, hatten sie es nicht versaumt, ihn als saudischen Anteilseigner dieses Instituts zu befragen. Dies hatten sie aber nie getan. \n---|--- \n161 | In ihrer Antwort vom 8. Dezember 2008 auf die Stellungnahme von Herrn Kadi hat die Kommission ausgefuhrt, die Hinweise darauf, dass die Depozitna Banka zur Vorbereitung eines Anschlags in Saudi-Arabien gedient habe, trugen dazu bei, die Annahme zu bestatigen, dass Herr Kadi seine Stellung zu Zwecken benutzt habe, die nicht zu den gewohnlichen Tatigkeiten gehorten. \n---|--- \n162 | Da jedoch keine Informationen oder Beweise vorgelegt worden sind, die das Vorbringen stutzen, wonach in den Raumlichkeiten der Depozitna Banka moglicherweise Zusammenkunfte zur Vorbereitung von Terrorakten im Zusammenwirken mit Al-Qaida oder Osama bin Laden stattgefunden hatten, konnen die Angaben zu der Verbindung zwischen Herrn Kadi und dieser Bank den Erlass von restriktiven Maßnahmen gegen Herrn Kadi auf Unionsebene nicht stutzen. \n---|--- \n163 | Aus der in den Randnrn. 141 und 151 bis 162 des vorliegenden Urteils vorgenommenen Prufung ergibt sich, dass keine der Herrn Kadi belastenden Behauptungen in der vom Sanktionsausschuss ubermittelten Begrundung auf Unionsebene den Erlass restriktiver Maßnahmen gegen ihn zu rechtfertigen vermag, und zwar entweder wegen unzureichender Begrundung oder wegen des Fehlens von Informationen oder Beweisen, die den jeweils angefuhrten Grund angesichts des detaillierten Bestreitens durch den Betroffenen untermauern. \n---|--- \n164 | Daher konnen die in den Randnrn. 138 bis 140 und 142 bis 149 des vorliegenden Urteils festgestellten Rechtsfehler, mit denen das angefochtene Urteil behaftet ist, nicht zu dessen Aufhebung fuhren, da die Urteilsformel, mit der die streitige Verordnung fur nichtig erklart wurde, soweit sie Herrn Kadi betrifft, aus den in der vorstehenden Randnummer angefuhrten Rechtsgrunden richtig ist. \n---|--- \n165 | Somit sind die Rechtsmittel zuruckzuweisen. \n---|--- \n \nKosten\n\n166 | Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof uber die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegrundet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Hat eine erstinstanzliche Streithilfepartei, die das Rechtsmittel nicht selbst eingelegt hat, am Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen, kann der Gerichtshof ihr nach Art. 184 Abs. 4 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten auferlegen. Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. \n---|--- \n167 | Da die Kommission, der Rat und das Vereinigte Konigreich mit ihren Rechtsmittelgrunden unterlegen sind, sind sie gemaß dem Antrag von Herrn Kadi zur Tragung der Kosten zu verurteilen. \n---|--- \n168 | Die Republik Bulgarien, die Tschechische Republik, das Konigreich Danemark, Irland, das Konigreich Spanien, die Franzosische Republik, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, das Konigreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Slowakische Republik und die Republik Finnland, die als Streithelfer aufgetreten sind, tragen ihre eigenen Kosten. \n---|--- \n| Aus diesen Grunden hat der Gerichtshof (Große Kammer) fur Recht erkannt und\nentschieden: \n---|--- \n| | 1. | Die Rechtsmittel werden zuruckgewiesen. \n---|--- \n| | 2. | Die Europaische Kommission, der Rat der Europaischen Union und das Vereinigte Konigreich Großbritannien und Nordirland tragen die Kosten. \n---|--- \n| | 3. | Die Republik Bulgarien, die Tschechische Republik, das Konigreich Danemark, Irland, das Konigreich Spanien, die Franzosische Republik, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, das Konigreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Slowakische Republik und die Republik Finnland tragen ihre eigenen Kosten. \n---|--- \n| Unterschriften \n---|--- \n \n* * *\n\n( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.\n\n
317,349
eugh-2013-07-18-c-20111
2
Europäischer Gerichtshof
eugh
Europäische Union
C-201/11
2013-07-18
2019-03-14 16:21:37
2019-03-14 16:21:37
Urteil
ECLI:EU:C:2013:519
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)\n\n18. Juli 2013 ( *1 )\n\n„Rechtsmittel -- Fernsehen -- Richtlinie 89/552/EWG -- Art. 3a -- Maßnahmen\ndes Vereinigten Konigreichs in Bezug auf die Ereignisse von erheblicher\nBedeutung fur die Gesellschaft dieses Mitgliedstaats --\nFußballeuropameisterschaft -- Beschluss, mit dem die Maßnahmen fur mit dem\nGemeinschaftsrecht vereinbar erklart werden -- Begrundung -- Art. 49 EG und 86\nEG -- Eigentumsrecht"\n\nIn der Rechtssache C-201/11 P\n\nbetreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der\nEuropaischen Union, eingelegt am 27. April 2011,\n\nUnion des associations europeennes de football (UEFA), Prozessbevollmachtigte:\nD. Anderson, QC, und D. Piccinin, Barrister, beauftragt durch B. Keane und T.\nMcQuail, Solicitors,\n\nRechtsmittelfuhrerin,\n\nandere Parteien:\n\nEuropaische Kommission, vertreten durch E. Montaguti, N. Yerrell und A. Dawes\nals Bevollmachtigte im Beistand von M. Gray, Barrister, Zustellungsanschrift\nin Luxemburg,\n\nBeklagte im ersten Rechtszug,\n\nKonigreich Belgien,\n\nVereinigtes Konigreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch L.\nSeeboruth und J. Beeko als Bevollmachtigte im Beistand von T. de la Mare,\nBarrister,\n\nStreithelfer im ersten Rechtszug,\n\nerlasst\n\nDER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)\n\nunter Mitwirkung der Richterin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der\nAufgaben des Prasidenten der Dritten Kammer sowie der Richter K. Lenaerts, E.\nJuhasz, J. Malenovský (Berichterstatter) und D. Švaby,\n\nGeneralanwalt: N. Jaaskinen,\n\nKanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsratin,\n\naufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mundliche Verhandlung vom\n13. September 2012,\n\nnach Anhorung der Schlussantrage des Generalanwalts in der Sitzung vom 12.\nDezember 2012\n\nfolgendes\n\nUrteil\n\n1 | Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Union des associations europeennes de football (UEFA) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europaischen Union vom 17. Februar 2011, UEFA/Kommission ([T-55/08, Slg. 2011, II-271](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62008T?0055&locale=DE), im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf teilweise Nichtigerklarung des Beschlusses 2007/730/EG der Kommission vom 16. Oktober 2007 uber die Vereinbarkeit der vom Vereinigten Konigreich gemaß Artikel 3a Absatz 1 der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten uber die Ausubung der Fernsehtatigkeit getroffenen Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht ([ABl. L 295, S. 12](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2007:295:TOC), im Folgenden: streitiger Beschluss) abgewiesen hat. \n---|--- \n \nRechtlicher Rahmen\n\n2 | Die Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten uber die Ausubung der Fernsehtatigkeit ([ABl. L 298, S. 23](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:1989:298:TOC)) in der durch die Richtlinie 97/36/EG des Europaischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 ([ABl. L 202, S. 60](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:1997:202:TOC)) geanderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/552) enthielt folgenden durch die letztgenannte Richtlinie eingefugten Art. 3a: „(1) Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht Maßnahmen ergreifen, mit denen sichergestellt werden soll, dass Fernsehveranstalter, die seiner Rechtshoheit unterliegen, nicht Ereignisse, denen der betreffende Mitgliedstaat eine erhebliche gesellschaftliche Bedeutung beimisst, auf Ausschließlichkeitsbasis in der Weise ubertragen, dass einem bedeutenden Teil der Öffentlichkeit in dem Mitgliedstaat die Moglichkeit vorenthalten wird, das Ereignis im Wege direkter oder zeitversetzter Berichterstattung in einer frei zuganglichen Fernsehsendung zu verfolgen. Falls ein Mitgliedstaat entsprechende Maßnahmen ergreift, so erstellt er dabei eine Liste der nationalen und nichtnationalen Ereignisse, denen er eine erhebliche gesellschaftliche Bedeutung beimisst. Er tragt dafur auf eindeutige und transparente Weise rechtzeitig und wirksam Sorge. Dabei legt der betreffende Mitgliedstaat auch fest, ob diese Ereignisse im Wege direkter Gesamt- oder Teilberichterstattung oder, sofern im offentlichen Interesse aus objektiven Grunden erforderlich oder angemessen, im Wege zeitversetzter Gesamt- oder Teilberichterstattung verfugbar sein sollen. (2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission unverzuglich alle Maßnahmen mit, die sie gemaß Absatz 1 getroffen haben oder in Zukunft treffen werden. Die Kommission pruft binnen drei Monaten nach der Mitteilung, ob die Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, und teilt sie den anderen Mitgliedstaaten mit. Sie holt die Stellungnahme des gemaß Artikel 23a eingesetzten Ausschusses ein. Sie veroffentlicht die getroffenen Maßnahmen unverzuglich im Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaften; mindestens einmal jahrlich veroffentlicht sie eine konsolidierte Liste der von den Mitgliedstaaten getroffenen Maßnahmen. (3) Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen des innerstaatlichen Rechts durch geeignete Maßnahmen sicher, dass die ihrer Rechtshoheit unterliegenden Fernsehveranstalter die von ihnen nach der Veroffentlichung dieser Richtlinie erworbenen ausschließlichen Rechte nicht in der Weise ausuben, dass einem bedeutenden Teil der Öffentlichkeit in einem anderen Mitgliedstaat die Moglichkeit vorenthalten wird, die von diesem anderen Mitgliedstaat gemaß den Absatzen 1 und 2 bezeichneten Ereignisse als direkte Gesamt- oder Teilberichterstattung oder, sofern im offentlichen Interesse aus objektiven Grunden erforderlich oder angemessen, als zeitversetzte Gesamt- oder Teilberichterstattung in einer frei zuganglichen Fernsehsendung zu verfolgen, wie dies von dem anderen Mitgliedstaat gemaß Absatz 1 festgelegt worden ist." \n---|--- \n3 | In den Erwagungsgrunden 18 bis 22 der Richtlinie 97/36 hieß es: | „(18) | Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Mitgliedstaaten in der Lage sind, Maßnahmen zu ergreifen, um das Recht auf Informationen zu schutzen und der Öffentlichkeit breiten Zugang zur Fernsehberichterstattung uber nationale oder nichtnationale Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung zu verschaffen, wie die Olympischen Spiele, die Fußballweltmeisterschaft und die Fußballeuropameisterschaft [im Folgenden: EURO]. Zu diesem Zweck steht es den Mitgliedstaaten weiterhin frei, mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbarende Maßnahmen zu ergreifen, mit denen die Ausubung ausschließlicher Senderechte fur solche Ereignisse durch die ihrer Rechtshoheit unterliegenden Fernsehveranstalter geregelt werden soll. \n---|--- \n(19) | Es mussen innerhalb eines Gemeinschaftsrahmens Vorkehrungen getroffen werden, damit etwaige rechtliche Unsicherheit und Marktstorungen vermieden werden und der freie Verkehr fur Fernsehdienste mit der Notwendigkeit, einer moglichen Umgehung der zum Schutz eines rechtmaßigen allgemeinen Interesses erlassenen Maßnahmen zu begegnen, in Einklang gebracht wird. \n---|--- \n(20) | Es ist insbesondere angezeigt, in dieser Richtlinie Bestimmungen fur die Ausubung der ausschließlichen Senderechte festzulegen, die Fernsehveranstalter moglicherweise fur Ereignisse erworben haben, die fur die Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, dessen Rechtshoheit die Veranstalter unterliegen, von erheblicher Bedeutung sind. … \n---|--- \n(21) | Ereignisse von ‚erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung\' im Sinne dieser Richtlinie sollten bestimmten Kriterien genugen, d. h., es sollten herausragende Ereignisse sein, die von Interesse fur die breite Öffentlichkeit in der Europaischen Union, in einem bestimmten Mitgliedstaat oder in einem bedeutenden Teil eines bestimmten Mitgliedstaats sind und die im Voraus von einem Veranstalter organisiert werden, der kraft Gesetzes befugt ist, die Rechte an diesem Ereignis zu veraußern. \n---|--- \n(22) | Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff ‚frei zugangliche Fernsehsendung\' die Ausstrahlung eines der Öffentlichkeit zuganglichen Programms auf einem offentlichen oder privaten Kanal, ohne dass neben den in dem betreffenden Mitgliedstaat uberwiegend anzutreffenden Arten der Gebuhrenentrichtung fur das Fernsehen (beispielsweise Fernsehgebuhren und/oder Grundgebuhren fur einen Kabelanschluss) eine weitere Zahlung zu leisten ist." \n---|--- \n \nVorgeschichte des Rechtsstreits\n\n4 | In den Randnrn. 5 bis 15 des angefochtenen Urteils wird die Vorgeschichte des Rechtsstreits wie folgt geschildert: | „5 | Die [UEFA] ist der europaische Fußball-Dachverband. Ihre Hauptaufgabe ist es, fur die Entwicklung des europaischen Fußballs zu sorgen, und sie richtet eine Reihe von internationalen Fußballwettbewerben aus, so auch die Endrunde der Fußballeuropameisterschaft (im Folgenden: EURO[-Endrunde]), bei der alle vier Jahre 16 Nationalmannschaften in insgesamt 31 Spielen aufeinandertreffen. Nach ihrer eigenen Aussage sind es die Einnahmen aus dem Verkauf der kommerziellen Rechte im Zusammenhang mit diesen Wettbewerben, die es ihr erlaubten, die Entwicklung des europaischen Fußballs zu fordern. Sie bringt insoweit vor, dass 64 % der Einnahmen aus dem Verkauf der kommerziellen Rechte im Zusammenhang mit der EURO[-Endrunde] aus der Vergabe der Fernsehubertragungsrechte fur die Spiele stammten. \n---|--- \n6 | Mit Entscheidung vom 25. Juni 1998 erstellte der Minister fur Kultur, Medien und Sport des Vereinigten Konigreichs Großbritannien und Nordirland (im Folgenden: Minister) gemaß Teil IV des Broadcasting Act (Rundfunkgesetz) 1996 eine Liste von Ereignissen von erheblicher Bedeutung fur die Gesellschaft des Vereinigten Konigreichs, die auch die EURO[-Endrunde] umfasst. \n---|--- \n7 | Dem Erlass dieser Liste ging eine Konsultation von 42 verschiedenen Organen voraus, die vom Minister im Juli 1997 in Bezug auf die Kriterien eingeleitet worden war, anhand deren die Bedeutung der verschiedenen Ereignisse fur die Gesellschaft des Vereinigten Konigreichs beurteilt werden sollte. Im Anschluss an dieses Verfahren wurde eine Liste von Kriterien erlassen, die in einem Dokument des Ministeriums fur Kultur, Medien und Sport vom November 1997 enthalten ist und die dem Minister fur die Zwecke der Erstellung der Liste von Ereignissen von erheblicher Bedeutung fur die Gesellschaft des Vereinigten Konigreichs dient. Nach diesem Dokument kann ein Ereignis u. a. in die Liste aufgenommen werden, wenn es auf nationaler Ebene und nicht nur bei denjenigen, die den betreffenden Sport ohnehin verfolgen, besonderen Anklang findet. Dies trifft nach demselben Dokument auf ein nationales oder internationales Sportereignis zu, das hervorsticht oder an dem eine Nationalmannschaft oder Sportler des Vereinigten Konigreichs beteiligt sind. Unter den Ereignissen, die diese Kriterien erfullen, steigt die Aussicht, in die Liste aufgenommen zu werden, fur diejenigen, die bei vielen Fernsehzuschauern Interesse finden oder die traditionell auf frei zuganglichen Fernsehkanalen direkt ubertragen werden. Außerdem lasst der Minister auch andere, die Folgen fur den jeweiligen Sport betreffende Faktoren in seine Beurteilung einfließen wie etwa, ob das Angebot einer Direktubertragung eines Ereignisses in seiner Gesamtheit angebracht ist, welche Auswirkung sich fur die Einnahmen in dem fraglichen Sportsektor ergibt, welche Folgen sich fur den Rundfunkmarkt ergeben und ob Umstande vorliegen, die den Zugang zu dem Ereignis uber eine zeitversetzte Fernseh- oder Radioubertragung gewahrleisten. \n---|--- \n8 | In der Folge leitete der Minister gemaß Section 97 des Broadcasting Act 1996 ein Konsultationsverfahren zu den konkreten, in die Liste aufzunehmenden Ereignissen ein. Im Rahmen dieser Konsultation forderte er mehrere betroffene Organe und Wirtschaftsteilnehmer sowie die Inhaber der Fernsehubertragungsrechte wie die UEFA zu Stellungnahmen auf. Außerdem nahm ein von ihm eingerichtetes beratendes Gremium, die ‚Advisory Group on listed events\' (Beratungsgruppe Listenereignisse), Stellung zu den in die Liste aufzunehmenden Ereignissen und schlug hinsichtlich der EURO[-Endrunde] die Aufnahme des Endspiels, der Halbfinalspiele und der Spiele mit Beteiligung der Nationalmannschaften des Vereinigten Konigreichs in die Liste vor. \n---|--- \n9 | Nach Section 98 des Broadcasting Act 1996 in seiner durch die Television Broadcasting Regulations (Fernsehverordnung) 2000 geanderten Fassung sind die Fernsehveranstalter in zwei Kategorien unterteilt. Zur ersten Kategorie zahlen diejenigen, die ihre Dienste kostenlos anbieten und daruber hinaus von mindestens 95 % der Bevolkerung des Vereinigten Konigreichs empfangen werden konnen [im Folgenden: Rundfunkanstalten, die frei zugangliche Fernsehsender betreiben]. In die zweite Kategorie fallen die ubrigen[, zu denen insbesondere die Rundfunkanstalten gehoren, die Bezahlfernsehsender betreiben]. \n---|--- \n10 | Außerdem kann nach Section 101 des Broadcasting Act 1996 in seiner durch die Television Broadcasting Regulations 2000 geanderten Fassung, wer einen Fernsehdienst erbringt, der in eine dieser beiden Kategorien fallt, ein auf der Liste verzeichnetes Ereignis nur dann ganz oder teilweise direkt ubertragen, wenn ein Anbieter, der zur anderen der zwei Kategorien gehort, das Recht erworben hat, dasselbe Ereignis zur Ganze oder zu demselben Teil in der gleichen oder im Wesentlichen gleichen Gegend direkt zu ubertragen. Ist diese Voraussetzung nicht erfullt, muss die Anstalt, die das betreffende Ereignis ganz oder teilweise direkt ubertragen mochte, die vorherige Genehmigung des Office of Communications (Kommunikationsamt) einholen. \n---|--- \n11 | Nach Abschnitt 3 des Code on sports and other listed and designated events (Kodex fur Sport- und sonstige gelistete und bezeichnete Ereignisse) in seiner im Jahr 2000 geltenden Fassung gliedern sich die in die Liste von Ereignissen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung aufgenommenen Ereignisse in zwei Gruppen. Die ‚Gruppe A\' umfasst die Ereignisse, die nicht auf Ausschließlichkeitsbasis direkt ubertragen werden durfen, sofern nicht bestimmte Kriterien erfullt sind. Zur ‚Gruppe B\' gehoren die Ereignisse, die nur auf Ausschließlichkeitsbasis direkt ubertragen werden durfen, wenn angemessene Vorkehrungen fur eine Sekundarberichterstattung getroffen wurden. \n---|--- \n12 | Nach Abschnitt 13 des Code on sports and other listed and designated events kann eine Genehmigung vom Office of Communications fur die Listenereignisse der ‚Gruppe A\', zu denen die EURO[-Endrunde] gehort, erteilt werden, wenn die Übertragungsrechte dafur allen Fernsehveranstaltern zu billigen und angemessenen Bedingungen offen angeboten wurden, ohne dass sich eine Anstalt der anderen Kategorie an ihrem Erwerb interessiert gezeigt hatte. \n---|--- \n13 | Mit Schreiben vom 25. September 1998 ubermittelte das Vereinigte Konigreich der Kommission der Europaischen Gemeinschaften nach Art. 3a Abs. 2 der Richtlinie 89/552 die vom Minister erstellte Ereignisliste. Nach einem Schriftwechsel zwischen dem Vereinigten Konigreich und der Kommission und einer neuen Mitteilung der Maßnahmen am 5. Mai 2000 unterrichtete der Generaldirektor der Generaldirektion (GD) ‚Bildung und Kultur\' der Kommission das Vereinigte Konigreich mit Schreiben vom 28. Juli 2000 davon, dass die Kommission keine Einwande gegen die Maßnahmen dieses Mitgliedstaats erhebe, die deshalb demnachst im Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaften veroffentlicht wurden. \n---|--- \n14 | Mit Urteil vom 15. Dezember 2005, Infront WM/Kommission ([T-33/01, Slg. 2005, II-5897](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62001T?0033&locale=DE)), erklarte das Gericht die in dem Schreiben vom 28. Juli 2000 enthaltene Entscheidung mit der Begrundung fur nichtig, dass sie eine Entscheidung im Sinne des Art. 249 EG sei, die das Kollegium der Kommissionsmitglieder selbst hatte erlassen mussen … \n---|--- \n15 | Infolge [jenes Urteils] erließ die Kommission den [streitigen Beschluss]." \n---|--- \n \nDer streitige Beschluss\n\n5 | Art. 1 des streitigen Beschlusses bestimmt: „Die vom Vereinigten Konigreich gemaß Artikel 3a Absatz 1 der Richtlinie [89/552] getroffenen Maßnahmen, die der Kommission am 5. Mai 2000 notifiziert und im Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaften C 328 vom 18. November 2000 veroffentlicht wurden, sind mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. \n---|--- \n6 | Nach seinem Art. 3 gilt dieser Beschluss „ab dem 18. November 2000". \n---|--- \n7 | In den Erwagungsgrunden 3 bis 6, 18 bis 21, 24 und 25 des streitigen Beschlusses heißt es: | „(3) | Bei ihrer Prufung berucksichtigte die Kommission die vorliegenden Daten uber die britische Medienlandschaft. \n---|--- \n(4) | Die in den britischen Maßnahmen enthaltene Liste der Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung wurde in klarer und transparenter Weise erstellt, und im [Vereinigten Konigreich] war dazu eine umfassende Konsultation eingeleitet worden. \n---|--- \n(5) | Die Kommission hat festgestellt, dass die in den … britischen Maßnahmen aufgelisteten Veranstaltungen mindestens zwei der folgenden Kriterien erfullen, die als verlassliche Indikatoren fur die gesellschaftliche Bedeutung von Ereignissen gelten: i) Das Ereignis findet im betreffenden Mitgliedstaat in der breiten Öffentlichkeit besondere Resonanz und ist nicht nur fur diejenigen von Bedeutung, die die entsprechenden Sport- oder sonstigen Veranstaltungen ohnehin verfolgen; ii) das Ereignis hat eine allgemein anerkannte spezifische kulturelle Bedeutung fur die Bevolkerung des betreffenden Mitgliedstaats, insbesondere aufgrund seines identitatsstiftenden Charakters; iii) die Nationalmannschaft nimmt an dem Ereignis im Rahmen eines Wettkampfs oder Turniers von internationaler Bedeutung teil; iv) das Ereignis wurde bisher in einer frei zuganglichen Fernsehsendung ubertragen und erreichte eine große Zahl von Zuschauern. \n---|--- \n(6) | Viele der in den britischen Maßnahmen aufgefuhrten Veranstaltungen, darunter die Olympischen Sommer- und Winterspiele sowie die Endrunden der Welt- und Europameisterschaften, werden ublicherweise der Kategorie der Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung zugerechnet, auf die in Erwagung 18 der Richtlinie [97/36] ausdrucklich verwiesen wird. [Diese] Ereignisse [finden in ihrer Gesamtheit] im [Vereinigten Konigreich] in der breiten Öffentlichkeit besondere Resonanz, da sie (ungeachtet der Nationalitat der Teilnehmer) sehr popular sind, und zwar nicht nur bei den ohnehin Sportinteressierten. \n---|--- \n \n…\n\n(18) | Die aufgelisteten Veranstaltungen, einschließlich derjenigen, die in ihrer Gesamtheit - und nicht als Aneinanderreihung von Einzelveranstaltungen - zu sehen sind, wurden bisher im frei zuganglichen Fernsehen ubertragen und erreichten eine große Zahl von Zuschauern. Soweit dies ausnahmsweise nicht der Fall ist (die aufgelisteten Spiele der Kricket-Weltmeisterschaft), wird die Auflistung begrenzt (auf das Endspiel, die Halbfinalspiele und Spiele mit Beteiligung von Nationalmannschaften des [Vereinigten Konigreichs]) und sieht lediglich eine angemessene Sekundarberichterstattung vor; in jedem Fall sind mindestens zwei der Kriterien erfullt, die als verlassliche Indikatoren fur die gesellschaftliche Bedeutung von Ereignissen gelten (Erwagungsgrund 13). \n---|--- \n(19) | Die britischen Maßnahmen erscheinen [verhaltnismaßig] und rechtfertigen daher eine Ausnahme vom Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs im EG-Vertrag, und zwar wegen zwingender Grunde des Allgemeininteresses an der Gewahrleistung eines breiten offentlichen Zugangs zu Fernsehubertragungen von Veranstaltungen [von] erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung. \n---|--- \n(20) | Die britischen Maßnahmen sind insofern mit dem Wettbewerbsrecht der [Europaischen Gemeinschaft] vereinbar, als die Definition von Fernsehveranstaltern, die fur die Übertragung der aufgefuhrten Veranstaltungen qualifiziert sind, auf objektiven Kriterien beruht, die einen tatsachlichen und moglichen Wettbewerb um den Erwerb der Senderechte fur diese Veranstaltungen zulassen. Außerdem ist die Zahl der aufgelisteten Veranstaltungen nicht unverhaltnismaßig hoch, so dass es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen auf den nachgelagerten Markten des frei zuganglichen Fernsehens und des Bezahlfernsehens kommt. \n---|--- \n(21) | Die Verhaltnismaßigkeit der britischen Maßnahmen erscheint umso eher gegeben, als fur eine Reihe der aufgelisteten Ereignisse nur eine angemessene Sekundarberichterstattung erforderlich ist. \n---|--- \n \n…\n\n(24) | Aufgrund des Urteils [Infront WM/Kommission] des Gerichts … stellt die Erklarung, dass Maßnahmen gemaß Artikel 3a Absatz 1 der Richtlinie [89/552] mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, eine Entscheidung dar, die [deshalb] von der Kommission erlassen werden muss. Folglich ist durch diesen Rechtsakt festzustellen, dass die vom [Vereinigten Konigreich] mitgeteilten Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Die im Anhang zu diesem Beschluss aufgefuhrten Maßnahmen sollten gemaß Artikel 3a Absatz 2 der Richtlinie [89/552] im Amtsblatt der Europaischen Union veroffentlicht werden. \n---|--- \n(25) | Zur Gewahrleistung der Rechtssicherheit sollte [dieser Beschluss] ab dem Tag gelten, an dem die vom [Vereinigten Konigreich] notifizierten Maßnahmen erstmals im Amtsblatt der Europaischen [Gemeinschaften] veroffentlicht wurden." \n---|--- \n \nVerfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil\n\n8 | Die UEFA stutzte ihre Klage auf teilweise Nichtigerklarung des streitigen Beschlusses vor dem Gericht auf acht Klagegrunde. Das Gericht hat mit dem angefochtenen Urteil jeden einzelnen dieser Klagegrunde verworfen und die Klage insgesamt abgewiesen. Ferner hat es einen Antrag der UEFA auf den Erlass prozessleitender Maßnahmen, mit denen es der Kommission die Vorlage mehrerer Dokumente hatte aufgeben sollen, zuruckgewiesen. \n---|--- \n \nZum Rechtsmittel\n\n9 | Fur ihr Rechtsmittel bringt die UEFA im Wesentlichen sieben Grunde vor, namlich erstens Rechts- und Beurteilungsfehler in Bezug auf die Voraussetzung der Eindeutigkeit und Transparenz, zweitens Rechts- und Beurteilungsfehler in Bezug auf die Einstufung der EURO-Endrunde als Ereignis von erheblicher Bedeutung fur die Gesellschaft des Vereinigten Konigreichs, drittens Rechtsfehler bei der Anwendung der Vertragsbestimmungen uber offentliche Unternehmen und Unternehmen, denen die Mitgliedstaaten besondere oder ausschließliche Rechte gewahren, viertens Rechtsfehler bei der Anwendung sonstiger wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen des Vertrags, funftens Rechtsfehler bei der Anwendung der Vertragsbestimmungen uber den freien Dienstleistungsverkehr und die Verhaltnismaßigkeit, sechstens Rechtsfehler bei der Anwendung des Eigentumsrechts und siebtens Rechtsfehler in Bezug auf die Begrundung des streitigen Beschlusses. \n---|--- \n \nVorbemerkungen\n\n10 | Als Erstes ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten mit Art. 3a Abs. 1 der Richtlinie 89/552 gestattet hat, bestimmte Ereignisse als von erheblicher Bedeutung fur ihre jeweilige Gesellschaft zu bezeichnen (im Folgenden: Ereignis von erheblicher Bedeutung), und damit im Rahmen des ihm durch den Vertrag eingeraumten Beurteilungsspielraums die Beeintrachtigungen des freien Dienstleistungsverkehrs, der Niederlassungsfreiheit, des freien Wettbewerbs und des Eigentumsrechts, die eine unausweichliche Folge dieser Bezeichnung sind, ausdrucklich gebilligt hat. Wie sich aus dem 18. Erwagungsgrund der Richtlinie 97/36 ergibt, hielt er solche Beeintrachtigungen fur durch das Ziel gerechtfertigt, das Recht auf Informationen zu schutzen und der Öffentlichkeit breiten Zugang zur Fernsehberichterstattung uber derartige Ereignisse zu verschaffen. \n---|--- \n11 | Die Legitimitat der Verfolgung eines solchen Ziels wurde auch vom Gerichtshof bereits anerkannt, der festgestellt hat, dass die exklusive Vermarktung von Ereignissen von großem offentlichen Interesse geeignet ist, den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen uber diese Ereignisse erheblich einzuschranken. In einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft kommt aber dem Recht auf Information eine besondere Bedeutung zu, die im Fall solcher Ereignisse noch offenkundiger ist (vgl. Urteil vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C-283/11, Randnrn. 51 und 52). \n---|--- \n12 | Als Zweites ist klarzustellen, dass nach Art. 3a Abs. 1 der Richtlinie 89/552 die Festlegung der Ereignisse von erheblicher Bedeutung allein Sache der Mitgliedstaaten ist, denen insoweit ein großer Beurteilungsspielraum zukommt. \n---|--- \n13 | Die Richtlinie 89/552 harmonisiert namlich keine Liste derartiger Ereignisse, sondern geht von der Pramisse aus, dass es, was die Bedeutung dieser Ereignisse fur die breite Öffentlichkeit betrifft, innerhalb der Union betrachtliche soziale und kulturelle Unterschiede gibt. Demzufolge sieht ihr Art. 3a Abs. 1 vor, dass jeder Mitgliedstaat eine Liste der Ereignisse erstellt, „denen er eine erhebliche … Bedeutung [fur seine Gesellschaft] beimisst". Im 18. Erwagungsgrund der Richtlinie 97/36 wird diese Beurteilungsbefugnis der Mitgliedstaaten ebenfalls betont, wenn es darin heißt, dass es „von entscheidender Bedeutung" ist, dass sie in der Lage sind, Maßnahmen zu ergreifen, um das Recht auf Informationen zu schutzen und der Öffentlichkeit breiten Zugang zur Fernsehberichterstattung uber Ereignisse von erheblicher Bedeutung zu verschaffen. \n---|--- \n14 | Die Bedeutung des besagten Beurteilungsspielraums ergibt sich auch daraus, dass seine Wahrnehmung durch die Richtlinien 89/552 und 97/36 nicht in eine genaue Regelung eingefasst wird. Die einzigen Kriterien, die diese Richtlinien dafur aufstellen, dass der betroffene Mitgliedstaat einem Ereignis erhebliche Bedeutung beimessen kann, werden namlich im 21. Erwagungsgrund der Richtlinie 97/36 genannt, wonach es sich um ein herausragendes Ereignis handeln muss, das von Interesse fur die breite Öffentlichkeit in der Union, in einem bestimmten Mitgliedstaat oder in einem bedeutenden Teil eines bestimmten Mitgliedstaats ist und das im Voraus von einem Veranstalter organisiert wird, der kraft Gesetzes befugt ist, die Rechte an diesem Ereignis zu veraußern. \n---|--- \n15 | In Anbetracht dessen, dass diese Kriterien relativ ungenau sind, ist es Sache des einzelnen Mitgliedstaats, sie zu konkretisieren und zu beurteilen, von welchem Interesse die betroffenen Ereignisse fur die breite Öffentlichkeit in Ansehung der sozialen und kulturellen Besonderheiten seiner Gesellschaft sind. \n---|--- \n16 | Als Drittes ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art. 3a Abs. 2 der Richtlinie 89/552 zur Kontrolle der Rechtmaßigkeit der nationalen Maßnahmen, mit denen Ereignisse von erheblicher Bedeutung bezeichnet werden, befugt ist, was ihr die Ablehnung von Maßnahmen erlaubt, die mit dem Unionsrecht nicht vereinbar sind. \n---|--- \n17 | Im Rahmen dieser Kontrolle muss die Kommission insbesondere die Erfullung folgender Voraussetzungen prufen: | -- | Das betreffende Ereignis wurde nach einem eindeutigen und transparenten Verfahren rechtzeitig und wirksam in die Liste im Sinne des Art. 3a Abs. 1 der Richtlinie 89/552 aufgenommen; \n---|--- \n-- | es ist gerechtfertigt, dem Ereignis erhebliche Bedeutung beizumessen; \n---|--- \n-- | die Bezeichnung als Ereignis von erheblicher Bedeutung ist mit den\nallgemeinen Grundsatzen des Unionsrechts wie dem Verhaltnismaßigkeitsgrundsatz\nund dem Diskriminierungsverbot, den Grundrechten, den Grundsatzen der\nDienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit sowie den Regeln des freien\nWettbewerbs vereinbar. \n---|--- \n18 | Diese Kontrollbefugnis kennt jedoch Grenzen, insbesondere, was die Prufung der beiden zuletzt genannten Voraussetzungen betrifft. \n---|--- \n19 | Zum einen ergibt sich namlich aus dem Umfang des Beurteilungsspielraums der Mitgliedstaaten (vgl. oben, Randnr. 12), dass die Kontrollbefugnis der Kommission auf die Überprufung auf offensichtliche Beurteilungsfehler der Mitgliedstaaten bei der Bezeichnung der Ereignisse von erheblicher Bedeutung beschrankt sein muss. So muss die Kommission zum Zweck dieser Überprufung namentlich kontrollieren, ob der betroffene Mitgliedstaat alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls, auf die die daraus gezogenen Schlussfolgerungen gestutzt sind, sorgfaltig und unparteiisch untersucht hat (vgl. entsprechend Urteile vom 21. November 1991, Technische Universitat Munchen, [C-269/90, Slg. 1991, I-5469](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61990C?0269&locale=DE), Randnr. 14, und vom 22. Dezember 2010, Gowan Comercio Internacional e Serviços, [C-77/09, Slg. 2010, I-13533](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62009C?0077&locale=DE), Randnrn. 56 und 57). \n---|--- \n20 | Zum anderen kann, was genauer die dritte, oben in Randnr. 17 genannte, Voraussetzung anbelangt, nicht außer Acht gelassen werden, dass die wirksame Bezeichnung als Ereignis von erheblicher Bedeutung unausweichliche Beeintrachtigungen des freien Dienstleistungsverkehrs, der Niederlassungsfreiheit, des freien Wettbewerbs und des Eigentumsrechts mit sich bringt, die vom Unionsgesetzgeber gesehen und, wie oben in Randnr. 10 ausgefuhrt, fur durch das im Allgemeininteresse liegende Ziel gerechtfertigt gehalten wurden, das Recht auf Informationen zu schutzen und der Öffentlichkeit breiten Zugang zur Fernsehberichterstattung uber derartige Ereignisse zu verschaffen. \n---|--- \n21 | Zur Gewahrleistung der praktischen Wirksamkeit von Art. 3a der Richtlinie 89/552 ist somit festzustellen, dass die Kommission, wenn ein Ereignis von dem betroffenen Mitgliedstaat regelkonform als von erheblicher Bedeutung bezeichnet worden ist, nur diejenigen Auswirkungen dieser Bezeichnung auf den freien Dienstleistungsverkehr, die Niederlassungsfreiheit, den freien Wettbewerb und das Eigentumsrecht zu prufen hat, die uber die Auswirkungen hinausgehen, die an sich mit der Aufnahme des Ereignisses in die Liste im Sinne des Art. 3a Abs. 1 der genannten Richtlinie verbunden sind. \n---|--- \n \nZum ersten Rechtsmittelgrund: Rechts- und Beurteilungsfehler in Bezug auf die\nVoraussetzung der Eindeutigkeit und Transparenz\n\nVorbringen der Parteien\n\n22 | Der erste Rechtsmittelgrund betrifft Randnr. 94 des angefochtenen Urteils, in dem das Gericht befunden hat, dass es weder Zweck noch Wirkung des in Art. 3a der Richtlinie 89/552 aufgestellten Erfordernisses der Eindeutigkeit und Transparenz sei, die zustandige nationale Stelle zur Darlegung der Grunde zu zwingen, aus denen sie Empfehlungen oder Stellungnahmen nicht gefolgt sei, die bei ihr im Konsultationsverfahren eingereicht worden seien. Die UEFA macht geltend, nach diesem Erfordernis durfe ein Mitgliedstaat die in einer sehr wichtigen Frage von verschiedener unabhangiger Seite gegebenen ubereinstimmenden Ratschlage einschließlich derjenigen der Beratungsgruppe, die er doch selbst geschaffen habe, damit sie ihn bei der Aufstellung der Liste im Sinne des Art. 3a Abs. 1 der genannten Richtlinie berate, sowie derjenigen der Wettbewerbsbehorde nicht ohne die geringste Erklarung ubergehen. \n---|--- \n23 | Das Vereinigte Konigreich und die Kommission halten den ersten Rechtsmittelgrund fur unbegrundet. \n---|--- \n \nWurdigung durch den Gerichtshof\n\n24 | Aus Randnr. 12 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass die nationale Behorde, die mit der Bezeichnung von Ereignissen von erheblicher Bedeutung betraut ist, uber einen großen Beurteilungsspielraum verfugt. Daher muss sie den Stellungnahmen der beratenden Organe, die sie vor ihrer Entscheidung konsultiert hat, keine Folge leisten. \n---|--- \n25 | Was die Motive betrifft, aus denen sie solchen Stellungnahmen keine Folge geleistet hat, muss sie zwar, wie es auch von den Urhebern von Unionsrechtsakten verlangt wird (vgl. Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, [C-413/06 P, Slg. 2008, I-4951](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62006C?0413&locale=DE), Randnr. 166), die Grunde, weshalb einem Ereignis erhebliche Bedeutung beigemessen wurde, so angeben, dass zum einen die Betroffenen die Grunde fur die erlassene Maßnahme kennen konnen, um ihre Rechte geltend zu machen, und dass zum anderen die Kommission und die zustandigen Gerichte ihre Kontrolle ausuben konnen. \n---|--- \n26 | Entgegen dem Vorbringen der UEFA ist dafur jedoch nicht erforderlich, dass die genannte Behorde die spezifischen Grunde, aus denen sie den Stellungnahmen bestimmter beratender Organe nicht gefolgt ist, nennt, obwohl sie den Stellungnahmen gar keine Folge leisten muss. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass Letztere von mehreren beratenden Organen herruhren, die denselben Ansatz teilen. \n---|--- \n27 | Unter diesen Umstanden ist der erste Rechtsmittelgrund als unbegrundet zuruckzuweisen. \n---|--- \n \nZum zweiten Rechtsmittelgrund: Rechts- und Beurteilungsfehler in Bezug auf die\nEinstufung der EURO-Endrunde als Ereignis von erheblicher Bedeutung\n\n28 | Zur Einstufung der EURO-Endrunde als Ereignis von erheblicher Bedeutung hat das Gericht in Randnr. 103 des angefochtenen Urteils ausgefuhrt: „… [E]s [gibt] keine Erwagung, die die Annahme rechtfertigt, dass grundsatzlich nur die ‚Topspiele\' und die Spiele mit Beteiligung einer Nationalmannschaft des Vereinigten Konigreichs diese Einstufung mit Blick auf die Gesellschaft dieses Mitgliedstaats verdienen und daher zu einer solchen Liste gehoren konnen. Die EURO[-Endrunde] ist namlich ein Wettbewerb, der vernunftigerweise eher als ein Gesamtereignis und nicht als eine Zusammenstellung einzelner Ereignisse angesehen werden kann, die in ‚Topspiele\', ‚Normalspiele\' und Spiele mit Beteiligung der betreffenden Nationalmannschaft aufgeteilt sind. Bekanntlich bestimmen bei der EURO[-Endrunde] die Ergebnisse der ‚Normalspiele\' das Schicksal der Mannschaften, so dass von ihnen deren Beteiligung an den ‚Topspielen\' oder an den Spielen mit Beteiligung der betreffenden Nationalmannschaft abhangen kann. So werden in den ‚Normalspielen\' die Gegner ermittelt, auf die die betreffende Nationalmannschaft in den spateren Runden des Wettbewerbs trifft. Außerdem kann von den Ergebnissen der ‚Normalspiele\' sogar abhangen, ob diese Nationalmannschaft die nachste Runde des Wettbewerbs erreicht oder nicht." \n---|--- \n29 | In Randnr. 120 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt: „… [D]ie Erwahnung der EURO[-Endrunde] im 18. Erwagungsgrund der Richtlinie 97/36 [bedeutet], dass die Kommission die Aufnahme der Spiele dieses Wettbewerbs in eine Ereignisliste nicht aus dem Grund als gemeinschaftsrechtswidrig ansehen kann, weil der betroffene Mitgliedstaat ihr nicht die besonderen Grunde fur deren Eigenschaft als Ereignis von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung mitgeteilt hat … Die etwaige Schlussfolgerung der Kommission, dass die Aufnahme der EURO[-Endrunde] in ihrer Gesamtheit in eine Liste von Ereignissen von erheblicher Bedeutung … mit dem Gemeinschaftsrecht deshalb vereinbar sei, weil es gerechtfertigt sei, diesen Wettbewerb aufgrund seiner Merkmale als ein einheitliches Ereignis anzusehen, kann jedoch auf der Grundlage spezifischer Anhaltspunkte in Frage gestellt werden, die belegen, dass die ‚Normalspiele\' nicht von einer solchen Bedeutung fur die Gesellschaft dieses Staates sind." \n---|--- \n \nVorbringen der Parteien\n\n30 | Die UEFA beanstandet, das Gericht habe ihr Vorbringen zuruckgewiesen, dass die Kommission nicht zu dem Ergebnis habe gelangen durfen, dass das Vereinigte Konigreich die EURO-Endrunde berechtigterweise in ihrer Gesamtheit als ein Ereignis von erheblicher Bedeutung angesehen habe. Ihrer Ansicht nach hatte das Vereinigte Konigreich nur die sogenannten „Topspiele" als ein solches Ereignis bezeichnen durfen, d. h. das Endspiel, die Halbfinalspiele und die Spiele der Mannschaften dieses Mitgliedstaats. Damit habe die vom Vereinigten Konigreich aufgestellte Liste dieser Ereignisse die sogenannten „Normalspiele", also alle ubrigen EURO-Endrundenspiele, nicht umfassen durfen. \n---|--- \n31 | In diesem Zusammenhang macht die UEFA mit dem ersten Teil ihres zweiten Rechtsmittelgrundes geltend, das Gericht habe zu Unrecht befunden, dass die schlichte Erwahnung der EURO durch den Unionsgesetzgeber im 18. Erwagungsgrund der Richtlinie 97/36 zur Folge habe, dass die Kommission von den Mitgliedstaaten keine besondere Begrundung fur deren Entscheidung zu verlangen brauche, den Wettbewerb in seiner Gesamtheit in die Liste der Ereignisse von erheblicher Bedeutung aufzunehmen. Mit dieser Analyse solle falschlicherweise die Kommission von ihrer Pflicht freigestellt werden, zu uberprufen, ob das betroffene Ereignis tatsachlich ein Ereignis von erheblicher Bedeutung sei. Der genannte Erwagungsgrund enthalte nur eine Liste zur Veranschaulichung der Art von Ereignissen, die von einer solchen Bedeutung sein konnten, und stelle daher keine Vermutung fur eine erhebliche Bedeutung der darin erwahnten Ereignisse auf. \n---|--- \n32 | Mit dem zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes rugt die UEFA, das Gericht habe mehrere seiner Erwagungen auf die Prufung von Gesichtspunkten gestutzt, die die Kommission selbst nicht berucksichtigt habe. \n---|--- \n33 | Mit dem dritten Teil des Rechtsmittelgrundes bringt die UEFA vor, das Gericht habe die betreffende Analyse auf der Grundlage einer offenkundig falschen Wurdigung der Gesichtspunkte vorgenommen. \n---|--- \n34 | Die Kommission halt den zweiten Rechtsmittelgrund teilweise fur unzulassig, soweit damit die vom Gericht vorgenommene Tatsachenwurdigung in Frage gestellt werde. Außerdem entbehre der Rechtsmittelgrund jeder Grundlage; diese Ansicht wird vom Vereinigten Konigreich geteilt. \n---|--- \n \nWurdigung durch den Gerichtshof\n\n35 | Zum ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist vorab festzustellen, dass das Gericht in Randnr. 103 des angefochtenen Urteils ausgefuhrt hat, die EURO sei ein Wettbewerb, der vernunftigerweise eher als ein Gesamtereignis und nicht als eine Zusammenstellung einzelner Ereignisse angesehen werden konne, die in „Topspiele", „Normalspiele" und Spiele mit Beteiligung der betreffenden Nationalmannschaft aufgeteilt seien. Ferner hat das Gericht, wie Randnr. 5 des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist, den Begriff der Fußballeuropameisterschaft, auf den der 18. Erwagungsgrund der Richtlinie 97/36 Bezug nimmt, so verstanden, dass er allein die Endrunde dieses Wettbewerbs umfasse. \n---|--- \n36 | Weder der genannte Erwagungsgrund noch irgendein anderer Bestandteil der Richtlinien 89/552 oder 97/36 enthalten jedoch einen Hinweis darauf, dass der Begriff „Fußballeuropameisterschaft" nur auf die Endrunde dieses Wettbewerbs abstellen wurde. Daher muss dieser Begriff grundsatzlich auch die Anfangsphase dieses Wettbewerbs, also alle Qualifikationsspiele, erfassen. Es steht aber fest, dass die Qualifikationsspiele vor der Endrunde im Allgemeinen bei der breiten Öffentlichkeit eines Mitgliedstaats kein Interesse erwecken konnen, das mit dem desselben Publikums an der Endrunde vergleichbar ware. Ein solches Interesse konnen namlich nur einige bestimmte Qualifikationsspiele hervorrufen, namentlich diejenigen mit Beteiligung der Nationalmannschaft(en) des betroffenen Mitgliedstaats oder die der ubrigen Mannschaften derselben Qualifikationsgruppe. \n---|--- \n37 | Auch kann nicht ernsthaft bestritten werden, dass die „Topspiele" im Allgemeinen eine großere Bedeutung haben, als sie den ihnen vorangehenden Spielen der EURO-Endrunde, also den Gruppenspielen, allgemein zugesprochen wird. Daher kann nicht von vornherein behauptet werden, dass die Bedeutung, die dieser letzten Kategorie von Spielen beigemessen wird, derjenigen der ersten Spielekategorie gleichzusetzen ist und dass daher alle Gruppenspiele genau wie die „Topspiele" unterschiedslos als Teile eines Gesamtereignisses von erheblicher Bedeutung gelten. Die Bezeichnung jedes einzelnen Spiels als Ereignis von erheblicher Bedeutung kann somit von einem Mitgliedstaat zum anderen unterschiedlich sein. \n---|--- \n38 | Demnach wollte der Unionsgesetzgeber nicht andeuten, dass die „Fußballeuropameisterschaft" im Sinne des 18. Erwagungsgrundes der Richtlinie 97/36 allein auf die Endrunde beschrankt ist und ein unteilbares Gesamtereignis bildet. Die EURO ist im Gegenteil als ein Ereignis anzusehen, das im Grunde in verschiedene Spiele oder Phasen aufgeteilt werden kann, von denen nicht alle zwangslaufig als Ereignis von erheblicher Bedeutung eingestuft werden konnen. \n---|--- \n39 | Allerdings ist klarzustellen, dass das beschriebene Fehlverstandnis des Gerichts vom 18. Erwagungsgrund der Richtlinie 97/36 und insbesondere vom Begriff der EURO auf die vorliegende Sache keine Auswirkungen gehabt hat. \n---|--- \n40 | Was zunachst den Ausschluss der Qualifikationsspiele von der Definition der EURO betrifft, genugt der Hinweis, dass das Vereinigte Konigreich diese Spiele nicht in die Liste der Ereignisse von erheblicher Bedeutung aufgenommen hat und sich der streitige Beschluss somit nicht auf sie erstreckt. \n---|--- \n41 | Sodann ist festzustellen, dass das Gericht in den Randnrn. 128 bis 139 des angefochtenen Urteils auf der Grundlage der von der UEFA gelieferten Anhaltspunkte und im Hinblick auf die konkrete Wahrnehmung der Öffentlichkeit im Vereinigten Konigreich gepruft hat, ob tatsachlich alle Spiele der EURO-Endrunde bei diesem Publikum ein Interesse hervorrufen, das groß genug ist, um zu einem Ereignis von erheblicher Bedeutung gehoren zu konnen. Indem es zu dem Ergebnis gelangt ist, dass dem so sei, hat das Gericht aber Grund zu der Feststellung gehabt, dass alle Spiele der EURO-Endrunde zusammen im Vereinigten Konigreich als ein Gesamtereignis von erheblicher Bedeutung angesehen werden konnten. Seine Beurteilung steht somit faktisch mit den oben in Randnr. 38 gemachten Ausfuhrungen in Einklang. \n---|--- \n42 | Schließlich ergibt sich aus den nachstehenden Ausfuhrungen in den Randnrn. 107 bis 114, dass das Fehlverstandnis vom 18. Erwagungsgrund der Richtlinie 97/36 nicht das Ergebnis des Gerichts beeinflusst hat, dass die Begrundung der streitigen Entscheidung den Voraussetzungen des Art. 253 EG genuge. \n---|--- \n43 | Indem es die oben in Randnr. 35 dargestellte Argumentation fortgefuhrt hat, ist das Gericht jedoch zu der Feststellung in Randnr. 120 des angefochtenen Urteils gelangt, dass die Mitgliedstaaten der Kommission nicht die besonderen Grunde mitteilen mussten, aus denen die EURO-Endrunde in ihrer Gesamtheit als ein einheitliches Ereignis von erheblicher Bedeutung in dem jeweiligen Mitgliedstaat bezeichnet werde. \n---|--- \n44 | Da es aber nicht gerechtfertigt ist, die EURO-Endrunde unabhangig von dem Interesse, das die Spiele in einem Mitgliedstaat hervorrufen, in ihrer Gesamtheit in eine Liste von Ereignissen von erheblicher Bedeutung aufzunehmen, ist der betroffene Mitgliedstaat nicht von seiner Pflicht freigestellt, der Kommission die Grunde mitzuteilen, aus denen im spezifischen gesellschaftlichen Kontext dieses Staates die EURO-Endrunde als ein einheitliches Ereignis, dem in seiner Gesamtheit eine erhebliche Bedeutung fur die Gesellschaft dieses Staates beizumessen ist, und nicht als eine Zusammenstellung einzelner Ereignisse, die in Spiele von unterschiedlichem Interesse aufgeteilt sind, angesehen werden kann. \n---|--- \n45 | Das Gericht hat daher in Randnr. 120 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft befunden, dass die Kommission die Aufnahme der Spiele der EURO-Endrunde in eine Ereignisliste nicht aus dem Grund als unionsrechtswidrig habe ansehen konnen, weil der betroffene Mitgliedstaat ihr nicht die besonderen Grunde fur deren Eigenschaft als Ereignis von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung mitgeteilt habe. \n---|--- \n46 | Unter diesen Umstanden ist zu prufen, ob das angefochtene Urteil in Anbetracht dieses Fehlers aufzuheben ist. \n---|--- \n47 | Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann insoweit ein Rechtsfehler des Gerichts nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils fuhren, wenn sich die Urteilsformel aus anderen Rechtsgrunden als richtig darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink\'s France, [C-367/95 P, Slg. 1998, I-1719](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61995C?0367&locale=DE), Randnr. 47, und vom 29. Marz 2011, ThyssenKrupp Nirosta/Kommission, [C-352/09 P, Slg. 2011, I-2359](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62009C?0352&locale=DE), Randnr. 136). \n---|--- \n48 | In der vorliegenden Sache ist erstens festzustellen, dass, damit die Kommission ihre Kontrollbefugnis ausuben kann, die Darstellung der Grunde, die einen Mitgliedstaat dazu veranlasst haben, einem Ereignis erhebliche Bedeutung beizumessen, knapp sein kann, vorausgesetzt, sie ist relevant. Daher kann insbesondere nicht verlangt werden, dass der Mitgliedstaat in der Mitteilung der betreffenden Maßnahmen selbst detaillierte und bezifferte Angaben zu jedem Element oder Teil des der Kommission mitgeteilten Ereignisses macht. \n---|--- \n49 | Klarzustellen ist dabei, dass die Kommission, wenn sie in Bezug auf die Bezeichnung eines Ereignisses von erheblicher Bedeutung auf der Grundlage der ihr vorliegenden Anhaltspunkte Zweifel hegt, den Mitgliedstaat, der diese Bezeichnung vorgenommen hat, um Klarung ersuchen muss (vgl. entsprechend Urteil vom 29. Marz 2012, Kommission/Estland, C-505/09 P, Randnr. 67). \n---|--- \n50 | Im vorliegenden Fall ergibt sich insbesondere aus der Mitteilung der vom Vereinigten Konigreich getroffenen Maßnahmen, die der Kommission am 5. Mai 2000 notifiziert wurden und im Anhang des streitigen Beschlusses aufgefuhrt sind, dass dieser Mitgliedstaat die EURO-Endrunde deshalb insgesamt als Ereignis von erheblicher Bedeutung bezeichnete, weil diese Gesamtheit von Spielen einschließlich also der „Normalspiele" landesweit besondere Resonanz finde und auch fur Nichtfußballanhanger von besonderem Interesse sei, weil die Einschaltquoten zweifellos hoch seien und weil diese Gesamtheit von Spielen traditionell im frei empfangbaren Fernsehen direkt ausgestrahlt worden sei. \n---|--- \n51 | Anhand dieser vom Vereinigten Konigreich gemaß den Anforderungen des Art. 3a Abs. 2 der Richtlinie 89/552 mitgeteilten Angaben konnte die Kommission ihre Kontrolle ausuben und den Mitgliedstaat, falls sie dies fur notwendig oder angebracht gehalten hatte, zu zusatzlicher Klarung oder zur Beibringung weiterer, nicht in seiner Mitteilung enthaltener Anhaltspunkte auffordern. \n---|--- \n52 | Zweitens deutet nichts darauf hin, dass die Kommission diese - im Übrigen beschrankte - Kontrolle nicht ausgeubt hatte und dass sie nicht in Ansehung der oben in Randnr. 50 genannten Grunde gepruft hatte, ob der Minister nicht einen offenkundigen Beurteilungsfehler beging, indem er samtliche Spiele der EURO-Endrunde als Ereignis von erheblicher Bedeutung bezeichnete. \n---|--- \n53 | Insoweit geht zunachst aus dem sechsten Erwagungsgrund des streitigen Beschlusses hervor, dass die Kommission tatsachlich prufte, ob die gesamte EURO-Endrunde, unter Einschluss also auch der „Normalspiele", im Vereinigten Konigreich besondere Resonanz fand, d. h., ob die Spiele dieses Turniers bei der breiten Öffentlichkeit und nicht nur bei denjenigen, die ohnehin Fußballspiele im Fernsehen verfolgten, sehr popular waren. Desgleichen ergibt sich aus dem 18. Erwagungsgrund dieses Beschlusses, dass die Kommission den Umstand berucksichtigte, dass dieses Turnier als Ganzes, unter Einschluss also auch der „Normalspiele", bis dahin im frei zuganglichen Fernsehen ubertragen worden war und eine große Zahl von Zuschauern erreicht hatte. \n---|--- \n54 | Sodann ist den Akten zu entnehmen, dass die Kommission vor dem Gericht der Klagebeantwortung mehrere Dokumente mit Zahlenmaterial beifugte, auf die sie sich bei der Prufung der Rechtmaßigkeit der vom Vereinigten Konigreich mitgeteilten Maßnahmen gestutzt hatte, darunter auch Dokumente, die von diesem Mitgliedstaat stammten und zwischen den „Topspielen", den „Normalspielen" und den Spielen mit Beteiligung der Nationalmannschaft(en) unterschieden. Die UEFA hat aber nicht bestritten, dass diese Dokumente die Grundlage des streitigen Beschlusses bildeten, und sogar eingeraumt, dass die Kommission solche statistischen Daten berucksichtigte (vgl. unten, Randnr. 58). \n---|--- \n55 | Schließlich kann die UEFA nicht mit Erfolg geltend machen, dass die von ihr behauptete Mangelhaftigkeit der von der Kommission ausgeubten Kontrolle darauf zuruckgehe, dass sich das genannte Zahlenmaterial auf die Zeit vor dem Jahr 2000 beziehe und die Kommission die Daten fur den Zeitraum 2000-2007 nicht berucksichtigt habe, obwohl sie den streitigen Beschluss auf die bei seinem Erlass, also am 16. Oktober 2007, vorliegenden Anhaltspunkte hatte stutzen mussen. \n---|--- \n56 | Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der streitige Beschluss erlassen wurde, um die im Schreiben des Generaldirektors der Generaldirektion „Bildung und Kultur" vom 28. Juli 2000 an das Vereinigte Konigreich enthaltene Entscheidung zu ersetzen, die mit dem Urteil Infront WM/Kommission fur nichtig erklart wurde, weil sie nicht vom Kollegium der Kommissionsmitglieder erlassen worden war. Die Kommission verlieh dem streitigen Beschluss deshalb zur Gewahrleistung von Rechtssicherheit Ruckwirkung, indem sie dieselben nationalen Maßnahmen, namlich die vom Vereinigten Konigreich am 5. Mai 2000 mitgeteilten, prufte und vorsah, dass dieser Beschluss ab dem 18. November 2000 galt, also ab der Veroffentlichung dieser Maßnahmen im Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaften. \n---|--- \n57 | Aus der Rechtsprechung ergibt sich aber, dass die Kommission dem streitigen Beschluss solche - von der UEFA im Übrigen nicht bestrittene - Ruckwirkung verleihen konnte (vgl. Urteil vom 13. November 1990, Fedesa u. a., [C-331/88, Slg. 1990, I-4023](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61988C?0331&locale=DE), Randnrn. 45 bis 47). \n---|--- \n58 | Unter diesen Bedingungen musste die Kommission ihre Prufung an der im Jahr 2000 bestehenden Situation ausrichten. Insoweit braucht in Anbetracht des Nichtbestreitens seitens der UEFA nicht gepruft zu werden, ob die Kommission diese Situation berucksichtigen musste, wie sie sich im Zeitpunkt des Erlasses der durch den streitigen Beschluss ersetzten Entscheidung darstellte oder wie sie im Zeitpunkt der Veroffentlichung der mitgeteilten nationalen Maßnahmen vorlag. Sie hatte somit zu prufen, ob zu jener Zeit die Gesamtheit der Spiele der EURO-Endrunde als ein Ereignis von erheblicher Bedeutung angesehen werden konnte. Aus den Akten ergibt sich aber, dass die UEFA dem Gericht keinen Anhaltspunkt unterbreitete, anhand dessen es hatte feststellen konnen, dass die Kommission den streitigen Beschluss nicht in Ansehung der im Jahr 2000 vorliegenden Gesichtspunkte erlassen gehabt hatte. Vielmehr erkannte die UEFA sogar an, dass sich die Kommission auf zum Zeitpunkt des Erlasses der im Schreiben vom 28. Juli 2000 enthaltenen Entscheidung vorliegende statistische Daten gestutzt habe. \n---|--- \n59 | Drittens stand es der UEFA offen, vor dem Gericht darzutun, dass die Kommission auf der Grundlage dieser Anhaltspunkte zu dem Ergebnis hatte gelangen mussen, dass das Vereinigte Konigreich mit der Bezeichnung samtlicher Spiele der EURO-Endrunde als Ereignis von erheblicher Bedeutung einen offenkundigen Beurteilungsfehler begangen hatte. \n---|--- \n60 | Zu diesem Zweck legte die UEFA dem Gericht die Daten insbesondere uber die Einschaltquoten fur die EURO-Endrunden 1996 und 2000 vor und machte geltend, sie zeigten, dass die „Normalspiele" im Vereinigten Konigreich bei den Fernsehzuschauern, die Fußball nicht regelmaßig verfolgten, keine besondere Resonanz fanden. \n---|--- \n61 | Das Gericht hat diese Daten in den Randnrn. 131 und 132 des angefochtenen Urteils gepruft, sich deren Beurteilung durch die UEFA jedoch nicht angeschlossen. \n---|--- \n62 | In Randnr. 139 des angefochtenen Urteils ist es unter Berucksichtigung auch weiterer, von der UEFA fur die Zeit nach dem Jahr 2000 vorgelegter Daten (Randnrn. 128 bis 130, 135 und 136 jenes Urteils) zu dem Ergebnis gelangt, dass die UEFA weder dargetan habe, dass die Feststellungen in den Erwagungsgrunden 6 und 18 des streitigen Beschlusses (vgl. oben, Randnr. 53) fehlerhaft seien, noch, dass die Kommission demnach hatte befinden mussen, dass das Vereinigte Konigreich mit der Bezeichnung samtlicher Spiele der EURO-Endrunde als Ereignis von erheblicher Bedeutung einen offenkundigen Beurteilungsfehler begangen habe. \n---|--- \n63 | Nach alledem erweist sich der Rechtsfehler des Gerichts nicht als geeignet, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils zu fuhren, denn die Urteilsformel stellt sich aus anderen Rechtsgrunden als richtig dar. Folglich ist der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als ins Leere gehend zuruckzuweisen. \n---|--- \n64 | Mit dem zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes rugt die UEFA, das Gericht habe im Rahmen seiner vorstehend in den Randnrn. 61 und 62 angesprochenen Wurdigung mehrere seiner Schlussfolgerungen auf Gesichtspunkte gestutzt, die die Kommission selbst nicht berucksichtigt habe. \n---|--- \n65 | Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht im Rahmen der Rechtmaßigkeitskontrolle im Sinne des Art. 263 AEUV die vom Urheber der angefochtenen Handlung gegebene Begrundung nicht durch seine eigene ersetzen und eine Lucke in der Begrundung dieser Handlung nicht durch seine eigene Begrundung fullen darf, so dass seine Prufung an keine in der besagten Handlung zu findende Beurteilung anknupfen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission, C-73/11 P, Randnrn. 87 bis 90 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n66 | Im vorliegenden Fall knupft jedoch die Prufung, die das Gericht in den Randnrn. 126 bis 139 des angefochtenen Urteils vorgenommen hat, an die Beurteilungen in den Erwagungsgrunden 6 und 18 des streitigen Beschlusses an und bestatigt nur die dort getroffenen Feststellungen. \n---|--- \n67 | Mit dem dritten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht die UEFA geltend, das Gericht habe die oben in den Randnrn. 61 und 62 angesprochene Analyse auf der Grundlage von Gesichtspunkten vorgenommen, die es offenkundig falsch beurteilt habe. \n---|--- \n68 | Dieser Teil zielt in Wirklichkeit darauf ab, dass der Gerichtshof die Tatsachenwurdigung des Gerichts durch seine eigene ersetzt, ohne dass von der UEFA eine Verfalschung der Tatsachen und der dem Gericht vorgelegten Beweise geltend gemacht wird. Nach standiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist dieser Teil somit als unzulassig zuruckzuweisen (vgl. Urteile vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, [C-397/03 P, Slg. 2006, I-4429](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62003C?0397&locale=DE), Randnr. 85, und ThyssenKrupp Nirosta/Kommission, Randnr. 180). \n---|--- \n69 | Nach alledem ist der zweite Rechtsmittelgrund insgesamt zuruckzuweisen. \n---|--- \n \nZum dritten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler des Gerichts bei der Anwendung der\nVertragsbestimmungen uber offentliche Unternehmen und Unternehmen, denen die\nMitgliedstaaten besondere oder ausschließliche Rechte gewahren\n\nVorbringen der Parteien\n\n70 | Mit dem ersten Teil ihres dritten Rechtsmittelgrundes bringt die UEFA vor, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es stillschweigend die Vorfrage ubergangen habe, ob im vorliegenden Fall Art. 86 Abs. 1 EG einschlagig sei. Die Frage werde insbesondere auch durch den Befund des Gerichts, dass die vom Vereinigten Konigreich erlassenen Maßnahmen nicht einer Gewahrung besonderer oder ausschließlicher Rechte gleichkamen, nicht geklart, denn die betroffenen Unternehmen, namentlich die BBC und Channel 4, seien offentliche Unternehmen im Sinne dieser Bestimmung. \n---|--- \n71 | Mit dem zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes rugt die UEFA, die Analyse des Gerichts lasse eine falsche Auslegung des Begriffs der besonderen Rechte in Art. 86 Abs. 1 EG erkennen, aufgrund deren es zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die vom Vereinigten Konigreich erlassenen Maßnahmen nicht der Gewahrung besonderer Rechte fur die Rundfunkanstalten, die frei zugangliche Fernsehsender betrieben, gleichkamen. Das Gericht habe insbesondere die Frage, ob solchen Rundfunkanstalten durch die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats besondere Rechte gewahrt wurden, formalistisch und theoretisch beurteilt. Es habe die wirtschaftliche Realitat außer Acht gelassen, denn diese Rechtsvorschriften ermoglichten den Rundfunkanstalten, die frei zugangliche Fernsehsender betrieben, in der Praxis den Erwerb der ausschließlichen Rechte zur Ausstrahlung der Spiele der EURO-Endrunde im Vereinigten Konigreich, wahrend die Rundfunkanstalten, die Bezahlfernsehsender betrieben, solche Übertragungsrechte in der Praxis nicht erwerben konnten. \n---|--- \n72 | Mit dem dritten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht die UEFA geltend, das Gericht hatte in Bezug auf die Rundfunkanstalten, die frei zugangliche Fernsehsender betrieben, das Bestehen besonderer Rechte feststellen mussen, weil das Vereinigte Konigreich ihnen eindeutig „rechtliche Privilegien" verliehen habe. Wenn namlich ein Wirtschaftsteilnehmer, der einen Bezahlfernsehsender betreibe, von der UEFA das Recht erwerbe, ein Spiel der EURO-Endrunde im Vereinigten Konigreich auszustrahlen, durfe er von diesem Recht keinen Gebrauch machen, sofern er es nicht auch Rundfunkanstalten, die frei zugangliche Fernsehsender betrieben, zu angemessenen Bedingungen angeboten habe. Anderen Wirtschaftsteilnehmern, die Bezahlfernsehsender betrieben, musse er die betreffenden Rechte dagegen keineswegs anbieten. \n---|--- \n73 | Die Kommission halt den dritten Rechtsmittelgrund insoweit fur unzulassig, als die UEFA mehrere Argumente vorbringe, die sie in ihrer Klageschrift beim Gericht nicht angesprochen habe. Außerdem entbehre der Rechtsmittelgrund einer Grundlage; diese Ansicht wird vom Vereinigten Konigreich geteilt. \n---|--- \n \nWurdigung durch den Gerichtshof\n\n74 | Zum ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes ist zum einen festzustellen, dass das Gericht entgegen der Behauptung der UEFA die Vorfrage, ob im vorliegenden Fall Art. 86 Abs. 1 EG anwendbar war, nicht „stillschweigend ubergangen" hat. Es hat diese Frage in den Randnrn. 165 bis 171 des angefochtenen Urteils gepruft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Bestimmung nicht einschlagig sei und damit keine Anwendung finde. \n---|--- \n75 | Zum anderen brachte die UEFA vor dem Gericht keinen Klagegrund vor, der darauf gestutzt gewesen ware, dass Art. 86 Abs. 1 EG anwendbar gewesen sei, weil bestimmte Rundfunkanstalten, die frei zugangliche Fernsehsender betrieben, offentliche Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EG seien. \n---|--- \n76 | Nach standiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist dieses Vorbringen daher als unzulassig zuruckzuweisen (vgl. Urteil vom 19. Juli 2012, Alliance One International und Standard Commercial Tobacco/Kommission und Kommission/Alliance One International u. a., C-628/10 P und C-14/11 P, Randnr. 111 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n77 | Was den zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes betrifft, steht fest, dass die Sections 98 und 101 des Broadcasting Act 1996 in seiner durch die Television Broadcasting Regulations 2000 geanderten Fassung ihrem Wortlaut nach nicht zwischen den verschiedenen Kategorien von Rundfunkanstalten unterscheiden und vor allem den Rundfunkanstalten, die frei zugangliche Fernsehsender betreiben, keinen Schutz verleihen, der den Anstalten, die Bezahlfernsehsender betreiben, verweigert wurde, denn allen diesen Rundfunkanstalten steht es insbesondere frei, die nicht ausschließlichen Übertragungsrechte an den Ereignissen von erheblicher Bedeutung zu erwerben und sie nicht exklusiv zu ubertragen. \n---|--- \n78 | Zwar ist nicht auszuschließen, dass in der Praxis letztlich nur bestimmte Rundfunkanstalten, die frei zugangliche Fernsehsender betreiben, wie die BBC und ITV nach Genehmigung durch das Office of Communications alle Spiele der EURO-Endrunde im Vereinigten Konigreich ausstrahlen, weil die Rundfunkanstalten, die Bezahlfernsehsender betreiben, nur an einer Exklusivubertragung interessiert sind und deshalb kein Angebot fur den Erwerb der betreffenden Rechte abgeben. \n---|--- \n79 | Wie aber das Gericht in Randnr. 171 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen festgestellt hat, ist diese Wirkung das Ergebnis der Geschaftsstrategie der Rundfunkanstalten, die Bezahlfernsehsender betreiben und sich fur ein Unternehmensmodell mit Schwerpunkt auf der Ausschließlichkeit entschieden haben, so dass ihre Bereitschaft, eine nicht ausschließliche Übertragung der Ereignisse von erheblicher Bedeutung zu akzeptieren, geringer ist als bei den Rundfunkanstalten, die frei zugangliche Fernsehsender betreiben. Diese Wirkung ergibt sich somit hauptsachlich aus der freien unternehmerischen Entscheidung dieser ersten Kategorie von Rundfunkanstalten und kann deshalb nicht den Rechtsvorschriften des Vereinigten Konigreichs zugeschrieben werden. \n---|--- \n80 | Hinsichtlich des dritten Teils dieses Rechtsmittelgrundes ist darauf hinzuweisen, dass die UEFA vor dem Gericht keinen Klagegrund vorbrachte, mit dem geltend gemacht worden ware, dass die Rundfunkanstalten, die frei zugangliche Fernsehsender betreiben, privilegiert wurden, weil die Rundfunkanstalten, die Bezahlfernsehsender betreiben, ihnen die Übertragungsrechte an allen Spielen der EURO-Endrunde anbieten mussten. Nach der oben in Randnr. 76 angefuhrten Rechtsprechung ist das betreffende Vorbringen daher als unzulassig zuruckzuweisen. \n---|--- \n81 | Nach alledem ist der dritte Rechtsmittelgrund als teils unbegrundet und teils unzulassig zuruckzuweisen. \n---|--- \n \nZum vierten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen sonstige wettbewerbsrechtliche\nBestimmungen des Vertrags\n\nVorbringen der Parteien\n\n82 | Die UEFA macht geltend, da Art. 86 Abs. 1 EG im vorliegenden Fall eindeutig anwendbar sei, habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es nicht die Frage gepruft habe, ob die vom Vereinigten Konigreich erlassenen Maßnahmen bewirkten, dass die BBC und ITV in eine Position versetzt wurden, die sie selbst nicht ohne Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht hatten erlangen konnen oder die ihnen Verstoße gegen das Wettbewerbsrecht erleichtert habe. \n---|--- \n83 | Nach Ansicht der Kommission geht der vierte Rechtsmittelgrund ins Leere. \n---|--- \n \nWurdigung durch den Gerichtshof\n\n84 | Die UEFA beanstandet, das Gericht habe mehrere den Wettbewerb betreffende Artikel des Vertrags missachtet, raumt aber ein, dass die Anwendung dieser Artikel im Kontext des vorliegenden Rechtsstreits die Anwendbarkeit von Art. 86 Abs. 1 EG voraussetze. \n---|--- \n85 | In den Randnrn. 165 bis 171 des angefochtenen Urteils hat das Gericht jedoch festgestellt, dass Art. 86 Abs. 1 EG nicht anwendbar sei. Da es der UEFA im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht gelungen ist, diese Feststellung zu erschuttern, geht der vierte Rechtsmittelgrund ins Leere und ist daher zuruckzuweisen. \n---|--- \n \nZum funften Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler des Gerichts bei der Anwendung der\nVertragsbestimmungen uber den freien Dienstleistungsverkehr und die\nVerhaltnismaßigkeit\n\nVorbringen der Parteien\n\n86 | Mit dem ersten Teil ihres funften Rechtsmittelgrundes bringt die UEFA vor, das Gericht habe ihren Klagegrund betreffend den freien Dienstleistungsverkehr verfalscht, denn sie habe vor dem Gericht geltend gemacht, dass zum einen die Maßnahmen des Vereinigten Konigreichs eine Diskriminierung der in anderen Mitgliedstaaten ansassigen Fernsehveranstalter begrundeten und dass zum anderen die Definition des „qualifizierten Fernsehveranstalters" im Sinne der Rechtsvorschriften des Vereinigten Konigreichs zu eng sei, um gemessen an deren Ziel verhaltnismaßig zu sein. Das Gericht hatte sowohl aus dem einen als auch aus dem anderen Grund feststellen mussen, dass diese Maßnahmen unverhaltnismaßig seien. \n---|--- \n87 | Im Rahmen des zweiten Teils ihres funften Rechtsmittelgrundes vertritt die UEFA die Ansicht, dass die Analyse des Gerichts deshalb fehlerhaft sei, weil es - allein ausgehend davon, dass die EURO-Endrunde als ein einziges Ereignis angesehen werden konne und in ihrer Gesamtheit ein Ereignis von erheblicher Bedeutung sei - angenommen habe, dass das Ziel, einen breiten Zugang der Öffentlichkeit zur Fernsehberichterstattung uber dieses Ereignis zu gewahrleisten, durch eine weniger einschneidende Einschrankung als die aus den Maßnahmen des Vereinigten Konigreichs resultierende wie eine Liste mit nur einigen bestimmten Spielen der EURO-Endrunde nicht hinlanglich erreicht werden konne. \n---|--- \n88 | Mit dem dritten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht die UEFA geltend, dass die Kommission, selbst wenn man annehme, dass die EURO-Endrunde als ein einheitliches Ereignis von erheblicher Bedeutung fur die Gesellschaft des Vereinigten Konigreichs angesehen werden konne, die Vereinbarkeit der genannten Maßnahmen mit den Vertragsbestimmungen uber den freien Dienstleistungsverkehr und den Wettbewerb eingehend hatte prufen mussen. \n---|--- \n89 | Nach Ansicht des Vereinigten Konigreichs und der Kommission entbehrt der funfte Rechtsmittelgrund jeder Grundlage. \n---|--- \n \nWurdigung durch den Gerichtshof\n\n90 | Mit dem ersten Teil ihres funften Rechtsmittelgrundes wirft die UEFA dem Gericht in Wirklichkeit einen Verstoß gegen die Begrundungspflicht vor, weil es nicht auf das vor ihm geltend gemachte Vorbringen eingegangen sei, dass die Maßnahmen des Vereinigten Konigreichs diskriminierten und der Begriff des qualifizierten Fernsehveranstalters zu eng definiert sei. \n---|--- \n91 | Dazu geht aus der standigen Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, bei seinen Ausfuhrungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschopfend zu behandeln. Demzufolge kann die Begrundung durch das Gericht implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermoglicht, die Grunde zu erkennen, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrolle ausuben kann. Insbesondere muss das Gericht nicht auf ein Vorbringen einer Partei eingehen, das nicht hinreichend klar und bestimmt ist, soweit es nicht anderweitig besonders ausgefuhrt und von einer spezifischen Argumentation, die es stutzt, begleitet wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission, [C-120/06 P und C-121/06 P, Slg. 2008, I-6513](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62006C?0120&locale=DE), Randnrn. 91 und 96, und vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM, [C-263/09 P, Slg. 2011, I-5853](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62009C?0263&locale=DE), Randnr. 64). \n---|--- \n92 | Hinsichtlich der Behauptung, dass die Rechtsvorschriften des Vereinigten Konigreichs diskriminierend seien, ist daran zu erinnern, dass das Gericht in den Randnrn. 148 und 149 des angefochtenen Urteils zum einen anerkannt hat, dass diese Vorschriften den freien Dienstleistungsverkehr beschrankten, weil es faktisch wahrscheinlicher sei, dass eine „mit hoher Wahrscheinlichkeit im Vereinigten Konigreich ansassig[e]" Rundfunkanstalt, die einen frei zuganglichen Fernsehsender betreibe, samtliche Spiele der EURO-Endrunde praktisch exklusiv ubertrage und nicht ein in einem anderen Mitgliedstaat ansassiger Konkurrent. Zum anderen hat das Gericht klargestellt, dass eine solche Beschrankung gerechtfertigt sein konne, weil sie das Recht auf Informationen schutzen und der Öffentlichkeit breiten Zugang zur Fernsehberichterstattung uber - nationale oder nichtnationale - Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung verschaffen solle. \n---|--- \n93 | Damit hat das Gericht eine ausreichende Begrundung, und sei sie auch implizit, geliefert, die der UEFA die Kenntnis der Grunde, aus denen es ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof die Ausubung seiner Kontrolle ermoglicht. \n---|--- \n94 | Zu dem Argument der engen Definition des Begriffs des qualifizierten Fernsehveranstalters ist festzustellen, dass es in der Klageschrift, die insgesamt 176 Randnummern umfasst, Gegenstand nur einer Randnummer war. Außerdem war es nur auf die Behauptung gestutzt, dass diese Definition deutlich enger sei als die von anderen Mitgliedstaaten getroffene und in der Praxis die Zahl der Fernsehveranstalter, die die erforderlichen Voraussetzungen erfullen konnten, auf nur drei begrenze. Schließlich begnugte sich die UEFA in ihrer Erwiderung darauf, dieses Argument in zwei knappen Satzen auszufuhren. \n---|--- \n95 | Folglich musste das Gericht auf dieses Argument in Anbetracht dessen, dass es in den bei ihm eingereichten Schriftsatzen nicht besonders ausgefuhrt wurde, nicht eingehen. \n---|--- \n96 | Zum zweiten Teil des funften Rechtsmittelgrundes ist von vornherein festzustellen, dass er auf einem falschen Verstandnis von Randnr. 152 des angefochtenen Urteils beruht. Das Gericht hat sich darin namlich nicht auf die Annahme gestutzt, dass das Ziel, einen breiten Zugang der Öffentlichkeit zur Fernsehberichterstattung uber ein einheitliches Ereignis von erheblicher Bedeutung zu gewahrleisten, durch eine weniger einschneidende Einschrankung nicht hinlanglich erreicht werden konne. Das Gericht hat den Klagegrund der UEFA als auf einer falschen Pramisse beruhend zuruckgewiesen, denn er war darauf gestutzt, dass die vom Vereinigten Konigreich erlassenen Maßnahmen unverhaltnismaßig seien, da den „Normalspielen" der EURO-Endrunde keine erhebliche Bedeutung zukomme. Das Gericht hatte aber Grund, so zu entscheiden, wie es dies getan hat, da es in den Randnrn. 123 bis 141 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gelangt war, dass der EURO-Endrunde insgesamt unter Einschluss also der „Normalspiele" eine erhebliche Bedeutung fur die Gesellschaft des Vereinigten Konigreichs beigemessen werden konne. \n---|--- \n97 | Was schließlich den dritten Teil dieses Rechtsmittelgrundes betrifft, ergibt sich aus Randnr. 19 des vorliegenden Urteils, dass der Kommission eine eingeschrankte Prufung zukommt, die auf die Überprufung auf offensichtliche Beurteilungsfehler der Mitgliedstaaten bei der Erstellung der nationalen Listen der Ereignisse von erheblicher Bedeutung beschrankt ist. \n---|--- \n98 | Nach alledem ist der funfte Rechtsmittelgrund insgesamt als unbegrundet zuruckzuweisen. \n---|--- \n \nZum sechsten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler des Gerichts bei der Anwendung\ndes Eigentumsrechts\n\nVorbringen der Parteien\n\n99 | Nach Auffassung der UEFA ist das Gericht rechtsfehlerhaft der Ansicht gewesen, dass zum einen schon der Umstand, dass die EURO-Endrunde als ein einziges Ereignis von erheblicher Bedeutung betrachtet werden konne, genuge, um den Eingriff in die Eigentumsrechte der UEFA in Bezug auf jedes einzelne Spiel dieses Turniers als zwangslaufig verhaltnismaßig anzusehen. Zum anderen habe das Gericht einen grundlegenderen Fehler begangen, indem es das Ausmaß der Beschrankungen der Eigentumsrechte der UEFA nicht untersucht habe, was es daran gehindert habe, in angemessener Weise zu prufen, ob die Nachteile, die durch die vom Vereinigten Konigreich erlassenen Maßnahmen verursacht worden seien, gemessen an den verfolgten Zielen verhaltnismaßig gewesen seien oder nicht. \n---|--- \n100 | Das Vereinigte Konigreich und die Kommission halten diesen Rechtsmittelgrund fur unbegrundet. \n---|--- \n \nWurdigung durch den Gerichtshof\n\n101 | Nach Art. 17 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europaischen Union hat jede Person das Recht, ihr rechtmaßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, daruber zu verfugen und es zu vererben. Die Nutzung des Eigentums kann jedoch gesetzlich geregelt werden, soweit dies fur das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist. \n---|--- \n102 | Insoweit ergibt sich aus den Ausfuhrungen in den Randnrn. 10, 20 und 21 des vorliegenden Urteils zum einen, dass die Beeintrachtigung des Eigentumsrechts der UEFA bereits eine Folge von Art. 3a der Richtlinie 89/552 ist und dass diese Beeintrachtigung grundsatzlich durch das Ziel gerechtfertigt werden kann, das Recht auf Informationen zu schutzen und der Öffentlichkeit breiten Zugang zur Fernsehberichterstattung uber Ereignisse von erheblicher Bedeutung zu verschaffen. Zum anderen musste die Kommission, da die Gesamtheit der Spiele der EURO-Endrunde vom Vereinigten Konigreich regelkonform als ein Ereignis von erheblicher Bedeutung bezeichnet wurde, nur diejenigen Auswirkungen dieser Bezeichnung auf das Eigentumsrecht der UEFA prufen, die uber die Auswirkungen hinausgingen, die an sich mit der Aufnahme der EURO-Endrunde in die Liste der von den zustandigen Stellen bezeichneten Ereignisse verbunden waren. \n---|--- \n103 | Die einzigen Ausfuhrungen der UEFA zu solchen Auswirkungen beziehen sich aber darauf, dass die potenziellen Erwerber bei der Versteigerung der betreffenden Übertragungsrechte, d. h. die BBC und ITV, eine Allianz schlossen und ein gemeinsames Angebot abgaben. Aus der beim Gericht eingereichten Klageschrift ergibt sich jedoch, dass dieses Argument vor dem Gericht nicht vorgebracht wurde. Somit kann die UEFA es in Anbetracht der oben in Randnr. 76 angefuhrten Rechtsprechung im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht geltend machen. \n---|--- \n104 | Unter diesen Umstanden ist der sechste Rechtsmittelgrund zuruckzuweisen. \n---|--- \n \nZum siebten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler in Bezug auf die Begrundung des\nstreitigen Beschlusses\n\nVorbringen der Parteien\n\n105 | Die UEFA macht geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es von der Kommission in keinem der mit den sechs materiellen Rechtsmittelgrunden angesprochenen Punkte das erforderliche Begrundungsniveau verlangt habe. Der streitige Beschluss ware zunachst deshalb fur nichtig zu erklaren gewesen, weil er keine ausreichende Begrundung hinsichtlich der Einstufung der EURO-Endrunde als Ereignis von erheblicher Bedeutung enthalte. Sodann sei die Begrundung dieses Beschlusses auch in Bezug auf die verursachte Beeintrachtigung des freien Dienstleistungsverkehrs, des freien Wettbewerbs und des Eigentumsrechts der UEFA mangelhaft. Schließlich hatte sich das Gericht fur die Feststellung, ob die von der Kommission gegebene Begrundung ausreiche, nicht auf die in den Raum gestellte privilegierte Lage stutzen durfen, in der sich die UEFA aufgrund ihrer Eigenschaft als Rechteinhaberin befinde. \n---|--- \n106 | Nach Ansicht des Vereinigten Konigreichs und der Kommission entbehrt der siebte Rechtsmittelgrund einer Grundlage. \n---|--- \n \nWurdigung durch den Gerichtshof\n\n107 | Nach standiger Rechtsprechung des Gerichtshofs muss die nach Art. 253 EG vorgeschriebene Begrundung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Grunde fur die erlassene Maßnahme entnehmen konnen und das zustandige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begrundungserfordernis ist nach den Umstanden des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angefuhrten Grunde und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erlauterungen haben konnen. In der Begrundung brauchen nicht alle tatsachlich oder rechtlich einschlagigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begrundung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genugt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie samtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, Randnr. 166 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n108 | Im Übrigen ergibt sich aus der Rechtsprechung auch, dass der betreffende Rechtsakt knapp begrundet werden kann, wenn sein Erlass in einem Kontext erfolgt, der den Betroffenen gut bekannt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Juni 2012, Polen/Kommission, C-335/09 P, Randnr. 152 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n109 | Zu den Beschlussen nach Art. 3a Abs. 2 der Richtlinie 89/552 ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Kommission mit ihrem Erlass keine eigene Entscheidungsbefugnis ausubt, sondern eine Kontrollbefugnis, die zudem begrenzt und auf die Überprufung auf offensichtliche Beurteilungsfehler der Mitgliedstaaten bei der Bezeichnung der Ereignisse von erheblicher Bedeutung beschrankt ist (vgl. oben, Randnrn. 12 und 19). Diese Beschlusse sind also im Licht der mitgeteilten nationalen Maßnahmen zu betrachten. \n---|--- \n110 | Zum anderen ist festzustellen, dass solche Beschlusse außer dem Mitgliedstaat, der sie der Kommission mitteilt, vor allem die Rundfunkanstalten, die in diesem Staat Fernsehsender betreiben, und die Inhaber von Exklusivubertragungsrechten an den fraglichen Ereignissen betreffen. Es kann aber nicht geleugnet werden, dass diese Hauptbetroffenen eingehende Kenntnis von dem Kontext haben, in dem die besagten Beschlusse erlassen werden, weil zu erwarten ist, dass sie zumindest fur die Verhandlungen uber den Preis dieser Rechte alle Faktoren kennen, die den Wert der Rechte spurbar beeinflussen, und insbesondere wissen, von welchem Interesse das fragliche Ereignis fur die Öffentlichkeit des betreffenden Mitgliedstaats ist. \n---|--- \n111 | Unter diesen Umstanden kann ein nach Art. 3a Abs. 2 der Richtlinie 89/552 erlassener Beschluss der Kommission knapp begrundet werden. Insbesondere steht es der Kommission offen, nur knappe Grunde dafur anzugeben, weshalb sie einem Ereignis erhebliche Bedeutung beigemessen hat. Außerdem ergibt sich aus den Ausfuhrungen in den Randnrn. 20 und 21 des vorliegenden Urteils, dass die Begrundung in Bezug auf die Vereinbarkeit der vom Vereinigten Konigreich erlassenen Maßnahmen mit den Vorschriften uber den freien Dienstleistungsverkehr, den freien Wettbewerb und das Eigentumsrecht implizit erfolgen kann. Genauer ist es, wenn die Auswirkungen auf den freien Dienstleistungsverkehr, den freien Wettbewerb und das Eigentumsrecht nicht uber die Auswirkungen hinausgehen, die an sich mit der Aufnahme des betreffenden Ereignisses in die Liste gemaß Art. 3a Abs. 1 der Richtlinie 89/552 verbunden sind, grundsatzlich nicht erforderlich, eine solche Schlussfolgerung spezifisch zu begrunden. \n---|--- \n112 | Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Erwagungsgrunde 5, 6 und 18 des streitigen Beschlusses die Grunde darstellen, aus denen die Kommission der Ansicht war, dass die Gesamtheit der Spiele der EURO-Endrunde als ein Ereignis von erheblicher Bedeutung angesehen werden konne. So ist im sechsten Erwagungsgrund u. a. davon die Rede, dass dieses Ereignis im Vereinigten Konigreich besondere Resonanz finde, da es bei der breiten Öffentlichkeit sehr popular sei und nicht nur bei den ohnehin Sportinteressierten. Dies findet weitere Ausfuhrung im 18. Erwagungsgrund, dem zu entnehmen ist, dass die EURO-Endrunde bis dahin im frei zuganglichen Fernsehen ubertragen worden sei und so eine große Zahl von Zuschauern erreicht habe. \n---|--- \n113 | In Anbetracht des Vorstehenden hat das Gericht rechtsfehlerfrei befunden, dass der streitige Beschluss die notwendigen Informationen enthalte, denen zum einen die UEFA die Grunde entnehmen konne, aus denen die Kommission zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Gesamtheit der Spiele der EURO-Endrunde als ein Ereignis von erheblicher Bedeutung angesehen werden konne, und die es zum anderen dem Gericht erlaubten, die Stichhaltigkeit dieses Ergebnisses zu uberprufen. \n---|--- \n114 | Was die ubrigen Aspekte der Begrundung des streitigen Beschlusses betrifft, deutet in der vorliegenden Sache nichts darauf hin, dass die Auswirkungen auf den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Wettbewerb uber die Auswirkungen hinausgehen, die an sich mit der Aufnahme der EURO-Endrunde in die Liste der Ereignisse von erheblicher Bedeutung verbunden sind. Zu der behaupteten Beeintrachtigung des Eigentumsrechts, die uber das hinausgehen soll, was schon die Aufnahme in die Liste mit sich bringt, ist darauf hinzuweisen, dass die UEFA dieses Argument vor dem Gericht nicht vorbrachte. \n---|--- \n115 | Nach alledem ist der siebte Rechtsmittelgrund als unbegrundet zuruckzuweisen. \n---|--- \n116 | Da keinem der sieben Rechtsmittelgrunde, auf die die UEFA ihr Begehren gestutzt hat, gefolgt werden kann, ist das Rechtsmittel insgesamt als teils unzulassig und teils unbegrundet zuruckzuweisen. \n---|--- \n \nKosten\n\n117 | Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof uber die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegrundet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der gemaß deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die UEFA mit ihren Rechtsmittelgrunden unterlegen ist, sind ihr gemaß dem Antrag der Kommission die Kosten des vorliegenden Verfahrens aufzuerlegen. \n---|--- \n| Aus diesen Grunden hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) fur Recht erkannt\nund entschieden: \n---|--- \n| | 1. | Das Rechtsmittel wird zuruckgewiesen. \n---|--- \n| | 2. | Die Union des associations europeennes de football (UEFA) tragt die Kosten. \n---|--- \n| Unterschriften \n---|--- \n \n* * *\n\n( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.\n\n
317,472
eugh-2013-06-05-t-6511
2
Europäischer Gerichtshof
eugh
Europäische Union
T-65/11
2013-06-05
2019-03-14 16:23:36
2019-03-14 16:23:36
Urteil
ECLI:EU:T:2013:295
URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)\n\n5. Juni 2013 ( *1 )\n\n„Zollunion -- Einfuhr von Lactoglobulinkonzentraten aus Neuseeland --\nNacherhebung von Eingangsabgaben -- Antrag auf Erlass von Einfuhrabgaben --\nArt. 220 Abs. 2 Buchst. b und Art. 236 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92"\n\nIn der Rechtssache T-65/11\n\nRecombined Dairy System A/S mit Sitz in Horsens (Danemark),\nProzessbevollmachtigte: Rechtsanwalte T. Kristjansson und T. Gønge,\n\nKlagerin,\n\ngegen\n\nEuropaische Kommission, vertreten durch A.-M. Caeiros, L. Keppenne und B.-R.\nKillmann als Bevollmachtigte im Beistand von Rechtsanwalt P. Dyrberg,\n\nBeklagte,\n\nwegen Teilnichtigerklarung des Beschlusses K(2010) 7692 endg. der Kommission\nvom 12. November 2010 zur Feststellung, dass die nachtragliche buchmaßige\nErfassung von bestimmten Einfuhrabgaben gerechtfertigt und der Erlass dieser\nAbgaben nicht gerechtfertigt ist (Sache REC 03/08),\n\nerlasst\n\nDAS GERICHT (Zweite Kammer)\n\nunter Mitwirkung des Prasidenten N. J. Forwood sowie der Richter F. Dehousse\n(Berichterstatter) und J. Schwarcz,\n\nKanzler: C. Kristensen, Verwaltungsratin,\n\naufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mundliche Verhandlung vom 6.\nDezember 2012\n\nfolgendes\n\nUrteil\n\nVorgeschichte des Rechtsstreits\n\n1 | Die Klagerin, die Recombined Dairy System A/S, fuhrte Lactoglobulinkonzentrate (im Folgenden: LGK) aus Neuseeland in die Europaische Union ein. Es gibt verschiedene Formen von LGK, die sich durch ihren jeweiligen Gehalt an Molkenproteinen unterscheiden. \n---|--- \n2 | 1993 und 1994 beantragte die Klagerin bei den danischen Zollbehorden verbindliche Zolltarifauskunfte (im Folgenden: VZTA) fur zehn LGK, darunter LGK 312, 392 und 472\\. Die VZTA fur diese drei Waren wurden der Klagerin auf der Grundlage der erhaltenen Auskunfte und ohne Warenprufung erteilt. Den von der Klagerin ubermittelten und in den VZTA wiedergegebenen Angaben zufolge betrug der Anteil an Molkenproteinen, bezogen auf die Trockenmasse, mehr als 80 GHT und setzte sich zu 75 % aus Beta-Lactoglobulin und Immunoglobulin und zu 25 % aus anderen Molkenproteinen zusammen. Die fraglichen LGK wurden in die Tarifposition 3504 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 uber die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif ([ABl. L 256, S. 1](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:1987:256:TOC)) in geanderter Fassung (im Folgenden: KN) eingereiht. Zur Tarifposition 3504 der KN gehoren u. a. „Konzentrate aus Milcheiweiß". Die VZTA fur diese drei Waren galten vom 13. April 1994 bis zum 12. April 2000. \n---|--- \n3 | 1995 beantragte die Klagerin bei den danischen Zollbehorden eine VZTA fur LGK 450. Die Behorden teilten der Klagerin mit, dass eine neue VZTA nicht erforderlich sei, da LGK 450 weitgehend LGK 472 entspreche, fur das bereits eine VZTA erteilt worden sei. Die Klagerin zog ihren Antrag zuruck. Fur LGK 450 erhielt sie daher keine VZTA. \n---|--- \n4 | Fur andere Warenarten, namlich LGK 131 und 8471, beantragte die Klagerin keine VZTA. \n---|--- \n5 | Nach einer Probenanalyse, die einen Gehalt an Molkenproteinen ergab, der unter dem ursprunglich erklarten lag (d. h. einem Gehalt an Molkenproteinen von unter 80 GHT), nahmen die danischen Zollbehorden Analysen aller von der Klagerin eingefuhrten LGK vor. Daraufhin beschlossen sie am 27. November 2000, LGK 131, 312, 392, 450 und 8471 in die Tarifposition 0404 der KN einzureihen und die Einfuhrabgaben fur diese Waren nachtraglich buchmaßig zu erfassen. Zu dieser Tarifposition gehort u. a. „Molke, auch eingedickt". Sie wiesen in dieser Entscheidung auch darauf hin, dass sie die fraglichen Waren in die Tarifposition 3502 der KN eingereiht hatten, wenn der von der Klagerin ursprunglich erklarte Gehalt an Molkenproteinen (d. h. ein Gehalt an Molkenproteinen von uber 80 GHT) zutreffend gewesen ware. Zu dieser Tarifposition gehoren u. a. „Konzentrate aus zwei oder mehr Molkenproteinen, die mehr als 80 GHT Molkenproteine, bezogen auf die Trockenmasse, enthalten". Die Behorden lehnten es somit ab, die betreffenden Waren in die Tarifposition 3504 der KN einzureihen. \n---|--- \n6 | Nachdem sich die Klagerin gegen die zolltarifliche Einreihung und die verwendete Analysemethode gewandt hatte, anderten die danischen Zollbehorden ihre Methode und gelangten schließlich zu dem Ergebnis, dass der von der Klagerin ursprunglich erklarte Proteingehalt der LGK (d. h. ein Gehalt an Molkenproteinen, bezogen auf die Trockenmasse, von mehr als 80 GHT) zutreffend gewesen sei. Sie beschlossen, die vorgenommene zolltarifliche Einreihung zu uberprufen, und anderten ihre Entscheidung ab, indem sie die LGK 131, 312, 392, 450 und 8471 in die Tarifposition 3502 der KN einreihten. Diese geanderte Tarifierung wirkte sich nicht auf ihre Entscheidung aus, die Einfuhrabgaben auf die betreffenden Waren nachtraglich buchmaßig zu erfassen. \n---|--- \n7 | Am 13. Juni 2005 beantragte die Klagerin bei den danischen Zollbehorden den Erlass der Einfuhrabgaben auf der Grundlage zum einen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b in Verbindung mit Art. 236 und zum anderen des Art. 239 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ([ABl. L 302, S. 1](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:1992:302:TOC), im Folgenden: Zollkodex oder ZK). Ihr Antrag bezog sich auf die Einfuhr von LGK im Zeitraum vom 1. September 1997 bis zum 2. August 2000, fur die entweder nie VZTA erteilt worden waren oder die zuvor erteilten VZTA zum Zeitpunkt der Einfuhr ausgelaufen waren. Die danischen Zollbehorden wiesen diesen Antrag mit Entscheidung vom 1. August 2005 ab. \n---|--- \n8 | Am 22. September 2005 focht die Klagerin diese Entscheidung vor dem Landsskatteret (danisches Finanzgericht) an. \n---|--- \n9 | Am 13. September 2007 gab das Landsskatteret den danischen Zollbehorden auf, den Antrag der Klagerin der Kommission der Europaischen Gemeinschaften zur Entscheidung vorzulegen. Es sei nicht auszuschließen, dass die Voraussetzungen von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b oder Art. 239 ZK unter den Umstanden des vorliegenden Falles gegeben seien. \n---|--- \n10 | Am 6. Oktober 2008 ersuchten die danischen Zollbehorden die Kommission darum, nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK zu entscheiden, ob es gerechtfertigt sei, von der nachtraglichen buchmaßigen Erfassung der Einfuhrabgaben abzusehen, und hilfsweise, ob nach Art. 239 ZK der Erlass der Abgaben gerechtfertigt sei. \n---|--- \n11 | In dem Beschluss K(2010) 7692 endg. vom 12. November 2010 zur Feststellung, dass die nachtragliche buchmaßige Erfassung bestimmter Einfuhrabgaben gerechtfertigt und der Erlass dieser Abgaben nicht gerechtfertigt ist (Sache REC 03/08) (im Folgenden: angefochtener Beschluss), vertrat die Kommission erstens die Auffassung, dass es nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK gerechtfertigt sei, von der nachtraglichen buchmaßigen Erfassung der Einfuhrabgaben fur die LGK 450 abzusehen, die vor dem 13. April 2000 eingefuhrt worden seien. Fur die Einfuhren anderer Waren, namlich von LGK 131, 312, 392 und 8471 sowie von ab dem 13. April 2000 eingefuhrtem LGK 450 seien die Einfuhrabgaben nachtraglich buchmaßig zu erfassen. Zweitens sei der Erlass von Einfuhrabgaben gemaß Art. 239 ZK fur die Einfuhren von LGK 312 und 392 sowie die ab dem 13. April 2000 erfolgten Einfuhren von LGK 450 gerechtfertigt. Dagegen sei ein Erlass von Einfuhrabgaben fur die Einfuhren von LGK 131 und 8471 nicht gerechtfertigt. Insoweit hatten keine besonderen Umstande im Sinne von Art. 239 ZK vorgelegen, da die Klagerin fur diese Waren nie eine VZTA beantragt habe. \n---|--- \n \nVerfahren und Antrage der Parteien\n\n12 | Mit Klageschrift, die am 28. Januar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klagerin die vorliegende Klage erhoben. \n---|--- \n13 | Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Zweite Kammer) beschlossen, die mundliche Verhandlung zu eroffnen. \n---|--- \n14 | In der Sitzung vom 6. Dezember 2012 haben die Parteien mundlich verhandelt und mundliche Fragen des Gerichts beantwortet. \n---|--- \n15 | Die Klagerin beantragt, | -- | Art. 1 Abs. 2 und 4 des angefochtenen Beschlusses fur nichtig zu erklaren; \n---|--- \n-- | der Kommission die Kosten aufzuerlegen. \n---|--- \n16 | Die Kommission beantragt, | -- | die Klage abzuweisen; \n---|--- \n-- | der Klagerin die Kosten aufzuerlegen. \n---|--- \n \nRechtliche Wurdigung\n\n17 | Vorab ist darauf hinzuweisen, dass mit der vorliegenden Klage, wie die Klagerin in der mundlichen Verhandlung bestatigt hat, die Nichtigerklarung von Art. 1 Abs. 2 und 4 des angefochtenen Beschlusses begehrt wird, soweit er die Einfuhren von LGK 131 und 8471 betrifft. \n---|--- \n18 | Die Klagerin macht zwei Klagegrunde geltend. Mit dem ersten Klagegrund rugt sie einen Verstoß gegen die Art. 220 Abs. 2 Buchst. b und 236 ZK. Mit dem zweiten Klagegrund, der hilfsweise geltend gemacht wird, rugt sie einen Verstoß gegen Art. 239 ZK. \n---|--- \n19 | Das Gericht halt es fur angebracht, zunachst den ersten Klagegrund zu prufen. \n---|--- \n20 | Die Klagerin tragt im Wesentlichen vor, die Einreihung der fraglichen LGK in die Tarifposition 3504 der KN stelle unabhangig davon, ob fur diese LGK eine VZTA erteilt worden sei oder nicht, einen Irrtum dar, der den danischen Zollbehorden zuzurechnen sei. \n---|--- \n21 | Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klagerin entgegen. Die LGK seien in zolltariflicher Hinsicht im Allgemeinen nicht alle gleich. Außerdem sei fur keine der im vorliegenden Rechtsstreit fraglichen Waren eine VZTA erteilt worden. Die Zahl der Einfuhren von LGK 131 und 8471 sei gering. Schließlich seien keine Unterlagen vorgelegt worden, aus denen sich ergeben hatte, dass die Bezeichnung der Ware in den Zollanmeldungen den Bezeichnungen in der KN entspreche. \n---|--- \n22 | Vorab ist daran zu erinnern, dass die in Art. 220 ZK und Art. 239 ZK vorgesehenen Verfahren das gleiche Ziel verfolgen, namlich die Nachzahlung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben auf Falle zu beschranken, in denen eine solche Zahlung gerechtfertigt und mit einem so wesentlichen Grundsatz wie dem des Vertrauensschutzes vereinbar ist. Die Erstattung oder der Erlass von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben, die nur unter bestimmten Voraussetzungen und in den eigens dafur vorgesehenen Fallen gewahrt werden konnen, stellen eine Ausnahme vom gewohnlichen Einfuhr- und Ausfuhrsystem dar, so dass die Vorschriften, die eine solche Erstattung oder einen solchen Erlass vorsehen, eng auszulegen sind (vgl. Beschluss des Gerichtshofs vom 1. Oktober 2009, Agrar-Invest-Tatschl/Kommission, [C-552/08 P, Slg. 2009, I-9265](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62008C?0552&locale=DE), Randnrn. 52 und 53 sowie die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n23 | Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK konnen die Zollbehorden nur dann von der nachtraglichen buchmaßigen Erfassung der Einfuhrabgaben absehen, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfullt sind. Voraussetzung ist zunachst, dass die Abgaben wegen eines Irrtums der zustandigen Behorden nicht erhoben worden sind, sodann, dass deren Irrtum von einem gutglaubigen Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte, und schließlich, dass dieser alle fur seine Zollanmeldung geltenden Bestimmungen beachtet hat. Sind diese Voraussetzungen erfullt, hat der Abgabenschuldner einen Anspruch darauf, dass von einer Nacherhebung abgesehen wird (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 18. Oktober 2007, Agrover, [C-173/06, Slg. 2007, I-8783](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62006C?0173&locale=DE), Randnr. 30 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n24 | In Bezug auf die erste dieser Voraussetzungen ist daran zu erinnern, dass Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK das berechtigte Vertrauen des Abgabenschuldners in die Richtigkeit aller Gesichtspunkte schutzen soll, die bei der Entscheidung daruber, ob Zolle nacherhoben werden oder nicht, Berucksichtigung finden. Das berechtigte Vertrauen des Abgabenschuldners ist nur dann schutzwurdig im Sinne dieser Vorschrift, wenn es gerade die zustandigen Behorden waren, die die Grundlage fur dieses Vertrauen geschaffen haben. Somit begrunden lediglich solche Irrtumer, die auf ein Handeln der zustandigen Behorden zuruckzufuhren sind, einen Anspruch darauf, dass von der Nacherhebung der Zolle abgesehen wird (vgl. Urteil Agrover, oben in Randnr. 23 angefuhrt, Randnr. 31 und die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n25 | Diese Voraussetzung kann grundsatzlich nicht als erfullt angesehen werden, wenn die zustandigen Behorden durch unrichtige Erklarungen des Ausfuhrers, deren Gultigkeit sie nicht festzustellen oder zu uberprufen haben, irregefuhrt werden. In einem solchen Fall tragt der Abgabenschuldner das Risiko, dass sich ein Handelsdokument bei einer spateren Prufung als falsch erweist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 14. November 2002, Ilumitronica, [C-251/00, Slg. 2002, I-10433](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62000C?0251&locale=DE), Randnrn. 43 und 44 sowie die dort angefuhrte Rechtsprechung). Dagegen ist nach der Rechtsprechung von einem Irrtum der zustandigen Behorden auszugehen, wenn sie keinerlei Einwande gegen die von dem betroffenen Unternehmen in seinen Zollanmeldungen vorgenommene Tarifierung der Ware erhoben haben und diese Anmeldungen alle fur die Anwendung der einschlagigen Regelung erheblichen Tatsachen enthielten, so dass eine etwaige nachtragliche Überprufung durch die zustandigen Behorden keine neue Tatsache ergeben kann. Das ist namentlich dann der Fall, wenn samtliche Zollanmeldungen des betroffenen Unternehmens insofern vollstandig waren, als sie insbesondere die Bezeichnung der Waren gemaß den im Tarifschema neben der angemeldeten Tarifposition abgedruckten Spezifizierungen enthielten, und wenn die in Rede stehenden Einfuhren relativ zahlreich waren und wahrend eines verhaltnismaßig langen Zeitraums stattgefunden haben, ohne dass die angegebene Tarifposition beanstandet worden ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 1. April 1993, Hewlett Packard France, [C-250/91, Slg. 1993, I-1819](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61991C?0250&locale=DE), Randnrn. 19 und 20 sowie die dort angefuhrte Rechtsprechung). \n---|--- \n26 | Im vorliegenden Fall hat die Kommission im angefochtenen Beschluss zu den Einfuhren von LGK 131 und 8471 ausgefuhrt, dass die danischen Zollbehorden keinem Irrtum erlegen seien, da der Klagerin fur diese Waren keine VZTA erteilt worden sei (31. Erwagungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Im Übrigen hat die Kommission festgestellt, dass die Klagerin bei den Zollanmeldungen gutglaubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen eingehalten habe (39. Erwagungsgrund des angefochtenen Beschlusses). \n---|--- \n27 | Erstens ist das Vorbringen der Kommission im angefochtenen Beschluss und vor dem Gericht, dass aufgrund der fehlenden Erteilung von VZTA kein Irrtum der Zollbehorden festgestellt werden konne, von vornherein zuruckzuweisen. Denn der Umstand, dass die Klagerin keine VZTA fur die betreffenden Waren beantragt hat, bedeutet gleichwohl nicht, dass den Zollbehorden kein Irrtum unterlaufen ware. Jede andere Auslegung wurde Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK aushohlen. In der Rechtsprechung ist im Übrigen anerkannt, dass den Zollbehorden auch dann ein Irrtum unterlaufen sein kann, wenn die Klagerin keine VZTA besaß oder beantragt hatte (Urteil des Gerichtshofs vom 22. Oktober 1987, Foto-Frost, [314/85, Slg. 1987, 4199](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=61985??0314&locale=DE)). \n---|--- \n28 | Zweitens ist festzustellen, dass den danischen Zollbehorden, wie sich aus dem angefochtenen Beschluss ergibt, bei der Erteilung der VZTA ein Irrtum bezuglich der zolltariflichen Einreihung unterlaufen ist (Erwagungsgrunde 24 und 33 des angefochtenen Beschlusses). \n---|--- \n29 | Drittens hat die Kommission im 45. Erwagungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgefuhrt, dass die danischen Zollbehorden seit November 1999, d. h. vor dem Ende des streitigen Zeitraums der Einfuhr von LGK 131 und 8471, der vom 1. September 1997 bis zum 2. August 2000 reicht, wussten, dass die Tarifposition der Waren, fur die eine VZTA erteilt worden war, falsch war, diese VZTA jedoch nicht zuruckzogen. Aus dem angefochtenen Beschluss ergibt sich weiter, dass die von den danischen Zollbehorden durchgefuhrten Analysen nicht nur Waren betrafen, fur die eine VZTA erteilt worden war, sondern auch LGK 131, fur das keine VZTA erteilt worden war (Erwagungsgrunde 9 und 10 des angefochtenen Beschlusses). Folglich wussten die danischen Zollbehorden seit November 1999, dass die Tarifposition einer der beiden vom vorliegenden Rechtsstreit betroffenen Waren unzutreffend war. Sie warteten dennoch bis zum 27. November 2000, bevor sie ein Nacherhebungsverfahren einleiteten (13. Erwagungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Sie widerriefen auch nicht - obwohl sie dies hatten tun konnen - die noch bis zum 12. April 2000 gultigen VZTA. Zwischen November 1999 und November 2000 fuhrte die Klagerin unter der Tarifposition 3504 der KN ungefahr 240 t LGK 131 in 13 Einfuhrvorgangen und 40 t LGK 8471 in zwei Einfuhrvorgangen ein, obwohl die danischen Zollbehorden wussten, dass die zolltarifliche Einreihung der LGK im weiteren Sinne, insbesondere von LGK 131, unzutreffend war. Schließlich ist speziell zu LGK 131 festzustellen, dass - anders als die Kommission in ihren Schriftsatzen ausfuhrt - die Einfuhren dieser Ware durch die Klagerin im streitigen Einfuhrzeitraum durchaus erheblich waren, da es um mehrere Hundert Tonnen und 45 Einfuhrvorgange ging. Hinzu kommt, dass die Parteien, wie dies in der mundlichen Verhandlung bestatigt wurde, daruber einig sind, dass die betreffenden Waren, da sie aus Molkenproteinen bestehen, nicht in die Tarifposition 3504 der KN eingereiht werden konnten, wie dies die Zollbehorden in den VZTA jedoch taten. Die danischen Zollbehorden haben dies im Übrigen eingeraumt, da sie in ihrer Entscheidung vom 27. November 2000 uber die nachtragliche buchmaßige Erfassung der Einfuhrabgaben ausfuhrten, dass „die Einreihung in den Warencode 3504 ausgeschlossen [sei], da es sich nicht um Milcheiweiße [handele], sondern um Molkenproteine". Daraus ergibt sich, dass die Zollbehorden anhand der Beschreibung der fraglichen Waren in den Zollanmeldungen, in der spezifisch ein Molkenprotein, namlich Lactoglobulin, genannt wurde, in der Lage hatten sein mussen, den Irrtum bei der zolltariflichen Einreihung zu bemerken. \n---|--- \n30 | Viertens ist darauf hinzuweisen, dass weder die danischen Zollbehorden noch die Kommission im angefochtenen Beschluss Zweifel daran geaußert haben, dass samtliche von der Klagerin vorgelegten Zollanmeldungen vollstandig waren. Im Einzelnen hat die Kommission im angefochtenen Beschluss ausgefuhrt, dass „[a]us dem Antrag … [hervorgeht], dass davon auszugehen ist, dass der Beteiligte bei den Zollanmeldungen gutglaubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen eingehalten hat" (39. Erwagungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Das Vorbringen der Kommission in ihren Schriftsatzen, dass „die Bezeichnung der Waren in der Anmeldung nicht vollstandig war", findet daher keine Stutze im angefochtenen Beschluss. Die Kommission war im Übrigen in der mundlichen Verhandlung nicht in der Lage, eine Rechtsgrundlage anzugeben, die die Annahme zuließe, dass die Zollanmeldungen der Klagerin nicht vollstandig gewesen seien. Ferner ist zum Vorbringen der Kommission, die Klagerin habe keine technischen Unterlagen zu LGK 131 und 8471 vorgelegt, die die Ermittlung ihrer zolltariflichen Einreihung ermoglicht hatten, festzustellen, dass LGK 131 zu den Waren gehorte, die von den Zollbehorden 1999 technisch analysiert wurden (neunter Erwagungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Weiter steht fest, dass von den danischen Zollbehorden LGK 131 und 8471 nach einer Kontrolle in die gleiche Tarifposition wie die anderen LGK, einschließlich der LGK, fur die eine VZTA erteilt worden war, eingereiht wurden. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Parteien daruber einig sind, dass die betreffenden Waren nicht in die Tarifposition 3504 der KN eingereiht werden konnten, da sie aus Molkenproteinen bestanden. Daher ist davon auszugehen, dass die Bezeichnung der Waren in den Zollanmeldungen der Klagerin, namlich „Lactoglobulin", d. h. ein Molkenprotein, so genau war, dass die Zollbehorden zumindest feststellen konnten, dass die fraglichen Waren nicht in diese Tarifposition einzureihen waren. \n---|--- \n31 | Funftens teilten die danischen Zollbehorden der Klagerin in einem Telefongesprach vom 2. November 1995 mit, dass es nicht erforderlich sei, eine VZTA fur eine Ware - LGK 450 - einzuholen, die nach dem von der Klagerin gestellten Antrag „weitgehend identisch" mit einer Ware - LGK 472 - sei, fur die bereits eine VZTA erteilt worden sei. Dieses Telefongesprach wurde, wie die Kommission im 35. Erwagungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgefuhrt hat, in einem Schreiben der Klagerin an die danischen Zollbehorden vom 3. November 1995 bestatigt, ohne dass der Inhalt dieses Schreibens spater in Frage gestellt worden ware. Die Zollbehorden selbst erwahnen bei der Wiedergabe der von der Klagerin vorgebrachten Argumente in ihrem Ersuchen an die Kommission, dass ein Telefongesprach dieses Inhalts stattgefunden hat. Diese Sachlage hat die Kommission im Übrigen dazu veranlasst, im selben Erwagungsgrund des angefochtenen Beschlusses festzustellen, dass den danischen Zollbehorden bei den Einfuhren von LGK 450 vor dem 13. April 2000 ein Irrtum unterlaufen sei. \n---|--- \n32 | Zu den im vorliegenden Rechtsstreit fraglichen Waren hat die Kommission im 24. Erwagungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgefuhrt, dass laut dem Antrag der danischen Zollbehorden das Absehen von der buchmaßigen Erfassung und der Erlass der Einfuhrabgaben gerechtfertigt seien, da „die Erzeugnisse, fur die keine VZTA erteilt wurde, … im Hinblick auf die zolltarifliche Einreihung identisch mit denen [seien], fur die eine VZTA erteilt wurde". Diese Tatsachenfeststellung wurde von der Kommission im angefochtenen Beschluss nicht in Frage gestellt. \n---|--- \n33 | Daruber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass samtliche fraglichen LGK unabhangig von der Tarifposition, die die danischen Zollbehorden in ihren Nacherhebungsbescheiden gewahlt hatten, stets in dieselbe Tarifposition eingereiht wurden. Daraus ergibt sich, dass die LGK 131 und 8471 fur die danischen Zollbehorden Waren darstellten, die mit den anderen eingefuhrten LGK, auch denen, fur die eine VZTA erteilt worden war, in zolltariflicher Hinsicht identisch waren. Diese Beurteilung wird auch durch den an die Kommission gerichteten Antrag der danischen Zollbehorden bestatigt, in dem es heißt, dass „alle Proben einen Anteil an Proteinen von mindestens 80 GHT, bezogen auf die Trockenmasse, aufwiesen" und dass die fraglichen Waren „aus Konzentraten verschiedener Molkenproteine mit uber 80 GHT an Molkenproteinen" bestanden. Diese Tatsachenfeststellung wird auch vom Landsskatteret in seiner Entscheidung vom 13. September 2007 wiedergegeben. Unter Berucksichtigung der Erlauterungen der Parteien in ihren Schriftsatzen wird bei der zolltariflichen Einreihung der fraglichen Waren jedoch nur zwischen Waren, die einen Gehalt an Molkenproteinen von uber 80 GHT aufweisen, und solchen, die einen Gehalt an Molkenproteinen von unter 80 GHT aufweisen, unterschieden. Daraus folgt, dass die fraglichen Waren nach den Erlauterungen der danischen Zollbehorden im Hinblick auf die zolltarifliche Einreihung tatsachlich identisch waren, was die Kommission in der mundlichen Verhandlung eingeraumt hat. Insbesondere war die Kommission in der mundlichen Verhandlung nicht in der Lage, maßgebliche Unterschiede zwischen den fraglichen LGK anzufuhren, die die Annahme zuließen, dass es sich bei diesen LGK nicht um eine einzige Art von Waren im Sinne des Zollrechts handelt (Urteil des Gerichtshofs vom 2. Dezember 2010, Schenker, [C-199/09, Slg. 2009, I-12311](http://eur-lex.europa.eu/query.html?DN=62009C?0199&locale=DE), Randnr. 24). Die Kommission hat außerdem die Feststellung der danischen Zollbehorden zur Identitat der fraglichen Waren in zolltariflicher Hinsicht nie in Frage gestellt oder zusatzliche Auskunfte angefordert. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art. 871 Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchfuhrungsvorschriften zum Zollkodex ([ABl. L 253, S. 1](https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:1993:253:TOC)), wenn sich herausstellt, dass die von dem Mitgliedstaat mitgeteilten Angaben nicht ausreichen, um in voller Kenntnis der Sachlage uber den unterbreiteten Entwurf zu entscheiden, von diesem Mitgliedstaat oder jedem anderen Mitgliedstaat zusatzliche Angaben anfordern kann. Demnach durfte die Klagerin im vorliegenden Fall davon ausgehen, dass die LGK 131 und 8471, auch wenn fur sie keine VZTA erteilt worden war, in die gleiche Tarifposition einzureihen waren wie die Waren, fur die eine VZTA erteilt worden war. \n---|--- \n34 | Nach alledem ist festzustellen, dass den danischen Zollbehorden bei der zolltariflichen Einreihung der LGK 131 und 8471 ein Irrtum im Sinne von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK unterlaufen ist. Der angefochtene Beschluss ist daher rechtswidrig, soweit er darauf beruht, dass kein solcher Irrtum vorliegt. \n---|--- \n35 | Folglich ist, ohne dass der von der Klagerin hilfsweise geltend gemachte zweite Klagegrund zu prufen ware, dem ersten Klagegrund stattzugeben und Art. 1 Abs. 2 und 4 des angefochtenen Beschlusses fur nichtig zu erklaren, soweit er die Einfuhren von LGK 131 und 8471 betrifft. \n---|--- \n \nKosten\n\n36 | Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemaß dem Antrag der Klagerin die Kosten aufzuerlegen. \n---|--- \n| Aus diesen Grunden hat DAS GERICHT (Zweite Kammer) fur Recht erkannt und\nentschieden: \n---|--- \n| | 1. | Art. 1 Abs. 2 und 4 des Beschlusses K(2010) 7692 endg. der Kommission vom 12. November 2010 zur Feststellung, dass die nachtragliche buchmaßige Erfassung bestimmter Einfuhrabgaben gerechtfertigt und der Erlass dieser Abgaben nicht gerechtfertigt ist (Sache REC 03/08), ist nichtig, soweit er die Einfuhren der Lactoglobulinkonzentrate 131 und 8471 betrifft. \n---|--- \n| | 2. | Die Europaische Kommission tragt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Recombined Dairy System A/S. \n---|--- \n| Forwood Dehousse Schwarcz Verkundet in offentlicher Sitzung in Luxemburg am\n5. Juni 2013. Unterschriften \n---|--- \n \n* * *\n\n( *1 ) Verfahrenssprache: Danisch.\n\n
317,619
fg-hamburg-2018-12-18-2-k-217
377
Finanzgericht Hamburg
fg-hamburg
Hamburg
Hamburg
Finanzgerichtsbarkeit
2 K 2/17
2018-12-18
2019-03-16 11:00:30
2019-03-27 09:41:17
Urteil
#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten daruber, ob der Ort der Geschaftsleitung der Klagerin\nvon Hamburg nach A verlegt worden ist, sodass der Beklagte nicht mehr fur die\nVeranlagung der Klagerin zustandig und der Gewerbesteuermessbetrag fur 2015,\ndas Streitjahr, vollstandig der Gemeinde A zuzuordnen ist.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie Klagerin ist eine GmbH & Co. KG (zunachst HRA -1 des Amtsgerichts Hamburg,\nnunmehr HRA -2 des Amtsgerichts B), an der als Komplementarin ohne Beteiligung\nam Vermogen die C Verwaltungs GmbH (zunachst HRB -1 des Amtsgerichts Hamburg,\nnunmehr HRB -2 des Amtsgerichts B) und als alleinige Kommanditistin die D GmbH\n& Co. KG (HRA -3 des Amtsgerichts Hamburg) beteiligt sind. Die Gesellschaft\nwurde mit Vertrag vom ... 2011 errichtet. Ursprunglich befanden sich der\nstatuarische Sitz wie auch der Ort der Geschaftsleitung in Hamburg.\n\n \n\n3\n\n \n\nDie Klagerin verfugt uber keine eigenen Arbeitnehmer. Jeweils\neinzelvertretungsberechtigte Geschaftsfuhrerinnen der Komplementarin sind E\nsowie F. Beide Geschaftsfuhrerinnen wohnen in Hamburg.\n\n \n\n4\n\n \n\nGesellschaftszweck der Klagerin ist gemaß § 2 Abs. 1 ihres\nGesellschaftsvertrages der Erwerb und die Verwaltung von Photovoltaikanlagen\n(PVA) in A als Bestandteil des Solarparks XX. Die Anlage ging ... 2011 ans\nNetz.\n\n \n\n5\n\n \n\nDie Finanzierung und der Betrieb der PVA sind uber diverse langfristige\nVertrage geregelt. So hat die Klagerin im Jahr 2011 mit der Firma G einen\nVertrag uber die technische Betriebsfuhrung mit einer Laufzeit von 20 Jahren\nabgeschlossen. Daneben hat die Klagerin mit konzernzugehorigen Gesellschaften\n- H GmbH & Co KG (HRA -4 des Amtsgerichts Hamburg), J GmbH (HRB -3 des\nAmtsgerichts Hamburg) - langfristige Vertrage uber die Anmietung der\nFreiflache fur die PVA sowie die kaufmannische Betriebsfuhrung abgeschlossen.\nGeschaftsfuhrerinnen der J, die ihren Sitz immer noch in Hamburg hat, sind\nebenfalls E und F. Daneben ist die Klagerin als Kommanditistin an der K GmbH &\nCo KG beteiligt. Die K verfugt uber Einrichtungen und Nutzungsrechte an den\nInfrastrukturanlagen des Solarparks XX. Im Gesellschaftsvertrag der K wird der\nKlagerin zeitlich unbegrenzt das Recht zugesprochen, die Einrichtungen und\nNutzungsrechte der K fur den Betrieb der PVA zu nutzen. Die Finanzierung der\nPVA ist uber Kredite bei der Bank-1 und der Bank-2 gesichert.\n\n \n\n6\n\n \n\nIm Jahre 2012 wurde der statuarische Sitz der Klagerin sowie der ihrer\nKomplementarin von Hamburg nach A verlegt. Die Klagerin hat seit dem 15.\nAugust 2012 einen Buroraum von der L GmbH in A angemietet. Der Buroraum hat\nlaut Mietvertrag eine Flache von 28,58 qm. Das Buro ist mit von der L\ngeliehenem Mobiliar - einem Schreibtisch, einem Drehrollstuhl sowie einem\nAktenschrank - ausgestattet.\n\n \n\n7\n\n \n\nIm Februar 2013 teilte die Komplementarin der Klagerin mit, dass sie, die M\n1-5 GmbH & Co. KG sowie die N 1-5 GmbH & Co. KG, ihren Sitz nach A verlegt\nhatten. Das durch den Beklagten zur Übernahme der Steuerakten aufgeforderte\nFinanzamt A lehnte in der Folgezeit wiederholt die Übernahme die Besteuerung\nder Gesellschaften ab und stutzte sich dabei auf Umsatzsteuernachschauen, die\nam 8. Oktober 2013, im September 2014 sowie am 20. April 2015 stattgefunden\nhaben.\n\n \n\n8\n\n \n\nDer Beklagte forderte mit Schreiben vom 15. April 2016 die Kommanditistin der\nKlagerin, die D GmbH & Co. KG, zur Einreichung der Steuererklarungen fur das\nJahre 2015 zum 1. August 2016 auf.\n\n \n\n9\n\n \n\nDie Klagerin reichte daraufhin u.a. auch Steuererklarungen fur sich, die\nKlagerin, als Tochtergesellschaft der D GmbH & Co. KG ein. Sie gab am 17. Juni\n2016 beim Beklagten auch eine Erklarung fur die Zerlegung des\nGewerbesteuermessbetrages 2015 ab, in der die Gemeinde Hamburg als Gemeinde\nder Geschaftsleitung im Erhebungszeitraum und die Gemeinde A als weitere\nhebeberechtigte Gemeinde angegeben waren. In der Erklarung wurde ein\nZerlegungsmaßstab angegeben, nach dem der Gewerbesteuermessbetrag\nausschließlich der Gemeinde A zugewiesen werden sollte.\n\n \n\n10\n\n \n\nDer Beklagte erließ am 25. Juli 2016 einen Bescheid fur 2015 uber die\nZerlegung des Gewerbesteuermessbetrages, in dem unter Bezugnahme auf § 29 Abs.\n1 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der Gewerbesteuermessbetrag alleine\nder Gemeinde Hamburg als Ort der Geschaftsleitungsbetriebsstatte zugeordnet\nwurde.\n\n \n\n11\n\n \n\nDie Klagerin legte am 19. August 2016 Einspruch gegen die Wahl des\nZerlegungsmaßstabes gemaß § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG ein. Bei ihr, der Klagerin,\nliege ein Fall einer offenbaren Unbilligkeit im Sinne von § 33 Abs. 1 GewStG\nvor. Die Zerlegung musse daher nach einem Maßstab erfolgen, der die\ntatsachlichen Verhaltnisse besser als der Regelmaßstab des § 29 GewStG\nberucksichtige. Sowohl das Finanzgericht (FG) Niedersachsen (Urteil vom 9.\nJuni 1981 V 12/79, EFG 1981, 639) als auch die Finanzverwaltung (R 33.1 Abs. 1\nSatz 11 GewStR) sahen fur den Fall der gewerblichen Vermietung von\nFerienwohnungen die Betriebseinnahmen als sachgerechten Maßstab an. Dieser\nVorgabe sei in der Zerlegungserklarung gefolgt worden. Die Betriebseinnahmen\nseien im Erhebungszeitraum 2015 vollstandig auf die Betriebsstatte A\nentfallen. Folglich sei der Gewerbesteuermessbetrag im Erhebungszeitraum 2015\nallein der Gemeinde A zuzuweisen.\n\n \n\n12\n\n \n\nDie Geschaftsfuhrungsaufgaben der Komplementarin wurden sich auf geringfugige\nTatigkeiten beschranken, die letztlich nahezu ausschließlich die\nUnterzeichnung des Jahresabschlusses und der Steuererklarung umfassten. Denn\nsowohl die technische als auch die kaufmannische Betriebsfuhrung (inklusive\nBuchfuhrung) seien an andere Unternehmen uber langfristige Vertrage\nausgelagert worden. Auch die Umsatzerlose (Einspeiseerlose) wurden durch das\nErneuerbare-Energien-Gesetz langfristig garantiert werden. Ihre Finanzierung\nsei ebenfalls uber langfristige Darlehen sichergestellt. Schließlich werde\nauch der Grund und Boden, auf dem die PVA errichtet worden sei, langfristig\ngepachtet.\n\n \n\n13\n\n \n\nDa sie, die Klagerin, weder in der Gemeinde A noch in Hamburg Arbeitnehmer\nbeschaftige, fielen somit auch keine originaren Arbeitslohne im Sinne von § 31\nAbs. 1 GewStG an. Entsprechend bestunden fur Zwecke der Festlegung des\nZerlegungsmaßstabs - nach teleologischer Auslegung des §§ 33 Abs. 1 GewStG -\nuberhaupt keine Arbeitslohne. Fur diesen Fall sei nach der Rechtsprechung des\nBundesfinanzhofes (BFH) regelmaßig der Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1\nGewStG eroffnet, also eine Zerlegung nach einem Maßstab, der die tatsachlichen\nVerhaltnisse besser berucksichtige als die Arbeitslohne. Es musse also ein\nalternativer Zerlegungsmaßstab gefunden werden, der z.B. durch die von den\nBetriebsstatten generierten Umsatzerlose/Betriebseinnahmen in sachgerechter\nForm abgebildet werde.\n\n \n\n14\n\n \n\nÜberdies sei zu beachten, dass bei Betreibern von Solarparks in der Rechtsform\neiner Kapitalgesellschaft ein fiktiver Unternehmerlohn im Rahmen der\nErmittlung von Arbeitslohnen keine Anwendung finde. Wurde der Rechtsauffassung\ndes Beklagten gefolgt, kame es zu einer nicht selten signifikanten\nsteuerlichen Ungleichbehandlung zwischen Personenunternehmen und\nKapitalgesellschaften, die sich mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des\nGrundgesetzes (GG) nur schwerlich vereinbaren lasse.\n\n \n\n15\n\n \n\nSchließlich sei auch festzuhalten, dass die OFD Magdeburg in ihrer Verfugung\nvom 25. September 2014 (G 1450-29-St 216, DStR 2014, 2295) zu dem Schluss\nkomme, dass in Fallen, in denen keine Arbeitslohne gezahlt wurden, kein\nZerlegungsmaßstab unter Anwendung von Arbeitslohnen zur Anwendung gelangen\nkonne. Vielmehr sei eine Zerlegung z.B. nach dem Verhaltnis der Umsatze bzw.\nder Betriebseinnahmen vorzunehmen. Auch eine Zerlegung nach z.B.\nStromeinnahmen, der Abgabemenge Strom etc. sei moglich. Zuletzt fuhre die OFD\nMagdeburg noch aus, dass der Steuerpflichtige im Rahmen des § 33 Abs. 1 GewStG\ndie Art des Zerlegungsmaßstabes selbst zu bestimmen habe, da er die\nBegebenheiten vor Ort und die Art des Unternehmens besser beurteilen konne.\n\n \n\n16\n\n \n\nDer Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 30. November 2016 zuruck.\n\n \n\n17\n\n \n\nGrundsatzlich erfolge eine Zerlegung der Gewerbesteuer gemaß § 29 Abs. 1 Nr. 1\nGewStG. Zerlegungsmaßstab sei das Verhaltnis der Arbeitslohne. Bei der\nKlagerin seien jedoch keine Arbeitnehmer beschaftigt, sodass auch keine\nArbeitslohne gezahlt wurden. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG komme fur Betriebe,\ndie ausschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom und solarer\nStrahlungsenergie betrieben, ein anderer Zerlegungsmaßstab zum Tragen. Dieses\ngelte jedoch nur fur Neuanlagen, die nach dem 30. Juni 2013 genehmigt worden\nseien. Im vorliegenden Fall sei die Genehmigung vorher erteilt worden, sodass\nes sich nicht um eine Neuanlage handele. Damit bleibe es bei dem\nAufteilungsmaßstab gemaß § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG. Gemaß § 31 Abs. 5 GewStG\nsei bei Unternehmen, die nicht von einer juristischen Person betrieben wurden,\n25.000 € als Unternehmerlohn anzusetzen. Dieses sei hier der Fall. Da Hamburg\nOrt der Geschaftsleitung sei und die Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG\nerfolge, erhalte somit Hamburg die volle Gewerbesteuer.\n\n \n\n18\n\n \n\nDer gewahlte Zerlegungsmaßstab fuhre auch nicht zu einem offenbar unbilligen\nErgebnis. Die Verfugung der OFD Magdeburg habe fur Hamburg keine\nBindungswirkung, zudem wurden andere Bundeslander in diesem Punkt eine andere\nAuffassung vertreten. Außerdem werde in der Gesetzesbegrundung zur Einfuhrung\ndes § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG aufgefuhrt, dass die Einfuhrung des\nZerlegungsmaßstabes fur neue Solaranlagen erfolgt sei, weil die\nStandortgemeinden der Solaranlagen vor der Gesetzesanderung keinen\nZerlegungsanteil erhalten hatten, weil dort regelmaßig keine Arbeitnehmer\nbeschaftigt seien. Die Gewerbesteuer habe nur die Gemeinde, in der das\nUnternehmen seinen Geschaftssitz habe, erhalten. Bei den streitigen Solarparks\nhandele es sich um Altanlagen, sodass das neue Recht nicht gelte und daher die\nalte Gesetzeslage anzuwenden sei. Insbesondere sei eine Übergangszeit von zehn\nJahren in das Gesetz aufgenommen worden, in der der bisherige\nZerlegungsmaßstab beibehalten werde. Diese Übergangszeit sei eingefuhrt\nworden, um eine Verschiebung des Gewerbesteueraufkommens zu verhindern. Es sei\nalso "bewusst" in Kauf genommen worden, dass die Standortgemeinden in der\nÜbergangszeit keine Gewerbesteuer erhielten. Eine Zerlegung gemaß § 33 Abs. 1\nSatz 1 GewStG scheide aus, da allein der Umstand, dass in Betriebsstatten\nkeine Arbeitslohne angefallen seien, nicht zu einer offenbaren Unbilligkeit\ndes von § 29 GewStG vorgegebenen Aufteilungsmaßstabes fuhre.\n\n \n\n19\n\n \n\nAm 2. Januar 2017 hat die Klagerin Klage erhoben, die sie im Wesentlichen mit\nden bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachten Argumenten begrundet.\n\n \n\n20\n\n \n\nDas Finanzamt Hamburg sei bereits nicht ortlich zustandig.\n\n \n\n21\n\n \n\nErganzend fuhrt sie aus, dass mit dem Abschluss der Errichtung und\nerfolgreichen Finanzierung des Solarprojekts sowie der Regelung fur dessen\ntechnische und kaufmannische Verwaltung uber langfristige Vertrage in den\nJahren 2011/2012 die fur sie, die Klagerin, wesentlichen\nManagemententscheidungen bereits getroffen worden seien.\n\n \n\n22\n\n \n\nFur den streitigen Erhebungszeitraum sei allerdings nicht\nentscheidungsrelevant, dass die im Zusammenhang mit der ursprunglichen\nErrichtung der Anlage stehenden Geschaftsfuhrungstatigkeiten moglicherweise\naußerhalb der Betriebsstatte in A ausgefuhrt worden seien. Der Ort der\nGeschaftsleitung musse sich im Laufe des Lebenszyklus eines Unternehmens nicht\nnotwendigerweise an ein und derselben Stelle befunden haben. Es liege vielmehr\nin der Natur des vorliegenden Investitionsobjekts, dass die uber ihre\nKomplementarin ausgeubte Geschaftsfuhrungstatigkeit in der Folgezeit keinen\numfangreichen Geschaftsbetrieb bzw. zeitintensiven Arbeitseinsatz der\nGeschaftsfuhrerinnen der Komplementarin erfordert habe.\n\n \n\n23\n\n \n\nDie Geschaftsfuhrungstatigkeiten fur sie, die Klagerin, hatten aufgrund der\nlangfristig eingegangenen Supportvertrage unter anderem die Überprufung des\nvom technischen Dienstleister ubermittelten Soll-Ist-Vergleichs des\nStromertrages sowie die Überwachung der Abwicklung von Gewahrleistungs- und\nVersicherungsfallen umfasst. Zudem oblagen Fragen der Aufstellung der Bilanz\nund der Ergebnisverwendung typischerweise der Geschaftsfuhrung. Die\nGeschaftsfuhrung ubernehme zudem die Beziehungspflege mit Vertragspartnern,\nReprasentationsverpflichtungen und Kontrollbesichtigungen, die teilweise auch\nvertretungsweise im Auftrag der Geschaftsfuhrung durchgefuhrt werden konnten.\n\n \n\n24\n\n \n\nDer Ort der Geschaftsleitung der Komplementarin sei demzufolge im Streitjahr\nin A gewesen, da die Geschaftsfuhrung an keinem anderen Ort gewichtigere\nEntscheidungen getroffen habe. Fur die Feststellung des Ortes der\nGeschaftsleitung seien immer Umfang, Struktur und Eigenart des betreffenden\nUnternehmens zu beachten. Sie, die Klagerin, habe damit nur eine\nBetriebsstatte zur Ausubung ihres Geschaftsbetriebes, sodass eine Zerlegung\ndes Gewerbesteuermessbetrages fur 2015 ausscheide.\n\n \n\n25\n\n \n\nDie Klagerin beantragt, \nden Bescheid fur 2015 uber die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages vom 25.\nJuli 2016 und die Einspruchsentscheidung vom 30. November 2016 aufzuheben; \nhilfsweise, \nden Bescheid fur 2015 uber die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages vom 25.\nJuli 2016 und die Einspruchsentscheidung vom 30. November 2016 dergestalt zu\nandern, dass der Gewerbesteuermessbetrag 2015 vollstandig der Gemeinde A\nzugewiesen wird.\n\n \n\n26\n\n \n\nDer Beklagte beantragt, \ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n27\n\n \n\nDie Beigeladene hat keine Antrage gestellt.\n\n \n\n28\n\n \n\nDer Beklagte ist der Ansicht, der Ort der Geschaftsleitung der Klagerin sei in\nHamburg, die PVA befinde sich in der in A belegenen Betriebsstatte. Aufgrund\nder Existenz von zwei Betriebsstatten sei der gewerbesteuerliche\nZerlegungsanteil nach § 28 GewStG zu ermitteln. Dieser richte sich gemaß § 29\nAbs. 1 Nr. 1 GewStG nach dem Verhaltnis der Summe der Arbeitslohne\n(Lohnsumme), die an die bei allen Betriebsstatten beschaftigten Arbeitnehmer\ngezahlt worden seien, zu den Arbeitslohnen, die an die bei den Betriebsstatten\nder einzelnen Gemeinden beschaftigten Arbeitnehmer gezahlt worden seien. Die\nLohne seien nach § 31 Abs. 5 GewStG fiktiv mit 25.000,- Euro fur Hamburg und\nin A mit null Euro anzusetzen. Dies fuhre zu einer Zerlegung des\ngewerbesteuerlichen Steuermessbetrages in Hohe von 100% fur Hamburg. Ein\noffenbar unbilliges Ergebnis nach § 31 Abs. 1 GewStG liege nicht vor.\n\n \n\n29\n\n \n\nDer Ort der Geschaftsleitung der Klagerin habe sich im Streitjahr in Hamburg\nbefunden. Nach § 10 der Abgabenordnung (AO) sei der Ort der Geschaftsleitung\ndort, wo sich der Mittelpunkt der geschaftlichen Oberleitung befinde. Dieser\nbefinde sich dort, wo der fur die Geschaftsfuhrung maßgebliche Wille gebildet\nwerde. Bei einer an mehreren Orten tatigen Geschaftsfuhrung sei der\nMittelpunkt der geschaftlichen Oberleitung dort, wo sich die nach dem\nGesamtbild der Verhaltnisse in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht\nbedeutungsvollste Stelle befinde. Allein die Tatsache, dass die Natur des\nGeschafts der Klagerin nur einen sehr eingeschrankten Umfang an\nGeschaftsfuhrungsaufgaben mit sich bringe, lasse nicht den Schluss zu, dass\ndie wesentlichen Entscheidungen lokal uberwiegend in A getroffen worden seien.\nDie Tatsache, dass die wesentlichen laufenden Geschaftsfuhrungstatigkeiten\nausgelagert worden seien, bekraftige vielmehr noch seine, des Beklagten,\nEinschatzung, dass die wenigen noch notwendigen Tatigkeiten mit entscheidender\nSteuerungsfunktion nicht in A, sondern in Hamburg getroffen worden seien. Da\ndie Geschaftsfuhrerinnen der Komplementarin ihren Wohnsitz auch in Hamburg\nhatten und auch uber den Internetauftritt Hamburger Kontaktdaten angegeben\nseien, liege es nahe, auch den Ort der Geschaftsleitung in Hamburg zu\nverorten.\n\n \n\n30\n\n \n\nEs liege auch kein offenbar unbilliges Ergebnis vor, welches einen anderen\nZerlegungsmaßstab nach § 33 Abs. 1 GewStG rechtfertige. Mit seinem Urteil vom\n4. April 2007 (I R 23/06) habe der BFH bereits im Zusammenhang mit der\nErrichtung von Windkraftanlagen entschieden, dass negative Auswirkungen der\nWindkraftanlage auf das Orts- und Landschaftsbild, die Infrastruktur einer\nGemeinde und auch den Tourismus, nicht zu einem offenbar unbilligen\nZerlegungsergebnis nach § 33 Abs. 1 GewStG fuhrten. Auch die Tatsache, dass in\neiner Betriebsstatte keine Arbeitslohne anfielen, fuhre nicht zur Annahme\neines offenbar unbilligen Ergebnisses. Und schließlich spreche auch die\naktuelle Gesetzeslage zur gewerbesteuerlichen Zerlegung von Windkraft- und\nSolaranlagen gemaß § 29 Abs. 2 GewStG gegen das Vorliegen eines offenbar\nunbilligen Ergebnisses i.S. von § 33 Abs. 1 GewStG.\n\n \n\n31\n\n \n\nDas Gericht hat mit Beschluss vom 16. August 2018 die Gemeinde A zum Verfahren\nbeigeladen.\n\n \n\n32\n\n \n\nHinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Niederschrift uber den\nErorterungstermin vom 14. August 2018, die Sitzungsniederschrift vom 18.\nDezember 2018, die Schriftsatze der Beteiligten sowie die Verwaltungsakten des\nBeklagten Bezug genommen.\n\n \n\n \n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\nI.\n\n \n\n33\n\n \n\nDie zulassige Klage ist mit dem Haupt- und Hilfsantrag unbegrundet. Der\nBeklagte hat zu Recht den Gewerbesteuermessbetrag fur das Streitjahr in voller\nHohe Hamburg zugerechnet.\n\n \n\n34\n\n \n\nDer angefochtene Bescheid ist rechtmaßig und verletzt die Klagerin nicht in\nihren Rechten. Auf die Frage der ortlichen Zustandigkeit des Beklagten kommt\nes vorliegend nicht an (1.). Im Übrigen ist der Beklagte zutreffend davon\nausgegangen, dass die Klagerin sowohl uber eine\nGeschaftsleitungsbetriebsstatte in Hamburg als auch eine\nBelegenheitsbetriebsstatte in A verfugt (2.) und der Gewerbesteuermessbetrag\nzwischen diesen beiden Betriebsstatten gemaß § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG (3.)\nunter Berucksichtigung eines fiktiven Unternehmerlohns gemaß § 31 Abs. 5\nGewStG zu verteilen ist (4.). Grunde fur eine von diesem Regelmaßstab\nabweichende Zerlegung gemaß § 33 GewStG liegen nicht vor (5).\n\n \n\n35\n\n \n\n1\\. Die von der Klagerin aufgeworfene Frage, ob der Beklagte fur den Erlass\ndes Zerlegungsbescheides vom 25. Juli 2016 sowie der Einspruchsentscheidung\nvom 30. November 2016 ortlich zustandig war, kann im Hinblick auf den\nRegelungsgehalt des § 127 AO offen bleiben.\n\n \n\n36\n\n \n\na) Gemaß § 127 AO kann im Verwaltungsverfahren die Aufhebung eines nicht nach\n§ 125 AO nichtigen Verwaltungsaktes, der unter Verletzung von Vorschriften\nuber das Verfahren, die Form oder die ortliche Zustandigkeit zustande gekommen\nist, nicht begehrt werden, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hatte\ngetroffen werden konnen. Fur das steuergerichtliche Verfahren bedeutet § 127\nAO nach der BFH-Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, dass das FG\neinen Verwaltungsakt grundsatzlich nicht allein wegen der ortlichen\nUnzustandigkeit des Finanzamtes, das ihn erlassen hat, aufheben darf, sondern\nauch feststellen muss, ob materiell-rechtlich eine andere Entscheidung hatte\ngetroffen werden konnen. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn es sich um\neinen Ermessens-Verwaltungsakt i. S. von § 5 AO handelt oder dem Finanzamt bei\nseiner Entscheidung ein gerichtlich nicht nachprufbarer Beurteilungsspielraum\nzusteht (vgl. dazu nur BFH-Urteil vom 25. November 1988 III R 264/83, BFH/NV\n1989, 690; Rozek, in: Hubschmann/Hepp/Spitaler, AO-FGO, 10. Aufl., § 127 AO\nRz. 37 ff., jeweils m. w. N.).\n\n \n\n37\n\n \n\nb) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 127 AO sind im vorliegenden Fall\nerfullt und es kommt auf eine etwaige ortliche Unzustandigkeit des Beklagten\nfur den Erlass des streitigen Bescheides nicht an. Bei dem streitigen Bescheid\nhandelt es sich weder um den Erlass eines Ermessens-Verwaltungsaktes i.S. von\n§ 5 AO noch um den Erlass einer Entscheidung, bei der dem Finanzamt ein\ngerichtlich nicht nachprufbarer Beurteilungsspielraum zusteht. Es handelt sich\nvielmehr um einen sog. "gebundenen" Steuerverwaltungsakt. Dies gilt selbst\ndann, wenn man davon ausgeht, dass eine Zerlegung in besonderen Fallen gemaß §\n33 Abs. 1 GewStG wegen Vorliegens eines offenbar unbilligen Ergebnisses bei\nAnwendung der Regelzerlegung einschlagig ist, da es sich bei § 33 Abs. 1\nGewStG insoweit um eine zwingende Vorschrift handelt, als die Finanzbehorden\neinen anderen Maßstab zu suchen haben, wenn ansonsten das unbillige Ergebnis\nim Sinne von § 33 Abs. 1 GewStG eintritt bzw. wenn eine Einigung nach § 33\nAbs. 2 GewStG zustande kommt. Hierbei ist den Finanzbehorden kein\nBeurteilungsspielraum und auch kein Ermessen eingeraumt (vgl. Guroff in\nGlanegger/Guroff, GewStG, § 33 Rn. 1a). Das Wort "unbillig" wird in § 33\nGewStG daher als unbestimmter Rechtsbegriff verwendet, dessen Auslegung durch\ndas Finanzamt von den Gerichten in vollem Umfang uberpruft wird (BFH-Urteile\nvom 26. Februar 1992 I R 16/90, BFH/NV 1992, 836; vom 25. November 2009 I R\n18/08, BFH/NV 2010, 941; Hofmeister in Blumich, § 33 GewStG Rn. 6 a.E.).\n\n \n\n38\n\n \n\n2\\. Der Hauptantrag hatte keinen Erfolg. Die Klagerin unterhielt nach\nÜberzeugung des Gerichts im Streitjahr mehrere Betriebsstatten, so dass der\nGewerbesteuermessbetrag gemaß § 28 GewStG zwischen diesen hebeberechtigten\nGemeinden aufzuteilen war.\n\n \n\n39\n\n \n\na) Gemaß § 28 GewStG ist der Steuermessbetrag in die auf die einzelnen\nGemeinde entfallenden Anteile (Zerlegungsanteile) zu zerlegen, sofern im\nErhebungszeitraum Betriebsstatten zur Ausubung des Gewerbes in mehreren\nGemeinden unterhalten worden sind.\n\n \n\n40\n\n \n\nb) Die Klagerin unterhielt im Streitjahr mehrere Betriebsstatten, namlich eine\nBelegenheitsbetriebsstatte in A, in der die PVA betrieben wird (bb) sowie eine\nGeschaftsleitungsbetriebsstatte in Hamburg (cc).\n\n \n\n41\n\n \n\naa) Fur die Bestimmung des Begriffs der Betriebsstatte in § 28 Abs. 1 GewStG\ngilt die Definition in § 12 AO (standige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom\n13. September 2000 X R 174/96, BStBl II 2001, 734; vom 12. Februar 2004 IV R\n29/02, BStBl II 2004, 602; vom 16. Dezember 2009 I R 56/08, BStBl II 2010, 492\nsowie vom 5. November 2014 IV R 30/11, BStBl II 2015, 601). Nach § 12 Satz 1\nAO setzt die Annahme einer Betriebsstatte eine Geschaftseinrichtung oder\nAnlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberflache voraus, die von einer\ngewissen Dauer ist, der Tatigkeit des Unternehmens dient und uber die der\nSteuerpflichtige eine nicht nur vorubergehende Verfugungsmacht hat (BFH-\nUrteile vom 3. Februar 1993 I R 80-81/91, BStBl II 1993, 462). Unschadlich fur\ndie Annahme einer Betriebsstatte ist es, wenn das betreffende Gebaude oder\neinzelne Raume auch von anderen Personen mitgenutzt werden. Die fur eine\nGeschaftseinrichtung erforderliche nicht nur vorubergehende Verfugungsmacht\nuber die betreffende Einrichtung verlangt eine Rechtsposition, die ohne\nMitwirkung des Betreffenden nicht ohne Weiteres beseitigt oder verandert\nwerden kann. Diese Rechtsposition muss jedoch weder ausdrucklich vereinbart\nnoch auf einen bestimmten Raum oder Arbeitsplatz bezogen sein. Es genugt, wenn\naus tatsachlichen Grunden anzunehmen ist, dass dem Unternehmer irgendein fur\nseine Tatigkeit geeigneter Raum zur Verfugung gestellt wird (BFH-Urteil vom\n23. Mai 2002 III R 8/00, BStBl II 2002, 512; Beschluss vom 10. November 1998 I\nB 80/97, BFH/NV 1999, 665).\n\n \n\n42\n\n \n\nbb) Da in A die PVA betrieben wird, unterhielt die Klagerin an diesem Ort\nunstreitig eine Betriebsstatte i.S. von § 12 Satz 1 AO.\n\n \n\n43\n\n \n\ncc) Daneben unterhielt die Klagerin eine Geschaftsleitungsbetriebsstatte i.S.\nvon § 12 Satz 2 Nr. 1 AO in Hamburg.\n\n \n\n44\n\n \n\n(1) Die Statte der Geschaftsleitung gehort nach § 12 Satz 2 Nr. 1 AO zu den\nOrten, die insbesondere als Betriebsstatte anzusehen sind. Gemaß § 10 AO ist\ndie Geschaftsleitung der Mittelpunkt der geschaftlichen Oberleitung. Der\nMittelpunkt der geschaftlichen Oberleitung i.S. von § 10 AO ist dort, wo der\nfur die Geschaftsfuhrung maßgebliche Wille gebildet wird. Es kommt hierbei\ndarauf an, an welchem Ort die fur die Geschaftsfuhrung notigen Maßnahmen von\neinigem Gewicht angeordnet werden. Regelmaßig ist dies der Ort, an dem die zur\nVertretung befugten Person die ihnen obliegende laufende\nGeschaftsfuhrertatigkeit entfalten, d. h. an dem sie die tatsachlichen und\nrechtsgeschaftlichen Handlungen vornehmen, die der gewohnliche Betrieb der\nGesellschaft mit sich bringt (sog. Tagesgeschafte). Fur Personengesellschaften\nbedeutet dies, dass sich der Mittelpunkt der Geschaftsleitung regelmaßig dort\nbefindet, wo die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende\nGeschaftsfuhrertatigkeit entfalten. Fur die Komplementar-GmbH einer\nKommanditgesellschaft ist deshalb entscheidend, an welchem Ort die fur die\nGmbH handelnde Geschaftsfuhrung die Geschafte, die der gewohnliche Betrieb des\nHandelsgewerbes mit sich bringt, tatsachlich wahrnimmt. Mit den\nTagesgeschaften sind diejenigen Geschafte gemeint, die in die alleinige\nZustandigkeit des Komplementars fallen und keines Gesellschafterbeschlusses\nbedurfen (BFH-Urteile vom 12. Februar 2004 IV R 29/02, BStBl II 2004, 602; vom\n5. November 2014 IV R 30/11, BStBl II 2015, 601).\n\n \n\n45\n\n \n\nDa jedes Unternehmen einen Ort der Geschaftsleitung haben muss, hangt es\nletztlich von den im Einzelfall tatsachlich ausgeubten Tatigkeiten ab, welche\nvon ihnen fur das Unternehmen besonderes Gewicht haben und auf welche deshalb\nbei der Bestimmung des Ortes der Geschaftsleitung abzustellen ist. Betatigt\nsich z.B. ein Unternehmen nur vermogensverwaltend, so kann der Mittelpunkt\nseiner geschaftlichen Oberleitung auch dort liegen, wo es die laufende\nKontrolle uber sein Vermogen ausubt, wo es beispielsweise seine Wertpapiere\nverwahrt oder wo es seine Steuererklarung anfertigt bzw. unterschreibt, wenn\nnur an keinem anderen Ort gewichtigere Entscheidungen getroffen werden (vgl.\nBFH-Urteil vom 7. Dezember 1994 I R 1/93, BStBl II 1995, 175; FG Schleswig-\nHolstein, Urteil vom 30. Juni 2011 1 K 73/06, EFG 2011, 1911). Wird eine\nGesellschaft an verschiedenen Orten geschaftsfuhrend tatig, sind die an den\nverschiedenen Orten ausgeubten Tatigkeiten nach ihrer Bedeutung fur die\nGesellschaft zu gewichten, um auf diese Weise den Ort der Geschaftsleitung zu\nbestimmen. Der Mittelpunkt der geschaftlichen Oberleitung befindet sich dann\ndort, wo sich die in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht\nbedeutungsvollste Stelle befindet (BFH-Urteil vom 21. September 1989 V R\n32/88, BFH/NV 1990, 668). Die in diesem Sinne wesentlichen Maßnahmen von\neiniger Wichtigkeit lassen sich danach nicht abstrakt oder absolut\numschreiben, sondern konnen nur fur den Einzelfall bestimmt werden (vgl. BFH-\nUrteil vom 7. Dezember 1994 I K 1/93, BStBl II 1995, 175).\n\n \n\n46\n\n \n\n(2) Nach diesen Maßstaben liegt die Geschaftsleitungsbetriebsstatte der\nKlagerin in Hamburg und nicht in A.\n\n \n\n47\n\n \n\nDie Klagerin hat - soweit ersichtlich - keine eigenen Buroraume in Hamburg\nangemietet, allerdings verfugt die O-Gruppe, zu der auch die Klagerin gehort,\nuber Buroraume in Hamburg. Zudem wohnen die Geschaftsfuhrerinnen E und F beide\nin Hamburg. Schließlich sind E und F auch bei der J, die fur die Klagerin die\nkaufmannische Betriebsfuhrung ubernommen hat, als Geschaftsfuhrerinnen\nbestellt; der Sitz der J ist seit ihrer Grundung in Hamburg.\n\n \n\n48\n\n \n\nDarauf, dass die Klagerin danach moglicherweise keine eigene\nVerfugungsbefugnis uber Raumlichkeiten in Hamburg hat, kommt es nicht an. Eine\nGeschaftsleitungsbetriebsstatte i.S. des § 12 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. § 10 AO\nmuss sich ebenso wenig in einer festen Geschaftseinrichtung befinden wie es\nerforderlich ist, dass eine feste Geschaftseinrichtung uberhaupt zum\nBetriebsvermogen des Unternehmens gehort. § 12 AO erfordert nur in seinem\nGrundtatbestand - Satz 1 - eine feste Geschaftseinrichtung, die der Tatigkeit\ndes Unternehmens dient. Demgegenuber enthalt Satz 2 der Vorschrift eine\nDefinitionserweiterung, die nicht notwendigerweise eine feste\nGeschaftseinrichtung oder Anlage voraussetzt - so auch im Fall der\nGeschaftsleitungsbetriebsstatte, die sich auch in fur das Unternehmen fremden\nBuroraumen befinden kann (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juli 1993 I R 15/93, BStBl\nII 1994, 148).\n\n \n\n49\n\n \n\nAus der Gesamtschau der vorliegenden Unterlagen und aus den Einlassungen der\nGeschaftsfuhrerinnen der Komplementarin der Klagerin in der mundlichen\nVerhandlung am 18. Dezember 2018 spricht nach Überzeugung des Gerichts alles\ndafur, dass die geschaftsleitenden Tatigkeiten durch die Geschaftsfuhrerinnen\nder Komplementar-GmbH nicht in A, sondern in Hamburg vorgenommen worden sind.\n\n \n\n50\n\n \n\nDer Klagerin ist zwar zuzugestehen, dass aufgrund ihres Geschaftsmodells viele\nwesentliche Managemententscheidungen bereits vor dem Streitjahr gefallt worden\nsind, vor allem durch den Abschluss der diversen langfristigen Vertrage, die\neinen Betrieb der PVA sicherstellen sollten, sodass es im Streitjahr keines\nzeitintensiven Arbeitseinsatzes der Geschaftsfuhrerinnen der Komplementarin\nmehr bedurfte.\n\n \n\n51\n\n \n\nDas Gericht folgt auch der Einschatzung der Klagerin, dass z.B. die\nÜberprufung der von dem technischen Dienstleister G ubermittelten Soll-Ist-\nVergleiche des Stromertrags sowie die Überwachung der Abwicklung von\nGewahrleistungs- und Versicherungsfallen sowie Fragen der Bilanzaufstellung\nund Ergebnisverwendung zu den typischen Geschaftsfuhrungsaufgaben der\nKomplementarin gehort haben durften.\n\n \n\n52\n\n \n\nAus den eingereichten Unterlagen wie auch dem Vortrag der Geschaftsfuhrerinnen\nlasst sich nicht schließen, dass diese Geschaftsfuhrungsmaßnahmen in A\nvorgenommen worden sind. Bereits die Tatsache, dass die Geschaftsfuhrerinnen\nihren Wohnsitz in Hamburg haben und die O-Gruppe uber reprasentative Buroraume\nin Hamburg verfugt, wahrend in A lediglich ein einzelner Buroraum mit einer\nminimalen Buroausstattung (Schreibtisch, Drehrollstuhl sowie Aktenschrank)\nangemietet worden ist, spricht nach Überzeugung des Senats dafur, dass die\ngeschaftsleitenden Tatigkeiten in Hamburg vorgenommen worden sind.\n\n \n\n53\n\n \n\nDie von E und F in der mundlichen Verhandlung geschilderten Besuche der PVA\nbei Storfallen (Blitzeinschlag / Probleme mit den Modulklemmen / Begutachtung\nvon Wildschaden) begrunden keine Geschaftsleitungsbetriebsstatte in A. Diese\nBesuche, von denen nach eigenem Bekunden lediglich drei bis vier pro Jahr\nstattgefunden haben sollen, durften eher der Sachverhaltsermittlung vor Ort\nund Vorbereitung einer geschaftsleitenden Entscheidung gedient haben. Dass\nbereits bei diesen Besuchen die entscheidenden tatsachlichen und\nrechtsgeschaftlichen Handlungen durch E und F vor Ort in A vorgenommen worden\nsind, ist weder aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich noch erscheint dies\ndem Senat lebensnah zu sein und ist uberdies von den Geschaftsfuhrerinnen in\nder mundlichen Verhandlung so auch nicht konkret dargetan worden.\n\n \n\n54\n\n \n\nZudem ist unklar, in welcher Funktion E und F bei ihren Besuchen in A tatig\ngeworden sind. Denn es ist zu berucksichtigen, dass sie ebenfalls\nGeschaftsfuhrerinnen der J sind, der wiederum die kaufmannische\nBetriebsfuhrung der Gesellschaften der O-Gruppe, die die PVA in A gehoren,\nubertragen worden ist. Die eingereichten Belege, die dem Nachweis der Besuche\nin A dienen sollen, sind jedenfalls - sofern uberhaupt ein Leistungsempfanger\nangegeben ist und es sich nicht nur um Bahntickets ohne namentliche Zuordnung\nhandelt - auf die J ausgestellt. Vor diesen Hintergrund ist eher davon\nauszugehen, dass E und F in ihrer Funktion als Geschaftsfuhrerinnen der J in A\ngewesen sind, als als Geschaftsfuhrerinnen der Komplementarin der Klagerin.\n\n \n\n55\n\n \n\nDie von E und F geschilderten Besuche der PVA in A mit etwaigen neuen\nInvestoren sind ebenfalls nicht geeignet, an diesem Ort eine\nGeschaftsleitungsbetriebsstatte zu begrunden, da nicht ersichtlich ist,\ninwiefern es sich bei der Suche und Gewinnung von Investoren fur neue PVA\nuberhaupt um ein Geschaft der Klagerin handeln sollte.\n\n \n\n56\n\n \n\nInsgesamt lasst sich aus den eingereichten Unterlagen nicht erkennen, dass die\nGeschaftsfuhrerinnen selbst an den angegebenen Tagen uberhaupt in A gewesen\nsind, da es sich vornehmlich um Zugtickets fur Fahrten zwischen Hamburg und P\nsowie Hotelrechnungen ... Hotels handelt. Bei den eingereichten Vertragen uber\ndie Anmietung eines Pkw sind jeweils nicht die Geschaftsfuhrerinnen als Fahrer\nerwahnt. Zudem ist nicht ersichtlich, wo das Ziel der Fahrt lag und mit\nwelcher Maßnahme der Geschaftsfuhrung die Fahrt in Verbindung gestanden haben\nsoll. Konkrete Nachweise, z.B. in Form von Kalendereintragen,\nTerminabsprachen, aus denen die Anwesenheit von E und/oder F in A zu einem\nbestimmten, geschaftsleitenden Zweck ersichtlich ware, sind nicht vorgebracht\nworden. Insgesamt fehlt es bereits an jeglichem konkreten Vortrag der\nKlagerin, an welchem konkreten Tag durch wen in A welche geschaftsleitende\nTatigkeit vorgenommen worden sein soll.\n\n \n\n57\n\n \n\nDes Weiteren lasst sich z.B. fur den ... 2015, der Tag, an dem im Rahmen einer\nGesellschafterversammlung der Klagerin der Jahresabschluss fur 2014 in A\nunterzeichnet worden sein soll, aus den eingereichten Unterlagen nicht\nnachvollziehen, dass die Geschaftsfuhrerinnen an diesem Tag eben dort waren um\nden Abschluss zu unterzeichnen.\n\n \n\n58\n\n \n\nBezuglich der Kontrolle der durch die G im Rahmen eines monatlichen Reportings\nelektronisch an die Klagerin (3.12 des PV-Supportvertrages, Anlage 2)\nubermittelten Soll-Ist-Vergleiche, die nach dem Vortrag der\nGeschaftsfuhrerinnen nur zum Jahresabschluss erfolgt sei, ist nicht konkret\nvorgetragen, an welchem der Termine, an denen die Anlage in A besucht worden\nsein soll (23. bis 24. Januar 2015, 23. Februar 2015, 10. bis 11. Januar 2015\nsowie 13. bis 16. Juli 2015), die Kontrolle durch wen stattgefunden hat.\n\n \n\n59\n\n \n\nGleiches gilt z.B. fur die Kontrolle der Erfolgsvergutung der J GmbH fur die\nkaufmannische Betriebsfuhrung (§ 5 des Vertrages uber die kaufmannische\nBetriebsfuhrung, Anlage 4), da der Vertrag neben einer pauschalen Vergutung\neine erfolgsabhangige Komponente (Bonus oder Malus) enthalt. Dabei ist zu\nberucksichtigen, dass Geschaftsfuhrerinnen der J ebenfalls E und F sind, die\nbeide ihren Wohnsitz in Hamburg haben. Der Sitz der J ist ebenfalls in\nHamburg. Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Gericht lebensfremd, dass E\nund F in ihrer Funktion als Geschaftsfuhrerinnen der Komplementar-GmbH der\nKlagerin die Kontrolle der Erfolgsvergutung der J in A vorgenommen haben,\nzumal es - wie bereits ausgefuhrt - sowohl an entsprechendem konkreten Vortrag\nals auch an Nachweisen fehlt, wann genau E und F diese Kontrolle in A\nvorgenommen haben.\n\n \n\n60\n\n \n\n3\\. Die Klage hat auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg. Der\nGewerbesteuermessbetrag steht ausschließlich Hamburg zu. Nach § 28 Abs. 1 Satz\n1 GewStG ist der Gewerbesteuermessbetrag in die auf die einzelnen Gemeinden\nentfallenden Anteile zu zerlegen, wenn im Erhebungszeitraum Betriebsstatten\nzur Ausubung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden sind.\nMaßstab der Zerlegung ist gemaß § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG das Verhaltnis, in\ndem die Summe der Arbeitslohne, die an die in allen Betriebsstatten (§ 28)\nbeschaftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu den Arbeitslohnen steht,\ndie an die in den Betriebsstatten der einzelnen Gemeinden beschaftigten\nArbeitnehmer gezahlt worden sind, es sei denn der Zerlegungsmaßstab richtet\nsich nach § 29 Abs. 1\n\n61\n\n \n\nNr. 2 GewStG.\n\n \n\n62\n\n \n\nDie vorrangige Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG ist vorliegend nicht\neinschlagig, da es sich bei der von der Klagerin betriebenen PVA nicht um eine\nNeuanlage i.S. des § 29 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 GewStG handelt. Neuanlagen sind\ndanach Anlagen, die nach dem 30. Juni 2013 zur Erzeugung von Strom und anderen\nEnergietragern sowie Warme aus solarer Strahlungsenergie genehmigt wurden. Die\nvon der Klagerin betriebene PVA ist vor diesem Stichtag genehmigt worden, so\ndass es sich um eine Altanlage handelt, auf die der Zerlegungsmaßstab des § 29\nAbs. 1 Nr. 1 GewStG, mithin die Zerlegung nach dem Verhaltnis der in den\neinzelnen Betriebsstatten gezahlten Arbeitslohnen, Anwendung findet.\n\n \n\n63\n\n \n\n4\\. Als Arbeitslohne bestimmt § 31 Abs. 1 GewStG grundsatzlich die Vergutungen\nim Sinne der Einkunfte aus nichtselbstandiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 Nr. 1\ndes Einkommensteuergesetzes. Die Gemeinden, in denen Betriebsstatten\nunterhalten werden, sollen durch die Zerlegung einen finanziellen Ausgleich\nfur diejenigen Lasten erhalten, die ihnen durch die Betriebsstatten erwachsen.\nDa sich die tatsachliche Hohe dieser Lasten - wenn uberhaupt - nur mit sehr\ngroßem Aufwand und auch dann nur ungenau ermitteln ließe, hat sich der\nGesetzgeber mit der Regelung uber die Zerlegung in § 29 Abs. 1 GewStG bewusst\nfur einen indirekten und groben Zerlegungsmaßstab entschieden (BFH-Urteile vom\n24. Mai 2006 I R 102/04, BFH/NV 2007, 270; vom 5. Juni 2007 I R 49/06, BFH/NV\n2007, 2346).\n\n \n\n64\n\n \n\nDie Klagerin verfugt uber keine eigenen Arbeitnehmer, so dass eine Zerlegung\ngemaß § 31 Abs. 1 GewStG nicht unmittelbar anwendbar ist. § 31 Abs. 5 GewStG\nsieht jedoch fur Unternehmen, die nicht von einer juristischen Person\nbetrieben werden, den Ansatz von jahrlich 25.000 € als Arbeitslohn fur die im\nBetrieb tatigen Unternehmer (Mitunternehmer) vor. Diese Vorschrift gilt auch\ndann, wenn der einzige im Betrieb tatige Mitunternehmer eine juristische\nPerson ist, wie im Streitfall eine geschaftsfuhrende Komplementar-GmbH einer\nGmbH & Co. KG (BFH-Urteil vom 12. Februar 2004 IV R 29/02, BStBl II 2004, 602;\nFG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 7. Januar 2009 2 V 196/08; Guroff in\nGlanegger/Guroff, GewStG, § 31 Rn. 9 a.E.; Hofmeister in Blumich, GewStG, § 31\nRn. 10). Der Ansatz dieses fiktiven Unternehmerlohns soll nach Ansicht des\nGesetzgebers sicherstellen, dass eine Gemeinde, in der sich eine\nBetriebsstatte befindet, auch dann bei der Zerlegung berucksichtigt wird, wenn\nin der Betriebsstatte lediglich der Unternehmer bzw. Mitunternehmer tatig ist\n(vgl. BT-Drs. 10/1636, 70).\n\n \n\n65\n\n \n\nVorliegend befinden sich sowohl auf dem Gebiet der Gemeinde A als auch auf dem\nGebiet der Stadt Hamburg Betriebsstatten im Sinne des § 12 AO. Die von der\nKlagerin betriebene PVA im Gebiet der Gemeinde A begrundet dort eine\nBetriebsstatte. Zudem liegt in Hamburg eine Geschaftsleitungsbetriebsstatte\ngemaß § 12 Satz 2 Nr. 1 AO vor. Nach dem Zerlegungsmaßstab des § 29 Abs. 1\nGewStG steht danach allein der Stadt Hamburg der gesamte Steuermessbetrag zu.\nDenn auf den Betrieb der PVA entfallen keine Arbeitslohne, wahrend der Stadt\nHamburg Lohne in Hohe von 25.000 € zuzurechnen sind. Dem steht nicht entgegen,\ndass tatsachlich aus dem Vermogen der Klagerin kein Arbeitslohn gezahlt worden\nist.\n\n \n\n66\n\n \n\n5\\. Schließlich liegt auch kein Fall des § 33 GewStG vor.\n\n \n\n67\n\n \n\na) Eine vom Regelmaßstab des § 29 Abs. 1 GewStG abweichende Zerlegung gemaß §\n33 Abs. 1 Satz 1 GewStG ist im Streitfall nicht angezeigt.\n\n \n\n68\n\n \n\naa) Fuhrt die Zerlegung nach dem Verhaltnis der Arbeitslohne zu einem offenbar\nunbilligen Ergebnis, so ist gemaß § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG nach einem Maßstab\nzu zerlegen, der die tatsachlichen Verhaltnisse besser berucksichtigt. Nicht\njede Unbilligkeit, die sich aus dem Zerlegungsmaßstab gemaß § 29 GewStG\nergibt, rechtfertigt jedoch eine Zerlegung nach einem abweichenden Maßstab.\nVielmehr muss die Unbilligkeit erhebliches Gewicht haben und offensichtlich\nsein (standige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 1992 VIII R 45/90,\nBFH/NV 1993, 191 m. w. N.). Der Gesetzgeber hat mit der Regelzerlegung in § 29\nGewStG bewusst und gewollt ein einfaches, grobes Verfahren gewahlt und damit\nUnstimmigkeiten und Unbilligkeiten im Einzelfall in Kauf genommen. Die\nVorschrift des § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG uber einen von der Regelzerlegung\nabweichenden Zerlegungsmaßstab zur Vermeidung von offenbar unbilligen\nErgebnissen ist daher eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. Zweck der\nZerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages auf die\nBetriebsstattengemeinden ist es, das Unternehmen zur Tragung der Kosten\nheranzuziehen, die durch die betriebliche Tatigkeit in der Gemeinde entstehen.\nDies sind zunachst die Arbeitnehmerfolgekosten, d.h. die einer Gemeinde fur\nden Bau von Straßen, Schulen, Krankenhausern, Altersheimen u.a. entstehenden\nAufwendungen durch die dort wohnenden Arbeitnehmer. Die Gewerbesteuer soll den\nGemeinden einen gewissen Ausgleich fur die Lasten bieten, die ihnen durch die\nUnternehmen entstehen. Eine Unbilligkeit i.S. des § 33 Abs. 1 GewStG kann auch\ndann in Betracht kommen, wenn durch das Vorhandensein einer Betriebsstatte\neiner Gemeinde zwar keine mit der Ansassigkeit von Arbeitnehmern verbundenen\nFolgekosten, aber Lasten anderer Art entstehen, die im Rahmen der Zerlegung\nnicht berucksichtigt werden konnen. Diese Lasten mussen einerseits ins Gewicht\nfallen und andererseits atypisch sein (BFH-Urteil vom 26. August 1987 I R\n376/83, BStBl II 1988, 201).\n\n \n\n69\n\n \n\nDer BFH hat fur den Fall einer Windkraftanlage entschieden, dass etwaige\nnegative Auswirkungen der Windkraftanlagen auf das Orts- und Landschaftsbild,\nauf den Wert von Wohngrundstucken und auf den Tourismus in den betroffenen\nGemeinden - unterstellt, sie lagen vor - einen von § 29 GewStG abweichenden\nZerlegungsmaßstab nicht zu begrunden vermochten (BFH-Urteil vom 4. April 2007\nI R 23/06 BStBl II 2007, 836). Es handele sich hierbei nicht um Lasten, die\nsich direkt auf die gemeindlichen Haushalte auswirkten. Vielmehr gehe es um\nallgemeine Auswirkungen der Betriebsstatten auf die Lebensqualitat der\nEinwohner und die touristische Infrastruktur in den betroffenen Gemeinden, die\nFolgewirkungen auf die gemeindliche Haushaltslage allenfalls mittelbar nach\nsich ziehen konnten. Die Berucksichtigung solcher primar asthetischen und die\nallgemeine Lebensqualitat betreffenden, sich nicht unmittelbar auf die\ngemeindlichen Haushalte auswirkenden Faktoren wurde den gesetzlichen Rahmen\ndes gewerbesteuerrechtlichen Zerlegungsverfahrens sprengen. Diesem komme nicht\ndie Funktion eines kommunalen Finanzausgleichs zu (BFH-Urteile vom 9. Oktober\n1975 IV R 114/73, BStBl II 1976, 123; vom 12. Mai 1992 VIII R 45/90, BFH/NV\n1993, 191). Vielmehr sei ihm mit § 29 GewStG ein Zerlegungsmaßstab beigegeben\nworden, der bewusst einfach und praktikabel handhabbar sei und der die sich\nhieraus fast immer ergebenden Ungerechtigkeiten regelmaßig in Kauf nehme.\n\n \n\n70\n\n \n\nbb) Aus den vorstehenden Erwagungen ergibt sich, dass kein Fall eines\n"unbilligen" Ergebnisses i.S. des § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG vorliegt.\n\n \n\n71\n\n \n\nDie Wertung des BFH zu Windkraftanlagen gilt nach Ansicht des Senats ebenso\nfur Photovoltaikanlagen, bei denen die negativen Auswirkungen fur das Orts-\nund Landschaftsbild noch sehr viel geringer ausfallen durften. Zudem befindet\nsich die fragliche PVA auf einem ehemaligen YY, so dass sich auch unter diesem\nAspekt noch geringere Beeintrachtigungen als im Falle des Betriebes von\nWindkraftanlagen einstellen durften.\n\n \n\n72\n\n \n\nDer Fall ist auch nicht mit dem Sachverhalt zu vergleichen, der der\nEntscheidung des Niedersachsischen Finanzgerichts zugrunde lag (FG\nNiedersachsen, Urteil vom 9. Juni 1981 V 12/79, EFG 1981, 639). Dort ging es\num die Verwaltung von Ferienwohnungen. Das FG billigte den Gemeinden, in denen\ndie Ferienwohnungen belegen waren, den uberwiegenden Anteil am\nGewerbesteuermessbetrag zu, da ihnen durch die Vermietung der Wohnungen\nweitaus hohere Lasten entstunden als der Gemeinde, in der sich die\nGeschaftsleitung befand. Solche Lasten sind aber hier gerade nicht erkennbar.\nNach Fertigstellung der PVA durften durch deren Betrieb bzw. Wartung keine\nnennenswerten bzw. ins Gewicht fallenden Lasten entstehen, die sich direkt auf\nden gemeindlichen Haushalt auswirken. Da der Gewerbesteuerzerlegung nicht die\nFunktion eines kommunalen Finanzausgleichs zukommt, kommen vorliegend die vom\nFG Niedersachsen herangezogenen Erwagungen nicht zum Tragen, da sich eine\noffensichtliche und gravierende Unbilligkeit nicht feststellen lasst, sodass\nes bei dem vom Gesetzgeber bewusst gewahlten groben Maßstab der Zerlegung nach\nArbeitslohnen bleibt.\n\n \n\n73\n\n \n\nSchließlich ist auch zu beachten, dass der Gesetzgeber im Zuge der Änderung\ndes § 29 GewStG bewusst eine Unterscheidung zwischen Alt- und Neuanlagen\ngetroffen hat. Wurde nun die Wirkung der von dem Gesetzgeber nur fur\nNeuanlagen vorgesehenen Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages zwischen einer\nGeschaftsleitungs- und Belegenheitsbetriebsstatte auf Altanlagen ausgedehnt\nwerden, wurden dem gesetzgeberischen Willen zur Differenzierung von Alt- und\nNeuanlagen nicht entsprochen werden.\n\n \n\n74\n\n \n\nb) Eine Einigung gemaß § 33 Abs. 2 GewStG bezuglich eines vom Regelfall\nabweichenden Zerlegungsmaßstabes liegt nicht vor. Zwar hat die Gemeinde A ihre\nZustimmung zu einem abweichenden Zerlegungsmaßstabes erteilt, nicht jedoch der\nBeklagte.\n\n \n\n \n\nII.\n\n \n\n75\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht\nzuzulassen, da keiner der Revisionsgrunde des § 115 FGO vorliegt.\n\n \n\n76\n\n \n\nDer Beigeladene hat keine Antrage gestellt, so dass ihm keine Kosten\naufzuerlegen waren (§ 135 Abs. 3 FGO) und eine Kostenerstattung nicht in\nBetracht kommt (§ 139 Abs. 4 FGO).\n\n
317,683
vg-koln-2019-03-14-9-l-20519
844
Verwaltungsgericht Köln
vg-koln
Köln
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
9 L 205/19
2019-03-14
2019-03-19 11:00:55
2020-12-10 15:12:51
Beschluss
ECLI:DE:VGK:2019:0314.9L205.19.00
## Tenor\n\n1\\. Der Antrag auf Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.\n\nDie Antragstellerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n2\\. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000.000,- Euro festgesetzt.\n\n \n1\n\n**Gr unde**\n\n2\n\nDer Antrag der Antragstellerin auf Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes bleibt\nohne Erfolg.\n\n3\n\nGemaß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage\nanordnen, die - wie hier - gemaß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung\nmit § 137 Abs. 1 TKG entfallen ist. Die dabei im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1\nVwGO vorzunehmende Interessenabwagung zwischen dem individuellen Interesse der\nAntragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung und dem offentlichen Interesse an deren\nsofortiger Vollziehung fallt vorliegend zu Lasten der Antragstellerin aus. Die\nstreitgegenstandliche Prasidentenkammerentscheidung ist nach summarischer\nPrufung nicht offensichtlich rechtswidrig, sondern rechtmaßig. Daruber hinaus\nfallt auch eine davon unabhangige Interessenabwagung zulasten der\nAntragstellerin aus.\n\n4\n\nI. 1. Die von der Antragstellerin angegriffenen Festlegungen und Regeln des\nVergabeverfahrens in Ziffer III der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung finden ihre Rechtsgrundlage in § 61 Abs. 3 Satz\n2 TKG. Nach § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG bestimmt die Bundesnetzagentur vor\nDurchfuhrung eines Vergabeverfahrens insbesondere die\nFrequenznutzungsbestimmungen einschließlich des Versorgungsgrades bei der\nFrequenznutzung und seiner zeitlichen Umsetzung.\n\n5\n\nNach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bringt das Gesetz mit\ndiesem Bestimmungsrecht zum Ausdruck, dass der Behorde bei der Festlegung\ndieser Vergabebedingungen - nicht auf der Tatbestandsseite, sondern auf der\nRechtsfolgenseite der Norm - ein Ausgestaltungsspielraum zusteht, der einer\nnur eingeschrankten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die gerichtliche\nKontrolle ist darauf beschrankt, ob die Bundesnetzagentur - von der Einhaltung\nder Verfahrensbestimmungen abgesehen - von einem richtigen Verstandnis der\ngesetzlichen Begriffe ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollstandig\nund zutreffend in den Blick genommen hat und bei der eigentlichen Bewertung im\nHinblick auf die in § 61 Abs. 3 Satz 2 TKG ausdrucklich hervorgehobenen\nKriterien widerspruchsfrei und plausibel argumentiert und insbesondere das\nWillkurverbot nicht verletzt hat. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat im\nAnwendungsbereich des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG eine komplexe\nGesamtabwagung fur erforderlich gehalten. Die einzustellenden Belange sind\ndabei allerdings durch Inhalt und Zweck der Entscheidung begrenzt. Mit dem\nVergabeverfahren nach § 61 Abs. 3 Satz 1 TKG soll namlich festgestellt werden,\nwelcher oder welche der Antragsteller am besten geeignet ist oder sind, die zu\nvergebenden Frequenzen effizient zu nutzen. Abwagungsrelevant sind daher nur\nsolche privaten und offentlichen Belange, die von der Entscheidung, inwieweit\neine (weitere) Verengung des Zugangsanspruchs der Zuteilungsbewerber durch die\nFestlegung von Vergabebedingungen in Betracht kommt, beruhrt werden.\n\n6\n\nZum Ganzen zuletzt BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 -, juris\n(Rn. 38).\n\n7\n\nDieses Normverstandnis widerspricht nicht der Rechtsschutzgarantie des Art. 19\nAbs. 4 GG. Diese verlangt zwar, dass das Gericht uber eine hinreichende\nPrufungsbefugnis hinsichtlich der tatsachlichen und rechtlichen Seite des\nRechtsschutzbegehrens sowie uber eine zureichende Entscheidungsmacht verfugt,\num einer etwaigen Rechtsverletzung wirksam abzuhelfen, steht aber normativ\neroffneten Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielraumen nicht von\nvornherein entgegen. So kann die gerichtliche Überprufung nicht weiter reichen\nals die materiell-rechtliche Bindung der Exekutive. Die gerichtliche Kontrolle\nendet dort, wo ihr das materielle Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher\nWeise Entscheidungen abverlangt, ohne dafur hinreichend bestimmte\nEntscheidungsprogramme vorzugeben. Insoweit hat die Verwaltung aufgrund\nnormativer Ermachtigung die Befugnis zur Letztentscheidung. Dabei lost auch\nder Umstand, dass die betreffende Verwaltungsentscheidung mit einem Eingriff\nin Grundrechte, insbesondere dasjenige aus Art. 12 Abs. 1 GG, verbunden ist,\nkein Verbot einer Letztentscheidungsermachtigung aus.\n\n8\n\nBVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 6 C 40.10 -, juris (Rn. 15 ff.); zu § 61\nAbs. 4 Satz 1 TKG ebenso BVerwG, Urteil vom 23. Marz 2011 - 6 C 6.10 -, juris\n(Rn. 38); zur Verfassungsmaßigkeit der Annahme eines Ausgestaltungsspielraums\nauch BVerfG, Beschluss vom 22. April 2014 - 1 BvR 2160/11 -, juris (Rn. 22).\n\n9\n\nAn diesem Maßstab gemessen halten die hier angefochtenen Vergabebedingungen\nder rechtlichen Überprufung stand.\n\n10\n\n2\\. Die Versorgungsverpflichtungen nach Ziffern III.4.3 bis 11 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung sind nach summarischer\nPrufung rechtmaßig.\n\n11\n\nEs handelt es sich um Frequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3\nSatz 2 Nr. 4 TKG, gegen deren rechtliche Zulassigkeit Bedenken nicht bestehen\nund die die Antragsgegnerin im Rahmen ihres Ausgestaltungsspielraums\nrechtsfehlerfrei bestimmt hat.\n\n12\n\na) aa) Der Begriff der Frequenznutzungsbestimmungen wird in § 61 Abs. 3 Satz 2\nNr. 4 TKG nicht definiert, sondern vielmehr vorausgesetzt. Als moglichen\nInhalt der Frequenznutzungsbestimmungen nennt die Vorschrift ausdrucklich den\nVersorgungsgrad bei der Frequenznutzung und seine zeitliche Umsetzung.\n\n13\n\nDazu BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 6 C 40.10 -, juris (Rn. 41); ferner\nBVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 -, juris (Rn. 30).\n\n14\n\n§ 61 Abs. 6 TKG konkretisiert den Begriff der Frequenznutzungsbestimmungen\nebenfalls nicht. Die Vorschrift bestimmt lediglich, dass Verpflichtungen, die\nAntragsteller im Laufe eines Versteigerungs- oder Ausschreibungsverfahrens\neingegangen sind, Bestandteile der Frequenzzuteilung werden.\nVergabebedingungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 TKG haben demzufolge\nunmittelbar rechtsgestaltende Wirkung fur die spatere Frequenznutzung.\n\n15\n\nBVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 -, juris (Rn. 31); siehe auch\n_Wagner_ , CR 2017, 604 (610): „Verpflichtungen [im Sinne des § 61 Abs. 6 TKG]\nsind sowohl behordlich vorgegebene Frequenznutzungsbestimmungen i.S.d. § 61\nAbs. 3 S. 2 Nr. 4 TKG als auch individuelle Zusagen und Versprechungen aus den\nim Verfahren abgegebenen Bewerbungen".\n\n16\n\nDer Annahme einer solchen unmittelbar rechtsgestaltenden Wirkung kann nicht\nentgegen gehalten werden, § 61 Abs. 6 TKG erstrecke sich nicht auf\nFrequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG. Dass\nFrequenznutzungsbestimmungen nicht im Wege freiwilliger Selbstverpflichtung\neingegangen, sondern hoheitlich auferlegt werden, erlangt im Anwendungsbereich\ndes § 61 Abs. 6 TKG keine Bedeutung.\n\n17\n\nAnders mit Blick auf Bedingung 7 in Teil B des Anhangs der Richtlinie\n2002/20/EG wohl _Fetzer_ , MMR 2018, 63 (67).\n\n18\n\nDenn Frequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG\nwerden insofern freiwillig eingegangen, als diese mit der Teilnahme am\nVersteigerungsverfahren bewusst akzeptiert werden. Dies gilt nicht nur fur\nsolche Bedingungen, die freiwillig angeboten werden, sondern auch fur solche,\ndie als Frequenznutzungsbestimmungen festgelegt werden.\n\n19\n\nSiehe BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 6 C 47.06 -, juris (Rn. 24); dazu\nauch _Trute/Kuhlmann_ , K&R 2018, Beihefter 1/2018 zu Heft 7/8, S. 10.\n\n20\n\nWelchen Inhalt Frequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2\nNr. 4 TKG im Einzelnen haben konnen, wird namentlich auch in der Begrundung\ndes Gesetzentwurfs nicht abschließend ausgefuhrt. Dort wird lediglich darauf\nverwiesen, dass das in § 61 Abs. 3 Satz 1 TKG benannte Auswahlkriterium der\nEffizienz der Frequenznutzung sachgerecht sei, weil es der in bestimmten\nFrequenzbereichen bestehenden Knappheit von Übertragungskapazitat Rechnung\ntrage, und die vor dem Vergabeverfahren festzulegenden Zulassungsbedingungen\nund Verfahrensregelungen ein diskriminierungsfreies Verfahren gewahrleisteten.\n\n21\n\nBT-Drs. 15/2316 S. 80.\n\n22\n\nDem Gesetzgeber standen demnach die Sicherstellung einer effizienten\nFrequenznutzung sowie die Ausgestaltung eines diskriminierungsfreien\nVergabeverfahrens vor Augen.\n\n23\n\nBVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 -, juris (Rn. 32).\n\n24\n\nDavon ausgehend erlaubt zuvorderst die systematische Stellung des § 61 Abs. 3\nSatz 2 Nr. 4 TKG Ruckschlusse auf den moglichen Inhalt von\nFrequenznutzungsbestimmungen. Die Vorschrift tragt dem Umstand Rechnung, dass\nim Falle eines Vergabeverfahrens nach §§ 55 Abs. 10 Satz 1, 61 Abs. 1 Satz 1\nTKG potenzielle Interessenten schon vor der Teilnahme an einem\nVergabeverfahren moglichst prazise erkennen konnen sollen, welchen Inhalt eine\nFrequenzzuteilung besitzen wird, insbesondere welche Verpflichtungen fur den\nZuteilungsinhaber damit verbunden sind.\n\n25\n\n _G oddel/Geppert_, in: Beck\'scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 61, Rn. 14;\nsiehe auch BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2015 - 1 BvR 2553/11 -, juris (Rn.\n22): „Ein Telekommunikationsanbieter erwirbt Nutzungsrechte in Kenntnis dieser\nbesonderen Versorgungspflichten, kann die mit dem Erwerb einhergehenden\nBelastungen also in seinem Geschaftskonzept berucksichtigen, insbesondere\nseine Kalkulation darauf ausrichten und zudem - vor Erwerb eines\nNutzungsrechts - prufen, ob er die mit dem Erwerb verbundenen Verpflichtungen\nund Belastungen tragen kann."\n\n26\n\nDas Vertrauen auf die abschließende rechtsgestaltende Wirkung der\nFrequenznutzungsbestimmungen ist dabei grundsatzlich schutzwurdig.\n\n27\n\nMit Blick auf Versorgungsverpflichtung im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4\nTKG BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 -, juris (Rn. 34).\n\n28\n\nFrequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG treten\ndaher an die Stelle von Festlegungen im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2\nSatz 1 TKG.\n\n29\n\n _Jenny_ , in: Heun (Hrsg.), Handbuch Telekommunikationsrechts, 2. Aufl. 2007,\nKapitel D, Rn. 223; ahnlich _S orries_, in: Sacker (Hrsg.), TKG, 3. Aufl.\n2013, § 61, Rn. 31; siehe auch VG Koln, Urteil vom 17. Marz 2010 - 21 K\n7671/09 -, juris (Rn. 98).\n\n30\n\nDaraus folgt, dass Frequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz\n2 Nr. 4 TKG zumindest solche Vorgaben enthalten konnen, die auch zum\nGegenstand von Inhaltsbestimmungen nach § 60 Abs. 1 Satz 1 TKG oder\nNebenbestimmungen gemaß § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG gemacht werden konnen. Hinzu\nkommen - wie gezeigt - Vorgaben zum Versorgungsgrad einschließlich dessen\nzeitlicher Umsetzung. Insoweit bedarf im vorliegenden Fall keiner\nEntscheidung, ob es sich bei der Bestimmung des Versorgungsgrades um eine\ngewissermaßen dritte Kategorie zulassiger Frequenznutzungsbestimmungen handelt\noder eine entsprechende Bestimmung eine Inhalts- oder Nebenbestimmung im Sinne\ndes § 60 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 TKG darstellt.\n\n31\n\nIn diese Richtung wohl BT-Drs. 15/2316, S. 81.\n\n32\n\nbb) Ersichtlich stellen die Versorgungsverpflichtungen nach III.4.3 bis 11 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung derartige Bestimmungen\ndes Versorgungsgrades bei der Frequenznutzung und daher\nFrequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG dar.\nDem lasst sich - anders als die Antragstellerin meint - nicht entgegen halten,\ndass die betreffenden Versorgungsverpflichtungen auch Übertragungsraten\nvorschreiben. Zwar nimmt der Wortlaut der Vorschrift allein den\nVersorgungsgrad in Bezug. Bezugspunkt der Bestimmung des Versorgungsgrades ist\njedoch der gesetzliche Zweck im Sinne des § 1 TKG, flachendeckend angemessene\nund ausreichende Dienstleistungen zu gewahrleisten.\n\n33\n\nBVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 -, juris (Rn. 30);\n_Hahn/Hartl/Dorsch_ , in: Scheurle/Mayen (Hrsg.), TKG, 3. Aufl. 2018, § 61,\nRn. 33.\n\n34\n\nDer Begriff der angemessenen Dienstleistungen meint aber gerade auch deren\nQualitat im Hinblick auf technische Standards.\n\n35\n\n _Scheurle/Kaienburg_ , in: Scheurle/Mayen (Hrsg.), TKG, 3. Aufl. 2018, § 1,\nRn. 99.\n\n36\n\nDass die in Ziffern III.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bestimmten Versorgungsverpflichtungen auch\nÜbertragungsraten vorschreiben, steht mithin nicht der Annahme entgegen, dass\nes sich um Frequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4\nTKG handelt. Es trifft entgegen der Auffassung der Antragstellerin nach dem\nVorstehenden namlich nicht zu, dass die Vorschrift lediglich die Festlegung\neiner Flachenabdeckung, nicht aber die Vorgabe einer Übertragungsrate erlaube.\nDass - wie die Antragstellerin ferner meint - die Vorgaben der Richtlinie\n2002/20/EG mit dem Begriff des Versorgungsgrades im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz\n2 Nr. 4 TKG nicht vollstandig umgesetzt worden waren, ist nach dem\nVorstehenden weder ersichtlich, noch im vorliegenden Verfahren von Bedeutung.\n\n37\n\nb) Unter Zugrundelegung des in der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts entwickelten Maßstabs der gerichtlichen Kontrolle\nstoßen die in Ziffern III.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung enthaltenen Frequenznutzungsbestimmungen nicht\nauf durchgreifende rechtliche Zweifel.\n\n38\n\nDie Bundesnetzagentur ist abgesehen von der insoweit nicht zweifelhaften\nEinhaltung der Verfahrensbestimmungen diesbezuglich von einem richtigen\nVerstandnis der gesetzlichen Begriffe ausgegangen, hat den erheblichen\nSachverhalt vollstandig und zutreffend in den Blick genommen und hat bei der\neigentlichen Bewertung im Hinblick auf die in § 61 Abs. 3 Satz 2 TKG\nausdrucklich hervorgehobenen Kriterien widerspruchsfrei und plausibel\nargumentiert und insbesondere das Willkurverbot nicht verletzt.\n\n39\n\naa) (1) (a) Den rechtlichen Maßstab, an dem die Bestimmung von\nVersorgungspflichten zu messen ist, bildet zunachst der Gedanke der\nZumutbarkeit. Versorgungsverpflichtungen nach § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG\nmussen nicht zuletzt aus Grunden des Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG zumutbar sein.\n\n40\n\nAllgemein dazu etwa BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 6 C 40.10 -, juris (Rn.\n43),\n\n41\n\nDiesbezuglich hat die Bundesnetzagentur ein fehlerhaftes Verstandnis der\ngesetzlichen Begriffe nicht dadurch erkennen lassen, dass sie im Hinblick auf\ndie in Ziffern III.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bestimmten Versorgungsverpflichtungen ausgefuhrt\nhat, dass samtliches zugeteiltes Spektrum, namentlich auch dasjenige unterhalb\n1 GHz zum kosteneffizienten Netzausbau genutzt werden konne.\n\n42\n\nBNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 257.\n\n43\n\nEin fehlerhaftes Verstandnis der gesetzlichen Begriffe folgt insoweit nicht\ndaraus, dass die im vorliegenden Vergabeverfahren zur Vergabe anstehenden\nFrequenzen in den 2 GHz und 3,6 GHz Bandern fur großflachige\nMobilfunkversorgung ungeeignet sind. Denn die Argumentation der\nAntragstellerin, dass § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG nur erlaube, den\nVersorgungsgrad gerade mit Blick auf die zu vergebenden Frequenzen\nfestzulegen, nicht jedoch einen Versorgungsgrad, der mit den zur Vergabe\nstehenden nicht erreicht werden konne, geht fehl.\n\n44\n\nObschon keine rechtliche Verpflichtung zur Nutzung von Frequenzen unterhalb 1\nGHz zur Erfullung der Versorgungsverpflichtungen nach Ziffern III.4.3 bis 11\nder streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung auferlegt wird,\nverweist die Bundesnetzagentur - wie gezeigt - zwar darauf, dass durch die\nNutzung der betreffenden Frequenzen unzumutbare Kostenbelastungen vermieden\nwerden konnten. Auch die von der Bundesnetzagentur eingeholte gutachterliche\nokonomische Bewertung nimmt an, dass bei der Untersuchung, ob die in Ziffern\nIII.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung\nbestimmten Versorgungsverpflichtungen den wirtschaftlichen Wert der zur\nVergabe gestellten Frequenzen ubersteigen, die Modellannahme zugrunde zu legen\nsei, dass bei der Berechnung der Anzahl der zu errichtenden Basisstationen aus\nbetriebswirtschaftlichen Grunden von einer Nutzung der Frequenzen unterhalb 1\nGHz auszugehen sei.\n\n45\n\nWIK-Consult, Versorgungsauflagen und Investitionen in den Netzaufbau (LTE/5G),\n22. November 2018, S. 13.\n\n46\n\nDies lasst ein fehlerhaftes Verstandnis der gesetzlichen Begriffe indes nicht\nerkennen.\n\n47\n\nHinsichtlich der von der Antragstellerin aufgeworfenen Frage, ob\nVersorgungsverpflichtungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG auf eine\nErfullung mit zur Vergabe stehenden Frequenzen gerichtet sein mussen, erweist\nsich zunachst die Formulierung des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG, wonach der\nVersorgungsgrad bei der Frequenznutzung bestimmt werden kann, als offen. Der\nWortlaut der Vorschrift enthalt keinen Anhaltspunkt dafur, dass sich der\nbetreffende Versorgungsgrad gerade auf die zur Vergabe stehenden Frequenzen\nbeziehen muss. Allerdings verweisen die Vorgaben des § 1 TKG, insbesondere der\nGrundsatz der Technologieneutralitat, sowie der Umstand, dass samtliche von\nder Bundesnetzagentur in Bezug genommene Frequenzen allgemein zur Nutzung als\ndrahtloser Netzzugang zum Angebot von Telekommunikation vergeben wurden und\nwerden, darauf, dass bei der Bestimmung des Versorgungsgrades allein die\nVersorgung mit Telekommunikation den Maßstab bildet.\n\n48\n\nAusfuhrlich _Hahn/Hartl/Dorsch_ , in: Scheurle/Mayen (Hrsg.), TKG, 3. Aufl.\n2018, § 61, Rn. 34.\n\n49\n\nUnionsrecht steht dem nicht entgegen. Bedingung 1 in Teil B des Anhangs der\nRichtlinie 2002/20/EG ermoglicht namlich gerade ganz allgemein die\nVerpflichtung zur Bereitstellung einer Dienstleistung oder zur Nutzung einer\nTechnologieart, fur die die Frequenznutzungsrechte erteilt wurden,\ngegebenenfalls einschließlich der Anforderungen in Bezug auf Reichweite und\nQualitat.\n\n50\n\nDazu _Hahn/Hartl/Dorsch_ , in: Scheurle/Mayen (Hrsg.), TKG, 3. Aufl. 2018, §\n61, Rn. 34.\n\n51\n\nBildet aber allein die Versorgung mit Telekommunikation den Maßstab der\nBestimmung des Versorgungsgrades, muss sich diese Bestimmung gerade nicht\nallein auf die im jeweiligen Vergabeverfahren zur Vergabe stehenden Frequenzen\nbeziehen.\n\n52\n\nAus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich nichts\nanderes. Auch danach findet sich in § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG keine\nFestlegung dahin, dass ein zur Erreichung der Regulierungsziele notwendiger\nVersorgungsgrad durch die konkret zur Vergabe gestellten Frequenzen erreicht\nwerden muss. Gegen ein derart restriktives Verstandnis spricht nach dem\nBundesverwaltungsgericht, dass es fur die Versorgung der Nutzer unerheblich\nist, mittels welcher Frequenzen ein Unternehmen Telekommunikation anbietet; es\nbesteht kein schutzwurdiges Interesse an einer spezifischen Versorgung mittels\nbestimmter Frequenzen, solange eine entsprechende Versorgung auf der Grundlage\nanderer Frequenzen gewahrleistet ist.\n\n53\n\nBVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 6 C 40.10 -, juris (Rn. 41).\n\n54\n\nDiese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lasst sich entgegen der\nAuffassung der Antragstellerin nicht dahingehend verstehen, dass es lediglich\nder bisherigen Praxis entspreche, Versorgungsverpflichtungen auch mit\nFrequenzen erfullen zu durfen, die aus anderen Vergabeverfahren stammten, dies\nallerdings ausschließlich als Erleichterung fur die Zuteilungsnehmer zu\nverstehen sei.\n\n55\n\nIn der seinerzeit streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung fuhrte\ndie Bundesnetzagentur aus, dass die Auferlegung von Versorgungsverpflichtungen\nin den jeweiligen Frequenzzuteilungen nicht beinhalte, dass die\nVersorgungsverpflichtungen auch mit jedem einzelnen der erworbenen\nFrequenzblocke zu erfullen ware. Vielmehr sei es sachgerecht, wenn die bereits\nrealisierte Versorgung der Bevolkerung auf die Erfullung der in dem damaligen\nVerfahren auferlegten Versorgungsverpflichtung angerechnet werde.\n\n56\n\nBNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer vom 12. Oktober 2009 uber die\nVerbindung der Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 790 bis 862 MHz sowie\n1710 bis 1725 MHz und 1805 bis 1820 MHz mit dem Verfahren zur Vergabe von\nFrequenzen in den Bereichen 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz fur den drahtlosen\nNetzzugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten sowie uber die\nDurchfuhrung des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 800\nMHz, 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz fur den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von\nTelekommunikationsdiensten, S. 91.\n\n57\n\nDiesbezuglich nahm das Bundesverwaltungsgericht an, dass die Bundesnetzagentur\nvon einem richtigen Normverstandnis ausgegangen ist, da ein zur Erreichung der\nRegulierungsziele notwendiger Versorgungsgrad von dem einzelnen\nZuteilungsinhaber gerade nicht durch die konkret zur Vergabe gestellten\nFrequenzen erreicht werden muss.\n\n58\n\nSiehe (nochmals) BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 6 C 40.10 -, juris (Rn. 40\nf.).\n\n59\n\nDas Bundesverwaltungsgericht nahm ausdrucklich darauf Bezug, dass eine bereits\nrealisierte Versorgung der Bevolkerung auf die Versorgungsverpflichtung nach §\n63 Abs. 2 Satz 1 TKG angerechnet werden kann.\n\n60\n\nBVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 6 C 40.10 -, juris (Rn. 40).\n\n61\n\nDie Gefahr von Fehlanreizen fur den Erwerb von Frequenzen ohne reale\nNutzungsabsicht sah das Bundesverwaltungsgericht uberdies dadurch als gebannt\nan, dass Frequenzen nur zugeteilt werden, wenn eine effiziente Frequenznutzung\ndurch den Antragsteller sichergestellt (§ 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 TKG) und\nandernfalls zudem ein Widerruf moglich (§ 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 TKG) und\nregelmaßig auch geboten ist.\n\n62\n\nBVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 6 C 40.10 -, juris (Rn. 42).\n\n63\n\nDies spricht dafur, dass auch nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts die Auferlegung von Versorgungsverpflichtungen im\nSinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG nicht auf eine Erfullung mit den zur\nVergabe stehenden Frequenzen gerichtet sein muss. Auch nach dieser\nRechtsprechung ist mithin nicht erkennbar, dass § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG\nden in Ziffern III.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bestimmten Versorgungsverpflichtungen\nentgegensteht.\n\n64\n\nDagegen lasst sich schließlich auch nicht anfuhren, dass § 61 Abs. 3 Satz 2\nNr. 4 TKG untrennbar mit § 61 Abs. 3 Satz 1 TKG verknupft ist, wonach mit dem\nVergabeverfahren festgestellt werden soll, welcher oder welche der\nAntragsteller am besten geeignet sind, gerade die zu vergebenden Frequenzen\neffizient zu nutzen. Denn der Gedanke der Bestenauslese schließt nicht etwa\nsolche Frequenznutzungsbestimmungen aus, die offentliche Interessen betreffen.\n\n65\n\nBVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 -, juris (Rn. 30).\n\n66\n\n(b) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass durch die\nVersorgungsverpflichtungen nach Ziffern III.4.3 bis 11 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung\nFrequenznutzungsbestimmungen vergangener Vergabeverfahren geandert wurden.\nDenn eine Entscheidung, die die Änderung oder Aufhebung von\nFrequenznutzungsrechten unmittelbar bewirkt,\n\n67\n\nzur Sperrwirkung einer bestandskraftigen Vergabeanordnung, die in zeitlicher\nHinsicht uber den Abschluss des jeweiligen Vergabeverfahrens hinausreicht\nBVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2017 - 6 B 30.16 -, juris (Rn. 31),\n\n68\n\nund deswegen einem anderen Regelungsregime als dem des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr.\n4 TKG unterworfen ist,\n\n69\n\nallgemein dazu VG Koln, Urteil vom 10. Juni 2015 - 21 K 4205/14 -, juris (Rn.\n53),\n\n70\n\ntrifft die streitgegenstandliche Prasidentenkammerentscheidung nicht. Deren\nZiffern III.4.3 bis 11 knupfen ausschließlich an ein erfolgreiches Gebot im\nvorliegenden Vergabeverfahren an. Die Frequenznutzungsbestimmungen fruherer\nVergabeverfahren bleiben demgegenuber unberuhrt.\n\n71\n\nÄhnlich _Sch utz/Schreiber_, MMR 2019, 19 (21).\n\n72\n\nAus den Vorgaben des Unionsrechts ergibt sich insoweit nichts anderes. Ziffern\nIII.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung laufen\nnach dem Vorstehenden namentlich Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2002/20/EG\nnicht zuwider.\n\n73\n\nZu dessen Anwendungsbereich EuGH, Urteil vom 21. Marz 2013 - C-375/11 -,\njuris.\n\n74\n\nAuch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach das Vertrauen\nauf die abschließende rechtsgestaltende Wirkung der\nFrequenznutzungsbestimmungen grundsatzlich schutzwurdig ist,\n\n75\n\nsiehe (nochmals) BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 -, juris (Rn.\n34),\n\n76\n\nfuhrt zu keinem anderen Ergebnis. Ersichtlich bezieht sich diese\nRechtsprechung nur auf das jeweilige Vergabeverfahren, weswegen sich aus ihr\nmit Blick auf Ziffern III.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung ebenfalls nichts ableiten lasst.\n\n77\n\nSchließlich geraten Ziffern III.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung mangels widerspruchlichen Vorgaben auch nicht\nmit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Konflikt, wonach\ninhaltlich widersprechende Regulierungsverfugungen unzulassig sind.\n\n78\n\nSiehe dazu etwa BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2012 - 6 C 3.11 -, juris (Rn. 15).\n\n79\n\n(c) Ausgehend vom Vorstehenden bildet eine rechtliche Grenze der Bestimmung\ndes Versorgungsgrades nach § 63 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG neben dem Maßstab der\nZumutbarkeit allenfalls das Verbot zweckwidriger Nebenbestimmungen im Sinne\ndes § 36 Abs. 3 VwVfG. Danach darf eine Nebenbestimmung dem Zweck des\nVerwaltungsaktes nicht zuwiderlaufen. Mit Nebenbestimmungen soll folglich der\nmit dem Rechtsvorgang beabsichtigte Zweck ermoglicht, nicht jedoch vereitelt\noder eingeschrankt werden.\n\n80\n\nSiehe nur _Stelkens_ , in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 9. Aufl. 2018,\n§ 36, Rn. 145.\n\n81\n\nDamit geraten die in Ziffern III.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bestimmten Versorgungsverpflichtungen jedenfalls\nnicht in Konflikt - unabhangig davon, ob auch die Bestimmung eines\nVersorgungsgrades gemaß § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG uberhaupt an den\nVoraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 TKG zu messen ist.\n\n82\n\nNichts anderes gilt im Hinblick auf die uber den Wortlaut des § 36 Abs. 3\nVwVfG hinausgehende Anforderung, dass Nebenbestimmungen nur dann zulassig\nsind, wenn sie sachbezogen und sachgerecht sind.\n\n83\n\nAllgemein dazu _Stelkens_ , in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 9. Aufl.\n2018, § 36, Rn. 148.\n\n84\n\nZiffern III.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung dienen namlich - wie gezeigt - nicht irgendeinem\nlegitimen Verwaltungszweck oder fordern lediglich den Zweck der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung.\n\n85\n\nZu diesem Maßstab allgemein _Stelkens_ , in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.),\nVwVfG, 9. Aufl. 2018, § 36, Rn. 148.\n\n86\n\n(d) Nach alledem bestehen auch keine Zweifel an der Rechtmaßigkeit der in\nZiffern III.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bestimmten Versorgungsverpflichtungen deswegen,\nweil diese - was der Wortlaut von Ziffer III.4.11 und 12 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung zeigt,\n\n87\n\ndazu BNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 447 ff.,\n\n88\n\n- auch dann zu erfullen sind, wenn Gebote lediglich fur das Spektrum im Bereich 3,6 GHz erfolgreich sind. Darauf, dass die Erfullung der betreffenden Versorgungsverpflichtungen gerade mit diesem Spektrum ausgehend von der Annahme der Bundesnetzagentur, eine flachendeckende Versorgung mit 5G sei unverhaltnismaßig,\n\n89\n\nBNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 261,\n\n90\n\nnicht in Betracht kommen durfte, kommt es nach dem Vorstehenden nicht an.\n\n91\n\n(2) Abgesehen davon ist die Bundesnetzagentur auch nicht deswegen von einem\nfehlerhaften Verstandnis der gesetzlichen Begriffe ausgegangen, weil\ninsbesondere die in Ziffer III.4.3 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bestimmte Versorgungsverpflichtung in\nWiderspruch zum Universaldienstregime nach §§ 78 ff. TKG stunde. Ohne Erfolg\nbleibt insoweit der Vorwurf der Antragstellerin, die betreffende\nVersorgungsverpflichtung sei rechtswidrig, weil sie eine annahernd\nflachendeckende Versorgung verlange und sich in der Flachenausdehnung nahezu\nvollstandig im Bereich von gesetzlich abschließend normierten\nUniversaldiensten bewege.\n\n92\n\nSiehe auch _Sch utz/Schreiber_, MMR 2019, 19 (21).\n\n93\n\nDie Vorschriften der §§ 78 ff. TKG nehmen zwar Mobilfunkdienste ausdrucklich\nnicht in Bezug. Allerdings folgt weder aus den Vorschriften des\nTelekommunikationsgesetzes noch aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben\nnamentlich des Art. 87f Abs. 1 GG, dass nahezu flachendeckende Angebote von\nTelekommunikation ausschließlich im Rahmen von Universaldiensten im Sinne des\n§§ 78 ff. TKG eingefordert werden durften. § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG,\nwonach die Bundesnetzagentur den Versorgungsgrad bei der Frequenznutzung\nbestimmt, soll namlich gewahrleisten, dass eine bestimmte Versorgung der\nNutzer (zugig) sichergestellt wird.\n\n94\n\n _Hahn/Hartl/Dorsch_ , in: Scheurle/Mayen (Hrsg.), TKG, 3. Aufl. 2018, § 61,\nRn. 32\n\n95\n\nBezugspunkt der Bestimmung des Versorgungsgrades ist - wie gezeigt - der\ngesetzliche Zweck im Sinne des § 1 TKG, flachendeckend angemessene und\nausreichende Dienstleistungen zu gewahrleisten.\n\n96\n\nSiehe (nochmals) BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 -, juris (Rn.\n30); _Hahn/Hartl/Dorsch_ , in: Scheurle/Mayen (Hrsg.), TKG, 3. Aufl. 2018, §\n61, Rn. 33.\n\n97\n\nAngesichts namentlich des Maßstabes flachendeckender Dienstleistungen lasst\nsich ein Vorrang des Universaldienstregimes nach §§ 78 ff. TKG gegenuber einer\nBestimmung des Versorgungsgrades bei der Frequenznutzung auf der Grundlage des\n§ 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG schon aus dem Telekommunikationsgesetz nicht\nherleiten.\n\n98\n\nNichts anderes folgt aus Art. 87f Abs. 1 GG. Der darin enthaltene\nInfrastruktursicherungsauftrag soll verhindern, dass es bei und nach der\nPrivatisierung und Liberalisierung des Telekommunikationswesens zu einer\nUnterversorgung mit Dienstleistungen kommt, weil der Wettbewerb (noch) nicht\nfunktioniert oder sich auf lukrative Bereiche beschrankt. Der Bereich des\nTelekommunikationswesens soll nur mit der Maßgabe aus der staatlichen Regie\nentlassen werden, dass dabei die Verantwortung des Staates fur die ehedem aus\nder Daseinsvorsorge entstandenen Aufgaben nicht aufgegeben wird. Das\nPrivatisierungsgebot des Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG zielt daher zwar auf den\nRuckzug des Staates aus dem Bereich der betreffenden Dienstleistungen; doch\nbegrundet der Infrastrukturgewahrleistungsauftrag des Art. 87f Abs. 1 GG die\nstaatliche Verantwortung, marktwirtschaftlich bedingte Nachteile fur eine\nGrundversorgung der Bevolkerung mit Telekommunikation zu verhindern.\n\n99\n\nZum Postwesen BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 1 BvR 1712/01 -, juris\n(Rn. 96).\n\n100\n\nArt. 87f Abs. 1 GG macht demzufolge die Erreichung eines bestimmten\nMindestniveaus an infrastruktureller Grundversorgung zur Pflicht, dessen\nUnterschreitung von Verfassungs wegen verboten ist.\n\n101\n\n _M ostl_, in: Maunz/Durig (Begr.), GG, Art. 87f (2010), Rn. 64.\n\n102\n\nSchon die Einlosung dieses Gewahrleistungsauftrages ist von Verfassungs wegen\naber nicht auf bestimmte Mittel festgelegt. Kennzeichnend ist vielmehr eine\nVielfalt an moglichen Instrumenten.\n\n103\n\n _M ostl_, in: Maunz/Durig (Begr.), GG, Art. 87f (2010), Rn. 76 ff.; ferner\n_Scheurle/Kaienburg_ , in: Scheurle/Mayen (Hrsg.), TKG, 3. Aufl. 2018, § 1,\nRn. 60.\n\n104\n\nDaruber hinaus ist Art. 87f Abs. 1 GG innerhalb seines Anwendungsbereichs der\nErreichung eines bestimmten Mindestniveaus an infrastruktureller\nGrundversorgung in kompetentieller Hinsicht zwar lex specialis zu Art. 73 Abs.\n1 Nr. 7 GG. Eine Ausschlusswirkung gegenuber Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG\ndahingehend, dass eine daruber hinausgehende Versorgung gesetzlich nicht\ngeregelt werden durfte, ist damit jedoch nicht verbunden.\n\n105\n\n _K uhling_, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87f (2015), Rn. 103.\n\n106\n\nVor diesem Hintergrund lasst sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin\nauch aus § 87f Abs. 1 GG nicht herleiten, dass nahezu flachendeckende Angebote\nvon Telekommunikation ausschließlich im Rahmen von Universaldiensten im Sinne\ndes §§ 78 ff. TKG eingefordert werden durften.\n\n107\n\nDeswegen bedarf im vorliegenden Verfahren schließlich keiner Klarung, ob die\nAnnahme eines Vorrangs des Universaldienstregimes gegenuber\nFrequenznutzungsbestimmungen gemaß § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG auch deswegen\nfehlgeht, weil die Vorschriften uber die Vergabe von Frequenzen anders als\ndiejenigen betreffend das Universaldienstregime die Frequenzbewirtschaftung\nregeln, durch die eine Knappheitssituation bewaltigt werden soll.\n\n108\n\nGrundlegend dazu BVerwG, Urteil vom 23. Marz 2011 - 6 C 6.10 -, juris (Rn.\n21).\n\n109\n\nDaruber hinaus kann der Bundesnetzagentur ein fehlerhaftes Verstandnis der\ngesetzlichen Begriffe auch nicht deswegen vorgeworfen werden, weil nach der\nAuffassung der Antragstellerin ausschließlich das Instrumentarium des\nUniversaldienstregimes zur Anwendung gelangen musse, wenn die Kosten der\nBereitstellung von Telekommunikation den gesamtwirtschaftlichen Nutzen\nuberstiegen und deren Erbringung fur die Öffentlichkeit als Grundversorgung\nunabdingbar und nicht mehr privatwirtschaftlich zu realisieren sei. Soweit die\nAntragstellerin der Sache nach damit auf Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG rekurriert,\nwerden nach dieser Vorschrift Dienstleistungen im Sinne des Art. 87f Abs. 1 GG\nzwar als privatwirtschaftliche Tatigkeiten durch die aus dem Sondervermogen\nDeutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private\nAnbieter erbracht. Der Begriff der Privatwirtschaftlichkeit verweist dabei\nauch auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und auf eine am Gewinnprinzip\norientierte Betatigung.\n\n110\n\nBVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 1 BvR 1712/01 -, juris (Rn. 95).\n\n111\n\nDen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit hat die Bundesnetzagentur namentlich bei\nder Bestimmung der in Ziffer III.4.3 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung enthaltenen Versorgungsverpflichtung sowie auch\nim Übrigen - wie bereits gezeigt - aber nicht verkannt. Abgesehen davon, dass\nsich der Rekurs der Bundesnetzagentur auf die Frequenzen unterhalb 1 GHz - wie\nvorstehend gezeigt -\n\n112\n\nnicht als fehlerhaft erweist, fuhrte die Bundesnetzagentur insoweit\ngrundlegend aus, dass bei der Auferlegung von Versorgungsverpflichtungen auf\ndie Angemessenheit und wirtschaftliche Zumutbarkeit und letztlich die\nVerhaltnismaßigkeit der Maßnahme zu achten sei.\n\n113\n\nGrundlegend BNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur\nfur Elektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26.\nNovember 2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln)\nund uber die Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 225, 251, 253, 255 f., 261.\n\n114\n\nVor diesem Hintergrund rechtfertigt auch der Vorwurf, dass die in der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung bestimmten\nVersorgungsverpflichtungen einen Zwang zu nicht kaufmannischem Verhalten\nenthielten, kein diesbezuglich geschaftlich fundierter Bedarf bestehe und\ndemzufolge kein nachfragegerechter Ausbau verlangt werde und der Ausbau auch\nnicht eigenwirtschaftlich motiviert sei, nicht die Annahme, die\nBundesnetzagentur sei von einem fehlerhaften Verstandnis der gesetzlichen\nBegriffe namentlich des Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG ausgegangen. Denn eine\nAuslegung von Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG, die ausnahmslos auf die Schaffung von\nWettbewerb hinauslauft, wird vom Grundgesetz unter keinem rechtlichen\nGesichtspunkt gestutzt.\n\n115\n\nBVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 1 BvR 1712/01 -, juris (Rn. 95).\n\n116\n\nNichts anderes ergibt sich auch insoweit daraus, dass mit dem Vergabeverfahren\nnach § 61 Abs. 3 Satz 1 TKG festgestellt werden soll, welcher oder welche der\nAntragsteller am besten geeignet sind, die zu vergebenden Frequenzen gerade\neffizient zu nutzen.\n\n117\n\nSiehe dazu (nochmals) BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 -, juris\n(Rn. 31).\n\n118\n\nNamentlich § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG, wonach die Bundesnetzagentur den\nVersorgungsgrad bei der Frequenznutzung bestimmen kann, bringt namlich - wie\ngezeigt - zum Ausdruck, dass der Gedanke der Bestenauslese nicht etwa solche\nFrequenznutzungsbestimmungen ausschließt, die offentliche Interessen\nbetreffen.\n\n119\n\nDazu (nochmals) BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 -, juris (Rn.\n30).\n\n120\n\n(3) Ein fehlerhaftes Verstandnis der gesetzlichen Begriffe kann der\nBundesnetzagentur des Weiteren auch nicht deswegen vorgeworfen werden, weil\nsie mit Ziffern III.4.7 und 8 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung die staatliche Infrastrukturverantwortung fur\nSchienenwege auf die bundesweit tatigen Mobilfunknetzbetreiberinnen delegiert\nhatte.\n\n121\n\nZwar regelt Art. 89e Abs. 4 Satz 1 GG einen Gewahrleistungsverantwortung\ndahingehend, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den\nVerkehrsbedurfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der\nEisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem\nSchienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen,\nRechnung getragen wird. Deren Geltungsbereich erstreckt sich allerdings\nlediglich auf den Ausbau und Erhalt des offentlichen Schienennetzes, also auf\ndie Eisenbahninfrastruktur der Eisenbahnen des Bundes. Darunter fallt die\nBeforderung durch Eisenbahnen, die das Gesamtsystem „Rad/Schiene", also das\nErbringen von Verkehrsleistungen und das Betreiben der hierfur notwendigen\nInfrastruktur erfasst, nicht aber die Versorgung mit Telekommunikation.\n\n122\n\nSiehe _Windthorst_ , in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 87e, Rn. 14,\n59.\n\n123\n\n(4) Gleiches gilt fur den Bereich der Wasserwege. Auch insoweit besteht von\nVerfassungs wegen keine staatliche Gewahrleistungsverantwortung in dem von der\nAntragstellerin behaupteten Sinne. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen nach\nArt. 89 Abs. 2 Satz 1, 3 und 4 GG betrifft grundsatzlich alle administrativen\nTatigkeiten, die mit der Funktion der entsprechenden Gewasser als Verkehrswege\nin Zusammenhang stehen. Ihre Grenze findet diese so genannte\nWasserwegeverwaltung der Bundeswasserstraßen in den durch Art. 89 Abs. 2 Satz\n2 GG geregelten Aufgaben der Wasserverkehrsverwaltung. Daher umfasst die\nWasserwegeverwaltung vor allem den Neubau, den Ausbau und die Unterhaltung der\nBundeswasserstraßen sowie die Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht.\nDaruber hinaus ubertragt Art. 89 Abs. 2 Satz 1 dem Bund auch die Wahrnehmung\nder Rechte und Pflichten, die aus der privatrechtlichen Eigentumerstellung des\nBundes folgen.\n\n124\n\n _Gr opl_, in: Maunz/Durig (Begr.), GG, Art. 89 (2007), Rn. 62 ff.\n\n125\n\nDie dem Bund ubertragene Verwaltung bezieht sich demnach nicht auf jeden\nverwaltungsmaßig relevanten Aspekt der Bundeswasserstraßen, sondern ist auf\nihre begriffsbestimmende Funktion als Verkehrsweg beschrankt.\n\n126\n\nBVerfG, Beschluss vom 11. April 1967 - 2 BvG 1/62 -, juris (Rn. 27).\n\n127\n\nAuch die Verkehrssicherungspflicht fur Bundeswasserstraßen verlangt lediglich,\ndass fur den Schiffsverkehr zur Verfugung gestellte Gewasser im Rahmen des\nMoglichen und Zumutbaren zu sichern und damit verbundene Gefahren fur seine\nBenutzer und fur Dritte abzuwehren sind.\n\n128\n\n _Gr opl_, in: Maunz/Durig (Begr.), GG, Art. 89 (2007), Rn. 68.\n\n129\n\nDaneben erstreckt sich auch die Zustandigkeit des Bundes fur die Binnen- und\nSeeschifffahrtsverwaltung allein auf die einschlagigen staatlichen Aufgaben.\nStaatliche Aufgaben der Binnen- und Seeschifffahrt sind alle mit dem\nSchiffsverkehr auf den Wasserstraßen zusammenhangenden offentlich-rechtlichen,\ninsbesondere hoheitlichen Angelegenheiten. Darunter fallt die Gewahrleistung\nder Sicherheit und Leichtigkeit des Wasserstraßenverkehrs, in erster Linie die\nGefahrenabwehr und daraus folgende Benutzungsregeln.\n\n130\n\n _Gr opl_, in: Maunz/Durig (Begr.), GG, Art. 89 (2007), Rn. 105.\n\n131\n\nAuch Art. 89 Abs. 2 Satz 2 GG betrifft mithin nicht die Versorgung mit\nTelekommunikation. Nichts anderes folgt schließlich auch mit Blick auf das von\nder Antragstellerin in Bezug genommene Lotsenwesen. Denn Seelotsen uben gemaß\n§ 21 Abs. 1 SeeLG ihre Tatigkeit im Rahmen funktionaler Selbstverwaltung,\n\n132\n\nsiehe dazu BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 1 C 13.91 -, juris (Rn. 38),\n\n133\n\nals freien, nicht gewerblichen Beruf aus. Auch insoweit lasst sich eine von\nder Antragstellerin behauptete staatliche Gewahrleistungsverantwortung\nfolglich nicht begrunden.\n\n134\n\nSchließlich hat die Bundesnetzagentur mit Blick auf Ziffer III.4.7 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung die gesetzlichen Begriffe\nnamentlich auch des § 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG nicht verkannt. Danach gehort es zu\nden Zielen der Regulierung, die Entwicklung des Binnenmarktes der Europaischen\nUnion zu fordern. In § 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG kommt zum Ausdruck, dass die\nRegulierungspolitik nicht nur nationale Markte betrifft, sondern zugleich\neinen wichtigen Beitrag zur Entwicklung eines europaischen Binnenmarktes\nleisten soll.\n\n135\n\nBT-Drs. 15/2316, S. 56.\n\n136\n\nNach Art. 8 Abs. 3 Richtlinie 2002/21/EG tragen die nationalen\nRegulierungsbehorden zur Entwicklung des Binnenmarktes bei, indem sie unter\nanderem verbleibende Hindernisse fur die Bereitstellung elektronischer\nKommunikationsnetze und -dienste abbauen (lit. a), den Aufbau und die\nEntwicklung transeuropaischer Netze fordernund den Aufbau und die Entwicklung\ntranseuropaischer Netze und die Interoperabilitat europaweiter Dienste sowie\ndie durchgehende Konnektivitat fordern (lit. b), gewahrleisten, dass Anbieter\nelektronischer Kommunikationsnetze und -dienste keine diskriminierende\nBehandlung erfahren (lit. c) und untereinander und mit der Kommission in\ntransparenter Weise zusammenarbeiten, um die Entwicklung einer einheitlichen\nRegulierungspraxis sicherzustellen (lit. d). Ausgehend davon liegt ein\nfehlerhaftes Verstandnis der gesetzlichen Begriffe des § 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG\nnicht vor. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus dem Vorwurf der\nAntragstellerin, die Bundesnetzagentur habe falschlicherweise auf den freien\nWarenverkehr auf Wasserstraßen Bezug genommen. Denn ausdrucklich geht die\nBundesnetzagentur davon aus, dass fur die Einfuhrung und Weiterentwicklung\nneuer funkbasierter Technologien im Bereich von Transport und Logistik\ninsbesondere eine leistungsfahige Mobilfunkversorgung an Bedeutung gewinnen\nwird.\n\n137\n\nBNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 350.\n\n138\n\nDies lasst deutlich erkennen, dass die Bundesnetzagentur im Zusammenhang mit §\n2 Abs. 2 Nr. 3 TKG einen effizienten und zukunftssicheren Warenverkehr\ninnerhalb der Europaischen Union nicht unmittelbar in Bezug genommen hat,\nsondern diesen vielmehr als Ziel der Bereitstellung einer leistungsfahigen\nMobilfunkversorgung benannt hat, die ihrerseits innerhalb des\nAnwendungsbereichs des Art. 8 Abs. 3 Richtlinie 2002/21/EG liegt.\n\n139\n\nbb) Neben einem nach alledem zutreffenden Verstandnis der gesetzlichen\nBegriffe hat die Bundesnetzagentur im Hinblick auf die in Ziffern III.4.3 bis\n11 der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung bestimmten\nVersorgungsverpflichtungen auch den erheblichen Sachverhalt vollstandig und\nzutreffend in den Blick genommen und bei der eigentlichen Bewertung\nwiderspruchsfrei und plausibel argumentiert und insbesondere das Willkurverbot\nnicht verletzt.\n\n140\n\nEtwas anderes ergibt sich schon ganz grundsatzlich nicht aus der Auffassung\nder Antragstellerin, dass Versorgungsverpflichtungen unzulassig seien, die zu\neinem umfangreichen Netzausbau losgelost von unternehmerischer Kalkulation\nzwangen, was umso mehr gelte, als voraussichtlich erhebliche finanzielle\nMittel im Rahmen des bevorstehenden Versteigerungsverfahrens aufzuwenden seien\nund die Bundesnetzagentur in der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bereits angekundigt habe, den Versorgungsgrad im\nRahmen einer Vergabe der in bis zu den Jahren 2025 und 2033 zugeteilten\nFrequenzen weiter definieren zu wollen.\n\n141\n\nDazu BNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, S. 3.\n\n142\n\nDarauf kommt es ausgehend von dem in der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts entwickelten Maßstab der gerichtlichen Kontrolle\nnicht an.\n\n143\n\n(1) Im Hinblick auf die in Ziffern III.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung enthaltenen Versorgungsverpflichtungen hat die\nBundesnetzagentur zunachst den erheblichen Sachverhalt vollstandig und\nzutreffend in den Blick genommen.\n\n144\n\n(a) Es trifft entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin nicht zu, dass die\nBundesnetzagentur die okonomischen Auswirkungen der betreffenden\nVersorgungsverpflichtungen nicht ermittelt und gewurdigt hatte. Sie hat\nvielmehr die in der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung\nbestimmten Versorgungsverpflichtungen einer gutachterlichen okonomischen\nBewertung unterzogen und diese Bewertung der Bestimmung der betreffenden\nVersorgungsverpflichtungen auch zugrunde gelegt.\n\n145\n\nSiehe BNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 255 f.\n\n146\n\nDaruber hinaus rechtfertigen auch die von der Antragstellerin geltend\ngemachten Zweifel am Inhalt der betreffenden gutachterlichen Bewertung nicht\nden Vorwurf, die Bundesnetzagentur habe den erheblichen Sachverhalt nicht\nvollstandig oder unzutreffend in den Blick genommen. Nach der Rechtsprechung\ndes Bundesverwaltungsgerichts sind Sachverstandigengutachten namlich nur dann\nunzureichend, wenn sie offen erkennbare Mangel oder unlosbare Widerspruche\naufweisen, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn\nAnlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit bestehen.\n\n147\n\nMit Blick auf die gerichtliche Überzeugungsbildung in vorliegendem\nZusammenhang BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2014 - 6 B 50.13 -, juris (Rn.\n40).\n\n148\n\nAnhaltspunkte dafur sind nach summarischer Prufung vorliegend nicht\nersichtlich.\n\n149\n\n(b) Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die Bundesnetzagentur nicht den\nerheblichen Sachverhalt vollstandig und zutreffend in den Blick genommen\nhatte. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Umsetzung\nder in Ziffern III.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bestimmten Versorgungsverpflichtungen - wie die\nAntragstellerin meint - wegen der derzeitigen Auslastung des Baugewerbes\nunmoglich ware. Denn dafur ist nichts ersichtlich. Dass die Bundesnetzagentur\nkeine dahingehenden Überlegungen angestellt hat, zieht demnach nicht in\nZweifel, dass sie den erheblichen Sachverhalt vollstandig und zutreffend in\nden Blick genommen hat.\n\n150\n\nGleiches gilt fur das Vorbringen der Antragstellerin, es verdichteten sich die\nAnzeichen dafur, chinesische Netzwerkausruster sollten vom Infrastrukturausbau\nim Bereich 5G ausgeschlossen werden. Dies ergibt sich unabhangig von der\ninhaltlichen Richtigkeit dieses Vorbringen jedenfalls bereits daraus, dass\nmaßgeblicher Zeitpunkt fur die Beurteilung der Sach- und Rechtslage vorliegend\nder Erlass der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung ist.\n\n151\n\nAllgemein BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 -, juris (Rn. 17).\n\n152\n\nAus demselben Grund vermag die Antragstellerin aus den zwischenzeitlich\nveroffentlichten Eckpunkten zusatzlicher Sicherheitsanforderungen an\nTelekommunikationsnetze im vorliegenden Verfahren nichts fur sich herzuleiten.\n\n153\n\nSchließlich kann die Antragstellerin der Bundesnetzagentur auch nicht deswegen\nden Vorwurf machen, sie habe den erheblichen Sachverhalt unvollstandig oder\nunzutreffend in den Blick genommen, weil das Vorgehen bei der Vergabe von\nFrequenzen im Bereich von 3700 bis 3800 MHz nicht abschließend feststehe.\nDabei handelt es sich namlich schon nicht um den erheblichen Sachverhalt im\nvorstehenden Sinne.\n\n154\n\n(2) Daruber hinaus hat die Bundesnetzagentur hinsichtlich der in Ziffern\nIII.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung\nbestimmten Versorgungsverpflichtungen bei der eigentlichen Bewertung auch\nwiderspruchsfrei und plausibel argumentiert und insbesondere das Willkurverbot\nnicht verletzt.\n\n155\n\n(a) Im Hinblick darauf, dass die Bundesnetzagentur - wie gezeigt - davon\nausgeht, dass durch die Nutzung der Frequenzen unterhalb 1 GHz unzumutbare\nKostenbelastungen bei der Erfullung der betreffenden\nVersorgungsverpflichtungen vermieden werden konnten,\n\n156\n\ndazu (nochmals) BNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der\nBundesnetzagentur fur Elektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und\nEisenbahnen vom 26. November 2018 uber die Festlegungen und Regeln im\nEinzelnen (Vergaberegeln) und uber die Festlegungen und Regelungen fur die\nDurchfuhrung des Verfahrens (Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den\nBereichen 2 GHz und 3,6 GHz, Rn. 257,\n\n157\n\nsind dahingehende Defizite nicht erkennbar. Zwar sind die Frequenzen unterhalb\n1 GHz nicht bis zum Zeitpunkt der Befristung der vorliegend zur Vergabe\nstehenden Frequenzen im Sinne von Ziffer III.4.2 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung zugeteilt. Es erweist sich indes weder als\nwiderspruchlich noch unplausibel und verletzt auch das Willkurverbot nicht,\ndass die Bundesnetzagentur insbesondere mit Blick auf Ziffer III.4.3 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung davon ausgegangen ist,\ndass bundesweite Mobilfunknetzbetreiberinnen gegenwartig uber insoweit\nausreichendes Spektrum verfugten, und daruber hinaus der Befristung der\nbetreffenden Frequenzzuteilungen keine Bedeutung beizumessen sei. Gleiches\ngilt im Hinblick darauf, dass die Bundesnetzagentur auf die Frequenzen\nunterhalb 1 GHz insgesamt Bezug genommen und eine weitergehende\nDifferenzierung nicht fur notwendig erachtet hat.\n\n158\n\nBNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 278.\n\n159\n\nDenn die Bundesnetzagentur geht in im vorliegenden Verfahren nicht zu\nbeanstandender Weise von der kunftigen Durchfuhrung von\nFrequenzvergabeverfahren aus,\n\n160\n\nsiehe (nochmals) BNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der\nBundesnetzagentur fur Elektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und\nEisenbahnen vom 26. November 2018 uber die Festlegungen und Regeln im\nEinzelnen (Vergaberegeln) und uber die Festlegungen und Regelungen fur die\nDurchfuhrung des Verfahrens (Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den\nBereichen 2 GHz und 3,6 GHz, S. 3,\n\n161\n\nund durfte insoweit den Wiedererwerb des betreffenden Spektrums unterstellen.\nDass die Antragstellerin insoweit rugt, ein solcher Wiedererwerb sei\nkeinesfalls sichergestellt und die streitgegenstandliche\nPrasidentenkammerentscheidung zwinge sie zum Wiedererwerb der betreffenden\nFrequenzen, lasst die Einschatzung der Bundesnetzagentur nicht unvertretbar\nerscheinen. Denn lediglich theoretisch mogliche Entwicklungen, die sich auch\nsonst nicht mit absoluter Sicherheit ausschließen lassen, sind fur die\nBewertung unerheblich.\n\n162\n\nAllgemein dazu BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 6 C 41.10 -, juris (Rn. 19).\n\n163\n\n(b) Dass die Bundesnetzagentur in diesem Zusammenhang davon ausgeht, dass die\nokonomischen Auswirkungen der in der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bestimmten Versorgungsverpflichtungen im\nBietwettbewerb hinsichtlich der Frequenzen bei 2 GHz und 3,6 GHz\nberucksichtigt werden konnten,\n\n164\n\nBNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 258,\n\n165\n\nist ebenfalls nicht zu beanstanden. Dass im Voraus nicht feststeht, welches\nGebot erfolgreich sein wird, ist der Wahl des Versteigerungsverfahrens\nimmanent, die Regelungsgegenstand allein der Entscheidung der\nBundesnetzagentur uber die Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von\nFrequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz fur den drahtlosen Netzzugang\nvom 14. Mai 2018 ist. Nichts anderes gilt unter Berucksichtigung der in Ziffer\nIII.4.12 der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung fur\nNeueinsteiger gesondert bestimmten Versorgungsverpflichtungen. Die Begrundung\ndes Gesetzentwurfs fuhrt diesbezuglich ausdrucklich aus, dass das\nVersteigerungsverfahren ein geeignetes und rechtsstaatliches zulassiges\nAuswahlverfahren sei. Anders als in anderen Bereichen, in denen es um die\nVerteilung knapper Guter gehe, sei ein solches okonomisches Auswahlkriterium\nbei der Frequenzvergabe rechtsstaatlich unbedenklich.\n\n166\n\nBT-Drs. 2316/15, S. 80.\n\n167\n\nVor diesem Hintergrund ist die Bezugnahme der Bundesnetzagentur auf den\nGedanken des Bietwettbewerbs rechtlich nicht zu beanstanden. Auch dass sich\ndie drei bislang bundesweit tatigen Mobilfunknetzbetreiberinnen aus\nmarktwirtschaftlichen Grunden gezwungen sehen mogen, vorliegend zur Vergabe\nstehende Frequenzen zu erlangen, stellt deswegen die Plausibilitat der\nbetreffenden Erwagungen der Bundesnetzagentur nicht in Frage.\n\n168\n\n(c) Ferner erweist sich auch die Argumentation der Bundesnetzagentur im\nHinblick auf die Mindestgebote nach Ziffer III.5 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung als widerspruchsfrei und plausibel. Es ist auch\ninsoweit nicht ersichtlich, dass die Bundesnetzagentur in unzulassiger Weise\nausgeblendet hatte, dass die Teilnahme von Neueinsteigern an der Versteigerung\nAuswirkungen auf deren Ausgang haben konnte. Des Weiteren erweist es sich auch\ninsbesondere nicht als unplausibel, dass die Bundesnetzagentur eine Absenkung\nder Mindestgebote im Hinblick auf die in der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bestimmten Versorgungsverpflichtungen\nvorgenommen hat. Denn ausdrucklich merkt die Bundesnetzagentur insoweit selbst\nan, dass aus niedrigeren Mindestgeboten nicht automatisch niedrigere\nHochstgebote resultierten.\n\n169\n\nBNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 630.\n\n170\n\n(d) Dem Gebot, bei der eigentlichen Bewertung widerspruchsfrei und plausibel\nzu argumentieren und insbesondere das Willkurverbot nicht zu verletzen, hat\ndie Bundesnetzagentur auch im Hinblick darauf ausreichend Rechnung getragen,\ndass die streitgegenstandliche Prasidentenkammerentscheidung in ihren Ziffern\nIII.4.5 bis 9 eine Anrechnung der Versorgung durch andere Zuteilungsinhaber\nvorsieht, um ubermaßige Belastungen zu vermeiden, und ihren Erwagungen\nausdrucklich die Moglichkeit von Kooperationen der Mobilfunknetzbetreiberinnen\nzugrunde legt.\n\n171\n\nGrundlegend BNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur\nfur Elektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26.\nNovember 2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln)\nund uber die Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 239 f., 260.\n\n172\n\nMit diesen Erwagungen greift die Bundesnetzagentur auf, dass die von ihr in\nAuftrag gegebene gutachterliche okonomische Bewertung zu dem Ergebnis gelangt,\ndass hinsichtlich der betreffenden Versorgungsverpflichtungen eine Anrechnung\nder Versorgung anderer Mobilfunknetzbetreiberinnen zur Vermeidung unzumutbarer\nKostenbelastungen bei deren Erfullung erfolgen musse.\n\n173\n\nWIK-Consult, Versorgungsauflagen und Investitionen in den Netzaufbau (LTE/5G),\n22. November 2018, S. 19.\n\n174\n\nAuch insoweit hat die Bundesnetzagentur eine in sich schlussige Regelung\ngetroffen. Etwas anderes ergibt sich weder aus dem Vorwurf, die anrechenbare\nVersorgung anderer Mobilfunknetzbetreiberinnen sei nicht planbar, noch aus dem\nVorhalt, Kooperationsmoglichkeiten konnten erst nach Abschluss des\nVersteigerungsverfahrens eruiert werden. Denn ersichtlich hat die\nBundesnetzagentur mit Blick auf Ziffern III.4.5 bis 9 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung auf das wohlverstandene\nEigeninteresse der Marktteilnehmer gebaut.\n\n175\n\nDazu in vorliegendem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 23. Marz 2011 - 6 C 6.10\n-, juris (Rn. 41).\n\n176\n\nDies ist vertretbar.\n\n177\n\nSelbst wenn das Gebot einer plausiblen Argumentation den Maßstab der\nPlanbarkeit einschließen sollte,\n\n178\n\nsiehe (nochmals) BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2015 - 1 BvR 2553/11 -, juris\n(Rn. 22),\n\n179\n\nsetzt dieser lediglich voraus, dass sich die Betroffenen ein vollstandiges,\nverlassliches Bild machen und eine sinnvolle Entscheidung treffen konnen.\n\n180\n\nSo zum Eisenbahnregulierungsrecht grundlegend BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2012\n- 6 C 42.10 -, juris (Rn. 22).\n\n181\n\nAuch dies ist hier der Fall. Zum einen kann bei der in Ziffern III.4.5 bis 9\nder streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung vorgesehenen\nAnrechnung der bisherige Netzausbau zugrunde gelegt werden. Daruber hinaus\ngeht die Bundesnetzagentur ausdrucklich davon aus, dass ubermaßige Belastungen\ndurch die in Ziffern III.4.5 bis 9 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bestimmten Versorgungsverpflichtungen nur\ndadurch zu vermeiden seien, dass der entsprechende Netzausbau nur den drei\nbislang bundesweit tatigen Mobilfunknetzbetreiberinnen gemeinsam abverlangt\nwerde. Dies ermoglicht es, dass sich die betreffenden\nMobilfunknetzbetreiberinnen ein vollstandiges, verlassliches Bild machen und\neine sinnvolle Entscheidung treffen konnen. Darauf, dass die drei bislang\nbundesweit tatigen Mobilfunknetzbetreiberinnen nicht abschatzen konnen, welche\nAusbauanstrengungen die jeweils anderen Betreiberinnen kunftig unternehmen\nwerden, kommt es angesichts des von der Bundesnetzagentur zugrunde gelegten\nRegelungsregimes hingegen nicht an.\n\n182\n\nDie Bundesnetzagentur hat insoweit schließlich auch nicht deswegen\nwiderspruchlich oder unplausibel argumentiert oder das Willkurverbot verletzt,\nweil sie kartellrechtliche Anforderungen unbeachtet gelassen hatte. Dass das\nKartellrecht ganz grundsatzlich Kooperationen der drei bislang bundesweit\ntatigen Mobilfunknetzbetreiberinnen entgegenstunde, ist nicht ersichtlich.\n\n183\n\n(e) Aus demselben Grund vermag die Antragstellerin auch nicht mit Erfolg\ngeltend zu machen, dass Ziffern III.4.8 und 9 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung auf Kooperationen mit den Betreibern der\nSchienenwege sowie den Eisenbahnverkehrsunternehmen rekurriere. Zwar geht die\nBundesnetzagentur diesbezuglich davon aus, dass der Netzaufbau entlang der\nSchienenwege stark von der Mitwirkung der Betreiber der Schienenwege abhange\nund Kooperationen mit diesen Betreibern und Eisenbahnverkehrsunternehmen die\nKosten des Mobilfunknetzausbaus reduzieren konnten.\n\n184\n\nSiehe nur BNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 379.\n\n185\n\nDies steht nach dem Vorstehenden indes nicht der Annahme entgegen, die\nBundesnetzagentur habe widerspruchsfrei und plausibel argumentiert und\ninsbesondere das Willkurverbot nicht verletzt. Dass die Begrundung der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung zu ihren Ziffern III.4.8\nbis 9 keine Regulierungsziele im Sinne des § 2 TKG anfuhrt, ist ausgehend von\ndem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Maßstab\nder gerichtlichen Kontrolle fur sich genommen schließlich unerheblich.\n\n186\n\n(f) Im Übrigen dringt die Antragstellerin nicht mit ihrem Vorbringen durch,\ndie streitgegenstandliche Prasidentenkammerentscheidung verstoße gegen das\nDiskriminierungsverbot. Zwar sollen (auch) die Frequenznutzungsbestimmungen im\nSinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG ein diskriminierungsfreies Verfahren\ngewahrleisten.\n\n187\n\nBT-Drs. 15/2316, 80.\n\n188\n\nAuch nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2002/20/EG mussen namentlich\nBedingungen im Sinne von Bedingung 7 in Teil B des Anhangs der Richtlinie\n2002/20/EG in Bezug auf das betreffende Netz oder den betreffenden Dienst\nobjektiv gerechtfertigt, nichtdiskriminierend, verhaltnismaßig und transparent\nsein. Ganz grundsatzlich erteilt nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2002/20/EG\nder Mitgliedstaat ferner Nutzungsrechte fur Funkfrequenzen im Falle ihrer\nBeschrankung nach objektiven, transparenten, nichtdiskriminierenden und\nverhaltnismaßigen Auswahlkriterien. Das im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle\nmaßgebliche Willkurverbot verletzt die streitgegenstandliche\nPrasidentenkammerentscheidung indes nicht. Das Willkurverbot ist namlich nur\nim Falle einer evidenten Unsachlichkeit verletzt.\n\n189\n\nMit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG grundlegend BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1961 -\n2 BvR 49/60 -, juris (Rn. 20).\n\n190\n\nEine solche evidente Unsachlichkeit ist vorliegend nicht erkennbar.\n\n191\n\n(1) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin\nzunachst nicht daraus, dass die streitgegenstandliche\nPrasidentenkammerentscheidung fur den Fall des Erwerbs ausschließlich solcher\nFrequenzen, die noch bis zum Jahre 2025 zugeteilt sind, die zeitliche\nUmsetzung der in ihr bestimmten Versorgungsverpflichtungen abweichend vorgibt.\n\n192\n\nBNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 288, 305, 326, 344, 363, 395, 417, 430.\n\n193\n\nDer Vorwurf der Antragstellerin, sie werde dadurch benachteiligt, da ihr in\ngroßem Umfang die betreffenden Frequenzen zugeteilt seien und die abweichende\nVorgabe zur zeitlichen Umsetzung der in der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bestimmten Versorgungsverpflichtungen bei einem\nerfolgreichen Gebot betreffend auch die ubrigen Frequenzen nicht zur Anwendung\ngelange, ist insoweit unerheblich. Schon eine am Diskriminierungsverbot zu\nmessende Gleichbehandlung der Antragstellerin ist diesbezuglich nicht\nersichtlich. Das Diskriminierungsverbot gebietet es zwar, Gleiches gleich,\nUngleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Damit wird\nallerdings nicht jede Differenzierung untersagt. Ebenso wenig besteht eine\nVerpflichtung, Ungleiches unter allen Umstanden ungleich zu behandeln.\n\n194\n\nZu Art. 3 Abs. 1 GG zuletzt nur BVerfG, Urteil vom 16. Marz 2004 - 1 BvR\n1778/01 -, juris (Rn. 92).\n\n195\n\nDas Diskriminierungsverbot ist daher nicht schon dann verletzt, wenn zulassige\nDifferenzierungen nicht vorgenommen werden. Entscheidend ist vielmehr, ob die\ntatsachlichen Ungleichheiten in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang\nso bedeutsam sind, dass diese zu beachten sind.\n\n196\n\nZu Art. 3 Abs. 1 GG grundlegend BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1992 - 1 BvR\n1467/91 -, juris (Rn. 23).\n\n197\n\nDass die Bundesnetzagentur den Umstand berucksichtigen musste, dass die\nbetreffenden Frequenzen uberwiegend der Antragstellerin zugeteilt sind, ist\ndanach nicht ersichtlich. Gleiches gilt fur das Vorbringen der\nAntragstellerin, dass die streitgegenstandliche Prasidentenkammerentscheidung\nsie starker als die anderen bislang bundesweit tatigen\nMobilfunknetzbetreiberinnen zur Nutzung von Frequenzen unterhalb 1 GHz zwinge.\nUngeachtet dessen erweist sich die streitgegenstandliche\nPrasidentenkammerentscheidung hinsichtlich der abweichenden Vorgaben fur die\nzeitliche Umsetzung der in ihrer Ziffer III.4.3 bestimmten\nVersorgungsverpflichtung im Falle des Erwerbs ausschließlich bis zum Jahre\n2025 zugeteilter Frequenzen mit Blick auf § 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 TKG\nkeinesfalls als evident unsachlich.\n\n198\n\nNichts anderes gilt mit Blick auf das Vorbringen der Antragstellerin, sie\nwerde aufgrund ihrer bisherigen Netzstruktur durch die streitgegenstandliche\nPrasidentenkammerentscheidung diskriminiert. Auch die Erwagungen der\nBundesnetzagentur zur Auferlegung symmetrischer Versorgungsverpflichtungen,\n\n199\n\nBNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 233 ff.,\n\n200\n\nerweisen sich unabhangig vom Vorliegen einer am Diskriminierung zu messenden\nGleichbehandlung der Antragstellerin jedenfalls nicht als evident unsachlich.\nDies gilt umso mehr, als die streitgegenstandliche\nPrasidentenkammerentscheidung dadurch, dass sie eine Anrechnung der Versorgung\ndurch andere Zuteilungsinhaber vorsieht, um ubermaßige Belastungen zu\nvermeiden, und ihren Erwagungen ausdrucklich die Moglichkeit von Kooperationen\nder Mobilfunknetzbetreiber zugrunde legt, gerade auf die asymmetrische\nAusgangslage der drei bislang bundesweit tatigen Mobilfunknetzbetreiberinnen\nRucksicht nimmt.\n\n201\n\nSiehe etwa BNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur\nfur Elektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26.\nNovember 2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln)\nund uber die Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 315, 392, 412.\n\n202\n\n(2) Eine unzulassige Diskriminierung ist schließlich auch nicht mit Blick auf\ndie fur Neueinsteiger nach Ziffer III.4.12 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung gesondert geregelten Versorgungsverpflichtungen\nersichtlich. Dies folgt schon daraus, dass nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts die Berucksichtigung der Interessen von\nNeueinsteigern nicht ausgeschlossen ist.\n\n203\n\nMit Blick auf die Versteigerungsbedingungen nach § 61 Abs. 4 Satz 1 TKG\nBVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 6 C 40.10 -, juris (Rn. 35).\n\n204\n\nAuch der Vorwurf, die Bundesnetzagentur habe insoweit die Besonderheiten der\nKlagerin im Verfahren 9 K 8514/18 und deren schon gegenwartige Betatigung auf\ndem Mobilfunkmarkt in unzulassiger Weise unberucksichtigt gelassen, begrundet\nkeine unzulassige Diskriminierung. Die Bundesnetzagentur hat in der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidungen mit Blick auf den\nBegriff des Neueinsteigers fur maßgeblich erachtet, ob Unternehmen einen\nMarkteintritt als neuer bundesweiter Mobilfunknetzbetreiber auf Grundlage\neigener bundesweiter Frequenzzuteilungen anstreben.\n\n205\n\nBNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 592.\n\n206\n\nDies erweist sich im Hinblick darauf, dass Ziffer III.4.12 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung fur Neueinsteiger\nlediglich den Versorgungsgrad im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG\nabweichend bestimmt, nicht als willkurlich. Denn Neueinsteiger stehen anders\nals die drei bislang bundesweit tatigen Mobilfunknetzbetreiberinnen unabhangig\nvon ihrer bisherigen wirtschaftlichen Betatigung vor der Herausforderung, ein\nMobilfunknetz erst aufbauen zu mussen. Aus diesem Grund erweist es sich auch\nnicht als willkurlich, dass Ziffer III.4.12 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung den Versorgungsgrad im Sinne des § 61 Abs. 3\nSatz 2 Nr. 4 TKG nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich abweichend\nbestimmt.\n\n207\n\nAuch kann eine unzulassige Diskriminierung nicht aufgrund des Vorwurfs\nerblickt werden, Neueinsteiger wurden aufgrund der in Ziffer III.4.12 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung gesondert bestimmten\nVersorgungsverpflichtungen sowie der Bezugnahme in Ziffer III.4.17 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung auf so genanntes\nbundesweites Roaming,\n\n208\n\nallgemein zum so genannten nationalen Roaming _Wagner_ , CR 2018, 534 ff.;\nferner _Rossi/Sandhu_ , MMR 2019, 90 ff.,\n\n209\n\nin mehrfacher Hinsicht im Versteigerungsverfahren sowie im Anschluss daran in\nunzulassiger Weise privilegiert. Denn abgesehen davon, dass Ziffer III.4.17\nder streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung lediglich ein\nVerhandlungsgebot auferlegt, lasst dieses Verhandlungsgebot den in Ziffer\nIII.4.12 der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung bestimmten\nVersorgungsgrad unberuhrt.\n\n210\n\nSiehe BNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 450.\n\n211\n\nFerner ist in Anbetracht von Ziffer III.4.17 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung und des insoweit ebenfalls erfassten so\ngenannten nationalen Roamings eine unzulassige Diskriminierung nicht\nerkennbar.\n\n212\n\nNach dem Vorstehenden ist eine evidente Unsachlichkeit auch weder darin zu\nsehen, dass die Bundesnetzagentur lediglich im Falle der drei bislang\nbundesweit tatigen Mobilfunknetzbetreiberinnen davon ausgeht, dass durch die\nNutzung der Frequenzen unterhalb 1 GHz unzumutbare Kostenbelastungen vermieden\nwerden konnten, noch darin, dass Ziffer III.4.12 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung nur fur Neueinsteiger eine abweichende\nBestimmung des Versorgungsgrades fur den Fall vornimmt, dass ausschließlich\nFrequenzen bei 3,6 GHz ersteigert werden. Die diesbezuglichen Erwagungen der\nBundesnetzagentur,\n\n213\n\nBNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 447 ff.,\n\n214\n\ndie maßgeblich darauf rekurrieren, dass Neueinsteiger nicht uber Frequenzen\nunterhalb 1 GHz verfugen, sind im vorliegenden Verfahren nicht zu beanstanden.\n\n215\n\n3\\. Neben den Versorgungsverpflichtungen nach Ziffern III.4.3 bis 11 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung sind auch die in deren\nZiffern III.4.15 und 16 bestimmten Verhandlungsgebote nach summarischer\nPrufung rechtmaßig. Danach haben die Zuteilungsinhaber mit geeigneten\nDiensteanbietern uber die Mitnutzung von Funkkapazitaten zu verhandeln. Die\nVerhandlungen sollen diskriminierungsfrei sein und die bereitzustellenden\nKapazitaten nicht auf bestimmte Dienste, Funktechniken oder Anwendungen\nbeschrankt werden. Zuteilungsinhaber haben ferner mit geeigneten Interessenten\nuber die lokale oder regionale Überlassung von Spektrum im Bereich von 3400\nMHz bis 3700 MHz zu verhandeln. Auch diese Verhandlungen sollen\ndiskriminierungsfrei sein.\n\n216\n\nBei den betreffenden Verhandlungsgeboten handelt es sich um\nFrequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG in der\nGestalt von Auflagen gemaß § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, gegen deren rechtliche\nZulassigkeit Bedenken nicht bestehen und die die Antragsgegnerin im Rahmen\nihres Ausgestaltungsspielraums rechtsfehlerfrei bestimmt hat.\n\n217\n\na) Als Frequenznutzungsbestimmungen finden die Verhandlungsgebote nach Ziffern\nIII.4.15 und 16 der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung ihre\nRechtsgrundlage in § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG.\n\n218\n\naa) Ausgehend von den vorstehenden Maßgaben handelt es sich bei den in Ziffern\nIII.4.15 und 16 der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung\nbestimmten Verhandlungsgeboten um Frequenznutzungsbestimmungen im Sinne des §\n61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG.\n\n219\n\nZu Diensteanbieterverpflichtungen im Allgemeinen _Trute/Kuhlmann_ , K&R 2018,\nBeihefter 1/2018 zu Heft 7/8, S. 11; _Wagner_ , CR 2017, 604 (606 f., 610 f.).\n\n220\n\nDenn die betreffenden Verhandlungsgebote enthalten Vorgaben, die als\nNebenbestimmungen im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG einer Frequenzzuteilung\nangefugt werden konnten. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 TKG sind im Rahmen der\nFrequenzzuteilung insbesondere die Art und der Umfang der Frequenznutzung\nfestzulegen, soweit dies zur Sicherung einer effizienten und storungsfreien\nNutzung der Frequenzen erforderlich ist. § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG bestimmt, dass\nzur Sicherung einer effizienten und storungsfreien Nutzung der Frequenzen\nsowie der weiteren in § 2 TKG genannten Regulierungsziele die\nFrequenzzuteilung mit Nebenbestimmungen versehen werden kann. Von den\nFestlegungen nach § 60 Abs. 1 Satz 1 TKG sind Nebenbestimmungen zur\nFrequenzzuteilung gemaß § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG zu unterscheiden. Wahrend\nerstere die Hauptregelung darstellen, um derentwillen der Verwaltungsakt als\nsolcher erlassen wird, enthalten Nebenbestimmungen zusatzliche Regelungen, die\ndie Hauptregelung erganzen oder beschranken.\n\n221\n\n _Hahn/Hartl/Dorsch_ , in: Scheurle/Mayen (Hrsg.), TKG, 3. Aufl. 2018, § 60,\nRn. 10.\n\n222\n\nDanach handelt es sich bei den in Ziffer III.4.15 und 16 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung bestimmten\nVerhandlungsgeboten um Nebenbestimmungen im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG.\nDenn entsprechende Vorgaben gehoren nicht zum Hauptzweck der\nFrequenzzuteilungsentscheidung und konnen daher lediglich als\nNebenbestimmungen zu diesem Verwaltungsakt auferlegt werden.\n\n223\n\nAnders wohl _Wagner_ , CR 2017, 604 (607).\n\n224\n\nSie konkretisieren namlich nicht, wie der Zuteilungsinhaber einer Frequenz\ndiese nutzen kann, sondern legen ihm eine zusatzliche Verpflichtung auf.\n\n225\n\n _Fetzer_ , MMR 2018, 63 (64).\n\n226\n\nbb) (1) Bei den betreffenden Verhandlungsgeboten handelt es sich auch um\nzulassige Nebenbestimmungen in Gestalt von Auflagen. § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG\nlasst die Beifugung von Nebenbestimmungen zu einer Frequenzzuteilung ganz\nallgemein zu. Die Vorschrift verweist damit auf den Kanon der\nNebenbestimmungen des § 36 Abs. 2 VwVfG.\n\n227\n\n _Trute/Kuhlmann_ , K&R 2018, Beihefter 1/2018 zu Heft 7/8, S. 6.\n\n228\n\nDies folgt vornehmlich daraus, dass § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG der vormals\ngeltenden Vorschrift des § 7 Abs. 2 Satz 1 FreqZutV entspricht.\n\n229\n\nBT-Drs. 15/2316, S. 80.\n\n230\n\nDanach waren grundsatzlich alle Arten von Nebenbestimmungen zulassig.\n\n231\n\nBR-Drs. 116/01, S. 17.\n\n232\n\nOhne Bedeutung fur den vorliegenden Fall ist insoweit, dass § 55 Abs. 9 TKG\ndie Befristung regelt und die Moglichkeiten des Widerrufs zudem in § 63 TKG\ngeregelt sind.\n\n233\n\n _G oddel_, in: Beck\'scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 60, Rn. 6.\n\n234\n\nAusgehend davon erweisen sich die in Ziffern III.4.15 und 16 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung bestimmten\nVerhandlungsgebote als Auflagen im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG. Denn\neinem kunftigen Frequenzzuteilungsinhaber werden Verhandlungspflichten\nauferlegt.\n\n235\n\nDazu auch _Fetzer_ , MMR 2018, 63 (65); zu Diensteanbieterverpflichtungen im\nAllgemeinen BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 6 C 47.06 -, juris (Rn.\n29).\n\n236\n\n(2) Rechtliche Bedenken im Hinblick auf die Annahme, dass es sich bei den in\nZiffern III.4.15 und 16 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bestimmten Verhandlungsgeboten um zulassige\nFrequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG\nhandelt, lassen sich auch nicht aus der Streichung des § 4 TKV und der\nRegelung des § 150 Abs. 4 Satz 2 TKG ableiten. Nach § 4 TKV waren die\nBetreiber offentlicher Telekommunikationsnetze zwar ausdrucklich dazu\nverpflichtet, ihr Leistungsangebot so zu gestalten, dass Anbieter von\nTelekommunikationsdienstleistungen fur die Öffentlichkeit diese Leistungen im\neigenen Namen und auf eigene Rechnung vertreiben und ihren Kunden anbieten\nkonnen. § 150 Abs. 4 Satz 2 TKG normiert eine diesbezugliche\nÜbergangsvorschrift. Aus der Streichung dieser Vorschrift und der\nÜbergangsvorschrift des § 150 Abs. 4 Satz 2 TKG ergibt sich aber nicht, dass\ndie hier maßgeblichen Verhandlungsgebote nicht als\nFrequenznutzungsbestimmungen auf der Grundlage des § 63 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4\nTKG auferlegt werden konnten. Denn der Streichung des § 4 TKV kann keine\nRegelungsabsicht dahingehend abgewonnen werden, dass entsprechende\nVerpflichtungen fortan unzulassig sein sollten.\n\n237\n\nAnders _Fetzer_ , MMR 2018, 63 (65).\n\n238\n\nDie Begrundung des Gesetzentwurfs weist mit Blick auf § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4\nTKG vielmehr ausdrucklich darauf hin, dass Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie\n2002/19/EG derartige Verpflichtungen zwar nur im Falle betrachtlicher\nMarktmacht zulasse; allerdings nimmt die Begrundung auch darauf Bezug, dass\nArt. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2002/19/EG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der\nRichtlinie 2002/20/EG und Bedingung 7 in Teil B des Anhangs dieser Richtlinie\nauch unabhangig vom Fall betrachtlicher Marktmacht die Auferlegung von\nVerpflichtungen ermoglichten.\n\n239\n\nDazu auch BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 6 C 47.06 -, juris (Rn. 23).\n\n240\n\nVor diesem Hintergrund wurde § 150 Abs. 4 Satz 2 TKG uberdies lediglich\nklarstellende Funktion beigemessen. Die Regelung sollte allein der\nRechtssicherheit dienen.\n\n241\n\nBT-Drs. 15/2316, S. 107.\n\n242\n\nAus diesem Grund ist weder eine Regelungsabsicht des Gesetzgebers erkennbar,\nmit der Streichung des § 4 TKV in Ziffern III.4.15 und 16 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung enthaltene\nVerhandlungsgebote als unzulassig qualifizieren zu wollen, noch spricht die\nÜbergangsregelung des § 150 Abs. 4 Satz 2 TKG gegen die Zulassigkeit der\nbetreffenden Verhandlungsgebote.\n\n243\n\nSiehe auch _Wagner_ , CR 2017, 604 (605); _Trute/Kuhlmann_ , K&R 2018,\nBeihefter 1/2018 zu Heft 7/8, S. 8.\n\n244\n\nEtwas anderes ergibt sich namentlich auch nicht daraus, dass die Streichung\nvon § 4 TKV (erst) im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vor dem Hintergrund\nund mit ausdrucklichem Blick auf § 21 TKG und die dortige Bezugnahme lediglich\nauf den Fall betrachtlicher Marktmacht angeregt wurde und ein Nebeneinander\nwiderspruchlicher Vorschriften vermieden werden sollte.\n\n245\n\nBR-Drs. 755/2/03, S. 61.\n\n246\n\nDenn (auch) die Streichung des § 4 TKV erfolgte im Ergebnis allein aus Grunden\nder Klarstellung.\n\n247\n\nBT-Drs. 15/2679, S. 19.\n\n248\n\n(3) Des Weiteren lasst sich auch aus der Vorschrift des § 21 Abs. 2 Nr. 3 TKG\nnicht ableiten, dass es unzulassig ware, die in Ziffern III.4.15 und 16 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung enthaltenen\nVerhandlungsgebote als Frequenznutzungsbestimmungen gemaß § 61 Abs. 3 Satz 2\nNr. 4 TKG aufzuerlegen.\n\n249\n\nAnders _Fetzer_ , MMR 2018, 63 (65 f.)\n\n250\n\nNach § 21 Abs. 2 Nr. 3 TKG kann die Bundesnetzagentur Betreiber offentlicher\nTelekommunikationsnetze, die uber betrachtliche Marktmacht verfugen, unter\nBeachtung von § 21 Abs. 1 TKG unter anderem verpflichten, Zugang zu bestimmten\nvom Betreiber angebotenen Diensten, wie sie Endnutzern angeboten werden, zu\nGroßhandelsbedingungen zu gewahren, um Dritten den Weitervertrieb im eigenen\nNamen und auf eigene Rechnung zu ermoglichen. Zwar hat der Gesetzgeber eine\nentsprechende Regelung im hier maßgeblichen (die Frequenzvergabe betreffenden)\n5. Teil des Telekommunikationsgesetzes weder fur den Fall betrachtlicher\nMarktmacht noch im Übrigen ausdrucklich normiert. Allein dies spricht\nallerdings nicht dagegen, dass die in Ziffern III.4.15 und 16 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung enthaltenen\nVerhandlungsgebote als Frequenznutzungsbestimmungen gemaß § 61 Abs. 3 Satz 2\nNr. 4 TKG auferlegt werden konnen. Gleiches gilt fur den Umstand, dass der\nGesetzgeber trotz in der Vergangenheit gerade durch die Bundesnetzagentur\ngeaußerter Zweifel an der Zulassigkeit der Auferlegung von so genannten\nDiensteanbieterverpflichtungen nach der Streichung des § 4 TKV,\n\n251\n\ngrundlegend BNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer vom 12. Oktober 2009\nuber die Verbindung der Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 790 bis 862\nMHz sowie 1710 bis 1725 MHz und 1805 bis 1820 MHz mit dem Verfahren zur\nVergabe von Frequenzen in den Bereichen 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz fur den\ndrahtlosen Netzzugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten sowie uber\ndie Durchfuhrung des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen\n800 MHz, 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz fur den drahtlosen Netzzugang zum Angebot\nvon Telekommunikationsdiensten, S. 106 f.,\n\n252\n\nuntatig geblieben ist und eine ausdruckliche Rechtsgrundlage fur die\nAuferlegung entsprechender Verpflichtungen im 5. Teil des\nTelekommunikationsgesetzes nicht geschaffen hat. Denn § 21 Abs. 2 Nr. 3 TKG\nlasst sich ganz grundsatzlich nicht als abschließende Regelung verstehen.\n\n253\n\nDer Gesetzgeber ist - wie gezeigt - ausdrucklich davon ausgegangen, dass Art.\n8 Abs. 3 der Richtlinie 2002/19/EG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der\nRichtlinie 2002/20/EG und Bedingung 7 in Teil B des Anhangs dieser Richtlinie\ndie Auferlegung von Verpflichtungen auch unabhangig vom Falle betrachtlicher\nMarktmacht zulassen. Schon aus diesem Grund kann § 21 Abs. 2 Nr. 3 TKG nicht\nals abschließende Regelung verstanden werden, die die Auferlegung\nentsprechender Verpflichtungen außerhalb seines Anwendungsbereichs nicht\nzulasst.\n\n254\n\nHinzu kommt, dass die Vorschriften im 2. Teil (betreffend die\nMarktregulierung) und im 5. Teil des Telekommunikationsgesetzes selbststandig\nnebeneinander stehen.\n\n255\n\n _Trute/Kuhlmann_ , K&R 2018, Beihefter 1/2018 zu Heft 7/8, S. 6; siehe auch\n_Wagner_ , CR 2007, 604 (605).\n\n256\n\nNamentlich die Vorschriften uber die Vergabe von Frequenzen regeln namlich die\nFrequenzbewirtschaftung, durch die eine Knappheitssituation bewaltigt werden\nsoll.\n\n257\n\nSiehe (nochmals) BVerwG, Urteil vom 23. Marz 2011 - 6 C 6.10 -, juris (Rn.\n21).\n\n258\n\nGerade der Bewaltigung von Knappheitssituationen sind die in den Ziffern\nIII.4.15 und 16 der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung\nbestimmten Verhandlungsgebote auch zu dienen bestimmt, da Diensteanbietern die\nErbringung von Mobilfunkdiensten ermoglicht werden soll.\n\n259\n\nBNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 492.\n\n260\n\nKnappheitssituationen behandelt das Telekommunikationsgesetz aber nicht als\nAnwendungsfall der Marktregulierung. Demgemaß ist die Auferlegung von\nFrequenznutzungsbestimmungen gemaß § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG in Gestalt der\nZiffern III.4.15 und 16 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung auch nicht davon abhangig, dass ein Fall\nbesonderer Marktmacht im Sinne des § 21 Abs. 2 Nr. 3 TKG gegeben ist. Denn die\nunterschiedlichen Regelungszwecke des 2. Teils und des 5. Teils des\nTelekommunikationsgesetzes stehen der Annahme einer Spezialitat der einen im\nVerhaltnis zu den anderen Vorschriften entgegen.\n\n261\n\nAllgemein BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2010 - 6 C 22.08 -, juris (Rn. 32).\n\n262\n\nDies veranschaulicht nicht zuletzt auch § 61 Abs. 3 Satz 1 TKG, wonach mit dem\nVergabeverfahren festgestellt werden soll, welcher oder welche der\nAntragsteller am besten geeignet sind, die zu vergebenden Frequenzen effizient\nzu nutzen.\n\n263\n\n(4) Der Annahme, dass es sich bei den in Ziffern III.4.15 und 16 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung enthaltenen\nVerhandlungsgeboten um zulassige Frequenznutzungsbestimmungen im Sinne des §\n61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG handelt, steht auch nicht entgegen, dass gemaß § 61\nAbs. 3 Satz 1 TKG (und § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG sowie § 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG) mit\ndem Begriff der Effizienz Sinn und Zweck von Frequenznutzungsbestimmungen nach\n§ 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG abschließend vorgegeben waren.\n\n264\n\nAnders _Fetzer_ , MMR 2018, 63 (66).\n\n265\n\nDas Bundesverwaltungsgericht hat zwar - wie gezeigt - formuliert, dass dem auf\neine Bestenauslese gerichteten Zweck des Vergabeverfahrens im Sinne des § 61\nAbs. 3 Satz 1 TKG entsprechend Gegenstand und Reichweite der nach § 61 Abs. 3\nSatz 2 TKG zu treffenden Festlegungen begrenzt sind.\n\n266\n\nDazu (nochmals) BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 -, juris (Rn.\n31); nach der Begrundung des Gesetzentwurfs soll gerade das im Rahmen eines\nVersteigerungsverfahrens erfolgreiche Gebot typischerweise die Bereitschaft\nund die Fahigkeit belegen, die zuzuteilende Frequenz im marktwirtschaftlichen\nWettbewerb der Dienstleistungsangebote moglichst optimal einzusetzen und sich\num eine wirtschaftliche und sparsame Verwendung der Frequenz zu bemuhen, siehe\nBT-Drs. 15/2316, S. 80; dazu allerdings auch BVerfG, Beschluss vom 22. April\n2014 - 1 BvR 2160/11 -, juris (Rn. 27).\n\n267\n\nNamentlich die in § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG normierte Befugnis zur\nBestimmung des Versorgungsgrades bei der Frequenznutzung bringt indes zum\nAusdruck, dass der Gedanke der Bestenauslese nicht etwa solche\nFrequenznutzungsbestimmungen ausschließt, die offentliche Interessen\nbetreffen.\n\n268\n\nSiehe (nochmals) BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 -, juris (Rn.\n30).\n\n269\n\nDer Begriff der Effizienz ist namlich gerade (auch) auf die Erfullung der mit\nder Zuteilung einer Frequenz verbundenen Versorgungsverpflichtungen gerichtet.\n\n270\n\nZum Widerruf der Frequenzzuteilung wegen Nichterfullung von\nVersorgungsverpflichtungen BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2015 - 1 BvR 2553/11\n-, juris (Rn. 20).\n\n271\n\nFerner nimmt § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG inzwischen auf die Regulierungsziele des §\n2 TKG insgesamt Bezug.\n\n272\n\nDazu in vorliegendem Zusammenhang auch _Trute/Kuhlmann_ , K&R 2018, Beihefter\n1/2018 zu Heft 7/8, S. 9 f.; _Wagner_ , CR 2007, 604 (608); siehe auch _Sch\nutz/Schreiber_, MMR 2019, 19 (23).\n\n273\n\nNach der Begrundung des Gesetzentwurfs sollte mit der diesbezuglichen\nErganzung des § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG dem Umstand Rechnung getragen werden,\ndass es Aufgabe der Bundesnetzagentur sei, samtliche Regulierungsziele\nsicherzustellen, weswegen ihr auch im Bereich der Frequenzregulierung\nentsprechende Befugnisse zustehen mussten.\n\n274\n\nBT-Drs. 17/5707, S. 74.\n\n275\n\nAuch dies spricht dafur, dass der Gedanke der Bestenauslese im Sinne des § 61\nAbs. 3 Satz 1 TKG die Bundesnetzagentur nicht daran hindert,\nFrequenznutzungsbestimmungen in Gestalt der in Ziffern III.4.15 und 16 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung bestimmten\nVerhandlungsgeboten aufzuerlegen.\n\n276\n\nNach alledem handelt es sich bei den betreffenden Verhandlungsgeboten um\nFrequenznutzungsbestimmungen, die die Bundesnetzagentur auf der Grundlage des\n§ 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG bestimmen konnte.\n\n277\n\ncc) Dem stehen Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit des § 61 Abs. 3 Satz\n2 Nr. 4 TKG als Grundlage einer Bestimmung von Frequenznutzungsbestimmungen in\nGestalt der in Ziffern III.4.15 und 16 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung enthaltenen Verhandlungsgebote ebenfalls nicht\nentgegen.\n\n278\n\nAnders wohl _Fetzer_ , MMR 2018, 63 (67).\n\n279\n\nDas Bundesverfassungsgericht hat Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit des\n§ 61 Abs. 3 Satz 2 TKG im Allgemeinen bereits ausdrucklich verneint.\n\n280\n\nMit Blick auf § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 TKG BVerfG, Beschluss vom 22. April\n2014 - 1 BvR 2160/11 -, juris (Rn. 22).\n\n281\n\nDass mit Blick auf Frequenznutzungsbestimmungen in Gestalt der in Ziffern\nIII.4.15 und 16 der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung\nenthaltenen Verhandlungsgebote etwas anderes zu gelten hatte, ist nicht\nersichtlich.\n\n282\n\nAusfuhrlich zu so genannten Diensteanbieterverpflichtungen im Allgemeinen\n_Trute/Kuhlmann_ , K&R 2018, Beihefter 1/2018 zu Heft 7/8, S. 7 f.\n\n283\n\ndd) Die Verhandlungsgebote in Ziffern III.4.15 und 16 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung sind auch mit Unionsrecht\nvereinbar. Zu so genannten Diensteanbieterverpflichtungen auf der Grundlage\ndes § 4 TKV hat das Bundesverwaltungsgericht ausgefuhrt, dass vieles dafur\nspreche, dass Diensteanbieterverpflichtungen mit Gemeinschaftsrecht vereinbar\nseien. Zwar mache Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2002/19/EG die Auferlegung von\nVerpflichtungen grundsatzlich davon abhangig, dass der Adressat auf dem\nbetreffenden Markt als Betreiber mit betrachtlicher Marktmacht eingestuft sei.\nDie Regel, dass derartige Verpflichtungen nur marktmachtigen Betreibern\nauferlegt werden durften, gelte aber nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie nur\nunbeschadet der Bedingung 7 in Teil B des Anhangs der Richtlinie 2002/20/EG,\ndie gemaß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie angewandt werde.\n\n284\n\nDazu mit Blick auf § 150 Abs. 4 Satz 2 TKG (nochmals) auch BT-Drs. 15/2316, S.\n107.\n\n285\n\nDanach konnten an Frequenznutzungsrechte auch Verpflichtungen geknupft werden,\ndie das Unternehmen, das die Nutzungsrechte erwerbe, im Laufe eines auf\nWettbewerb oder auf Vergleich beruhenden Auswahlverfahrens eingegangen sei.\n\n286\n\nBVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 6 C 47.06 -, juris (Rn. 23); dazu\n_Wagner/Helmst adter/Nußing_, CR 2017, 743 (744); anders unter Hinweis auf\neine Begrenzungsfunktion des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2002/20/EG _Fetzer_\n, MMR 2018, 63 (66 f.); siehe dazu aber auch _Trute/Kuhlmann_ , K&R 2018,\nBeihefter 1/2018 zu Heft 7/8, S. 6.\n\n287\n\nAusgehend davon folgt die unionsrechtliche Zulassigkeit auch der\nVerhandlungsgebote in Ziffern III.4.15 und 16 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung aus Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2002/19/EG in\nVerbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2002/20/EG und Bedingung 7 in Teil\nB des Anhangs dieser Richtlinie.\n\n288\n\nEtwas anderes lasst sich auch nicht aus dem Vorwurf herleiten, dass die in\nZiffern III.4.15 und 16 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung enthaltenen Verhandlungsgebote dem Unionsrecht\nunbekannt seien. Dies trifft entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht\nzu.\n\n289\n\nSiehe aber auch _Wagner/Helmst adter/Nußing_, CR 2017, 743 (744).\n\n290\n\nEs sind schon keine Anhaltspunkte dafur ersichtlich, dass Art. 8 Abs. 3 der\nRichtlinie 2002/19/EG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie\n2002/20/EG und Bedingung 7 in Teil B des Anhangs dieser Richtlinie lediglich\nsolche Verpflichtungen zulasst, die in Art. 9 bis 13 der Richtlinie 2002/19/EG\nausdrucklich genannt sind. Hiergegen spricht, dass Art. 8 Abs. 3 der\nRichtlinie 2002/19/EG - wie gezeigt - die Auferlegung von Verpflichtungen\ngegenuber marktmachtigen Betreibern gerade unbeschadet der Bedingung 7 in Teil\nB des Anhangs der Richtlinie 2002/20/EG zulasst. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie\n2002/19/EG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2002/20/EG und\nBedingung 7 in Teil B des Anhangs dieser Richtlinie kann aber eine Begrenzung\nauf die in Art. 9 bis 13 der Richtlinie 2002/19/EG ausdrucklich genannten\nVerpflichtungen nicht abgewonnen werden. Abgesehen davon normiert etwa Art. 12\nAbs. 1 lit. b) der Richtlinie 2002/19/EG ohnehin ausdrucklich ein\nVerhandlungsgebot.\n\n291\n\nOb sich im Hinblick auf die unionsrechtliche Zulassigkeit der in Ziffern\nIII.4.15 und 16 der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung\nenthaltenen Verhandlungsgebote etwas anderes aus den Vorschriften der\nRichtlinie (EU) 2018/1927 ergibt, bedarf im vorliegenden Fall schließlich\nkeiner Beurteilung. Denn maßgeblicher Zeitpunkt fur die Beurteilung der Sach-\nund Rechtslage ist vorliegend - wie gezeigt - der Erlass der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung. Zu diesem Zeitpunkt war\ndie Richtlinie (EU) 2018/1927 aber noch nicht gemaß Art. 126 der Richtlinie in\nKraft getreten. Des Weiteren ist jedenfalls aufgrund des Zeitpunkts des\nInkrafttretens der Richtlinie (EU) 2018/1927 auch nicht ersichtlich, dass\nZiffern III.4.15 und 16 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung dem unionsrechtlichen Grundsatz zuwider liefen,\nwonach die Mitgliedstaaten vor dem Ablauf der Frist zur Umsetzung einer\nRichtlinie den Erlass von Vorschriften unterlassen mussen, die geeignet sind,\ndas in dieser Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen.\n\n292\n\nGrundlegend EuGH, Urteil vom 18. Dezember 1997 - C-129/96 -, juris.\n\n293\n\nDes Weiteren bedarf nach dem Vorstehenden im vorliegenden Fall auch keiner\nKlarung, inwiefern im Allgemeinen gesetzliche Änderungen Auswirkungen auf\nzuvor bestimmte Frequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2\nTKG haben konnen.\n\n294\n\nb) Ausgehend von der Annahme, dass es sich bei den in Ziffern III.4.15 und 16\nder streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung bestimmten\nVerhandlungsgeboten um Frequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3\nSatz 2 Nr. 4 TKG handelt, erweisen diese sich unter Zugrundelegung des in der\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Maßstabs der\ngerichtlichen Kontrolle auch als rechtmaßig.\n\n295\n\nDie gerichtliche Kontrolle ist - wie gezeigt - darauf beschrankt, ob die\nBundesnetzagentur die Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, von einem\nrichtigen Verstandnis der gesetzlichen Begriffe ausgegangen ist, den\nerheblichen Sachverhalt vollstandig und zutreffend in den Blick genommen hat\nund bei der eigentlichen Bewertung im Hinblick auf die in § 61 Abs. 3 Satz 2\nTKG ausdrucklich hervorgehobenen Kriterien widerspruchsfrei und plausibel\nargumentiert und insbesondere das Willkurverbot nicht verletzt hat.\n\n296\n\n(1) Es ist nicht ersichtlich, dass die Bundesnetzagentur bei der Bestimmung\nder in Ziffern III.4.15 und 16 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung enthaltenen Verhandlungsgeboten\nVerfahrensbestimmungen missachtet hatte.\n\n297\n\n(2) Des Weiteren ist die Bundesnetzagentur auch nicht von einem unrichtigen\nVerstandnis der gesetzlichen Begriffe ausgegangen.\n\n298\n\nWie gezeigt kann nach § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG zur Sicherung einer effizienten\nund storungsfreien Nutzung der Frequenzen sowie der weiteren in § 2 TKG\ngenannten Regulierungsziele die Frequenzzuteilung mit Nebenbestimmungen\nversehen werden.\n\n299\n\nDazu etwa auch VG Koln, Urteil vom 23. November 2007 - 11 K 4798/06 -, juris\n(Rn. 32 ff.).\n\n300\n\nDie Beifugung von Nebenbestimmungen ist damit strikt an die Erforderlichkeit\nzur Sicherung einer effizienten und storungsfreien Frequenznutzung sowie der\nweiteren in § 2 TKG genannten Regulierungsziele gebunden.\n\n301\n\nBT-Drs. 15/2316, S. 80; siehe auch _G oddel_, in: Beck\'scher TKG-Kommentar, 4.\nAufl. 2013, § 60, Rn. 6.\n\n302\n\n(a) Es bestehen vorliegend keine Zweifel daran, dass die Bundesnetzagentur\nzunachst das in Ziffer III.4.15 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung enthaltene Verhandlungsgebot fur erforderlich im\nvorstehenden Sinne zur Sicherung jedenfalls der weiteren in § 2 TKG genannten\nRegulierungsziele nach § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG halten durfte. Dies gilt\nnamentlich fur das Regulierungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 TKG,\n\n303\n\ndazu BNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 515 ff.,\n\n304\n\nwonach der Bundesnetzagentur die Sicherstellung eines chancengleichen\nWettbewerbs und die Forderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Markte der\nTelekommunikation im Bereich der Telekommunikationsdienste und -netze sowie\nder zugehorigen Einrichtungen und Dienste, auch in der Flache obliegt.\nErsichtlich stellt das in Ziffer III.4.15 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung enthaltene Verhandlungsgebot den Wettbewerb im\nSinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 TKG sicher.\n\n305\n\nAllgemein zu so genannten Diensteanbieterverpflichtungen _Wagner_ , CR 2017,\n604 (607) _Trute/Kuhlmann_ , K&R 2018, Beihefter 1/2018 zu Heft 7/8, S. 9 f.\n\n306\n\nDem lasst sich zunachst nicht entgegnen, dass das Regulierungsziel des § 2\nAbs. 2 Nr. 2 Satz 1 TKG ausschließlich auf die Marktregulierung im Sinne des\n2. Teils des Telekommunikationsgesetzes gerichtet ware und demzufolge im\nvorliegenden Zusammenhang keine Anwendung finden konne. Denn dies ist in\nAnbetracht der Zielvorgabe des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 TKG, gerade nachhaltig\nwettbewerbsorientierte Markte der Telekommunikation zu fordern, nicht der\nFall. In der ausdrucklichen Programmierung auf Nachhaltigkeit kommt namlich\nzum Ausdruck, dass der Vorschrift das Konzept einer Daueraufgabe zugrunde\nliegt.\n\n307\n\n _G arditz_, in: Scheurle/Mayen (Hrsg.), TKG, 3. Aufl. 2018, § 2, Rn. 28.\n\n308\n\nDeswegen sind auch bei der Vergabe von Frequenznutzungsrechten auf der\nGrundlage von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 TKG die Interessen von Wettbewerbern zu\nberucksichtigen.\n\n309\n\n _Ruthig_ , in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich (Hrsg.), TKG, 2. Aufl. 2015, §\n2, Rn. 22.\n\n310\n\nNichts anderes ergibt sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 6 TKG, wonach regulatorische\nVorabverpflichtungen nur dann auferlegt werden, wenn es keinen wirksamen und\nnachhaltigen Wettbewerb gibt, und diese Verpflichtungen gelockert oder\naufgehoben werden, sobald es einen solchen Wettbewerb gibt. Denn die\nErforderlichkeit fehlenden wirksamen und nachhaltigen Wettbewerbs im Sinne des\n§ 2 Abs. 3 Nr. 6 TKG gilt lediglich fur Maßnahmen der Marktregulierung nach\ndem 2. Teil des Telekommunikationsgesetzes.\n\n311\n\n _Cornils_ , in: Beck\'scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 2, Rn. 86 f.; in\nvorliegendem Zusammenhang _Trute/Kuhlmann_ , K&R 2018, Beihefter 1/2018 zu\nHeft 7/8, S. 10; ausfuhrlich _Wagner_ , CR 2007, 604 (609).\n\n312\n\n(b) Ebenso wie Ziffer III.4.15 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung durfte die Bundesnetzagentur auch das in Ziffer\nIII.4.16 der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung enthaltene\nVerhandlungsgebot fur erforderlich zur Sicherung zumindest der weiteren in § 2\nTKG genannten Regulierungsziele nach § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG halten.\n\n313\n\nDazu auch _Sch utz/Schreiber_, MMR 2019, 19 (23).\n\n314\n\nDies gilt insbesondere mit Blick auf § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG,\n\n315\n\nim Einzelnen dazu _G arditz_, in: Scheurle/Mayen (Hrsg.), TKG, 3. Aufl. 2018,\n§ 2, Rn. 34 ff.,\n\n316\n\nwonach Regulierungsziel die Beschleunigung des Ausbaus von\nhochleistungsfahigen offentlichen Telekommunikationsnetzen der nachsten\nGeneration im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG ist.\n\n317\n\nSiehe BNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 561.\n\n318\n\n(c) Überdies steht der Rechtmaßigkeit namentlich von Ziffer III.4.15 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung nicht entgegen, dass das\ndarin bestimmte Verhandlungsgebot auf die Mitnutzung von Funkkapazitaten im\nAllgemeinen gerichtet ist. Es stoßt insoweit nicht auf durchgreifende\nrechtliche Bedenken, dass das betreffende Verhandlungsgebot nicht lediglich\ndiejenigen Frequenzen in Bezug nimmt, die vorliegend zur Vergabe stehen. Dass\ndie Bundesnetzagentur diesbezuglich von einem unrichtigen Verstandnis der\ngesetzlichen Begriffe ausgegangen ware, ist ebenso wie mit Blick auf die in\nZiffern III.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung nicht ersichtlich. Denn auch das in III.4.15 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung enthaltene\nVerhandlungsgebot musste die Bundesnetzagentur unter Berucksichtigung des\nGrundsatzes der Technologieneutralitat gemaß § 1 TKG sowie des Umstandes, dass\nsamtliche in Bezug genommenen Frequenzen allgemein zur Nutzung als drahtloser\nNetzzugang zum Angebot von Telekommunikation vergeben wurden und werden, nicht\nlediglich auf die vorliegend zur Vergabe stehenden Frequenzen beziehen.\n\n319\n\nZiffer III.4.15 der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung ist\nebenso wie die in deren Ziffern III.4.3 bis 11 bestimmten\nVersorgungsverpflichtungen auch nicht als nachtragliche Änderung fruherer\nFrequenznutzungsbestimmungen zu qualifizieren. Eine Entscheidung, die die\nÄnderung oder Aufhebung von Frequenznutzungsrechten unmittelbar bewirkt,\ntrifft die streitgegenstandliche Prasidentenkammerentscheidung auch insoweit\nnicht. Denn deren Ziffer III.4.15 gelangt ebenfalls nur im Falle eines\nerfolgreichen Gebots betreffend die vorliegend zur Vergabe stehenden\nFrequenzen zur Anwendung. Aus diesem Grund steht auch Ziffer III.4.15 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung nicht im Widerspruch\ndazu, dass - wie gezeigt - das Vertrauen auf die abschließende\nrechtsgestaltende Wirkung der Frequenznutzungsbestimmungen nach der\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsatzlich schutzwurdig ist.\n\n320\n\nSiehe (nochmals) BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 -, juris (Rn.\n34).\n\n321\n\nDeswegen ist auch Ziffer III.4.15 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung allein am Verbot zweckwidriger Nebenbestimmungen\nim Sinne des § 36 Abs. 3 VwVfG zu messen. Dies hat die Bundesnetzagentur\nebenfalls nicht verkannt. Denn das darin enthaltene Verhandlungsgebot ist -\nwie gezeigt - der Bewaltigung einer Knappheitssituation zu dienen bestimmt und\nsoll einen chancengleichen Wettbewerb sicherstellen und nachhaltig\nwettbewerbsorientierter Markte der Telekommunikation im Sinne des § 2 Abs. 2\nNr. 2 Satz 1 TKG fordern.\n\n322\n\nNach alledem ist die Bundesnetzagentur mit Blick auf Ziffern III.4.15 und 16\nder streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung von einem richtigen\nVerstandnis der gesetzlichen Begriffe ausgegangen.\n\n323\n\n(3) Daruber hinaus hat die Bundesnetzagentur mit Blick auf Ziffern III.4.15\nund 16 der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung auch den\nerheblichen Sachverhalt vollstandig und zutreffend in den Blick genommen und\nbei der eigentlichen Bewertung hat sie widerspruchsfrei und plausibel\nargumentiert und insbesondere das Willkurverbot nicht verletzt. Insbesondere\nein Verstoß gegen das Willkurverbot ist insoweit nicht erkennbar. Etwas\nanderes ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Bundesnetzagentur\naufgrund ihrer vormals verlautbarten Auffassung zur rechtlichen\n(Un-)Zulassigkeit von Diensteanbieterverpflichtungen,\n\n324\n\nsiehe (nochmals) BNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer vom 12. Oktober\n2009 uber die Verbindung der Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 790 bis\n862 MHz sowie 1710 bis 1725 MHz und 1805 bis 1820 MHz mit dem Verfahren zur\nVergabe von Frequenzen in den Bereichen 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz fur den\ndrahtlosen Netzzugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten sowie uber\ndie Durchfuhrung des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen\n800 MHz, 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz fur den drahtlosen Netzzugang zum Angebot\nvon Telekommunikationsdiensten, S. 106 f.,\n\n325\n\neinen Vertrauensschutz begrundet hatte, der durch die streitgegenstandliche\nPrasidentenkammerentscheidung verletzt wurde. Abgesehen davon, dass dies fur\nsich genommen keine Verletzung gerade des Willkurverbotes implizieren wurde,\nfolgt schon unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt aus der vormaligen\nRechtsauffassung der Bundesnetzagentur die Rechtswidrigkeit der in Ziffer\nIII.4.15 und 16 der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung\nenthaltenen Verhandlungsgebote.\n\n326\n\nDazu auch _Wagner/Helmst adter/Nußing_, CR 2017, 743 (749).\n\n327\n\nNichts anderes gilt auch insoweit unter Berucksichtigung der Rechtsprechung\ndes Bundesverwaltungsgerichts, wonach sich insbesondere\nRegulierungsverfugungen nicht inhaltlich widersprechen durfen.\n\n328\n\nDazu (nochmals) BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2012 - 6 C 3.11 -, juris (Rn. 15).\n\n329\n\n4\\. Neben den in Ziffern III.4.15 und 16 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bestimmten Verhandlungsgeboten erweist sich auch\ndas Verhandlungsgebot nach deren Ziffer III.4.17 nach summarischer Prufung als\nrechtmaßig. Danach haben Zuteilungsinhaber auf Nachfrage anderer bundesweiter\nZuteilungsinhaber unter Beachtung des Telekommunikations- und Kartellrechts\nuber die Mitnutzung bestehender bundesweiter Netze (sog. Roaming) sowie uber\nInfrastruktur-Sharing zu verhandeln. Die Verhandlungen sollen\ndiskriminierungsfrei sein.\n\n330\n\nAuch bei diesem Verhandlungsgebot handelt es sich um eine\nFrequenznutzungsbestimmung, gegen deren rechtliche Zulassigkeit Bedenken nicht\nbestehen und die die Antragsgegnerin im Rahmen ihres Ausgestaltungsspielraums\nrechtsfehlerfrei bestimmt hat.\n\n331\n\na) (1) Das auf die Mitnutzung bestehender bundesweiter Netze sowie\nInfrastruktur-Sharing gerichtete Verhandlungsgebot findet seine\nRechtsgrundlage ebenfalls in § 60 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG. Es spricht nach\nsummarischer Prufung vieles dafur, dass das in Ziffer III.4.17 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung bestimmte\nVerhandlungsgebot im Hinblick auf so genanntes regionales Roaming und\nInfrastruktur-Sharing wegen der ausdrucklich in Ziffern III.4.5 bis 9 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidungen enthaltenen\ndiesbezuglichen Bezugnahmen integraler Bestandteil einer Bestimmung des\nVersorgungsgrades gemaß § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG und bereits aus diesem\nGrunde eine zulassige Frequenznutzungsbestimmung darstellt.\n\n332\n\n(2) Daneben erweist sich das in Ziffer III.4.17 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung enthaltene Verhandlungsgebot im Hinblick auf so\ngenanntes bundesweites Roaming als Auflage gemaß § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG\nebenfalls als zulassige Frequenznutzungsbestimmung im Sinne des § 61 Abs. 3\nSatz 2 Nr. 4 TKG.\n\n333\n\nDem steht insbesondere § 21 Abs. 2 Nr. 4 TKG nicht entgegen, wonach die\nBundesnetzagentur Betreiber offentlicher Telekommunikationsnetze, die uber\nbetrachtliche Marktmacht verfugen, unter Beachtung von § 21 Abs. 1 TKG auch\nverpflichten kann, bestimmte fur die Interoperabilitat der Ende-zu-Ende-\nKommunikation notwendige Voraussetzungen, einschließlich der Bereitstellung\nvon Einrichtungen fur intelligente Netzdienste oder Roaming (die Ermoglichung\nder Nutzung von Mobilfunknetzen anderer Betreiber auch außerhalb des\nVersorgungsbereichs des nachfragenden Mobilfunknetzbetreibers fur dessen\nEndnutzer) zu schaffen. Denn ebenso wie Ziffern III.4.15 und 16 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung dient auch deren Ziffer\nIII.4.17 der Bewaltigung einer Knappheitssituation. Das darin enthaltene\nVerhandlungsgebot soll insbesondere den infolge der vorherrschenden\nKnappheitssituation erschwerten Marktzutritt von Neueinsteigern erleichtern.\n\n334\n\nBNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 573.\n\n335\n\n§ 21 Abs. 2 Nr. 4 TKG steht der Bestimmung des in Ziffer III.4.17 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung enthaltenen\nVerhandlungsgebotes auf der Grundlage des § 60 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG daher\nnicht entgegen.\n\n336\n\nAllgemein auch _Rossi/Sandhu_ , MMR 2019, 90 (91 f.).\n\n337\n\nEbenso wenig wie § 21 Abs. 2 Nr. 3 TKG lasst sich auch § 21 Abs. 2 Nr. 4 TKG\nnicht entnehmen, dass es unzulassig ware, das in Ziffer III.4.17 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung bestimmte\nVerhandlungsgebot als Frequenznutzungsbestimmungen gemaß § 61 Abs. 3 Satz 2\nNr. 4 TKG aufzuerlegen.\n\n338\n\nb) Zweifel an der Rechtmaßigkeit von Ziffer III.4.17 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung im Übrigen bestehen unter\nZugrundelegung des in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts\nentwickelten Maßstabs der gerichtlichen Kontrolle ebenfalls nicht. Auch mit\nBlick auf das in Ziffer III.4.17 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bestimmte Verhandlungsgebot ist die\nBundesnetzagentur abgesehen von der vorliegend nicht zweifelhaften Einhaltung\nder Verfahrensbestimmungen von einem richtigen Verstandnis der gesetzlichen\nBegriffe ausgegangen, sie hat den erheblichen Sachverhalt vollstandig und\nzutreffend in den Blick genommen und bei der eigentlichen Bewertung\nwiderspruchsfrei und plausibel argumentiert und insbesondere das Willkurverbot\nnicht verletzt.\n\n339\n\n(1) Ebenso wie mit Blick auf Ziffern III.4.15 und 16 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung durfte die\nBundesnetzagentur das in deren Ziffer III.4.17 bestimmte Verhandlungsgebot fur\nim Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG erforderlich zur Sicherung jedenfalls der\nweiteren in § 2 TKG genannten Regulierungsziele, namentlich desjenigen nach §\n2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 TKG,\n\n340\n\nsiehe dazu BNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur\nfur Elektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26.\nNovember 2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln)\nund uber die Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 588,\n\n341\n\nhalten.\n\n342\n\nAllgemein dazu auch _Rossi/Sandhu_ , MMR 2019, 90 (91).\n\n343\n\nNamentlich ein fehlerhaftes Verstandnis der gesetzlichen Begriffe ist insoweit\nnicht erkennbar.\n\n344\n\n(2) Des Weiteren betrifft Ziffer III.4.17 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung zwar ahnlich wie die Verhandlungsgebote im Sinne\nvon Ziffern III.4.15 und 16 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung nicht die zur Vergabe stehenden Frequenzen,\nsondern vielmehr bestehende bundesweite Mobilfunknetze. Dies ist nach dem\nVorstehenden indes unschadlich und missachtet auch nicht das Verbot\nzweckwidriger Nebenbestimmungen gemaß § 36 Abs. 3 VwVfG.\n\n345\n\n(3) Schließlich ist eine diskriminierende Ausgestaltung der Ziffer III.4.17\nder streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung nicht gegeben.\nAusweislich des Wortlautes von Ziffer III.4.17 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung werden das so genannte bundesweite und regionale\nRoaming derselben Verhandlungspflicht unterworfen, weswegen eine mit Blick auf\ndas Diskriminierungsverbot maßgebliche Unterscheidung nicht gegeben ist.\n\n346\n\n5\\. Die Rechtmaßigkeit der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung ist nach summarischer Prufung schließlich auch\nnicht deswegen zweifelhaft, weil diese einen unzulassigen Auflagenvorbehalt\nenthielte. Soweit die Bundesnetzagentur im Rahmen der Begrundung der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung ausfuhrt, dass sie sich\nim Rahmen ihrer pflichtgemaßen Ermessensausubung vorbehalte, mit Blick auf\neine das Unionsrecht umsetzende kunftige Novelle des\nTelekommunikationsgesetzes die Auferlegung von Roamingverpflichtungen im\nEinzelfall zu prufen und erforderlichenfalls anzuordnen,\n\n347\n\nBNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 615,\n\n348\n\nbedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, ob darin eine\nFrequenznutzungsbestimmung in Gestalt eines Auflagenvorbehaltes im Sinne von §\n36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG zu sehen ist.\n\n349\n\nGrundsatzlich ist geklart, dass der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts\nentsprechend den zu den §§ 133, 157 BGB entwickelten Regeln zu ermitteln und\ndabei der objektiv erklarte Wille maßgebend ist, wie ihn der Empfanger bei\nobjektiver Wurdigung verstehen konnte.\n\n350\n\nIn vorliegendem Zusammenhang nur BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C\n36.11 -, juris (Rn. 27).\n\n351\n\nSelbst wenn ausgehend davon im vorliegenden Fall von einem Auflagenvorbehalt\nim Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG auszugehen sein sollte und ein solcher\nVorbehalt mit Blick auf Art. 61 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie (EU) 2018/1927\nzwingende Voraussetzung einer von der Bundesnetzagentur in Bezug genommenen\nAuferlegung von Roamingverpflichtungen sein sollte, fuhrt dies nicht zur\nRechtswidrigkeit der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung.\n\n352\n\nDenn § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG schließt einen Vorbehalt der nachtraglichen\nAufnahme, Änderung oder Erganzung von Auflagen im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 5\nVwVfG nicht grundsatzlich aus.\n\n353\n\nVG Koln, Urteil vom 17. Marz 2010 - 21 K 7671/09 -, juris (Rn. 98).\n\n354\n\nÜberdies erweist sich eine Auflage im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG dann\nals zulassig, wenn die Grunde, bei deren Vorliegen der Verwaltungsakt unter\ndem Vorbehalt nachtraglicher Auflagen stehen soll, solche sind, die auch eine\nAuflage selbst rechtfertigen konnen.\n\n355\n\n _Tiedemann_ , in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), BeckOK VwVfG, § 36 (2019),\nRn. 71.\n\n356\n\nDer Inhalt der zukunftigen Auflage braucht dagegen noch nicht prazisiert zu\nwerden.\n\n357\n\n _Stelkens_ , in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 36, Rn.\n90.\n\n358\n\nDiese Voraussetzungen sind - wie mit Blick auf Ziffer III.4.17 der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung gezeigt - vorliegend\ngegeben, nimmt die Bundesnetzagentur doch auch im vorliegenden Zusammenhang\nauf die Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 TKG Bezug.\n\n359\n\nBNetzA, Entscheidung der Prasidentenkammer der Bundesnetzagentur fur\nElektrizitat, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 26. November\n2018 uber die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und uber\ndie Festlegungen und Regelungen fur die Durchfuhrung des Verfahrens\n(Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6\nGHz, Rn. 615.\n\n360\n\nII. Eine von der Rechtmaßigkeit der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung losgeloste Abwagung zwischen dem Interesse der\nAntragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der von ihr\nerhobenen Klage einerseits und dem offentlichen Interesse an der sofortigen\nVollziehbarkeit der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung\nandererseits geht ebenfalls zu Ungunsten der Antragstellerin aus.\n\n361\n\nBei dieser Interessenabwagung ist der Rechtsschutzanspruch umso starker und\ndarf umso weniger zuruckstehen, je schwerer die dem Betroffenen auferlegte\nBelastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabanderliches\nbewirken. Fur die vorzunehmende Interessenabwagung ist allerdings eine\ngesetzgeberische Entscheidung fur den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung,\nwie sie auch hier in Gestalt des § 137 Abs. 1 TKG vorliegt, von erheblicher\nBedeutung. Um eine Entscheidung zu rechtfertigen, die zu einer Abweichung von\ndem durch den Gesetzgeber angeordneten grundsatzlichen Vorrang des\nVollziehungsinteresses fuhrt, bedarf es besonderer Umstande. Dabei ist das\nGericht zu einer Einzelfallbetrachtung grundsatzlich nur im Hinblick auf\nsolche Umstande angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die\nAnnahme rechtfertigen konnen, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen\nGrundsatzentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist. Dementsprechend muss der\nAntragsteller die Wertung des Gesetzgebers mit Besonderheiten seiner Situation\nentkraften und Wege aufzeigen, die gleichwohl den offentlichen Belangen noch\nRechnung tragen. Dabei sind die Folgen, die sich fur den Antragsteller mit dem\nSofortvollzug verbinden, nur insoweit beachtlich, als sie nicht schon als\nregelmaßige Folge der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzuges in der\ngesetzgeberischen Grundentscheidung Berucksichtigung gefunden haben.\n\n362\n\nSiehe zum Ganzen VG Koln, Beschluss vom 21. Dezember 2018 - 9 L 1698/18 -,\njuris (Rn. 217).\n\n363\n\nAusgehend von diesem Maßstab ergibt sich, dass die Nachteile, die\nvoraussichtlich fur die Antragstellerin eintreten werden, wenn der vorliegende\nAntrag abgelehnt wird, die Klage jedoch spater Erfolg hat, nicht die\nnachteiligen Folgen fur das offentliche Interesse uberwiegen, die sich\nergeben, wenn dem Aussetzungsantrag stattgegeben, die Klage spater hingegen\nabgewiesen wurde.\n\n364\n\nZunachst nimmt der Gesetzgeber mit der in § 137 Abs. 1 TKG getroffenen\nEntscheidung eine moglicherweise notwendige Ruckabwicklung im Falle eines\nObsiegens der Antragstellerin in der Hauptsache in Kauf. Die Gefahr der\nRuckabwicklung spricht daher nicht gegen ein offentliches Interesse an der\nVollziehung der streitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung. Deswegen\nvermag die Antragstellerin schon ganz grundsatzlich nicht mit Erfolg geltend\nzu machen, aufgrund ihrer Klage sowie weiterer anhangiger Klagen bestunden\nUnsicherheiten, die geeignet seien, die Auktionsergebnisse maßgeblich zu\nbeeinflussen. Unabhangig davon, ob eine derartige Beeinflussung uberhaupt\nanzunehmen ist, kann zumindest nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber\nhabe dahingehende Umstande mit der Regelung des § 137 Abs. 1 TKG zu Unrecht in\nKauf genommen. Nichts anderes gilt auch hinsichtlich die Befurchtung der\nAntragstellerin, im Falle der Durchfuhrung des Versteigerungsverfahrens wurden\nBietverhalten und deswegen auch Bietstrategien der Teilnehmer am\nVersteigerungsverfahren bekannt. Gleiches gilt uberdies fur das Vorbringen der\nAntragstellerin, im Falle einer Ruckabwicklung des Versteigerungsverfahrens\nsei die Aufwendung finanzieller Mittel zum Zwecke der Erfullung der in der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung bestimmten\nVersorgungsverpflichtungen nicht mehr ruckgangig zu machen. Da § 61 Abs. 3\nSatz 2 Nr. 4 TKG ausdrucklich vorsieht, dass der Versorgungsgrad bei der\nFrequenznutzung durch die Bundesnetzagentur zu bestimmen ist, ist auch\ninsoweit nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der in § 137 Abs. 1 TKG\ngetroffenen Entscheidung eine von der Antragstellerin monierte Aufwendung\nfinanzieller Mittel schon vor dem (rechtskraftigen) Abschluss der Klage nicht\nin Kauf genommen hatte.\n\n365\n\nDas offentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung erwachst insbesondere aus\nden in § 2 Abs. 2 TKG festgeschriebenen Regulierungszielen, namentlich der\nSicherstellung einer effizienten und storungsfreien Nutzung von Frequenzen im\nSinne des § 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG. Diesem Regulierungsziel liefe eine Anordnung\nder aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die\nstreitgegenstandlichen Prasidentenkammerentscheidung zuwider. Demgegenuber ist\nnicht ersichtlich, dass der Antragstellerin durch die sofortige Vollziehung\nder streitgegenstandlichen Entscheidung ein unmittelbarer, gegenwartiger\nRechtsverlust droht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass im\nFalle einer sofortigen Vollziehung die Durchfuhrung des\nVersteigerungsverfahrens droht. Insoweit ist namlich nicht ersichtlich, dass\nder Antragstellerin ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache\nunzumutbar ware. Dringt die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen der\nRechtswidrigkeit der streitgegenstandlichen Entscheidung in der Hauptsache\ndurch und wird ihrer Klage stattgegeben, musste die Bundesnetzagentur ein\nzwischenzeitlich durchgefuhrtes Versteigerungsverfahren gegebenenfalls\nruckabwickeln oder wiederholen.\n\n366\n\nSchließlich uberwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der\naufschiebenden Wirkung der von ihr erhobenen Klage auch nicht mit Blick auf\ndas von ihr befurchtete Bekanntwerden des Inhalts ihrer Antragsschrift im\nvorliegenden Verfahren, namentlich etwaiger Betriebs- und\nGeschaftsgeheimnisse. Denn jedenfalls begrunden dahingehende (bloße)\nVermutungen kein uberwiegendes Interesse der Antragstellerin an der Anordnung\nder aufschiebenden Wirkung der von ihr erhobenen Klage, unabhangig von einem\ndiesbezuglichen Verursachungsbeitrag, der seitens des Gerichts ausgeschlossen\nwerden kann und von der Antragstellerin verneint wird.\n\n367\n\nNach alledem sind dafur, dass im vorliegenden Fall von der gesetzgeberischen\nGrundsatzentscheidung des § 137 Abs. 1 TKG ausnahmsweise abzuweichen ware,\nkeine Anhaltspunkte ersichtlich.\n\n368\n\nIII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.\n\n369\n\nIV. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1\nGKG.\n\n370\n\nDa sich die Antragstellerin im vorliegenden Eilverfahren auch gegen die in\nZiffern III.4.3 bis 11 der streitgegenstandlichen\nPrasidentenkammerentscheidung bestimmten Versorgungsverpflichtungen wendet,\nderen Erfullung nach dem Vorbringen der Beteiligten Kosten in erheblicher Hohe\nverursachen wird, hat das Gericht den Hochststreitwert im Sinne des § 39 Abs.\n3 GKG zugrunde gelegt und unter Berucksichtigung von Ziffer 1.5 des\nStreitwertkatalogs fur die Verwaltungsgerichtsbarkeit halbiert.\n\n371\n\n**Rechtsmittelbelehrung**\n\n372\n\nZiffer 1 dieses Beschlusses ist unanfechtbar, § 137 Abs. 3 Satz 1 TKG.\n\n373\n\nGegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem\ndie Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich\nanderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert\nspater als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie\nnoch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des\nFestsetzungsbeschlusses eingelegt werden.\n\n374\n\nDie Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der\nGeschaftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der\nVerwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung uber die technischen\nRahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und uber das besondere\nelektronische Behordenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -\nERVV) bei dem Verwaltungsgericht Koln, Appellhofplatz, 50667 Koln, einzulegen.\n\n375\n\nDie Beschwerde ist nur zulassig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200\nEuro ubersteigt.\n\n376\n\nDie Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der\nEinreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.\n\n
318,040
bverwg-2019-02-21-9-b-2818
5
Bundesverwaltungsgericht
bverwg
Bundesrepublik Deutschland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
9 B 28/18
2019-02-21
2019-04-02 12:17:05
2020-12-10 15:13:02
Beschluss
ECLI:DE:BVerwG:2019:210219B9B28.18.0
## Gründe\n\n1\n\n \n\nDie auf samtliche Zulassungsgrunde gestutzte Beschwerde hat keinen Erfolg.\n\n2\n\n \n\n1\\. Die Revision ist nicht wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache (§\n132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.\n\n3\n\n \n\nGrundsatzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur,\nwenn fur die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete,\nfallubergreifende und bislang ungeklarte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von\nBedeutung war, deren Klarung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur\nErhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung\ndes Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lasst sich nicht\nentnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfullt sind.\n\n4\n\n \n\na) Die Frage:\n\n \n\nDarf bei einer vereinfachten Flurbereinigung ein Wertabzug wegen\nKleinteiligkeit der eingebrachten Grundstucke auf deren Bodenwert vorgenommen\nwerden?\n\n \n\nstellt schon deshalb keine entscheidungsbedurftige Rechtsfrage von\nfallubergreifender Bedeutung dar, weil die Beschwerde die tragenden Grunde des\nangefochtenen Urteils nicht vollstandig erfasst. Das Oberverwaltungsgericht\nist - anders als von der Beschwerde angenommen - nicht davon ausgegangen, dass\nallein die geringe Große der Parzellen wertmindernd zu berucksichtigen ist.\nVielmehr hat es, wie auch das Waldwertgutachten, auf Erschwernisse der\nBewirtschaftung und der Holzernte abgestellt, welche in der erschwerten\nAuffindbarkeit der Parzellen, der teilweise fehlenden Bestimmbarkeit ihrer\nGrenzen, der schlechten Erreichbarkeit sowie darin begrundet sind, dass die\nBaume bei der Holzernte in der Regel auf das Nachbargrundstuck fallen.\n\n5\n\n \n\nDaruber hinaus sind in der hochstrichterlichen Rechtsprechung die Grundsatze\nder Wertermittlung im Wesentlichen geklart (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.\nJanuar 1975 - 5 B 98.72 - Buchholz 424.01 § 28 FlurbG Nr. 3 S. 2) und sind fur\ndie Bestimmung des Grundstuckswertes im Übrigen die Umstande des Einzelfalls\nmaßgeblich. Das Flurbereinigungsgesetz enthalt keine abschließende Regelung\nfur die Wertermittlung. Es legt die unabdingbaren und der Disposition der\nBehorde entzogenen Voraussetzungen fest, die fur die Beurteilung der\nGrundstucke der Teilnehmer nach Wertgesichtspunkten bestimmend sein sollen,\nschreibt aber fur die Durchfuhrung keine bestimmte technische Methode vor.\nInsoweit besteht innerhalb der gesetzlichen Grenzen sowie der Selbstbindung\ndurch Verwaltungsvorschriften ein Beurteilungsspielraum. Gleichwohl hat die\nBehorde von den anerkannten Grundsatzen der Wertermittlung von Grundstucken\nauszugehen. Daruber hinaus muss die angewandte Methode rechtsstaatlichen\nAnforderungen entsprechen und sicherstellen, dass der durch Art. 14 GG\ngeschutzte Anspruch auf eine wertgleiche Abfindung tatsachlich verwirklicht\nwird (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 1959 - 1 CB 27.58 - BVerwGE 8, 343 <349\nf.> und vom 23. August 1962 - 1 C 130.56 - RdL 1963, 107 <107 f.>).\n\n6\n\n \n\nSoweit die Flurbereinigungsbehorde - wie vorliegend - den Wert des Waldbodens\nanhand des Verkehrswertes ermittelt, entspricht es den vorgenannten\nAnforderungen, wenn sie der Wertermittlung die Waldbewertungsrichtlinien des\nBundes und des Landes zugrunde legt. Ungeachtet dessen, dass die zur\nErmittlung des Verkehrswertes erlassenen Waldbewertungsrichtlinien des Landes\nNiedersachsen - WBR 2014 - (Nds. MBl. 2014 S. 38) gemaß Nr. 1 WBR 2014 u.a.\nvon der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, fur die die Gutachterin D. das\ndem Verfahren zugrunde liegende Waldwertgutachten erstellt hat, anzuwenden\nsind, ist in der hochstrichterlichen Rechtsprechung geklart, dass die\nstaatlichen Richtlinien eine geeignete Bemessungsgrundlage fur die\nWertbestimmung bei Waldgrundstucken darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli\n2002 - V ZR 97/01 - ZfIR 2002, 1022 <1024>). Nr. 31 WBR 2014 sieht Abschlage\nfur eine Parzellierung und eine mangelnde Erschließung ausdrucklich vor. Auch\nnach Nr. 2.3.2 der Richtlinien des Bundes fur die Ermittlung und Prufung des\nVerkehrswertes von Waldflachen und fur Nebenentschadigungen (BAnz. Nr. 168a\nvom 6. September 2000) sind die Erschließung, die Große und der\nArrondierungsgrad der Waldflachen wertbestimmende Faktoren.\n\n7\n\n \n\nIm Übrigen konnen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch\ndann, wenn die Wertermittlung nicht anhand des Verkehrs-, sondern des\nNutzwertes erfolgt (vgl. zur diesbezuglichen Berechnung des Waldbodenwertes\nEggers, RdL 1961, 113 <114>), die Benutzungs- und Verwertungsmoglichkeiten des\nGrundstucks Berucksichtigung finden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1963\n- 1 C 56.61 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 14 S. 1 ff.; Beschlusse vom 4.\nFebruar 1991 - 5 B 91.90 - Buchholz 424.01 § 28 FlurbG Nr. 7 S. 2 f. und vom\n29. Mai 1991 - 5 B 27.91 - Buchholz 424.01 § 28 FlurbG Nr. 8 S. 6).\n\n8\n\n \n\nEinen daruber hinausgehenden rechtsgrundsatzlichen Klarungsbedarf zeigt die\nBeschwerde nicht auf.\n\n9\n\n \n\nb) Die Frage:\n\n \n\nHandelt es sich um eine rechtmaßige Wertermittlung, auch wenn die\nFlurbereinigungsbehorde dem Vorstand der Teilnehmergemeinschaft keine\nMoglichkeit gegeben hat, an der Wertermittlung vor Ort teilzunehmen?\n\n \n\nrechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision wegen grundsatzlicher\nBedeutung der Rechtssache.\n\n10\n\n \n\nGemaß § 31 Abs. 1 FlurbG soll der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft der\nWertermittlung beiwohnen, die unter Leitung der Flurbereinigungsbehorde durch\neinen von dieser - nach Anhorung des Vorstands - ausgewahlten\nlandwirtschaftlichen Sachverstandigen vorgenommen wird. Zwingend\nvorgeschrieben ist danach nur die Anhorung des Vorstands vor der Auswahl der\nSachverstandigen, wohingegen seine Teilnahme an der Wertermittlung lediglich\nals Soll-Vorschrift ausgestaltet ist. Diese dient der Aktivierung der\nMitarbeit sowie der Starkung des Vertrauens der Teilnehmergemeinschaft\nhinsichtlich der Wertermittlung (vgl. BT-Drs. 1/3385 S. 36 f.). Die Regelung\ngestattet, wie alle Soll-Vorschriften, eine Abweichung in Ausnahmefallen, in\ndenen das Festhalten an der gesetzlichen Regel auch unter Berucksichtigung des\nWillens des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt bzw. nicht erforderlich ist\n(vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 36).\nOb und inwiefern diese Voraussetzungen erfullt sind, ist eine Frage des\nEinzelfalls und einer grundsatzlichen Entscheidung nicht zuganglich. Insoweit\nklarungsbedurftige Fragen zeigt auch die Beschwerde nicht auf. Ihr geht es in\nder Sache vielmehr lediglich darum, ob der angefochtene Bescheid rechtmaßig\nist, obwohl der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft nicht zu Ortsterminen im\nRahmen der Wertermittlung hinzugezogen wurde.\n\n11\n\n \n\nc) Die Frage:\n\n \n\nFuhrt eine vor dem Anordnungsbeschluss gemachte Zusage der\nFlurbereinigungsbehorde gegenuber einem Trager hinsichtlich der\nGrunderwerbskosten zur Rechtswidrigkeit der Wertermittlung?\n\n \n\nbegrundet schließlich schon deshalb keine grundsatzliche Bedeutung der\nRechtssache, weil sich das angefochtene Urteil hierzu nicht verhalt. Es hat\ndie Entscheidungserheblichkeit einer etwaigen vorherigen Zusage mit der\nBegrundung verneint, diese konne - da sie allein das behordliche Verhalten vor\nErlass des Einleitungsbeschlusses betreffe - keinen schwerwiegenden Fehler\nbegrunden, der zu dessen Nichtigkeit fuhre. Auch der Klager hatte in seiner\nKlagebegrundung vom 1. November 2017 die (vermeintliche) Vorfestlegung als\nGrund fur die Nichtigkeit des Einleitungsbeschlusses angefuhrt. Auf etwaige\nAuswirkungen auf die Rechtmaßigkeit der Wertermittlung hingegen geht das\nUrteil nicht ein, ohne dass der Klager dies mit einer Verfahrensruge\nangegriffen hat. Eine Rechtsfrage, die sich fur die Vorinstanz nicht gestellt\nhat oder auf die diese nicht entscheidend abgehoben hat, kann jedoch\ngrundsatzlich nicht zur Zulassung der Revision fuhren (stRspr, vgl. BVerwG,\nBeschlusse vom 5. Oktober 2009 - 6 B 17.09 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 4\nRn. 7 und vom 6. Mai 2010 - 6 B 73.09 - juris Rn. 4). Hieraus folgt zugleich,\ndass in der Vorinstanz die beantragte Sachverhaltsaufklarung nicht deswegen\nunterblieben ist, weil das Tatsachengericht die als rechtsgrundsatzlich\nbedeutsam bezeichnete Frage anders als der Beschwerdefuhrer beantwortet und\ndeswegen die Beweisaufnahme als nicht entscheidungserheblich abgelehnt hat.\nDer Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Marz 2000 - 8 B 287.99 -\n(Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 14 S. 20), auf den sich der Klager beruft, steht\ndaher schon deshalb der Anwendung des vorgenannten Grundsatzes nicht entgegen.\n\n12\n\n \n\n2\\. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil das angefochtene Urteil\nvon einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser\nAbweichung beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).\n\n13\n\n \n\nEine die Revision eroffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3\nSatz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich\nbestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz\nbenennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshofe\ndes Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten\nentscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift\nwidersprochen hat. Der von der Beschwerde angegriffene Rechtssatz des\nOberverwaltungsgerichts:\n\n \n\n"[W]er trotz fehlerhafter offentlicher Bekanntmachung des entscheidenden Teils\neines Einleitungsbeschlusses auf andere Weise sicher Kenntnis vom Ergehen des\nBeschlusses und seines Betroffenseins hiervon erlangt, muss sich so behandeln\nlassen, als sei der Beschluss wirksam offentlich bekannt gemacht worden."\n\n \n\nweicht nicht von dem von ihr benannten Rechtssatz des\nBundesverwaltungsgerichts in dessen Urteil vom 28. Oktober 1982 - 5 C 46.81 -\n(Buchholz 424.01 § 110 FlurbG Nr. 4 S. 6):\n\n \n\n"[W]er trotz unvollstandiger offentlicher Bekanntmachung des entscheidenden\nTeils des Flurbereinigungsbeschlusses auf andere Weise sicher Kenntnis vom\nErgehen des Anordnungsbeschlusses und seines Betroffenseins hiervon erlangt,\nkann sich nicht auf [die] fehlerhafte Bekanntgabe des Verwaltungsakts\nberufen."\n\n \n\nab. Entgegen der Annahme des Klagers kam dem Umstand, wie der Betroffene\nKenntnis von dem Beschluss erlangt hat, in der vorgenannten Entscheidung keine\nentscheidungstragende Bedeutung zu. Insbesondere hat das\nBundesverwaltungsgericht sein Urteil nicht darauf gestutzt, dass der Beschluss\nin zumindest einer Gemeinde ordnungsgemaß bekannt gemacht worden sein muss.\nMaßgeblich ist vielmehr allein, dass bzw. ob der Betroffene auf andere Weise\nsichere Kenntnis vom Ergehen des Einleitungsbeschlusses und seiner\nBetroffenheit erlangt hat. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, eine\nsolche sichere Kenntniserlangung sei vorliegend mit der Übersendung des\nSchreibens des Beklagten vom 21. Dezember 2015 erfolgt, fuhrt daher auf keine\nDivergenz.\n\n14\n\n \n\n3\\. Die Revision ist schließlich nicht deshalb zuzulassen, weil ein\nVerfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene\nEntscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).\n\n15\n\n \n\na) Das Vorbringen des Klagers, das Oberverwaltungsgericht habe die\nAnwendbarkeit der Waldbodenrichtwerte auf die zu bewertenden Flurstucke nicht\ngepruft, fuhrt nicht auf eine Verletzung der gerichtlichen Aufklarungspflicht\n(§ 86 Abs. 1 VwGO).\n\n16\n\n \n\nFur die ordnungsgemaße Begrundung einer Ruge mangelhafter Sachaufklarung muss\nu.a. dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsachlichen Umstande und mit\nwelchen Mitteln ein zusatzlicher Aufklarungsbedarf bestanden hat, ferner, dass\nauf die unterbliebene Sachverhaltsaufklarung hingewirkt worden ist oder dass\nsich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen von sich aus hatten aufdrangen\nmussen (stRspr, vgl. Urteil vom 21. Juni 2006 - 6 C 19.06 - Buchholz 11 Art.\n12 GG Nr. 264 Rn. 25 m.w.N.). Im Flurbereinigungsverfahren ist dabei zu\nberucksichtigen, dass durch die gemaß § 139 FlurbG vorgeschriebene besondere\nBesetzung des Flurbereinigungsgerichts eine sachverstandige Wurdigung der im\nRahmen der Flurbereinigung zu beurteilenden Sachverhalte regelmaßig\ngewahrleistet ist. Die eigene Sachkunde des Flurbereinigungsgerichts muss im\n"Normalfall", d.h. bei Sachverhalten, mit denen das Flurbereinigungsgericht\nregelmaßig befasst ist, nicht besonders begrundet werden. Mit Blick auf die\nbesondere Sachkunde des Flurbereinigungsgerichts kommt ein Verstoß gegen\ndessen Aufklarungspflicht hiernach nur dann in Betracht, wenn die Beurteilung\nder in Rede stehenden fachlichen Fragen durch das Flurbereinigungsgericht\ngravierende Mangel aufweist, etwa wenn sie von unzutreffenden Tatsachen\nausgeht, in sich widerspruchlich oder aktenwidrig ist oder ohne die notwendige\nKenntnis der ortlichen Verhaltnisse vorgenommen wurde, mithin wenn sie\nschlechterdings unvertretbar ist (BVerwG, Beschlusse vom 4. November 2010 - 9\nB 85.09 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 376 Rn. 5, vom 20. Oktober 2011 -\n9 B 15.11 - juris Rn. 6 m.w.N. und vom 15. Mai 2014 - 9 B 14.14 - juris Rn.\n6).\n\n17\n\n \n\nDerartige Mangel zeigt die Beschwerde nicht auf. Das Oberverwaltungsgericht\nhat die Annahmen und Feststellungen des Waldwertgutachtens umfassend gepruft\nund hierzu die Gutachterin D. als sachverstandige Zeugin vernommen. Der Klager\nhingegen hat ausweislich der Niederschrift uber die mundliche Verhandlung vom\n17. April 2018 ausdrucklich auf eine Vernehmung des von ihm benannten\nSachverstandigen S. als Zeugen verzichtet; dieser hatte gleichwohl die\nGelegenheit, in der mundlichen Verhandlung als Beistand des Klagers in\nErganzung seines Gutachtens vom 28. Oktober 2017 zu den aufgeworfenen Fragen\nStellung zu nehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat sich auch mit dessen\nAusfuhrungen befasst und sich ihnen ausdrucklich insoweit angeschlossen, als\nes gemaß § 144 Satz 1 Alt. 1 FlurbG den Bodenwert auf 0,45 €/qm angehoben hat.\nIm Übrigen hat es seinem Urteil die wesentlichen Grundannahmen des\nWaldwertgutachtens der Landwirtschaftskammer zugrunde gelegt. Insbesondere ist\nes den Ausfuhrungen der Gutachterin D. dahingehend gefolgt, dass vorliegend\neine - nach Nr. 15 WBR 2014 vorrangige - Herleitung des\nWaldbodenverkehrswertes aus den Waldbodenpreisen, die bei Verkaufen ahnlicher\nWaldflachen erzielt wurden, mangels aussagekraftiger, reprasentativer\nKaufpreissammlungen nicht moglich war. Eine Bestatigung dieser Angaben hat das\nGericht verschiedenen regionalen und landesweiten Grundstucksmarktberichten\nentnommen.\n\n18\n\n \n\nMit dieser ausfuhrlichen Begrundung setzt sich die Beschwerde nicht\nauseinander. Sie benennt stattdessen lediglich einzelne Verkaufspreise in\nNeustadt am Rubenberge sowie in Garbsen. Dies steht der sachverstandig\nunterlegten Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, es fehle an einer\naussagekraftigen, reprasentativen Kaufpreissammlung, nicht entgegen.\n\n19\n\n \n\nb) Ein Verfahrensmangel liegt auch nicht insoweit vor, als sich der Klager auf\neine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehor beruft.\n\n20\n\n \n\nDer Grundsatz rechtlichen Gehors (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO)\nverlangt vom Gericht, die Ausfuhrungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen\nund in Erwagung zu ziehen. Das Gericht ist aber weder gehalten, der\nRechtsansicht einer Partei zu folgen, noch muss es das gesamte Vorbringen in\nden Entscheidungsgrunden wiedergeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt\nStellung nehmen (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Juli 2018 - 1 BvR\n682/12 - NVwZ 2018, 1561 Rn. 19; BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006 - 6 C 19.06\n- Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264 Rn. 30 m.w.N.). Den Einwand des Klagers, der\n- nach Ablauf der Klagefrist nicht mehr anfechtbare - Einleitungsbeschluss sei\nnichtig, weil die Flurbereinigung allein dem Ziel gedient habe, kostengunstig\nFlachen fur das sogenannte Life+-Projekt zu erwerben, hat das\nOberverwaltungsgericht nicht nur im Tatbestand wiedergegeben, sondern in den\nEntscheidungsgrunden uber zwei Seiten beschieden. Dass es dem Vorbringen des\nKlagers nicht gefolgt ist, sondern die Rechtswidrigkeit des\nEinleitungsbeschlusses mit der Begrundung offen gelassen hat, dessen etwaige\nFehlerhaftigkeit sei jedenfalls nicht offensichtlich und konne schon deshalb\ngemaß § 44 Abs. 1 VwVfG keine Nichtigkeit begrunden, verletzt den Klager nicht\nin seinem Anspruch auf rechtliches Gehor.\n\n21\n\n \n\nc) Die Revision ist schließlich auch nicht insoweit wegen eines\nentscheidungserheblichen Verfahrensmangels zuzulassen, weil das\nOberverwaltungsgericht den Niedersachsischen Landesbetrieb fur\nWasserwirtschaft, Kusten- und Naturschutz nicht beigeladen, gleichwohl jedoch\nden Waldbodenbasiswert um 0,05 €/qm heraufgesetzt hat. Ungeachtet § 138 Nr. 3\nVwGO kann nur ein Verfahrensfehler zu Lasten des Rechtsmittelfuhrers die\nZulassung der Revision rechtfertigen.\n\n22\n\n \n\n4\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des\nStreitwertes auf § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.\n\n
318,062
bverfg-2019-03-27-2-bvc-2319
3
Bundesverfassungsgericht
bverfg
Bundesrepublik Deutschland
Verfassungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
2 BvC 23/19
2019-03-27
2019-04-02 12:17:23
2020-12-10 15:12:47
Beschluss
ECLI:DE:BVerfG:2019:cs20190327.2bvc002319
## Tenor\n\n \n\nDie Nichtanerkennungsbeschwerde wird verworfen.\n\n## Gründe\n\n \n\n## I.\n\n1\n\n \n\nDie Beschwerdefuhrerin wendet sich gegen die Zuruckweisung ihres\nWahlvorschlags fur die Europawahl am 26. Mai 2019.\n\n2\n\n \n\nAm 15. Marz 2019 hat der Bundeswahlausschuss den Wahlvorschlag der\nBeschwerdefuhrerin mit der Begrundung zuruckgewiesen, sie habe jedenfalls das\nin § 9 Abs. 5 EuWG vorgeschriebene Unterstutzungsunterschriftenquorum nicht\nerfullt. Hiergegen hat die Beschwerdefuhrerin mit Schreiben vom 18. Marz 2019,\ndas am 21. Marz 2019 beim Bundesverfassungsgericht eingegangen ist, Beschwerde\nerhoben.\n\n3\n\n \n\nVon der Zustellung des Antrags an den Bundeswahlausschuss wurde gemaß § 22\nAbs. 1 GOBVerfG abgesehen.\n\n \n\n## II.\n\n4\n\n \n\nDie Nichtanerkennungsbeschwerde ist unzulassig.\n\n5\n\n \n\nGemaß § 14 Abs. 4a Satz 1 und 2 EuWG in Verbindung mit § 96a Abs. 2 BVerfGG\nist die Beschwerde binnen einer Frist von vier Tagen nach Bekanntgabe der\nEntscheidung in der Sitzung des Bundeswahlausschusses zu erheben und zu\nbegrunden. Daran fehlt es hier. Ausgehend vom Zeitpunkt der Bekanntgabe in der\nSitzung des Bundeswahlausschusses vom 15. Marz 2019 endete die Einlegungsfrist\nam 19. Marz 2019 um 24 Uhr. Vorliegend ging die Beschwerde aber erst am 21.\nMarz 2019 und damit mehr als vier Tage nach Bekanntgabe der angegriffenen\nEntscheidung in der Sitzung des Bundeswahlausschusses beim\nBundesverfassungsgericht ein. Die Beschwerde ist daher verfristet.\n\n6\n\n \n\nDaruber hinaus fehlt es an einem statthaften Antragsgegenstand. Gemaß § 14\nAbs. 4a Satz 1 EuWG ist die Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht eroffnet,\nsoweit der Bundeswahlausschuss einen Wahlvorschlag wegen fehlenden\nWahlvorschlagsrechts nach § 8 Abs. 1 EuWG zuruckweist. Der Bundeswahlausschuss\nhat den Wahlvorschlag der Beschwerdefuhrerin nicht wegen fehlenden\nWahlvorschlagsrechts zuruckgewiesen, sondern aufgrund der fehlenden\nUnterstutzungsunterschriften nach § 9 Abs. 5 EuWG. Hiergegen steht die\nBeschwerde zum Bundeswahlausschuss offen (§ 14 Abs. 4 EuWG). Das Vorliegen der\nUnterstutzungsunterschriften ist nicht Bestandteil des Wahlvorschlagsrechts im\nSinne des § 14 Abs. 4a Satz 1 EuWG. Die Vorschrift eroffnet den Weg zum\nBundesverfassungsgericht - entsprechend dem Umfang, in dem er bei der Wahl zum\nDeutschen Bundestag durch die Nichtanerkennungsbeschwerde nach § 18 Abs. 4a\nBWG eroffnet ist - nur gegen Entscheidungen des Bundeswahlausschusses, die\neinen Wahlvorschlag wegen fehlender Parteieigenschaft oder Eigenschaft als\nsonstige politische Vereinigung im Sinne des § 8 Abs. 1 EuWG zuruckweisen\n(vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 1. April 2014 - 2 BvC 3/14 -,\nRn. 5).\n\n
318,493
bgh-2019-03-20-xii-zb-36518
4
Bundesgerichtshof
bgh
Bundesrepublik Deutschland
Bundesgericht
XII ZB 365/18
2019-03-20
2019-04-11 10:00:54
2019-06-11 12:49:20
Beschluss
ECLI:DE:BGH:2019:200319BXIIZB365.18.0
## Tenor\n\n \n\nAuf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 11. Senats\nfur Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 24. Juli 2018 im\nKostenpunkt und hinsichtlich der Entscheidung uber die Beschwerde des\nAntragstellers unter Zuruckweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise\naufgehoben und insoweit wie folgt neu gefasst.\n\n \n\n \n\nAuf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Unna\nvom 16. Februar 2018 teilweise abgeandert und wie folgt neu gefasst. Die\nAntragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller insgesamt 789,77 €\nnebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz auf 122,49 €\nseit dem 1. November 2017 zu zahlen. Die weitergehende Beschwerde des\nAntragstellers wird zuruckgewiesen.\n\n \n\n \n\nDie Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens\nwerden zu 83 % dem Antragsteller und zu 17 % der Antragsgegnerin auferlegt.\n\n \n\n \n\nDie Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben der Antragsteller zu 89 % und\ndie Antragsgegnerin zu 11 % zu tragen.\n\n \n\n \n\nVon Rechts wegen\n\n## Gründe\n\n \n\nI.\n\n \n\n1\n\n \n\nDer Antragsteller macht als Sozialhilfetrager aus ubergegangenem Recht einen\nAnspruch auf Elternunterhalt fur die Zeit von August 2017 bis Juli 2018\ngeltend.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Antragsteller erbrachte der pflegebedurftigen Mutter der Antragsgegnerin,\ndie vollstationar in einem Altersheim untergebracht war, seit Marz 2015\nSozialhilfeleistungen in Hohe seiner Unterhaltsantrage. Die Mutter ist wahrend\ndes Rechtsbeschwerdeverfahrens im August 2018 verstorben.\n\n \n\n3\n\n \n\nDie 1954 geborene Antragsgegnerin ist verheiratet und bezieht\nVorruhestandsbezuge als Beamtin. Ihr 1951 geborener Ehemann bezieht\nRenteneinkunfte. Er wird vom Antragsteller im vor dem Senat gefuhrten\nParallelverfahren mit dem Aktenzeichen XII ZB 364/18 fur seine im Dezember\n2017 verstorbene Mutter ebenfalls auf (ruckstandigen) Elternunterhalt in\nAnspruch genommen.\n\n \n\n4\n\n \n\nDie Ehegatten bewohnen eine Eigentumswohnung mit einer Wohnflache von 91 m2.\nDiese stand ursprunglich in ihrem jeweils halftigen Miteigentum. Im Oktober\n2014 ubertrugen sie die Eigentumswohnung schenkweise auf ihre Tochter und\nbehielten sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor.\n\n \n\n5\n\n \n\nDie Beteiligten streiten vor allem um die Frage, ob von den Ehegatten zu\nverlangen ist, dass sie die Schenkung zuruckfordern, um daraus im erweiterten\nUmfang Elternunterhalt leisten zu konnen. Das Amtsgericht hat die\nAntragsgegnerin fur die Zeit ab Marz 2018 zur Zahlung von monatlich 56,67 €\nverpflichtet. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Antragstellers\nzuruckgewiesen.\n\n \n\n6\n\n \n\nDagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, der\nseinen weitergehenden Antrag, in der Rechtsbeschwerdeinstanz begrenzt auf die\nZeit bis einschließlich Juli 2018 (insgesamt 4.671,27 € nebst Zinsen),\nweiterverfolgt.\n\n \n\n \n\nII.\n\n \n\n7\n\n \n\nDie Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg.\n\n \n\n8\n\n \n\n1\\. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts besteht kein weitergehender\nUnterhaltsanspruch, als er sich aus den Einkommensverhaltnissen der Ehegatten\neinschließlich Wohnvorteil errechnet. Die Antragsgegnerin musse fur den\nUnterhalt kein Vermogen einsetzen. Dazu gehorten zwar auch alle Anspruche, die\nauf Zahlung von Geld oder Verschaffung von Eigentum gerichtet seien. Die\nAntragsgegnerin habe gegenuber ihrer Tochter einen Anspruch aus § 528 Abs. 1\nBGB, weil sie nach Vollziehung der Schenkung außerstande sei, die ihr\ngegenuber ihren Verwandten gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu\nerfullen.\n\n \n\n9\n\n \n\nEs komme aber stets darauf an, ob die Vermogensverwertung zumutbar sei. Eine\nsolche konne etwa nicht verlangt werden, wenn sie den Unterhaltsschuldner von\nfortlaufenden Einkunften abschneiden wurde, die er zur Bestreitung seines\neigenen Unterhalts benotige. Auch konne die Verwertung eines angemessenen\nselbst genutzten Immobilienbesitzes regelmaßig nicht verlangt werden. Bei der\nBemessung dessen, was zumutbar ist, sei insbesondere in Rechnung zu stellen,\ndass das Unterhaltsrechtsverhaltnis zwischen unterhaltsberechtigten Eltern und\nihren unterhaltspflichtigen Kindern schwacher ausgestaltet sei als das\numgekehrte Verhaltnis beim Kindesunterhalt.\n\n \n\n10\n\n \n\nGemessen hieran konne von der Antragsgegnerin eine Ruckforderung der Schenkung\nnicht verlangt werden. Ihre Tochter habe ihr im Fall der Ruckforderung den\ngesamten halftigen Miteigentumsanteil zuruckubertragen konnen. Sie sei nach §\n528 Abs. 1 BGB nicht verpflichtet gewesen, die Antragsgegnerin mit einer\nmonatlichen Geldzahlung in Hohe des noch offenen Bedarfs ihrer Großmutter\nabzufinden. Ware die Ruckubertragung des Miteigentumsanteils erfolgt, hatte\ndie Antragsgegnerin den Miteigentumsanteil nicht verwerten mussen, weil sie\ndie Wohnung selbst bewohne und hierauf fur ihren weiteren eigenen\nLebensunterhalt angewiesen sei. Das unterhaltspflichtige Kind, welches seine\nselbst bewohnte Immobilie unter Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts verschenke,\nbenotige die Immobilie in gleicher Weise, wie wenn es noch Eigentumer\ngeblieben ware. Die Verneinung einer Ruckforderungsobliegenheit werde durch §\n852 Abs. 2 ZPO unterstutzt, der den Ruckforderungsanspruch im Regelfall von\nder Pfandung ausnehme, um eine Geltendmachung des Anspruchs gegen den Willen\ndes Anspruchsinhabers zu verhindern.\n\n \n\n11\n\n \n\n2\\. Das halt bis auf einen Fehler bei der Berechnung der Leistungsfahigkeit\nrechtlicher Nachprufung stand.\n\n \n\n12\n\n \n\nDer im vorliegenden Verfahren aufgrund §§ 1601 BGB, 94 Abs. 1 SGB XII geltend\ngemachte Anspruch auf Elternunterhalt besteht nur im Umfang der\nLeistungsfahigkeit der Antragsgegnerin als Unterhaltsschuldnerin nach § 1603\nAbs. 1 BGB.\n\n \n\n13\n\n \n\na) Der von den Vorinstanzen aus dem Einkommen der Antragsgegnerin\n(Vorruhestandsbezuge und Wohnvorteil) errechnete Umfang der Leistungsfahigkeit\nsteht grundsatzlich im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (vgl.\nSenatsurteil BGHZ 186, 350 = FamRZ 2010, 1535 Rn. 39 ff. und Senatsbeschluss\nBGHZ 200, 157 = FamRZ 2014, 538 Rn. 22 ff.).\n\n \n\n14\n\n \n\naa) Die vom Senat entwickelten Grundsatze zur Ermittlung der\nLeistungsfahigkeit von verheirateten Kindern fur den Elternunterhalt gelten\nauch dann, wenn beide Ehegatten ihren jeweiligen Eltern zum Unterhalt\nverpflichtet sind.\n\n \n\n15\n\n \n\nVerfugt der Unterhaltspflichtige uber hohere Einkunfte als sein Ehegatte, ist\ndie Leistungsfahigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt in der Regel wie folgt\nzu ermitteln: Von dem Familieneinkommen wird der Familienselbstbehalt in Abzug\ngebracht. Das verbleibende Einkommen wird um die Haushaltsersparnis\nvermindert. Die Halfte des sich ergebenden Betrags kommt zuzuglich des\nFamilienselbstbehalts dem Familienunterhalt zugute. Von dem so bemessenen\nindividuellen Familienbedarf steht dem Unterhaltspflichtigen ein Anteil\nentsprechend dem Verhaltnis der Einkunfte der Ehegatten zu. Fur den\nElternunterhalt kann der Unterhaltspflichtige die Differenz zwischen seinem\nEinkommen und seinem Anteil am individuellen Familienbedarf einsetzen\n(Senatsurteil BGHZ 186, 350 = FamRZ 2010, 1535 Rn. 40).\n\n \n\n16\n\n \n\nDass im vorliegenden Fall - fur mehrere Monate des streitbefangenen Zeitraums\n- gleichzeitig auch auf Seiten des anderen, uber geringere Einkunfte\nverfugenden Ehegatten eine Unterhaltspflicht gegenuber dessen Elternteil\nbesteht, zwingt nicht zu einer Modifikation der Berechnungsmethode. Denn die\nLeistungsfahigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt ist auch fur diesen auf der\nGrundlage eines individuellen Familienbedarfs zu ermitteln (Senatsbeschluss\nBGHZ 200, 157 = FamRZ 2014, 538 Rn. 22 ff.). Die Berechnungsmethode\ngewahrleistet mithin auch bei gleichzeitiger Unterhaltspflicht beider\nEhegatten gegenuber ihren jeweiligen Eltern, dass der Anteil beider Ehegatten\nam individuellen Familienbedarf und somit der individuelle Familienbedarf\ninsgesamt unangetastet bleibt. Beide mussen den jeweiligen Elternunterhalt nur\naus ihrem Einkommensanteil bestreiten, der fur den Familienbedarf der\nEhegatten nicht benotigt wird.\n\n \n\n17\n\n \n\nbb) Allerdings ist dem Amtsgericht bei seiner Berechnung ein - vom\nOberlandesgericht nicht korrigierter - Fehler hinsichtlich der Quotierung der\nAnteile der Ehegatten am Familienbedarf unterlaufen. Denn es hat dabei nur die\nRenten- bzw. Vorruhestandsbezuge, nicht aber den beiderseitigen Wohnvorteil\neinbezogen. Bei der stattdessen gebotenen Berucksichtigung des vollstandigen\nEinkommens ergibt sich eine Verschiebung der Quote zu Lasten der\nAntragsgegnerin, die zu einem geringeren Anteil am individuellen\nFamilienbedarf und damit zu einem hoheren Unterhalt fuhrt.\n\n \n\n18\n\n \n\nDie von der Antragsgegnerin geschuldeten Unterhaltsbetrage berechnen sich\nmithin unter Berucksichtigung einer Einkommensreduzierung wegen ab November\n2017 entrichteter Beitrage zur zusatzlichen Altersvorsorge (vgl. insoweit\nSenatsurteil vom 17. Oktober 2012 - XII ZR 17/11 - FamRZ 2013, 868 Rn. 17) wie\nfolgt.\n\n \n\n Aug-Okt 2017 | Antragsgegnerin | Ehemann \n---|---|--- \nEinkommen | 2.132,39 € | 1.657,29 € \nEinkommen Ehegatte | 1.657,29 € | 2.132,39 € \nFamilieneinkommen | 3.789,68 € | 3.789,68 € \nabzgl. Familienselbstbehalt | -3.240,00 € | -3.240,00 € \nDifferenz | 549,68 € | 549,68 € \n10 % Haushaltsersparnis davon | -54,97 € | -54,97 € \nZwischensumme | 494,71 € | 494,71 € \ndavon ½ = weiterer Selbstbehalt | 247,36 € | 247,36 € \nzuzuglich Familienselbstbehalt | 3.240,00 € | 3.240,00 € \nindividueller Familienbedarf | 3.487,36 € | 3.487,36 € \nAnteil am indiv. Familienbedarf \nin % | 56,27 | 43,73 \neigenes Einkommen | 2.132,39 € | 1.657,29 € \nAnteil Familienbedarf | -1.962,28 € | -1.525,08 € \nEinsetzbar | ** 170,11 €** | 132,21 € \n \n \n\n Ab Nov 2017 | Antragsgegnerin | Ehemann \n---|---|--- \nEinkommen | 2.020,14 € | 1.657,29 € \nEinkommen Ehegatte | 1.657,29 € | 2.020,14 € \nFamilieneinkommen | 3.677,43 € | 3.677,43 € \nabzgl. Familienselbstbehalt | -3.240,00 € | -3.240,00 € \nDifferenz | 437,43 € | 437,43 € \n10 % Haushaltsersparnis davon | -43,74 € | -43,74 € \nZwischensumme | 393,69 € | 393,69 € \ndavon ½ = weiterer Selbstbehalt | 196,84 € | 196,84 € \nzuzuglich Familienselbstbehalt | 3.240,00 € | 3.240,00 € \nindividueller Familienbedarf | 3.436,84 € | 3.436,84 € \nAnteil am indiv. Familienbedarf \nin % | 54,93 | 45,07 \neigenes Einkommen | 2.020,14 € | 1.657,29 € \nAnteil Familienbedarf | -1.887,98 € | -1.548,87 € \nEinsetzbar | ** 132,16 €** | ** **108,42 € \n \n \n\n19\n\n \n\nb) Das Oberlandesgericht hat eine Obliegenheit der Antragsgegnerin, den\nUnterhalt (teilweise) aus Vermogen zu leisten, zutreffend abgelehnt. Fur eine\nZurechnung von - fiktiven - Erlosen aus einer Vermogensverwertung fehlt es\nhier an einer rechtlichen Grundlage.\n\n \n\n20\n\n \n\naa) Im Ausgangspunkt gehort ein Ruckforderungsanspruch nach § 528 Abs. 1 BGB\nallerdings zum einsetzbaren Vermogen gemaß § 1603 Abs. 1 BGB (vgl. Wendl/Dose\nDas Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 1 Rn. 600\nff. mwN).\n\n \n\n21\n\n \n\nDer Anspruch setzt nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB voraus, dass der Schenker nach\nVollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu\nbestreiten und die ihm seinen Verwandten, seinem Ehegatten, seinem\nLebenspartner oder seinem fruheren Ehegatten oder Lebenspartner gegenuber\ngesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfullen. Der Anspruch setzt nicht\nvoraus, dass diese beiden gesetzlichen Alternativen erfullt sind. Er kann\nvielmehr auch dann gegeben sein, wenn allein die Fahigkeit zur Erfullung\ngesetzlicher Unterhaltspflichten nach der Schenkung vermindert oder\nausgeschlossen ist (vgl. Staudinger/Chiusi BGB [2013] § 528 Rn. 13;\nMunchKommBGB/J. Koch 7. Aufl. § 528 Rn. 3).\n\n \n\n22\n\n \n\nWie sich aus der Begrenzung des Anspruchs ("soweit") ergibt, sind Sinn und\nZweck des Anspruchs, dem Schenker zu erlauben, mit Hilfe des zuruckgewahrten\nGegenstands seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten oder gesetzliche\nUnterhaltspflichten zu erfullen (vgl. BGHZ 169, 320 = FamRZ 2007, 277, 278).\nDem Gesetzeszweck, die Erfullung bestehender Unterhaltspflichten zu\nermoglichen, kann die Ruckforderung nur dienen, wenn durch die Ruckgewahr des\ngeschenkten Vermogensgegenstands die unterhaltsrechtliche Leistungsfahigkeit\nhergestellt oder gesteigert werden wurde. Das setzt aber grundsatzlich voraus,\ndass der Unterhaltspflichtige aus dem verschenkten Gegenstand entweder\n(weitere) unterhaltsrelevante Ertrage ziehen konnte oder ihn insoweit eine\nunterhaltsrechtliche Verwertungsobliegenheit treffen wurde. Ergibt sich aus\nder Ruckgewahr dagegen keine Verbesserung der unterhaltsrechtlichen\nLeistungsfahigkeit des Schenkers, konnte ein Ruckforderungsanspruch seinen\nZweck nicht erfullen und scheidet daher aus.\n\n \n\n23\n\n \n\nInsoweit unterscheidet sich die Lage von der Ruckforderung zur Sicherung des\neigenen angemessenen Unterhalts des Schenkers, fur den der zuruckgeforderte\nVermogensgegenstand stets zur Verfugung steht, auch wenn dieser auf Seiten des\nSchenkers sozialhilferechtliches Schonvermogen darstellt (vgl. BGH Urteil vom\n19. Oktober 2004 - X ZR 2/03 - FamRZ 2005, 177, 178 mwN). Demgegenuber hat die\ninfolge der Schenkung veranderte Vermogenslage fur die in den Schutzbereich\ndes § 528 BGB einbezogenen Unterhaltsberechtigten nur dann nachteilige\nAuswirkungen, wenn der Schenker dadurch seine unterhaltsrechtliche\nLeistungsfahigkeit vermindert hat.\n\n \n\n24\n\n \n\nbb) Nach diesen Maßstaben mangelt es im vorliegenden Fall bereits an den\nVoraussetzungen fur eine Schenkungsruckforderung nach § 528 Abs. 1 BGB.\n\n \n\n25\n\n \n\n(1) Die infolge der Schenkung veranderte Vermogenslage hat zu keiner\nBeeintrachtigung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfahigkeit der\nAntragsgegnerin gefuhrt. Denn hinsichtlich des Miteigentumsanteils an der\nselbst genutzten Eigentumswohnung traf diese neben der bestehenden\nNutzungsobliegenheit keine Obliegenheit zur Vermogensverwertung (vgl.\nSenatsbeschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 269/12 - FamRZ 2013, 1554 Rn. 39\nmwN), was die Rechtsbeschwerde nicht in Frage stellt.\n\n \n\n26\n\n \n\nDie Nutzungen kommen der Antragsgegnerin auch nach der Veraußerung in Form von\nGebrauchsvorteilen weiterhin ungeschmalert zugute. Sie sind durch den\nNießbrauch dinglich gesichert und bei der Unterhaltsberechnung als Einkommen\nberucksichtigt worden.\n\n \n\n27\n\n \n\n(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde andert sich daran auch nichts\naufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Anspruch aus §\n528 Abs. 1 BGB, wenn ein fortlaufender Unterhaltsbedarf zu decken ist,\nunmittelbar auf wiederkehrende Geldleistungen durch den Beschenkten gerichtet\nist und fur die Anwendung der Ersetzungsbefugnis nach § 528 Abs. 1 Satz 2 BGB\nkein Raum mehr bleibt (BGHZ 137, 76, 83 = FamRZ 1998, 155, 157 mwN).\n\n \n\n28\n\n \n\nDenn dieser Anspruchsinhalt ist in der genannten Rechtsprechung gerade aus der\nBegrenztheit des Anspruchs hergeleitet worden. Er kann folglich nicht zur\nBegrundung einer Erweiterung des fur den Elternunterhalt einsetzbaren\nVermogens dienen. Das muss jedenfalls unter den Umstanden des vorliegenden\nFalls gelten, in dem der Nutzungswert der Immobilie der Antragsgegnerin auch\nnach der Schenkung in vollem Umfang verblieben ist. Das Oberlandesgericht hat\ninsoweit zutreffend hervorgehoben, dass die Tochter der Antragsgegnerin sich\nvon einem gegebenen Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB jedenfalls durch Ruckgewahr\ndes Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung befreien konnte. Sogar eine\nvollstandige Ruckgewahr konnte aber die unterhaltsrechtliche\nLeistungsfahigkeit der Antragsgegnerin als Schenker nicht erhohen. Die\nVorschrift vermag daher eine Ruckforderung zum Zweck der Herstellung einer\nerhohten Leistungsfahigkeit fur den Elternunterhalt nicht zu rechtfertigen.\n\n \n\n29\n\n \n\nNur ausnahmsweise kann der Erlos aus der Veraußerung einer ursprunglich dem\nunterhaltsrechtlichen Schonvermogen zuzuordnenden Immobilie im Einzelfall\nunterhaltsrechtlich einsetzbares Vermogen darstellen, wenn dieser hinsichtlich\nder Zumutbarkeit einer Vermogensverwertung anderen Kriterien unterliegt als\ndie veraußerte Immobilie. Solches kann aber im vorliegenden Fall schon\ndeswegen nicht gelten, weil die Antragsgegnerin sich im Gegenzug zur Schenkung\nein dingliches Nutzungsrecht vorbehalten hat und die Immobilie gemeinsam mit\nihrem Ehemann unverandert fur eigene Wohnzwecke nutzt. Durch den Vollzug der\nSchenkung hat sich mithin die unterhaltsrechtliche Leistungsfahigkeit der\nAntragsgegnerin nicht vermindert, außerdem ist diese nach wie vor auf die ihr\nverbliebene Nutzungsbefugnis angewiesen.\n\n \n\n30\n\n \n\nMit dem Ziel der Erhohung des Elternunterhalts kann im Ergebnis die\nRuckforderung also ebenso wenig verlangt werden wie etwa eine Beleihung der\nImmobilie mithilfe eines zinslosen und erst im Todesfall (von den Erben des\nUnterhaltspflichtigen) ruckzahlbaren Darlehens des Sozialhilfetragers (vgl.\nBVerfG FamRZ 2005, 1051 und Senatsbeschluss vom 20. Marz 2013 - XII ZB 81/11 -\nFamRZ 2013, 1022 Rn. 15 ff.). Denn in beiden Fallen wurde die nicht\neinsetzbare selbstgenutzte Immobilie entgegen den gesetzlichen Wertungen durch\neinen Kunstgriff fur den Elternunterhalt einsetzbar gemacht. Die vom\nAntragsteller erstrebte Anrechnung eines fiktiven Verwertungserloses liefe\ndarauf hinaus, die Leistungsfahigkeit fur den Elternunterhalt allein durch die\nauf Seiten des Unterhaltspflichtigen eingetretene Vermogensminderung zu\nbegrunden oder zu erhohen. Das stunde indessen jedenfalls dann im Widerspruch\nzu dem mit § 528 Abs. 1 BGB in der Variante der Ruckforderung zur Ermoglichung\nvon Unterhaltsleistungen verfolgten Zweck, wenn die Schenkung als solche fur\ndie Leistungsfahigkeit des Unterhaltspflichtigen keine nachteiligen Folgen\nhatte und dieser nach wie vor auf die Nutzung der Immobilie angewiesen ist.\n\n \n\n31\n\n \n\nAuf die Frage der Gleichzeitigkeit (zeitliche Kongruenz) von\nUnterhaltsbedurftigkeit und Leistungsfahigkeit (vgl. BVerfG FamRZ 2005, 1051;\nStaudinger/Klinkhammer BGB [2018] § 1601 Rn. 5 mwN) kommt es demnach nicht\nmehr an.\n\n \n\n32\n\n \n\n3\\. Der angefochtene Beschluss ist daher teilweise aufzuheben. Der Senat kann\nin der Sache abschließend entscheiden, weil weitere tatrichterliche\nFeststellungen nicht erforderlich sind. Die berechtigte Forderung des\nAntragstellers berechnet sich ausgehend von einer monatlichen\nUnterhaltspflicht in Hohe von 170,11 € fur die Zeit von August 2017 bis\nOktober 2017 und von 132,16 € fur die Zeit von November 2017 bis Juli 2018\nabzuglich fur die Zeit von August 2017 bis Februar 2018 monatlich jeweils\ngezahlter 130 €. Der Verzinsungsbetrag entspricht antragsgemaß dem Ruckstand\nfur die Zeit bis einschließlich November 2017.\n\n \n\n Dose | | Klinkhammer | | Schilling \n---|---|---|---|--- \n| Botur | | Kruger | \n \n \n\n
318,630
bverfg-2019-04-03-2-bvr-32816
3
Bundesverfassungsgericht
bverfg
Bundesrepublik Deutschland
Verfassungsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
2 BvR 328/16
2019-04-03
2019-04-17 10:00:13
2019-06-11 12:49:19
Nichtannahmebeschluss
ECLI:DE:BVerfG:2019:rk20190403.2bvr032816
## Tenor\n\n \n\nDie Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.\n\n## Gründe\n\n1\n\n \n\n1\\. Die Verfassungsbeschwerde, mit der der Beschwerdefuhrer die Gewahrung\nstaatlichen Rechtsschutzes gegen seinen Ausschluss aus der\nReligionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas begehrt, ist unzulassig, weil sie den\naus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Substantiierungsanforderungen\nnicht genugt.\n\n2\n\n \n\na) Eine den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genugende\nBegrundung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der Beschwerdefuhrer\nsich bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten\nVerfassungsbeschwerde mit dieser inhaltlich auseinandersetzt (vgl. BVerfGE 82,\n42 <49>; 86, 122 <127>; 88, 40 <45>; 105, 252 <264>). Der angegriffene\nHoheitsakt sowie alle zu seinem Verstandnis notwendigen Unterlagen mussen in\nAblichtung vorgelegt oder zumindest ihrem Inhalt nach so dargestellt werden,\ndass eine verantwortbare verfassungsrechtliche Beurteilung ohne weitere\nErmittlungen moglich ist (vgl. BVerfGE 78, 320 <327>; 93, 266 <288>). Liegt zu\nden mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen\nRechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits vor, der die\nangegriffenen Gerichtsentscheidungen folgen, so ist der behauptete\nGrundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den vom Bundesverfassungsgericht\nentwickelten Maßstaben zu begrunden (vgl. BVerfGE 77, 170 <214 ff.>; 99, 84\n<87>; 123, 186 <234>; 130, 1 <21>).\n\n3\n\n \n\nb) Diesen Begrundungsanforderungen tragt die Verfassungsbeschwerde bereits\ndeshalb nicht Rechnung, weil der Beschwerdefuhrer weder den Antrag auf\nZulassung der Berufung gegen das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts\nBerlin vom 11. Dezember 2012 - VG 27 K 79.10 - noch den diesbezuglichen\nBegrundungsschriftsatz vom 27. Mai 2013 vorgelegt oder deren Inhalt in\nhinreichendem Umfang wiedergegeben hat, so dass eine Prufung der Beachtung des\nGrundsatzes der materiellen Subsidiaritat nicht moglich ist.\n\n4\n\n \n\nc) Daruber hinaus setzt sich der Beschwerdefuhrer unzureichend mit den\nAusfuhrungen in den angegriffenen Entscheidungen zum Fehlen eines\nRechtsschutzbedurfnisses sowie den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten\nMaßstaben zur verfassungsrechtlich gebotenen Rucksichtnahme auf das\nSelbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften bei der Erfullung des\nJustizgewahrungsanspruchs auseinander.\n\n5\n\n \n\nInsoweit hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass, wenn und soweit\ndie Kirchen die Moglichkeit geschaffen haben, Rechtsstreitigkeiten von einem\nkirchlichen Gericht beurteilen zu lassen, und somit die Gelegenheit besteht,\ndie Streitigkeit im Einklang mit dem kirchlichen Selbstverstandnis beizulegen,\ndie verfassungsrechtlich geschuldete Rucksichtnahme gegenuber diesem\nSelbstverstandnis den staatlichen Gerichten gebietet, uber Fragen des\nkirchlichen Amtsrechts jedenfalls nicht vor Erschopfung des kirchlichen\nRechtswegs zu entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten\nSenats vom 18. September 1998 - 2 BvR 1476/94 -, Rn. 30). Auf dieser Grundlage\nverweist das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im angegriffenen\nBeschluss vom 5. Januar 2016 - OVG 5 N 8.13 - darauf, dass ungeachtet der\nFrage, ob der innerreligionsgemeinschaftliche Rechtsschutz hinter den fur\nstaatliche Maßnahmen geltenden Verfahrensgrundsatzen zuruckbleibt oder nicht,\nder Beschwerdefuhrer gehalten war, seinen Ausschluss aus der\nReligionsgemeinschaft zunachst im sogenannten Rechtskomitee-Verfahren\nuberprufen zu lassen.\n\n6\n\n \n\nDamit setzt der Beschwerdefuhrer sich nicht hinreichend auseinander. Er\nbeschrankt sich darauf, geltend zu machen, das Rechtskomitee-Verfahren sei im\nRecht der Religionsgemeinschaft "Jehovas Zeugen in Deutschland" nur beilaufig\nerwahnt, inhaltlich nicht ausreichend ausgestaltet und beachte\nverfahrensrechtliche Mindeststandards nicht. Zu der Feststellung, das\nSelbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften gebiete den staatlichen\nGerichten auch bei Unterschreitung der fur staatliche Maßnahmen geltenden\nVerfahrensgrundsatze, nicht vor der Erschopfung des\ninnerreligionsgemeinschaftlichen Rechtswegs zu entscheiden, verhalt der\nBeschwerdefuhrer sich nicht. Er hat in dem auf seinen Ausschluss gerichteten\nRechtskomitee-Verfahren lediglich am 7. April 2009 eine Stellungnahme\nabgegeben. Die in § 15 Abs. 1 Nr. 6 des Statuts von Jehovas Zeugen in\nDeutschland vorgesehene Berufung gegen den Beschluss des Rechtskomitees hat er\nnicht eingelegt. Dass das Beschreiten des innerreligionsgemeinschaftlichen\nRechtswegs von vornherein aussichtslos oder aus sonstigen Grunden fur den\nBeschwerdefuhrer unzumutbar gewesen ware, ergibt sich aus seinem Vortrag\nnicht. Damit fehlt es aber an einer hinreichend substantiierten Darlegung der\nMoglichkeit einer Verletzung seines Justizgewahrungsanspruchs.\n\n7\n\n \n\n2\\. Von einer weiteren Begrundung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BverfGG\nabgesehen.\n\n8\n\n \n\nDiese Entscheidung ist unanfechtbar.\n\n
319,722
ovgsl-2019-05-20-2-a-19419
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 A 194/19
2019-05-20
2019-05-30 10:01:17
2020-12-10 13:23:03
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des\nVerwaltungsgerichts des Saarlandes vom 3. April 2019 – 5 K 580/17 – wird\nzurückgewiesen.\n\nDie Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.\n\n## Gründe\n\n**I.**\n\nDer 1996 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört zur\nVolksgruppe der _Hazara_ , ist Schiit, ledig, hat keine Kinder und spricht\nDari. Er trägt vor, bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan habe er sich in der\nProvinz _P..._ im Dorf _N..._ im Bezirk _S..._ aufgehalten. Nach seinen\nAngaben reiste er im September 2015 in die Bundesrepublik ein und stellte\neinen Asylantrag.\n\nBei einer persönlichen Anhörung im Oktober 2015 gab der Kläger an, er habe die\nSchule bis zur elften Klasse besucht, aber ohne Abschluss verlassen und\nGelegenheitsarbeiten ausgeführt. Sein Vater sei im Januar oder Februar 2015\ngestorben. Seine Mutter halte sich mit seinen zwei kleinen Brüdern in _Kabul_\nauf. Afghanistan habe er im August 2015 verlassen und sei über den Iran und\ndie Türkei, wo er sich eine Woche aufgehalten habe, Griechenland und dann über\nverschiedene europäische Länder auf dem Landweg nach Deutschland gereist.\nUnter Vorlage eines angeblichen Drohbriefes eines _„Islamischen Emirates\nAfghanistan“_ vom März 2015 machte er geltend, der Führer der Taliban für\n_P..._ , _Baghlan_ und _Kabul_ habe von seinem Vater verlangt, er solle mit\nseiner Arbeit aufhören. Da er das nicht gemacht habe, hätten die Taliban ihn\ngetötet. Nach zwei Monaten sei ihm – dem Kläger – ein Brief geschickt worden,\nin dem ihm gedroht worden sei, ihn und seine ganze Familie umzubringen. Sie\nseien daraufhin nach _Kabul_ gegangen. Dort sei seine Familie weiter\ntelefonisch bedroht worden. Man habe ihn zwei- oder dreimal angerufen und\ngesagt, er müsse sich persönlich melden oder er werde getötet. Deshalb habe er\nAfghanistan verlassen.\n\nIm März 2017 lehnte die Beklagte den Asylantrag des Klägers ab, verneinte das\nVorliegen von Abschiebungsverboten, forderte ihn zur Ausreise auf und drohte\nihm für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung nach Afghanistan an.(vgl.\nden Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30.3.2017 –\n6204432-423 –) In der Begründung heißt es unter anderem, die Voraussetzungen\nfür die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der\nFlüchtlingseigenschaft lägen nicht vor. Der Sachvortrag des Klägers genüge\nnicht den Kriterien für eine glaubhafte Darstellung eines\nVerfolgungsschicksals. Seine Angaben seien nicht nachvollziehbar. Letztlich\nhabe er nicht darlegen können, was ihn zum Verlassen seines Heimatlandes\nbewegt habe. Es fehle offensichtlich an der Kausalität zwischen der Bedrohung\nund der Ausreise. Trotz der behaupteten Bedrohung habe er sich nach eigenen\nAngaben noch mehrere Monate in Afghanistan aufgehalten. Es sei auch nicht\nnachvollziehbar, weshalb die Familie des Klägers, die ebenfalls von den\nTaliban bedroht worden sein solle, sich noch unbehelligt in Afghanistan\naufhalten könne. Selbst wenn ihm bei der Rückkehr nach Afghanistan tatsächlich\nirgendwelche Schwierigkeiten drohten, sei nach den Erkenntnissen des\nBundesamtes die Regierung bereit und in der Lage, ihm in den größeren Städten\ndes Landes Schutz vor Verfolgung zu bieten. Auch der subsidiäre Schutzstatus\nsei dem Kläger nicht zuzuerkennen. Ihm drohten in Afghanistan weder Folter\nnoch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung noch die Todesstrafe.\nEin innerstaatlicher bewaffneter Konflikt könne für Afghanistan zwar nicht\nausgeschlossen werden. Dem Kläger drohten aber keine erheblichen individuellen\nGefahren. Die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes lägen\nebenfalls nicht vor.\n\nIm April 2018 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben und geltend\ngemacht, er gehöre als _Hazara_ schiitischen Glaubens in Afghanistan zu einer\nbesonders gefährdeten Gruppe. Vor diesem Hintergrund seien seine Ausführungen\nbei der Anhörung vor dem Bundesamt zu sehen. Sein Vater sei von den Taliban\ngetötet worden. Dieser habe mit einem LKW Lebensmittel für die ISAF\ntransportiert. Ihm sei unterstellt worden, ebenfalls für die ISAF zu arbeiten.\nSoweit die Beklagte eine entsprechende Kausalität mit der Begründung verneine,\ner habe nach seinen Ausführungen im März oder April 2015 von Seiten der\nTaliban einen Drohbrief erhalten, Afghanistan aber erst im August 2015\nverlassen, unterschlage sie den Aufenthalt in Kabul sowie die dort erhaltenen\nAnrufe. Dadurch sei für ihn eine aussichtslose Lage entstanden. Kontakt zu\nseiner Familie in Afghanistan habe er nicht mehr.\n\nDas Verwaltungsgericht hat die Klage nach informatorischer Befragung des\nKlägers in einer mündlichen Verhandlung im April 2019 abgewiesen. In der\nBegründung heißt es unter anderem, der Kläger habe keine individuelle\nVerfolgungsgefährdung glaubhaft gemacht. Das Gericht sei nach Durchführung der\nmündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass der Vortrag des Klägers\njedenfalls im Kern der Wahrheit entspreche, und teile die im angefochtenen\nBundesamtsbescheid dargelegten Zweifel an der Glaubhaftigkeit. Er habe nicht\ndarlegen können, was ihn zum Verlassen seines Heimatlandes bewogen habe. Es\nfehle offensichtlich an der Kausalität zwischen der Bedrohung und der\nAusreise. Die Angaben in der mündlichen Verhandlung seien in sich\nwidersprüchlich gewesen und hätten auch im Widerspruch zu seinem Vorbringen\nbei der Anhörung beim Bundesamt und zu seinen schriftsätzlichen Erläuterungen\ngestanden. So habe der Kläger weder widerspruchsfreie Angaben dazu machen\nkönnen, wann genau er die behaupteten Drohanrufe erhalten habe, noch wo er\nsich dabei aufgehalten habe. Ebenfalls habe er nicht erklären können, warum\nnur er aus Afghanistan ausgereist sei, obwohl nach seinem Vortrag für seine\ngesamte Familie eine erhebliche Gefahr bestanden habe. Dem Kläger sei es nicht\ngelungen, die erheblichen Widersprüche überzeugend aufzulösen, so dass ihm bei\nder gebotenen Gesamtwürdigung nicht geglaubt werden könne. Dem in Kopie\nvorgelegten Drohbrief des _„Islamischen Emirates Afghanistan“_ komme daher\nauch kein Beweiswert zu. Eine Echtheitsüberprüfung durch das Auswärtige Amt\nscheide aus, weil diesem nach eigener Auskunft für Nachforschungen außerhalb\n_Kabuls_ keine Quellen mehr zur Verfügung stünden. Mithin könne nicht davon\nausgegangen werden, dass der Kläger sein Heimatland aus begründeter Furcht vor\nVerfolgung durch die _Taliban_ verlassen habe. Er habe nach der ständigen\nRechtsprechung der Kammer auch keine Verfolgung wegen einer Zugehörigkeit zur\nVolksgruppe der _Hazara_ zu befürchten. Diese unterliege zwar einer gewissen\nDiskriminierung, sei aber weder einer an ihre Volks- oder\nReligionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder\nreligiösen Verfolgung durch die Taliban oder andere Gruppen ausgesetzt, noch\nbestehe für sie eine entsprechende Gefahrendichte. Die _Hazara_ seien eine in\nUntergruppen zerfallende Minderheit mit Siedlungsschwerpunkt in der Provinz\n_Bamyan_ ; ihre Zahl in Afghanistan werde auf rund 1,5 Mio. Menschen\ngeschätzt. _Hazara_ unterlägen zwar fortwährender gesellschaftlicher\nDiskriminierung; nach der Auskunftslage fehle aber eine für die Annahme einer\nGruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte. Der Kläger habe auch keinen\nAnspruch auf Gewährung unionsrechtlichen subsidiären Schutzes. Es bestehe\nkeine konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender\nBehandlung oder Bestrafung. Diesbezüglich fehlten Anknüpfungspunkte\ninsbesondere dafür, dass ihm aufgrund der behaupteten Tätigkeit seines Vaters\nfür die ISAF Verfolgung durch die Taliban drohe. Der Vortrag sei nicht\nglaubhaft. Ob ein „innerstaatlicher bewaffneter Konflikt“ in der nördlich von\nKabul gelegenen Herkunftsregion _P..._ vorliege, könne dahinstehen. Daraus\nfolgte nicht automatisch, dass der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung\nsubsidiären Schutzes habe. Vielmehr sei weitere Voraussetzung, dass der den\nbestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein\nso hohes Niveau erreiche, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden,\ndass eine Zivilperson in der betroffenen Region allein durch ihre Anwesenheit\nim Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer\nerheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt zu sein. Das\nsei beim Kläger nicht der Fall. Er gehöre keiner Berufsgruppe an, die\ngezwungen wäre, sich in der Nähe einer Gefahrenquelle aufzuhalten, noch sei er\nals schiitischer _Hazara_ einer besonders gefährdeten religiösen oder\nethnischen Minderheit zuzurechnen. Auch dabei sei maßgeblich, dass es dem\nKläger nicht gelungen sei, das Gericht von einer konkreten und aktuellen\nGefährdung seiner Person durch eine kriminelle Organisation zu überzeugen. Dem\nKläger stehe auch kein Anspruch auf Zuerkennung eines nationalen\nAbschiebungsverbots zu. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass seine\nAbschiebung wegen einer ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden\nunmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unzulässig sei. Nach der\nständigen Rechtsprechung des EGMR sei die allgemeine Lage in Afghanistan nicht\nals so ernst anzusehen, dass eine Abschiebung dorthin ohne weiteres eine\nVerletzung von Art. 3 EMRK darstelle. Auch der VGH Baden-Württemberg habe in\neinem Urteil vom Dezember 2017 festgestellt, dass selbst im Falle eines\nlangjährigen Auslandsaufenthalts für einen leistungsfähigen, erwachsenen,\nafghanischen Mann ohne Unterhaltsverpflichtung, der keine familiären oder\nsozialen Unterstützungsnetzwerke habe, bei Fehlen individuell erschwerender\nUmstände insbesondere auch in Kabul trotz der schlechten humanitären\nBedingungen und Sicherheitslage keine Gefahrenlage bestehe, die ein\nAbschiebungsverbot rechtfertige. Nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts könne er Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7\nAufenthG in verfassungskonformer Anwendung der Vorschrift nur ausnahmsweise\nbeanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher\nWahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Das hänge von\nden Umständen des Einzelfalls ab und entziehe sich einer rein quantitativen\noder statistischen Betrachtung. Nach der Auskunftslage bestehe für\nalleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Staatsangehörige ohne\nAusbildung, die der Landessprache mächtig seien, grundsätzlich die\nMöglichkeit, als Tagelöhner mit Aushilfsjobs ein Existenzminimum zu\nerwirtschaften. Die Mehrheit der afghanischen arbeitsfähigen Bevölkerung sei\nmännlich, ohne jegliche Ausbildung und müsse unter diesen Voraussetzungen\nsowohl den eigenen als auch den Unterhalt weiterer Familienangehöriger\nsichern. Nahezu zwei Drittel der Bevölkerung Kabuls seien unter 25 Jahre alt.\nNach der Auskunftslage spreche im Ergebnis nichts für die Annahme, ein solcher\nwerde im Falle seiner Rückkehr mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen\nsicheren Hungertod ausgeliefert. Danach sei auch im Fall des arbeitsfähigen,\n23 Jahre alten Klägers bei einer Abschiebung nach Afghanistan eine extreme\nGefährdungslage zu verneinen. Darüber hinaus verfüge er noch über\nFamilienangehörige in Afghanistan, die ihn bei einer Rückkehr unterstützen\nkönnten.\n\nDer Kläger begehrt die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.\n\n**II.**\n\nDem nach § 78 Abs. 2 Satz 1 AsylG statthaften Antrag des Klägers auf Zulassung\nder Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 3.4.2019 – 5 K\n580/17 –, mit dem seine Verpflichtungsklage auf Zuerkennung internationalen\nSchutzes in Form des Flüchtlingsschutzes (§ 3 AsylG) oder des subsidiären\nSchutzes (§ 4 AsylG) sowie auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote\nnach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG durch die Beklagte abgewiesen wurde,\nkann nicht entsprochen werden. Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren\nbegrenzende Vorbringen des Klägers in der Antragsbegründung (§ 78 Abs. 4 Satz\n4 AsylG) vom 13.5.2019 rechtfertigt die Zulassung des Rechtsmittels nicht.\n\nDer geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Sache\n(§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ergibt sich aus diesen Darlegungen nicht. Eine\nRechtssache hat nur grundsätzliche Bedeutung, wenn sie zumindest eine im\nangestrebten Berufungsverfahren klärungsfähige und für die Entscheidung dieses\nVerfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung\nüber den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche\nAnwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses\nZulassungsgrundes ist die Frage auszuformulieren und substantiiert\nauszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich\ngehalten und aus welchen Gründen ihr eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus\nzugemessen wird.(vgl. zuletzt etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 8.5.2019\n– 2 A 166/19 – und vom 2.5.2019 – 2 A 184/19 –, m.w.N., beide bei Juris)\n\nDer Kläger formuliert in der Antragsschrift die aus seiner Sicht\ngrundsätzliche Frage,\n\n> _„ob junge gesunde afghanische Männer nach der Abschiebung nach Afghanistan\n> dort in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt sicherzustellen, oder ob, da\n> dies nicht der Fall ist, ihnen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw.\n> Abs. 7 Satz 1 AufenthG zur Seite steht“._\n\nDies zeigt indes keine grundsätzliche Bedeutung im vorgenannten Sinne auf. Das\nergibt sich bereits daraus, dass die Frage, deren Beantwortung für die\nEntscheidung in dem angestrebten Berufungsverfahren mit Blick auf die\nAnforderungen an die angesprochenen nationalen Abschiebungsverbote maßgeblich\nwäre, ob der Kläger bei einer Rückkehr oder Rückführung ins Heimatland einer\nsolchen Gefährdung ausgesetzt wäre, sich nur nach den Umständen seines\nEinzelfalls beurteilen ließe. Das folgt ohne weiteres aus den sich detailliert\nund ausführlich damit auseinandersetzenden und auf zahlreiche Quellen und\nAuskünfte Bezug nehmenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem\nangegriffenen Urteil, nach denen im Übrigen mangels eines glaubhaften\nSachvortrags durch angebliche Nachstellungen der _Taliban_ respektive eines\n_„Islamischen Emirats Afghanistan“_ für die Person des Klägers, der die\nangenommenen individuellen persönlichen Merkmale und die Vorfindlichkeit\nseiner im Heimatland verbliebenen Familie nicht in Frage stellt, auch in dem\nZusammenhang keine individuell gefahrerhöhenden Umständen angenommen werden\nkönnen. Auch das Vorbringen des Klägers im Zulassungsantrag macht die\nEinzelfallbezogenheit des – tatsächlichen – Beurteilungsgegenstands an vielen\nStellen deutlich, etwa wenn er im Zusammenhang mit dem Lagebericht des\nAuswärtigen Amts vom Mai 2018 geltend macht, dass _„Ausweichmöglichkeiten\nmaßgeblich vom Grad der sozialen Verwurzelung und der finanziellen Lage“_\nabhängig seien und dass _„die sozialen Netzwerke vor Ort und deren\nAuffangmöglichkeiten ... eine zentrale Rolle für den Aufbau einer Existenz und\ndie Sicherheit am neuen Aufenthaltsort “_. Dass diese Parameter im konkreten\nFall jeweils in unterschiedlichem Maße zu Trage kommen können, liegt auf der\nHand. Dasselbe gilt für die auszugsweise Wiedergabe der Feststellungen in\neinem vom Verwaltungsgericht berücksichtigten Gutachten von _Friederike\nStahlmann_ vom März 2018, wonach von der Bevölkerung als „Versager“ oder als\n„reich“, „verwestlicht“ beziehungsweise als „verdorben“ oder „kriminell“\nangesehene unfreiwillige Rückkehrer nach Afghanistan _„vorhersehbar und\nunvermeidbar_ “ Opfer humanitärer Not zu werden drohten, _„sofern Betroffene\nnicht auf unterstützungswillige und –fähige soziale Netzwerke zurückgreifen\nkönnten“_. Auch das ist allein eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Das\nVerwaltungsgericht hat im Übrigen ausdrücklich herausgestellt, dass gerade der\nKläger in Afghanistan über Familienangehörige verfüge, die ihn bei einer\nRückkehr gegebenenfalls unterstützen könnten (vgl. Seite 24 des\nUrteilsabdrucks).\n\nDie Beantwortung der von dem Kläger aufgeworfenen Frage ist deswegen schon von\ndaher grundsätzlich nicht geeignet, eine generelle („grundsätzliche“) Klärung\nfür eine Vielzahl von Einzelfällen im Verständnis des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG\nin dem Zusammenhang herbeizuführen oder zu befördern.\n\nDarüber hinaus genügt ein auf die grundsätzliche Bedeutung einer\nTatsachenfrage gestützter Zulassungsantrag nach der ständigen Rechtsprechung\ndes Senats bereits dann nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz\n4 AsylG, wenn in ihm lediglich die Behauptung aufgestellt wird, die für die\nBeurteilung maßgeblichen Verhältnisse stellten sich anders dar als vom\nVerwaltungsgericht angenommen. Vielmehr ist zur ordnungsgemäßen Darlegung der\nGrundsatzrüge in diesen Fällen eine Benennung bestimmter Erkenntnisquellen\nnotwendig, nach deren Inhalt zumindest eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht,\ndass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des\nVerwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Behauptungen in der\nAntragsschrift zutreffend sind.(vgl. dazu etwa OVG Münster, Beschluss vom\n18.2.2019 – 13 A 4738/18.A –, juris) Auch dies erscheint im vorliegenden Fall\nsehr zweifelhaft. Bezogen auf den von ihm erwähnten Allgemeinen Lagebericht\ndes Auswärtigen Amts vom Mai 2018 weist der Kläger selbst darauf hin, dass\ndieser zu der aufgeworfenen Fragestellung _„so gut wie keine Ausführungen“_\nmache (vgl. dazu auch Seite 22 des Urteils des Verwaltungsgerichts).\n\nDas in dem in der Antragsschrift wiederholt angeführten Klageverfahren vor dem\nVG Wiesbaden(vgl. dazu VG Wiesbaden, Urteil vom 11.10.2018 – 7 K 1757/16.A –)\nerstattete Gutachten der _Friederike Stahlmann_ vom 28.3.2018 wurde im hier\nangegriffenen erstinstanzlichen Urteil ausdrücklich in die Beurteilung\neinbezogen und lediglich im Ergebnis abweichend von der Auffassung des Klägers\nbewertet. Das angesprochene Urteil des VG Wiesbaden, in dem für den dortigen\nKläger individuell ein Abschiebungsverbot festgestellt wurde, geht im Übrigen\nerkennbar ebenfalls von der Einzelfallbezogenheit der aufgeworfenen\nFragestellung aus. Dort wird nach Ablehnung einer pauschalen Sichtweise\nausdrücklich hervorgehoben, dass „aufgrund der Umstände jedes Einzelfalles\nindividuell zu prüfen“ sei, ob „ein junger, alleinstehender, arbeitsfähiger\nMann in der Lage wäre, in Afghanistan auch ohne belastbare Netzwerke zu\nüberleben“. Dabei seien die Ausbildung, der Bildungstand, die\nArbeitserfahrung, die Volks- und Religionszugehörigkeit sowie die Dauer des\nAufenthalts im westlichen Ausland und in Afghanistan, das heißt die\nVertrautheit mit den dortigen gesellschaftlichen Widrigkeiten und dem stark\numkämpften Arbeits- bzw. Wohnungsmarkt „besonders zu beachten“. Zu\nberücksichtigen sei ferner, ob der Betroffene noch über nennenswertes Vermögen\nverfüge, auf welches er zur Existenzsicherung zurückgreifen könne. Auch der\nHinweis auf die nach einer Auskunft von _amnesty international_ vom Januar\n2018 an das VG Leipzig anzunehmende, bereits zuvor erwähnte „Stigmatisierung“\nvon Rückkehrern, die in der afghanischen Bevölkerung als „vom Westen\nkontaminiert“ angesehen würden und deshalb „erheblichen Sicherheitsrisiken“\nunterliegen sollen, wäre danach gegebenenfalls im Einzelfall in Rechnung zu\nstellen. Auch diese Auskunft wurde im Übrigen vom Verwaltungsgericht gesehen\nund in die Erwägungen einbezogen (vgl. Seite 23 des Urteilsabdrucks).\n\nOb die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts bezogen auf den\nEinzelfall im Ergebnis richtig ist oder nicht, spielt im Zulassungsverfahren\nnach dem § 78 AsylG, in dem es anders als in Allgemeinverfahren (§ 124 Abs. 2\nNr. 1 und 2 VwGO) nicht um Einzelfallgerechtigkeit geht, keine Rolle. Die in\ndieser Vorschrift gegenüber dem Regelverfahren durch eine abschließende\nAufzählung von Gründen für die Zulassung der Berufung in Asylsachen nach § 78\nAbs. 3 Nr. 1 bis Nr. 3 AsylG eingeschränkte Rechtsmittelzulässigkeit\nverdeutlicht, dass der Gesetzgeber den gerichtlichen Rechtsschutz in\nAsylverfahren in aller Regel auf eine Instanz beschränkt hat. Daher\nrechtfertigt auch der Umstand, dass der Kläger im Zulassungsantrag in seinem\nFall die Zuerkennung eines individuellen nationalen Abschiebungsverbots nach §\n60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG entgegen die Begründung des Verwaltungsgerichts\nfür geboten erachtet, hier keine Zulassung der Berufung.\n\nVon einer weiteren Begründung des Nichtzulassungsbeschlusses wird abgesehen (§\n78 Abs. 5 Satz 1 AsylG)\n\n**III.**\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylG. Der\nGegenstandswert des Verfahrens ergibt sich aus dem § 30 Abs. 1 RVG.\n\nDer Beschluss ist unanfechtbar.\n\n
319,826
vg-dusseldorf-2019-05-15-26-l-377518
842
Verwaltungsgericht Düsseldorf
vg-dusseldorf
Düsseldorf
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
26 L 3775/18
2019-05-15
2019-06-05 10:01:30
2020-12-10 13:23:18
Beschluss
ECLI:DE:VGD:2019:0515.26L3775.18.00
## Tenor\n\n**Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 28. Dezember 2018 ‑ 26 K 10549/18 -\ngegen den Bescheid des Antragsgegners vom 20. Dezember 2018 wird\nwiederhergestellt.**\n\n**Der Antragsgegner tr agt die Kosten des Verfahrens.**\n\n**Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.**\n\n \n1\n\n**Gr unde:**\n\n2\n\n**I.**\n\n3\n\nDie Antragstellerin ist eine Mittlere kreisangehorige Stadt im Kreis N. . Sie\nist gemaß § 6 Abs. 2 S. 2 Gesetz uber den Rettungsdienst sowie die\nNotfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer (Rettungsgesetz NRW\n- RettG NRW) i.V.m. dem Bedarfsplan fur den Rettungsdienst des Kreises N.\nTragerin einer Rettungswache. Die Aufgaben dieser Rettungswache werden seitens\nder Antragstellerin i.S.v. § 28 Abs. 4 S. 3 BHKG NRW von einer standig\nbesetzten Feuerwache wahrgenommen.\n\n4\n\nAuch die Stadt M. ist eine Mittlere kreisangehorige Stadt im Kreis N. . Sie\nist ebenfalls gemaß § 6 Abs. 2 S. 2 RettG NRW i.V.m. dem Bedarfsplan fur den\nRettungsdienst des Kreises N. Tragerin einer Rettungswache. Auch seitens der\nStadt M. werden die Aufgaben dieser Rettungswache i.S.v. § 28 Abs. 4 S. 3 BHKG\nNRW von einer standig besetzten Feuerwache wahrgenommen.\n\n5\n\nHistorisch-technisch bedingt durch ein gemeinsames Telefonortsnetz war\njedenfalls seit den 1970er Jahren der Notruf 112 auf dem Gebiet der Stadt M. ,\nder Antragstellerin und des heutigen Stadtteils I. der benachbarten\nkreisfreien Stadt M1. - welcher bis 1975 zur Antragstellerin gehorte - auf die\nstandig besetzte Feuer- und Rettungswache der Stadt M. aufgeschaltet. Erst\nnachdem es technisch moglich war, innerhalb eines Telefonortsnetzes den Notruf\n112 auf verschiedene Stellen aufzuschalten (sog. Entflechtung), wurde der\nNotruf 112 fur den Leverkusener Stadtteil I. auf die einheitliche Leitstelle\nder Stadt M1. fur den Brandschutz, die Hilfeleistung, den Katastrophenschutz\nund den Rettungsdienst aufgeschaltet, wahrend fur die Gebiete der Stadt M. und\nder Antragstellerin die gemeinsame Aufschaltung auf die standig besetzte\nFeuer- und Rettungswache der Stadt M. beibehalten wurde.\n\n6\n\nDer Kreis N. betreibt entsprechend dem gesetzlichen Auftrag der §§ 28 Abs. 1\nBHKG, 7 Abs. 1 S. 1 RettG NRW fur das gesamte Kreisgebiet eine einheitliche\nLeitstelle fur den Brandschutz, die Hilfeleistung, den Katastrophenschutz und\nden Rettungsdienst (Kreisleitstelle). Aus dem Kreisgebiet ist der Notruf 112\nbereits seit langerer Zeit aus den kreisangehorigen Stadten I1. , I2. , N. ,\nS. und X. auf die Kreisleitstelle aufgeschaltet, ferner aus der\nkreisangehorigen Stadt F. mit - nach Angaben des Kreises N. im Internet\n(https://www.kreis-N. .de/Weitere-Themen/Sicherheit-Ordnung/Rettungsdienst) -\nAusnahme der Stadtteile Alt-F. und Unterfeldhaus, aus denen aufgrund des\ngemeinsamen Telefonortsnetzes mit der benachbarten kreisfreien Stadt E. der\nNotruf 112 auf die einheitliche Leitstelle der Stadt E. fur den Brandschutz,\ndie Hilfeleistung, den Katastrophenschutz und den Rettungsdienst aufgeschaltet\nist; dort eingehende Notrufe aus Alt-F. und Unterfeldhaus werden aber sofort\nan die Kreisleitstelle N. weitergeleitet. Auch ist der Notruf 112 aus den\nMobilfunknetzen im gesamten Kreisgebiet N. , somit abweichend von der\nFestnetz-Notrufaufschaltung auch im Gebiet der Antragstellerin und der Stadt\nM. , auf die Kreisleitstelle aufgeschaltet.\n\n7\n\nIn der Folge von zwischen dem Kreis N. und bislang nicht auf die\nKreisleitstelle aufgeschalteten kreisangehorigen Stadten gefuhrten Gesprachen\nuber eine Aufschaltung des Notrufs 112 auf die Kreisleitstelle haben im\nvergangenen Jahr auch die kreisangehorigen Stadte I3. und W. fur ihr\njeweiliges Stadtgebiet den Notruf 112 auf die Kreisleitstelle aufgeschaltet.\n\n8\n\nDie Stadt M. und die Antragstellerin entschieden hingegen im Jahr 2017,\njedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht dem Handlungsauftrag des § 28 Abs. 4\nS. 2 BHKG zu folgen, den Notruf 112 auf die Kreisleitstelle aufzuschalten,\nsondern verfolgten ausgehend von der durch § 28 Abs. 4 S. 3 BHKG eroffneten\nMoglichkeit, wonach die Aufschaltung des Notrufs 112 auf standig besetzte\nFeuerwachen von kreisangehorigen Stadten zulassig ist, wenn diese die Aufgaben\neiner Rettungswache wahrnehmen, die Absicht, am status quo der Aufschaltung\ndes Notrufs 112 aus ihren beiden Stadtgebieten auf die standig besetzte Feuer-\nund Rettungswache der Stadt M. festzuhalten und dem zugleich einen rechtlich\nverbindlichen Rahmen zu geben. Zu diesem Zweck schlossen beide Stadte unter\ndem 27. bzw. 28. September 2017 eine „Öffentlich-rechtliche Vereinbarung uber\ndie Aufschaltung des Notrufs". Die §§ 1 bis 3 dieser Vereinbarung lauten wie\nfolgt:\n\n9\n\n„§ 1 Gegenstand der Vereinbarung\n\n10\n\nDie Aufschaltung des Notrufs 112 aus dem Gebiet der Stadt N1. auf die standig\nbesetzte Feuerwache der Stadt M. , die zugleich Rettungswache im Sinne des §\n28 Abs. 4 BHKG ist, wird unverandert als Dienstleistung der Stadt M. fur die\nStadt N1. fortgesetzt.\n\n11\n\n§ 2 Alarmierung\n\n12\n\n * 13\n\n1\\. Derzeit ubergibt die Stadt M. nach der Alarmierung die Einsatzdaten und\nEinsatzlenkung an die Einsatzzentrale der Feuerwehr N1. .\n\n * 14\n\n2\\. Kunftig mit Wirkung im ersten Quartal 2018 wird die Alarmierung der\nerforderlichen Rettungsmittel der Feuer- und Rettungswache der Stadt N1.\nausschließlich durch den Disponenten der standig besetzten Feuerwache der\nStadt M. nach einem gemeinsam festzulegenden Alarmierungsplan und einer\ngemeinsamen Alarmierungs- und Ausruckordnung erfolgen.\n\n * 15\n\n3\\. Die Stadt M. stellt durch Koppelung der standig besetzten Feuerwache M. an\ndas System der integrierten Leitstelle des Kreises N. die zeitgleiche Kenntnis\nder Leitstelle uber die eingehenden Notrufe, deren Abfrage und die ortliche\nwie qualitative Verfugbarkeit der Einsatzmittel und des Einsatzpersonals\nsicher.\n\n16\n\n§ 3 Überlaufabfrage von Notrufen; Ausnahmeabfrageplatze\n\n17\n\n * 18\n\n1\\. Fur den Fall des Überlaufs der eingehenden Notrufabfragen gestellt die\nStadt M. einen zweiten Disponenten in der standig besetzten Feuerwache M.\nentsprechend der aktuellen Dienstanweisung. Weitere Überlaufe werden auf die\nLeitstelle des Kreises N. geschaltet.\n\n * 19\n\n2\\. Die Stadte verpflichten sich, gemeinsame Ausnahmeabfrageplatze im Rahmen\ndes Rettungsdienstbedarfsplanes des Kreises N. zu stellen. Hierzu wird ein\ngemeinsamer Plan zur Einsatzubernahme erstellt."\n\n20\n\nDaruber hinaus enthalt die Vereinbarung einige weitere Regelungen, u.a. in § 4\nRegelungen uber die Kostenverteilung und in § 5 eine Laufzeitvereinbarung,\nwonach sich u.a. die Vereinbarung um jeweils ein Jahr verlangert, wenn keine\nder beiden Vertragspartner mit einer Frist von 6 Monaten schriftlich kundigt.\n\n21\n\nIn der Begrundung der dieser Vereinbarung auf Seiten der Antragstellerin\nvorausgegangenen Ratsvorlage mit Beschlussempfehlung (offentliche Vorlage Nr.\nIX/1232) heißt es u.a.: Bei der Prufung der Frage, ob auch fur die Burger der\nAntragstellerin eine Aufschaltung auf die Kreisleitstelle die beste Losung\nsein konnte, habe festgestellt werden mussen, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt\nnicht verlasslich bejaht werden konne. Die derzeitige Situation der\nKreisleitstelle entspreche nach eigenem Bekunden des Kreises nicht den\naktuellen Erfordernissen, insbesondere im Hinblick auf die raumlichen\nGegebenheiten. Eine nachhaltige Verbesserung sei erst dann zu erwarten, wenn\ndie neue Kreisleitstelle in Betrieb genommen werde; deren Bau sei beschlossen\nund die Inbetriebnahme sei fur 2021 geplant. Die zwischenzeitlich seitens des\nKreises geplante bereits kurzfristige Inbetriebnahme einer Interimsleitstelle\nin großeren Raumlichkeiten anstelle der bestehenden, raumlich unzureichenden\nLeitstelle, erscheine nicht als geeignet, das derzeit durch die\nNotrufaufschaltung nach M. in N1. vorhandene Versorgungsniveau zu erreichen.\nDie empfohlene offentlich-rechtliche Vereinbarung beschranke sich nicht nur\nauf die Festschreibung eines jahrzehntelang praktizierten und sehr bewahrten\nAblaufs in Form der Erfassung aller Notrufe aus N1. in der Einsatzzentrale in\nM. und anschließender Weiterleitung der fur einen Einsatz maßgeblichen Daten\nan die Wache in N1. , sondern widme sich der Frage, wie dieser weiter\noptimiert werden konne. Mit Aufschaltung des Notrufs in M. und der zukunftigen\nDisponierung von N2. Rettungsmitteln sofort von dort wurden jegliche denkbaren\nzeitlichen Verzogerungen, die bei Weitergabe der Einsatzdaten und erst\nanschließender Disponierung entstehen konnten, unterbunden. Mit Umsetzung der\nabzuschließenden Vereinbarung wurde die Aufgabe der eigenen personellen\nBesetzung der Einsatzzentrale in der N2. Feuer- und Rettungswache (FuRW)\nverbunden. Dies setze voraus, dass die N2. FuRW von der Einsatzzentrale in M.\ngesteuert werden konne, was wiederum nur moglich sei, wenn die N2.\nGebaudesteuerung mit dem Einsatzleitsystem in M. verbunden werde, denn nur so\nkonne z.B. der Wachalarm ausgelost, die Anzeigetafel angesteuert oder auch\neine Lautsprecherdurchsage vorgenommen werden. Neben dieser rein technischen\nKomponente sei es zudem erforderlich, die N2. Alarm- und Ausruckeordnung in\ndas M2. System zu implementieren, was insbesondere in zeitlicher Hinsicht\nanspruchsvoll sei. Nach Schatzung sei es jedoch moglich, beide Voraussetzungen\nfur eine vollstandige Aufschaltung auf die Einsatzzentrale M. im ersten\nQuartal 2018 umzusetzen. Erst sobald dies erfolgreich abgeschlossen sein\nwerde, konne auf den Einsatz der Kolleginnen und Kollegen in der N2.\nEinsatzzentrale verzichtet werden.\n\n22\n\nUnter dem 28. September 2017 beantragten die Antragstellerin und die Stadt M.\nbeim Landrat des Kreises N. als untere staatliche Verwaltungsbehorde des\nLandes Nordrhein-Westfalen die Genehmigung dieser offentlich-rechtlichen\nVereinbarung; zur Wirksamkeit einer derartigen Vereinbarung bedarf es einer\nsolchen Genehmigung der zustandigen Aufsichtsbehorde sowie der anschließenden\nBekanntmachung der Vereinbarung in deren amtlichen Veroffentlichungsblatt\ngemaß § 24 des Gesetzes uber kommunale Gemeinschaftsarbeit (GkG NRW).\n\n23\n\nNachdem die Bezirksregierung Dusseldorf in ihrer Eigenschaft als obere\nAufsichtsbehorde fur die kreisangehorigen Gemeinden nach § 53 Abs. 2 S. 2 BHKG\ndem Landrat des Kreises N. in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehorde fur die\nkreisangehorigen Gemeinden nach § 53 Abs. 1 BHKG in einem internen Schreiben\nvom 21. September 2017 bereits dessen aus ihrer Sicht gegebene Zustandigkeit\nals Aufsichtsbehorde betreffend die Frage der Notrufaufschaltung in N1. und M.\nbestatigt hatte und insbesondere das Vorliegen einer Konstellation nach § 59\nAbs. 2 S. 2 Kreisordnung fur das Land Nordrhein-Westfalen (KrO NRW), wonach\ndie Aufsichtsbehorde daruber zu entscheiden hat, ob an einer im Rahmen der\nSonderaufsicht zu treffenden Entscheidung der Kreis beteiligt ist, verneint\nhatte, teilte der Landrat des Kreises N. als untere staatliche\nVerwaltungsbehorde der Antragstellerin und der Stadt M. mit Schreiben vom 12.\nOktober 2017 seine Absicht der Versagung der beantragten Genehmigung mit. Am\n24. Oktober 2017 fand ein gemeinsamer Erorterungstermin zwischen den\nBeteiligten zur Frage der Genehmigungsfahigkeit der offentlich-rechtlichen\nVereinbarung statt, in dem die Rechtspositionen ausgetauscht wurden, ohne dass\neine einvernehmliche Losung erzielt wurde. Am 6. November 2017 stimmte der\nKreisausschuss des Kreises N. der vom Landrat des Kreises N. als untere\nstaatliche Verwaltungsbehorde beabsichtigten Genehmigungsversagung zu. Durch\nsowohl an die Antragstellerin als auch die Stadt M. gerichteten Bescheid vom\n7. November 2017 versagte der Landrat des Kreises N. als untere staatliche\nVerwaltungsbehorde sodann die beantragte Genehmigung der offentlich-\nrechtlichen Vereinbarung mit - im Kern - folgender Begrundung: Die in der\nVereinbarung geregelte Aufschaltung des Notrufs 112 aus dem Gebiet der\nAntragstellerin auf die Feuerwache der Stadt M. verstoße gegen § 28 Abs. 4 S.\n3 BHKG und sei damit rechtswidrig. Zwar hatten die kreisangehorigen Stadte\nnach der gesetzlichen Konzeption des § 28 Abs. 4 BHKG die Wahl zwischen der\nAufschaltung auf die Kreisleitstelle und der eigenen Notrufabfrage in der\neigenen standig besetzten Feuerwache, wenn diese die Aufgaben einer\nRettungswache wahrnehme und die weiteren Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 S. 4\nBHKG - nach dieser Vorschrift muss durch Koppelung der standig besetzten\nFeuerwache an das jeweilige System der Leitstelle die zeitgleiche Kenntnis der\nLeitstelle uber die eingehenden Notrufe, deren Abfrage und die ortliche wie\nqualitative Verfugbarkeit der Einsatzmittel und des Einsatzpersonals\ngewahrleistet sein - erfullt seien. Auch bestehe weder im BHKG noch im RettG\nNRW ein expliziter gesetzlicher Ausschluss der Aufgabenwahrnehmung nach § 28\nAbs. 4 S. 3 BHKG im Wege kommunaler Gemeinschaftsarbeit. Die abgeschlossene\nVereinbarung widerspreche allerdings der Systematik, dem Sinn und Zweck und\nder Regelungsintention des materiell-rechtlich maßgeblichen § 28 BHKG,\ninsbesondere dessen Absatzen 1 und 4, und sei deshalb unzulassig und nicht\ngenehmigungsfahig. Nach der gesetzlichen Konzeption des BHKG sei die\nAufschaltung des Notrufs 112 auf die einheitliche Leitstelle auf Kreisebene\nwegen der Koordinierungs- und Lenkungsfunktion im Rettungsdienst der\nRegelfall, wahrend eine Aufschaltung auf eine stadtische Feuer- und\nRettungswache die absolute Ausnahme darstelle. Solche gesetzlichen\nSonderregelungen seien eng auszulegen. Hinzu komme in gesetzessystematischer\nHinsicht, dass die durch § 2 Abs. 3 BHKG den Gemeinden und Kreisen eroffnete\nMoglichkeit, zur Aufgabenwahrnehmung offentlich-rechtliche Vereinbarungen\ngemaß dem GkG NRW abzuschließen, auf einzelne Aufgaben nach dem BHKG begrenzt\nsei, woraus zu folgern sei, dass die Moglichkeiten der interkommunalen\nZusammenarbeit im Bereich des BHKG aus Sicht des Gesetzgebers restriktiv\ngehandhabt werden sollen, was auch der bekannten bisherigen Genehmigungspraxis\nentspreche. Jegliche Erweiterung wurde die Lenkungs- und\nKoordinierungsfunktion der Kreisleitstelle verletzen; die Aufgabenwahrnehmung\neiner standig besetzten Feuerwache auch fur eine andere Gemeinde begrunde eine\nLenkung und Koordinierung der Rettungsmittel uber den originaren\nZustandigkeitsbereich hinaus und schmalere diesbezugliche\nDispositionsmoglichkeiten der Kreisleitstelle zum Nachteil der\nKreisgemeinschaft. Die Notrufaufschaltung einer oder gar mehrerer Stadte auf\ndie Feuer- und Rettungswache einer benachbarten Stadt im Kreisgebiet wurde zur\nEntstehung einer faktischen Nebenleitstelle fuhren; mehrere derartige\nKooperationen von Stadten wurden sogar zur Entstehung mehrerer faktischer\nNebenleitstellen fuhren. Eine solche Situation wurde dem gesetzlich\nvorgesehenen Regelfall der Aufschaltung auf die einheitliche\n(Kreis-)Leitstelle kontrar zuwiderlaufen, den Ausnahmefall entgegen dem Willen\ndes Gesetzgebers beliebig ausdehnen und die einheitliche Kreisleitstelle\nobsolet machen. Insofern durfe eine Feuer- und Rettungswache hinsichtlich der\nNotrufaufschaltung nur fur das eigene Gemeindegebiet tatig werden, was sich\nauch aus der Rechtsprechung des OVG NRW ergebe. Die Versagungsentscheidung\nergehe nach pflichtgemaßem Ermessen, wobei im Rahmen des Auswahlermessens die\nGenehmigungsversagung das einzig geeignete und angemessene Mittel darstelle,\num die mit der abgeschlossenen Vereinbarung drohende Perpetuierung des\nfestgestellten Rechtsverstoßes zu verhindern; die einzig denkbare Alternative\neiner Genehmigung der Vereinbarung mit Ausnahme der Notrufaufschaltung von N1.\nnach M. wurde der Vereinbarung den zugrunde liegenden Vereinbarungsgegenstand\nentziehen und eine inhaltlose Hulle ubriglassen. Dass gegen die bereits\ntatsachlich praktizierte Notrufaufschaltung von N1. nach M. bisher nicht mit\naufsichtsrechtlichen Mitteln vorgegangen worden sei, begrunde fur die Zukunft\nkein Vertrauen auf die Zulassigkeit eines solchen Vorgehens, denn Hintergrund\ndes Abwartens seien ausschließlich die zwischen Kreis und kreisangehorigen\nStadten gefuhrten Gesprache uber eine Aufschaltung des Notrufs 112 auf die\nKreisleitstelle gewesen. Nunmehr sei die Frage nach der Erforderlichkeit eines\nfachaufsichtlichen Vorgehens in den Vordergrund geruckt, zumal auch die\nEinsatzzentrale der Stadt M. den gesetzlichen Anforderungen an eine\nnotrufabfragende Stelle derzeit nicht genuge; ein entsprechendes Verfahren sei\nbei der Bezirksregierung Dusseldorf anhangig.\n\n24\n\nGegen diesen Bescheid erhoben die Antragstellerin und die Stadt M. am 9.\nNovember 2017 Klage mit dem Ziel der Verpflichtung des Landes NRW, die\noffentlich-rechtliche Vereinbarung vom 27./28. September 2017 zu genehmigen.\nDiese Klage ist unter dem Aktenzeichen 26 K 17964/17 beim Verwaltungsgericht\nDusseldorf anhangig.\n\n25\n\nDie Klage ist im Wesentlichen wie folgt begrundet: Weder im Wortlaut noch in\nder Entstehungsgeschichte des BHKG lasse sich ein Hinweis darauf finden, dass\nausgerechnet die Aufschaltung des Notrufs nicht im Rahmen der kommunalen\nGemeinschaftsarbeit durch zwei zur Aufschaltung selbst berechtigte Gemeinden\ngemeinsam erledigt werden durfe. Auch ergebe sich aus der Systematik des BHKG\ninsgesamt und des § 28 BHKG speziell nicht, dass die Aufschaltung auf die\nstandig besetzte Feuerwache von kreisangehorigen Stadten nicht gemeinsam\ndurchgefuhrt werden durfe, zumal das Wahlrecht der Gemeinde in Bezug auf die\nAufschaltung des Notrufs auf die eigene Feuerwache obergerichtlich anerkannt\nsei; soweit der Landrat hinsichtlich der Notrufaufschaltung auf eine\nstadtische Feuer- und Rettungswache von einer „absoluten" Ausnahme spreche,\nfinde dies keine Grundlage im Gesetz und die Verwendung von Superlativen oder\nZuspitzungen trage zur methodisch sinnvollen Auslegung einer Norm regelmaßig\nnichts bei. Insbesondere bewirke eine gemeinschaftliche Aufgabenerledigung\nbetreffend die Notrufaufschaltung auf eine stadtische Feuer- und Rettungswache\nkeine Gefahrdung der Gewahrleistung der Koordinierungsfunktion der\nKreisleitstelle, weil diese Funktion durch die Vorgabe des § 28 Abs. 4 S. 4\nBHKG zur Systemkoppelung ausdrucklich abgesichert werde; im Gegenteil sinke\nder Koordinierungsaufwand bei gemeinschaftlicher Aufgabenwahrnehmung durch\nzwei Stadte gegenuber einer jeweils eigenstandigen Aufgabenwahrnehmung sogar.\nWas die Systemkoppelung und daruber hinaus eine Ausfallsicherung angehe, sei\nseitens der Stadt M. auch alles getan worden, um diese herzustellen. Soweit\nder Landrat die Gefahr des Entstehens einer oder mehrerer Nebenleitstellen\nbenenne, sei der Begriff der „Nebenleitstelle" bereits unzutreffend, denn die\nKreisleitstelle behalte alle Aufgaben mit Ausnahme der Notrufabfrage; die\nFeuerwache trete nicht neben die Leitstelle oder gar in deren Konkurrenz,\nsondern ubernehme wie gesetzlich ausdrucklich vorgesehen eine ortliche Aufgabe\nunter Koordination der Kreisleitstelle. Schließlich sei unverstandlich, warum\nes im Zustandigkeitsbereich des Landrats des Kreises N. als untere staatliche\nVerwaltungsbehorde mit entsprechender Genehmigung moglich sei, sogar den\ngesamten Rettungsdienst zweier Gemeinden zusammenzulegen - wie dies in S. und\nI1. der Fall sei -, wahrend dies fur die Notrufaufschaltung nach § 28 Abs. 4\nS. 3 BHKG nicht gelten solle. Auch habe ein moglicher Abstimmungs- oder\nVerbesserungsbedarf bei der Besetzung, Organisation und Ausstattung der\nFeuerwache der Stadt M. und der Alarmierung der Rettungsmittel der\nAntragstellerin keinen Einfluss auf die Genehmigungsfahigkeit der\nVereinbarung, da es bei den benannten Aspekten nicht um strukturelle, nicht\nbehebbare Defizite gehe.\n\n26\n\nDer Antragsgegner tritt dieser Klage entgegen unter Wiederholung und\nVertiefung der vom Landrat des Kreises N. als untere staatliche\nVerwaltungsbehorde in seinem Bescheid vom 7. November 2017 gegebenen\nBegrundung. Erganzend hierzu fuhrt er insbesondere aus: Die\nAufgabenwahrnehmung einer standig besetzten Feuerwache auch fur eine andere\nGemeinde begrunde faktisch eine Lenkung und Koordinierung der Rettungsmittel\nuber den originaren Zustandigkeitsbereich hinaus, namlich fur ein Gebiet, fur\ndas die Gemeinde selbst gar nicht Tragerin rettungsdienstlicher Aufgaben sei;\nhierdurch wurden die diesbezuglichen Dispositionsmoglichkeiten der\nKreisleitstelle zum Nachteil der Kreisgemeinschaft geschmalert und es ware der\nZugriff auf die Rettungsmittel im Kreisgebiet uber das gesetzlich\nausnahmsweise tolerierte Maß hinaus eingeschrankt; eine gleichmaßige\nVersorgung aller Patienten ware mangels gleicher Kriterien und mangels\nAbgleichs mit allen konkurrierenden Einsatzen nicht in gleichem Maße moglich\nwie bei Nutzung einer der beiden gesetzeskonformen Moglichkeiten, also der\nAufschaltung des Notrufs 112 auf die Kreisleitstelle oder auf die eigene\nstandig besetzte Feuerwache einer kreisangehorigen Stadt. In der realen Praxis\nwurden insbesondere Verzogerungen auftreten, wenn die Leitstelle des Kreises,\nsofern ein Notruf dort auflaufe, Rettungsmittel fur das Stadtgebiet der\nAntragstellerin und der Stadt M. disponiere und gleichzeitig die\nnotrufabfragende Stelle in M. das gleiche vollziehe - es erfolge dann ein\ngleichzeitiger Zugriff auf die nur einmalig vorhandenen Ressourcen. Ebenso\nkomme es zu Verzogerungen, wenn sich alle Rettungsmittel der Antragstellerin\nund der Stadt M. im Einsatz befanden und weitere Rettungswagen oder\nNotarzteinsatzfahrzeuge herangefuhrt werden mussten. In diesen Fallen musste\nzunachst der Notrufdialog durch die Feuerwehr der Stadt M. stattfinden und\nanschließend mussten uber die Kreisleitstelle weitere Einsatzmittel\nangefordert werden. Diese Verzogerungen wurden rechtlich in Kauf genommen,\nsofern es sich um einen Trager von Rettungswachen handele. Eine Steigerung der\nFallzahlen und somit der Verzogerungen bei der Notfallrettung durch den\nZusammenschluss von mehreren Tragern rettungsdienstlicher Aufgaben mit einer\nnotrufabfragenden Stelle außerhalb der Kreisleitstelle konne dagegen nicht im\nSinne des Gesetzgebers sein. Was die von § 28 Abs. 4 S. 4 BHKG im Rahmen einer\nSystemkoppelung geforderte zeitgleiche Kenntnis der Leitstelle uber bestimmte\nVorgange in der stadtischen Feuerwache angehe, stunde einer solchen derzeit\ndie Verwendung unterschiedlicher Einsatzleitsysteme beim Kreis N. einerseits\nund bei der Stadt M. andererseits entgegen, woran sich zeitnah auch nichts\nandern werde.\n\n27\n\nDas Klageverfahren ist weiterhin anhangig.\n\n28\n\nMit Schreiben vom 12. Dezember 2018 teilte der Burgermeister der\nAntragstellerin dem Landrat des Kreises N. - dort eingehend am 19. Dezember\n2018 - mit: Seit mehreren Monaten befinde sich die Alarmierungstechnik von\nFeuerwehr und Rettungsdienst in N1. im parallelen Testbetrieb zur digitalen\nAlarmierung. Aufgrund der sehr guten Ergebnisse sei nunmehr beabsichtigt, die\nAlarmierung der gesamten Feuerwehr zum 1. Januar 2019 auf Digitalalarm\numzustellen. Zeitgleich sei zwecks Verkurzung der Dispositions- und\nAlarmierungszeiten beabsichtigt, eingehende Notrufe bei der notrufannehmenden\nStelle (Feuerwehr M. ) direkt zu disponieren und zu alarmieren. Die\ntechnischen Voraussetzungen hierfur (u.a. Verlegung von Glasfaserverbindungen\nzwischen beiden Feuerwachen) seien geschaffen worden. Zugleich bestehe damit\nnunmehr die Moglichkeit, die durch die Kreisleitstelle entgegen genommenen\nNotrufe fur den Bereich des Rettungsdienstes direkt selbst zu disponieren und\nzu alarmieren, womit ebenfalls eine deutliche Verbesserung der Hilfsfrist zu\nerreichen sei. Fur die Einsatze Brandschutz und Hilfeleistung, die durch die\nKreisleitstelle abgefragt wurden, sei kunftig die Information an die Feuerwehr\nM. erforderlich. Die Feuerwehreinsatzzentrale in N1. werde kunftig nur noch\nbei Flachen- und Großeinsatzlagen besetzt sein.\n\n29\n\nDieses Schreiben nahm der Landrat des Kreises N. als untere staatliche\nVerwaltungsbehorde zum Anlass, unter dem 20. Dezember 2018 eine\naufsichtsbehordliche Weisung (1.) unter Anordnung der sofortigen Vollziehung\n(2.) an die Antragstellerin zu erlassen. Durch diese untersagte er der\nAntragstellerin, aus deren Stadtgebiet eingehende Notrufe bei der Feuerwehr M.\nals notrufannehmender Stelle direkt disponieren und alarmieren zu lassen (1.a)\nund verpflichtete zugleich die Antragstellerin, den Notruf 112 auf die\neinheitliche Leitstelle des Kreises N. oder - unter Einhaltung der\ngesetzlichen Voraussetzungen - auf die standig besetzte Feuer- und\nRettungswache der Stadt N1. aufzuschalten (1.b). Zur Begrundung fuhrte der\nLandrat schwerpunktmaßig aus: Die vom Burgermeister der Antragstellerin mit\nSchreiben vom 12. Dezember 2018 mitgeteilte beabsichtigte Vorgehensweise\nstelle faktisch die Aufschaltung des Notrufs 112 aus N1. auf die\nEinsatzzentrale in M. dar, welche er - der Landrat - bekanntlich fur\nrechtswidrig und mit dem Interesse der Bevolkerung an einem wirksamen Schutz\ngegen Brand- und sonstige Gefahren sowie einer zentralen Steuerung der\nRettungsmittel fur unvereinbar halte, ohne dass die Antragstellerin offenbar\nden Ausgang des diesbezuglich anhangigen Klageverfahrens abwarten wolle. Die\nunterschiedlichen Einsatzleitsysteme der Kreisleitstelle und der FuRW M.\nließen die gesetzlich geforderte Koppelung unter zeitgleicher Kenntnis der\nKreisleitstelle uber die eingehenden Notrufe, deren Abfrage und die ortliche\nwie qualitative Verfugbarkeit der Einsatzmittel und des Einsatzpersonals nicht\nzu, weshalb Verzogerungen bei der Disposition und Alarmierung nicht\nauszuschließen seien und im Übrigen der Kreisleitstelle fur den Zeitraum der\nNotrufabfrage, der Disposition sowie der Alarmierung der Einsatzkrafte das\ngesetzlich geforderte Lenkungs- und Leitungsrecht fur die Antragstellerin\nentzogen werde. Desweiteren verfuge die Einsatzzentrale M. nicht uber\nausreichend redundante Betriebssicherheit. Ein gesichertes Kooperationssystem\nmit einer weiteren notrufabfragenden Stelle sei nicht bekannt. Zur digitalen\nAlarmierung von Einsatzkraften stehe nur eine Datenleitung zur Kreisleitstelle\nzur Verfugung. Mogliche Verbesserungen der Hilfsfrist - auch wenn diese in der\nSache zutreffen wurden - rechtfertigten nicht die Ersetzung eines in Absprache\nmit der Bezirksregierung Dusseldorf nur im Hinblick auf eine erwartete\nAufschaltung auf die Kreisleitstelle noch geduldeten rechtswidrigen Zustandes\ndurch einen anderen rechtswidrigen Zustand, der offenbar eine Dauerlosung\ndarstellen solle. Schon die durch § 28 Abs. 4 S. 2 BHKG zugelassene\ngesetzliche Ausnahme sei fachlich nicht begrundet, sondern habe ausschließlich\ndurch Lobbyistentatigkeit eines kommunalen Spitzenverbandes Einlass in die\nmaßgeblichen Gesetze gefunden. Diese Ausnahme durch weitere Varianten\nauszudehnen, sei nicht vertretbar. Angesichts des Schutzes der Bevolkerung,\nder von der Antragstellerin gegen den Willen des Gesetzgebers in Kauf\ngenommenen Schwachung der Kreisleitstelle und der Funktionsfahigkeit des\nRettungsdienstes im Kreis N. sowie des unmittelbar bevorstehenden\nUmsetzungszeitpunktes des beabsichtigten Vorhabens bestehe allein die\nMoglichkeit der Einwirkung auf die Antragstellerin durch die erlassene\nWeisung. Vor diesem Hintergrund habe gemaß § 28 Abs. 2 Nr. 1 des\nVerwaltungsverfahrensgesetzes fur das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW)\nauch auf eine Anhorung verzichtet werden mussen. Ein besonderes offentliches\nInteresse an der Vollziehung, welches das Aufschubinteresse der\nAntragstellerin uberwiege, bestehe, weil ohne Anordnung der sofortigen\nVollziehung angesichts der von der Antragstellerin im gesamten Verfahren\ngezeigten brandschutz- und rettungsdienstfachlich nicht begrundbaren\nEntschlossenheit die Besorgnis bestehe, dass sich die beschriebene Gefahr bis\nzu einer Entscheidung uber ein ggf. eingelegtes Rechtsmittel weiter verfestige\nund sich der rechtswidrige Zustand manifestiere; das Sicherheitsgefuge im\nKreis N. wurde sich mit Einrichtung der von der Antragstellerin vorgesehenen\nStrukturen unmittelbar verandern und eine Korrektur nach Feststellung der\nRechtswidrigkeit ware mit Schwierigkeiten verbunden, die angesichts der\nBedeutung der gefahrdeten Rechtsguter von vornherein auszuschließen seien.\n\n30\n\nAm 21. Dezember 2018 hinterlegte der Antragsgegner beim Verwaltungsgericht\nDusseldorf fur den Fall der Erhebung einer Klage der Antragstellerin gegen die\nWeisung vom 20. Dezember 2018 verbunden mit einem Antrag auf Wiederherstellung\nder aufschiebenden Wirkung dieser Klage eine Schutzschrift; das diesbezugliche\nVerfahren erhielt das Aktenzeichen 26 AR 138/18.\n\n31\n\nAm 28. Dezember 2018 hat die Antragstellerin Klage gegen das Land NRW erhoben\nmit dem Ziel der Aufhebung der aufsichtsbehordlichen Weisung vom 20. Dezember\n2018, welche unter dem Aktenzeichen 26 K 10549/18 beim Verwaltungsgericht\nDusseldorf anhangig ist, und zugleich einen Antrag auf Wiederherstellung der\naufschiebenden Wirkung dieser Klage gestellt, welcher Gegenstand des\nvorliegenden Verfahrens ist.\n\n32\n\nZur Begrundung fuhrt sie aus:\n\n33\n\nIn der Sache sei zunachst klarzustellen, dass es bei den dem Landrat des\nKreises N. mit Schreiben vom 12. Dezember 2018 mitgeteilten ursprunglich zum\n1. Januar 2019 beabsichtigten - und aufgrund der Weisung vom 20. Dezember 2018\nnunmehr bis auf Weiteres ausgesetzten - Änderungen nicht um die Frage gehe, ob\ndie seit den 1970er Jahren bestehende Zusammenarbeit zwischen der Stadt M. und\nder Antragstellerin fortgesetzt oder aufgegeben werden solle, sondern\nausschließlich um die Frage, wie entsprechend den zur Verfugung stehenden\ntechnischen Moglichkeiten die Einsatzablaufe im Bereich der Alarmierung und\nDisposition optimiert werden konnten. Ferner wurden trotz der\nunterschiedlichen Einsatzleitsysteme von Kreisleitstelle und Einsatzzentrale\nM. die Einsatze selbstverstandlich von der Kreisleitstelle wie gesetzlich\nvorgesehen mitgefuhrt, so dass der Vorwurf, die Stadt M. wurde durch die\nKooperation auch fur das Gebiet der Antragstellerin disponieren und dadurch\ndas Lenkungs- und Leitungsrecht der Kreisleitstelle unterlaufen, nicht\nzutreffe. Soweit es in der Vergangenheit zu Fehlern im Informationsfluss\nzwischen Einsatzzentrale M. und Kreisleitstelle gekommen sei, lagen diese\nallein in der Verantwortung der Kreisleitstelle. Lediglich eine automatische,\nubergeordnete Disposition und eine zeitgleiche Mitverfolgung der Einsatze in\nden Gebieten der Stadt M. und der Antragstellerin durch die Kreisleitstelle\nscheitere bislang an nach wie vor nicht bestehenden technischen\nVoraussetzungen, was jedoch vom Kreis N. zu vertreten sei, nachdem das\nEinsatzleitsystem der Stadt M. die Daten bereits zur Verfugung stelle, mangels\neiner vom Kreis N. definierten Schnittstelle allerdings noch nicht automatisch\nan die Kreisleitstelle ubermitteln konne. Ebenfalls treffe der Vorwurf nicht\nzu, der Einsatzzentrale M. fehle es an einer redundanten Betriebssicherheit;\ndiese sei vielmehr gegeben, indem bei Ausfall die Anrufe vom Netzbetreiber auf\ndie Kreisleitstelle umgeleitet wurden. Daruber hinaus sei die Einsatzzentrale\nM. seit dem 2. Januar 2019 rund um die Uhr mit zwei Disponenten besetzt. In\nrechtlicher Hinsicht erweise sich die ausgesprochene Weisung als bereits\nformell rechtswidrig, weil sie ohne Anhorung ergangen sei. Betreffend Nr. 1.b)\nder Weisung fehle es zudem an der sachlichen Zustandigkeit des Landrats des\nKreises N. als untere staatliche Verwaltungsbehorde, weil fur die Festlegung\nder Einzugsgebiete von Notrufabfragestellen gemaß § 1 der Verordnung uber\nZustandigkeiten fur die Festlegungen von Einzugsgebieten von\nNotrufabfragestellen und deren Unterteilungen nach der Verordnung uber\nNotrufverbindungen (Zustandigkeitsverordnung Notrufverbindungen -\nNRVerbZustVO) im vorliegenden Fall die Bezirksregierung Dusseldorf zustandig\nsei, welche die erforderlichen Festlegungen aber bereits mit\nAllgemeinverfugung vom 1. April 2014 (Amtsblatt fur den Regierungsbezirk\nDusseldorf, S. 165) getroffen habe. Die ausgesprochene Weisung sei wegen\nvollstandigen Ermessensfehlgebrauchs auch materiell rechtswidrig, insbesondere\nweil sich die in der Weisung ausgesprochenen Anordnungen angesichts einer\nVielzahl zu ergreifender rechtlicher und technischer Umsetzungsschritte\nmangels eingeraumter Übergangsfristen als undurchfuhrbar erwiesen, dem\nAntragsgegner uberdies offenbar weniger einschneidende Maßnahmen gar nicht in\nden Sinn gekommen seien. Auch verstoße die Weisung gegen das Übermaßverbot,\nsoweit mit ihr das Ziel der Beseitigung von - in der Sache nicht gegebenen -\nBeeintrachtigungen der Leitungs- und Lenkungsfunktion der Kreisleitstelle\ndurch konkretes Handeln der Einsatzzentrale M. verfolgt werde; um dieses Ziel\nzu erreichen, seien ggf. aufsichtsbehordliche Weisungen gegenuber der Stadt M.\nangezeigt. Der Landrat des Kreises N. als untere staatliche Verwaltungsbehorde\nbegrunde die ausgesprochene Weisung im Übrigen selbst eher rechtspolitisch,\nwie sich aus seinem Verweis auf die fehlende fachliche Begrundung der\ngesetzlichen Ausnahme nach § 28 Abs. 4 S. 3 BHKG ergebe. Schließlich werde die\ngemaß § 80 Abs. 3 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderliche\nBegrundung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Weisung\nselbst einfachen Anforderungen nicht gerecht, weil die gegebene Begrundung\nnicht deutlich werden lasse, warum im konkreten Einzelfall die aufschiebende\nWirkung der Klage nicht hingenommen werden konne, zumal der Landrat selbst\neinraume, dass sich durch die vom Burgermeister der Antragstellerin vom 12.\nDezember 2018 angekundigten Änderungen im Hinblick auf die Alarmierungszeiten\neine deutliche Verbesserung ergebe.\n\n34\n\nDie Antragstellerin beantragt sinngemaß,\n\n35\n\n**die aufschiebende Wirkung der Klage - 26 K 10549/18 - gegen den Bescheid des\nLandrats des Kreises N. als untere staatliche Verwaltungsbehorde vom 20.\nDezember 2018 wiederherzustellen.**\n\n36\n\nDer Antragsgegner beantragt,\n\n37\n\n**den Antrag abzulehnen,**\n\n38\n\nmit - im Kern - folgender Begrundung: In tatsachlicher Hinsicht sei eine\nredundante Betriebssicherheit der Einsatzzentrale M. nicht gegeben, ferner\nverfuge diese nicht uber eine hinreichende personelle Ausstattung. Auch konne\nvon einem unbeanstandeten und storungsfreien Betrieb der Notrufabfrage durch\ndie FuRW M. keine Rede sein. Regelmaßig musse die Kreisleitstelle nicht\nubermittelte Informationen einfordern, um ihrer Lenkungs- und Leitungsfunktion\nim Rettungsdienst sowie ihrer Dokumentationspflicht bei Brandschutz und\nHilfeleistung nachzukommen. Eine zeitgleiche Kenntnis der Kreisleitstelle von\nHandlungen, die von der FuRW im Zuge von Notrufabfragen vorgenommen wurden,\nbestehe - technisch bedingt - nicht, weshalb namentlich zwischen Notrufannahme\nund Ausrucken eines Rettungsmittels ein Zugriff der Kreisleitstelle auf dieses\nregelmaßig fehlschlage. Auch werde der Kreisleitstelle von der FuRW M. nur ein\nTeil der erforderlichen Daten zur Alarmierung von Einheiten und Einsatzmitteln\nim Gebiet der Antragstellerin zur Verfugung gestellt, so dass bei einem\nAusfall der Einsatzzentrale M. erst mit Zeitverzogerung eine Alarmierung durch\ndie Kreisleitstelle moglich sei. Bei einem Ausfall der bestehenden\nDatenverbindung zwischen der Einsatzzentrale M. und der Kreisleitstelle sei\neine digitale Alarmierung von Einheiten und Einsatzmitteln durch die\nEinsatzzentrale gar nicht mehr moglich, weil die Auslosung zwar in M. erfolge,\ndie Infrastruktur aber bei der Leitstelle angesteuert werde. Soweit die\nAntragstellerin ausfuhre, eine zeitgleiche Mitverfolgung der Einsatze in den\nGebieten der Stadt M. und der Antragstellerin durch die Kreisleitstelle\nscheitere bislang an nach wie vor nicht bestehenden technischen\nVoraussetzungen, nehme sie Bezug auf eine vor Inkrafttreten des BHKG am 1.\nJanuar 2016 zwischen der Stadt M. und dem Kreis N. verfolgte Planung einer\nSystemkoppelung, die jedoch der nunmehr durch § 28 Abs. 4 S. 4 BHKG\nbegrundeten Anforderung der Gleichzeitigkeit der Kenntnis durch die\nKreisleitstelle nicht mehr genugen wurde, weil sie zumindest mit einigen\nSekunden Zeitverzug einherginge und ein Datenaustausch auch erst nach\nNotrufannahme, Disposition und Alarmierung erfolgen wurde, so dass in M.\neingehende Notrufe im Einsatzleitsystem der Kreisleitstelle gar nicht\nsignalisiert wurden. Die von § 28 Abs. 4 S. 4 BHKG geforderte Gleichzeitigkeit\nder Kenntnis durch die Kreisleitstelle sei nur durch die Verwendung der\ngleichen Einsatzleitsysteme bei der Kreisleitstelle und der Einsatzzentrale M.\nzu erreichen. In rechtlicher Hinsicht sei die ausgesprochene Weisung nicht zu\nbeanstanden. Sie sei formell rechtmaßig ergangen, insbesondere bleibe es\ndabei, dass angesichts des Eingangs des Schreibens des Burgermeisters der\nAntragstellerin vom 12. Dezember 2018, in welchem Maßnahmenumsetzungen bereits\nfur den 1. Januar 2019 angekundigt worden seien, beim Landrat des Kreises N.\nerst am 19. Dezember 2018 und der der Antragstellerin bekannten Schließung der\nKreisverwaltung zwischen dem 22. Dezember 2018 und dem 1. Januar 2019 keine\nZeit mehr fur eine Anhorung bestanden habe. Auch beruhre die Zustandigkeit der\nnach § 1 NRVerbZustVO zustandigen Behorde fur die Festlegung von\nNotrufabfragestellen - welche inzwischen entgegen der Angaben der\nAntragstellerin das Ministerium fur Inneres NRW sei - nicht die Zustandigkeit\ndes Landrats des Kreises N. als untere staatliche Verwaltungsbehorde fur die\nausgesprochene Weisung nach § 54 Abs. 2 BHKG, weil diese Weisung keine\nFestlegung von Notrufabfragestellen im Sinne von § 3 der Verordnung uber\nNotrufverbindungen (NotrufV) beinhalte. Die Weisung sei auch materiell\nrechtmaßig ergangen, denn ohne diese sei die gesetzmaßige Erfullung der der\nAntragstellerin nach dem BHKG obliegenden Aufgaben nicht gesichert, denn wenn\n- wie von der Antragstellerin im Ergebnis gewollt - kreisangehorige Stadte\nfrei entscheiden konnten, wo sie den Notruf 112 außerhalb ihres Stadtgebietes\neinrichten und abfragen lassen, gefahrde dies das Ziel einer\nschnellstmoglichen Notfallversorgung der Burgerinnen und Burger insgesamt; auf\ndiesem Wege konnten mehrere „Nebenleitstellen" gebildet werden, was im\nGesamtsystem zu Unsicherheiten, unklaren Zustandigkeiten und erheblichen\nZeitverzogerungen zwischen dem Eingang eines Hilfeersuchens und Ausrucken\neines Rettungsmittels fuhren wurde; die Wahrnehmung der Lenkungs- und\nLeitungsfunktion ware der Leitstelle nicht mehr moglich. Sein Ermessen habe er\n- der Antragsgegner - ordnungsgemaß ausgeubt. Gegenuber der ausgesprochenen\nWeisung mildere, aber in gleicher Weise geeignete Mittel seien nicht\nersichtlich. Übergangsfristen seien insoweit im BHKG nicht vorgesehen, weshalb\nsamtliche in diesem Zusammenhang zur Erfullung der mit der Weisung auferlegten\nVerpflichtung zu unternehmenden Schritte von der Antragstellerin vorzunehmen\nseien und auch bereits in der Vergangenheit hatten vorgenommen werden konnen.\nSchließlich sei auch die Vollziehungsanordnung rechtlich nicht zu beanstanden.\nSie sei ausreichend begrundet und auch materiell nicht fehlerhaft. Denn\nangesichts offensichtlicher Rechtmaßigkeit der Weisung uberwiege das\nVollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.\n\n39\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den\nInhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie der Gerichtsakten 26\nK 17964/17, 26 K 10549/18 und 26 AR 138/18 verwiesen, ferner auf den Inhalt\nder zu dem vorliegenden Verfahren und dem Verfahren 26 K 17964/17 beigezogenen\nVerwaltungsvorgange des Landrats des Kreises N. Bezug genommen.\n\n40\n\n**II.**\n\n41\n\nDer zulassige Antrag ist begrundet.\n\n42\n\nGemaß § 80 Abs. 5 S. 1 Fallvariante 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende\nWirkung einer Klage gegen einen Verwaltungsakt in den Fallen wiederherstellen,\nin denen - wie hier - die Behorde die sofortige Vollziehung des\nVerwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO angeordnet und damit den\neiner Klage gemaß § 80 Abs. 1 VwGO normalerweise zukommenden Suspensiveffekt\nbeseitigt hat. Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hangt von\neiner Abwagung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der\nangefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes\nandererseits ab. Bei der Abwagung sind die Erfolgsaussichten des eingelegten\nRechtsbehelfs zu berucksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen\nRechtsschutzes gebotene summarische Prufung der Sach- und Rechtslage, dass der\nmit sofortiger Vollziehungsanordnung versehene Verwaltungsakt offensichtlich\nrechtswidrig ist, uberwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers.\nDenn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein\noffentliches Interesse bestehen. Formale Voraussetzung fur die Rechtmaßigkeit\nder Vollziehungsanordnung ist gemaß § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO daruber hinaus, dass\nfur das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung eine schriftliche\nBegrundung gegeben ist.\n\n43\n\nGemessen hieran geht im vorliegenden Fall die vom Gericht vorzunehmende\nInteressenabwagung zu Gunsten der Antragstellerin aus, weil die\nstreitgegenstandliche aufsichtsbehordliche Weisung vom 20. Dezember 2018\noffensichtlich rechtswidrig ist.\n\n44\n\nRechtsgrundlage fur die ausgesprochen Weisung ist § 54 Abs. 2 BHKG. Hiernach\nkonnen die Aufsichtsbehorden Weisungen erteilen, um die gesetzmaßige Erfullung\nder den Gemeinden und Kreisen nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben zu\nsichern.\n\n45\n\nDer von der Weisung umfasste Regelungsbereich betrifft den\nÜberschneidungsbereich von im BHKG geregeltem Brandschutz- und\nHilfeleistungsrecht sowie im RettG geregeltem Rettungsrecht, denn sowohl die\nin Nr. 1.b) der Weisung gegenstandliche Aufschaltung des Notrufs 112 als auch\ndie in Nr. 1.a) der Weisung gegenstandliche (zeitlich an die Notrufannahme\nanschließende) Disponierung und Alarmierung von Einsatzkraften und -mitteln\nbetreffen beide Rechtsbereiche. Normativ geregelt ist jedenfalls die\nNotrufaufschaltung fur beide Rechtsbereiche einheitlich in § 28 Abs. 4 BHKG,\nworaus die Einschlagigkeit der im BHKG geregelten Weisungsvorschrift des § 54\nAbs. 2 insoweit folgt. Soweit das OVG NRW betreffend die nach Notrufannahme\nerfolgende Disponierung und Alarmierung der Einsatzkrafte und -mittel des\nRettungsdienstes, also die Ingangsetzung eines Rettungseinsatzes durch eine\nGemeinde, die Vorschrift des § 9 Abs. 1 RettG NRW, wonach die Rettungswachen\ndie nach dem Bedarfsplan notwendigen Rettungsmittel sowie das erforderliche\nPersonal bereithalten und die Einsatze durchfuhren, fur einschlagig halt,\n\n46\n\nvgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2011 - 13 A 1305/09 -, NWVBl. 2011, 352\nff. = juris, Rn. 116 f.,\n\n47\n\nhalt die Kammer dies fur fragwurdig, denn bei Gemeinden mit mehreren\nRettungswachen muss die Disponierung und Alarmierung nicht zwingend durch\ndiejenige Rettungswache erfolgen, die sodann den Einsatz durchfuhrt. Die\nKammer halt es fur naheliegender, sowohl fur den Brandschutz und die\nHilfeleistung als auch fur den Rettungsdienst Notrufannahme und anschließende\nDisponierung und Alarmierung als funktionelle Einheit anzusehen, was auch\nnormativ in der zusammenfassenden Regelung des § 28 Abs. 4 S. 1 BHKG zum\nAusdruck kommt, wonach die Gemeinden die Einrichtung des Notrufs 112\nveranlassen und die Alarmierung der Einsatzkrafte gewahrleisten. Danach sieht\ndie Kammer hinsichtlich der Disponierung und Alarmierung auch fur den\nRegelungsbereich des Rettungsrechts - fur den Regelungsbereich des\nBrandschutz- und Hilfeleistungsrechts ohnehin - primar das BHKG und damit auch\ndie Weisungsvorschrift des 54 Abs. 2 BHKG als einschlagig an.\n\n48\n\nUngeachtet der Frage, ob der streitgegenstandliche Bescheid bereits an\nformellen Rechtsmangeln leidet (dazu spater 2.) und ob - was im Ergebnis\ndahinstehen kann - die gemaß § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO erforderliche schriftliche\nBegrundung der Vollziehungsanordnung ordnungsgemaß erfolgt ist, ist der\nBescheid jedenfalls materiell rechtswidrig (dazu nunmehr 1.).\n\n49\n\n1\\. Der streitgegenstandliche Bescheid ist materiell rechtswidrig, weil der\nLandrat des Kreises N. als untere staatliche Verwaltungsbehorde - nach § 114\nS. 1 VwGO entscheidungserheblich - von dem ihm im Rahmen seiner\nWeisungsbefugnis zukommenden Ermessen in einer dem Zweck der Ermachtigung\nnicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, indem er im Rahmen seiner\nWeisung mit der Folge unzureichender Ermessenserwagungen tragend von der im\nErgebnis unzutreffenden rechtlichen Pramisse ausgegangen ist, die\nAufgabenwahrnehmung nach § 28 Abs. 4 S. 3 BHKG, wonach die Aufschaltung des\nNotrufs 112 auf standig besetzte Feuerwachen von Mittleren kreisangehorigen\nStadten und Großen kreisangehorigen Stadten zulassig ist, wenn diese die\nAufgaben einer Rettungswache wahrnehmen, im Wege kommunaler\nGemeinschaftsarbeit sei gesetzlich generell ausgeschlossen.\n\n50\n\nDiese vom Landrat des Kreises N. seiner Weisung zugrunde gelegte rechtliche\nPramisse ist unzutreffend, weil gerade keine generelle rechtliche Sperre fur\neine Aufgabenwahrnehmung nach § 28 Abs. 4 S. 3 BHKG im Wege kommunaler\nGemeinschaftsarbeit besteht, sondern - im Gegenteil - die Aufgabenwahrnehmung\nder Notrufaufschaltung bzw. Notrufabfrage einer kreisangehorigen Stadt fur\neine benachbarte kreisangehorige Stadt auf der Grundlage einer offentlich-\nrechtlichen Vereinbarung bei Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen\nausdrucklich zulassig ist.\n\n51\n\nRechtsgrundlage fur eine derartige kommunale Gemeinschaftsarbeit ist\nbetreffend Pflichtaufgaben zur Erfullung nach Weisung von Gemeinden - um die\nes hier geht, denn um Pflichtaufgaben zur Erfullung nach Weisung handelt es\nsich sowohl gemaß § 2 Abs. 2 BHKG bei den Aufgaben nach dem BHKG als auch\ngemaß § 6 Abs. 3 RettG NRW bei den Aufgaben nach dem RettG - § 3 Abs. 2 S. 2\nGemeindeordnung fur das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW), wonach fur die\ngemeinsame Wahrnehmung von Pflichtaufgaben zur Erfullung nach Weisung der\nAnwendungsbereich des Gesetzes uber kommunale Gemeinschaftsarbeit nur nach\nMaßgabe der Absatze 5 und 6 des § 3 sowie des § 4 Abs. 8 GO NRW - letztere\nVorschrift betrifft ausschließlich kreisangehorigen Stadten zusatzlich zu den\nAufgaben nach §§ 2 und 3 GO NRW durch Gesetz oder Rechtsverordnung ubertragene\nAufgaben, um die es hier nicht geht - eroffnet ist.\n\n52\n\nGemaß § 3 Abs. 5 GO NRW kann zur Effizienzsteigerung eine Gemeinde mit einer\nbenachbarten Gemeinde gemaß §§ 23 ff. GkG NRW vereinbaren, dass ihr gemaß § 3\nAbs. 2 ubertragene Aufgaben von der benachbarten Gemeinde ubernommen oder fur\nsie durchgefuhrt werden. Diese Vorschrift eroffnet damit die Moglichkeit einer\nkommunalen Gemeinschaftsarbeit betreffend Pflichtaufgaben zur Erfullung nach\nWeisung zwischen benachbarten Gemeinden auf der Grundlage einer offentlich-\nrechtlichen Vereinbarung, um die es im Falle der Nachbarstadte N1. und M. hier\ngeht.\n\n53\n\nGemaß § 3 Abs. 6 GO NRW gilt Abs. 5 nur, soweit\n\n54\n\n Bundesrecht oder Recht der Europaischen Gemeinschaften nicht entgegensteht,\noder\n\n55\n\n der Abschluss einer offentlich-rechtlichen Vereinbarung nicht durch Gesetz\noder Rechtsverordnung ausdrucklich eingeschrankt oder ausgeschlossen ist, oder\n\n56\n\n durch die beabsichtigte Aufgabenverlagerung schutzwurdige Belange Dritter\nnicht unangemessen beeintrachtigt werden oder Grunde des offentlichen Wohls\nnicht entgegenstehen.\n\n57\n\nDass Bundesrecht oder Recht der Europaischen Gemeinschaften - bzw. nunmehr der\nEuropaischen Union - der Aufgabenwahrnehmung der Notrufaufschaltung bzw.\nNotrufabfrage einer kreisangehorigen Stadt fur eine benachbarte\nkreisangehorige Stadt auf der Grundlage einer offentlich-rechtlichen\nVereinbarung entgegenstehen wurde, ist nicht ersichtlich.\n\n58\n\nAuch ist betreffend eine derartige Aufgabenwahrnehmung der Abschluss einer\noffentlich-rechtlichen Vereinbarung nicht durch Gesetz oder Rechtsverordnung\nausdrucklich eingeschrankt oder ausgeschlossen. Zwar existiert in Form von § 2\nAbs. 3 BHKG eine fur den Regelungsbereich des BHKG relevante\nspezialgesetzliche Vorschrift. Hiernach konnen Gemeinden und Kreise zur\nWahrnehmung einzelner Aufgaben nach dem BHKG offentlich-rechtliche\nVereinbarungen gemaß den Regelungen des GkG NRW abschließen (Satz 1); dabei\nsind die Belange der ehrenamtlichen Feuerwehrangehorigen besonders zu\nberucksichtigen (Satz 2). § 2 Abs. 3 BHKG enthalt damit eine ausdruckliche\nEinschrankung im Sinne von § 2 Abs. 6 mittlerer Spiegelstrich GO NRW\ndahingehend, dass nur „einzelne" Aufgaben nach dem BHKG delegationsfahig sind.\nEntscheidend ist nach dieser Vorschrift, dass - anders als insbesondere nach §\n6 Abs. 4 S. 1 RettG im Anwendungsbereich des RettG, wovon im Kreis N. die\nStadte S. und I1. Gebrauch gemacht haben - nicht die gesamten nach dem BHKG\nden Gemeinden obliegenden Aufgaben, sondern nur einzelne Aufgaben\ndelegationsfahig gemaß den Regelungen des GkG NRW sind. Dies steht dem\nAbschluss einer offentlich-rechtlichen Vereinbarung betreffend\nNotrufaufschaltung bzw. Notrufabfrage einschließlich anschließender\nDisponierung und Alarmierung aber gerade nicht entgegen, weil es sich hierbei\num eine „einzelne" Aufgabenwahrnehmung in diesem Sinne handelt, denn die\nWahrnehmung der Aufgaben des Brandschutzes, der Hilfeleistung und ggf. auch\ndes Rettungsdienstes als Gesamtaufgabe durch die jeweilige originar zustandige\nGemeinde bleibt unberuhrt, wahrend mit der Notrufannahme und ggf.\nanschließenden Disposition und Alarmierung nur ein zwar bedeutsamer, aber\ngemessen an der Gesamtaufgabe kleiner Teilbereich durch eine andere Gemeinde\nwahrgenommen wird. Insbesondere beruhrt - der Intention des Satzes 2 des § 2\nAbs. 3 BHKG entsprechend - eine derartige Aufgabenubertragung nicht die\nBelange der ehrenamtlichen Feuerwehrangehorigen, weil die eigentliche\nFeuerwehr-Einsatztatigkeit bei der originar zustandigen Gemeinde verbleibt,\ndamit vor allem der ortliche Bezug der diesbezuglichen Aufgabenwahrnehmung\nbestehen bleibt. Betreffend die Notrufannahme wiederum erfolgt im Übrigen\nselbst im Falle der regelhaften Notrufaufschaltung auf die einheitliche\nLeitstelle nach § 28 Abs. 4 S. 2 BHKG keine Aufgabenwahrnehmung durch die\noriginar zustandige Gemeinde selbst.\n\n59\n\nDaruber hinaus gehende ausdruckliche Einschrankungen oder Ausschlusse\nkommunaler Gemeinschaftsarbeit im Anwendungsbereich des BHKG oder des RettG\nNRW finden sich weder im BHKG noch im RettG NRW noch in einem sonstigen Gesetz\noder einer Verordnung betreffend diese speziellen Aufgabenbereiche. Durch die\nForderung nach einer ausdrucklichen Einschrankung oder einem ausdrucklichen\nAusschluss in § 2 Abs. 6 GO NRW wird zugleich deutlich, dass die Argumentation\ndes Antragsgegners, dem § 28 BHKG, insbesondere dessen Absatzen 1 und 4, durch\neine Auslegung nach Systematik, Sinn und Zweck sowie Regelungsintention einen\nAusschluss kommunaler Gemeinschaftsarbeit betreffend die Notrufaufschaltung\nund -annahme entnehmen zu wollen, vom Ansatz her verfehlt ist, denn § 28 BHKG\nenthalt gerade keine von § 2 Abs. 6 GO NRW geforderte ausdruckliche\nEinschrankung einer derartigen kommunalen Gemeinschaftsarbeit. Insbesondere\nergibt sich aus § 28 Abs. 4 S. 3 BHKG nicht ausdrucklich, dass diejenige\nstandig besetzte Feuerwache, auf die der Notruf 112 aufgeschaltet werden soll,\nspezifisch eine eigene der dieses Recht wahrnehmenden Stadt sein muss und\nkeine solche einer Nachbarstadt im Wege einer Aufgabenubertragung nach dem GkG\nNRW sein darf. Zwar hatte das OVG NRW in dem von ihm entschiedenen Fall davon\ngesprochen, dass wegen der nur moglichen Aufschaltung des Notrufs 112 aus dem\nGemeindegebiet eine daruber hinausgehende geografische Abdeckung nicht moglich\nsei,\n\n60\n\nvgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2011 - 13 A 1305/09 -, a.a.O., Rn. 118,\n\n61\n\nbzw. das gemeindliche Wahlrecht betreffend die Aufschaltung des Notrufs 112\nsich allein auf eine in der eigenen Tragerschaft einer Gemeinde befindliche\nRettungswache beziehe,\n\n62\n\nvgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2011 - 13 A 1305/09 -, a.a.O., Rn. 71\na.E.\n\n63\n\nDiese Aussagen des OVG NRW betreffen jedoch speziell den vom OVG NRW\nentschiedenen Fall der Aufgabenwahrnehmung einer Stadt nach § 28 Abs. 4 S. 3\nBHKG (bzw. damals nach der - inhaltsgleichen - Vorgangervorschrift des § 21\nAbs. 2 S. 3 Gesetz uber den Feuerschutz und die Hilfeleistung - FSHG -)\noriginar fur das eigene Stadtgebiet, so dass diese Aussage keinen Ruckschluss\nfur die - vom OVG NRW im Rahmen seiner Entscheidung ersichtlich nicht in den\nBlick genommene - Frage einer diesbezuglichen Aufgabenwahrnehmung im Wege\nkommunaler Gemeinschaftsarbeit zulasst. Auch bei letzterer folgt aus der durch\n§ 3 Abs. 5 GO NRW vorgegebenen Beschrankung der Moglichkeit der\nAufgabenubertragung auf eine benachbarte Stadt im Übrigen eine ortliche\nBegrenzung zumindest auf benachbarte Stadtgebiete.\n\n64\n\nSchließlich werden im Sinne von § 2 Abs. 6 letzter Spiegelstrich GO NRW durch\ndie Verlagerung der Aufgaben der Notrufaufschaltung und -annahme von einer\nStadt auf eine Nachbarstadt in einem allgemeinen, grundsatzlichen Sinne -\nungeachtet der weiteren Frage, ob dies im Einzelfall der von der\nAntragstellerin und der Stadt M. angestrebten kommunalen Gemeinschaftsarbeit\nder Fall sein mag, um die es an dieser Stelle, an der die Frage zu beantworten\nist, ob die rechtliche Pramisse des Antragsgegners zutrifft, die\nAufgabenwahrnehmung nach § 28 Abs. 4 S. 3 BHKG im Wege kommunaler\nGemeinschaftsarbeit sei gesetzlich generell ausgeschlossen, nicht geht -\nschutzwurdige Belange Dritter nicht unangemessen beeintrachtigt und stehen\nGrunde des offentlichen Wohls einem solchen Vorgehen auch nicht grundsatzlich\nentgegen. Zwar ist diese Vorschrift das normative „Einfallstor" fur die vom\nAntragsgegner gegen die grundsatzliche Zulassigkeit kommunaler\nGemeinschaftsarbeit im Bereich der Notrufaufschaltung und -annahme\nvorgebrachten Argumente - welches die Vorschrift des § 28 Abs. 4 BHKG, wie\ndargelegt, aber gerade nicht bietet. Jedoch fuhren diese Argumente im Ergebnis\nnicht zur Annahme einer grundsatzlichen Unzulassigkeit einer derartigen\nkommunalen Gemeinschaftsarbeit.\n\n65\n\nBei der Beantwortung der Frage, ob im Sinne von § 2 Abs. 6 letzter\nSpiegelstrich GO NRW in einem grundsatzlichen Sinne - ungeachtet der\nBetrachtung des Einzelfalles - im Falle der Verlagerung der Aufgaben der\nNotrufaufschaltung und -annahme von einer Stadt auf eine Nachbarstadt im Wege\nkommunaler Gemeinschaftsarbeit schutzwurdige Belange Dritter unangemessen\nbeeintrachtigt werden oder einer solchen Verlagerung Grunde des offentlichen\nWohls entgegen stehen, ist die gesetzgeberische Entscheidung, wonach gemaß §\n28 Abs. 4 S. 3 BHKG NRW kreisangehorige Stadte im Rahmen eines in der Sache\nbestehenden Wahlrechts\n\n66\n\n\\- vgl. zu diesem OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2011 - 13 A 1305/09 -,\na.a.O., Rn. 71 -\n\n67\n\nbefugt sind, entgegen dem Regelfall des § 28 Abs. 4 S. 2 BHKG NRW, wonach der\nNotruf 112 auf die einheitliche Leitstelle aufzuschalten ist, den Notruf 112\nauf eine standig besetzte Feuerwache aufzuschalten, zugrunde zu legen und zu\nrespektieren. Dass der Antragsgegner die gesetzliche Ausnahmeregelung des § 28\nAbs. 4 S. 3 BHKG fur verfehlt halt, indem er diese - wie vom Landrat des\nKreises N. als untere staatliche Verwaltungsbehorde im streitgegenstandlichen\nBescheid ausdrucklich betont - fur fachlich nicht begrundet halt, steht\ndeshalb nicht zur Debatte und ist insbesondere auch fur das im Rahmen von § 54\nAbs. 2 BHKG auszuubende Ermessen fehl am Platz.\n\n68\n\nAuch trifft der Ansatz des Antragsgegners, die Moglichkeiten der\ninterkommunalen Zusammenarbeit im Bereich des BHKG sollten aus Sicht des\nGesetzgebers restriktiv gehandhabt werden, nicht zu, denn Ziel der Einfuhrung\ndes damaligen Abs. 7 zu § 1 FSHG - welcher inhaltsgleich mit dem heutigen Abs.\n3 des § 2 FSHG ist - durch Art. IV des Gesetzes zur Starkung der regionalen\nund interkommunalen Zusammenarbeit der Stadte, Gemeinden und Kreise in\nNordrhein-Westfalen vom 3. Februar 2004 (GVBl. NRW, S. 96) war es gemaß der\nGesetzesbegrundung ausdrucklich, der vom Land bereits seit Jahren verfolgten\nStrategie, die Gemeinden anzuhalten, alle schon damals nach dem FSHG\nzulassigen Moglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit auszuschopfen,\nRechnung zu tragen,\n\n69\n\nvgl. LT-Drucks. 13/3558, S. 2.\n\n70\n\nDaruber hinaus vermogen Nachteile im Rahmen der Aufgabenerfullung nach dem\nBHKG und nach dem RettG NRW, die aus der legitimen Entscheidung einer\nkreisangehorigen Stadt fur eine Notrufaufschaltung auf eine standig besetzte\nFeuerwache als solche - unabhangig davon, ob dies im Wege der eigenen\nAufgabenerfullung oder im Wege der Aufgabenverlagerung auf eine Nachbarstadt\nmittels einer offentlich-rechtlichen Vereinbarung geschieht - gegenuber einer\nNotrufaufschaltung auf die einheitliche Leitstelle folgen, keine\nschutzwurdigen Belange Dritter unangemessen zu beeintrachtigen und stehen\nsolchen Nachteilen Grunde des offentlichen Wohls nicht entgegen, denn solche\nNachteile sind von Gesetzes wegen hinzunehmen, wie bereits das OVG NRW betont\nhat. Dies betrifft namentlich den Nachteil, dass die Ausubung der\nLenkungsfunktion der Leitstelle nach § 8 RettG bei einer Notrufannahme durch\neine standig besetzte Feuerwache nicht in einem solchen Umfang moglich ist wie\nbei der Entgegennahme der Nothilfeersuchen durch die Leitstelle selbst, mithin\nin gewisser Weise eingeschrankt ist, ferner etwa die weiteren Nachteile, dass\ndie Rettungswachen nicht wie die Leitstellen einen zentralen\nKrankenbettennachweis fuhren, von Gesetzes wegen nicht mit Personen besetzt\nsein mussen, die die Qualifikation als Rettungsassistent oder\nRettungsassistentin haben (§ 8 Abs. 1 Satz 4, Abs. 3 RettG NRW) und auch die\nPlanung eines Notarzteinsatzes regelmaßig wohl nur durch die Leitstelle\nerfolgen kann.\n\n71\n\nVgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2011 - 13 A 1305/09 -, a.a.O., Rn. 119\nf.,\n\n72\n\nVielmehr ist im Rahmen des § 2 Abs. 6 letzter Spiegelstrich GO NRW zu fragen,\nob gemessen am Gesetzeszweck sowohl des BHKG als auch des RettG NRW, moglichst\nschnell und effektiv in zumeist akuten Notlagen Hilfeleistung zu gewahren,\n\n73\n\nvgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2011 - 13 A 1305/09 -, a.a.O., Rn. 114,\n\n74\n\nschutzwurdige Belange Dritter unangemessen beeintrachtigt werden oder Grunde\ndes offentlichen Wohls spezifisch dadurch entgegenstehen, dass eine\nkreisangehorige Stadt auf der Grundlage der gedanklich in einem ersten Schritt\ngetroffenen Entscheidung, nach § 28 Abs. 4 S. 3 BHKG den Notruf 112 auf eine\nstandig besetzte Feuerwache aufzuschalten, in einem gedanklich zweiten Schritt\nzusatzlich entscheidet, die daraus folgende Aufgabenwahrnehmung nicht selbst\nvorzunehmen, sondern auf der Grundlage einer offentlich-rechtlichen\nVereinbarung durch eine benachbarte kreisangehorige Stadt vornehmen zu lassen.\nDiese Frage ist jedoch in dem an dieser Stelle in Rede stehenden\neinzelfallunabhangigen allgemeinen, grundsatzlichen Sinne im Ergebnis zu\nverneinen, woran insbesondere auch die vom Antragsgegner vorgebrachten\nArgumente nichts andern.\n\n75\n\nSoweit der Antragsgegner argumentiert, die Aufgabenwahrnehmung einer standig\nbesetzten Feuerwache auch fur eine andere Gemeinde begrunde eine Lenkung und\nKoordinierung der Rettungsmittel uber den originaren Zustandigkeitsbereich\nhinaus und schmalere diesbezugliche Dispositionsmoglichkeiten der\nKreisleitstelle zum Nachteil der Kreisgemeinschaft, ubersieht er, dass es sich\nbei dem von ihm benannten Nachteil um einen solchen handelt, der gerade nicht\nspezifisch aufgrund der Wahrnehmung der Aufgabe der Notrufabfrage von einer\nStadt fur eine benachbarte Stadt auftreten kann, sondern bereits dann, wenn\neine Stadt originar fur ihr eigenes Stadtgebiet die Notrufabfrage vornimmt,\nund dass es sich hierbei vor allem um einen Nachteil handelt, den das OVG NRW\nals nach der gesetzlichen Konzeption des heutigen § 28 Abs. 4 S. 3 BHKG\n(damals inhaltsgleich § 21 Abs. 2 S. 3 FSHG) hinzunehmenden Nachteil\nbezeichnet hat, indem es ausgefuhrt hat, es werde nicht verkannt, dass die\nAusubung der Lenkungsfunktion der Leitstelle nach § 8 RettG bei einer\nNotrufannahme durch eine standig besetzte Feuerwache nicht in einem solchen\nUmfang moglich ist wie bei der Entgegennahme der Nothilfeersuchen durch die\nLeitstelle selbst,\n\n76\n\nvgl. nochmals OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2011 - 13 A 1305/09 -, a.a.O.,\nRn. 120.\n\n77\n\nDies betrifft gerade auch den vom Antragsgegner konkret benannten Fall, dass\ndie Leitstelle, sofern ein Notruf dort auflauft, Rettungsmittel fur das\nStadtgebiet einer Stadt disponiert, die nach § 28 Abs. 4 S. 3 BHKG eine\nNotrufaufschaltung auf eine Feuerwache vorgenommen hat, und diese Feuerwache\naufgrund eines dort gleichzeitig eingehenden Notrufs das Gleiche vollzieht,\nalso ein gleichzeitiger Zugriff auf die nur einmalig vorhandenen Ressourcen\nerfolgt: Dieses Problem kann vollig unabhangig davon auftreten, ob eine\nFeuerwache im Rahmen originarer Zustandigkeit fur die eigene Stadt oder auf\nder Grundlage einer offentlich-rechtlichen Vereinbarung fur eine Nachbarstadt\nhandelt. Gleiches gilt fur den vom Antragsgegner ebenfalls benannten Fall,\ndass, wenn sich alle Rettungsmittel von zwei Stadten, die sich zur gemeinsamen\nAufgabenwahrnehmung nach § 28 Abs. 4 S. 3 BHKG zusammengeschlossen haben, im\nEinsatz befinden, es zu Verzogerungen komme(n konne), weil uber die\nKreisleitstelle weitere Einsatzmittel angefordert werden mussten: Auch dies\nist ein Problem, welches sich aus einer Notrufaufschaltung auf eine stadtische\nFeuerwache nach § 28 Abs. 4 S. 3 BHKG generell ergibt, nicht hingegen ein\nProblem, welches sich aus einer gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung durch Stadte\nspeziell ergibt. Im Gegenteil erhohen „Verbunde" von Stadten im Rahmen von §\n28 Abs. 4 S. 3 BHKG nicht den im Falle von außerhalb der Leitstelle\nbestehenden Notrufannahmestellen - gerade in einem Fall wie dem vorstehenden -\nohnehin entstehenden (zusatzlichen) Koordinierungsaufwand im Verhaltnis zur\nKreisleitstelle, sondern senken diesen gegenuber einem Zustand, in dem die\nbetreffenden Stadte die Aufgabe der Notrufannahme jeweils eigenstandig\nwahrnehmen. Denn in letzterem Fall besteht eine großere Zahl von\nnotrufannehmenden Stellen als bei einem „Notrufannahmeverbund" mehrerer\nStadte, mit denen die Kreisleitstelle kommunizieren muss. Gemessen am\nGesetzeszweck des BHKG und des RettG NRW, moglichst schnell und effektiv in\nzumeist akuten Notlagen Hilfeleistung zu gewahren, erscheint eine gemeinsame\nAufgabenwahrnehmung durch benachbarte Stadte, wenn sich diese erlaubtermaßen\njeweils fur die Moglichkeit des § 28 Abs. 4 S. 3 BHKG entscheiden, gegenuber\neiner jeweils einzelnen Aufgabenwahrnehmung damit sogar als grundsatzlich\nvorzugswurdig.\n\n78\n\nDem Ziel, die nach der gesetzlichen Konzeption hinzunehmenden Einschrankungen\nder Wahrnehmung der Lenkungsfunktion der Leitstelle im Falle der Notrufannahme\nnicht durch diese selbst, sondern durch eine standig besetzte stadtische\nFeuer- und Rettungswache auf ein geringstmogliches Maß zu beschranken, dient\ndabei erkennbar gerade die mit Inkrafttreten des BHKG zum 1. Januar 2016\ngegenuber der fruheren Rechtslage nach dem FSHG neu eingefugte Regelung des §\n28 Abs. 4 S. 4 BHKG, wonach in diesem Fall durch Koppelung der standig\nbesetzten Feuerwache an das jeweilige System der Leitstelle die zeitgleiche\nKenntnis der Leitstelle uber die eingehenden Notrufe, deren Abfrage und die\nortliche wie qualitative Verfugbarkeit der Einsatzmittel und des\nEinsatzpersonals gewahrleistet sein muss. Auch fur den vom Antragsgegner\nkonkret benannten „Kollisionsfall" des Zugriffs auf ein Rettungsmittel folgt\naus der Vorgabe des § 28 Abs. 4 S. 4 BHKG, dass die Moglichkeit fur dessen\nEintritt auf ein zeitlich minimal(st)es Maß beschrankt wird, und auch mehrere\nvom Antragsgegner im gerichtlichen Verfahren benannte Einzelfalle von\npraktischen Komplikationen betreffend Lenkung, Abstimmung und Kommunikation\nzwischen Kreisleitstelle N. und Einsatzzentrale M. durften nicht unmaßgeblich\ndarauf zuruckzufuhren sein, dass zwischen beiden eine Koppelung nach den\nVorgaben des § 28 Abs. 4 S. 4 BHKG gerade noch nicht besteht.\n\n79\n\nInfolge dessen trifft auch der Einwand des Antragsgegners nicht zu, die\nNotrufaufschaltung einer oder gar mehrerer Stadte auf die Feuer- und\nRettungswache einer benachbarten Stadt im Kreisgebiet wurde zur Entstehung\neiner faktischen Nebenleitstelle fuhren, mehrere derartige Kooperationen von\nStadten wurden sogar zur Entstehung mehrerer faktischer Nebenleitstellen\nfuhren. Denn bei derartigen „Verbunden" wurde es sich in rechtlicher Hinsicht\nlediglich um solche handeln, die jeweils eine Notrufannahmebefugnis gemaß § 28\nAbs. 4 S. 3 BHKG in Verbindung mit der daraus folgenden Befugnis hatten, die\neingehenden Notrufe selbst zu bearbeiten, wenn und solange im\nAnwendungsbereich des RettG NRW die ubergeordnete Lenkungsfunkton der\nLeitstelle gewahrleistet ist,\n\n80\n\nvgl. zu Letzterem OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2011 - 13 A 1305/09 -,\na.a.O., Rn. 116.\n\n81\n\nDeshalb ware mit derartigen „Verbunden" gerade keine „Nebenleitstelle" im\nSinne einer Einrichtung, die uber die ihr von Rechts wegen zustehenden\nKompetenzen hinaus der eigentlichen Leitstelle Kompetenzen entzieht oder\nstreitig macht, verbunden, denn die der Leitstelle nach § 8 Abs. 1 RettG NRW\nfur Einsatze des Rettungsdienstes zukommende Lenkungsbefugnis verbleibt gerade\nbei dieser.\n\n82\n\nZwar ergibt sich aus dem Vorbringen der Beteiligten, dass sich die Feuerwache\nM. im Rahmen der Notrufannahme fur das eigene Stadtgebiet und fur das\nStadtgebiet der Antragstellerin in der Vergangenheit in Einzelfallen faktisch\n- sei dies auch im Sinne schneller Hilfeleistung gut gemeint gewesen sein -\nihr selbst nicht zustehende, sondern allein der Kreisleitstelle zustehende\nrettungsdienstliche Lenkungsbefugnisse angemaßt hat. Plastisch wird dies etwa\nan dem von den Beteiligten zwar im Detail streitigen, aber im Kern\nunstreitigen Beispiel vom 24. Januar 2019, bei dem, nachdem durch die\nFeuerwache M. auf einen Notruf aus N1. hin aufgrund der Nichtverfugbarkeit des\nM2. Notarzteinsatzfahrzeuges wegen eines Einsatzes im benachbarten M1. bei der\nKreisleitstelle ein anderes Notarzteinsatzfahrzeug angefordert worden war und\ndie Kreisleitstelle daraufhin das nachstverfugbare freie\nNotarzteinsatzfahrzeug aus I2. nach N1. auf den Weg gebracht hatte, die\nFeuerwache M. aufgrund eigener mobiltelefonischer Rucksprache mit dem eigenen\nnoch in M1. befindlichen Notarzteinsatzfahrzeug in Erfahrung brachte, dass\nsich dieses nach Einsatzbeendigung auf dem Ruckweg nach M. befand, woraufhin\nsie, anstatt eine mogliche Umdisponierung der hierfur gemaß § 8 Abs. 1 RettG\nzustandigen Kreisleitstelle zu uberlassen, eigenmachtig ohne entsprechende\nKompetenz eine (zusatzliche) Disponierung des freigewordenen\nNotarzteinsatzfahrzeugs fur den Einsatz in N1. vornahm. Dies ist jedoch fur\ndie im hiesigen Zusammenhang allein relevante allgemeine rechtliche\nBetrachtung unerheblich, denn faktische Kompetenzuberschreitungen lassen das\nrechtliche Kompetenzgefuge als solches unberuhrt und konnen damit fur die\nAuslegung einer gesetzlichen Vorschrift nicht fruchtbar gemacht werden; sie\nvermogen allenfalls einzelfallbezogene aufsichtsbehordliche Maßnahmen mit dem\nZiel, diese Kompetenzuberschreitungen zu unterbinden, zu rechtfertigen - wofur\nim genannten Beispielsfall in erster Linie aufsichtsbehordliche Maßnahmen\nunmittelbar gegenuber der Stadt M. in Betracht kommen durften.\n\n83\n\nDass der Landrat des Kreises N. als untere staatliche Verwaltungsbehorde im\nRahmen seines Bescheides vom 20. Dezember 2018 von der im Ergebnis\nunzutreffenden rechtlichen Pramisse ausgegangen ist, die Aufgabenwahrnehmung\nnach § 28 Abs. 4 S. 3 BHKG im Wege kommunaler Gemeinschaftsarbeit sei\ngesetzlich generell ausgeschlossen, und der Antragstellerin ausdrucklich\nunterstellt hat, sie nehme gegen den Willen des Gesetzgebers eine Schwachung\nder Kreisleitstelle in Kauf, wovon angesichts der grundsatzlichen rechtlichen\nZulassigkeit der zwischen der Antragstellerin und der Stadt M. angestrebten\nkommunalen Zusammenarbeit gerade keine Rede sein kann, fuhrt im Ergebnis zu\neiner ermessensfehlerhaften Entscheidung, weil der Landrat durch diese\nrechtliche Fehleinschatzung mogliche Handlungsalternativen gegenuber den\nausgesprochenen beiden Weisungen von vornherein nicht in Betracht gezogen hat,\ndie er bei Zugrundelegung der zutreffenden Rechtslage aber hatte in Betracht\nziehen mussen. Dies betrifft sowohl die Weisung zu 1.a) - Verbot gegenuber der\nAntragstellerin, aus deren Stadtgebiet eingehende Notrufe bei der Feuerwehr M.\nals notrufannehmender Stelle direkt disponieren und alarmieren zu lassen -\n(dazu spater b.) als auch die Weisung zu 1.b) - Verpflichtung der\nAntragstellerin, den Notruf 112 auf die einheitliche Leitstelle des Kreises N.\noder auf die eigene standig besetzte FuRW aufzuschalten - (dazu nunmehr a.).\n\n84\n\na. Bezogen auf die Weisung zu 1.b) hatte der Landrat des Kreises N. als untere\nstaatliche Verwaltungsbehorde zusatzlich zu der ausgesprochenen Verpflichtung\nder Antragstellerin, den Notruf 112 alternativ auf die einheitliche Leitstelle\ndes Kreises N. oder auf die eigene FuRW aufzuschalten, im Rahmen des\nausgeubten Ermessens als weitere jedenfalls rechtlich nicht von vornherein\nauszuschließende Alternative die mogliche Verpflichtung der Antragstellerin,\nim Zusammenwirken mit der Stadt M. die gesetzlichen Voraussetzungen fur eine\nvollstandige Genehmigungsfahigkeit der offentlich-rechtlichen Vereinbarung vom\n27./28. September 2017 herzustellen, in den Blick nehmen mussen. Die\nUnterlassung einer derartigen Inblicknahme dieser weiteren jedenfalls\nmoglicherweise in Betracht kommenden Handlungsalternative zur Herstellung\neiner betreffend die Notrufaufschaltung der Antragstellerin mit § 28 Abs. 4\nBHKG konformen Rechtslage fuhrt dazu, dass die ausgesprochene Weisung zu 1.b)\nan einem Ermessensdefizit leidet, weil nicht auszuschließen ist, dass die\nWeisung ohne diese Unterlassung in ihrer konkreten Form gar nicht oder mit\nanderem Inhalt ergangen ware.\n\n85\n\nDass die Pramisse des Antragsgegners, die Aufgabenwahrnehmung nach § 28 Abs. 4\nS. 3 BHKG im Wege kommunaler Gemeinschaftsarbeit sei gesetzlich generell\nausgeschlossen im Ergebnis unzutreffend ist, fuhrt zugleich dazu, dass auch\ndie Genehmigung der offentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen der\nAntragstellerin und der Stadt M. vom 27./28. September 2017 nicht mit dieser\nBegrundung hatte versagt werden durfen.\n\n86\n\nAuf der anderen Seite ist diese offentlich-rechtliche Vereinbarung zwar\njedenfalls aktuell nicht (uneingeschrankt) genehmigungsfahig, weil die Feuer-\nund Rettungswache der Stadt M. derzeit offensichtlich nicht die Voraussetzung\ndes § 28 Abs. 4 S. 4 BHKG erfullt, wonach durch Koppelung der standig\nbesetzten Feuerwache an das jeweilige System der Leitstelle die zeitgleiche\nKenntnis der Leitstelle uber die eingehenden Notrufe, deren Abfrage und die\nortliche wie qualitative Verfugbarkeit der Einsatzmittel und des\nEinsatzpersonals gewahrleistet sein muss. Eine Koppelung des\nEinsatzleitsystems der Einsatzzentrale M. an das Einsatzleitsystem der\nKreisleitstelle N. besteht nach ubereinstimmenden Angaben der Beteiligten\nderzeit uberhaupt nicht, sondern es ist bzw. war lediglich geplant, eine\nKoppelung der derzeit unterschiedlichen Einsatzleitsysteme beider Stellen uber\neine sog. XML-Schnittstelle herzustellen, wofur die Stadt M. nach Angaben der\nAntragstellerin bereits alles von ihrer Seite Erforderliche veranlasst haben\nsoll. Es stellt sich allerdings die Frage, ob durch die noch vor Inkrafttreten\ndes BHKG zum 1. Januar 2016 und damit vor Einfuhrung des Erfordernisses der\nmit der Moglichkeit einer zeitgleichen Kenntnis der Leitstelle verbundenen\nSystemkoppelung im Falle einer Notrufaufschaltung auf eine stadtische\nFeuerwache gemaß § 28 Abs. 4 S. 4 BHKG - welches im vorherigen FSHG keine\nEntsprechung hatte - zwischen der Stadt M. und dem Kreis N. geplante\nSystemkoppelung der beiden unterschiedlichen Einsatzleitsysteme uber eine sog.\nXML-Schnittstelle das gesetzliche Erfordernis der Gleichzeitigkeit der\nKenntnisnahme uberhaupt erreicht werden kann, oder ob dies technisch bedingt\nnicht der Fall ist. Der Antragsgegner jedenfalls geht - von der\nAntragstellerin bislang nicht substantiiert bestritten - davon aus, dass ein\nDatenaustausch zwischen den unterschiedlichen Einsatzleitsystemen der\nKreisleitstelle und der Feuerwehreinsatzzentrale M. uber eine XML-\nSchnittstelle mit einem Zeitverzug von zumindest einigen Sekunden einhergeht,\nwelcher zu vermeiden ware, wenn die Stadt M. das gleiche Einsatzleitsystem wie\ndie Kreisleitstelle N. verwenden wurde und sodann diese gleichen\nEinsatzleitsysteme gekoppelt wurden. Von der Beantwortung dieser technischen\nFrage hangt ab, welcher weitere technische und damit verbunden auch\nfinanzielle und zeitliche Aufwand zur Herbeifuhrung einer Systemkoppelung nach\n§ 28 Abs. 4 S. 4 BHKG erforderlich ist, ob namlich - wie der Antragsgegner\nmeint - die Stadt M. zunachst von ihrem bisherigen auf ein neues\nEinsatzleitsystem in der Form desjenigen des Kreises N. umrusten muss und\nsodann nach dieser erfolgten Umrustung eine Koppelung mit der Kreisleitstelle\nerfolgen kann, oder ob - wie offenbar die Antragstellerin meint - eine\nSystemkoppelung auf der Grundlage der vor Inkrafttreten des BHKG bereits\nangelaufenen Planung ausreichend ist und damit in technischer Hinsicht unter\nBeibehaltung der bisherigen Einsatzleitsysteme lediglich die XML-Schnittstelle\nnoch geschaffen werden muss.\n\n87\n\nAllerdings fuhrt dieses rein technisch bedingte Hindernis fur eine\n(uneingeschrankte) Genehmigungsfahigkeit der offentlich-rechtlichen\nVereinbarung anders als ein mogliches generelles Rechtshindernis nicht\n(zwingend) dazu, dass die Genehmigung endgultig zu versagen ware, solange\nnicht ausgeschlossen ist, dass dieses rein technisch bedingte Hindernis\nbeseitigt werden kann. Dies gilt zugleich fur mogliche weitere uber die\nderzeitige fehlende Systemkoppelung hinausgehende technische Hindernisse fur\neine Genehmigungsfahigkeit der offentlich-rechtlichen Vereinbarung.\n\n88\n\nBesteht aber mit der zwar derzeit nicht (endgultig) bestehenden, aber\nprognostisch technisch herbeifuhrbaren Genehmigungsfahigkeit der offentlich-\nrechtlichen Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und der Stadt M. vom\n27./28. September 2017 mit ihrem Gesamtinhalt eine Alternative zu den beiden\ngemaß der Weisung zu 1.b) vorgegebenen Wegen zur Herbeifuhrung eines mit § 28\nAbs. 4 BHKG konformen Rechtszustandes betreffend die Notrufaufschaltung der\nAntragstellerin, hatte der Landrat des Kreises N. als untere staatliche\nVerwaltungsbehorde im Rahmen des ihm nach § 54 Abs. 2 BHKG zukommenden\nErmessens abwagen mussen, ob dieser mogliche „dritte Weg" gegenuber den beiden\nvorgegebenen Wegen als Handlungsalternative auszuscheiden ist. Fur diese\nAbwagungsentscheidung hatte er jedenfalls wiederum gemessen an der Zielsetzung\nsowohl des BHKG als auch des RettG NRW, moglichst schnell und effektiv in\nzumeist akuten Notlagen Hilfeleistung zu gewahren, den technischen,\nfinanziellen und zeitlichen Aufwand aller drei denkbaren Wege ins Verhaltnis\nsetzen mussen und dabei zugleich nicht aus den Augen verlieren durfen, dass\nsowohl die Antragstellerin als auch die Stadt M. offenbar bislang darauf\nvertraut haben, eine Herstellung der Systemkoppelung nach § 28 Abs. 4 S. 4\nBHKG sei auf der Grundlage der bereits vor Inkrafttreten dieser Vorschrift\nangestoßenen Planung der Schaffung einer XML-Schnittstelle zwischen\nKreisleitstelle und Einsatzzentrale M. moglich; letzterer Aspekt konnte\nmoglicherweise relevant sein fur den Zeitrahmen, welcher der Antragstellerin\nund der Stadt M. zuzubilligen ist zur Herbeifuhrung eines mit § 28 Abs. 4 BHKG\nkonformen Rechtszustandes. Unstreitig ist namlich, dass ein derartiger Zustand\nnicht „von heute auf morgen" herbeigefuhrt werden kann, sondern dass alle drei\nin Frage kommenden Handlungsalternativen eines mehr oder weniger langen\ntechnischen Umsetzungsprozesses bedurfen. So benennt etwa der Landrat des\nKreises N. selbst in einem Schreiben an die Bezirksregierung Dusseldorf vom\n28. Juli 2017 fur die - von ihm praferierte - Aufschaltung des Notrufs aus den\nStadten M. und N1. auf die Kreisleitstelle bei Erfullung entsprechender\nRahmenbedingungen einen Zeitrahmen von zwolf Monaten. Dass sogar fur diesen\nvermeintlich einfachsten der drei in Frage kommenden Wege ein derart langer\nZeitrahmen im Raum steht, legt die Vermutung nahe, dass der erforderliche\nZeitaufwand fur die anderen beiden Wege noch großer ist, jedenfalls wenn man\nvon der zumindest nicht fernliegenden technischen Pramisse des Antragsgegners\nausgeht, eine den Anforderungen des § 28 Abs. 4 S. 4 BHKG genugende\nSystemkoppelung erfordere ein mit dem Einsatzleitsystem der Kreisleitstelle\nidentisches Einsatzleitsystem der Einsatzzentrale M. . Ausgehend von dieser\ntechnischen Pramisse musste entweder - im Falle der Aufgabenwahrnehmung der\nStadt M. fur die Antragstellerin auf der Grundlage einer offentlich-\nrechtlichen Vereinbarung - die Stadt M. ihr eigenes Einsatzleitsystem auf ein\nsolches mit dem des Kreises N. identisches umrusten und daruber hinaus - zwar\nals eigene Aufgabe, aber unter technischer Mitwirkung des Kreises N. - die\nerforderliche Schnittstelle mit der Kreisleitstelle schaffen, oder es musste -\nim Falle des Entschlusses zu originarer Aufgabenwahrnehmung nach § 28 Abs. 4\nS. 3 BHKG - die Antragstellerin bei ihrer Feuer- und Rettungswache erstmals\nein eine Notrufabfrage erlaubendes Einsatzleitsystem, welches mit dem des\nKreises N. identisch ist, installieren und ebenfalls die erforderliche\nSchnittstelle mit der Kreisleitstelle schaffen. Da der Landrat des Kreises N.\nals untere staatliche Verwaltungsbehorde in der streitgegenstandlichen Weisung\nzu 1.b) der Antragstellerin letzteren Weg als mogliche Handlungsalternative\nausdrucklich zugebilligt hat und es zugleich schwer vorstellbar erscheinen\ndurfte, dass gegenuber diesem moglichen Weg die Herstellung der gesetzlichen\nVoraussetzungen fur eine vollstandige Genehmigungsfahigkeit der offentlich-\nrechtlichen Vereinbarung vom 27./28. September 2017 durch die Antragstellerin\nim Zusammenwirken mit der Stadt M. einen noch großeren technischen, zeitlichen\nund finanziellen Aufwand erfordert, durfte eher wenig fur die Zulassigkeit des\nAusschlusses letzterer Variante im Rahmen des vom Landrat auszuubenden\nErmessens sprechen; jedenfalls hatte - wie ausgefuhrt - der Landrat die\ninsoweit erforderliche Abwagung vornehmen mussen, was er aber gerade nicht\ngetan hat.\n\n89\n\nb. Auch bezogen auf die Weisung zu 1.a), der Antragstellerin zu untersagen,\naus deren Stadtgebiet eingehende Notrufe bei der Feuerwehr M. als\nnotrufannehmender Stelle direkt disponieren und alarmieren zu lassen, fuhrt\ndie unzutreffende rechtliche Pramisse, die Aufgabenwahrnehmung nach § 28 Abs.\n4 S. 3 BHKG im Wege kommunaler Gemeinschaftsarbeit sei gesetzlich generell\nausgeschlossen, zu einem Ermessensdefizit seitens des Landrates des Kreises N.\nals untere staatliche Verwaltungsbehorde, denn auch insoweit ist nicht\nauszuschließen, dass die Weisung bei zutreffender Wurdigung der Rechtslage\nangesichts sich bietender Handlungsalternativen in ihrer konkreten Form gar\nnicht oder mit anderem Inhalt ergangen ware.\n\n90\n\nAuch insoweit ist in Rechnung zu stellen, dass - wie soeben ausgefuhrt -\nsamtliche drei in Betracht kommenden Wege zur Herbeifuhrung eines betreffend\ndie Notrufaufschaltung der Antragstellerin mit § 28 Abs. 4 BHKG konformen\nRechtszustandes jeweils eines nicht unbetrachtlichen zeitlichen\nUmsetzungsrahmens bedurfen. Bereits fur den Zwischenzeitraum bis zur\nHerbeifuhrung eines solchen mit § 28 Abs. 4 BHKG konformen Rechtszustandes\ndarf allerdings das Ziel des BHKG und des RettG NRW, moglichst schnell und\neffektiv in zumeist akuten Notlagen Hilfeleistung zu gewahren, nicht aus den\nAugen verloren werden: Auch wenn technisch bedingt nicht sofort, „von heute\nauf morgen", zwischen der FuRW M. und der Kreisleitstelle N. die erst seit dem\n1. Januar 2016 gesetzlich vorgeschriebene Systemkoppelung gemaß § 28 Abs. 4 S.\n4 BHKG - gewissermaßen als nunmehr technisch mogliches Optimum im Falle der\nNotrufabfrage durch eine stadtische Feuerwache - besteht, konnte unter dem\nBlickwinkel der Verbesserung der Schnelligkeit und Effektivitat der\nHilfeleistung fur das N2. Stadtgebiet zu erwagen sein, eine Disponierung und\nAlarmierung von N2. Einsatzkraften und -mitteln durch die FuRW M. jedenfalls\nsolange zuzulassen, solange technisch-faktisch unabanderlich die FuRW M.\nweiterhin die Notrufe aus dem N2. Stadtgebiet entgegennimmt, und soweit\ngleichzeitig sichergestellt ist, dass dies nicht zugleich mit Nachteilen fur\ndie Effektivitat der Hilfeleistung auf N2. Stadtgebiet einhergeht.\n\n91\n\nNicht ubersehen werden darf in diesem Zusammenhang, dass - wie sich aus dem\nubereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten ergibt - eine Notrufannahme fur\ndie Stadtgebiete M. und N1. sowie den heutigen Leverkusener Ortsteil I. lange\nZeit rein telekommunikationstechnisch, bedingt durch das gemeinsame Ortsnetz,\nnur gemeinsam - durch eine Stelle fur beide Stadte - moglich war, und dass\nerst vor einigen Jahren insoweit die telekommunikationstechnische Moglichkeit\nder Entflechtung entstanden ist, von der die Stadt M1. fur den Ortsteil I. mit\nder Konsequenz der Abkoppelung des Notrufs von der Feuer- und Rettungswache M.\nund der Aufschaltung auf die eigene Leitstelle sodann auch Gebrauch gemacht\nhat. Dass die im Falle von N1. und M. (noch) fehlende Notruf-Entflechtung\njedenfalls kein Einzelfall ist, zeigt der weitere Fall im Kreisgebiet N.\nbetreffend die F1. Stadtteile Alt-F. und V. , fur die der Notruf 112 aufgrund\ndes gemeinsamen Ortsnetzes mit der Stadt E. weiterhin auf die Leitstelle E.\naufgeschaltet ist, ohne dass der Kammer bekannt ist, ob einer diesbezuglichen\nEntflechtung - moglicherweise anders als den Fall M1. -I. betreffend -\nirgendwelche technischen Hindernisse entgegenstehen oder welche anderen Grunde\neine Beendigung der derzeitigen Praxis der Entgegennahme von aus den F1.\nStadtteilen Alt-F. und V. unter der Nummer 112 eingehenden Notrufe durch die\nLeitstelle E. mit unverzuglicher Weiterleitung dieser Notrufe an die\nKreisleitstelle N.\n\n92\n\n- eine Praxis, zu der das OVG NRW ubrigens in seinem Urteil vom 10. Februar 2011 - 13 A 1305/09 -, a.a.O., Rn. 115 angemerkt hat, dass der damit verbundene Zeitverlust ein solches Vorgehen in Anbetracht der Zielsetzungen des RettG NRW an sich verbietet -\n\n93\n\nbislang verhindern. Aus dem Vorbringen der Beteiligten und dem Akteninhalt\nentnimmt die Kammer desweiteren, dass offenbar bis zum Umzug der\nKreisleitstelle N. an den jetzigen Interimsstandort im Jahr 2018 die\nMoglichkeiten der kreisangehorigen Gemeinden fur eine Aufschaltung auf die\nKreisleitstelle aus Kapazitatsgrunden jedenfalls beschrankt waren und dass der\nAntragsgegner im Vorfeld des hiesigen gerichtlichen Verfahrens selbst nach\nInbetriebnahme des jetzigen Interimsstandortes der Kreisleitstelle gegenuber\nder Antragstellerin und der Stadt N1. jedenfalls nicht vollkommen eindeutig\nStellung dahingehend bezogen hat, dass er die sofortige Herbeifuhrung eines\nmit § 28 Abs. 4 S. 4 BHKG vereinbaren Zustandes erwartet - ungeachtet dessen,\ndass er betont, dass die jetzige Interimsleitstelle N. entgegen der\nEinschatzung der Antragstellerin in technischer und vor allem kapazitarer\nHinsicht nunmehr alle Voraussetzungen bietet, um eine schnellstmogliche\nAufschaltung des Notrufs 112 sowohl durch die Antragstellerin als auch durch\ndie Stadt M. zu ermoglichen. Zwar ist von einem diesbezuglich betreffend die\nStadt M. bei der Bezirksregierung anhangigen aufsichtsbehordlichen Verfahren\ndie Rede, uber dessen Inhalt sich aus den vorliegenden Akten jedoch nichts\nWeiteres ergibt. Auch ist wiederholt von einer bis zuletzt bestehenden\nHoffnung des Kreises N. die Rede, die Antragstellerin und die Stadt M. wurden\nam Ende doch eine Aufschaltung auf die Kreisleitstelle gegenuber einer\nFortsetzung der bisherigen Notrufannahmepraxis bevorzugen. Keinesfalls folgt\njedenfalls in rechtlicher Hinsicht aus dem Inkrafttreten des § 28 Abs. 4 S. 4\nBHKG zum 1. Januar 2016, dass eine nicht mit der erforderlichen\nSystemkoppelung ausgestattete Notrufannahme durch eine stadtische Feuerwache -\nwie im Falle der FuRW M. - zu diesem Zeitpunkt sofort zu beenden gewesen ware\nmit der Konsequenz eines gegenuber der bisherigen Praxis mit den\nSchutzzielgedanken des BHKG und des RettG NRW noch ferner stehenden Zustandes\nvollig fehlender Notrufannahme, sondern die Vorschrift begrundet letztlich\neinen Handlungsauftrag an die betroffenen Stadte, die erforderliche\nSystemkoppelung schnellstmoglich herbeizufuhren, sofern sie weiterhin vom\nRecht der Notrufaufschaltung auf die eigene Feuerwache nach § 28 Abs. 4 S. 3\nBHKG Gebrauch machen mochten und die Gesetzesanderung nicht zum Anlass nehmen,\nnunmehr dem Regelfall des § 28 Abs. 4 S. 2 BHKG entsprechend eine Aufschaltung\nauf die Kreisleitstelle vorzunehmen.\n\n94\n\nSpricht damit Einiges dafur, dass die bisherige Praxis der Notrufannahme in\nder FuRW M. sowohl fur das eigene Stadtgebiet als auch fur das Stadtgebiet der\nAntragstellerin - die sich, solange ihr betreffend das Stadtgebiet der\nAntragstellerin die rechtliche Basis einer offentlich-rechtlichen Vereinbarung\nfehlt, moglicherweise gerade auch vor ihrem technisch-historischen Hintergrund\nrechtlich in analoger Anwendung der §§ 677 ff. Burgerliches Gesetzbuch (BGB)\nals offentlich-rechtliche Geschaftsfuhrung ohne Auftrag einordnen lassen\ndurfte - jedenfalls nicht in bosem Glauben fortgesetzt wird und zugleich nicht\nvon heute auf morgen geandert werden kann, erscheint die rechtliche\nZulassigkeit einer erganzend an die Notrufannahme als solche anschließenden\nDisponierung und Alarmierung von N2. Einsatzkraften und -mitteln durch die\nFeuer- und Rettungswache M. bereits fur den vorubergehenden Zustand bis zur\nHerbeifuhrung eines betreffend die Notrufaufschaltung der Antragstellerin (und\nauch der Stadt M. ) mit § 28 Abs. 4 BHKG konformen Rechtszustandes jedenfalls\nnicht als von vornherein ausgeschlossen. Zwar kommt insoweit ersichtlich -\nanders als betreffend die Notrufaufschaltung als solche - eine offentlich-\nrechtliche Geschaftsfuhrung ohne Auftrag von vornherein nicht in Betracht, da\nDisponierung und Alarmierung durch M. fur N1. ja gerade nicht technisch-\nunabanderlich ohne Auftrag bzw. ungeachtet eines moglichen mangels Wirksamkeit\nder offentlich-rechtlichen Vereinbarung rechtlich noch nicht verbindlichen\nAuftrages, sondern im Gegenteil in ausdrucklichem Auftrag erfolgen sollen, und\nauch eine rechtlich eventuell anzudenkende Amtshilfe insoweit ausscheidet,\nweil es sich bei Disponierung und Alarmierung als Daueraufgabe nicht um eine\nbloß erganzende Hilfe im Sinne von § 4 Abs. 1 VwVfG NRW, also um bloße\n(subsidiare) Unterstutzungshandlungen zu einem „fremden" Hauptverfahren\n\n95\n\n\\- vgl. hierzu Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz,\nKommentar, 9. Auflage 2018, § 4 Rn. 27 -\n\n96\n\nhandeln wurde. Fur die Durchfuhrung von Disponierung und Alarmierung als\nsolche von M. fur N1. bleibt damit als denkbare Rechtsgrundlage einzig eine\noffentlich-rechtliche Vereinbarung.\n\n97\n\nDaraus folgt, dass ohne eine im Sinne des § 24 Abs. 4 GkG NRW wirksame\noffentlich-rechtliche Vereinbarung die vom Burgermeister der Stadt N1. in\nseinem Schreiben vom 12. Dezember 2018 gegenuber dem Landrat des Kreises N.\nzum 1. Januar 2019 angekundigte Übernahme der Disponierung und Alarmierung N2.\nEinsatzkrafte und -mittel durch die Feuerwehr M. rechtlich unzulassig ist.\nAnders als vom Antragsteller in den Schriftsatzen im gerichtlichen Verfahren\nbehauptet, in dem Schreiben vom 12. Dezember 2018 seien uberhaupt keine\nÄnderungen des status quo zum 1. Januar 2019 angekundigt worden, geht die\nvorgenannte Ankundigung einer Praxisanderung zum 1. Januar 2019 dabei sehr\nwohl zweifelsfrei aus dem Schreiben hervor.\n\n98\n\nVor diesem Hintergrund ware allerdings vom Antragsgegner im Rahmen des\nauszuubenden Ermessens als mogliche rechtliche Alternative zu der\nausgesprochenen Weisung zu 1.a) in Betracht zu ziehen gewesen, bereits jetzt -\nnoch vor Herbeifuhrung eines betreffend die Notrufaufschaltung der\nAntragstellerin (und auch der Stadt M. ) mit § 28 Abs. 4 BHKG konformen\nRechtszustandes - diejenigen Teile der offentlich-rechtlichen Vereinbarung vom\n27./28. September 2017 zu genehmigen, welche ausschließlich Disponierung und\nAlarmierung von N2. Einsatzkraften und -mitteln durch die Feuer- und\nRettungswache M. betreffen, um fur den Zeitraum, fur den hinsichtlich der\nNotrufaufschaltung ein mit § 28 Abs. 4 BHKG konformer Rechtszustand noch nicht\nerreichbar ist, im Sinne einer schnellstmoglichen Einsatzingangsetzung\nzumindest bereits den mit der derzeit erforderlichen Übermittlung des Inhalts\nder in der M2. Feuer- und Rettungswache eingehenden Notrufe an die N2. Feuer-\nund Rettungswache - bevor von dort dann die Einsatze veranlasst werden konnen\n- verbundenen Zeitverlust zu vermeiden.\n\n99\n\nDabei ist im Ergebnis keinesfalls zwingend, dass eine derartige isolierte\nGenehmigung bereits hatte erteilt werden mussen bzw. nunmehr (sofort) erteilt\nwerden muss und umgekehrt der Erlass einer Weisung entsprechend dem Inhalt des\nstreitgegenstandlichen Bescheides zu 1.a) nicht in Betracht kommt. Insoweit\nsind namlich verschiedene Fragestellungen in das Ermessen einzustellen, welche\nzwar bereits vom Antragsgegner benannt wurden, ohne jedoch bislang\nermessensleitend fur die Weisung zu 1.a) gewesen zu sein. Dies betrifft etwa\ndie Fragestellung, ob einer (sofortigen) Disponierung und Alarmierung N2.\nEinsatzkrafte und -mittel noch rein technische Hindernisse entgegenstehen oder\nmoglicherweise im Verhaltnis der Antragstellerin mit der Stadt M. zunachst\nnoch zusatzliche rechtliche Voraussetzungen geschaffen werden mussen. So\nenthalt etwa § 2 Nr. 2 der offentlich-rechtlichen Vereinbarung vom 27./28.\nSeptember 2017 ausdrucklich die Voraussetzung eines zwischen der\nAntragstellerin und der Stadt M. gemeinsam festzulegenden Alarmierungsplans\nund einer gemeinsamen Alarmierungs- und Ausruckordnung fur die Alarmierung der\nerforderlichen Rettungsmittel der FuRW der Antragstellerin, ohne dass sich aus\ndem Schreiben des Burgermeisters der Stadt N1. an den Landrat des Kreises N.\nvom 12. Dezember 2018 ergibt, dass dies - anders als die ausdrucklich erwahnte\nSchaffung der technischen Voraussetzungen u.a. in Form der Verlegung von\nGlasfaserverbindungen zwischen beiden Feuerwachen - bereits erfolgt oder\nzumindest fur den Fall des Inkrafttretens der offentlich-rechtlichen\nVereinbarung vorbereitet worden ware. Ebenfalls fur die Ermessensausubung von\nBedeutung sein konnte die Frage der Ausfallsicherheit sowie der\nIrreversibilitat einer Verlagerung der Disponierung und Alarmierung von N1.\nnach M. , was der Absicht der Antragstellerin entgegenstehen konnte, bereits\nzeitgleich mit der Aufgabenverlagerung die eigene Feuerwehreinsatzzentrale\nnicht mehr (dauerhaft) zu besetzen, wobei insoweit als milderes Mittel zu\neinem Verbot entsprechend dem Inhalt der ausgesprochenen Weisung zu 1.a) das\nVerbot der Nichtbesetzung der Feuerwehreinsatzzentrale der Antragstellerin in\nBetracht zu ziehen sein konnte. Selbst dies schließt dabei ein (vorlaufiges)\nVerbot entsprechend dem Inhalt der ausgesprochenen Weisung zu 1.a) bis zum\nZeitpunkt des Wirksamwerdens zumindest eines Teils der offentlich-rechtlichen\nVereinbarung vom 27./28. September 2017 nicht aus, da ein solches - wie\nausgefuhrt - rechtlich zwingend ist, damit die Stadt M. fur die\nAntragstellerin die Aufgaben der Disponierung und Alarmierung der N2.\nRettungskrafte und -mittel ubernehmen darf. Jedoch hat der Landrat des Kreises\nN. als untere staatliche Verwaltungsbehorde im Rahmen des zur Weisung zu 1.a)\ndes streitgegenstandlichen Bescheides vom 20. Dezember 2018 ausgeubten\nErmessens all diese Erwagungen gar nicht erst angestellt, was zu der bereits\nbenannten Ermessensfehlerhaftigkeit des Bescheides insoweit fuhrt.\n\n100\n\n2\\. Angesichts der offensichtlich bestehenden materiellen Rechtswidrigkeit des\nstreitgegenstandlichen Bescheides kann dahinstehen, ob dieser Bescheid\nzusatzlich an formellen Rechtsfehlern leidet. Zwecks Vermeidung moglicher\nkunftiger formeller Rechtsfehler weist die Kammer jedoch darauf hin, dass\njedenfalls betreffend die Weisung zu 1.b) eine Rechtswidrigkeit des Bescheides\nallein schon aus der fehlenden Anhorung der Antragstellerin folgen durfte\n(hierzu zunachst a.) und dass es zumindest rechtlichen Bedenken unterliegt, ob\nder Landrat des Kreises N. als untere staatliche Verwaltungsbehorde fur den\nstreitgegenstandlichen Bescheid sachlich zustandig war (hierzu spater b.).\n\n101\n\na. Wahrend die Annahme der Entbehrlichkeit einer Anhorung der Antragstellerin\nvor Bescheiderlass betreffend die Weisung zu 1.a) unter der Annahme, im Sinne\nvon § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW erscheine angesichts der durch den\nBurgermeister der Antragstellerin mit Schreiben vom 12. Dezember 2018, welches\nerst am 19. Dezember 2018 beim Landrat des Kreises N. eingegangen war, bereits\nfur den 1. Januar 2019 angekundigten Maßnahmen eine sofortige Entscheidung\nwegen Gefahr im Verzug oder im offentlichen Interesse notwendig, jedenfalls\nnicht von vornherein als ausgeschlossen erscheint, greift diese Erwagung\nbetreffend die Weisung zu 1.b) ersichtlich nicht durch. Insoweit geht es\nnamlich gerade nicht um die Verhinderung einer unmittelbar bevorstehenden\nMaßnahme, sondern um die Verpflichtung zu einem Tun, welches einen komplexen\ntechnischen Umsetzungsprozess erfordert, der in zeitlicher Hinsicht nicht „auf\ndie Schnelle" leistbar ist. Auch ist eine Heilung der fehlenden Anhorung nicht\nerfolgt, denn trotz der gemaß § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG NRW\ngrundsatzlich bis zum Abschluss der ersten Instanz eines\nverwaltungsgerichtlichen Verfahrens moglichen Nachholung der erforderlichen\nAnhorung eines Beteiligten kann nach der standigen Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts eine Heilung nur eintreten, soweit die unterbliebene\nAnhorung nachtraglich ordnungsgemaß durchgefuhrt und ihre Funktion fur den\nEntscheidungsprozess der Behorde uneingeschrankt erreicht wird, weshalb bloße\nÄußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren als\nsolche die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG nicht erfullen,\n\n102\n\nvgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 7 C 5/14 -, BVerwGE 153, 367 ff. =\njuris, Rn. 17, und Beschluss vom 18. April 2017 - 9 B 54/16 -, juris, Rn. 4,\njeweils m.w.N.\n\n103\n\nb. Rechtliche Bedenken bestehen jedenfalls betreffend die Weisung zu 1.b)\ngegen die sachliche Zustandigkeit des Landrates des Kreises N. als untere\nstaatliche Verwaltungsbehorde.\n\n104\n\nGemaß § 53 Abs. 1 BHKG ist Aufsichtsbehorde fur die kreisangehorigen Gemeinden\nder Landrat als untere staatliche Verwaltungsbehorde, woraus auch dessen\ngrundsatzliche Zustandigkeit fur den Erlass einer - hier ergangenen - eine\nkreisangehorige Gemeinde betreffenden aufsichtsbehordlichen Weisung auf der\nGrundlage von § 54 Abs. 2 BHKG folgt.\n\n105\n\nDem steht speziell betreffend aufsichtsbehordliche Weisungen in Bezug auf die\nNotrufaufschaltung die Zustandigkeitsvorschrift des § 1 NRVerbZustVO nicht\nentgegen. Nach dieser Norm ist die nach Landesrecht zustandige Behorde im\nSinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 der NotrufV - nach letzterer Vorschrift wiederum\nlegen die nach Landesrecht zustandigen Behorden die Notrufabfragestellen mit\nihren Einzugsgebieten und Notrufursprungsbereichen sowie die jeweiligen\nErsatz-Notrufabfragestellen im Benehmen mit den betroffenen Netzbetreibern\nfest, wobei die Grenzen der Notrufursprungsbereiche nach Moglichkeit so\nfestgelegt werden sollen, dass einerseits nicht unnotig feine Unterteilungen\nder gewachsenen Struktur der Teilnehmernetze erforderlich werden, andererseits\naber die Standorte der Notrufenden so genau wie moglich den Notrufanschlussen\nder ortlich zustandigen Notrufabfragestelle zugeordnet werden - die fur\nInneres zustandige oberste Landesbehorde. Denn sowohl bei dieser\nlandesrechtlichen Zustandigkeitsvorschrift als auch bei der als Grundlage fur\ndiese dienenden bundesrechtlichen NotrufV handelt es sich um materiell-\nrechtlich dem Telekommunikationsrecht zugehorige Regelungen, die erkennbar dem\nZweck dienen, telekommunikationsrechtlich dasjenige regelnd nachzuvollziehen,\nwas aufgrund von landesrechtlichen Vorschriften im Bereich des Brandschutz-\nund Rettungsdienstrechts vorgefunden wird. Dies ergibt sich eindeutig aus der\nRegelung des § 2 Nr. 2 NotrufV, wonach „Notrufabfragestelle" die nach\nLandesrecht zustandige Stelle zur Entgegennahme von Notrufen ist. Diese Stelle\nbestimmt sich in Nordrhein-Westfalen aufgrund der Regelung des § 28 Abs. 4\nBHKG, wonach auf Veranlassung der Gemeinden (S. 1) der Notruf 112 entweder auf\ndie einheitliche Leitstelle aufzuschalten ist (S. 2) oder die Aufschaltung des\nNotrufs 112 auf standig besetzte Feuerwachen von Mittleren kreisangehorigen\nStadten und Großen kreisangehorigen Stadten zulassig ist, wenn diese die\nAufgaben einer Rettungswache wahrnehmen (S. 3). Weder ist es\nkompetenzrechtlich zulassig noch von den telekommunikationsrechtlichen\nRegelungen der NotrufV und der NRVerbZustVO bezweckt, dieses den\nkreisangehorigen Stadten der Sache nach zustehende Wahlrecht hinsichtlich der\nNotrufaufschaltung zu beschneiden oder gar leerlaufen zu lassen. Dies kommt\nauch in der Allgemeinverfugung der Bezirksregierung Dusseldorf vom 11. Marz\n2014 (Amtsblatt fur den Regierungsbezirk Dusseldorf, S. 165) zum Ausdruck,\nwonach Notrufursprungsbereiche die einzelnen Kommunen im Regierungsbezirk\nDusseldorf sind und Notrufziele fur die europarechtliche Notrufnummer 112 die\nnach § 21 Abs. 2 FSHG NRW zustandigen Notrufabfragestellen: Durch die\nAnknupfung an § 21 Abs. 2 FSHG als die Vorgangerregelung zu der jetzigen\nRegelung des § 28 Abs. 4 BHKG wird in der Allgemeinverfugung die\nZweitrangigkeit der telekommunikationsrechtlichen Zustandigkeitsregelung\ngegenuber der feuer- bzw. brandschutzrechtlichen Regelung deutlich. Übt\ndemnach eine kreisangehorige Stadt das ihr nach § 28 Abs. 4 BHKG hinsichtlich\nder Notrufaufschaltung zustehende Wahlrecht mit der Konsequenz eines\nZustandigkeitswechsels aus, hat die nach § 1 NRVerbZustVO zustandige Stelle\ndies im Sinne einer Änderung der von ihr vorzunehmenden Festlegungen\nnachzuvollziehen. Folgte man demgegenuber der Ansicht der Antragstellerin, § 1\nNRVerbZustVO fuhre zur Unzustandigkeit einer Gemeinde, eine Notrufaufschaltung\nnach § 28 Abs. 4 S. 1 i.V.m. S. 2 oder i.V.m. S. 3 zu veranlassen, und in der\nFolge zur Unzustandigkeit der jeweiligen Aufsichtsbehorde zum Erlass einer\ndiesbezuglichen Weisung gegenuber einer Gemeinde, wurde dies zu einer\nzirkelschlussartigen Unabanderlichkeit jeglichen status quo fuhren: Die nach §\n1 NRVerbZustVO zustandige Behorde konnte keine Änderung der Festlegungen nach\n§ 3 NotrufV vornehmen, weil sie insoweit von gemeindlichen Veranlassungen nach\n§ 28 Abs. 4 BHKG abhangig ware, die die Gemeinden wiederum nicht vornehmen\nkonnten, weil sie ihrerseits von vorherigen Festlegungen der nach § 1\nNRVerbZustVO zustandigen Behorde abhangig waren.\n\n106\n\nAllerdings entscheidet gemaß § 59 Abs. 2 KrO NRW i.V.m. §§ 57 Abs. 1 S. 1 KrO\nNRW, 53 Abs. 2 S. 1 BHKG die Bezirksregierung als Aufsichtsbehorde und nicht\nder Landrat als untere staatliche Verwaltungsbehorde, wenn es um eine\nEntscheidung des Landrats u. a. im Rahmen der Sonderaufsicht uber die\nkreisangehorigen Gemeinden gemaß § 59 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW geht, sofern an\neiner solchen Entscheidung der Kreis beteiligt ist.\n\n107\n\nOb der Kreis Beteiligter ist, richtet sich danach, ob er Beteiligter nach § 13\nVwVfG NRW sein kann. Sofern der Kreis nicht im formellen Sinne Beteiligter\neines bereits laufenden Verwaltungsverfahrens gemaß § 13 Abs. 1 VwVfG NRW ist,\nkommt es nach § 13 Abs. 2 VwVfG NRW darauf an, ob seine rechtlichen Interessen\ndurch den Ausgang des Verfahrens beruhrt werden konnen,\n\n108\n\nvgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2013 - 15 A 2052/12 -, NWVBl 2013, 290\nf. = juris, Rn. 28.\n\n109\n\nDabei ist der Anwendungsbereich des § 59 Abs. 2 Satz 1 KrO NRW weit zu fassen,\num in aufsichtsrechtlichen Angelegenheiten bereits auch nur den bosen Schein\neiner moglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit zu vermeiden. Die\nVorschrift des § 59 Abs. 2 Satz 1 KrO NRW verleiht einem allgemeinen\nRechtsgedanken auch im Verhaltnis von Behorden und Gebietskorperschaften\nzueinander Ausdruck: Niemand soll in eigener Sache hoheitliche Befugnisse\nhaben, und zwar auch dann nicht, wenn es sich bei der „eigenen Sache" um eine\nAngelegenheit handelt, die einer Behorde zur Wahrnehmung im offentlichen\nInteresse ubertragen worden ist. Vor diesem Hintergrund liegt eine Beruhrung\nder rechtlichen Interessen eines Kreises durch eine von seinem\nHauptverwaltungsbeamten als untere staatliche Verwaltungsbehorde erlassene\naufsichtsrechtliche Maßnahme nicht erst dann vor, wenn sich z. B. durch diese\ndie wirtschaftliche Stellung des Kreises verbessern oder verschlechtern\nkonnte. Ausreichend ist, dass die Maßnahme Auswirkungen auf eine\nRechtsposition haben kann, die dem Kreis gegenuber den kreisangehorigen\nGemeinden sondergesetzlich zugewiesen ist.\n\n110\n\nVgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2013 - 15 A 2052/12 -, a.a.O., Rn. 31.\n\n111\n\nIm vorliegenden Fall spricht Vieles dafur, dass jedenfalls die vom Landrat des\nKreises N. als untere staatliche Verwaltungsbehorde erlassene Weisung zu 1.b)\nAuswirkungen auf die dem Kreis N. gegenuber der Antragstellerin als\nkreisangehoriger Gemeinde sondergesetzlich zugewiesene Rechtsposition aus § 4\nAbs. 4 BHKG - nach dieser Vorschrift unterhalten die Kreise nach Maßgabe des §\n28 eine einheitliche Leitstelle fur den Brandschutz, die Hilfeleistung, den\nKatastrophenschutz und den Rettungsdienst - i.V.m. § 28 Abs. 4 S. 2 BHKG haben\nkann, denn eine moglicherweise auf Grundlage dieser Weisung getroffene\nEntscheidung der Antragstellerin, die bisherige Notrufannahmepraxis zu beenden\nund stattdessen eine Aufschaltung auf die Leitstelle des Kreises N. nach § 28\nAbs. 4 S. 2 BHKG vorzunehmen, wurde mit einer Rechtspflicht des Kreises N.\nkorrespondieren, daraufhin die Notrufe (auch) aus dem Stadtgebiet N1.\nentgegenzunehmen. Zudem liegt insoweit unter dem vom OVG NRW angefuhrten\nGesetzeszweck, wonach § 59 Abs. 2 Satz 1 KrO NRW dazu dient, in\naufsichtsrechtlichen Angelegenheiten bereits auch nur den bosen Schein einer\nmoglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit zu vermeiden, der\nAnwendungsbereich dieser Vorschrift auf der Hand, denn entsprechend den\nAusfuhrungen im Bedarfsplan fur den Rettungsdienst des Kreises N. in der\nVersion vom 4. Mai 2017 (dort auf S. 49 hervorgehoben) wird seitens des\nKreises N. , welcher durch seinen Landrat vertreten wird, ausdrucklich die\nkreisweit einheitliche Aufschaltung des Notrufs 112 auf die Kreisleitstelle\nals die qualitativ beste Losung angesehen und daher angestrebt.\n\n112\n\nBetreffend die Weisung zu 1.a) hingegen erscheint bei jedenfalls isolierter\nBetrachtung eine Beteiligung des Kreises N. im Sinne von § 59 Abs. 2 KrO NRW\nnicht ersichtlich. Allenfalls konnte sich eine solche daraus ableiten lassen,\ndass man einen unmittelbaren Regelungszusammenhang mit der Weisung zu 1.b)\nannimmt. Auch hierfur spricht jedoch wenig, denn beide Weisungen konnten auch\nvollig unabhangig voneinander ergehen.\n\n113\n\nAbschließend - ohne dass dem Entscheidungserheblichkeit oder eine irgendwie\ngeartete sonstige Verbindlichkeit zukommt - durfte den Beteiligten angesichts\nder Vielzahl sich stellender, in den vorstehenden Beschlussgrunden nicht\neinmal erschopfend abgehandelten Rechtsfragen und praktischen Fragen zu\nempfehlen sein, zu versuchen, eine einvernehmliche Basis fur die\nvorzunehmenden Veranderungen, die dem Grunde rechtlich zwingend sind, weil die\nNotrufannahmepraxis der Antragstellerin uber die Feuer- und Rettungswache M.\njedenfalls in ihrer aktuellen Form nicht mit § 28 Abs. 4 S. 4 BHKG vereinbar\nist, zu finden. Sollte sich dabei die Einschatzung des Antragsgegners\nbestatigen, dass die gemaß § 28 Abs. 4 S. 4 BHKG erforderliche Koppelung der\nstandig besetzten Feuerwache M. an das System der Kreisleitstelle N. , allein\ndurch eine Ersetzung des bisherigen M2. Einsatzleitsystems durch ein solches,\nwelches dem vom Kreis N. verwendeten entspricht, moglich ist, konnte sich auch\nunter Kostengesichtspunkten fur die Antragstellerin und die Stadt M. die Frage\nneu stellen, ob nicht eine Aufschaltung auf die Kreisleitstelle vorzugswurdig\nist; dass die Kosten fur die Systemkoppelung von den Stadten und nicht vom\nKreis zu tragen sind, versteht sich dabei von selbst, denn die nach § 28 Abs.\n4 S. 4 BHKG erforderliche Systemkoppelung ist unmittelbare Folge der\nAufgabenwahrnehmung der Notrufaufschaltung durch eine Stadt selbst nach § 28\nAbs. 4 S. 3 BHKG, so dass insoweit der Kreis zwar eine Mitwirkungspflicht hat,\nwas die Ermoglichung der Systemkoppelung angeht, nicht hingegen eine\nFinanzierungspflicht. Dass sich die Frage, ob nicht eine Aufschaltung auf die\nKreisleitstelle vorzugswurdig ist, unter Kostengesichtspunkten neu stellen\nkonnte, gilt zusatzlich angesichts dessen, dass die Antragstellerin und die\nStadt M. selbst im Falle der Fortsetzung ihrer bisherigen Notrufannahmepraxis\nunter sodann gesetzeskonformen Bedingungen sowohl die Kosten fur die FuRW M.\nzu tragen hatten, soweit dies die Notrufannahme betrifft, als auch sich nach\nden hierfur maßgeblichen rechtlichen Vorschriften an den Kosten fur die\nKreisleitstelle zu beteiligen hatten, soweit diese die Aufgabe der Lenkung der\nEinsatze des Rettungsdienstes nach § 8 Abs. 1 RettG wahrnimmt, denn diese\nAufgabe bleibt durch die Praxis der Notrufannahme durch eine stadtische\nFeuerwache unberuhrt und darf hierdurch auch nicht beschnitten werden,\n\n114\n\nvgl. nochmals OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2011 - 13 A 1305/09 -, a.a.O.,\nRn. 120.\n\n115\n\nLetztlich mussten die Stadte N1. und M. bei einer Fortsetzung ihrer bisherigen\nNotrufannahmepraxis unter sodann gesetzeskonformen Bedingungen\nDoppelstrukturen finanzieren, die fraglos rechtlich zulassig waren, fur die\nsich uber die Kostenfrage hinaus angesichts der damit hinsichtlich der\nWahrnehmung der Lenkungsfunktion der Kreisleitstelle nach § 8 Abs. 1 RettG\nzwar rechtlich hinnehmbaren und auch handhabbaren, aber jedenfalls nicht\nganzlich vermeidbaren Einschrankungen gerade auch unter dem Blickwinkel der\nuber allem stehenden Zielsetzung des BHKG und des RettG NRW, in zumeist akuten\nNotlagen eine moglichst schnelle und effektive Hilfeleistung zu ermoglichen,\nauch die Frage der Sinnhaftigkeit neu stellen konnte. Denn auch der\nGesetzgeber hat die regelhafte Aufschaltung des Notrufs 112 auf die Leitstelle\nals den jedenfalls sinnvolleren Weg angesehen,\n\n116\n\nvgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2011 - 13 A 1305/09 -, a.a.O., Rn. 117.\n\n117\n\nWelcher der rechtlich denkbaren Wege hinsichtlich der Notrufaufschaltung\nbeschritten wird, ist letztlich eine von den Raten der Stadte N1. und M. zu\ntreffende politische Entscheidung. Jedenfalls im Falle der Antragstellerin\nbeinhaltet der Ratsbeschluss vom 27. September 2017 uber die Ermachtigung der\nVerwaltung zum Abschluss der offentlich-rechtlichen Vereinbarung mit der Stadt\nM. dabei bereits die Absicht eines diesbezuglichen Überdenkens, indem der Rat\nzusatzlich die Verwaltung beauftragt hat, vor Fertigstellung und\nInbetriebnahme (des Neubaus) der Kreisleitstelle eine entscheidungsreife\nVorlage dem Rat und seinen Ausschussen zur Frage der Aufschaltung auf die neue\nKreisleitstelle vorzulegen. Dies konnte moglicherweise fur den Antragsgegner\nseine Entscheidungsfindung hinsichtlich der Frage, ob unter Berucksichtigung\naller nach § 3 Abs. 6 letzter Spiegelstrich GO NRW einzustellenden\nEinzelfallbelange nunmehr fur den Übergangszeitraum, fur den hinsichtlich der\nNotrufaufschaltung der Stadte N1. und M. noch kein vollstandig mit § 28 Abs. 4\nBHKG konformer Rechtszustand besteht, eine Genehmigung derjenigen Teile der\noffentlich-rechtlichen Vereinbarung vom 27./28. September 2017, welche\nausschließlich Disponierung und Alarmierung von N2. Einsatzkraften und\n-mitteln durch die Feuer- und Rettungswache M. betreffen, doch noch in\nBetracht kommt, erleichtern.\n\n118\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Bestimmung des\nStreitwerts beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG. Dabei\nist das Gericht wegen des nur vorlaufigen Charakters des vorliegenden\nVerfahrens von der Halfte des Auffangwertes gemaß § 52 Abs. 2 GKG ausgegangen.\n\n119\n\n**Rechtsmittelbelehrung:**\n\n120\n\n(1) Gegen die Entscheidung uber den Antrag auf vorlaufigen Rechtsschutz kann\ninnerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht\nDusseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Dusseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105\nDusseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, uber die das\nOberverwaltungsgericht fur das Land Nordrhein-Westfalen in Munster\nentscheidet.\n\n121\n\nDie Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a\nVwGO und der Verordnung uber die technischen Rahmenbedingungen des\nelektronischen Rechtsverkehrs und uber das besondere elektronische\nBehordenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) eingelegt\nwerden.\n\n122\n\nDie Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist\nschriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und\nder ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht fur das Land Nordrhein-Westfalen\n(Aegidiikirchplatz 5, 48143 Munster oder Postfach 6309, 48033 Munster)\neingeht.\n\n123\n\nDie Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu\nbegrunden. Die Begrundung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde\nvorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht fur das Land Nordrhein-\nWestfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Munster oder Postfach 6309, 48033\nMunster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a\nVwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten,\ndie Grunde darlegen, aus denen die Entscheidung abzuandern oder aufzuheben\nist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das\nOberverwaltungsgericht pruft nur die dargelegten Grunde.\n\n124\n\nDie Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegrundungsschrift sind durch einen\nProzessbevollmachtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren mussen sich die\nBeteiligten durch Prozessbevollmachtigte vertreten lassen. Die Beteiligten\nkonnen sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer\nstaatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der\nEuropaischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens uber den\neuropaischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befahigung zum\nRichteramt besitzt, als Bevollmachtigten vertreten lassen. Auf die\nzusatzlichen Vertretungsmoglichkeiten fur Behorden und juristische Personen\ndes offentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfullung ihrer\noffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlusse wird hingewiesen (vgl. § 67\nAbs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einfuhrungsgesetzes zum\nRechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG -).\n\n125\n\nDie Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegrundungsschrift sollen moglichst\ndreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches\nDokument bedarf es keiner Abschriften.\n\n126\n\n(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des\nUrkundsbeamten der Geschaftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Dusseldorf\n(Bastionstraße 39, 40213 Dusseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Dusseldorf)\nBeschwerde eingelegt werden, uber die das Oberverwaltungsgericht fur das Land\nNordrhein-Westfalen in Munster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.\n\n127\n\nDie Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a\nVwGO und der Verordnung uber die technischen Rahmenbedingungen des\nelektronischen Rechtsverkehrs und uber das besondere elektronische\nBehordenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) oder zu\nProtokoll der Geschaftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung\ngilt entsprechend.\n\n128\n\nDie Beschwerde ist nur zulassig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten\neingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt\noder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert spater\nals einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch\ninnerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des\nFestsetzungsbeschlusses eingelegt werden.\n\n129\n\nDie Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes\n200,00 Euro nicht ubersteigt.\n\n130\n\nDie Beschwerdeschrift soll moglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der\nEinreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.\n\n131\n\nWar der Beschwerdefuhrer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist\neinzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das uber die Beschwerde zu\nentscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewahren, wenn er\ndie Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses\neinlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begrunden, glaubhaft\nmacht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versaumten Frist\nangerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.\n\n
320,016
vg-magdeburg-2019-05-07-4-a-27118
1,033
Verwaltungsgericht Magdeburg
vg-magdeburg
Magdeburg
Sachsen-Anhalt
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 A 271/18
2019-05-07
2019-06-14 10:01:04
2020-12-10 13:24:02
Urteil
#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Klägerin begehrt die Erteilung einer Aufenthaltskarte gemäß § 5 Abs. 1\nFreizügigkeitsgesetz/EU.\n\n2\n\n \n\nDie Klägerin ist albanische Staatsangehörige und seit 02.06.2016 mit dem\ndeutschen Staatsangehörigen Herrn R. J. T. verheiratet.\n\n3\n\n \n\nDer Ehemann war bis 29.10.2012 in D. mit alleiniger Wohnung, ausweislich einer\nAuskunft der Stadt Bochum vom 29.10.2012 bis 01.10.2017 in A-Stadt als\nNebenwohnung, vom 10.06.2017 bis 01.10.2017 in Bochum mit einziger Wohnung und\nab 09.01.2018 in A-Stadt mit alleiniger Wohnung gemeldet. Für den Ehemann der\nKlägerin ergibt sich aus der Mitteilung der Stadt Bochum vom 21.11.2018, dass\ner am 09.01.2018 nach Zuzug aus dem Ausland wieder in A-Stadt gemeldet sei und\nam 01.10.2017 in Bochum ausgezogen und in Polen eingezogen sei.\n\n4\n\n \n\nAusweislich einer Mitteilung der Stadt A-Stadt vom 13.11.2018 zog der Ehemann\nam 09.01.2018 aus der Wohnung in Polen, R., die als alleinige Wohnung\nbezeichnet wird, aus. Dieselbe Mitteilung wurde von der Stadt A-Stadt für die\nKlägerin erteilt.\n\n5\n\n \n\nDie Stadt Bochum hat unter dem 21.11.2018 mitgeteilt, sie könne ihren\nUnterlagen entnehmen, dass die Klägerin am 09.01.2018 aus dem Ausland\nwiedereingezogen sei nach A-Stadt und ferner heißt es dort: "Polen\n\n6\n\n \n--- \nEinzug am: - keine Angabe – \nAuszug am: 10.06.2017 \nWohnungsstatus: Zugezogen von" \n \n7\n\n \n\nUnd nach der Angabe, Bochum sei die einzige Wohnung von 10.06.2017 bis\n01.10.2017 gewesen, folgt: "Polen\n\n8\n\n \n--- \nEinzug am: 01.10.2017 \nAuszug am: -keine Angabe- \nWohnungsstatus: Rückmeldung von". \n \n \n\n9\n\n \n\nDie Wohnung beider Eheleute in A-Stadt befand sich stets im A-Straße, dort\nverfügen sie über ein Haus.\n\n10\n\n \n\nDie Klägerin wohnte nach Auskünften der Stadt A-Stadt bis 14.01.2016 in K.,\ndann vom 04.01.2016 bis 01.03.2016 in A-Stadt, danach vom 01.03.2016 bis\n07.06.2016 in Albanien, vom 07.06.2016 bis 11.08.2016 in A-Stadt mit\nalleiniger Wohnung, am 10.06.2017 bis 01.10.2017 in Bochum mit einziger\nWohnung und ist nach Auskunft der Stadt Bochum seit 09.01.2018 in A-Stadt mit\nalleiniger Wohnung gemeldet.\n\n11\n\n \n\nAb dem 10.11.2016 waren beide ausweislich einer Bescheinigung aus Polen für\neinen vorübergehenden Aufenthalt in Polen gemeldet. Der Aufenthalt war bis\n2021 erlaubt. Der tatsächliche Aufenthalt lässt sich der polnischen\nBescheinigung nicht entnehmen.\n\n12\n\n \n\nDer Ehemann der Klägerin erhielt am 10.12.2016 in Polen eine\nMeldebescheinigung für EU-Bürger, schloss am 16.12.2016 eine\nFahrzeugversicherung in Polen ab, ein Fahrzeug wurde am 19.12.2016 in Polen\nauf ihn zugelassen und eine Steueridentifikationsnummer wurde ihm am\n15.02.2017 erteilt.\n\n13\n\n \n\nUnter dem 13.02.2018 beantragte die Klägerin, vertreten durch ihren\nProzessbevollmächtigten, die Ausstellung der Aufenthaltskarte gemäß § 5 Abs. 1\nFreizügigkeitsgesetz/EU. Zur Begründung trug sie vor, sie habe sich von\nOktober 2016 bis Juni 2017 in Polen aufgehalten. Ferner habe sie sich von\nOktober 2017 bis Januar 2018 mit ihrem Ehemann in Polen aufgehalten. Die\nEheleute hätten einen Wohnsitz in A-Stadt und einen in Polen.\n\n14\n\n \n\nAm 08.10.2018 hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten\nUntätigkeitsklage erhoben. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin\nerklärt, sie habe sich ca. zwei Jahre mit ihrem Ehemann in Polen aufgehalten.\nSie hätten dort zur Miete bei Bekannten ihres Ehemanns gewohnt. Sie habe\nversucht, ein Visum zu erhalten, das habe aber alles zu lange gedauert. Weil\nsie hätten zusammen sein wollen, seien sie und ihr Ehemann nach Polen\ngegangen. Ihr Ehemann sei durch Polen gereist, um ein Standort für sein\nGeschäft zu finden. Einen solchen Platz habe er aber noch nicht gefunden. Sie\nhabe dann einen polnischen Aufenthaltstitel erhalten und in der Folge seien\nsie immer mal in Polen und mal in A-Stadt in ihrem Haus gewesen. Zuletzt sei\nihr Mann im Januar 2019 in Polen gewesen, um ein Platz für sein Geschäft zu\nfinden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat erklärt, da der Ehemann\nsein Geschäft in Deutschland aufgegeben habe, um ein neues in Polen zu gründen\nund sich die Eheleute dann mindestens 4 Monate in Polen aufgehalten hätten,\nseien die Voraussetzungen für ein Niederlassen in Polen gegeben.\n\n15\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n16\n\n \n\nden Beklagten zu verpflichten, ihr eine Aufenthaltskarte gemäß § 5 Abs. 1\nFreizügigkeitsgesetz/EU auszustellen.\n\n17\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n18\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n19\n\n \n\nDie Klägerin habe keinen Anspruch auf Ausstellung der Aufenthaltskarte, denn\nihr Ehemann habe sich nicht nachgewiesen nachhaltig in Polen aufgehalten. Die\nMeldebescheinigung weise dies nicht mit der erforderlichen Sicherheit nach.\n\n20\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\nGerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.\nDiese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der\nEntscheidungsfindung.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n \n\n21\n\n \n\nDie Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch\nauf Erteilung einer Aufenthaltskarte nach § 5 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU.\nEine entsprechende Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung kommt daher auch\nim Wege der Untätigkeitsklage nicht in Betracht, vgl. § 113 Abs. 5 VwGO.\n\n22\n\n \n\nGemäß § 5 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU wird freizügigkeitsberechtigten\nFamilienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, von Amts wegen innerhalb von\nsechs Monaten, nachdem sie die erforderlichen Angaben gemacht haben, eine\nAufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern ausgestellt, die\nfünf Jahre gültig sein soll. Freizügigkeitsberechtigt sind nach §§ 2 Abs. 1\nNr. 6, 7 und §§ 3, 4 Freizügigkeitsgesetz/EU. Grundsätzlich unterfällt die\nKlägerin indes bereits nicht dem Geltungsbereich des\nFreizügigkeitsgesetzes/EU, denn dieser beschränkt sich gemäß § 1 auf die\nEinreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der\nEuropäischen Union und ihrer Familienangehöriger, also nicht auf die\nFamilienangehörigen von deutschen Staatangehörigen. Indessen unterfallen nach\nder Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in\nbestimmten Fällen ausnahmsweise auch Familienangehörige von Deutschen den\nunionsrechtichen Nachzugsregelungen, wenn es sich um sog. Rückkehrerfälle\nhandelt (vgl. EuGH, zuletzt Urt. v. 11.12.2007 – C-291/05, Eind, nach juris).\nDann kann auch ein einem Drittstaat angehörender Ehegatte eines Unionsbürgers\ngegenüber dem Staat des Unionsbürgers auf ein unionsrechtliches\nAufenthaltsrecht berufen, wenn der Unionsbürger von seinem Recht auf\nFreizügigkeit Gebrauch gemacht hat und sich in dem Mitgliedsstaat\nniedergelassen hat, der Ehegatte ihn dorthin begleitet hat und sich mit ihm\ndort aufgehalten hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.11.2010, 1 C 17/09, nach juris).\nDabei setzt nach der Rechtsprechung des EuGH die Anwendung der Grundsätze der\nRückkehrerfälle nicht notwendig voraus, dass der Unionsbürger von den\nwirtschaftlichen Grundfreiheiten Gebrauch macht (vgl. EuGH, Urt. v. 11.07.2002\n– C-60/00, Carpenter, nach juris). Ein Gebrauchmachen kann auch dann\nvorliegen, wenn nur ein Gebrauchmachen vom Freizügigkeitsrecht nach Art. 21\nAbs. 1 AEUV vorliegt (vgl. EuGH, Urt. v. 19.10.2004 – C-200/02, Chen, nach\njuris). Für die Mitnahme des Freizügigkeitsstatus ist aber Voraussetzung, dass\nder Unionsbürger mit einer gewissen Nachhaltigkeit von seinem\nFreizügigkeitsrecht Gebrauch macht (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 12 m.w.N.). So\nreicht ein Aufenthalt zu touristischen Zwecken nicht aus. Vielmehr muss der\nAufenthalt, um einen unionsrechtlichen Nachzugsanspruch des mitreisenden\ndrittstaatsangehörigen Ehegatten zu begründen, von dem Recht der Freizügigkeit\nmit einer gewissen Erheblichkeit bzw. Nachhaltigkeit erfolgen. Dies gilt\nbereits deshalb, weil das Unionsrecht nicht dazu führen soll, dass das Recht\nder Mitgliedsstaaten zur Regelung von Einreise und Aufenthalt von Personen aus\neinem Drittstaat weitgehend leer läuft (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 12).\n\n23\n\n \n\nDer vorliegende Aufenthalt des Ehemanns der Klägerin in Polen ist zur\nBegründung eines Aufenthaltsrechts nicht ausreichend. Der Ehemann der Klägerin\nhat von seinem Freizügigkeitsrecht nicht nachhaltig Gebrauch gemacht. Bei dem\nAufenthalt des Ehemanns der Klägerin in Polen handelt es sich nicht um einen\nderart verfestigten Aufenthalt, der ausreichen kann, um das nationale\nAufenthaltsrecht, hier insbesondere das Einholen eines Visums zum Zwecke der\nFamilienzusammenführung zu ersetzen. Ein wie hier, immer wieder unterbrochener\nAufenthalt, der zudem dem Ziel dient, die Erforderlichkeit der Einholung eines\nVisums zu umgehen, kann in der Regel, mag er sich auch in der Summe über\nmehrere Monate oder gar zwei Jahre hinziehen, kein verfestigter Aufenthalt\nsein, es sei denn andere Anhaltspunkte sprechen für eine Verfestigung des\nAufenthalts, also für ein Niederlassen.\n\n24\n\n \n\nDas Gericht unterstellt insoweit zugunsten der Klägerin, dass die Klägerin und\nihr Ehemann zwei Jahre lang immer wieder in Polen waren und dort in der\nWohnung polnischer Staatsbürger mitwohnten, diese Aufenthalte indes von\nUnterbrechungen durchzogen waren. Diesen Sachverhalt hat die Klägerin\nglaubhaft vorgetragen.\n\n25\n\n \n\nFerner unterstellt das Gericht zugunsten der Klägerin, dass die Klägerin und\nihr Ehemann drei Monate und 9 Tage in Polen aufhältig waren, und zwar vom\n01.10.2017 bis 09.01.2018. Hierfür sprechen die Unterlagen betreffend den\nEhemann der Klägerin, vorgelegt von der Stadt Bochum. Danach war der Ehemann\nder Klägerin vom 01.10.2017 bis 09.01.2018 jedenfalls nicht mehr in A-Stadt\ngemeldet und hielt sich im Ausland auf.\n\n26\n\n \n\nAuf letzteres kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Ein Aufenthalt\ndes deutschen Staatsangehörigen von drei Monaten in einem anderen Staat der\nEuropäischen Union ist nach der Rechtsprechung nicht ausreichend, um ein\nAufenthaltsrecht seines drittstaatsangehörigen Ehegatten zu begründen (vgl.\nVGH Baden-Württemberg, B. v. 25.01.2010, 11 S 2181/09, nach juris). Hier ist\nder als ununterbrochen unterstellte Aufenthalt mit drei Monaten und neun Tagen\nkaum länger. Weiterer längerer, ununterbrochener Aufenthalt in Polen des\nEhemanns der Klägerin ist nicht belegt. Soweit die Klägerin vorgetragen hat,\nsie habe sich von Oktober 2016 bis Juni 2017 in Polen aufgehalten, so fehlt es\nan Belegen dafür, dass ihr Ehemann dort in gleichem Umfang aufhältig war, dies\nist aber entscheidend. Insoweit ist nur belegt, dass der Ehemann dort eine\nAutoversicherung abgeschlossen hat, ein Auto angemeldet hat und eine\nSteueridentifikationsnummer erhalten hat. auch die Auskunft der Stadt Bochum\nvom 21.11.2018, wonach er vom 29.10.2012 bis 01.10.2107 weiter über eine\nNebenwohnung in A-Stadt verfügt, belegt keinen Aufenthalt in Polen. Dies folgt\nschon daraus, dass die Auskunft der Auskunft der Stadt A-Stadt vom 13.11.2018\nwiderspricht, wonach der Ehemann der Klägerin vom 29.12.2012 bis 10.06.2017\nmit alleiniger Wohnung in A-Stadt im A-Straße gewohnt habe. Die Klägerin\nselbst hat zudem erklärt, sie seien, sobald sie über einen polnischen\nAufenthaltstitel verfügt habe, also spätestens im April 2017, wieder nach\nDeutschland eingereist. Dies spricht für die Richtigkeit der Auskunft aus der\nStadt A-Stadt. Unter Zugrundelegung der vorgenannten Tatsachen und des\nVortrags der Klägerin kann allenfalls von einem Aufenthalt der Klägerin in\nPolen von 6 bis 7 Monaten ausgegangen werden. Ein Aufenthalt des Ehemanns der\nKlägerin in gleichem Umfang kann nicht unterstellt werden. Denn er hatte nach\nder Auskunft der Stadt A-Stadt seine alleinige Wohnung in A-Stadt und war\noffensichtlich dort auch noch persönlich angebunden, zum einen durch das dort\nbefindliche Haus, zum anderen durch die vor Ort befindlichen Hunde, von denen\ndie Klägerin berichtet hat. Auch war es ihm bis heute nicht möglich,\nwirtschaftlich in Polen Fuß zu fassen, so dass davon auszugehen ist, dass auch\nseine wirtschaftliche Situation keinen nachhaltigen Aufenthalt in Polen\nerlaubte. Selbst aber wenn man unterstellte, der Ehemann der Klägerin habe\nsich in gleichem Umfang wie die Klägerin in Polen aufgehalten, so diente sein\nAufenthalt nur vordergründig dem Gebrauchmachen von seinem\nFreizügigkeitsrecht. Tatsächlich diente der Aufenthalt dem Abwarten auf das\npolnische Aufenthaltsrecht für die Klägerin, wie sich auch daran zeigt, dass\nsie von diesem Gebrauch machte, sobald es ihr erteilt worden war. Hier folgte\nsomit nicht der drittstaatsangehörige Ehegatte dem Unionsbürger, sondern der\nUnionsbürger dem drittstaatsangehörigen Ehegatten. Die Ableitung eines\nAufenthaltsrechts ist indessen nur für den umgekehrten Fall möglich.\n\n27\n\n \n\nAuch auf den unterstellten Aufenthalt von zwei Jahren kann sich die Klägerin\nnicht mit Erfolg berufen. Denn die Eheleute lebten mit Unterbrechungen diesen\nZeitraum in Polen. Im Rahmen dieser Unterbrechungen lebten sie in Deutschland\nin einem Haus, das in ihrem Eigentum steht. Sie waren somit nicht etwa nur zu\nBesuch bei der Mutter des Ehemanns der Klägerin, die im gleichen Ort wohnt,\nsondern haben sich immer wieder in ihrem eigenen Haus aufgehalten. Zudem haben\ndie Eheleute letztlich ihren Wohnort teilweise nach Polen verlegt, um die\nUmständlichkeit des Einholens eines Visums für den Ehegattennachzug in der\ndeutschen Botschaft Albanien zu vermeiden und letztlich einer Abschiebung der\nKlägerin nach Albanien zu entgehen. Sie haben deshalb in Polen um ein\nAufenthaltsrecht nachgesucht, waren aber, wie die Klägerin selbst geschildert\nhat, auch immer wieder in Deutschland. Das Umziehen nach Polen stellt sich vor\ndiesem Hintergrund als eine Art Flucht zum Zwecke der Umgehung des deutschen\nAufenthaltsrechts dar, nicht aber als klassisches Gebrauchmachen vom\nFreizügigkeitsrecht. Auch die Wohnsituation in Polen, die die Klägerin\ngeschildert hat, deutet nicht auf einen nachhaltigen Aufenthalt in Polen hin.\nDie Eheleute haben in einer nach den Schilderungen nicht sehr großzügigen\nWohnung eines anderen Ehepaars mit diesem anderen Ehepaar in Polen gelebt. Sie\nhaben sich dort die Küche und das Wohnzimmer mit diesem Paar geteilt. Auch\ndies spricht für eine bloße Zwischenlösung, nicht aber für ein Niederlassen in\nPolen. Der Ehemann der Klägerin hat auch nicht etwa den von ihm betriebenen\nAutohandel nach Polen verlegt. Er hat lediglich den Autohandel in Deutschland\naufgegeben. Eine Gründung eines Autohandels in Polen erfolgte nicht, so dass\nauch auf diese Weise die Nachhaltigkeit des Aufenthalts nicht festgestellt\nwerden kann.\n\n28\n\n \n\nZu einem anderen Ergebnis kommt das Gericht vor dem geschilderten Hintergrund\nder Unterbrechungen des Aufenthalts in Polen, auch nicht aufgrund des von\nPolen erlaubten vorübergehenden Aufenthalts beider Ehegatten in Polen.\n\n29\n\n \n\nWeitere Anspruchsgrundlagen für den geltend gemachten Anspruch bestehen nicht.\n\n30\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.\n\n31\n\n \n\nDie Entscheidung zu vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167\nVwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.\n\n32\n\n \n\nDie Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 8.1 des\nStreitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.\n\n \n\n \n\n
321,293
vg-wurzburg-2019-07-23-w-8-s-1931343
291
Verwaltungsgericht Würzburg
vg-wurzburg
Würzburg
Bayern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
W 8 S 19.31343
2019-07-23
2019-08-06 10:01:27
2020-12-10 13:24:47
Beschluss
## Tenor\n\nI. Der Antrag wird abgelehnt.\n\nII. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten\nwerden nicht erhoben.\n\n## Gründe\n\nI.\n\nDer Antragsteller ist algerischer Staatsangehöriger, der nach eigenen Angaben\nam 12. Juni 2019 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und am 3.\nJuli 2019 einen Asylantrag gestellt hat. Am 5. Juli 2019 nahm der\nAntragsteller seinen Asylantrag zurück.\n\nMit Bescheid vom 8. Juli 2019 stellte das Bundesamt für Migration und\nFlüchtlinge das Asylverfahre ein (Nr. 1). Weiter stellte es fest, dass\nAbschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen\n(Nr. 2). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland\ninnerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Ihm\nwurde die Abschiebung nach Algerien bzw. in einem anderen Staat angedroht (Nr.\n3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG\nwurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.\n\nDer Antragsteller erhob zu Protokoll des Urkundsbeamten am 18. Juli 2019 im\nVerfahren W 8 K 19.31342 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid und\nbeantragte gleichzeitig im vorliegenden Sofortverfahren:\n\nDie aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.\n\nZur Antragsbegründung verwies der Antragsteller auf die Anhörung beim\nBundesamt und führte weiter im Wesentlichen aus: Er wolle nun doch Asyl haben.\nEr wolle sein Asylverfahren fortsetzen. Er könne nicht zurück nach Algerien.\nEr habe in Algerien keine Familie mehr und niemand, der ihn unterstützen\nkönnte. Er wäre bei einer Rückkehr allein in Algerien. Er sei als junger\nMensch nach Frankreich gekommen und danach sei er in die Schweiz.\n\nWegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte\n(einschließlich der Akte in der Hauptsache W 8 K 19.31342) und die\nbeigezogenen Behördenakte Bezug genommen.\n\nII.\n\nDer Antrag ist zulässig, aber unbegründet.\n\nDer Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, der sich bei sachgerechter Auslegung gegen\ndie Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheides richtet, ist statthaft, weil\nder in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO\ni.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung zukommt, da die\nAusreisefrist im Falle der Rücknahme des Asylantrags gemäß § 38 Abs. 2 AsylG\neine Woche beträgt.\n\nIm Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat das Gericht eine eigenständige\nAbwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen, wobei insbesondere auch\nauf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen ist. Der Maßstab des §\n36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, nach dem die Aussetzung der Abschiebung angeordnet\nwerden darf, wen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen\nVerwaltungsakts bestehen, ist vorliegend nicht anwendbar (vgl. auch VG Bremen,\nB.v. 23.3.2018 - 6 V 606/18 - AuAS 2018, 117).\n\nDas Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat das Asylverfahren zu Recht\nnach § 32 Satz 1 AsylG infolge der Antragsrücknahme eingestellt, weil der\nAntragsteller seinen Asylantrag wirksam zurückgenommen hat. Die vom\nAntragsteller unterschriebene Rücknahmeerklärung befindet sich in der\nBehördenakte (Bl. 97 der Bundesamtsakte).\n\nDie Rücknahme ist als verfahrensgegenständliche Willenserklärung - in\nParallele zur Unanfechtbarkeit einer Klagerücknahme - von Ausnahmen abgesehen\naus Gründen der Rechtssicherheit nicht anfechtbar oder widerrufbar. Für das\nVorliegen von Ausnahmen, wie arglistige Täuschung, Drohung, unzulässiger\nDruck, unzutreffende Empfehlung oder Belehrung durch das Bundesamt oder die\nAusländerbehörde bzw. Vorliegen von Wiederaufgreifensgründen oder\noffensichtliches Versehen, ist weder etwas von Antragstellerseite vorgebracht\nnoch sonst ersichtlich. Eine Meinungsänderung, die der Antragsteller in der\nAntragsbegründung geltend macht, wonach er nun doch Asyl haben und sein\nAsylverfahren fortsetzen wolle, genügt nicht. Dem Antragsteller bleibt nur die\nMöglichkeit einen neuen Antrag zu stellen, der als Folgeantrag zu\nqualifizieren ist und die betreffenden Voraussetzungen erfüllen muss (vgl.\nHeusch in BeckOK, AuslR, Kluth/Heusch, 22. Edition, Stand: 1.5.2019, § 32\nAsylG Rn. 16 und 21 m.w.N.).\n\nDes Weiteren liegen keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7\nSatz 1 AufenthG vor. Der Antragsteller hat insoweit nur vorgebracht, dass er\nin Algerien keine Familie mehr habe und ihn niemand unterstützen könnte Er\nwäre bei einer Rückkehr allein in Algerien. Er sei als junger Mensch (mit 9\nJahren) nach Frankreich gekommen und später in die Schweiz gegangen. Denn\ndiese Umstände stehen einer Rückkehr des Antragstellers nach Algerien nicht\nentgegen.\n\nDas Gericht hat insbesondere keine durchgreifenden Zweifel, dass dem\nAntragsteller im Anschluss an seiner Rückkehr die Sicherung seiner\nwirtschaftlichen Existenz möglich sein wird. Dem Antragsteller ist es\nzuzumuten, sich eine Arbeit zu suchen, wobei ihm womöglich auch seine in\nEuropa erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu Gute kommen mögen, so dass er\nsich jedenfalls sein Existenzminimum sichern kann. Gegenteiliges folgt auch\nnicht aus der wirtschaftlichen und sozialen Lage Algeriens. In Algerien ist\ndie Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und auch die\nmedizinische Grundversorgung gewährleistet (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über\ndie asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik\nAlgerien vom 25.6.2019, Stand: Mai 2019, S. 8 f., 20 f.; BFA, Bundesamt für\nFremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der\nStaatendokumentation Algerien vom 12.3.2018, S. 24 ff.). Der Antragsteller ist\nnoch jung und erwerbsfähig; ihm ist zuzumuten, zur Sicherung seines\nExistenzminimums den notwendigen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu\nverdienen bzw. auch auf sonstige Hilfemöglichkeiten in Algerien\nzurückzugreifen. Letztlich ist dem Antragsteller eine (Re-)Integration in die\nLebensverhältnisse seines Heimatstaates möglich und zumutbar (im Ergebnis\nebenso BVerwG, U.v. 15.4.2019 - 1 C 46/18 - juris; U.v. 27.3.2018 - 1 A 5/17 -\nBuchholz 402.242, § 58a AufenthG Nr, 12; VG Stade, U.v. 1.4.2019 - 3 A 32/18 -\njuris; VG Magdeburg, U.v. 6.12.2018 - 8 A 206/18 - juris; VG Minden, U.v.\n28.3.2017 - 10 K 883/16.A - juris; U.v. 22.8.2016 - 10 K 821/16.A - juris; VG\nKöln, B.v. 24.8.2016 - 3 L 1612/16.A - juris).\n\nDer Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.\nGerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).\n\n
321,406
ovgni-2019-07-29-13-f-22719
601
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
ovgni
Niedersachsen
13 F 227/19
2019-07-29
2019-08-09 10:02:13
2020-12-10 13:25:04
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nDer Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.\n\n \n\nDer Rechtsstreit wird an das Oberlandesgericht Braunschweig verwiesen.\n\n \n\nDie Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.\n\n \n\nDie Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen.\n\n \n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nI. Gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG hat der\nSenat nach der bereits erfolgten Anhörung der Beteiligten die Unzulässigkeit\ndes Verwaltungsrechtswegs von Amts wegen auszusprechen.\n\n2\n\n \n\nMit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung des beklagten\nLandes Niedersachsen zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 16.016,61\nEUR, weil das vor dem Amtsgericht Goslar von ihr betriebene, noch anhängige\nzivilgerichtliche Klageverfahren 4 C 27/17 inzwischen eine überlange\nProzessdauer erreicht habe. Die Klage ist damit auf die Durchsetzung eines\nAnspruchs auf angemessene Entschädigung wegen unangemessener Dauer des\nGerichtsverfahrens (§ 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 GVG) vor einem\nAmtsgericht gerichtet.\n\n3\n\n \n\nHierfür ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der mangels\neiner eingreifenden aufdrängenden Sonderzuweisung anzuwenden ist, nicht\neröffnet. Derartige Entschädigungsklagen sind zwar öffentlich-rechtliche\nStreitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne des ersten Halbsatzes\ndieser Vorschrift, weil sie ausschließlich Ansprüche des Bürgers gegenüber dem\nStaat in dessen Eigenschaft als Hoheitsträger betreffen (vgl. Bayerischer VGH,\nBeschl. v. 8.1.2015 - 23 A 14.2584 -, juris Rn. 4). Jedoch besteht eine\nabdrängende Sonderzuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz\nVwGO gemäß § 201 Abs. 1 GVG an die ordentlichen Gerichte. Diese\nbundesgesetzliche Norm weist die Zuständigkeit für Klagen auf Entschädigung\nwegen der unangemessen langen Dauer von Verfahren der ordentlichen\nGerichtsbarkeit - wie hier der Zivilabteilung des Amtsgerichts Goslar - mit\nden Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof ausschließlich Gerichten der\nordentlichen Gerichtsbarkeit zu. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht\nist demgegenüber nach § 173 Satz 2 VwGO in Verbindung mit §§ 198 ff. GVG nur\nfür solche Entschädigungsklagen zuständig, die sich auf ein gerichtliches\nVerfahren vor den Gerichten der niedersächsischen Verwaltungsgerichtsbarkeit\nbeziehen.\n\n4\n\n \n\nII. Zugleich hat der Senat gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17a\nAbs. 2 Satz 1 GVG nach auch insoweit erfolgter Anhörung der Beteiligten die\nRechtsstreitigkeit an das Oberlandesgericht Braunschweig als das auch örtlich\nzuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen.\n\n5\n\n \n\nAusschließlich zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist\nnach § 201 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 GVG dasjenige Oberlandesgericht, in dessen\nBezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Dies ist hier\ndas Oberlandesgericht Braunschweig, weil das Verfahren 4 C 27/17 vor der\nZivilrichterin bzw. dem Zivilrichter des Amtsgerichts Goslar in dessen Bezirk\ngeführt wird (vgl. §§ 34 Abs. 2 Nr. 1, 33 Abs. 2 Nr. 2, 32 Abs. 1 NJG) und\nsich die Entschädigungsklage gegen das Land Niedersachsen richtet, welches\nnach § 200 Satz 1 GVG für Nachteile haften kann, die aufgrund von\nVerzögerungen bei seinen Gerichten - und damit auch beim Amtsgericht Goslar -\neingetreten sind.\n\n6\n\n \n\nIII. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor dem\nOberverwaltungsgericht bleibt gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17b\nAbs. 2 Satz 1 GVG der Endentscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig als\ndesjenigen Gerichts, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, vorbehalten.\n\n7\n\n \n\nIV. Gründe für die Zulassung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht\ngemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG liegen nicht\nvor.\n\n8\n\n \n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 173 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 4 Satz 4\nGVG).\n\n* * *\n\n![Abkürzung Fundstelle](/jportal/cms/technik/media/res/shared/icons/icon_doku-\ninfo.gif)Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können\nSie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in\nIhre Favoriten als Lesezeichen einfügen.\', WIDTH, -300, CENTERMOUSE, true,\nABOVE, true );" onmouseout="UnTip()"> Diesen Link können Sie kopieren und\nverwenden, wenn Sie genau dieses Dokument verlinken möchten: \nhttp://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid;=MWRE190002639&psml;=bsndprod.psml&max;=true\n\n
321,461
sg-mainz-2019-07-30-s-14-as-26019
913
Sozialgericht Mainz
sg-mainz
Mainz
Rheinland-Pfalz
Sozialgerichtsbarkeit
S 14 AS 260/19
2019-07-30
2019-08-13 10:01:07
2020-12-10 13:25:12
Urteil
ECLI:DE:SGMAINZ:2019:0730.S14AS260.19.00
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Der Bescheid vom 8. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.\nMärz 2019 wird aufgehoben und der Beklagte dem Grunde nach verurteilt, der\nKlägerin zu 1 seit dem 18. Februar 2019 und den übrigen Klägern seit dem 7.\nMärz 2019 unter Anrechnung des Einkommens sowie von Ortsabwesenheiten für\neinen Bewilligungszeitraum Arbeitslosengeld II (Klägerin zu 1 und Kläger zu 2)\nbzw. Sozialgeld (weitere Kläger) zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage\nabgewiesen.\n\n \n\n2\\. Der Beklagte hat den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu\nerstatten.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten um Grundsicherungsleistungen seit dem 1. März 2019.\n\n2\n\n \n\nDie Kläger sind eine Familie aus Rumänien. Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu\n2 sind seit Oktober 2012 verheiratet. Die weiteren Kläger sind ihre Kinder.\n\n3\n\n \n\nLaut Feststellung des Sozialgerichts Hannover betrieben die Klägerin zu 1 und\nder Kläger zu 2 in Rumänien eine Gärtnerei. Das Einkommen von monatlich 100\nEuro habe nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgereicht.\n\n4\n\n \n\nDie Klägerin zu 4 wurde 2008 in Spanien geboren.\n\n5\n\n \n\nDer Kläger zu 5 wurde 2009 in Spanien geboren.\n\n6\n\n \n\nDie Klägerin zu 6 wurde 2011 in Spanien geboren\n\n7\n\n \n\nAm 17. November 2012 reiste der Kläger zu 2 ins Bundesgebiet ein. Der Kläger\nzu 2 gab an, auf Arbeitssuche zu sein. Die Ausländerbehörde der\nLandeshauptstadt Hannover erteilte eine Bescheinigung nach § 5\nFreizügigkeitsgesetz bis zum 16. Mai 2013.\n\n8\n\n \n\nAm 17. November 2012 der Kläger zu 2 zog er aus seiner Unterkunft aus.\n\n9\n\n \n\nLaut Ausländerakte stand der Kläger zu 2 im Verdacht am 4., 10. und 11.\nDezember 2012 Wohnungseinbrüche und zwischen 10. und 12. Dezember 2012 vier\nWarenkreditbetruge begangen zu haben.\n\n10\n\n \n\nAm 23. Juli 2013 erfolgte Mitteilung der Polizei Baden-Württemberg an die\nAusländerbehörde Hannover über einen besonders schweren Fall des Diebstahls (§\n243 StGB) des Klägers zu 2 im Galeria Kaufhof Reutlingen.\n\n11\n\n \n\nAm 3. August 2013 erfolgte gegen den Kläger zu 2 Anzeige wegen Ladendiebstahls\nund wegen Wohnungseinbruchs.\n\n12\n\n \n\nAm 2. Oktober 2013 und am 26. Oktober 2013 erfolgten gegen den Kläger zu 2\njeweils Anzeigen wegen des Verdachts auf Ladendiebstahl und am 28. Oktober\n2013 wegen Altmetalldiebstahls.\n\n13\n\n \n\nAm 21. Oktober 2013 zogen die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2, die Klägerin\nzu 4, der Kläger zu 5 und die Klägerin zu 6 in die Wohnung am Wiesengrunde 11\nin Hannover. Es handelte sich um eine Notunterkunft der Landeshauptstadt\nHannover. Diese Wohnung wurde der Meldebehörde der Landeshauptstadt Hannover\ngemeldet.\n\n14\n\n \n\nAm 26. Oktober 2013 erfolgte Anzeige gegen den Kläger zu 2 wegen\ngemeinschaftlichen Ladendiebstahls in Hannover.\n\n15\n\n \n\nAm 18. Dezember 2013 wurde der Kläger zu 2 von der Staatsanwaltschaft Hannover\nwegen des Wohnungseinbruchs am 4. Dezember 2012 und am 3. August 2013\nangeklagt. Wegen des Wohnungseinbruchs am 3. August 2013 wurde er zu einem\nJahr Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.\n\n16\n\n \n\nDer Kläger zu 2 wurde weiterhin am 13. Januar 2014 wegen des Ladendiebstahls\nam 26. Oktober 2013 angeklagt. Hier wurde er zu 30 Tagessätzen Geldstrafe\nverurteilt.\n\n17\n\n \n\nAm 21. Januar 2014 zog der Kläger zu 2 aus der Unterkunft mit dem Ziel\nRumänien aus und am 21. Februar 2014 wieder ein.\n\n18\n\n \n\nLaut Ausländerakte stand der Kläger zu 2 im Verdacht am 10. März 2014\nWarenkreditbetrug und am 11. März 2014 einen weiteren Warenkreditbetrug\nbegangen zu haben.\n\n19\n\n \n\nAm 28. Mai 2014 wurde die Klägerin zu 3 in Hannover geboren.\n\n20\n\n \n\nDie Klägerin zu 1 ist zu einer Geldstrafe verurteilt wegen\nLeistungserschleichung („Schwarzfahren“) am 21. November 2014, am 3. Dezember\n2014 und am 8. Mai 2015.\n\n21\n\n \n\nDer Kläger zu 2 verbüßte vom 27. Februar 2015 bis Ende Juni 2015 eine\nHaftstrafe in Spanien.\n\n22\n\n \n\nAm 29. Juni 2015 teilte die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Hannover dem\nSozialgericht Hannover mit, es seien keine Anhaltspunkte erkennbar, dass die\nKläger über ein Freizügigkeitsrecht und damit über ein Aufenthaltsrecht in der\nBundesrepublik verfügten.\n\n23\n\n \n\nLaut Rentenauskunft der DRV Bund vom 4. März 2019 hat der Kläger zu 2 vom 10.\nJuli bis 14. August 2015 abhängig gearbeitet; er verdiente insgesamt 817 Euro.\n\n24\n\n \n\nDie Klägerin zu 3 besuchte im Familienzentrum im Wiesengrunde (Hannover) vom\n1. August 2015 bis in den März 2019 (Abmeldung: 31. März 2019) die Krippe und\nden Kindergarten.\n\n25\n\n \n\nDer Kläger zu 5 besuchte im Familienzentrum im Wiesengrunde (Hannover) vom 1.\nAugust 2015 bis 31. März 2019 den Kindergarten und den Hort.\n\n26\n\n \n\nDie Klägerin zu 6 besuchte im Familienzentrum im Wiesengrunde (Hannover) vom\n1. August 2015 bis 31. März 2019 den Kindergarten und den Hort.\n\n27\n\n \n\nLaut Rentenauskunft der DRV Bund vom 4. März 2019 hat der Kläger zu 2 vom 1.\nOktober bis 31. Dezember 2015 gearbeitet; er verdiente insgesamt 1.350 Euro.\n\n28\n\n \n\nDie Klägerin zu 1 ist zu einer Geldstrafe verurteilt wegen eines Diebstahls am\n17. Dezember 2015.\n\n29\n\n \n\nLaut Rentenauskunft der DRV Bund vom 4. März 2019 hat der Kläger zu 2 vom 1.\nJanuar bis 30. April 2016 abhängig gearbeitet; er verdiente insgesamt 1.800\nEuro.\n\n30\n\n \n\nDie Klägerin zu 1 ist zu einer Geldstrafe verurteilt wegen eines\nLadendiebstahls am 6. Februar 2016.\n\n31\n\n \n\nDie Klägerin zu 1 ist zu einer Geldstrafe verurteilt wegen eines\nLadendiebstahls am 25. Juni 2016.\n\n32\n\n \n\nDie Klägerin zu 4 besuchte im Familienzentrum im Wiesengrunde (Hannover) vom\n1. August 2016 bis 31. März 2019 den Kindergarten und den Hort. Die Klägerin\nzu 4 besuchte seit 2015 die Grundschule Tegelweg (Hannover) und im ersten\nHalbjahr 2018/2019 bis zum 6. März 2019 die Klasse 3d der Grundschule Tegelweg\n(Hannover).\n\n33\n\n \n\nLaut Rentenauskunft der DRV Bund vom 4. März 2019 hat der Kläger zu 2 abhängig\nvom 1. Januar 2017 bis 31. März 2017 gearbeitet; er verdiente geringfügig\ninsgesamt 1.350 Euro,\n\n34\n\n \n\nDie Klägerin zu 8 wurde am 26. Oktober 2017 in Hannover geboren.\n\n35\n\n \n\nLaut Rentenauskunft der DRV Bund vom 4. März 2019 hat der Kläger zu 2\nweiterhin abhängig wie folgt gearbeitet:\n\n36\n\n \n\n\\- vom 4. bis 29. Dezember 2017 verdiente er 494 Euro.\n\n37\n\n \n\n\\- vom 2. Juli bis 7. August 2018 verdiente er 475 Euro.\n\n38\n\n \n\nEr hat somit seit Juli 2015 bis August 2018 12 Monate Beitragszeiten erworben:\n\n39\n\n \n\nDie Polizei ermittelt gegen den Kläger zu 2 wegen Führen eines PKWs ohne\nPflichtversicherung am 20. Juli 2018.\n\n40\n\n \n\nDie Polizei ermittelt gegen den Kläger zu 2 wegen gefährlicher\nKörperverletzung. am 16. August 2018.\n\n41\n\n \n\nDer Kläger zu 7 wurde am 18. Januar 2019 in Hannover geboren.\n\n42\n\n \n\nZum 1. Februar 2019 mietete die Schwester der Klägerin zu 1 für die Kläger ein\n160 qm großes Haus in Bad Kreuznach mit einer Monatsmiete von 1.550 Euro\n(1.200 Euro Nettokaltmiete, 100 Euro Nebenkosten, 250 Euro Heizgas) an.\n\n43\n\n \n\nDie Klägerin zu 1 beantragte in Begleitung ihrer Schwester am 27. Februar 2019\nfür die Familie beim Beklagten Grundsicherung.\n\n44\n\n \n\nDie Kläger zu 4, 5 und 6 wechselten in die Grundschule Hofgartenstraße (Bad\nKreuznach).\n\n45\n\n \n\nAm 8. März 2019 sprachen die Klägerin zu 1 und ihre Schwester beim Beklagten\nvor und teilten mit, man könne sich nicht mehr an den letzten Arbeitgeber des\nKlägers zu 2 erinnern.\n\n46\n\n \n\nDer Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 8. März 2019 ab.\n\n47\n\n \n\nAm 14. März 2019 erhob die Klägerin zu 1 Widerspruch gegen den Bescheid. Die\nKlägerin zu 1 reichte am gleichen Tag ein Arbeitszeugnis der Beschäftigung des\nKlägers zu 2 bei der Firma S. Personalmanagement GmbH vom 2. Juli bis 7.\nAugust 2018 ein. Demnach wurden dem Kläger zu 2 für den Monat Juli 2018 277,98\nEuro ausgezahlt und im Monat August 2018 nach Abzug von Kosten der\nArbeitskleidung 25,71 Euro einbehalten. Die Kündigung erfolgte fristlos.\nRückfrage des Beklagten bei der Firma S. ergab, dass der Kläger nicht mehr zur\nArbeit erschienen war und angab, er wolle nach Rumänien verreisen.\n\n48\n\n \n\nMit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2019 wies der Beklagte den Widerspruch\nals unbegründet zurück. Die Kläger seien von Leistungen der Grundsicherung\nausgeschlossen.\n\n49\n\n \n\nDie Klägerin zu 1 bezieht Kindergeld und Elterngeld. Vom 28. März 2019 bis 30.\nJuni 2019 war die Klägerin im Umfang von 7,5 Stunden pro Woche bei der Firma\nN. B. GmbH beschäftigt. Laut Verdienstabrechnungen erhielt die Klägerin zu 1\nfür April 357,03 EUR, für Mai 325,09 EUR und für Juni 278,52 EUR Gehalt.\nDieses floss ihr am 15. des Folgemonats zu.\n\n50\n\n \n\nGegen den Widerspruchbescheid richteten die Kläger ihre Klage vom 25. April\n2019. Sie tragen vor, es liege ein unbefristeter Daueraufenthaltstitel vor.\nDie Familie sei am 18. Februar 2018 mit dem Auto von Hannover nach Bad\nKreuznach umgezogen. Der Kläger zu 2 halte sich gerechnet ab dem Termin der\nmündlichen Verhandlung am 30. Juli 2019 seit eineinhalb Monaten im Großraum\nHannover auf.\n\n51\n\n \n\nDie Kläger beantragen,\n\n52\n\n \n\nden Bescheid vom 8. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.\nMärz 2019 aufzuheben und den Klägern ab dem 18. Februar 2019 Arbeitslosengeld\nII zu gewähren.\n\n53\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n54\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n55\n\n \n\nEr bezieht sich auf den Inhalt der Verwaltungsakte und ihres\nWiderspruchsbescheids.\n\n56\n\n \n\nWegen der übrigen Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten\nder Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n57\n\n \n\nDie Klage hatte im Umfang des Tenors Erfolg. Die Klage ist als einer\nAnfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG) zulässig,\nwobei die Kläger keinen bezifferten Antrag gestellt, sondern eine Verurteilung\ndem Grunde nach beantragt haben.\n\n58\n\n \n\nDie Klage ist begründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten ist\nrechtswidrig und beschwert die Kläger. Diese haben dem Grunde nach Anspruch\nauf Grundsicherungsleistungen.\n\n59\n\n \n\nDie Klägerin zu 1 hat dem Grunde nach Anspruch auf Grundsicherungsleistungen\nseit dem 18. Februar 2019.\n\n60\n\n \n\nNach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die 1.\ndas 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht\nerreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren\ngewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige\nLeistungsberechtigte). Ausgenommen sind u.a. (2.) Ausländerinnen und\nAusländer, a) die kein Aufenthaltsrecht haben, b) deren Aufenthaltsrecht sich\nallein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder c) die ihr Aufenthaltsrecht\nallein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Artikel 10 der\nVerordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.\nApril 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L\n141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107\nvom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist, ableiten, und ihre\nFamilienangehörigen, 3. Leistungsberechtigte nach § 1 des\nAsylbewerberleistungsgesetzes (Satz 2). Abweichend von Satz 2 Nummer 2\nerhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen\nnach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen\nAufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts\nnach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist\nnach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten\ndes nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht,\nwerden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet.\nAufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.\n\n61\n\n \n\nDie Klägerin zu 1 erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II. Sie\nist aber nach § 7 Abs. SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Sie verfügt\ninsbesondere aktuell unionsrechtlich über kein eigenes oder abgeleitetes\nAufenthaltsrecht.\n\n62\n\n \n\nEs besteht kein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU als\nArbeitnehmerin oder Selbständige. Die Klägerin zu 1 war seit Einreise bis zum\n27. März 2019 nicht erwerbstätig oder selbständig. Die Aushilfsbeschäftigung\nbei der Firma N. B. GmbH löst keinen Arbeitnehmerstatus im Sinne des\nFreizügigkeitsrechts aus. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist der\nBegriff des Arbeitnehmers nach Unionsrecht zu bestimmen und nicht eng\nauszulegen. Arbeitnehmer ist nur, wer eine tatsächliche und echte Tätigkeit\nausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang\nhaben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen.\n\n63\n\n \n\nDas wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand\nwährend einer bestimmten Zeit für einen Anderen nach dessen Weisung Leistungen\nerbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Dabei ist nur\nauf objektive Kriterien abzustellen. Die rechtliche Einordnung des\nVerhältnisses zwischen Empfänger und Erbringer der Arbeitsleistung nach\nnationalem Recht ist unerheblich. Unerheblich ist ferner, woher die Mittel für\ndie Vergütung des Arbeitnehmers stammen, ob das Rechtsverhältnis nach\nnationalem Recht ein Rechtsverhältnis eigener Rechtsform ist oder wie hoch die\nProduktivität des Betroffenen ist (vgl. nur EuGH, Urteil vom 7. September\n2004, Rs. C-456/02 – Trojani; EuGH, Urteil vom 6. November 2003, Rs. C-413/01\n– Ninni-Orasche; EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009, verb. Rs. C-22/08 und C-23/08\n– Vatsouras und Koupatantze). Das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft ist im\nRahmen einer Gesamtschau aller Umstände der fraglichen Tätigkeiten als auch\ndes fraglichen Vertragsverhältnisses zu entscheiden. Der EuGH hat bereits\nTätigkeiten mit einer Wochenarbeitszeit von 10 bis 12 sowie von 5,5\nWochenstunden für die Begründung des Arbeitnehmerstatus ausreichen lassen\n(EuGH, Urteil vom 3. Juni 1986, Rs. 139/85 – Kempf; EuGH, Urteil vom 4.\nFebruar 2010, Rs. C–14/09 – Genc). Der EuGH hat auch keinen Mindestbetrag für\neine Vergütung festgelegt, unterhalb derer ein Unionsbürger nicht oder nicht\nmehr als Arbeitnehmer anzusehen ist. Er hat bereits ein Monatseinkommen von\n175 Euro ausreichen lassen. Der Gerichtshof hat allerdings weitere Kriterien\nbenannt, die zur Klärung herangezogen werden können, ob es sich um eine\ntatsächliche und echte Tätigkeit handelt, darunter ein Anspruch auf bezahlten\nUrlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung eines gültigen\nTarifvertrags der Branche auf dieses Beschäftigungsverhältnis oder die bereits\nbestehende Dauer des Arbeitsverhältnisses (EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010,\nRs. C-14/09 – Genc). Eine nach nationalem Recht geringfügige Beschäftigung\nkann eine Arbeitnehmereigenschaft begründen. Gegen eine\nArbeitnehmereigenschaft spricht aber, wenn unter Würdigung der angeführten\nUmstände in unangemessener Weise öffentliche Leistungen in Anspruch genommen\nwerden (vgl. EuGH, Urteil vom 20. September 2001 - C-184/99 -, juris;\nHessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 05. März 2019 – 9 B 56/19 –,\njuris Rn. 8).\n\n64\n\n \n\nVorliegend spricht für die Arbeitnehmereigenschaft, dass die Klägerin\nzumindest für drei Monate eine Beschäftigung mit einem Monatseinkommen von\n357,03 EUR (April 2019), 325,09 EUR (Mai 2019) und 278,52 EUR (Juni 2019)\nGehalt aufgenommen hat.\n\n65\n\n \n\nDagegen spricht jedoch, dass die Umstände der Einreise, die fehlenden\nQualifizierungsbemühungen zum Erlernen der deutschen Sprache, die nur kurze\nDauer und der geringe Umfang der gehabten Beschäftigung der Klägerin zu 1 und\ndie musterhafte Aufnahme von Beschäftigungen dieser Art ohne Nachhaltigkeit,\ndie begangenen Straftaten, Grund zur Annahme geben, dass die Kläger unter dem\nDeckmantel des vermeintlichen Arbeitnehmerstatus in unangemessener Weise\nSozialleistungen in Anspruch nehmen wollen.\n\n66\n\n \n\nDie Klägerin zu 1 und 2 haben angegeben, von ihrer Arbeit in Rumänien nicht\nhaben leben zu können und daher ausgewandert zu sein.\n\n67\n\n \n\nDie Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 sind Ende 2013 aus Spanien ins\nBundesgebiet ungelernt eingereist, ohne sich eine berufliche Perspektive\naufzubauen und ohne die deutsche Sprache ausreichend zu lernen. Die Klägerin\nzu 1 spricht kaum Deutsch. Sie hat bis 2019 keine Erwerbstätigkeit\naufgenommen. Nach Angabe der Schwester der Klägerin zu 1 in der mündlichen\nVerhandlung spricht der Kläger zu 2 kein Deutsch und ist mangels\nGesprächspartner in Bad Kreuznach zu seinen rumänischen Freunden nach Hannover\ngezogen. Dies und seine nur selektiven, kurzen, geringfügigen und zuletzt\nabrupt selbst beendeten Erwerbstätigkeit deuten nicht darauf hin, dass er im\nzum eigenen Unterhalt oder zu dem seiner Familie erwerbstätig sein möchte.\n\n68\n\n \n\nDie Klägerin zu 1 folgt in ihrer Erwerbstätigkeit dem Verhalten des Klägers zu\n2. Der Kläger zu 2 hat immer wieder kurze Beschäftigungen aufgenommen und\ndadurch ergänzend Sozialleistungen erhalten. Dieses Muster setzt sich nach der\nAblehnung der Sozialleistungen durch den Beklagten nunmehr in der bereits\nwieder beendeten Beschäftigung der Klägerin zu 1 fort. Eine\nerwerbsarbeitsbasierte Perspektive für sich und ihre Familie bauen die\nKlägerin zu 1 und der Kläger zu 2 damit nicht auf. Es drängt sich auch nicht\nder Eindruck auf, dass dies gewollt wäre.\n\n69\n\n \n\nDer Umfang der Beschäftigung der Klägerin zu 1 ist noch nicht einmal geeignet,\ndass die Klägerin zu 1 ihren eigenen Lebensunterhalt in Form des Regelbedarfs\nund der (kopfteiligen) enormen Belastungen aus der Wohnungsmiete decken kann.\nHinzu kommt die nur kurze Beschäftigungsdauer, ohne dass eine\nAnschlussbeschäftigung erreicht und in der mündlichen Verhandlung nachgewiesen\nwerden konnte. Dies ist angesichts einer Arbeitsmarktlage, in der im\nReinigungsgewerbe händeringend Mitarbeiter gesucht werden, nicht\nnachvollziehbar.\n\n70\n\n \n\nDie Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 haben während der Dauer ihres\nAufenthalts eine Vielzahl von Straftaten begangen.\n\n71\n\n \n\nIn der Würdigung der Gesamtumstände geht die erkennende Kammer nicht von einer\nArbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts aus. Sie geht vielmehr davon\naus, dass die Klägerin zu 1 (und auch der Kläger zu 2) bewusst darauf setzen,\nfür sich und die weiteren Kläger in unangemessener Weise staatliche Leistungen\nin Anspruch zu nehmen.\n\n72\n\n \n\nEs besteht für die Klägerin zu 1 seit 18. Februar 2019 auch kein abgeleitetes\nAufenthaltsrecht als Familienangehörige aufgrund einer Erwerbstätigkeit des\nKlägers zu 2. Die Kammer muss nicht entscheiden, ob hier während der gesamten\nAufenthaltsdauer kein Arbeitnehmerstatus bestand. Ein in den\nstreitgegenständlichen Zeitraum hineinwirkendes, nachwirkendes\nAufenthaltsrecht aufgrund des vom 2. Juli bis 7. August 2018 bestehenden\nArbeitsverhältnisses des Klägers zu 2 mit der Firma Schaffrin kann aus\nrechtlichen Gründen nicht bestehen. Nach § 2 Abs. 2 S. 2 FreizügG/EU bleibt\nbei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigte\nArbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung das\nFreizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer während der Dauer von sechs Monaten\nunberührt. Die sechs Monate wären am 6. Februar 2019 abgelaufen gewesen.. Eine\nUnfreiwilligkeit dürfte aber ohnehin nicht vorliegen, da der Kläger zu 2\naußerordentlich gekündigt wurde, da er nicht mehr zur Arbeit erschien.\n\n73\n\n \n\nEin Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU ist bei der Klägerin zu 1\nnicht entstanden. Nach § 4a Abs. 1 S.1 FreizügG/EU haben Unionsbürger, die\nsich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben,\nunabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2\nFreizügG/EU das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht). Es\nfehlt hier an der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts. Die Klägerin zu 1 kann sich\n– sofern überhaupt davon ausgegangen werden kann, dass sie in der\nBundesrepublik Deutschland ernsthafte Anstrengungen zur Aufnahme einer\nErwerbstätigkeit entfaltet hat oder entfalten wird – allein auf ein\nFreizügigkeitsrecht zur Arbeitsuche berufen. Dieses bestand nach § 2 Abs. 2\nNr. 1 a) FreizügG/EU nur für bis zu sechs Monate nach Einreise ins\nBundesgebiet und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen kann, dass sie\nweiterhin Arbeit sucht und begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden.\nEinen solchen Nachweis hat die Klägerin zu 1 nicht erbracht.\n\n74\n\n \n\nEin Daueraufenthalt lässt sich auch nicht abgeleitet vom Kläger zu 2 als\nFamilienangehörige begründen. Die episodenhaften und sehr kurzen\nBeschäftigungsverhältnisse des Klägers zu 2 lassen nicht darauf schließen,\ndass dieser nach den ersten sechs Monaten des Aufenthalts dauerhaft Arbeit\nsuchte und begründete Aussicht hatte, eingestellt zu werden. Nachweise solcher\nBemühungen lagen im Klageverfahren jedenfalls nicht vor.\n\n75\n\n \n\nNichts anderes ergibt sich aus der Erwerbstätigkeit des Klägers zu 2. Der\nKläger hatte allenfalls sehr punktuell gearbeitet. Selbst wenn man die\nArbeitnehmereigenschaft und die Nachwirkung unterstellen wollte, deckte diese\nkeinen Fünfjahreszeitraum ab.\n\n76\n\n \n\nVorliegend greift jedoch für die Klägerin zu 1 die Rückausnahme (5-Jahres-\nRegel) des § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II. Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II erhalten\nAusländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach dem\nSGB II, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im\nBundesgebiet haben, solange nicht der Verlust des Freizügigkeitsrecht\nfestgestellt wurde. Die Frist beginnt dabei mit der Anmeldung bei der\nzuständigen Meldebehörde (§ 7 Abs. 1 Satz 5 SGB II).\n\n77\n\n \n\nNach § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er\nsich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er sich an diesem Ort\naufhält oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese\nDefinition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs, soweit\nsich nicht aus seinen besonderen Teilen etwas anderes ergibt (§ 37 SGB I). Der\nBegriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in erster Linie nach den objektiv\ngegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen\n(BSG, Urteil vom 29.05.1991 - 4 RA 38/90). Entscheidend ist, ob der örtliche\nSchwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft\nist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt,\nalso zukunftsoffen ist. Mit einem Abstellen auf den Schwerpunkt der\nLebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik soll - auch im Sinne einer\nMissbrauchsabwehr - ausgeschlossen werden, dass ein Wohnsitz im Wesentlichen\nnur formal zur Erlangung von Sozialleistungen begründet, dieser jedoch\ntatsächlich weder genutzt noch beibehalten werden soll (BSG, Urteil vom\n30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rn. 18 m.w.N.).\n\n78\n\n \n\nDie Klägerin zu 1 war seit 21. Oktober 2013 melderechtlich durchgängig in\nDeutschland registriert. Die Geburt der Klägerin zu 3 im November 2014 in\nHannover, die Straftaten in 2015 und 2016, der Besuch der Kinder in der\nKrippe, der Kita und der Grundschule sowie die Geburt der Kläger zu 6 und zu 7\nin Hannover dokumentieren den durchgängigen und nicht auf Beendigung\nangelegten Aufenthalt.\n\n79\n\n \n\nDieser Aufenthalt ist auch nicht ausreisepflichtig beendet. Zwar besteht der\ngrundsicherungsrechtliche Anspruch aus § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II unabhängig von\ndem durchgehenden Vorliegen einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung nach\ndem FreizügG/EU. Dies gilt aber nur, solange keine Verlustfeststellung durch\ndie Ausländerbehörde vorliegt. Dies ergibt sich aus der Gesetzessystematik mit\ndem Verweis auf die Verlustfeststellung und wird in den Materialien zur\nGesetzesbegründung ebenfalls hervorgehoben (vgl. BT-Drs. 18/10211 S. 14;\nLandessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07. Februar 2019 – L 2 AS\n860/18 B ER – juris Rn. 48). Eine solche Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4\nFreizügG/EU unter Berücksichtigung von 5.4.1.4 AVV zum FreizügG/EU hat die\nzuständige Ausländerbehörde Bad Kreuznach nicht getroffen.\n\n80\n\n \n\nDie erkennende Kammer geht unter Berücksichtigung der Antragstellung beim\nBeklagten durch die Klägerin zu 1 persönlich davon aus, dass die Klägerin zu 1\nbereits im Februar 2019 ihren ständigen Aufenthalt in Bad Kreuznach hatte.\n\n81\n\n \n\nFür die Dauer des Bewilligungszeitraum gilt § 41 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 SGB II. Der\nBewilligungszeitraum soll nach dieser Norm insbesondere in den Fällen\nregelmäßig auf sechs Monate verkürzt werden, in denen (2.) die Aufwendungen\nfür die Unterkunft und Heizung unangemessen sind. Unabhängig von einem\nwirksamen schlüssigen Konzept stellt der Wert aus § 12 Abs. 1 Wohngeldgesetz\nplus 10 Prozent die Grenze angemessener Bruttokaltmieten dar. Die Stadt Bad\nKreuznach ist nach der Anlage zur Wohngeldverordnung der Mietenstufe III\nzuzuordnen. Nach § 12 Abs. 1 Abs. 1 Wohngeldgesetz liegt der Wert für einen\nFünfpersonenhaushalt bei 750 Euro. Für jedes weitere Haushaltsmitglied kommen\n91 Euro dazu. Dies sind 1.023 Euro. Die Angemessenheitsgrenze liegt 10 Prozent\nhöher bei 1.125,30 Euro. Auch wenn dieser Betrag erst nach einer\nKostensenkungsaufforderung für die Kläger Auswirkungen auf die Leistungen\nhaben wird, gilt er bereits ab Leistungsantrag als angemessen. Die Kläger\nwohnen in einer Wohnung mit einer Bruttokaltmiete von 1.300 Euro. Dies liegt\nüber der Angemessenheitsgrenze. Der Bewilligungszeitraum beginnt am 1. Februar\n2019, die Leistung wird anteilig erbracht (§ 40 Abs. 1 S. 3 SGB II).\n\n82\n\n \n\nDie Klage der Klägerin zu 1 war daher vollumfänglich erfolgreich.\n\n83\n\n \n\nDer Kläger zu 2 hat dem Grunde nach Anspruch auf Grundsicherungsleistungen\nseit dem 7. März 2019.\n\n84\n\n \n\nAuch dieser Anspruch ergibt sich aus der Rückausnahme des § 7 Abs. 1 S. 4 SGB\nII. Die Unterbrechung aufgrund der Reise nach Rumänien und des\nGefängnisaufenthalts in Spanien sieht die erkennende Kammer unter\nBerücksichtigung des Rechtsgedankens aus § 4a Abs. 6 FreizügG/EU als\nunbeachtlich an. Ob die Zeit der Haft (etwas mehr als 4 Monate 6 Tage)\nanzurechnen ist, kann dahinstehen, da die fünf Jahre in diesem Fall am 24.\nFebruar 2019 abgelaufen wären. Das Gericht geht aber von einer\nLeistungsberechtigung in Bad Kreuznach frühestens ab dem 7. März 2019 aus.\nDies stützt das Gericht auf die Angabe der Schule der Klägerin zu 4 in\nHannover. Diese habe die Schule bis zum 6. März 2019 besucht. Es erscheint dem\nGericht daher fernliegend, dass sich beide Elternteile zwischen dem 18.\nFebruar und 6. März 2019 in Bad Kreuznach aufgehalten haben sollen, zumal\nallein die Klägerin zu 1 das Verfahren bei dem Beklagten betrieben hat. Einen\nNachweis für einen früheren Umzug hat der Kläger zu 2 nicht vorgelegt.\n\n85\n\n \n\nInwieweit der Kläger zu 2 einen Leistungsanspruch für den Zeitraum seiner\nOrtsabwesenheit hat, wird der Beklagte in seinem Bescheid zu beurteilen haben.\n\n86\n\n \n\nDer Bewilligungszeitraum beginnt am 1. Februar 2019 (§ 40 Abs. 3 S. 3 SGB II);\ndie Leistung wird im Monat Februar 2019 nicht und im März 2019 anteilig\nerbracht (§ 40 Abs. 1 S. 3 SGB II).\n\n87\n\n \n\nDie Klage des Klägers zu 2 war daher teilweise erfolgreich und im Übrigen\nabzuweisen.\n\n88\n\n \n\nDie Kläger zu 4, 5 und 6 haben dem Grunde nach Anspruch auf\nGrundsicherungsleistungen seit dem 7. März 2019.\n\n89\n\n \n\nAuch dieser Anspruch ergibt sich aus der Rückausnahme des § 7 Abs. 1 S. 4 SGB\nII, die auch für Familienangehörige gilt. Die Kläger zu 4 bis 6 sind nicht als\nAusländer im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II leistungsberechtigt, da sie das\n15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, was nach § § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1\nSGB II Bezugsvoraussetzung ist. Sie erhalten aber in Zusammenschau mit § 7\nAbs. 2 SGB II als Familienangehörige Leistungen. Die Kammer geht bei ihnen\nauch von einem gewöhnlichen Aufenthalt von mehr als fünf Jahren im\nBundesgebiet aus. Dies ergibt sich aus dem Kita- bzw. Schulbesuch.\n\n90\n\n \n\nAuch hier geht die Kammer aufgrund der Angabe zum Schulbesuch bei der Klägerin\nzu 4 davon aus, dass die Kläger zu 4 bis 6 erst am 7. März 2019 ihren\ngewöhnlichen Aufenthalt in Bad Kreuznach hatten.\n\n91\n\n \n\nDer Bewilligungszeitraum beginnt am 1. Februar 2019 (§ 40 Abs. 3 S. 3 SGB II);\ndie Leistung wird im Monat Februar 2019 nicht und im März 2019 anteilig\nerbracht (§ 40 Abs. 1 S. 3 SGB II).\n\n92\n\n \n\nDie Klage der Kläger zu 4 bis 6 war daher teilweise erfolgreich und im Übrigen\nabzuweisen.\n\n93\n\n \n\nDie Kläger zu 3, 7 und 8 haben dem Grunde nach Anspruch auf\nGrundsicherungsleistungen seit dem 7. März 2019.\n\n94\n\n \n\nAuch dieser Anspruch ergibt sich aus der Rückausnahme des § 7 Abs. 1 S. 4 SGB\nII, die auch für Familienangehörige gilt. Die Regelungen war teleologisch zu\nreduzieren.\n\n95\n\n \n\nNach dem klaren Wortlaut gilt diese Regelung zwar nur für Familienangehörige,\ndie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet\nhaben. Anders kann diese Norm nicht gelesen und ausgelegt werden. Dies war\nauch grundsätzlich von den Verfassern des Gesetzentwurfs so gewollt. In der\nGesetzentwurfsbegründung heißt es:\n\n96\n\n \n\nAbweichend hiervon kommen für die von den Leistungsausschüssen nach § 7 Absatz\n1 Satz 2 Nummer 2 (neu) erfassten Personen und ihre Familienangehörigen nun\nerstmals unter bestimmten Voraussetzungen auch Leistungen nach dem SGB II in\nBetracht (vergleiche § 7 Absatz 1 Satz 4 und 5 – neu –). Dies ist allerdings\nerst nach fünf Jahren der Fall, erst ab diesem Zeitpunkt ist von einer\nVerfestigung des Aufenthaltes auszugehen. Die Verfestigung tritt nicht ein\noder entfällt, wenn Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nach § 7 Absatz 1 Satz\n1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU zur Ausreise verpflichtet sind, weil die\nAusländerbehörde den Verlust des Freizügigkeitsrechts nach § 2 Absatz 7, § 5\nAbsatz 4 oder § 6 Absatz 1 FreizügG/EU festgestellt hat. Bis zum Ablauf von\nfünf Jahren oder – wenn der Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt\nwurde – auch nach Ablauf von fünf Jahren, sind auch die in § 7 Absatz 1 Satz 2\nNummer 2 genannten erwerbsfähigen Ausländerinnen und Ausländer und ihre\nFamilienangehörigen dem Leistungssystem des SGB XII zugewiesen, in dem ihnen\naber nur ein Anspruch auf eine zeitlich beschränkte Überbrückungsleistung\nzusteht. Diese zielt in erster Linie darauf ab, den Lebensunterhalt bis zur\nAusreise zu sichern und gegebenenfalls auf Antrag die Ausreise – durch die\ndarlehensweise Gewährung der Reisekosten – zu ermöglichen. Den betroffenen\nPersonen ist die Rückreise in das jeweilige Heimatland gefahrlos möglich und\nzumutbar. Die Leistungsausschlüsse erfassen auch Drittstaatsangehörige.\n\n97\n\n \n\n(Deutscher Bundestag, Drs. 18/10211, S. 14)\n\n98\n\n \n\nDie Verfasser des Gesetzentwurfs haben ein Regelungskonzept etabliert, bei dem\ndie es auf die Verfestigung des Aufenthalts durch einen fünfjährigen\nAufenthalt ankommt.\n\n99\n\n \n\nAuch systematisch findet sich kein anderes Auslegungsergebnis. In § 7 Abs. 1\nS. 2 SGB II wird den Familienangehörigen ein zum „Ausländer“ akzessorisches,\nbedingungsloses Recht gewährt. Die dort definierten Bedingungen müssen vom\nAusländer erfüllt werden. In § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II wird aber die Bedingung\ndes mindestens fünfjährigen Aufenthaltsrechts sowohl an den Ausländer als auch\nan Familienangehörige geknüpft.\n\n100\n\n \n\nAuch nach Sinn und Zweck ist diese Auslegung nachvollziehbar, da nicht\ngewünscht ist, dass Familienangehörige aus dem Ausland ins Bundesgebiet\nnachkommen und Leistungsansprüche geltend machen.\n\n101\n\n \n\nDiese Rechtsauslegung steht jedoch bei leiblichen, in Deutschland geborenen\nund aufwachsenden Kindern eines Ausländers, die noch nicht fünf Jahre alt\nsind, in einem Konflikt mit Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Art. 6 Abs.\n1 GG schützt die Familie zunächst als tatsächliche Lebens- und\nErziehungsgemeinschaft der Kinder und ihrer Eltern. Dieser beschriebenen\nverfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht\nein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die\nzuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das\nAufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende\nPersonen angemessen berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung\ndes Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen\nzu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen\nUmstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten\nSenats vom 31. August 1999 – 2 BvR 1523/99). § 6 Abs. 1 S. 4 SGB II führte bei\nunter fünfjährigen leiblichen Kindern, die in Deutschland geboren sind und\naufwachsen – wie die Kläger zu 3, 7 und 8 – dass nur der Lebensunterhalt eines\nTeils der Familie gedeckt wird und die Kopfanteile an den Unterkunftskosten\nungedeckt bleiben. Faktisch könnte eine solche Familie aufgrund der jungen\nKinder den gesetzlichen Anspruch aus § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II nicht in Anspruch\nnehmen und müsste sich auftrennen. Dies stünde im Wertungswiderspruch zu Art.\n6 Abs. 1 GG. Die Unterdeckung des Existenzminimums stünde überdies im Konflikt\nmit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1\nGG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Dieses\nsichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die\nfür seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am\ngesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.\n\n102\n\n \n\nEs war eine teleologische Reduktion dahingehend vorzunehmen, dass die\nFünfjahresfrist in § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II nicht auf Familienangehörige zu\nbeziehen ist, die als leibliche Kinder in Deutschland geboren wurden und hier\naufwachsen.\n\n103\n\n \n\nDas Gericht war hier zu einer teleologischen Reduktion befugt, da hier ein\nWertungswiderspruch aufzulösen war.\n\n104\n\n \n\nNach Art. 20 Abs. 3 GG ist die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden.\nDie Gerichte sind kraft der Bindungswirkung einschlägig gültiger Normen zu\nderen Anwendung verpflichtet und dürfen sich über diese Gesetzesbindung nicht\nhinwegsetzen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) schließt\nes aus, dass die Gerichte Befugnisse beanspruchen, die die Verfassung dem\nGesetzgeber übertragen hat, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in\ndie einer normsetzenden Instanz begeben und damit der Bindung an Recht und\nGesetz entziehen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 26. September 2011 - 2 BvR\n2216/06, 2 BvR 469/07 - und vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15).\nDiese Verfassungsgrundsätze verbieten es dem Richter nicht, das Recht\nfortzuentwickeln. Anlass zu richterlicher Rechtsfortbildung besteht\ninsbesondere dort, wo Programme ausgefüllt, Lücken geschlossen,\nWertungswidersprüche aufgelöst werden oder besonderen Umständen des\nEinzelfalls Rechnung getragen wird (BVerfGE 126, 286, 306.) Der Befugnis zur\n"schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung" sind allerdings mit\nRücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren\nGrundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung Grenzen gesetzt (BVerfG,\nKammerbeschluss vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15 - NJW-RR 2016,\n1366 Rn. 37 m.w.N.). Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber\nfestgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Eine der ausnahmsweise\nzulässigen Methoden ist die teleologische Reduktion. Die Eigenart der\nteleologischen Reduktion besteht - als Gegenstück zur Analogie - darin, dass\nsie die auszulegende Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines\nTeils der von ihr erfassten Fälle für unanwendbar hält, weil Sinn und Zweck,\nEntstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen\ngegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 7.\nApril 1997 - 1 BvL 11/96 - NJW 1997, 2230 <2231>). Bei einer derart\nplanwidrigen Gesetzeslücke ist eine zu weit gefasste Regelung im Wege\nteleologischer Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten\nAnwendungsbereich zurückzuführen (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2012 - 5 C\n10.11 - BVerwGE 142, 10 Rn. 15; ).BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2019 – 1 C\n15/18 – juris Rn. 18).\n\n105\n\n \n\nVorliegend hat der Gesetzgeber erkennbar keine spezifische Regelung die Gruppe\nder in Deutschland geborenen und aufwachsenden Kinder eines Ausländers, die\ndas fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, getroffen. Er hat vielmehr\nein Regelungskonzept verfolgt, nachdem Familienangehörige ebenfalls fünf Jahre\nihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben müssen, bevor ihr\nAufenthalt als verfestigt gelten kann und sie bis zur aufenthaltsrechtlichen\nBeendigung ihres Aufenthalts leistungsberechtigt sind. Andernfalls sei ihnen\ndie Ausreise in ihr Herkunftsland zumutbar.\n\n106\n\n \n\nIm Umgang mit Kleinkindern ist die Verfolgung des Regelungskonzepts ohne\nEltern nicht möglich. Ihr Verhältnis zu den Eltern ist vielmehr durch Art. 6\nAbs. 1 des Grundgesetzes verfassungsmäßig geschützt. Das Gesetz differenziert\ndies ungewollt nicht. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber\nbewusst gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen wollte.\n\n107\n\n \n\nDer Gesetzeswortlaut des § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II ist dahingehend zu reduzieren,\ndass leibliche Kinder eines Ausländers, der diese Norm erfüllt, die in\nDeutschland geboren sind und aufwachsen und das fünfte Lebensjahr noch nicht\nvollendet haben, nur für ihre Lebensdauer ihren gewöhnlichen Aufenthalt in\nDeutschland haben müssen.\n\n108\n\n \n\nNach teleologischer Reduktion haben die Kläger die Voraussetzungen der\nRückausnahme erfüllt.\n\n109\n\n \n\nAuch hier geht die Kammer davon aus, dass die Kläger zu 3, 7 und 8 erst am 7.\nMärz 2019 in Bad Kreuznach waren. Der Bewilligungszeitraum beginnt am 1.\nFebruar 2019 (§ 40 Abs. 3 S. 3 SGB II); die Leistung wird im Monat Februar\n2019 nicht und im März 2019 anteilig erbracht (§ 40 Abs. 1 S. 3 SGB II).\n\n110\n\n \n\nDie Klage der Kläger zu 3, 7 und 8 war teilweise erfolgreich und im Übrigen\nabzuweisen.\n\n111\n\n \n\nDas Gericht hatte die Leistungsberechtigung der zuständigen Ausländerbehörde\nnach § 87 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2a AufenthG mitzuteilen.\n\n112\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.\n\n113\n\n \n\nDie Berufung ist für den Beklagten zugelassen (§ 144 Abs. 1 SGG) und war für\ndie Kläger aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen.\n\n
322,000
vg-freiburg-2019-08-08-a-14-k-291519
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
A 14 K 2915/19
2019-08-08
2019-08-31 10:01:44
2020-12-10 13:26:36
Beschluss
## Tenor\n\nDie aufschiebende Wirkung der Klage - A 14 K 2607/19 - gegen den Bescheid des\nBundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23.05.2019 wird angeordnet.Die\nAntragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 AsylG durch den Berichterstatter\nals Einzelrichter.Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der\naufschiebenden Wirkung seiner Klage (A 14 K 2607/19) gegen den verfügten\nWiderruf der Flüchtlingseigenschaft durch den Bescheid des Bundesamts für\nMigration und Flüchtlinge vom 23.05.2019 ist gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2\nAsylG, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft und auch sonst zulässig.Der\nAntrag hat in der Sache Erfolg. Bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO\nvorzunehmenden Abwägung der gegenläufigen Interessen überwiegt das Interesse\ndes Antragstellers an der Suspendierung der Verfügung das öffentliche\nInteresse an ihrer kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG) bestehenden\nsofortigen Vollziehbarkeit. Nach summarischer Prüfung bestehen durchgreifende\nBedenken an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verfügung. Gemäß § 73 Abs. 1\nSatz 1 AsylG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu widerrufen,\nwenn die Voraussetzungen für sie (nach § 60 Abs. 1 AufenthG) nicht mehr\nvorliegen. Nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG kann von der Anwendung des § 60\nAbs. 1 AufenthG abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die\nAllgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher\nStraftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle\nSelbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen\nVollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von\nmindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt,\nunter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List\nbegangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist. \n--- \n| 2 \n--- \n| 1\\. Das Gericht hat erhebliche Zweifel, dass die rechtskräftige Verurteilung\ndes Antragstellers durch das Amtsgericht Freiburg am 25.09.2018 (27 Ds 518 Js\n37556/17) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten die\ntatbestandlichen Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG erfüllt. Die\nNorm setzt voraus, dass der Ausländer wegen einer oder mehrerer Straftaten zu\neiner Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist.\nDemgegenüber lag der Gesamtstrafenbildung des Amtsgerichts Freiburg 24\nEinzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei bis sechs Monaten zugrunde\n(Körperverletzung in 18 Fällen, gefährliche Körperverletzung, Bedrohung,\nversuchte Erpressung, Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz in 3 Fällen). \n--- \n| 3 \n--- \n| a) Zwar dürfte es - im Gegensatz zu § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG (vgl.\nBVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17/12 - juris Rn. 13) - nicht bereits\nnach dem Wortlaut des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG ausgeschlossen sein, bei der\ngeforderten Mindeststrafe auf eine Gesamtstrafe abzustellen (vgl. Zeitler, in:\nHTK-AuslR, § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG, Rn. 21). Nach einer völker- und\neuroparechtskonformen Auslegung der Norm dürfte aber zu fordern sein, dass die\nMindeststrafe von einem Jahr Freiheitstrafe durch eine Einzelstrafe erreicht\nwird. \n--- \n| 4 \n--- \n| Das Bundesverwaltungsgericht hat zu § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG entschieden,\ndass eine Gesamtstrafe für die dort geforderte Mindeststrafe von drei Jahren\nnicht ausreicht, und dies wie folgt begründet (Urteil vom 31.01.2013, a.a.O.,\nRn. 14ff. m.w.N.): \n--- \n \n> > | 5 \n--- \n| „Diese Annahme wird durch den Zweck der Vorschrift bestätigt. Sie geht auf\nArt. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG zurück, der Art. 33 Abs. 2\nGFK [Genfer Flüchtlingskonvention] und der darin normierten Ausnahme vom\nvölkerrechtlichen Refoulement-Verbot nachgebildet ist: Sie soll Gefahren von\ndem Aufnahmestaat eines Flüchtlings abwehren, die durch dessen kriminelles\nVerhalten verursacht werden. Im Hinblick darauf, dass § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt.\n2 AufenthG und Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU\ndarüberhinausgehend sogar die Möglichkeit eines Widerrufs der Asyl- und\nFlüchtlingsanerkennung vorsehen, muss die Vorschrift jedoch restriktiv so\nausgelegt werden, dass die Sicherungen insbesondere des völkerrechtlichen\nFlüchtlingsrechts gegen eine Abschiebung in den Verfolgerstaat nicht\nrelativiert werden. Der Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsgewährung kann\ndeshalb gegenüber kriminellen Flüchtlingen nur als ultima ratio in Betracht\nkommen, wenn ihr kriminelles Verhalten die Schwelle der besonders schweren\nStrafbarkeit überschreitet. \n--- \n \n> > | 6 \n--- \n| Aus diesen Gründen kommt es nach der Konzeption des deutschen Rechts für die\nAnwendung des § 60 Abs. 8 AufenthG unabhängig davon, dass die Umsetzung der\nMindestgewährleistung des Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG\nin nationales Recht durch die Mitgliedstaaten eine erhebliche Bandbreite\naufweist, im Übrigen auch nicht auf die abstrakte Strafdrohung, sondern auf\ndie konkret verhängte Freiheitsstrafe an. Denn die Mindeststrafenregelung soll\nsicherstellen, dass der Entzug des Asyl- und Flüchtlingsstatus nur gegenüber\nbesonders gefährlichen Tätern in Betracht kommt. Nur sie bedeuten eine Gefahr\nfür die Allgemeinheit, die gegenüber dem Ziel des Flüchtlingsschutzes im\nAusnahmefall überwiegen kann, nicht aber solche Täter, die sich zwar eines mit\nhoher Strafdrohung bewehrten Vergehens oder Verbrechens schuldig gemacht\nhaben, dabei aber im unteren oder mittleren Bereich der Strafbarkeit geblieben\nsind, so dass sie eine Freiheitsstrafe von weniger als drei Jahren verwirkt\nhaben. Ist ein Flüchtling rechtskräftig zu einer mindestens dreijährigen\n(Einzel-)Freiheitsstrafe verurteilt worden, ist unter Berücksichtigung aller\nUmstände des Einzelfalles weiter zu prüfen, ob diese Verurteilung die Annahme\nrechtfertigt, dass er tatsächlich eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne\ndes § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG darstellt. \n--- \n \n> > | 7 \n--- \n| Aus demselben Grund reicht es nicht aus, wenn ein Täter nur deshalb zu einer\nmindestens dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, weil mehrere\nvon ihm begangene Taten geringeren oder mittleren Gewichts im Rahmen eines\neinzigen Strafverfahrens oder - wenn eine frühere Strafe noch nicht\nvollstreckt ist - im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung abgeurteilt\nworden sind. Die von der Beklagten für richtig gehaltene Auslegung des § 60\nAbs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG würde hingegen dazu führen, dass die von rein\nverfahrenspraktischen Aspekten, nicht aber von der Gefährlichkeit des Täters\nabhängige Frage, ob eine Straftat in einem Strafverfahren für sich genommen\noder zusammen mit anderen Straftaten abgeurteilt wird, ausschlaggebend dafür\nwerden könnte, ob der Täter die Voraussetzungen für einen Widerruf seines\nAsyl- oder Flüchtlingsstatus erfüllt oder nicht. \n--- \n \n> > | 8 \n--- \n| Auch die Entstehungsgeschichte der Genfer Flüchtlingskonvention bestätigt\ndie Erforderlichkeit einer restriktiven Auslegung des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt.\n2 AufenthG. Während im ursprünglichen Textentwurf eine Einschränkung des\nRefoulement-Verbots noch nicht vorgesehen war, setzte sich der Gedanke, dass\nStaaten zur Hinnahme von Gefahren für ihre Sicherheit oder für die\nAllgemeinheit nicht unbeschränkt gezwungen sein dürften, erst nach einer\nintensiven Debatte über die Grenzen des Refoulement-Schutzes durch. Der\nschließlich verabschiedeten Textfassung lag die Einschätzung zu Grunde, dass\ndie Abschiebung eines Flüchtlings nur ausnahmsweise und als Reaktion auf\nbesonders schwerwiegendes kriminelles Verhalten des Flüchtlings zulässig sei,\nwenn eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder der Allgemeinheit bestehe.\nDie Auffassung des Vertreters des Bundesinteresses, auch in derartigen Fällen\nkönne über die Merkmale einer Gefahr für die Allgemeinheit oder der\nWiederholungsgefahr im Rahmen einer Einzelfallwürdigung eine Unterschreitung\ndes völker- und unionsrechtlich gebotenen Mindeststandards verhindert werden,\nwird diesen Anforderungen nicht gerecht. Denn sie verschiebt die untere Grenze\nfür die Möglichkeit eines Widerrufs der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung in\neinen Bereich, der bereits die durch eine Mehrzahl von Taten der mittleren\nKriminalität ausgelösten Gefahren erfasst und sich damit gerade nicht auf\nFälle besonders schwerer Verbrechen (Art. 14 Abs. 4 Buchst. b Richtlinie\n2011/95/EU) beschränkt.“ \n--- \n| 9 \n--- \n| Diese überzeugenden Ausführungen dürften auch für den Widerrufstatbestand\ndes § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG uneingeschränkt Geltung beanspruchen. Neben\nden teleologischen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts kommt hinzu, dass\nauch Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU sowie Art. 33 Abs. 2\nGFK nur den Singular verwenden und eine besonders schwere Straftat fordern („a\nparticular serious crime“). Dass der Gesetzgeber mit § 60 Abs. 8 Satz 3\nAufenthG insoweit eine Erweiterung der Widerrufsmöglichkeiten schaffen wollte,\nist der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/7537, S. 8f.) nicht zu entnehmen.\nVielmehr dürfte aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf Art. 33 Abs. 2 GFK zu\nfolgern sein, dass die dort verbindlich vereinbarte hohe Schwelle für eine\nRelativierung des Flüchtlingsschutzes nicht angetastet werden sollte. \n--- \n| 10 \n--- \n| Aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 13.08.2018 - C-369/17 -\njuris Rn. 53) ist eine Tat, für die das Gesetz eine Mindestfreiheitsstrafe von\nfünf Jahren vorsieht, nicht automatisch eine „schwere Straftat“ nach Art. 17\nAbs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU, der den Widerruf des subsidiären\nSchutzstatus ermöglicht. Für das Vorliegen einer „besonders schweren Straftat“\ni.S.d. Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU dürfte eine\nEinzelfreiheitsstrafe von weniger als einem Jahr daher kaum genügen. \n--- \n| 11 \n--- \n| b) Hinzu kommt, dass von den 24 abgeurteilten Einzeltaten jedenfalls fünf\nTaten (Bedrohung, versuchte Erpressung und Verstoß gegen das\nGewaltschutzgesetz in drei Fällen) nicht die deliktischen Voraussetzungen des\n§ 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG erfüllen dürften. Auch aus diesem Grund ist der\nWiderruf der Flüchtlingseigenschaft tatbestandlich aller Voraussicht nach\nausgeschlossen. Wenn man eine Gesamtstrafe grundsätzlich ausreichen lassen\nwürde, dürfte zusätzlich zu fordern sein, dass alle der Gesamtstrafenbildung\nzugrundeliegende Delikte von § 68 Abs. 8 Satz 3 AufenthG erfasst sind. Denn\nandere als die dort genannten Straftatbestände dürften zur Begründung des\nWiderrufs der Flüchtlingseigenschaft nicht herangezogen werden können. Eine\neigenständige „verwaltungsrechtliche“ Gesamtstrafenbildung nur aus den\nEinzelstrafen für tatbestandlich erfasste Delikte dürfte nicht nur nach dem\nWortlaut der Norm ausgeschlossen sein. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die vorliegende Konstellation verdeutlicht, dass es auch aus systematischen\nGründen für die geforderte Mindeststrafe nicht auf die gebildete\nGesamtfreiheitsstrafe, sondern nur auf die zugrundeliegenden\nEinzelfreiheitsstrafen ankommen können dürfte. \n--- \n| 13 \n--- \n| 2\\. Selbst wenn die gegen den Antragsteller verhängte Gesamtfreiheitsstrafe\nden Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG genügen sollte, setzt der\nWiderruf der Flüchtlingseigenschaft tatbestandlich weiter voraus, dass der\nAusländer in Zukunft eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet. Dies ist\nvoraussichtlich nicht der Fall. \n--- \n| 14 \n--- \n| § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG ist verfassungskonform eng auszulegen. Die\nPrüfung hat streng am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Auch im\nHinblick auf Art. 33 Abs. 2 GFK ist die Vorschrift restriktiv anzuwenden, weil\nes um eine Ausnahme von dem fundamentalen Grundsatz der Nichtzurückweisung des\nFlüchtlings in den Verfolgerstaat geht (vgl. VG Würzburg, Urteil vom\n29.10.2018 - W 8 K 18.31774 - juris). Es ist zu prüfen, ob eine echte Gefahr\nfür die Allgemeinheit besteht. Dabei bedarf es in jedem Fall einer\nindividuellen Prognose der Wiederholungsgefahr. \n--- \n| 15 \n--- \n| Zwar kommt es nach der Gesetzesbegründung nicht darauf an, ob die\nFreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist (vgl. BT-Drs 18/7537 S.\n9). Denn anders als bei einer strafrechtlichen Sozialprognose, die keine\nweitgehende Gewissheit einer erfolgreichen Bewährung voraussetzt, sondern auch\nbei einem gewissen Restrisiko getroffen werden kann, sind für eine\nausländerrechtliche Einschätzung andere Kriterien maßgebend. Hier stehen nicht\nnur Resozialisierungsaspekte, sondern in erster Linie ordnungsbehördliche\nÜberlegungen im Vordergrund, in deren Mittelpunkt der Schutz der Gesellschaft\nvor weiteren Straftaten steht (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 13.12.2016 - W 4 K\n16.31038 - juris). Der strafgerichtlichen Prognose kommt aber „wesentliche\nBedeutung“ zu, von ihr darf nur bei Vorliegen überzeugender Gründe abgewichen\nwerden, insbesondere dann, wenn die Strafgerichte im Strengbeweisverfahren auf\nGrund mündlicher Verhandlung entschieden und aussagekräftig prognostiziert\nhaben (so für das neue Ausweisungsrecht Bauer/Beichel-Benedetti, NVwZ 2016,\n416, 419). Eine Aussetzung zur Bewährung spricht daher zunächst klar gegen die\nAnwendung des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG (vgl. Bergmann, in:\nBergmann/Dienelt, 12. Auflage 2018, § 60 AufenthG, Rn. 31; Thym, NVwZ 2016,\n409, 415).Die Freiheitsstrafe des Antragstellers wurde gemäß § 56 Abs. 2 StGB\nzur Bewährung ausgesetzt. Das Amtsgericht führte hierzu aus, es sei davon\nauszugehen, dass der Antragsteller sich schon die Verurteilung zur Warnung\ndienen lassen und künftig keine Straftaten begehen wird. Der Angeklagte sei\nnicht vorbestraft und lebe in geordneten Verhältnissen. Die positive\nSozialprognose wurde auch darauf gestützt, dass der Antragsteller inzwischen\nvon der Geschädigten getrennt lebt und die Sorge für seinen eineinhalbjährigen\nSohn trägt. Es ist weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich, dass die\nStrafaussetzung zwischenzeitlich widerrufen worden wäre. \n--- \n| 16 \n--- \n| Vor diesem Hintergrund kann voraussichtlich nicht angenommen werden, dass\nvon dem Antragsteller in Zukunft eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht.\nEntgegen den Ausführungen der Antragsgegnerin in dem angegriffenen Bescheid\ndürften die begangenen Taten allein diese Annahme nicht rechtfertigen, zumal\nsich die Beziehungssituation des Antragstellers nach den Feststellungen des\nAmtsgerichts mittlerweile verändert hat. Die - nicht weiter begründete -\nEinschätzung der Antragsgegnerin, das Vorbringen der\nVerfahrensbevollmächtigten des Antragstellers im Anhörungsverfahren ließe\nerkennen, dass sich dieser auch weiterhin uneinsichtig hinsichtlich seiner\neigenen Verantwortung beim Tatgeschehen zeige und sein Tatverhalten nicht\naktiv aufgearbeitet habe, teilt das Gericht nicht. \n--- \n| 17 \n--- \n| 3\\. Überdies handelt es sich bei dem Widerruf der Flüchtlingseigenschaft\nnach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG um eine Ermessensentscheidung. Die Beklagte\nhat das Interesse des Ausländers am Verbleib gegen das öffentliche Interesse\nan der Ausreise abzuwägen. Dabei sind sämtliche besonderen Umstände des\nEinzelfalls zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 13.08.2018, a.a.O., Rn.\n49ff.). \n--- \n| 18 \n--- \n| Bei ihren Ermessenserwägungen ist die Antragsgegnerin voraussichtlich nicht\nkonkret auf die individuellen Umstände des Antragsstellers eingegangen,\nsondern hat ihr Ermessen nur formelhaft ausgeübt und dabei allgemeine\nErwägungen der Gesetzesbegründung wiedergegeben. Dies dürfte\nermessensfehlerhaft gewesen sein. Die Belange des Antragstellers dürften -\nauch vor dem Hintergrund der europa- und völkerrechtlichen Vorgaben - nicht\nangemessen berücksichtigt worden sein. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). \n---\n\n
322,155
sg-duisburg-2019-08-27-s-49-as-336819-er
834
Sozialgericht Duisburg
sg-duisburg
Duisburg
Nordrhein-Westfalen
Sozialgerichtsbarkeit
S 49 AS 3368/19 ER
2019-08-27
2019-09-07 10:01:04
2020-12-10 13:27:02
Beschluss
ECLI:DE:SGDU:2019:0827.S49AS3368.19ER.00
## Tenor\n\nDer Antrag wird abgelehnt. Der Antragsgegner trägt keine außergerichtlichen\nKosten der Antragstellerin.\n\n \n1\n\nGründe:\n\n2\n\nI.\n\n3\n\nDie alleinerziehende Antragstellerin bezieht zusammen mit ihren beiden\nminderjährigen Kindern als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft von dem\nAntragsgegner laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch [SGB\nII].\n\n4\n\nMit Bescheid vom 22.05.2019 erklärte der Antragsgegner gegenüber der\nAntragstellerin und ihren Kindern die Aufhebung der Bewilligungen für den\nMonat August 2018 über insgesamt 1.325,96 EUR, forderte die Mitglieder der\nBedarfsgemeinschaft jeweils zur Erstattung ihrer individuellen\nRückzahlungsanteile auf (bzgl. der Antragstellerin betrifft dies 766,16 EUR)\nund erklärte die Aufrechnung mit den laufenden Leistungen der\nBedarfsgemeinschaftsmitglieder ab dem 01.07.2019. Der Bescheid, auf dessen\nInhalt im Übrigen Bezug genommen wird, ist der Antragstellerin ausweislich der\nPostzustellungsurkunde am 24.05.2019 zugestellt worden.\n\n5\n\nMit Email vom 21.07.2019 erhob die Antragstellerin unter Bezugnahme auf ein\nGespräch vom 15.07.2019 Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.05.2019. Dem\nWiderspruch fügte die Antragstellerin eine Krankenhausabrechnung über einen\nstationären Aufenthalt vom 02.05.2019 bis zum 06.05.2019 und ein nicht\ndatiertes ärztliches Attest über einen Bandscheibenvorfall im HWS-Bereich,\nSchwindel, Kopfschmerzen und epigastrische Schmerzen mit starken\ngastroindestinalen Beschwerden bei.\n\n6\n\nMit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2019 wies der Antragsgegner den Widerspruch\nwegen Verfristung als unzulässig zurück. Im Übrigen wird auf die Begründung\ndes Widerspruchsbescheides verwiesen.\n\n7\n\nMit auf den 08.07.2019 datiertem Schreiben, das beim SG in D. am 09.08.2019\neingegangen ist, hat die Antragstellerin einen Antrag auf einstweiligen\nRechtsschutz gestellt. Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, sie habe\nam 21.06.2019 Widerspruch gegen die Aufrechnung vom 22.05.2019 erhoben,\nwelcher bedingt durch ihren stationären Aufenthalt im Mai 2019 erst am\n15.07.2019 gelesen worden sei. Insofern "liegt es noch in der 4-Wochen-Frist\nund hat somit seine Gültigkeit." Sie widerspreche dem Widerspruchsbescheid vom\n25.07.2019. Ganz abgesehen davon dass die Aufrechnung gegen Recht und Gesetz\nverstoße, bedeute sie eine besondere Härte für die Familie und sei von ihr\nnicht verschuldet. Nach § 43 SGB II dürfe gegenüber Kindern nicht aufgerechnet\nwerden.\n\n8\n\nDie Antragstellerin beantragt mit Schriftsatz vom 08.07.2019,\n\n9\n\nden Erstattungsanspruch des Antragsgegners vom 22.05.2019 aufzuheben;\nRückerstattung 272,00 EUR für Juli und August; der Schulbedarf ist wie vor da\nund somit nicht zu erstatten.\n\n10\n\nDer Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 15.08.2019,\n\n11\n\nden Antrag abzulehnen.\n\n12\n\nDer Antragsgegner ist der Ansicht, dass der Widerspruch unzulässig gewesen\nsei. Die Aufrechnung nach § 43 SGB II sei zudem rechtmäßig erfolgt. Es sei\nkeine Eilbedürftigkeit gegeben. Der Antragstellerin würden ausreichend\nLeistungen nach dem SGB II verbleiben um ihren Lebensunterhalt zu sichern.\n\n13\n\nDie Antragstellerin hat zum Eilverfahren eine Email vom 28.07.2019 an die\nAntragsgegnerin eingereicht, nach der diese es unterlassen solle trotz des\nlaufenden Widerspruchsverfahrens Leistungsabzüge vorzunehmen.\n\n14\n\nDie Antragstellerin hat gegen den Widerspruchsbescheid vom 25.07.2019 am\n23.08.2019 zum Aktenzeichen S 49 AS xxxx/19 für sich und ihre dort namentlich\nbenannten Kinder Hauptsacheklage vor dem SG in D. erhoben.\n\n15\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den\nInhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Leistungsakte des Antragsgegners\nBezug genommen. Diese Inhalte sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.\n\n16\n\nII.\n\n17\n\nDer nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG] bzw. analog § 86b\nSGG statthafte Eilantrag der Antragstellerin ist teilweise unzulässig und im\nÜbrigen unbegründet.\n\n18\n\n1\\. Der schriftsätzlich am 09.08.2019 gestellte Antrag ist analog § 123 SGG im\nSinne des Meistbegünstigungsprinzips so auszulegen, dass sich die\nAntragstellerin inhaltlich gegen die Regelungen des Aufhebungs-, Erstattungs-\nund Aufrechnungsbescheides vom 22.05.2019 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 25.07.2019 wenden möchte. Auch wenn sich § 123 SGG\ndem Wortlaut nach nur auf Klagen bezieht, sind diese Vorschriften aufgrund der\nvergleichbaren Interessenlage auf Anträge im Verfahren nach einstweiligem\nRechtsschutz übertragbar (vgl. Keller, in: Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 123 SGG, Rn. 3b).\n\n19\n\n2\\. Soweit sich die Antragstellerin sich gegen die Aufhebungsentscheidung vom\n22.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2019 wendet ist §\n86b Abs. 1 Nr. 2 SGG die statthafte Antragsart für ihr Begehren. Ohne\ngerichtliche Anordnung ist eine aufschiebende Wirkung der bereits anhängigen\nAnfechtungsklage S 49 AS 3526/19 nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1\nSGB II nicht gegeben, da die Aufhebungsentscheidung insofern kraft Gesetzes\nsofortig vollziehbar ist.\n\n20\n\nDemgegenüber ist § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht statthaft soweit sich die\nAntragstellerin auch gegen die Erstattungs- und Aufrechnungsentscheidung vom\n22.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2019 wendet. Denn\nweder die Erstattungs- noch die Aufrechnungsentscheidung sind nach § 86a Abs.\n2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II sofortig vollziehbar, so dass der\nAnfechtungsklage S 49 AS 3526/19 nach § 86a Abs. 1 S. 1 SGG hier aufschiebende\nWirkung zukommt (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 12.03.2010 – L 12 B\n140/09 AS ER, juris, Rn. 45; Sächsisches LSG, Beschl. v. 31.08.2016 – L 3 AS\n633/16 B ER, juris, Rn. 25; Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4.\nAufl. 2015, § 39, Rn. 12 m.w.N., 14 m.w.N.). Sofern die aufschiebende Wirkung\nnach § 86a Abs. 1 S. 1 SGG nicht beachtet werden sollte – wofür hier\ninsbesondere die vorgelegte Email vom 28.07.2019 spricht -, ist insofern ein\nAntrag auf gerichtliche Feststellung der aufschiebenden Wirkung analog §§ 86a,\n86b SGG statthaft (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,\nSGG, 12. Auflage 2017, Rn. 15 m.w.N. aus der Rechtsprechung).\n\n21\n\nDie so verstandenen Eilanträge nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG und §§ 86a, 86b SGG\nanalog können analog § 56 SGG im Wege der objektiven Antragshäufung geltend\ngemacht werden. Sie sind allerdings nur in Bezug auf die Individualrechte der\nAntragstellerin selbst zulässig, da diese nur diesbezüglich antragsbefugt ist\n(§ 54 Abs. 1 S. 2 SGG analog).\n\n22\n\nSoweit die allein auftretende Antragstellerin scheinbar darüber hinaus auch\ndie Individualrechte ihrer Kinder geltend machen möchte, ist der Eilantrag\nunzulässig, da sie diesbezüglich nicht analog § 54 Abs. 1 S. 2 SGG\nantragsbefugt ist (st. Rechtsprechung; vgl. zur Notwendigkeit einer eigenen\nBeteiligtenstellung jedes Bedarfsgemeinschaftsmitgliedes etwa: BSG, Urt. v.\n07.11.2006 – B 7b AS 8/06 R; vgl. auch: BSG, Urt. v. 02.07.2009 – B 14 AS\n54/08 R, juris, Rn. 22; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 19.02.2018 – L 19\nAS 2278/17 B, juris, Rn. 5; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 09.08.2013 – L\n2 AS 1040/13 NZB; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.04.2013 – L 6 AS\n1170/12 B; Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 38,\nRn. 12 m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist es für die Begründung einer eigenen\nBeteiligtenstellung eines Kindes auch nicht ausreichend, wenn der Elternteil\neines minderjährigen Kindes unter Bezugnahme auf die Bedarfsgemeinschaft – wie\nhier - in eigenem Namen Klage oder Eilantrag erhebt (vgl. Hessisches LSG, Urt.\nv. 13.11.2015 – L 9 AS 44/15, juris, Rn. 29 m.w.N.). Dass die Kinder der\nAntragstellerin eindeutig nicht Verfahrensbeteiligte des Eilverfahrens\ngeworden sind, ergibt sich bereits daraus, dass zu keinem Zeitpunkt in der\nAntragsschrift vom 08.07.2019 von einem der Kinder als Antragsteller\ngesprochen oder diese auch nur namentlich genannt werden. Insbesondere bei\nanwaltlich vertretenen Beteiligten kann eine Kenntnis dieser Rechtsprechung\nund eine eindeutige Benennung der Beteiligten eines Rechtsstreites erwartet\nwerden. Das Gericht verweist in diesem Zusammenhang auf folgende Ausführungen:\n\n23\n\n"Vorliegend hat die Bevollmächtigte der Klägerin jedoch Klage - und auch\nBerufung - ausdrücklich nur im Namen der Klägerin erhoben und nicht für jedes\neinzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Eine Auslegung des\nKlageschriftsatzes nach dem so genannten "Meistbegünstigungsprinzip" scheidet\nvor dem Hintergrund der Entscheidung des BSG vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -\naus. In diesem Fall hatte das BSG eine Übergangszeit bis 30.06.2007 bestimmt,\nwonach Klageanträge wegen der besonderen rechtlichen und tatsächlichen\nSchwierigkeiten und daraus resultierenden Zweifel in Erweiterung der üblichen\nAuslegungskriterien danach zu beurteilen waren, in welcher Weise die an einer\nBedarfsgemeinschaft beteiligten Personen die Klage hätten erheben müssen, um\ndie für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt gewünschten höheren Leistungen zu\nerhalten. Diese Übergangszeit ist lange abgelaufen, so dass die\nBevollmächtigte der Klägerin, wenn sie denn Leistungen für alle Mitglieder der\nBedarfsgemeinschaft begehrt hätte, einen entsprechenden Antrag hätte stellen\nmüssen." (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 19.02.2018 – L 19 AS 2278/17 B,\njuris, Rn. 5)\n\n24\n\nDie entsprechenden Ausführungen gelten allerdings sinngemäß auch für\nunvertretene Kläger bzw. Antragsteller, sofern - wie hier - im jeweiligen\nEinzelfall auch nach verständiger Auslegung der Klage- / Antragsschrift keine\nAnhaltspunkte für die Begründung einer eigenen Beteiligtenstellung objektiv\nerkennbar sind. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die\nHauptsacheklage S 49 AS xxxx/19 auch im Namen der Kinder erhoben worden ist\nund der Antragstellerin die Notwendigkeit einer eigenen Beteiligtenstellung\nder Kinder scheinbar geläufig gewesen ist, die vorliegend versäumt worden ist.\n\n25\n\n3\\. Der Antrag der Antragstellerin auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung\ngem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG ist unbegründet, da das Gericht im Rahmen\nseiner eigenen Interessenabwägung nicht zum Vorrang des Aussetzungsinteresses\ngegenüber dem Vollzugsinteresses des Aufhebungsbescheides kommt.\n\n26\n\nDie Erfolgsaussicht des Antrags nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG beurteilt sich\nnach dem Ergebnis einer Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse der\nAntragsteller an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse\nder Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung. Hierbei sind neben einer\nallgemeinen Abwägung der Folgen bei Gewährung bzw. Nichtgewährung des\nvorläufigen Rechtsschutzes auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes in\nder Hauptsache von Bedeutung (Keller, in: Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b SGG, Rn. 12c\nff.). Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass das Gesetz mit dem\nAusschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen\nInteresse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides\ngrundsätzlichen Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub\nder Vollziehung einräumt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 23.03.2011\n– L 11 KA 97/10 B ER; Beschl. v. 26.07.2006 – L 20 B 144/06 AS ER). Eine\nAbweichung von diesem Regel-/Ausnahmeverhältnis durch Anordnung der\naufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs kommt daher nur in Betracht, wenn –\netwa wegen offenbarer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids oder bei\nunklaren Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Widerspruch oder\nKlage) als Ergebnis einer allgemeinen Interessenabwägung – ausnahmsweise das\nprivate Interesse der durch den Bescheid belasteten Person überwiegt (vgl.\nz.B. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017,\n§ 86b SGG, Rn. 12c ff.). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und der\nBetroffene durch ihn in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird deshalb die\naufschiebende Wirkung angeordnet, weil dann ein öffentliches Interesse oder\nInteresse eines Dritten an der Vollziehung nicht besteht. Bei offenbarer\nRechtswidrigkeit ist für eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers,\nanders als bei Entscheidungen nach § 86b Abs. 2 SGG, auch keine weitergehende\nbesondere Eilbedürftigkeit erforderlich (vgl. Keller, in: Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, Rn. 12f m.w.N.). Ist\nder Hauptsacherechtsbehelf hingegen aussichtslos, wird die aufschiebende\nWirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar, ist\neine allgemeine Interessenabwägung durchzuführen.\n\n27\n\nNach diesen Maßstäben war die aufschiebende Wirkung nicht anzuordnen. Die\nAufhebungsentscheidung vom 22.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides\nvom 25.07.2019 ist nicht offensichtlich rechtswidrig. Vielmehr erscheint\ngegenwärtig nach summarischer Prüfung ausgeschlossen, dass der\nHauptsacherechtsbehelf S 49 AS xxxx/19 erfolgreich sein wird, da der\nAntragsgegner den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.05.2019 zu Recht wegen\nVerfristung nach § 84 SGG als unzulässig zurückgewiesen hat.\n\n28\n\nZwar ist umstritten, welche Klageart statthaft ist, wenn die Behörde einen\nWiderspruch zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen hat (einerseits: SG\nDuisburg, Urt. v. 26.04.2018 – S 49 AS 857/17, juris, Rn. 24 ff. m.w.N.;\nandererseits: SG München, Urt. v. 28.06.2019 – S 46 AS 1966/18, juris, Rn. 15\nff.). Einigkeit besteht jedoch in der Frage, dass eine Klage gegen einen\nWiderspruchsbescheid keinen Erfolg haben kann, mit dem der Widerspruch zu\nRecht durch die Behörde als unzulässig zurückgewiesen worden ist. Dies ist\nhier der Fall.\n\n29\n\nDer Ausgangsbescheid vom 22.05.2019 ist der Antragstellerin ausweislich der\nPostzustellungsurkunde am 24.05.2019 zugestellt worden. Da der Bescheid über\neine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung verfügte, begann die einmonatige\nWiderspruchsfrist (§ 84 Abs. 1 S. 1 SGG) mit dem Tag nach der Zustellung – dem\n25.05.2019 - zu laufen und ist am 24.06.2019 um 24 Uhr abgelaufen. Die\nWiderspruchserhebung mit Email vom 21.07.2019 erfolgte erst deutlich nach\nAblauf der Widerspruchsfrist und damit verspätet. Dass die Antragstellerin\ngeltend macht, sie habe den Bescheid erst am 15.07.2019 gelesen, ist\nunerheblich. Denn mit der hier bewirkten Ersatzzustellung nach § 63 Abs. 2 SGG\ni.V.m. § 3 Abs. 2 Verwaltungszustellungsgesetz [VwZG], § 180\nZivilprozessordnung [ZPO] gilt der Ausgangsbescheid gemäß § 180 S. 2 SGG kraft\nGesetzes unabhängig davon bereits als zugestellt, ob bzw. zu welchem Zeitpunkt\nder Adressat tatsächlich Kenntnis von dem Inhalt des zugestellten Bescheides\nerlangt (vgl. BSG, Urt. v. 27.05.2008 – B 2 U 5/07 R, juris, Rn. 11 – "Für die\nZustellung mittels Postzustellungsurkunde verweist § 3 Abs 3 VwZG (in der bis\nzum 31. Januar 2006 in Kraft gewesenen, hier noch maßgebenden Fassung) auf die\n§§ 177 bis 181 der Zivilprozessordnung (ZPO). Danach kann, wenn in der Kanzlei\n(dem "Geschäftsraum") des bevollmächtigten Rechtsanwalts niemand angetroffen\nwird, die Zustellung durch Einlegen in den Briefkasten bewirkt werden (§ 180\nAbs 1 ZPO). Dass die Voraussetzungen für eine solche Ersatzzustellung\nvorgelegen haben, ist durch die Zustellungsurkunde gemäß § 182 Abs 1 Satz 2, §\n418 Abs 1 ZPO bewiesen. Ein Gegenbeweis iS des § 418 Abs 2 ZPO wurde nicht\ngeführt. Nach § 180 Satz 2 ZPO wird mit der Einlegung des Schriftstücks in den\nBriefkasten die Zustellung fingiert. Das bedeutet, dass es für die Wirksamkeit\nder Zustellung nicht darauf ankommt, ob und wann der Betroffene von dem\nzugestellten Schriftstück tatsächlich Kenntnis erlangt [ ]."; Senger, in:\nSchlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 63 SGG, Rn. 10, 31, 40, 50 f.\nm.w.N.).\n\n30\n\nSofern die Antragstellerin vorträgt, dass ihres stationären Aufenthaltes im\nMai 2019 den Bescheid nicht eher gelesen habe, rechtfertigte dieser Umstand\nnicht die Annahme einer Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 67 SGG in die\nversäumte Widerspruchsfrist (vgl. zur Anwendbarkeit des § 67 SGG auf\nWiderspruchfristen: Franz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017,\n§ 27 SGB X, Rn. 12). Denn unabhängig davon, ob bei der Widerspruchserhebung\nallein durch die Übersendung der Krankenhausabrechnung bei\nWiderspruchserhebung unverzüglich eine ausreichende Glaubhaftmachung der\nHinderungsgründe i.S.d. § 67 Abs. 2 SGG erfolgt ist, stellt der stationäre\nKrankenhausaufenthalt vom 02.05.2019 bis zum 06.05.2019 offensichtlich keinen\nGrund dafür dar, warum die Antragstellerin deshalb später im Mai 2019 ab dem\n24.05.2019 gehindert gewesen wäre die Widerspruchsfrist einzuhalten. Gleiches\ngilt für attestierten Erkrankungen insbesondere in Form von\nBandscheibenvorfall im HWS-Bereich, Schwindel, Kopfschmerzen und epigastrische\nSchmerzen. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin hierdurch\nkrankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen wäre, innerhalb der\nWiderspruchsfrist zumindest einen Einzeiler bzgl. der Anfechtung des\nBescheides vom 22.05.2019 abzufassen. Der Antragsgegner musste vorliegend bei\nder Widerspruchserhebung am 21.07.2019 von Amts wegen keine Wiedereinsetzung\nin die versäumte Widerspruchsfrist gewähren.\n\n31\n\nAuf den Umstand, dass auch die Widerspruchserhebung per Email unzulässig war\nund der Widerspruch ebenfalls aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen\nwar (LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28.09.2010 – L 18 AL 76/10, juris, Rn.\n18; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage\n2017, § 84 SGG, Rn. 3 m.w.N.; Gall, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1.\nAufl. 2017, § 84 SGG, Rn. 14 m.w.N.), kommt es daher nicht mehr an.\n\n32\n\n4\\. Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung analog §§ 86a, 86b\nSGG ist ebenfalls unbegründet.\n\n33\n\nDer Feststellungsantrag analog §§ 86a, 86b SGG ist begründet, soweit einem\nRechtsbehelf i.S.d. § 86a Abs. 1 S. 1 SGG aufschiebende Wirkung zukommt. Eine\nweitere Interessenabwägung findet nicht statt (Keller, in: Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, Rn. 15). Eine\naufschiebende Wirkung kommt nach § 86a Abs. 1 S. 1 SGG jedem (Anfechtungs-)\nWiderspruch und jeder Anfechtungsklage gegen einen Bescheid zu, dessen\nsofortige Vollziehbarkeit nicht ausnahmsweise nach § 86a Abs. 2 SGG angeordnet\nist. Ob der Rechtsbehelf seinerseits erfolgsversprechend ist, ist hierfür\nunerheblich, so dass grundsätzlich auch ein unzulässiger oder unbegründeter\nRechtsbehelf eine aufschiebende Wirkung entfaltet (Aubel, in:\nSchlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 39, Rn. 7; Keller, in:\nMeyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG 12. Auflage 2017, § 86a SGG, Rn.\n10 m.w.N.). Nur wenn der Rechtsbehelf offensichtlich unzulässig ist oder ein\nVerwaltungsakt bestandskräftig geworden ist, wird nach überwiegender Ansicht\nkeine aufschiebende Wirkung begründet (Wehrhahn, in: Breitkreuz/Fichte, SGG,\n2. Aufl. 2014, § 86a, Rn. 6 f.; Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II,\n4. Aufl. 2015, § 39, Rn. 7; Keller, in: Meyer-\nLadewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 86a SGG, Rn. 10\nm.w.N.).\n\n34\n\nIm vorliegenden Fall kommt den Erstattungs- und Aufrechnungsentscheidungen vom\n22.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2019 mangels\nAnwendbarkeit des § 39 SGB II (s.o.) keine sofortige Vollziehbarkeit i.S.d. §\n86a Abs. 2 SGG zu.\n\n35\n\nDer hiergegen zum Aktenzeichen S 49 AS xxxx/19 erhobenen Anfechtungsklage\nkommt dennoch keine aufschiebende Wirkung i.S.d. § 86a Abs. 1 S. 1 SGG zu.\nZwar ist die statthafte isolierte Anfechtungsklage gegen den\nWiderspruchsbescheid vom 25.07.2019 am 23.08.2019 fristgerecht (§ 87 SGG)\nerhoben worden und erscheint auch im Übrigen nicht offensichtlich unzulässig.\nNach Ansicht des Gerichtes steht der offensichtlichen Unzulässigkeit einer\nKlage jedoch der - hier vorliegende - Fall gleich, dass bereits der vorherige\nWiderspruch offensichtlich unzulässig erhoben worden ist, die Behörde den\nWiderspruch als unzulässig zurückgewiesen hat und die dagegen erhobene Klage\ninsofern keinerlei Erfolgsaussichten mehr aufweist. Denn in diesen Fällen hat\nder offensichtlich unzulässige Widerspruch bereits während der Anhängigkeit\ndes Widerspruchsverfahrens keine aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs. 1 S. 1\nSGG entfaltet. Es würde daher nicht einleuchten, warum dann – nach\ngesetzeskonformer - Zurückweisung des Widerspruchs durch einen das\nWiderspruchsverfahren abschließenden Widerspruchsbescheid plötzlich später\nnoch ein Suspensiveffekt durch eine Klage erstmalig eröffnet werden sollte,\ndie zwar zulässig ist aber in der Sache keinen Erfolg haben kann. Es wäre\ninsbesondere nicht nachvollziehbar, warum derjenige, der zumindest noch die\nWiderspruchsfrist eingehalten hatte aber später die Klage offensichtlich\nverfristet erhebt (offensichtliche Unzulässigkeit), im Hinblick auf den\n(Nicht-) Eintritt der aufschiebenden Wirkung nach § 86a Abs. 1 S. 1 SGG\nschlechter stehen sollte, als derjenige, der sogar bereits seinen Widerspruch\noffensichtlich verfristet erhoben hat, dann aber für seine inhaltlich\naussichtslose Klage später die Klagefrist beachtet. Für die hier vertretene\nAnsicht spricht auch der Umstand, dass allgemein auch der offensichtliche\nEintritt der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes als Ausschlussgrund für den\nEintritt der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfes nach § 86a Abs. 1 S.\n1 SGG angesehen wird (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG,\n12. Auflage 2017, § 86a SGG, Rn. 10 m.w.N.). Eine derartige Bestandskraft des\nBescheides ist bei einem wegen offensichtlicher Verfristung unzulässigen\nWiderspruch bereits vor Einleitung des Widerspruchsverfahrens eingetreten\n(unabhängig von der Möglichkeit einer späteren Wiedereinsetzung nach § 67 SGG;\nvgl. hierzu: Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12.\nAuflage 2017, § 86a SGG, Rn. 10 m.w.N.). Insofern ist kein Grund ersichtlich,\nwarum dann einer späteren Klage gegen den bestandskräftigen Ausgangsbescheid\nin Gestalt des Widerspruchsbescheides nachträglich noch eine aufschiebende\nWirkung i.S.d. § 86a Abs. 1 S. 1 SGG zukommen sollte.\n\n36\n\n5\\. Die Kostenentscheidung beruht auf der analogen Anwendung des § 193 SGG und\nträgt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.\n\n
323,538
vg-koln-2019-09-26-20-k-409718a
844
Verwaltungsgericht Köln
vg-koln
Köln
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
20 K 4097/18.A
2019-09-26
2019-11-08 11:01:16
2020-12-10 13:27:55
Urteil
ECLI:DE:VGK:2019:0926.20K4097.18A.00
## Tenor\n\nSoweit der Kläger zu 1) die Klage hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheides vom\n28.05.2018 zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.\n\nIm Übrigen wird die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.05.2018 im\nnoch angefochtenen Umfang verpflichtet festzustellen, dass das\nAbschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG für den Kläger zu 1) hinsichtlich\nBulgarien vorliegt.\n\nDie Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen\ndie Kläger als Gesamtschuldner und die Beklagte je zur Hälfte.\n\n \n1\n\n**T a t b e s t a n d**\n\n2\n\nDer am 00.00.1980 in Shaykh Al Hadid/Syrien geborene Kläger zu 1) und seine am\n00.00.2016 in Dohuk/Irak geborene Tochter, die Klägerin zu 2), sind syrische\nStaatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Am 09.09.2017 reisten sie in\ndie Bundesrepublik. Am 15.09.2017 stellten sie in der Bundesrepublik formelle\nAsylanträge. Das Verfahren der Ehefrau und Mutter der Kläger, die türkische\nStaatsangehörige ist, wird getrennt unter dem Aktenzeichen 8 K 5736/17.A\n(0000000-0-000) beim Verwaltungsgericht Aachen geführt.\n\n3\n\nIm Rahmen des persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen\nMitgliedstaates vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden:\nBundesamt) am 15.09.2017 gab der Kläger zu 1) an, er habe Syrien im Jahr 1999\nverlassen und zunächst bis 2016 im Irak (Dohuk) gelebt. Im Jahr 2016 seien sie\nüber die Türkei und Bulgarien auf dem Landweg in die Bundesrepublik gereist.\nIn Bulgarien seien sie am 27.08.2016 eingereist. In einer weiteren Anhörung\nzur Zulässigkeit des Asylantrags vom 21.09.2017 gab der Kläger zu 1) an, er\nsei Mitglied der PKK gewesen und habe sich als solcher in Dohuk aufgehalten.\nIm Jahr 2012 sei er von der PKK desertiert. Sie seien nach Deutschland\ngekommen, weil es in Bulgarien keine Krankenversicherung gebe und die Leute\nkeine Arbeit hätten. Seine Frau brauche eine Prothese für ihren Fuß und die\nhabe man ihr nicht geben wollen. Sie seien auch wegen der Zukunft ihrer Kinder\ngekommen. Am 21.09.2017 fand zugleich die Anhörung gemäß § 25 AsylG statt.\nDort machte der Kläger zu 1) Angaben zu seinen Asylgründen.\n\n4\n\nAm 25.09.2017 bat die Beklagte Bulgarien um Wiederaufnahme der Kläger.\nBulgarien lehnte die Wiederaufnahme mit Schreiben vom 05.10.2017 unter Hinweis\ndarauf ab, dass dem Kläger zu 1) dort durch Entscheidung vom 10.04.2017\nsubsidiärer Schutz gewährt worden sei. Auf ein weiteres Informationsersuchen\nvom 26.03.2018 betreffend die Klägerin zu 2) äußerten sich die bulgarischen\nBehörden trotz Erinnerung vom 30.04.2018 nicht mehr.\n\n5\n\nMit Bescheid vom 28.05.2018 lehnte die Beklagte die Anträge als unzulässig ab\n(Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz\n1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2) und forderte die Kläger unter\nAbschiebungsandrohung nach Bulgarien auf, die Bundesrepublik innerhalb von 30\nTagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. unanfechtbarem Abschluss des\nAsylverfahrens zu verlassen (Ziffer 3). Die Kläger dürften nicht nach Syrien\nabgeschoben werden (Ziffer 3 Satz 4). Das gesetzliche Einreise- und\nAufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag\nder Abschiebung befristet. Der Bescheid wurde den Klägern am 30.05.2018\nzugestellt.\n\n6\n\nAm 30.05.2018 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung\nbeziehen sie sich auf das Vorbringen im Vorverfahren. Die Ehefrau und Mutter\nleide infolge eine Teilamputation des Unterschenkels an einer schweren\nGehbehinderung. Eine ärztliche Bescheinigung vom 18.07.2018 wurde insoweit\nvorgelegt.\n\n7\n\nIm Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1) die Klage\nhinsichtlich der Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheides,\nsoweit sie sich auf seinen Asylantrag bezieht, zurückgenommen.\n\n8\n\nDie Kläger beantragen weiterhin,\n\n9\n\nhinsichtlich des Klägers zu 1) die Beklagte unter Aufhebung von Ziffern 2 bis\n4 des Bescheides vom 28.05.2018 – mit Ausnahme von Ziffer 3 Satz 4 - zu\nverpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs.\n7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bulgarien vorliegen, sowie\n\n10\n\nden Bescheid der Beklagten vom 28.05.2018, soweit er sich auf die Klägerin zu\n2) bezieht, aufzuheben mit Ausnahme von Ziffer 3 Satz 4 des Bescheides.\n\n11\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n12\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n13\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den\nInhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges verwiesen.\n\n14\n\n**E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e**\n\n15\n\nSoweit der Kläger zu 1) die Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren gemäß\n§ 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.\n\n16\n\nIm Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.\n\n17\n\n1)\n\n18\n\nBezogen auf den Kläger zu 1) erweisen sich die Ziffern 2 bis 4 des Bescheides\nder Beklagten vom 28.05.2018 in dem noch angefochtenen Umfang als rechtswidrig\nund verletzen ihn in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), weil er einen\nAnspruch auf die Feststellung hat, dass für ihn das Abschiebungsverbot gemäß §\n60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Bulgarien vorliegt. Im Falle einer Abschiebung\nläuft der Kläger tatsächlich Gefahr, infolge systemischer Mängel der\nAufnahmebedingungen bzw. bei der Behandlung anerkannter Schutzberechtigter\neiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der\nCharta der Grundrechte der EU und Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden.\n\n19\n\nWesentliche Kriterien für die Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende\nBehandlung vorliegt, sind der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für\nMenschenrechte zu Art. 3 EMRK zu entnehmen. Eine Situation extremer\nmaterieller Armut kann stets eine für Art. 3 EMRK relevante Frage darstellen,\nwenn Personen vollkommen von staatlicher Unterstützung abhängig sind und sich\nin einer Lage schwerwiegender Entbehrungen und extremer materieller Not, die\nnicht mit der Menschenwürde vereinbar ist, mit behördlicher Gleichgültigkeit\nkonfrontiert sind. Eine Situation extremer materieller Not liegt insbesondere\ndann vor, wenn Personen ihre elementarsten Bedürfnisse, wie insbesondere, sich\nzu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, nicht befriedigen\nkönnen und dies ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder\nsie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde\nunvereinbar. Stets ist eine gründliche und individuelle Prüfung der Situation\nder betroffenen Person vorzunehmen und zu berücksichtigen, dass Asylsuchende\neine besonders unterprivilegierte und verletzliche Gruppe darstellen und\nbesonderen Schutz benötigen. Der Situation von Minderjährigen und der extremen\nVerletzlichkeit von Kindern ist Rechnung zu tragen.\n\n20\n\nVgl. EuGH, Urteil vom 19.03.2019 – C-297/17 (Ibrahim) u.a. und Urteil vom\ngleichen Tage – C 163/17 (Jawo); EGMR, Urteil vom 04.11.2014 – 29217/12 –\nTarakhel/Italien -; BVerwG, Beschluss vom 08.08.2018 – 1 B 25.18 -.\n\n21\n\nDer Umstand, dass subsidiär Schutzberechtigte in dem Mitgliedstaat, der dem\nAntragsteller diesen Schutz gewährt hat, keine oder im Vergleich zu anderen\nMitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde\nLeistungen erhalten, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses\nMitgliedstaats behandelt zu werden, kann nur dann zu der Feststellung führen,\ndass dieser Antragsteller dort tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine\ngegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung zu erfahren, wenn dieser Umstand zur\nFolge hat, dass sich dieser Antragsteller aufgrund seiner besonderen\nVerletzbarkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen\nEntscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände. Bloße\nUnterschiede in den Sozialhilfeleistungen und/oder Lebensverhältnissen reichen\nebenso wenig aus wie große Armut oder eine starke Verschlechterung der\nLebensverhältnisse der betreffenden Person, sofern sie nicht mit extremer\nmaterieller Not verbunden sind, die einer unmenschlichen oder erniedrigenden\nBehandlung gleichgestellt werden kann.\n\n22\n\nVgl. EuGH, Urteile vom 19.03.2019 – C-297/17 (Ibrahim) u.a. und – C 163/17\n(Jawo) -; BVerwG, Beschluss vom 08.08.2018 – 1 B 25.18 -.\n\n23\n\nHinsichtlich Bulgarien entspricht es der ständigen Rechtsprechung des\nerkennenden Gerichts, das dort systemische Mängel des Asylverfahrens und der\nAufnahmebedingungen vorliegen, die alle Bereiche des bulgarischen Asylsystems\nerfassen und die für jeden einzelnen das tatsächliche Risiko begründen, einer\nVerletzung seiner Rechte aus Art. 3 EMRK und Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu\nsein.\n\n24\n\nDie Lage von Personen mit Schutzstatus in Bulgarien ist aussichtslos. Seit dem\nAuslaufen des Nationalen Integrationsprogramm im Jahr 2013 gibt es bis heute\nkein operatives Integrationsprogramm mehr in Bulgarien und damit ist auch in\nabsehbarer Zukunft nicht zu rechnen. Eine zuletzt geltende\n„Integrationsverordnung Nr. 208“ wurde am 31.03.2017 wegen fehlender\neffektiver Umsetzung in einer außerordentlichen Sitzung der Übergangsregierung\nersatzlos aufgehoben. Personen mit Schutzstatus haben zwar formal bis zu einem\nZeitraum von 6 Monaten nach der positiven Entscheidung einen Anspruch auf\nfinanzielle Unterstützung wie Asylbewerber in Höhe von 65 Lewa pro Monat\n(entspr. 33,33 €), was dem Minimums der staatlichen Sozialhilfe in Bulgarien\nentspricht. Dieser Betrag ist seit 2009 unverändert und reicht\nanerkanntermaßen nicht aus, um selbst grundlegende Bedürfnisse wie Nahrung zu\nbefriedigen, geschweige denn eine Unterkunft oder Zugang zur\nGesundheitsversorgung zu erlangen. Die einzige Option zur Erlangung einer\nUnterkunft während dieser sechsmonatigen Zeit besteht in dem weiteren Verbleib\nin einem der Aufnahmezentren, was nur ausnahmsweise der Fall ist. Haben\nSchutzberechtigte eine Unterkunft zwischenzeitlich aus irgendwelchen Gründen\nverlassen, werden sie dort regelmäßig nach einer Rückkehr nicht mehr\nuntergebracht. Außerhalb der Aufnahmezentren besteht ein hohes Risiko von\nObdachlosigkeit, das wegen des Fehlens eines Integrationsprogramms dadurch\nerhöht wird, dass Flüchtlinge keinerlei finanzielle Unterstützung wie Wohngeld\noder Sozialhilfe erhalten und auch keine Unterkunft in Obdachlosenunterkünften\noder Sozialwohnungen finden können. Der Erhalt eines Schutzstatus bedeutet\ndaher in der Regel Obdachlosigkeit. Ohne Wohnung ist auch der Zugang zu\njeglichen anderen staatlichen und medizinischen Leistungen unmöglich, da\nhierfür eine Meldeadresse vorgewiesen werden muss. Mangels\nIntegrationsprogramm, ohne Sprachkenntnisse und in Abwesenheit von\nSozialarbeitern ist dies Schutzberechtigten nahezu unmöglich. So erhielten\nStand Mai 2017 nur 20 Schutzberechtigte Sozialleistungen ausgezahlt. Ebenso\naussichtslos sind die Möglichkeiten, sich durch Erwerbstätigkeit das\nExistenzminimum zu sichern, zumal unter den in Bulgarien herrschenden\nschlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit einer ohnehin hohen\nArbeitslosenquote. Nur wenige Schutzberechtigte haben bislang überhaupt eine\nArbeit gefunden und wenn, dann entweder in schlecht bezahlten unqualifizierten\nJobs oder bei Arbeitgebern gleicher Herkunft, die sich vornehmlich in Sofia\nein Geschäft aufgebaut haben. Auch der Zugang zu Schule/Bildung ist für\nFlüchtlingskinder praktisch nicht gewährleistet. Der Zugang zur\nGesundheitsversorgung ist für Personen mit Schutzstatus ebenfalls nicht\ngewährleistet. Der monatliche Beitrag für das Gesundheitssystem muss selbst\nbezahlt werden, eine staatliche Unterstützung gibt es hierfür nicht. Selbst\nwenn der Beitrag irgendwie aufgebracht werden kann, sind Aufwendungen für\nArzneimittel und psychologische Behandlung nicht abgedeckt. Auch\nkassenfinanzierte Leistungen können kaum in Anspruch genommen werden, da man\nhierzu auf eine Patientenliste eines Hausarztes gelangen muss, was oft mit\nunüberwindbaren Schwierigkeiten verbunden ist.\n\n25\n\nVgl. u.a. Urteil vom 18.06.2015 – u.a. AZ 20 K 5432/14.A - m.w.N.; Auswärtiges\nAmt, Auskünfte an Niedersächsisches OVG vom 18.07.2017, an VG Stuttgart vom\n23.07.2015 und an VG Hamburg vom 30.11.2015; aida, Country Report Bulgaria –\nupdate 2018, amnesty international, Jahresberichte 2017/2018 und 2016 –\nBulgarien; Muiznieks-Report (Menschenrechtskommissar des Europarats) vom\n22.06.2015; Rechtsanwältin Dr. Valeria Ilareva, Bericht über die derzeitige\nrechtliche, wirtschaftliche und soziale Lage anerkannter Flüchtlinge und\nsubsidiär Schutzberechtigter in Bulgarien, vom 27.08.2015; UNHCR, Überblick\nüber den Zugang zu Bildung für Personen unter dem Mandat von UNHCR in\nBulgarien, Juni 2015.\n\n26\n\nIn Bulgarien sind zwar mehrere Nichtregierungsorganisationen aktiv und bieten\nProgramme für Flüchtlinge. Die zur Verfügung stehenden Plätze reichen aber bei\nweitem nicht aus. So nahmen etwa im Jahr 2017 ausschließlich in Sofia 40\nPersonen an verschiedenen Programmen des Bulgarischen Roten Kreuzes teil bei\neiner Zahl von 963 anerkannten Schutzberechtigten im Zeitraum vom 01.01. bis\n31.05.2017. Spezielle Programme für zurückgekehrte Schutzberechtige existieren\nweder von staatlicher Seite noch von Seiten der NRO’s.\n\n27\n\nVgl. Auswärtiges Amt, Auskünfte an Niedersächsisches OVG vom 18.07.2017,\n\n28\n\nZusätzlich muss in den Blick genommen werden, dass sich die Situation von\nSchutzberechtigten und Inländern auch bei formaler Gleichbehandlung\nstrukturell und grundlegend unterscheidet. Bei Sozialleistungen, die – wie in\nBulgarien unbestritten der Fall - so bemessen sind, dass sie objektiv nicht\nzum Überleben ausreichen und nicht die grundlegendsten Bedürfnisse an\nUnterkunft und medizinischer Versorgung decken, ist der Schutzberechtigte ohne\nSprachkenntnisse, ohne jegliche sozialen Kontakte oder familiären Netzwerke\nund ohne eigene Mittel zu einem menschenunwürdigen Leben am Rande des\nExistenzminimums verdammt. Zudem stehen ihnen bei einem weitgehend\nverschlossenen Arbeitsmarkt auch keine Ausweichmöglichkeiten zur\nExistenzsicherung, wie etwa die Abwanderung auf andere Arbeitsmärkte in der\nEU, zur Verfügung, da sie anders als Inländer keine Freizügigkeit genießen.\nInsofern erweist sich bei der gegebenen völligen Abhängigkeit von staatlichen\nZuwendungen das Fehlen eines Integrationsprogramms als Ausdruck einer\ninstitutionellen manifesten Gleichgültigkeit, die nach der Rechtsprechung des\nEGMR auch ohne die besonderen Gewährleistungen der Qualifikationsrichtlinie\nbereits zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen kann.\n\n29\n\nZu dem Fehlen nahezu jeglicher staatlicher Unterstützung bei der Sicherung des\nExistenzminimums und der Befriedigung elementarster Bedürfnisse kommen weit\nverbreiteter Rassismus und Intoleranz hinzu, dem staatliche Behörden und\nPolitiker nur selten entgegentreten. Es mehren sich im Gegenteil Berichte über\nGewaltanwendung von staatlichen Sicherheitskräften gegenüber Flüchtlingen und\neine Überlastung des Aufnahmesystems. Das Versäumnis staatlicher bulgarischer\nVerfolgungsbehörden, möglichen rassistischen Motiven für eine Gewaltanwendung\ngegenüber dem sudanesischen Beschwerdeführer nachzugehen, hat in der\nVergangenheit bereits zu einer Verurteilung Bulgariens durch den EGMR wegen\neiner Verletzung von Art. 3 EMRK geführt.\n\n30\n\nVgl. Muiznieks-Report (Menschenrechtskommissar des Europarats) vom 22.06.2015;\nEGMR, Urteil vom 11.03.2014 – Nr. 26827/08 - Abdu/Bulgarien; Human Rights\nWatch, Bericht vom 16.02.2016, Dispatches: What Bulgaria’s „Respect“ for\nRefugees Really Looks Like; n-tv.de vom 25.11.2016, Ausschreitungen in\nBulgarien – Polizei nimmt 200 Flüchtlinge fest.\n\n31\n\nDie vorstehende Auskunftslage spiegelt sich in den Angaben des Klägers zu 1)\nin der mündlichen Verhandlung über ihre persönliche Aufnahmesituation in\nvollem Umfang wieder. Soweit sie das Glück hatten, zumindest nicht obdachlos\nzu sein, können sie mit einer Wiederaufnahme in einem Flüchtlingsheim im Falle\neiner Rückkehr nicht mehr rechnen.\n\n32\n\nDas Gericht hat nach alledem unverändert keinen Zweifel, dass für Personen mit\nSchutzstatus in Bulgarien das tatsächliche Risiko einer Verletzung ihrer\nRechte aus Art. 3 EMRK und Art. 4 GR-Charta besteht.\n\n33\n\nZu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass syrische Schutzsuchende infolge\nder lang andauernden bewaffneten Auseinandersetzungen in ihrem Heimatland\nregelmäßig in erheblichem Maße traumatische Erfahrungen gemacht haben und\nhäufig bereits einmal ihre gesamte Existenzgrundlage verloren haben. Sie sind\ndaher in besonders hohem Maße vulnerabel und schutzbedürftig. Im Falle des\nKlägers zu 1) und seiner Familie kommt weiter erschwerend hinzu, dass es sich\num eine Familie mit einem minderjährigen Kind von drei Jahren handelt. Sie\ngehören daher innerhalb der insgesamt bereits besonders schutzbedürftigen\nGruppe der Asylsuchenden/Schutzberechtigten zu einer in besonders hohem Maße\nvulnerablen Personengruppe, für die eine Verletzung der Rechte aus Art. 3 EMRK\nim Falle einer Rückschiebung nach Bulgarien anhand der oben dargestellten\nAuskunftslage offen zu Tage tritt. Zu berücksichtigen ist hier auch, dass die\nEhefrau und Mutter der Kläger, deren Situation in die vorliegende Bewertung\nmiteinzubeziehen ist, nach dem fachorthopädischen Attest des Dr. T. C. vom\n18.07.2018 unterschenkelamputiert und mit einer Unterschenkelprothese versorgt\nist. Sie bedarf daher einer dauerhaften Prothesenverordnung mit entsprechenden\nKontrollen und gegebenenfalls nötiger Reparatur oder Erneuerung, die in\nBulgarien nach der obigen Auskunftslage erkennbar nicht zur Verfügung stehen\nwerden.\n\n34\n\nDie Ziffern 2 bis 4 des Bescheides sind nach alledem im beantragten Umfang\naufzuheben.\n\n35\n\n2)\n\n36\n\nHinsichtlich der Klägerin zu 2) ist der Bescheid in vollem Umfang\neinschließlich der Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheides\naufzuheben.\n\n37\n\nDies gilt zunächst bereits deshalb, weil zweifelhaft ist, ob der Klägerin zu\n2) in Bulgarien ebenfalls internationaler Schutz gewährt wurde. Bulgarien\nselbst hat eine entsprechende Mitteilung nur bezogen auf den Kläger zu 1) im\nRahmen der Antwort auf das Wiederaufnahmeersuchen gemacht. Hinsichtlich der\nKlägerin zu 2) haben die bulgarischen Behörden dagegen trotz eines besonderen\nInformationsersuchens und nachfolgender Erinnerung keine Angaben mehr gemacht\nund insbesondere nicht bestätigt, dass auch dieser internationaler Schutz\ngewährt worden sei. Bei dieser Sachlage kann eine Schutzgewährung in Bulgarien\nnicht einfach unterstellt werden und erweist sich jedenfalls die auf § 29 Abs.\n1 Nr. 2 AsylG gestützte Unzulässigkeitsentscheidung als rechtswidrig. Etwas\nanderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger zu 1) in der mündlichen\nVerhandlung angegeben hat, seiner Tochter sei in Bulgarien subsidiärer Schutz\ngewährt worden, denn jedenfalls hat er keinen schriftlichen Bescheid darüber\nerhalten.\n\n38\n\nUnabhängig davon aber ist es dem Bundesamt auch aus Gründen höherrangigen\nRechts verwehrt, den Asylantrag der Klägerin zu 2) auf der Grundlage von § 29\nAbs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abzulehnen.\n\n39\n\nGemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 (Verfahrensrichtlinie)\nkönnen die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als\nunzulässig ansehen, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz\ngewährt hat. Dies gilt auch in Situationen, in denen einem Antragsteller in\neinem anderen Mitgliedstaat kein Recht auf Asyl, sondern lediglich subsidiärer\nSchutz gewährt worden ist. Diese Befugnis gilt jedoch nur, wenn der\nAntragsteller keinen ernsthaften Gefahren ausgesetzt wäre, aufgrund der\nLebensumstände, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat als Schutzberechtigten\nerwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von\nArt. 4 GRCh zu erfahren.\n\n40\n\nVgl. EuGH, Urteil vom 19.03.2019 – C-297/17 (Ibrahim) u.a.\n\n41\n\nUnter Berücksichtigung der obigen Ausführungen unter Ziffer 1 bestünde aber\nfür die Klägerin zu 2) im Falle einer Rückführung die konkrete Gefahr einer\nunmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh und\nArt. 3 EMRK, so dass eine Rückführung nach Bulgarien nicht zulässig und auch\ndie Abweisung des Asylantrags als unzulässig rechtswidrig ist.\n\n42\n\nErweist sich damit die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheides\nhinsichtlich der Klägerin zu 2) als rechtswidrig und unterliegt der Aufhebung,\nso war auch die Entscheidung hinsichtlich der Abschiebungsverbote in Ziffer 2\naufzuheben, da sie jedenfalls verfrüht ergangen ist. In gleicher Weise\nunterliegen die Ziffern 3 (im angefochtenen Umfang) und 4 des Bescheides der\nAufhebung.\n\n43\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 und 2 VwGO, 83 b AsylG.\n\n44\n\n**Rechtsmittelbelehrung**\n\n45\n\nGegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das\nOberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von\ndiesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn\n\n46\n\n * 47\n\n1\\. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder\n\n * 48\n\n2\\. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des\nBundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe\ndes Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser\nAbweichung beruht oder\n\n * 49\n\n3\\. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrens-mangel\ngeltend gemacht wird und vorliegt.\n\n50\n\nDie Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des\nUrteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667\nKöln, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In\ndem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.\n\n51\n\nStatt in Schriftform können die Einlegung und die Begründung des Antrags auf\nZulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a\nder Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die\ntechnischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das\nbesondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-\nVerordnung – ERVV) erfolgen.\n\n52\n\nVor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein\nVerfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder\nBeteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als\nProzessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer\nstaatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der\nEuropäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den\nEuropäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum\nRichteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen\nRechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder\njuristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt\nzugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der\nVerwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten und ihnen kraft Gesetzes\ngleichgestellten Personen zugelassen.\n\n53\n\nDie Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung\neines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.\n\n
323,573
ovgnrw-2019-11-07-1-b-57919
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 B 579/19
2019-11-07
2019-11-09 11:01:07
2020-12-10 13:28:00
Beschluss
ECLI:DE:OVGNRW:2019:1107.1B579.19.00
## Tenor\n\nDie Beschwerde wird zurückgewiesen.\n\nDer Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der\naußergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.\n\nDer Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis\n22.000 Euro festgesetzt.\n\n \n1\n\n**G r ü n d e**\n\n2\n\nDie Beschwerde, mit der der Antragsteller den erstinstanzlich abgelehnten\nAntrag,\n\n3\n\ndem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die im\nJustizministerialblatt des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15. Oktober 2017\nausgeschriebene Stelle "Richterin o. Richter am AG – als ständ. Vertr. e. Dir.\n(R 2) in M. " mit der Beigeladenen zu besetzen, bevor über seine, des\nAntragstellers, Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts\nerneut entschieden worden ist,\n\n4\n\nweiterverfolgt, ist unzulässig. Das Vorbringen des Antragstellers genügt nicht\nden Darlegungsanforderungen, die nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO in Verfahren\ndes vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123 VwGO) an eine\nBeschwerdebegründung zu stellen sind. Danach muss die Begründung die Gründe\ndarlegen, aus denen die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben\nist, und sich mit dieser Entscheidung auseinander setzen.\n\n5\n\nHierzu ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer mit seinem (fristgerechten)\nBeschwerdevorbringen – der Begründungsstruktur der Entscheidung des\nVerwaltungsgerichts folgend – die dieser Entscheidung zugrunde liegenden\ntragenden Überlegungen, die er in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht\nfür falsch oder unvollständig hält, genau bezeichnet sowie – jedenfalls\nbezogen auf ein Mindestmaß im gegebenen Fall zumutbarer Substantiierung – im\nEinzelnen ausführt, warum sie unrichtig sind, welche rechtlichen Konsequenzen\nsich daraus ergeben und was richtigerweise zu gelten hat.\n\n6\n\nVgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Mai 2018 – 1 B 1095/17 –, juris, Rn. 4, und\nvom 16. September 2019 – 1 B 999/18 –, juris, Rn. 3; ausführlich zu den\nDarlegungsanforderungen etwa Guckelberger, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, 5. Aufl.\n2018, § 146 Rn. 71 ff., m. w. N.\n\n7\n\nDem genügt es insbesondere nicht, wenn das Beschwerdevorbringen lediglich auf\nden erstinstanzlichen Vortrag des Beschwerdeführers verweist oder ihn\nwiederholt. Dieser Vortrag konnte nämlich die Gründe der erst nachfolgend\nergangenen erstinstanzlichen Entscheidung schon aus sachlogischen Gründen noch\nnicht berücksichtigen. An der geforderten inhaltlich-argumentativen\nAuseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung fehlt es weiter etwa\ndann, wenn der Beschwerdeführer ohne näheres Eingehen auf die dortige\nArgumentation bestimmte rechtliche Zusammenhänge auf der Grundlage des\neigenen, im Kern unveränderten Sachvortrags nur (nochmals) "zur Überprüfung"\ndes Beschwerdegerichts stellt oder wenn das zur Stützung vom Beschwerdeführer\ngeltend gemachter Unrichtigkeiten Vorgetragene ersichtlich an Struktur\nund/oder Inhalt der tragenden Begründung der angefochtenen Entscheidung\nvorbeigeht.\n\n8\n\nDaran gemessen wird das Beschwerdevorbringen des Antragstellers den\ngesetzlichen Darlegungsanforderungen nicht gerecht.\n\n9\n\n1\\. Der Antragsteller macht unter dem Gliederungspunkt I. der\nBeschwerdebegründungsschrift zunächst geltend, die Ausführungen des\nVerwaltungsgerichts zu der vom Antragsgegner vorgenommenen stärkeren\nGewichtung der Note der Leistungs- und Befähigungsbeurteilung der Beigeladenen\nwegen deren im Verhältnis zum Antragsteller (R 1) höheren Statusamtes (R 2)\nverkenne die Bedeutung und Tragweite des sich insoweit aus der Rechtsprechung\ndes Bundesverfassungsgerichts ergebenden Verbots einer schematischen Anwendung\ndieses Grundsatzes. Diese Ausführungen seien weder grundsätzlich noch im\nkonkreten Fall zutreffend; sie würden zur Überprüfung durch das\nOberverwaltungsgericht gestellt. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts\nbeschränkten sich nicht – wie vom Verwaltungsgericht wohl angenommen – auf\neine Bewerberkonkurrenz zwischen Richtern und Beamten. Sie würden vielmehr\nauch zwischen zwei Richtern bzw. Beamten gelten. Die bei Unterschieden im\nStatusamt vorzunehmende Gewichtung müsse konkret, einzelfallbezogen und\nsachangemessen sein. Daran habe sich der Antragsgegner nicht gehalten, sondern\ndie Note der Beigeladenen schematisch "gedanklich" angehoben. Er, der\nAntragsteller, habe auf "Fragwürdigkeiten" des Besetzungs- bzw.\nBeurteilungsverfahrens (vorzeitige Intention, die streitbefangene\nBeförderungsstelle mit der Beigeladenen zu besetzen, Übergehen der eigenen\nPerson bei der Übertragung von Tätigkeiten in der Gerichtsverwaltung)\nhingewiesen. Indem das Verwaltungsgericht sich damit nicht befasst habe, habe\nes den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen nicht genügt.\n\n10\n\nDieses Vorbringen setzt sich mit den thematisch korrespondierenden\nBegründungsteilen der erstinstanzlichen Entscheidung nicht in der gebotenen\nWeise, insbesondere nicht hinreichend substantiiert, auseinander. Die im\nZentrum stehende Rüge, das Verwaltungsgericht habe die sich aus der\nRechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für Beförderungskonkurrenzen mit\nBewerbern aus unterschiedlichen Statusämtern ergebenden Vorgaben nicht\nbeachtet, bleibt in ihrer Begründung im Wesentlichen inhaltsleer. Die\nRechtsbehauptung, die Begründung des Verwaltungsgerichts verfehle bereits im\nGrundsätzlichen die verfassungsgerichtlichen Vorgaben, entbehrt jeder\nGrundlage. Die im Kern pauschal bzw. unter bloßem Verweis auf\nerstinstanzliches Vorbringen bzw. unter dessen zusammenfassender Wiederholung\ngerügte schematische Anwendung des Grundsatzes der stärkeren Gewichtung einer\nim höheren Statusamt erhaltenen dienstlichen (Leistungs-) Beurteilung im\nkonkreten Fall lässt sich auf der Grundlage einerseits des\nBeschwerdevorbringens und andererseits der Ausführungen in dem angefochtenen\nBeschluss nicht hinreichend nachvollziehen.\n\n11\n\nDas Verwaltungsgericht hat es als rechtsfehlerfrei bewertet, dass der\nAntragsgegner die der Beigeladenen erteilte Leistungs- und\nBefähigungsbeurteilung gedanklich mit der Beurteilungsnote "erheblich über dem\nDurchschnitt (oberer Bereich)" in den Qualifikationsvergleich zwischen ihr und\ndem Antragsteller eingestellt hat (Seite 5 unten des Beschlussabdrucks).\nGrundlage dafür ist gewesen, dass (als solches unstreitig) die Beigeladene\nihre Beurteilung im statusrechtlichen Amt einer Richterin am Amtsgericht – als\nweitere Aufsicht führende Richterin – (BesGr. R 2) erhalten hat, der\nAntragsteller hingegen seine Beurteilung (nur) in dem innegehabten Amt eines\nRichters am Amtsgericht (BesGr. R 1). Unter ausdrücklicher Zitierung (u. a.)\nder Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Seite 6 unten und 7 oben des\nBeschlussabdrucks) ist das Verwaltungsgericht von dem in ständiger\nRechtsprechung auch des beschließenden Senats angewendeten Grundsatz\nausgegangen, dass bei formal gleichlautenden Gesamturteilen die Beurteilung\ndes Bewerbers im höheren Statusamt prinzipiell besser ist als diejenige eines\nim niedrigeren Statusamt beurteilten Konkurrenten. Das beruht auf der – vom\nAntragsteller nicht in Frage gestellten und in der Sache zutreffenden –\nÜberlegung, dass mit der Verleihung eines höheren Statusamtes im Allgemeinen\ndie dienstlichen Anforderungen an die Tätigkeit sowie auch das Maß an\nVerantwortung steigen. Dass dieser Grundsatz nicht schematisch auf jeden Fall\nder Beförderungskonkurrenz zwischen formal gleich beurteilten Bewerbern mit\nunterschiedlichem Statusamt angewendet werden darf, namentlich dann nicht,\nwenn besondere Umstände des Einzelfalles die Berücksichtigung weiterer\nKriterien gebieten, hat das Verwaltungsgericht erkannt, nämlich ausdrücklich\nangesprochen (Seite 6 unten/7 oben des Beschlussabdrucks). Die betreffende\nRüge des Antragstellers geht insofern ins Leere.\n\n12\n\nDas Verwaltungsgericht hat Ausnahmen von dem Grundsatz der stärkeren\nGewichtung einer Beurteilung im höheren Statusamt nicht auf das Verhältnis von\nRichtern zu Beamten beschränkt, wofür schon die nähere Befassung mit einer\nsolchen Ausnahme in dem vorliegenden Fall einer Beförderungskonkurrenz\nzwischen zwei Richtern ein Indiz ist. Es hat vielmehr nur ausführt, dass\nsolche Ausnahmen in der Rechtsprechung "namentlich" in Betracht gezogen worden\nseien, wenn Richter und in Ministerien tätige Beamte um gerichtliche\nLeitungsposten konkurrierten, wobei sie zueinander nicht in einer\nBeförderungshierarchie stünden (Seite 7 Mitte des Beschlussabdrucks). Diese\nAussage, der sich auch der Sachverhalt in dem vom Verwaltungsgericht konkret\nangesprochenen Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli\n2018 – 2 BvR 1207/18 – zuordnen lässt, ist rechtlich nicht zu beanstanden.\n\n13\n\nSoweit der Antragsteller die unzureichende Berücksichtigung der\nEinzelfallumstände des vorliegenden Falles rügt, lässt sich das – auch unter\nBerücksichtigung des geringen Substantiierungsgrades dieser Rüge – nicht\nhinreichend nachvollziehen. "Offensichtlich fragwürdige Besetzungsumstände",\ndie dem der vorbezeichneten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts\nzugrunde liegenden, sehr speziellen Sachverhalt\n\n14\n\n\\- vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Juli 2018– 2 BvR 1207/18 –, juris, Rn.\n12 -\n\n15\n\nzumindest annähernd entsprechen, sind hier weder dargetan noch sonst\nersichtlich. Dass der Antragsgegner schon vor/bei Beginn des\nBesetzungsverfahrens (gerichtsverwaltungsintern) die Absicht gehabt haben mag,\ndie Beigeladene weiter beruflich zu fördern und ihr zu diesem Zweck die\nstreitbefangene Stelle zu übertragen, vermag für sich genommen nicht\naufzuzeigen, dass dem sachfremde Gründe zugrunde gelegen hätten/haben müssten,\ndie nicht mit dem Grundsatz der Bestenauslese übereinstimmen. Entsprechendes\ngilt für den schon vom Verwaltungsgericht (Seite 9 Mitte des\nBeschlussabdrucks) behandelten Umstand, dass dienstliche Beurteilungen der\nBeigeladenen für diese eine Entwicklung in Gestalt einer schnelleren\nLeistungssteigerung ausweisen. Für eine etwaige bewusste und sachlich nicht\ngerechtfertigte Zurückstellung des Antragstellers bei der Übertragung von\nVerwaltungstätigkeiten– etwa im Rahmen von Interessenbekundungsverfahren –\nfehlt es selbst bei Einbeziehung des erstinstanzlichen Vorbringens an einem\nausreichend substantiierten Vortrag. Zum beruflichen Werdegang der hier\ninteressierenden Konkurrenten oder auch zu sonstigen Einzelfallgesichtspunkten\nlegt das Beschwerdevorbringen keine Unterschiede dar, denen vor dem\nHintergrund der in Rede stehenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts\nBedeutung für eine Ausnahme vom Grundsatz des höheren Gewichts einer im\nhöheren Statusamt erhaltenen Beurteilung zuzumessen wäre. Dass sich die\nrichterlichen Tätigkeiten des Antragstellers und der Beigeladenen am\nAmtsgericht nicht wesentlich voneinander unterschieden haben mögen, stellt\nnicht in Frage, dass allein die Beigeladene im Beurteilungszeitraum eine\nFunktion wahrgenommen hat, die bereits wegen der zur Wahrnehmung ihrer\nrichterlichen Aufgaben hinzugetretenen Verwaltungstätigkeit – als weitere\nAufsicht führende Richterin – in Anbetracht des daran anknüpfenden höheren\nStatusamts (R 2) insgesamt gesehen eine besondere Gewichtung in Gestalt einer\ngedanklichen Anhebung ihrer Beurteilungsnote rechtfertigt. An einer solchen\nstatus- und besoldungsrechtlichen Grundlage für eine Höherbewertung fehlt es\ndagegen etwa in Bezug auf die vom Antragsteller für seine Person angeführte\nhalbjährige, ohnehin mehr als 20 Jahre zurückliegende Tätigkeit des\nVorsitzenden des Schöffengerichts.\n\n16\n\n2\\. Der Antragsteller stellt unter dem Gliederungspunkt II. der\nBeschwerdebegründung weiter die Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf Seite\n11 bis 12 seines Beschlusses "zur Überprüfung durch das OVG", die sich mit dem\nWeglassen früherer positiver Zusätze und ganzer Passagen in seiner dem\nBesetzungsverfahren zugrunde liegenden Anlassbeurteilung durch den Verfasser\ndieser Beurteilung befassen. Der Antragsteller sieht diese Weglassungen (im\nUnterschied zu dem mit Beschluss des Senats vom 12. Februar 2016 – 1 B 1216/15\n–, juris, Rn. 20 entschiedenen Fall) als eine – sachlich durch nichts\nbegründete – "Herabwürdigung" seiner Leistungen und Fähigkeiten an. Sie hätten\nmit einem anderen Sprachstil oder dem Setzen anderer Schwerpunkte nichts zu\ntun, zumal der Beurteiler in anderen Zusammenhängen Stil und Formulierungen\ndes Vorbeurteilers übernommen habe. Es handele sich vielmehr um einen\ninhaltlichen Fehler der Beurteilung, ohne den ein positiveres\nBeurteilungsergebnis möglich gewesen wäre.\n\n17\n\nHiermit legt der Antragsteller einen Beurteilungsmangel nicht dar.\n\n18\n\nDas Verwaltungsgericht hat zu der Beanstandung, in der aktuellen Beurteilung\nseien sich in Vorbeurteilungen findende bewährte Formulierungen aufgegeben, an\nanderer Stelle eingefügt oder im Umfang reduziert worden, im Wesentlichen\nausgeführt: Der Antragsteller wende sich damit im Kern gegen die Art der\nFormulierung, ohne insoweit einen inhaltlichen Mangel darzulegen. Er trage\nnicht dem Umstand Rechnung, dass die aktuelle Beurteilung und die vorherige\nBeurteilung von verschiedenen Beurteilern stammten. Diese setzten mitunter\nunterschiedliche Schwerpunkte, gewichteten Sachverhalte unterschiedlich und\npflegten erfahrungsgemäß auch einen anderen Schreib- und Sprachstil. Dies\nkönne zur Folge haben, dass ein und derselbe Sachverhalt in verschiedenen\nBeurteilungen unterschiedlich dargestellt und gewürdigt werde, oder dass\nbestimmte Wendungen aus älteren Beurteilungen unverändert übernommen würden,\nandere jedoch nicht. Es gebe grundsätzlich kein Recht eines zu Beurteilenden,\ndass Formulierungen aus vorangegangenen Beurteilungen von einem neuen\nBeurteiler in der aktuellen Beurteilung weiter verwendet würden. Unabhängig\ndavon sei hinsichtlich der vom Antragsteller insbesondere bemängelten\nsprachlichen Veränderungen (die das Verwaltungsgericht näher aufführt) auch\nnicht erkennbar, dass diesen ein Gewicht zukommen könne, welches die Bejahung\neiner potentiellen Kausalität für das Beurteilungsergebnis rechtfertigte.\n\n19\n\nDas Beschwerdevorbringen setzt sich mit den Ausführungen des\nVerwaltungsgerichts zum Fehlen eines Beurteilungsmangels nicht inhaltlich\nauseinander. Es stellt ihnen vielmehr nur die sinngemäß bereits in seinen\nGegenäußerungen sowie (durch deren Inbezugnahme) im erstinstanzlichen\nVerfahren vertretene eigene Auffassung entgegen, der aktuell tätig gewordene\nBeurteiler habe mittels der sprachlichen Abfassung von Teilen des\nBeurteilungstextes die Leistungen und Fähigkeiten des Antragstellers\nherabgewürdigt. Damit bringt der Antragsteller keine (vom Verwaltungsgericht\nnoch nicht gewürdigten) Sachargumente an. Er zeigt insbesondere nicht\nsubstantiiert auf, warum die unter Veränderung des Textes der letzten\nVorbeurteilung aus dem Jahre 2012 bzw. noch älterer Beurteilungen nunmehr von\neinem anderen Beurteiler verwendeten Formulierungen einen (objektiv)\nherabwürdigenden Charakter haben sollen. Der Antragsteller überlässt die\nbetreffende rechtliche Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung\nstattdessen (voll) dem Oberverwaltungsgericht, was nach dem oben Ausgeführten\ndie Anforderungen an die gebotene Darlegung verfehlt.\n\n20\n\nDie vom Antragsteller beispielhaft angeführten sprachlichen Auslassungen bzw.\nÄnderungen (im Wesentlichen weggelassene Superlative oder deren Abschwächung)\nerweisen sich als solche nicht als weiterführend. Sie lassen aus sich heraus\nweder auf ein etwaiges unlauteres Motiv (Herabwürdigungsabsicht) noch – in der\nbei fehlenden weitergehenden Darlegungen zumindest erforderlichen Deutlichkeit\n– darauf schließen, dass der neue Beurteilungstext nicht zu der im Ergebnis\nausgeworfenen Beurteilungsnote "erheblich über dem Durchschnitt" passen kann.\n\n21\n\nGegen die weitere Begründung des Verwaltungsgerichts zur "nicht erkennbar(en)"\npotenziellen Kausalität der Veränderungen im Beurteilungstext für das\nBeurteilungsergebnis wendet sich die Beschwerde nur mit einer einfachen\nRechtsbehauptung (ein positives Ergebnis wäre denkbar gewesen) und nicht mit\ninhaltlichen Argumenten. Ob es sich bei diesen Ausführungen des\nVerwaltungsgerichts um eine – selbstständig tragende – "Doppelbegründung" oder\nnur um eine Zusatzerwägung handelt, bedarf hier vor dem Hintergrund, dass es\nzu beiden (Teil-)Begründungen an ausreichenden Darlegungen des Antragstellers\nfehlt, keiner Entscheidung.\n\n22\n\n3\\. Die Ausführungen unter dem Gliederungspunkt III. der\nBeschwerdebegründungsschrift können der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.\nDas dort zunächst gerügte Unterbleiben einer "Gesamtschau aller Umstände des\nBesetzungsverfahrens" durch das Verwaltungsgericht lässt sich nicht mit der\nerforderlichen Deutlichkeit einem bestimmten Rechtsfehler – und erst recht\nnicht einem solchen in dem Besetzungs- bzw. Beurteilungsverfahren – zuordnen.\nDiese Rüge ist daher für die Entscheidung des Senats ebenso bedeutungslos wie\ndie anschließenden Ausführungen zu einer "befremdlich(en)" Vorgehensweise des\nVerwaltungsgerichts bei der Einzelrichterübertragung, was schon nach\nAuffassung des Antragstellers nicht angefochten werden kann.\n\n23\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht\nnicht der Billigkeit, etwa entstandene außergerichtliche Kosten der\nBeigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil diese im\nBeschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt hat und damit kein eigenes\nKostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).\n\n24\n\nDie Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2\nNr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 bis 4 GKG.\nAnzusetzen ist danach im Ergebnis ein Viertel (Reduzierung des Jahresbetrages\ni. S. v. § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG wegen § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG und wegen\ndes im Eilverfahren lediglich verfolgten Zwecks vorläufiger Sicherung)\nderjenigen Bezüge (ohne die von § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3\nausgenommenen Besoldungsbestandteile), welche dem Antragsteller nach Maßgabe\ndes bei Beschwerdeeinlegung (26. April 2019) fiktiv für das angestrebte Amt\nder Besoldungsgruppe R 2 LBesO NRW im Kalenderjahr 2019 zu zahlen sind. Daraus\nergibt sich ein Streitwert, der auch noch für die höchste Erfahrungsstufe\n(Stufe 12) innerhalb der in Tenor festgesetzten Stufe liegt (7.324,95 Euro x 3\n= 21.974,85 Euro).\n\n25\n\nDieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach den §§ 68\nAbs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO\nunanfechtbar.\n\n
323,953
vg-dusseldorf-2019-10-14-27-k-1070417a
842
Verwaltungsgericht Düsseldorf
vg-dusseldorf
Düsseldorf
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
27 K 10704/17.A
2019-10-14
2019-11-26 11:00:59
2020-12-10 13:28:54
Urteil
ECLI:DE:VGD:2019:1014.27K10704.17A.00
## Tenor\n\n**Die Klage wird abgewiesen.**\n\n**Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht\nerhoben werden.**\n\n**Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die\nVollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des\nUrteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der\nVollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden\nBetrages leistet.**\n\n \n1\n\n**Tatbestand:**\n\n2\n\nDer Kläger, geboren am 00. 00. 1993, nach eigenen Angaben nigerianischer\nStaatsangehöriger vom Volk der Ibo und christlichen Glaubens, reiste nach\neigenen Angaben am 29. Oktober 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik\nDeutschland ein und stellte am 13. September 2016 einen Asylantrag.\n\n3\n\nDie persönliche Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge\n(nachfolgend: Bundesamt) erfolgte am 19. April 2017. Hier trug der Kläger im\nWesentlichen vor: Er sei Vollmitglied einer Pro-Biafra-Organisation. Er sei\nvon der Polizei gesucht worden. Die Mitglieder würden bei Demonstrationen\nangegriffen. Er sei bei Demonstrationen immer ganz vorn gewesen. Deswegen habe\ndie Polizei ihn gekannt. Er habe in Onitsha, Aba und Enugu demonstriert. Die\nletzte Demonstration habe er einen Monat vor seiner Ausreise besucht. Die\nPolizei habe die Demonstranten aufgefordert, nach Hause zu gehen, sie habe\nauch Tränengas benutzt. Zuvor seien die Demonstranten gefilmt worden. Aus\nAngst vor der Polizei habe er sich bei seinem Bruder versteckt. Er habe\nerfahren, dass die Polizei bei seiner Mutter gewesen sei und sie auch\nmitgenommen habe.\n\n4\n\nDas Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 22. Mai 2017 die Zuerkennung der\nFlüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), die Anerkennung des Klägers als\nAsylberechtigten (Ziffer 2) sowie die Zuerkennung subsidiären Schutzes (Ziffer\n3) ab und stellte fest, dass in der Person des Klägers keine\nAbschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen\n(Ziffer 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland\ninnerhalb von 30 Tagen zu verlassen. Im Falle der Nichteinhaltung dieser\nAusreisefrist wurde ihm die Abschiebung nach Nigeria oder in einen anderen\nStaat, in den er einreisen dürfte oder der zu seiner Rückübernahme\nverpflichtet sei, angedroht (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und\nAufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag\nder Abschiebung befristet (Ziffer 6). Zur Begründung führte das Bundesamt im\nWesentlichen aus: Eine systematische landesweite Verfolgung aller Mitglieder\noder Unterstützer der Gruppen, die sich friedlich für ein unabhängiges\nSüdostnigeria (Biafra) einsetzten, sei nicht festzustellen und ergebe sich\nauch nicht aus dem Sachvortrag des Klägers. Er habe vor seiner Ausreise keine\nkonkreten Verfolgungsmaßnahmen gegen sich vorgetragen. Jedenfalls bestehe eine\ninländische Fluchtalternative.\n\n5\n\nDer Bescheid wurde dem Kläger am 26. Mai 2017 zugestellt.\n\n6\n\nEr hat am 8. Juni 2017 Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er im\nWesentlichen ergänzend und vertiefend vor: Er sei Mitglied der IPOB in\nNigeria. Er laufe Gefahr aufgrund dieser Zugehörigkeit und seiner Aktivität\ninhaftiert zu werden. Es sei ersichtlich, dass er im Falle einer Rückkehr nach\nNigeria als unerwünschter politischer Aktivist gelten würde, der sich in die\nGefahr der Inhaftierung durch Sicherheitskräfte bzw. des Erleidens von\nunverhältnismäßiger Untersuchungshaft begebe. Er sei gefragt worden, ob er in\nE. Sekretär der örtlichen IPOB-Gruppe werden wolle.\n\n7\n\nDer Kläger beantragt,\n\n8\n\n**die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für\nMigration und Flüchtlinge vom 22. Mai 2017 zu verpflichten, dem Kläger die\nFlüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,**\n\n9\n\n**hilfsweise, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen,**\n\n10\n\n**weiter hilfsweise, festzustellen, dass in seiner Person Abschiebungsverbote\nnach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Nigerias vorliegen.**\n\n11\n\nDie Beklagte beantragt schriftsätzlich,\n\n12\n\n**die Klage abzuweisen.**\n\n13\n\nDer Kläger ist in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört worden. Wegen\ndes Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift,\nwegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der\nGerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug\ngenommen.\n\n14\n\n**Entscheidungsgründe:**\n\n15\n\nDas Gericht konnte durch den Einzelrichter entscheiden, nachdem ihm das\nVerfahren durch Beschluss der Kammer zur Entscheidung übertragen worden ist (§\n76 Abs. 1 AsylG).\n\n16\n\nFerner konnte das Gericht trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen\nVerhandlung verhandeln und entscheiden. Die Beklagte ist zur mündlichen\nVerhandlung formlos geladen und gemäß § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen\nworden, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und\nentschieden werden kann. Die Ladung konnte formlos erfolgen, weil die Beklagte\nmit allgemeiner Prozesserklärung auf eine förmliche Ladung verzichtet hat.\n\n17\n\nDie Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid\ndes Bundesamtes vom 22. Mai 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht\nin seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat\nzu dem für die Entscheidung maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung\n(§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der\nFlüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG.\n\n18\n\nGemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1\nAsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die\nVoraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach §\n60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG\nabgesehen. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist - im Einklang mit dem unionsrechtlichen\nund dem internationalen Flüchtlingsrecht - ein Ausländer Flüchtling im Sinne\ndes Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (GK),\nwenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse,\nReligion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer\nbestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,\ndessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch\nnehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Als\nVerfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG\nHandlungen, die (1.) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind,\ndass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte\ndarstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der\nKonvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und\nGrundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist, oder (2.) in einer\nKumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der\nMenschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in\nähnlicher Weise betroffen ist. Diese Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 2011/95/EU des\nEuropäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für\ndie Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit\nAnspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für\nFlüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den\nInhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung, ABl. L 337 S. 9) -\nAnerkennungsrichtlinie - umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung\nerfährt in § 3a Abs. 2 AsylG - im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 Richtlinie\n2011/95/EU - eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von\nRegelbeispielen. Danach kann die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt\n(Nr. 1) ebenso wie eine unverhältnismäßige oder diskriminierende\nStrafverfolgung oder Bestrafung (Nr. 2) ausreichen. Die Annahme einer\nVerfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein flüchtlingsrechtlich\ngeschütztes Rechtsgut voraus. Die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten\nVerfolgungsgründe (Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder\nZugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe) werden in § 3b Abs. 1 AsylG\nkonkretisiert. Unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere\nzu verstehen, dass eine Person in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG\ngenannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren\nbetrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt (§ 3b Abs. 1\nNr. 5 AsylG). Gemäß § 3b Abs. 2 AsylG ist es bei der Bewertung der Frage, ob\ndie Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich, ob\ndieser tatsächlich die flüchtlingsschutzrelevanten Merkmale aufweist, sofern\nihm diese von seinem Verfolger zugeschrieben werden. Zwischen den in § 3 Abs.\n1 Nr. 1 AsylG genannten und in § 3b AsylG konkretisierten Verfolgungsgründen\nund den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG beschriebenen Verfolgungshandlungen oder\ndem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§\n3a Abs. 3 AsylG, Art. 9 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU). Die Maßnahme muss\ndarauf gerichtet sein, den von ihr Betroffenen gerade in Anknüpfung an einen\noder mehrere Verfolgungsgründe zu treffen. Ob die Verfolgung in diesem Sinne\n"wegen" eines Verfolgungsgrundes erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen\nCharakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen,\nnicht hingegen nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden\ndabei leiten. Diese Zielgerichtetheit muss nicht nur hinsichtlich der durch\ndie Verfolgungshandlung bewirkten Rechtsgutverletzung, sondern auch in Bezug\nauf die Verfolgungsgründe im Sinne des § 3b AsylG, an die die Handlung\nanknüpft, anzunehmen sein. Für eine derartige "Verknüpfung" reicht ein\nZusammenhang im Sinne einer Mitverursachung aus. Ein bestimmter\nVerfolgungsgrund muss nicht die zentrale Motivation oder alleinige Ursache\neiner Verfolgungsmaßnahme sein; indes genügt eine lediglich entfernte,\nhypothetische Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund nicht den Anforderungen\ndes § 3a Abs. 3 AsylG. Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem\nAusländer - bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr - die\nvorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände\nin Anbetracht seiner individuellen Lage mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit\ndrohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der\nRechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der\nbei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ("real risk")\nabstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.\nHierfür ist erforderlich, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur\nPrüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine individuelle Verfolgung\nsprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb die dagegen\nsprechenden Tatsachen überwiegen. Diese Würdigung ist auf der Grundlage einer\n"qualifizierenden" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung\naller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Hierbei sind\ngemäß Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU neben den Angaben des Antragstellers\nund seiner individuellen Lage auch alle mit dem Herkunftsland verbundenen\nflüchtlingsrelevanten Tatsachen zu berücksichtigen. Entscheidend ist, ob in\nAnbetracht der Gesamtumstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen\nMenschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen\nwerden kann. Eine in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis\nkann auch dann vorliegen, wenn bei einer "quantitativen" oder mathematischen\nBetrachtungsweise ein Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für dessen\nEintritt besteht. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische\nMöglichkeit einer Verfolgung nicht aus; ein vernünftig denkender Mensch wird\nsie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die\n"reale Möglichkeit“ einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das\nRisiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Bei der\nAbwägung aller Umstände ist die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs\nin einem gewissen Umfang in die Betrachtung einzubeziehen. Besteht bei\nquantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische\nWahrscheinlichkeit für eine Verfolgung, macht es auch aus der Sicht eines\nbesonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen\nHeimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B.\nlediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe\nriskiert. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit;\nsie bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung\nanzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr "beachtlich" ist. Dieser\nim Tatbestandsmerkmal "aus begründeter Furcht vor Verfolgung" enthaltene\nWahrscheinlichkeitsmaßstab gilt unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller\nvorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Vorverfolgte werden nach den\nunionsrechtlichen Vorgaben nicht über einen herabgestuften\nWahrscheinlichkeitsmaßstab, sondern über die Beweiserleichterung des Art. 4\nAbs. 4 Richtlinie 2011/95/EU privilegiert. Danach besteht bei ihnen eine\ntatsächliche Vermutung, dass ihre Furcht vor Verfolgung begründet ist. Diese\nVermutung kann widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige\nGründe dagegen sprechen, dass ihnen erneut eine derartige Verfolgung droht.\n\n19\n\nVgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 – 1 C 37/18 –, juris, Rn. 9 - 14, m.w.N.\n\n20\n\nAn stichhaltigen Gründen für eine Verfolgung fehlt es, wenn eine sog.\n"hinreichende Verfolgungssicherheit" im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG\nbesteht, weil mit dem Wiederaufleben einer ursprünglichen Verfolgung nicht zu\nrechnen ist und das erhöhte Risiko einer erstmaligen gleichartigen Verfolgung\naus anderen Gründen nicht besteht.\n\n21\n\nVgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 27. November 2009 - 2 Bf 337/02.A, juris;\nZeitler, HTK-AuslR (Stand: 28. Mai 2019), § 3 AsylG, zu Abs. 1, Rn. 40.\n\n22\n\nDer Ausländer hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen\nSachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei\nverständiger Würdigung eine Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der\nAusländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen\npersönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den\nbehaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit\ndes Sachverhalts müssen u. a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und\nHerkunft des Ausländers berücksichtigen werden.\n\n23\n\nVgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23/12 -, juris, Rn. 20ff.\nm.w.N., sowie Beschluss vom 3. August 1990 - 9 B 45/90 -, juris, Rn. 2 (zu\nArt. 16a GG); OVG NRW, Urteile vom 14. Februar 2014 - 1 A 1139/13.A -, juris,\nRn. 35, und vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -, juris, Rn. 33; Sächsisches\nOVG, Urteil vom 29. August 2019 – 3 A 770/17.A –, juris, Rn. 35, vgl. auch:\nBVerfG, Kammerbeschluss vom 7. April 1998 – 2 BvR 253/96 –, juris, Rn. 4.\n\n24\n\nAn der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der\nAusländer im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein\nVorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach\nder Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer\nGeschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein\nAsylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er\nTatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne\nvernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt.\n\n25\n\nVgl. BVerwG, Urteile vom 23. Februar 1988 - 9 C 273/86 -, juris, Rn. 11, und\nvom 8. Februar 1989- 9 C 29/87 -, juris, Rn. 8, sowie Beschlüsse vom 12.\nSeptember 1986 - 9 B 180/86 -, juris, Rn. 5, und vom 23. Mai 1996 - 9 B 273/96\n-, juris, Rn. 2; OVG NRW, Beschluss vom 25. April 2002 – 8 A 1530/02.A –,\njuris, LS 5; Bayerischer VGH, Beschluss vom 18. Juli 2017 – 20 ZB 17.30785 –,\njuris, Rn. 5.\n\n26\n\nAusgehend von diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für die\nZuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in der Person des Klägers nicht vor. Es\nsteht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger sich aus\nbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes aufhält.\n\n27\n\nZunächst ist der Kläger nicht verfolgt aus Nigeria ausgereist. Seine\nSchilderungen dazu, dass die Polizei ihn gesucht habe, sind vage und detailarm\nund insgesamt unglaubhaft. Unabhängig davon fehlt es an der Kausalität der\nangeblichen Verfolgung für seine Ausreise. Denn er hat immerhin einen Monat\nlang unbehelligt bei seinem Bruder gelebt, bevor er ausgereist ist. Dass der\nwahre Grund für seine Ausreise ein anderer war, wird gestützt durch seine\nAngabe beim Bundesamt, er sei ausgereist, weil er jung sei. In der ersten\nmündlichen Verhandlung hat er zudem zunächst wirtschaftliche Gründe für seine\nAusreise benannt.\n\n28\n\nSelbst wenn die vom Kläger geschilderten Umstände seinerzeit eine Verfolgung\ndurch die nigerianischen Sicherheitskräfte im Jahr 2015 wegen seiner Rolle bei\neiner Demonstration begründet hätten, drohte ihm jedenfalls heute bei einer\nRückkehr nach Nigeria nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneute\nVerfolgung. Denn die Gefahr einer weiteren Verfolgung des Klägers ist nach den\ndem Gericht vorliegenden Erkenntnissen widerlegt.\n\n29\n\nEine Verfolgung wegen der Unterstützung der Unabhängigkeit Biafras,\ninsbesondere einer Mitgliedschaft in der IPOB nach einer Rückkehr nach Nigeria\nverfolgt zu werden, droht indes nicht sämtlichen Unterstützern mit\nbeachtlicher Wahrscheinlichkeit. Ein solches erhöhtes Risiko besteht nach den\ndem Gericht vorliegenden Erkenntnissen allenfalls für die Anführer der IPOB-\nBewegung in Nigeria.\n\n30\n\nVgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 19.\nFebruar 2019; so auch: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nigéria : Situation\ndes membres du groupe IPOB, 19. Juli 2019,\nhttps://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/afrika/nigeria/190719-nga-\nsituation-ipob-asylwiki.pdf, S. 5.\n\n31\n\nFestnahmen oder Verhaftungen von IPOB-Mitgliedern einzig aufgrund ihrer\nZugehörigkeit zu der Organisation sind bislang nicht bekannt geworden.\n\n32\n\nVgl. Bundesrepublik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl,\nLänderinformationsblatt der Staatendokumentation, Nigeria,\nGesamtaktualisierung vom 12. April 2019, S. 27.\n\n33\n\nDies entspricht den Einschätzungen des European Asylum Support Office (EASO),\ndas ebenfalls davon ausgeht, dass nicht alle Biafra-Anhänger einem\nentsprechenden Risikoprofil für eine drohende Verfolgung unterfallen, sondern\nallenfalls sog. „high-profile members”.\n\n34\n\nVgl. EASO, Country Guidance Nigeria,\nhttps://easo.europa.eu/sites/default/files/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf,\nS. 50, 99.\n\n35\n\nDies gilt gleichermaßen für exilpolitische Tätigkeiten für die Unabhängigkeit\nBiafras. Auch insoweit geht aus den verfügbaren Erkenntnissen hervor, dass\nallenfalls die Leitungsebene unter Beobachtung steht. Zwar stellt die\nSchweizerische Flüchtlingshilfe in ihrem jüngsten Bericht zur Lage der IPOB in\nNigeria,\n\n36\n\nVgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nigéria : Situation des membres du\ngroupe IPOB, 19. Juli 2019,\nhttps://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/afrika/nigeria/190719-nga-\nsituation-ipob-asylwiki.pdf,\n\n37\n\ndar, dass der nigerianische Staat die exilpolitischen Tätigkeiten der IPOB\nbeobachte. Anhand der dortigen Beispiele, wonach etwa nigerianische\nRegierungsmitglieder geäußert hätten, Frankreich sei das Finanzzentrum der\nIPOB, bzw. diese habe ihren Hauptsitz über Radio Biafra in London, zeigen,\ndass es hier allenfalls um eine Beobachtung der Exilpolitik auf höchster Ebene\ngehen kann. Hieraus kann indes nicht geschlossen werden, dass der\nnigerianische Staat etwa sämtliche IPOB-Anhänger, die in Europa an\nDemonstrationen teilnehmen oder sich in sozialen Medien engagieren, überwachen\noder gar registrieren würde. Hiergegen spricht in Gegenteil die vom\nerkennenden Gericht in einem Parallelverfahren eingeholte Auskunft der\nAuswärtigen Amtes, wonach insbesondere im Rahmen der Einreise keine Kontrollen\nmit Blick auf etwaige politische Straftaten stattfinden.\n\n38\n\nVgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 19.\nDezember 2018, zu Frage 3; Auskunft an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom\n19. Februar 2019.\n\n39\n\nDiese Voraussetzungen liegen in der Person des Klägers nicht vor. Er ist nach\neigenen Angaben kein führendes Mitglied der Bewegung. So hat er zwar\nangegeben, hier regelmäßig an Demonstrationen teilzunehmen und teilt\nregelmäßig öffentlich entsprechende Inhalte auf Facebook. Eine leitende oder\nherausgehobene Funktion hat er dagegen weder substantiiert vorgetragen noch\nglaubhaft gemacht. Selbst wenn es der Kläger Sekretär der IPOB-Gruppe in E.\nwerden sollte, ist nicht ersichtlich, dass er sich hierdurch in einer Weise\nexponieren würde, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dazu führen würde,\ndass er in den Fokus der nigerianischen Sicherheitsbehörden gerät.\n\n40\n\nUnabhängig davon und selbständig tragend gilt: Selbst wenn unterstellt wird,\ndass der Kläger nicht in seinen Heimatort zurückkehren kann, steht ihm schon\ndeshalb kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu, weil für\nihn eine interne Schutzmöglichkeit i.S. des § 3e AsylG existiert. Es ist dem\nKläger möglich, sich einer etwaigen Bedrohung in seiner Heimatregion dadurch\nzu entziehen, dass er seinen Aufenthalt an einen anderen, ausreichend weit von\nseiner Heimatstadt entfernten Ort verlagert. Angesichts der tatsächlichen\nGegebenheiten Nigerias, einem Land mit ca. 200 Millionen Einwohnern und\nmehreren Millionenstädten,\n\n41\n\n\\- vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante\nLage in der Bundesrepublik Nigeria vom 10. Dezember 2018 (Stand: Oktober\n2018), S. 6; https://de.wikipedia.org/wiki/Nigeria#Verwaltung: Einer Schätzung\nvon 2015 zufolge soll es in Nigeria 20 Städte mit mehr als 500.000 Einwohnern,\ndarunter zehn Millionenstädte. Die mit Abstand bevölkerungsreichste\nAgglomeration ist Lagos mit 13,340 Millionen Einwohnern. Weitere Städte sind\netwa Kano (4.030.000 Einwohner), Ibadan (3.060.000 Einw.) und Abuja (2.710.000\nEinw.) -,\n\n42\n\ndas weder über ein Meldewesen verfügt, so dass es keine Möglichkeit gibt, bei\neiner zuständigen Behörde nach der Wohnanschrift einer Person zu fragen,\n\n43\n\nvgl. den Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und\nabschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 10. Dezember 2018\n(Stand: Oktober 2018), S. 24; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14. Mai 2014\nan das Bundesamt; Bundesrepublik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und\nAsyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Nigeria,\nGesamtaktualisierung am 2. September 2016, letzte Kurzinformation vom 8. Mai\n2017, S. 14.ff,\n\n44\n\nnoch ein zentrales Fahndungssystem besitzt,\n\n45\n\nvgl. Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 21. Juni 2017 an das Bundesamt (zu\nAnfragen vom 17. März 2017 und 10. April 2017); Bundesrepublik Österreich,\nBundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der\nStaatendokumentation, Nigeria, Gesamtaktualisierung am 2. September 2016,\nletzte Kurzinformation vom 8. Mai 2017, S. 61,\n\n46\n\nist die Wahrscheinlichkeit, einen Menschen in einem anderen Landesteil\naußerhalb seiner Heimatregion zu finden, als gering einzuschätzen.\n\n47\n\nS. auch Bundesrepublik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl,\nLänderinformationsblatt der Staatendokumentation, Nigeria,\nGesamtaktualisierung am 2. September 2016, letzte Kurzinformation vom 8. Mai\n2017, S. 18, wonach die Terroristen nicht in der Lage sind, eine Person\nüberall in Nigeria aufzuspüren; auch Deserteure der Boko Haram können danach\nin den Süden umsiedeln, wo sie sicher sind; s. ferner S. 40 und 61.\n\n48\n\nAsyl-Rückkehrer werden keiner Überprüfung seitens der Kriminalpolizei im\nZusammenhang mit laufenden Verfahren unterzogen. Dies gilt auch in Bezug auf\netwaige Verbindungen zur Biafra-Unabhängigkeitsbewegung. Es existieren auch\nkeine sichtbaren Fahndungslisten an Flughäfen.\n\n49\n\nVgl. Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom\n19. Februar 2019 zu Az. 27 K 9057/17 und 19. Dezember 2018 zu Az. 27 K\n10421/17.A, zu Frage 3.\n\n50\n\nAuch würden einfache Unterstützer der Unabhängigkeit Biafras nicht in ganz\nNigeria erkannt werden. Dies würde allenfalls für die medial sehr präsenten\nUnabhängigkeitsführer oder die Drahtzieher der Bewegung („high-profile-\nmembers“) gelten.\n\n51\n\nVgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom\n19. Februar 2019 zu Az. 27 K 9057/17; EASO, Country Guidance Nigeria,\nhttps://easo.europa.eu/sites/default/files/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf,\nS. 50, 99; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nigéria : Situation des membres du\ngroupe IPOB, 19. Juli 2019,\nhttps://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/afrika/nigeria/190719-nga-\nsituation-ipob-asylwiki.pdf.\n\n52\n\nDer Kläger hat im Übrigen keine durchgreifenden Gründe vorgetragen, die\ndagegen sprechen würden, dass vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er\nsich andernorts niederlässt.\n\n53\n\nDer Einzelrichter verkennt nicht, dass die wirtschaftliche Lage für einen\ngroßen Teil der Bevölkerung Nigerias schwierig ist. Jedoch sind für die\nBewertung des konkreten Einzelfalles die Möglichkeiten der\nLebensunterhaltssicherung in der Person des Klägers in den Blick zu nehmen.\nDavon ausgehend ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger als\njunger, erwachsener und arbeitsfähiger Mann, der nicht zuletzt durch seine\nReise nach Europa bewiesen hat, dass er sich in einer für ihn unbekannten\nUmgebung behaupten kann, in einem anderen Landesteil nicht seinen\nLebensunterhalt bestreiten könnte. Außerdem verfügt der Kläger eigenen Angaben\nzufolge über familiäre Kontakte in Nigeria.\n\n54\n\nAnhaltspunkte für einen besonderen Ausnahmefall, in dem humanitäre Gründe in\nder Person des Klägers zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung bzw. gegen\neine Rückführung nach Nigeria sprechen, sind vorliegend nicht ersichtlich.\n\n55\n\nDer Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß\n§ 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer subsidiär\nSchutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht\nhat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Diese\nVoraussetzungen liegen nicht vor. Der Kläger hat - aus den bereits genannten\nErwägungen - keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm\nbei einer Rückkehr nach Nigeria ein solcher ernsthafter Schaden droht.\n\n56\n\nEs sind keine Anhaltspunkte für Abschiebungsverbote im Sinne von § 60 Abs. 5\nund Abs. 7 AufenthG vorgetragen oder sonst ersichtlich.\n\n57\n\nDie Abschiebungsandrohung beruht auf §§ 34, 38 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit\n§ 59 AufenthG.\n\n58\n\nDie Anordnung des befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs.\n1, Abs. 2 Satz 3 AufenthG ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Insoweit ist es\nunschädlich, dass die Beklagte im Begründungsteil des Bescheides unter 6. im\nRahmen ihrer Ermessensausübung die Vorschrift des § 11 AufenthG in der bis zum\n20. August 2019 geltenden Fassung anführt. Denn durch die Neufassung des § 11\nAufenthG haben sich die für die behördliche Fristbestimmung zu\nberücksichtigenden Umstände nicht geändert. Der Gesetzgeber hat lediglich\nklarstellend die bisherige Rechtslage an die Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts, wonach die Befristung des gesetzlichen Einreise-\nund Aufenthaltsverbotes unionsrechtskonform als behördliche Anordnung eines\nbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes zu verstehen ist,\n\n59\n\nVgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 – 1 VR 3/17 –, juris, Rn. 70 ff.,\n\n60\n\nangepasst.\n\n61\n\nVgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 22. August 2019 – A 19 K 1718/17 –, juris, Rn.\n38.\n\n62\n\nDie Ermessensentscheidung der Beklagten, die von Amts wegen vorzunehmende\nBefristung in der Mitte des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG – auch in seiner\nab dem 21. August 2019 geltenden Fassung – für den Regelfall aufgezeigten\nRahmens von bis zu fünf Jahren anzusiedeln, begegnet auch im Übrigen keinen\nBedenken. Einwände werden vom Kläger auch nicht vorgetragen. Entsprechend dem\nWortlaut des § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gilt das Einreise- und\nAufenthaltsverbot unter der aufschiebenden Bedingung der Abschiebung.\n\n63\n\nIm Übrigen wird auf die Begründung des angegriffenen Bescheides Bezug genommen\n(§ 77 Abs. 2 AsylG).\n\n64\n\nDie Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b AsylG. Die\nEntscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 und 1\nVwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der ZPO.\n\n65\n\nDer Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.\n\n66\n\n**Rechtsmittelbelehrung:**\n\n67\n\nGegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung\nder Berufung beantragt werden. Über den Antrag entscheidet das\nOberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.\n\n68\n\nDie Berufung ist nur zuzulassen, wenn\n\n69\n\n1\\. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder\n\n70\n\n2\\. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land\nNordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der\nObersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht\nund auf dieser Abweichung beruht oder\n\n71\n\n3\\. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel\ngeltend gemacht wird und vorliegt.\n\n72\n\nDer Antrag ist schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf\n(Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf)\nzu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen.\n\n73\n\nDer Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO\nund der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen\nRechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach\n(Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.\n\n74\n\nIn dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist,\ndarzulegen.\n\n75\n\nIm Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten\ndurch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für\nProzesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten\nkönnen sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer\nstaatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der\nEuropäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den\neuropäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum\nRichteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die\nzusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen\ndes öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer\nöffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67\nAbs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum\nRechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2\nSatz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den\ndort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.\n\n76\n\nDie Antragsschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der\nEinreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.\n\n
323,977
ovgnrw-2019-11-07-19-a-241019a
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
19 A 2410/19.A
2019-11-07
2019-11-27 11:00:51
2020-12-10 13:28:58
Beschluss
ECLI:DE:OVGNRW:2019:1107.19A2410.19A.00
## Tenor\n\nDer Antrag wird abgelehnt.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Zulassungsverfahrens, fur das Gerichtskosten\nnicht erhoben werden.\n\n \n1\n\nGrunde:\n\n2\n\nDer Senat entscheidet uber die Berufungszulassung durch den Vorsitzenden als\nBerichterstatter, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklart haben\n(§§ 87a Abs. 2 und 3, 125 Abs. 1 VwGO).\n\n3\n\nDer Berufungszulassungsantrag ist unbegrundet. Nach § 78 Abs. 3, Abs. 4 Satz 4\nAsylG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn einer der in Abs. 3 Nrn. 1 bis 3\naufgezahlten Zulassungsgrunde dargelegt ist und vorliegt. Der Klager stutzt\nseinen Antrag auf alle Zulassungsgrunde nach § 78 Abs. 3 Nrn. 1, 2 und 3\nAsylG. Keiner dieser Grunde liegt vor.\n\n4\n\nDer Klager geht in seiner Antragsbegrundung davon aus, dass das\nVerwaltungsgericht seine Staatsangehorigkeit „ausschließlich aus dem\nBlickwinkel des athiopischen Staatsangehorigkeitsrechts" betrachtet und\ndeshalb „Ermittlungen zu der Frage, ob der Klager Abstammungseritreer ist,"\nunterlassen habe (S. 12 f. der Antragsbegrundung vom 12. Juni 2019). Von\ndiesem Ausgangspunkt aus formuliert er sodann mehrere aus seiner Sicht\ngrundsatzlich klarungsbedurftige Fragen zum athiopischen und eritreischen\nStaatsangehorigkeitsrecht und bezieht auch seine Abweichungsruge und seine\nGehorsruge ausschließlich auf die Frage, ob er „Abstammungseritreer" ist, ob\ner also eritreischer Staatsangehoriger ist und deshalb bei der Prufung seines\nVerfolgungsbegehrens auf den Staat Eritrea als Herkunftsland im Sinn des § 3\nAbs. 1 Nr. 2 AsylG abzustellen ist (vgl. auch S. 5 der Antragsbegrundung:\n„Streitentscheidend ist, ob der Klager eritreischer Staatsangehoriger ist.").\n\n5\n\nBereits der genannte Ausgangspunkt ist unzutreffend. Das Verwaltungsgericht\nhat sein Urteil unter I.3. der Entscheidungsgrunde vielmehr selbstandig\ntragend auch auf die Erwagung gestutzt, dass der Klager selbst dann keiner\nfluchtlingsschutzrelevanten Verfolgung ausgesetzt ware, wenn auf die\nVerhaltnisse im Staat Eritrea als Herkunftsland im Sinn des § 3 Abs. 1 Nr. 2\nAsylG abzustellen sein sollte (S. 8, 16 bis 18 des Urteilsabdrucks).\n\n6\n\nStutzt die Vorinstanz ihre Entscheidung auf mehrere selbstandig tragende\nBegrundungen (Mehrfachbegrundung), kann das Rechtsmittelgericht ein\nzulassungsbedurftiges Rechtsmittel nur zulassen, wenn der Rechtsmittelfuhrer\ngegen jede der tragenden Begrundungen mindestens einen Zulassungsgrund darlegt\nund dieser Grund auch objektiv vorliegt.\n\n7\n\nSt. Rspr. des BVerwG zum Revisionszulassungsrecht, BVerwG, Beschlusse vom 14.\nMai 2019 ‑ 1 B 29.19 ‑, juris, Rn. 22, vom 15. Marz 2018 ‑ 10 B 17.17 ‑,\njuris, Rn. 4, und vom 11. April 2017 ‑ 1 B 39.17 ‑, juris, Rn. 1 m. w. Nachw.;\nzum Berufungszulassungsrecht OVG NRW, Beschlusse vom 6. November 2018 - 19 A\n2699/17.A ‑, juris, Rn. 2, vom 29. Juni 2018 ‑ 19 A 2172/18.A ‑, juris, Rn. 3,\nvom 22. Juni 2018 ‑ 19 A 1852/17.A ‑, juris, Rn. 3, vom 19. Marz 2018 ‑ 6 A\n1755/16 ‑, juris, Rn. 12, und vom 21. Dezember 2017 ‑ 4 A 2927/17.A ‑, juris,\nRn. 6; BayVGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 ‑ 13a ZB 17.31432 ‑, juris, Rn.\n3.\n\n8\n\nGegen die selbstandig tragende Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass dem\nKlager auch im Staat Eritrea nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit\nlandesweit eine Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG droht, hat er keine\nZulassungsruge erhoben.\n\n9\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit\nergibt sich aus § 83b AsylG, der Gegenstandswert aus § 30 RVG. Es liegen keine\nGrunde fur eine abweichende Gegenstandswertfestsetzung nach § 30 Abs. 2 RVG\nvor.\n\n10\n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Mit ihm wird die Entscheidung\ndes Verwaltungsgerichts rechtskraftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).\n\n
324,053
olgce-2019-11-13-7-u-36718
603
Oberlandesgericht Celle
olgce
Niedersachsen
7 U 367/18
2019-11-13
2019-11-29 11:01:09
2020-12-10 13:29:09
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nDie Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 8.\nZivilkammer des Landgerichts Verden vom 26.09.2018 wird auf seine Kosten\nzurückgewiesen.\n\n \n\nDas angefochtene landgerichtliche Urteil sowie das vorliegende Berufungsurteil\nsind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten\nwegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des\nUrteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der\nVollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages\nleistet.\n\n \n\n Streitwert für das Berufungsverfahren: | (26.062,22 € + 2.000 € =) \n---|--- \n| **28.062,22 €**. \n \n \n\n#### Gründe\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDer Kläger nimmt die Beklagte als Verkäuferin und als Herstellerin des von ihm\nseinerzeit gekauften Pkws Mercedes-Benz im Rahmen des sog. „Diesel-\nAbgasskandals“ auf Schadensersatz in Anspruch. Im Berufungsverfahren verfolgt\nder Kläger seine Ansprüche, die in erster Instanz vom Landgericht abgewiesen\nworden sind, weiter.\n\n2\n\n \n\nGemäß Kaufvertrag vom 23.07.2014 und Rechnung vom 19.09.2014 erwarb der Kläger\nvon der Beklagten einen Pkw Mercedes-Benz Typ A 200 CDI (Euro 6) zum Kaufpreis\nvon 32.730,95 €. Dieses Fahrzeug ist nicht von Maßnahmen des\nKraftfahrtbundesamtes (KBA), wohl aber von einem freiwilligen Rückruf seitens\nder Beklagten als Herstellerin zur Optimierung des Abgasverhaltens betroffen\n(vgl. Bl. 269 d. A.).\n\n3\n\n \n\nDer Kläger verlangt mit der vorliegenden Klage die Rückabwicklung des\nKaufvertrags, vornehmlich aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes.\n\n4\n\n \n\nDer Kläger hat vorgetragen, das niederländische Umweltinstitut TNO habe im\nAuftrag des holländischen Umweltministeriums ein Gutachten über einen\nMercedes-Benz C-Klasse 220 CDI BlueTEC erstellt, der die Euro-6-Norm habe\nerfüllen sollen. Dieses Fahrzeug mit dem Motor OM 651 sei im Straßenbetrieb\ngetestet worden und habe erheblich höhere NOx-Werte als den gesetzlich\nzulässigen Grenzwert gezeigt. Auch seitens der Deutschen Umwelthilfe (DUH)\nhabe es entsprechende Prüfberichte gegeben (Bl. 76 d. A.).\n\n5\n\n \n\nDer betreffende Motor sei auch in seinem Pkw verbaut, so dass für diesen\ndasselbe gelte. Die erhöhten Werte im Straßenbetrieb ließen darauf schließen,\ndass die zulässigen Grenzwerte nur auf dem Prüfstand hätten eingehalten werden\nkönnen, mithin eine Prüfstanderkennungssoftware verbaut worden sei. Dies müsse\nder Vorstand der Beklagten gewusst haben. Der Einbau einer\nPrüfstanderkennungssoftware könne nicht von wenigen Mitarbeitern im Alleingang\nvorgenommen worden sein. Vielmehr seien mehrere Abteilungen involviert. Es\nhabe eine Software programmiert werden müssen, die zuverlässig\nPrüfstandszenarien erkenne. Dies könne nicht am Vorstand vorbei geschehen\nsein.\n\n6\n\n \n\nDas Fahrzeug sei deshalb mit einem Sachmangel behaftet, der den Rücktritt vom\nKaufvertrag rechtfertige. Weiterhin bestünden deliktische\nSchadensersatzansprüche gegen die Beklagte nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16\nUWG, § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007, §\n823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB sowie nach § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 6 Abs. 1,\n27 Abs. 1 EG-FGV.\n\n7\n\n \n\nIm Ergebnis sei die Beklagte verpflichtet, das Fahrzeug zurückzunehmen und den\nKaufpreis abzüglich einer Nutzungsvergütung für die mit dem Fahrzeug\ngefahrenen Kilometer zu erstatten. Ferner werde Feststellung begehrt, dass die\nBeklagte auf etwaige zukünftige Schäden einzustehen habe.\n\n8\n\n \n\nDie Beklagte hat das Vorliegen eines Sachmangels sowie deliktische Ansprüche\nbestritten. In dem Fahrzeug des Klägers sei keine Manipulationssoftware\neingebaut worden, die manipulativ so gestaltet sei, dass auf der Straße unter\nnormalen Betriebsbedingungen ein anderes Emissionsverhalten des\nEmissionskontrollsystems erzielt werde als auf dem Prüfstand. Richtig sei\nvielmehr, dass das Emissionskontrollsystem bei gleichen Betriebsbedingungen\nsich auf dem Prüfstand und auf der Straße gleich verhalte. Das\nstreitgegenständliche Fahrzeug erfülle den Grenzwert der Euro-6-Norm.\n\n9\n\n \n\nWeiterhin hat sich die Beklagte auf die Tatbestandswirkung der\nTypengenehmigung berufen. Diese sei ein Verwaltungsakt, der gegenüber dem\nHersteller wirksam bleibe, solange er nicht aufgehoben werde. Mit dem\nWirksamwerden der Typengenehmigung stehe als Ergebnis der sachverständigen und\nbehördlichen Prüfung fest, dass der Fahrzeugtyp den gesetzlichen Anforderungen\nentspreche, und zwar auch hinsichtlich des verwendeten\nEmissionsminderungssystems. Die Prüfung durch das KBA schließe die\nAnforderungen der Verordnung (EG) 715/2007 ein, also auch den vom Kläger in\nBezug genommenen Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung. Die Rechtmäßigkeit der\nGestaltung des Fahrzeugmodells sei somit von der zuständigen Fachbehörde\nbindend festgestellt worden und konform mit dieser Typengenehmigung produziert\nworden.\n\n10\n\n \n\nDas Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Behauptung der Klägerin, das\nstreitgegenständliche Fahrzeug verfüge über eine unzulässige\nAbschalteinrichtung ähnlich der vom „VW-Abgasskandal“ betroffenen Fahrzeugen\nmit dem Motor EA 189 stelle eine unzulässige Behauptung ins Blaue hinein dar.\nKonkrete Anhaltspunkte dafür seien nicht vorgetragen worden. Auch sei es\nhinsichtlich des Fahrzeugs des Klägers nicht zu einem Rückruf durch das KBA\ngekommen. Demnach bestünden keine deliktischen Ansprüche gegen die Beklagte\n(LGU, Bl. 216 ff. d. A.).\n\n11\n\n \n\nHiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren\nin vollem Umfang aufrechterhält.\n\n12\n\n \n\nDas Landgericht habe es unterlassen, ein Sachverständigengutachten zur\nExistenz einer illegalen Abschaltvorrichtung einzuholen. In dem\nstreitgegenständlichen Fahrzeug Mercedes-Benz A 200 CDI mit dem darin\neingebauten Motor OM 651, Euro 6, Baujahr 2014, sei eine Software verbaut, die\ndazu führe, dass das Fahrzeug das Durchfahren des neuen europäischen\nFahrzyklus (NEFZ) auf dem Prüfstand erkenne und abhängig vom Erkennen die\nAbgasaufbereitung dergestalt regele, dass der Ausstoß an Stickoxiden nur beim\nDurchfahren des NEFZ optimiert werde, und deswegen eine Einhaltung der\ngesetzlichen Grenzwerte für Stickoxid nur beim Durchfahren des NEFZ und nicht\nim normalen Straßenbetrieb möglich sei, und dies auch nur aufgrund der\nverbauten Einrichtung. Ferner sei, so der Kläger erstmals im\nBerufungsverfahren, in seinem Fahrzeug eine Steuerungssoftware verbaut, die\ndie Abgasreinigungsanlage im realen Straßenbetrieb am Beginn der Warmlaufphase\nund/oder bei einstelligen positiven Außentemperaturen reduziere oder ganz\nabschalte (sog. Thermofenster). Die regelmäßige Einlassung der Beklagten, die\nAbgasrückführung in ihren Fahrzeugen bleibe bis zu zweistelligen Minusgraden\naktiv, sei falsch und werde bestritten. Das Gegenteil sei der Fall.\n\n13\n\n \n\nDer Kläger vertritt die Auffassung, dass insbesondere die Voraussetzungen für\neinen Anspruch nach § 826 BGB gegeben seien und er danach Anspruch auf\nErstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsvergütung, Zug um Zug gegen\nRückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs habe. Die Beklagte habe vorsätzlich\neinen Pkw mit Betrugssoftware in den Verkehr gebracht. Die Beklagte habe auch\npositive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der verwendeten Abschalteinrichtung\nund damit Schädigungsabsicht gehabt. Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Emissions-\nGrundverordnung normiere ein striktes Handlungsverbot in Gestalt des Verbots\nder Verwendung von Abschalteinrichtungen, unabhängig von weiteren Umständen.\nEine Ausnahme nach Abs. 2 Satz 2 (Motorschutz), der eng auszulegen sei, liege\nnicht vor. Die schädigende Handlung sei der Beklagten auch gemäß § 831 BGB\nbzw. § 31 BGB zuzurechnen. Insoweit habe die Beklagte, soweit sie die\ntatsächlichen Voraussetzungen der Zurechnung bestreiten wolle, der ihr\nobliegenden sekundären Darlegungslast nicht genügt. Die Beklagte habe\nsittenwidrig gehandelt, weil die von ihr vorgenommene Programmierung der\nMotorsteuerungssoftware gesetzeswidrig sei.\n\n14\n\n \n\nEr, der Kläger, habe einen Schaden im Sinne des § 826 BGB erlitten. Die\nTatsache, dass er aufgrund des Verschweigens der Beklagten über den Einsatz\nder illegalen Abschaltvorrichtung einen Kaufvertrag geschlossen habe, den er\nbei Kenntnis der Umstände nicht geschlossen hätte, habe seine\nDispositionsfreiheit verletzt, so dass sein Vermögen mit einer ungewollten\nVerpflichtung negativ beeinflusst worden sei.\n\n15\n\n \n\nDer Kläger hatte mit seiner Berufungsbegründung vom 28.11.2018 zunächst\nfolgende Berufungsanträge angekündigt (Bl. 247 d. A.):\n\n16\n\n \n\nUnter Abänderung des angefochtenen landgerichtlichen Urteils:\n\n17\n\n \n\n1\\. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 26.062,22 € nebst Zinsen in\nHöhe von 4.186,44 €, sowie weiterer Zinsen aus 33.173,89 € in Höhe von 4 % pro\nJahr seit dem 01.08.2018 zu zahlen und den Kläger von den aktuell noch\nbestehenden Verbindlichkeiten gegenüber der Mercedes-Benz Bank AG in Höhe von\nderzeit noch 259,95 € freizustellen, Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges\nMercedes-Benz A 200 CDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … und\nÜbertragung des dem gegenüber der Mercedes-Benz Bank AG zustehenden\nAnwartschaftsrechts auf Übereignung des vorstehend bezeichneten Fahrzeugs.\n\n18\n\n \n\n2\\. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle\nweiteren Schäden zu ersetzen, die dieser aufgrund des Kaufes des im Antrag zu\n1 genannten Fahrzeugs erleidet.\n\n19\n\n \n\n3\\. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche\nRechtsanwaltskosten in Höhe von 1.324,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5\nProzentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten,\nsowie den Kläger von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von\n708,11 € freizustellen.\n\n20\n\n \n\nMit weiterem Schriftsatz vom 04.09.2019 hat der Kläger seinen Antrag zu 1. wie\nfolgt aktualisiert (Bl. 380, 528 d. A.):\n\n21\n\n \n\n1\\. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 24.473,89 € sowie Zinsen\nin Höhe von 7.041,75 €, nebst weiterer Zinsen aus 33.424,62 € in Höhe von 4 %\npro Jahr seit dem 01.09.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und\nÜbereignung des Fahrzeuges Mercedes-Benz A 200 CDI mit der\nFahrzeugidentifikationsnummer ....\n\n22\n\n \n\nIm Übrigen, hinsichtlich der Differenz durch die erhöhte\nNutzungsentschädigung, hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für\nerledigt erklärt (Bl. 528 d. A.).\n\n23\n\n \n\nDie Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen.\n\n24\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n25\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n26\n\n \n\nDie Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil des Landgerichts. Die\nBerufungsbegründung bestehe in erster Linie aus Textbausteinen und setze sich\nmit den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil kaum auseinander.\n\n27\n\n \n\nIn der Sache sei zu wiederholen, dass es auf die im Straßenbetrieb gemessenen\nWerte nicht ankomme, sondern allein auf die Prüfstandergebnisse. Auch wenn der\nklägerische Vortrag insoweit unsubstantiiert bleibe, sei noch einmal\nklarzustellen, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug keine Software verbaut\nsei, die lediglich für die Zwecke des Typengenehmigungsverfahrens eine\nSchadstoffarmut der Emissionen vortäusche, indem sie aufgrund einer\nPrüfstanderkennung die Abgasreinigung intensiviere. Zu den objektiven und\nsubjektiven Voraussetzungen einer deliktischen Haftung habe der Kläger mit\nSubstanz nichts vorgetragen. Eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten\nbestehe daher nicht.\n\n28\n\n \n\nErstmals auf Seite 19 der Berufungsbegründung werde zu einer angeblichen\nAbschalteinrichtung während der Warmlaufphase vorgetragen. Die entsprechende\nBehauptung sei ein neues Angriffsmittel und daher gemäß § 531 Abs. 2 ZPO\nunzulässig.\n\n29\n\n \n\nIm Übrigen sei der Vortrag des Klägers zu Messungen der DUH unsubstantiiert.\nDenn es fehlten jegliche Details zu den Messungen. So bleibe zum Beispiel\nunklar, um welches Baujahr es sich bei der angeblich getesteten A-Klasse\ngehandelt und über welche Ausstattung sie verfügt habe. Da Fahrzeuge mit\nunterschiedlichen Baujahren und Ausstattungen keineswegs baugleich seien und\nein unterschiedliches Emissionsverhalten aufwiesen, ließen die pauschalen\nAussagen keinerlei Rückschlüsse auf das streitgegenständliche Fahrzeug zu.\nAuch sei zu beachten, dass es sich bei diesen DUH-Messwerten nicht um Werte\nhandele, die im Rahmen des gesetzlichen Prüfzyklus ermittelt worden seien. Die\ngesetzlich vorgeschriebene Emissionsgrenzwerte seien jedoch zwingend an\nkonkrete Prüfbedingungen geknüpft. Selbst wenn zwei Fahrzeuge beide mit einem\nMotor vom Typ OM 651 ausgerüstet seien, könne nicht verallgemeinert werden,\ndass sie das gleiche Emissionsverhalten aufwiesen. Der vorliegende Fall sei\ndaher nicht pauschal mit den Fällen des VW-Motors EA 189 vergleichbar.\n\n30\n\n \n\nAuch die Voraussetzungen einer deliktischen Haftung seien nicht dargetan. Es\nfehlten einlassungsfähige Angaben zu den Voraussetzungen einer vorsätzlichen\nTäuschung und einer sittenwidrigen Schädigung. In objektiver Hinsicht fehle\nbereits eine Darlegung, welche für seine Willensbildung relevante Funktion in\nder Motorsteuerungsoftware der Klägerin unzulässig sein solle.\n\n31\n\n \n\nWegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug im Einzelnen wird auf\ndie Berufungsbegründung vom 28.11.2018 (Bl. 247 ff. d. A.) sowie die weiteren\nSchriftsätze des Klägers vom 04.09.2019 und vom 19.09.2019 (Bl. 380 ff., 531\nd. A.) sowie auf die Berufungserwiderung der Beklagten vom 15.03.2019 \n(Bl. 345 ff. d. A.) und ihren Schriftsatz vom 24.10.2019 Bezug genommen \n(Bl. 532 ff. d. A.).\n\n \n\nII.\n\n32\n\n \n\nDie Berufung ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Das\nLandgericht hat die Klage zutreffend ohne vorherige Einholung eines\nSachverständigengutachtens zum Vorliegen einer unzulässigen\nAbschaltvorrichtung abgewiesen.\n\n33\n\n \n\n1\\. Es ist zwar anerkannt, dass die Annahme eines willkürlichen Sachvortrags\nins Blaue hinein, der eine angebotene Beweiserhebung zur prozessual\nunzulässigen Ausforschung machen würde, nur ausnahmsweise anzunehmen ist. Eine\nPartei darf nämlich im Zivilprozess Tatsachen behaupten, über die sie keine\ngenaue Kenntnis hat, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält.\nEine prozessual unzulässige Ausforschung ist allerdings dann gegeben, wenn die\nPartei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten\nSachverhalts willkürliche Behauptungen aufstellt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil\nvom 30.07.2019 – 10 U 134/19, juris, Rn. 54).\n\n34\n\n \n\nSo aber liegen die Dinge hier, soweit der Kläger in erster Instanz behauptet\nhat und auch im Berufungsverfahren weiter behauptet, die Beklagte habe eine\nPrüfstanderkennungssoftware verbaut, die das Abgasverhalten lediglich auf dem\nPrüfstand optimiere, während im Straßenbetrieb die Grenzwerte erheblich\nüberschritten würden. Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass die von einem\nniederländischen Gutachter oder auch von der weiterhin unter Bezug genommenen\nDeutschen Umwelthilfe (Bl. 76 d. A.) im Straßenbetrieb bei bestimmten\nMercedes-Modellen gemessenen NOx-Werte die für den Prüfstand vorgeschriebenen\nGrenzwerte erheblich übersteigen, kann dies nicht ausreichen, um den\nRückschluss auf eine Prüfstanderkennungssoftware (und somit\n„Schummelsoftware“) zu rechtfertigen. Denn es ist allgemein bekannt, dass der\nStraßenbetrieb mit der Prüfstandsituation nicht vergleichbar ist. Dies gilt\nganz allgemein, sowohl hinsichtlich der angegebenen Kraftstoffverbräuche als\nauch der Grenzwerte für Emissionen. Auf dem Prüfstand wird eine bestimmte\n„ideale“, nicht der Praxis entsprechende Situation vorgegeben, etwa\nhinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und\nGeschwindigkeit), Abschaltung von Klimaanlage usw., sodass der erzielte Wert\nzwar zu einer relativen Vergleichbarkeit unter den verschiedenen\nFahrzeugfabrikaten und -modellen führen mag, absolut genommen aber jeweils\nnicht mit dem Straßenbetrieb übereinstimmt. Im Straßenbetrieb liegen sowohl\nder Kraftstoffverbrauch als auch der Schadstoffausstoß erheblich höher, wie\nschon seit Jahren aufgrund entsprechender Tests etwa von Automobilclubs und\nder dadurch ausgelösten öffentlichen Diskussion öffentlich bekannt ist.\n\n35\n\n \n\nGerade deshalb hat der europäische Gesetzgeber auf Druck der Umweltverbände\nund Umweltparteien zwischenzeitlich den früher geltenden gesetzlichen\nPrüfzyklus NEFZ durch den sogenannten RDE-Test ersetzt, und zwar mit einem\nKonformitätsfaktor von zunächst 2,1. Danach wird zukünftig nicht nur auf dem\nPrüfstand, sondern auch im Straßenbetrieb gemessen, wobei im Straßenbetrieb\nallerdings der für den Prüfstand geltende Grenzwert zunächst noch um das\n2,1-fache überschritten werden darf (vgl. https://www.kfz-betrieb.vogel.de/eu-\nbeschliesst-grenzwerte-fuer-realen-fahrbetrieb-a-509842/ und https://www.kfz-\nbetrieb.vogel.de/abgas-skandal-nicht-nur-bei-vw-a-506905/) .\n\n36\n\n \n\nAngesichts des Umstands, dass im NEFZ Prüfzyklus gerade keine realistischen\nWerte für den Straßenbetrieb zu erwarten sind, kann allein der Hinweis darauf,\ndass verschiedene Prüforganisationen erhöhte Abgaswerte im Straßenbetrieb\ngemessen haben, unabhängig von der Frage, ob überhaupt das klägerische\nFahrzeug hiervon konkret betroffen ist, nicht ausreichen, um die\nSchlussfolgerung des Klägers als naheliegend erscheinen zu lassen, sein\nFahrzeug sei mit einer Prüfstanderkennungssoftware versehen, ebenso wie die\nVW-Fahrzeuge mit dem Motor EA 189.\n\n37\n\n \n\n2\\. a) Soweit der Kläger weiter behauptet, sein Fahrzeug sei darüber hinaus\nmit einem unzulässigen sogenannten Thermofenster ausgestattet, wonach die\nAbgasrückführung abhängig von der Betriebstemperatur weitgehend zurückgenommen\nwerde, weist die Beklagte zutreffend darauf hin, es gehe insoweit um eine\nneue, erstmals auf Seite 19 der Berufungsbegründung in das Verfahren\neingeführte Tatsachenbehauptung. Im Rechtssinne handelt es sich daher um ein\nneues Angriffsmittel, dass nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht berücksichtigt werden\nkann, weil die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Nr. 1 bis 3 der Norm weder\ndargetan noch sonst ersichtlich sind.\n\n38\n\n \n\nUnabhängig davon ist der diesbezügliche Vortrag des Klägers auch nicht\ngeeignet, um das Vorliegen eines Sachmangels, geschweige denn eines\ndeliktischen Verhaltens der Beklagten schlüssig darzutun. Denn zum einen hat\ndie Beklagte zur Funktionsweise der von ihr eingebauten Abschaltvorrichtung\nund deren Rechtmäßigkeit im Einzelnen vorgetragen (vgl. insbesondere Bl. 533\nff. d. A.), ohne dass sich insoweit der Eindruck aufdrängt, dass dieser\nVortrag bewusst sachlich unzutreffend wäre. Zum anderen verfügt das Fahrzeug\ndes Klägers unstreitig über die erforderliche EG-Typengenehmigung. Bei dieser\nhandelt es sich um einen Verwaltungsakt, der Tatbestandswirkung für die\nZivilgerichte entfaltet. Solange ein solcher Verwaltungsakt nicht durch die\nzuständige Behörde oder durch ein Verwaltungsgericht aufgehoben worden oder\nnichtig ist, ist die Zulässigkeit der betreffenden Abschalteinrichtung im\nSinne des Artikel 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG einer Nachprüfung durch die\nZivilgerichte entzogen (vgl. BGH, Urteil vom 30.04.2015 - I ZR 13/14, BGHZ\n205, 195, Rn. 31, m.w.N.).\n\n39\n\n \n\nb) Trotz dieser Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts kann allerdings ein\nSachmangel vorliegen, woraus unter Umständen neben vertraglichen auch\ndeliktische Ansprüche resultieren können, wenn feststeht, dass eine objektiv\nrechtswidrige Genehmigung durch den Fahrzeughersteller aufgrund einer\nTäuschung erschlichen worden ist, wie dies beim Einsatz einer sogenannten\n„Schummelsoftware“ (Prüfstanderkennungssoftware) angenommen werden muss (vgl.\nOLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 79, 80). Als Folge muss mit einer\nBetriebsuntersagung oder gar dem Widerruf der mithilfe der Software\nerschlichenen Typengenehmigung gerechnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom\n08.01.2019 - VIII ZR 225/17, juris, Rn. 20, 21).\n\n40\n\n \n\nHat der Fahrzeughersteller dagegen die Prüfer weder durch den Einsatz einer\nPrüfstanderkennungssoftware getäuscht, noch gegenüber der Genehmigungsbehörde\neine temperaturabhängige Abschaltvorrichtung im Sinne des Artikel 5 Abs. 2\nVO715/2007/EG verschwiegen und erteilt die Behörde die EG-Typengenehmigung,\nbeinhaltet dies die Billigung der Abschaltvorrichtung im Rahmen ihres\nBewertungsermessens. In einem solchen Fall scheidet eine vorsätzliche\nsittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB oder ein sonstiges\ndeliktisches Verhalten des Herstellers von vornherein aus. Auch fehlt es schon\nan einem Sachmangel, weil die behördliche Genehmigung vorliegt und anders als\nbeim Einsatz einer Schummelsoftware eine Betriebsuntersagung oder\n-beschränkung nach § 5 Abs. 1 FZV durch die Zulassungsbehörde nicht drohen\nkann.\n\n41\n\n \n\nDaraus folgt, dass - grundsätzlich und so auch im vorliegenden Fall – der\nKlagevortrag, der Fahrzeughersteller habe eine objektiv rechtswidrige\ntemperaturabhängige Abschaltvorrichtung, ein sogenanntes Thermofenster,\neingebaut, zur schlüssigen Darlegung eines Sachmangels sowie eines\ndeliktischen Handelns nicht ausreichen kann. Denn die Rechtmäßigkeit oder\nRechtswidrigkeit einer Abschaltvorrichtung ist, wie dargelegt, durch die\nZulassungsbehörde zu prüfen. Erteilt diese die Typenzulassung, ohne vom\nHersteller über die Funktionsweise ihres Emissionsreduzierungssystems\ngetäuscht worden zu sein, ist von der Rechtmäßigkeit der Abschalteinrichtung\nauszugehen. Entgegen der Annahme der 23. Zivilkammer des Landgerichts\nStuttgart ist es dem Zivilrichter in einem solchen Fall von vornherein\nverwehrt, eine eigene und im Ergebnis abweichende Prüfung vorzunehmen (vgl. LG\nStuttgart, Urteil vom 17.01.2019 - 23 O 172718, juris, Rn. 27 ff.).\n\n42\n\n \n\nErst recht reicht es nicht aus, aus publizierten Messergebnissen von\nUmweltverbänden betreffend andere Fahrzeuge desselben Motortyps zu\nschlussfolgern, es müsse eine unzulässige Abschaltvorrichtung vorhanden sein,\nwas wiederum darauf zurückgeführt werden müsse, dass die Beklagte im\nZulassungsverfahren getäuscht und falsche oder unvollständige Angaben gemacht\nhaben müsse. Die Behauptung der Verwendung einer unzulässigen\nAbschalteinrichtung in Form eines unzulässigen Thermofensters könnte vielmehr\nnur dann als schlüssig angesehen werden, wenn hierzu konkrete Tatsachen\nvorgetragen würden, die Beklagte habe unter Inkaufnahme eines\nGesetzesverstoßes die Zulassungsbehörde hinsichtlich der Funktionsweise des\nEmissionskontrollsystems des betreffenden Fahrzeugs bewusst getäuscht. Ohne\neinen solchen Tatsachenvortrag muss angenommen werden, dass der Hersteller die\naus seiner Sicht genehmigungsfähige Funktionsweise der Motorsteuerung\neinschließlich des Emissionskontrollsystems im Zulassungsverfahren offengelegt\nund die Behörde diese Funktionsweise – mit Tatbestandswirkung für den\nZivilprozess – gebilligt hat.\n\n43\n\n \n\nSo ist dem Senat aus den bei ihm anhängigen sog. „VW-Verfahren“ bekannt, dass\nvom KBA als zuständige Behörde die sog. Thermofenster nicht strikt als\nunzulässige Abschaltvorrichtung eingestuft, sondern im Falle des Software-\nUpdates ausdrücklich genehmigt worden sind. Nachdem das KBA die VW AG nämlich\ndurch einen Bescheid vom Oktober 2015 verpflichtet hatte, die bei den\nbetroffenen Fahrzeugen mit dem Aggregat EA 189 EU5 verwendete unzulässige\nAbschaltvorrichtung (die sog. Prüfstanderkennungssoftware) zu beseitigen,\nhatte die VW AG der Behörde als Beseitigungsmaßnahme ein Software-Update der\nMotorsteuerungssoftware vorgestellt. Diesem Software-Update wird nachgesagt,\ndass es Thermofenster aufweist, was von dem KBA aber nicht beanstandet worden\nist. In seinen für die jeweiligen Fahrzeugtypen erlassenen Bescheiden, mit\ndenen das Software-Update freigegeben wurde, heißt es nämlich ausdrücklich,\ndass keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt wurde und dass die\nvorhandenen Abschalteinrichtungen als zulässig eingestuft wurden.\n\n44\n\n \n\nIm vorliegenden Fall ist insoweit hervorzuheben, dass trotz des erheblichen\nZeitablaufs seit der Einreichung der Klage (07.02.2018) bis zum Zeitpunkt der\nletzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren (12.09.2019) seitens des\nKBA noch keine Rückrufaktion oder sonstige Maßnahme betreffend das klägerische\nFahrzeug vorgenommen oder zumindest angekündigt worden ist. Dies spricht –\ntrotz des freiwilligen Rückrufs seitens der Beklagten als Herstellerin zur\nOptimierung des Abgasverhaltens (Bl. 269 d. A.) – dagegen, dass die Behörde\nsich hinsichtlich dieses Fahrzeugtyps getäuscht sieht oder aus sonstigen\nGründen von einer Rechtswidrigkeit der erteilten Typengenehmigung ausgeht und\ndeshalb Beschränkungen drohen. Sieht also die zuständige Behörde die\nAbschalteinrichtung in Form von Thermofenstern als zulässig an, sind die\nFahrzeughalter (im Unterschied zu der in den VW-Fahrzeugen seinerzeit\nvorhandenen, aber verschwiegenen unzulässigen Abschalteinrichtung in Form der\nUmschaltvorrichtung, s. hierzu Beschluss des BGH vom 8. Januar 2019, VIII ZR\n225/15, Rdnr. 19ff. bei juris) nicht der Gefahr einer drohenden\nBetriebsbeschränkung oder -untersagung ausgesetzt, so dass die Fahrzeuge\ndiesbezüglich nicht mangelbehaftet sind.\n\n45\n\n \n\nc) Diese Auffassung des erkennenden Senates steht, soweit ersichtlich, auch im\nEinklang mit der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte in vergleichbaren\nFällen. So hat das OLG Koblenz selbst in dem Fall, dass das dortige Fahrzeug\nvon einer Rückrufaktion des Kraftfahrtbundesamtes betroffen war, den\nsubjektiven Tatbestand verneint (OLG Koblenz, Urt. v. 21.10.2019 – 12 U 246/19\n–, juris, Rn. 62 ff.).\n\n46\n\n \n\nFestzuhalten bleibt damit, dass schon ein Sachmangel in Form des objektiven\nVorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Hinblick auf die\nTatbestandswirkung der behördlichen Genehmigung nicht schlüssig dargetan ist.\nErst recht muss dies für den Vorwurf eines deliktischen (und sittenwidrigen)\nVerhaltens der Beklagten gelten (vgl. OLG Stuttgart, a. a. O., Rn. 83, 94).\nMithin bedarf es keiner weiteren Ausführungen zur sekundären Darlegungslast,\nzum Vorsatz und zur Sittenwidrigkeit sowie zum Schaden und den sonstigen\nRechtsfolgen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Denn wenn es schon\nan der schlüssigen Darlegung eines deliktischen Verhaltens fehlt, kann es\nweder der Beklagten obliegen, sich in Befolgung einer sekundären\nDarlegungslast zu entlasten, noch stellt sich die Frage einer Zurechnung nach\n§ 31 BGB. Auch kommen weitere Anspruchsgrundlagen wie § 831 BGB i. V. m. § 826\nBGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB oder i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1\nEG-FGV von vornherein nicht in Betracht (vgl. vgl. OLG Stuttgart, a. a. O.,\nRn. 101 ff.).\n\n47\n\n \n\nd) Unabhängig davon ist aber auch hervorzuheben, dass die Beklagte die\nBehauptungen des Klägers nicht nur pauschal, sondern substantiiert bestritten\nhat, mithin auch einer unterstellten sekundären Darlegungslast, genügt hätte.\nSo hat sie ausgeführt, der Vorwurf des Klägers, die Versottungsgefahr hänge\nnicht von der Umgebungstemperatur, sondern allenfalls der Abgastemperatur ab,\nsei bereits in technischer Hinsicht verfehlt. Das Fahrzeug verfüge über eine\nNiedrigdruck- und eine Hochdruck-Abgasrückführung, die variabel angesteuert\nwerde. Dabei verfüge die Hochdruck-Abgasrückführung über einen Luftpfad, der\ndurch einen Kühler führe, und über einen Luftpfad, mit dem der Kühler\nbypassiert werde. Um das Risiko von Versottungen zu mindern, werde unterhalb\nvon 7 °C der Bypass-Pfad nicht mehr genutzt und unterhalb von 5 °C der\nNiederdruck-Pfad nicht mehr verwandt. Beides führe nicht zu Veränderungen der\nInertgas-Raten. Inertgasanteile seien abhängig vom momentanen\nSauerstoffangebot des Motors, das immer auch von der Umgebungslufttemperatur\nund damit der Dichte der einströmenden Luft abhänge. Fahre man mit konstanter\nGeschwindigkeit und Last, seien die Massenströme am Motor im Gleichgewicht und\nman spreche von stationärem Betrieb. Bei Beschleunigungsvorgängen (oder auch\nVerzögerungen), Lasterhöhung durch Anstieg der Straße oder umgekehrt ändere\nder Motor laufend seinen Betriebspunkt und es würden keine stationären\nZustände erreicht. Diese Modellierung ziele auf die Ausbalancierung der stark\nansteigenden Partikelemissionen bei starker Beanspruchung des Motors gegen\neine limitierte Erhöhung der innermotorischen Stickoxid-Rohemissionen.\n\n48\n\n \n\nDas Problem der Ablagerungsrisiken sei komplexer als es der Kläger darstelle.\nSie träten bei unterschiedlichen Temperaturen und an unterschiedlichen\nBauteilen auf. Dabei sei das zurückgeführte Abgas wiederum unterschiedlichen\nBauteiltemperaturen ausgesetzt und sei selbst unterschiedlich heiß. Bei der\nHochdruck-AGR werde das Abgas von der Turbine des Hochdruck-Turboladers\nentnommen und zum wassergekühlten AGR-Ventil geleitet. Von hier aus fließe das\nAbgas über die Bypassklappe entweder durch den wassergekühlten Kühler oder\ndurch den Bypass zur Einleitstelle in das Ladeluftrohr. Dort werde das Abgas\nmit der neu angesaugten Ladeluft vermischt und in Richtung\nLadeluftverteilerleitung und schließlich in die Brennräume weitergeleitet.\nSchon aufgrund dieser Vermischung von rückgeführtem Abgas und Ladeluft vor der\nZuführung des Gemisches in den Zylinder leuchte es unmittelbar ein, dass die\nUmgebungslufttemperatur und somit die Ladelufttemperatur entscheidenden\nEinfluss auf die Temperatur des dem Zylinder zugeführten Gemisches habe. Genau\naus diesem Grunde erfolge nicht nur eine Kühlung des rückgeführten Abgases\ndurch den AGR-Kühler, sondern auch eine Kühlung des Frischgases durch den\nLadeluftkühler. Die Temperatur der von außerhalb des Fahrzeugs angesagten Luft\nsei selbsterklärend von der Außentemperatur abhängig.\n\n49\n\n \n\nBei der Niederdruck-Abgasrückführung werde von Rußpartikeln gereinigtes Abgas\nhinter dem Partikelfilter entnommen und über die Abgasrückführungsleitung zu\neinem separaten Kühler geführt. Das Niederdruck-AGR-Ventil regele den\ngewünschten Niederdruck-AGR-Anteil ein. In einer Reinluftkammer werde das\nzurückgeführte Abgas über eine spezielle Einleitvorrichtung mit der angesagten\nFrischluft vermischt, dem Verdichter zugeleitet und über den Ladeluftkühler in\ndie Brennkammer des Motors eingeführt. Es sei selbsterklärend, dass diese\nmotorfern erfolgende Luftführung Umgebungslufttemperaturen ausgesetzt sei. Das\nzurückzuführende Abgas habe zwar originär eine hohe Temperatur. Doch auch\ndiese Temperatur werden mittels der Temperatur von Luft und Kraftstoff im\nBrennraum vor Verbrennung durch die Umgebungstemperatur nahezu unmittelbar\nbeeinflusst.\n\n50\n\n \n\nDie Ausführungen des Klägers seien inhaltlich falsch. Sie offenbarten ein\ngrundlegendes Fehlverständnis von der Funktionsweise des im\nstreitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Abgasrückführungssystems. Anders als\nder Kläger es annehme, sei die Außenlufttemperatur erheblich mit dem\nVerlackungs- und Versottungsrisiko innerhalb des AGR-Kühlers verbunden. So\nkönne eine niedrige Umgebungstemperatur zu einer erhöhten Temperaturdifferenz\nzwischen dem heißen, rückgeführten Abgas innerhalb des AGR-Kühlers und den\nAGR-Kühlerwänden führen. Je höher die Temperaturdifferenz sei, desto größer\nsei das Risiko von Ablagerungen im AGR-Kühler.\n\n51\n\n \n\nVersottungsrisiken bestünden zudem nicht nur, wie die Ausführungen des Klägers\nnahelegen sollten, beim AGR-Kühler. Beim AGR-Kühler sei die\nAußenlufttemperatur – aufgrund ihres Einflusses auf die\nVerbrennungsspitzentemperatur – auch für die dortigen Versorgungsrisiken\nbedeutsam. Aber auch weitere Bereiche seien betroffen; auch Bereiche, in denen\nder Einfluss der Ladelufttemperatur vergleichsweise stärker sei als beim AGR-\nKühler.\n\n52\n\n \n\nDa eine unmittelbar von der Umgebungstemperatur, der Ladelufttemperatur, der\nAnsauglufttemperatur oder einer vergleichbaren Lufttemperatur abhängige\nKorrektur dieser Raten im streitgegenständlichen Fahrzeug nicht vorliege, sei\nlediglich hilfsweise zum sogenannten Thermofenster vorzutragen. Das sogenannte\nThermofenster sei dem KBA bekannt. Es sei unzutreffend, dass sie, die\nBeklagte, das KBA nicht ausreichend informiere. Dass KBA sehe hinsichtlich des\nFahrzeugs des Klägers keinen Handlungsbedarf, auch nicht im Hinblick auf die\ntemperaturabhängige Steuerung. Entgegen der Auffassung des Klägers erfolge das\nAngebot einer Servicemaßnahme freiwillig.\n\n53\n\n \n\nDas KBA sei nicht der Auffassung, dass im Fahrzeug des Klägers zu\nbeanstandende Software enthalten sei. Sie, die Beklagte, biete bereits seit\nMärz 2017 bei Fahrzeugen der Kompaktklasse eine Verbesserung des NOx-\nEmissionsverhaltens für eine Motorvariante an. Zudem biete sie seitdem ein\nSoftware-Update für die V-Klasse an. Darüber hinaus sei am 2. August auf dem\n„Nationalen Forum Diesel“ in Berlin ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur\nVerbesserung der Luftqualität in den Innenstädten verabschiedet worden.\nBereits zwei Wochen zuvor habe sie, die Beklagte, die Ausweitung der laufenden\nfreiwilligen Servicemaßnahmen auf über 3 Millionen Fahrzeuge angekündigt. All\ndies sei ein Jahr vor dem ersten gegenüber der Beklagten durch das KBA\nangeordneten Rückruf geschehen. Gegenstand des Dieselgipfels seien im Übrigen\nnur Euro 5 und nicht Euro 6-Fahrzeuge gewesen.\n\n54\n\n \n\nDer Kläger habe auch nicht dargelegt, dass die (behauptete)\nAbschalteinrichtung nicht notwendig sei, um den Motor vor Beschädigungen oder\nUnfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.\n\n55\n\n \n\nIn Verkennung der Rechtslage und technisch-physikalischer Naturgesetze meine\nder Kläger, eine Manipulation daraus ableiten zu können, dass im\nStraßenbetrieb andere Betriebsbedingungen vorlägen. Er verkenne grundlegend,\ndass der Stickoxid-Grenzwert der Euro-Normen mit detailliert normierten\nPrüfbedingungen verknüpft sei. Für den vorliegenden Rechtsstreit sei es daher\nohne Relevanz, welches Emission- und Verbrauchsverhalten das Fahrzeug\naußerhalb der maßgeblichen gesetzlichen Prüfbedingungen habe. Die Einhaltung\nvon Grenzwerten im realen Straßenbetrieb sei bei der Entwicklung, der\nAuslieferung, dem Verkauf und der Zulassung des streitgegenständlichen\nFahrzeugs nicht geboten gewesen. Dementsprechend führe sie, die Beklagte, auch\nkeine Prüfungen hierzu durch. Sie könne also nicht dazu Stellung nehmen, ob\ndas Fahrzeug im realen Straßenbetrieb die Grenzwerte einhalte. Dies sei schon\nmethodisch nicht möglich. Mit dem NEFZ bezögen sich die Grenzwerte auf einen\näußerst schwachlastigen Fahrzyklus. Zutreffend habe das Landgericht Köln\ndeshalb in einer Entscheidung ausgeführt, das bedeute nichts anderes, als dass\ndie Grenzwerte in aller Regel nur unter den normierten Bedingungen eingehalten\nwürden, die im realen Fahrbetrieb jedoch praktisch nicht zu erreichen seien.\nEs sei der gesetzgeberischen Entscheidung geschuldet, eben keine Abgastests\nunter normalen Betriebsbedingungen, sondern lediglich anhand eines\n„künstlichen“ Fahrzyklus durchzuführen.\n\n56\n\n \n\nDie neuen Regelungen zum realen Fahrbetrieb hätten für Altfahrzeuge wie das\ndes Klägers noch nicht gegolten. Messungen im realen Straßenbetrieb für Pkw\nseien bislang nicht erforderlich gewesen. Vor dem Hintergrund der seit langem\nbekannten, unvermeidlichen Abweichungen zwischen Prüfstandtests und\nStraßenbetrieb sei im Zuge der schrittweisen Einführung der Real Drive\nEmissionstests (RDE) für die seit dem 1. September 2017 neu zu genehmigenden\nFahrzeugmodelle durch den Unionsgesetzgeber Konformitätsfaktoren vorgegeben\nworden, die den Herstellern eine schrittweise Anpassung an die neuen\nPrüfbedingungen ermöglichen sollten und die im Straßenbetrieb ausdrücklich\nhöhere Verbrauchs- und Emissionswerte als auf dem Prüfstand erlaubten. Dies\nbelege, dass das Unionsrecht die Grenzwerte – technisch korrekt und\nnachvollziehbar – in Abhängigkeit von bestimmten Rahmenbedingungen definiere\nund dass sie nicht abstrakt bei jeglichen äußeren Umständen gelten würden.\n\n57\n\n \n\nSie, die Beklagte, habe das KBA entgegen den Vorwürfen des Klägers stets\nausreichend informiert. Die EG-Typengenehmigung erfasse sämtliche\nFunktionalitäten eines Fahrzeugs. Andernfalls würden bei der Beschreibung\neines so komplexen Produkts unvermeidlich Lücken in der Genehmigung entstehen.\nNationale Behörden und Gerichte dürften Zulassung, Verkauf oder Inbetriebnahme\nvon Fahrzeugen aus anderen Mitgliedsstaaten jedoch nicht dadurch erschweren,\ndass sie weitergehende Anforderungen an die Fahrzeuge stellten, als sich aus\ndem System der EG-Typengenehmigung und der Übereinstimmungserklärung ergäben.\nEs handele sich vorliegend um einen Fall der europäischen Vollharmonisierung.\n\n58\n\n \n\nAbschaltungseinrichtungen hätten im Rahmen des EG-Typengenehmigung nicht\noffengelegt werden müssen. Gemäß Art. 10 Absatz 1 RL (EG) Nr. 2007/46 müsse\nein System mit den Angaben in der Beschreibungsmappe übereinstimmen und den\ntechnischen Anforderungen der in Anhang IV oder Anhang XI aufgeführten\neinschlägigen Einzelrichtlinie oder Einzelverordnung entsprechen. In Nummer\n3.2.12 Anhang I der RL (EG) Nummer 2007/46 seien die Angaben zu Maßnahmen\ngegen Luftverunreinigungen abschließend aufgezählt. Anlage 3 zu Anhang I der\nDurchführungs-VO (EG) Nummer 692/2008 enthalte das Muster eines\nBeschreibungsbogens für die EG-Typengenehmigung eines Fahrzeugs hinsichtlich\nder Emissionen. Abschnitt 3.2.12 der Anlage 3 liste den notwendigen Inhalt des\nBeschreibungsbogens zu „Maßnahmen gegen Luftverunreinigung“ auf. Hiernach\nmüssten Angaben zu den verwendeten Emissionskontrollsystemen gemacht werden.\nDie Beschreibung von „Abschalteinrichtungen“ sei dort jedoch nicht vorgesehen.\n\n59\n\n \n\nErst seit dem Jahr 2016 – also nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens für\ndas streitgegenständliche Fahrzeug – müssten gemäß Art. 5 Abs. 11\nDurchführungs-VO (EG) Nummer 692/2008 n. F. für neue EG-\nTypengenehmigungsverfahren Angaben über „Standard-Emissionsstrategien“ (BES)\nund „zusätzliche Emissionsstrategien“ (AES) eines Fahrzeugtyps gemacht werden.\nZuvor seien diese Angaben im Genehmigungsverfahren gerade nicht erforderlich\ngewesen. Das Fahrzeug des Klägers sei aber bereits im Jahre 2014 ausgeliefert\nworden.\n\n60\n\n \n\nIm vorliegenden Fall gehe es nicht um Manipulationen, sondern um eine auf\nMitarbeiterebene in gutem Glauben vorgenommene und vom KBA bis heute noch\nnicht beanstandete Ausgestaltung des Emissionskontrollsystems, die\nkonfligierenden Belangen habe Rechnung tragen müssen (Risiko von Ablagerungen,\nÖlverdünnung, Versottung). Diese Ausgestaltung sei rechtmäßig gewesen und sei\ndies auch weiterhin. Und in jedem Fall gelte, dass ihre zuständigen\nMitarbeiter dabei ein zumindest vertretbares Normverständnis zugrunde gelegt\nhätten.\n\n61\n\n \n\nEntgegen der Ansicht des Klägers ergebe sich auch aus dem „Regel-Ausnahme-\nVerhältnis“ des Art. 5 EG-VO 715/2007 keine sekundäre Darlegungslast des\nBeklagten. Dies habe das OLG Köln zutreffend festgestellt und unter anderem\ndarauf verwiesen, dass eine weitergehende Darlegungslast zu der Preisgabe von\nGeschäftsgeheimnissen führen würde (Zurückweisungsbeschluss vom 26.09.2019 – 3\nU 43/19: Anl. B 21).\n\n62\n\n \n\ne) Nach alledem ist festzustellen, dass die Beklagte zu den aus ihrer Sicht\nfür das streitgegenständliche Fahrzeug maßgeblichen Emissionsanforderungen,\nder technischen Umsetzung bei ihren Fahrzeugen und den gegenüber dem KBA im\nTypengenehmigungsverfahren gemachten Angaben substantiiert und damit durchaus\nrechtlich erheblich vorgetragen hat. Eine weitergehende Darlegungslast trifft\ndie Beklagte jedenfalls angesichts der nur pauschalen, aus andere Fahrzeuge\nbetreffenden Messergebnisse von Umweltverbänden abgeleiteten Mutmaßungen\nnicht. Zudem hat die Beklagte dargetan, sie habe die bestehenden Vorschriften\nnicht bewusst unterlaufen oder gegenüber dem KBA unvollständige oder falsche\nAngaben gemacht, sondern sich subjektiv gesetzeskonform verhalten.\n\n \n\nIII.\n\n63\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.\n\n64\n\n \n\nDie Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10\nSatz 1, 2, § 711 ZPO.\n\n65\n\n \n\nGründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.\n\n \n\n* * *\n\n![Abkürzung Fundstelle](/jportal/cms/technik/media/res/shared/icons/icon_doku-\ninfo.gif)Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können\nSie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in\nIhre Favoriten als Lesezeichen einfügen.\', WIDTH, -300, CENTERMOUSE, true,\nABOVE, true );" onmouseout="UnTip()"> Diesen Link können Sie kopieren und\nverwenden, wenn Sie genau dieses Dokument verlinken möchten: \nhttp://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid;=KORE235902019&psml;=bsndprod.psml&max;=true\n\n
324,170
fg-baden-wurttemberg-2019-07-23-5-k-33819
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
5 K 338/19
2019-07-23
2019-12-04 11:01:01
2020-12-10 13:29:28
Urteil
## Tenor\n\n1\\. der Einkommensteuerbescheid 2017 vom 15.10.2018 in Gestalt der\nEinspruchsentscheidung vom 15.01.2019 wird dahingehend geändert, dass die\nEinkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 EStG aus der\nVeräußerung des Objekts A-Straße 1 in X mit null Euro angesetzt werden.\n\nDem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe\nder Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser\nBerechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt\nnach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.\n\n2\\. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.\n\n3\\. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht\nder Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500\nEUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches\nSicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis\nzur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung\nwidersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren\nKostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709,\n711 ZPO.\n\n4\\. Die Revision wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Veräußerungsgewinn\ngemäß § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) erzielt hat. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klägerin erzielte im Streitjahr als Lehrerin Einkünfte aus\nnichtselbstständiger Arbeit. Sie machte hierbei, wie in den Vorjahren, die\nAufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend.\nDiese sind von dem Beklagten jeweils mit dem Höchstbetrag in Höhe von 1.250\nEUR anerkannt worden. Das streitige Arbeitszimmer befand sich in der\nEigentumswohnung der Klägerin in der A-Straße 1 in X. Diese hatte die Klägerin\nmit Vertrag vom XX.XX.2012 für insgesamt 341.200 EUR zuzüglich Nebenkosten in\nHöhe von 20.036,59 EUR erworben. Im Streitjahr veräußerte die Klägerin ihre\nEigentumswohnung in der A-Straße 1 mit Vertrag vom XX.XX.2017. Der\nVerkaufspreis betrug 489.000 EUR (inklusive Zubehör in Höhe von 15.000 EUR).\nAls Veräußerungskosten hat die Klägervertreterin einen - insoweit unstreitigen\n- Aufwand in Höhe von 22.657,47 EUR. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| In der Einkommensteuererklärung 2017 hat die Klägerin unter anderem\nbezüglich des häuslichen Arbeitszimmers einen Gewinn aus privaten\nVeräußerungsgeschäften in Höhe von 10.918 EUR erklärt. In den Bemerkungen zur\nSteuererklärung schrieb die Klägervertreterin hierzu: „Beim\nVeräußerungsgeschäft gemäß § 23 EStG sind folgende Punkte zu berücksichtigen:\n1. Die Abschreibungen sind gemäß BMF-Schreiben vom 05.10.2000 Rz. 39 nicht\nhinzuzurechnen. 2. Beim BFH ist unter dem Az. IX R 11/18 ein\nRevisionsverfahren anhängig, in dem es darum geht, ob in diesen Fällen die\nVeräußerung steuerpflichtig oder steuerfrei ist!“ \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| \n--- \n| Der Beklagte berücksichtigte in der Einkommensteuerveranlagung 2017\nEinkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 10.941 EUR. Diesen\nhat der Beklagte wie folgt berechnet: \n--- \n| anteiliger Veräußerungspreis \n--- \n| 489.000 EUR x 10,41 % \n--- \n| 50.905 EUR \n--- \n| | \n| abzgl. anteiliger Anschaffungspreis \n--- \n| \n| Kaufpreis \n--- \n| 341.200 EUR \n--- \n| Nebenkosten \n--- \n| 20.037 EUR \n--- \n| Summe \n--- \n| 361.237 EUR x 10,41 % \n--- \n| 37.605 EUR \n--- \n| | \n| abzgl. Werbungskosten im \n--- \n| \n| Zusammenhang mit Veräußerung \n--- \n| 22.657,47 EUR x 10,41 % \n--- \n| 2.359 EUR \n--- \n| | \n| Gewinn \n--- \n| | 10.941 EUR \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Zudem erklärte der Beklagte in den Erläuterungen zum\nEinkommensteuerbescheid, dass das zitierte Revisionsverfahren IX R 11/18 durch\nRücknahme der Revision eingestellt worden sei. Die Finanzverwaltung wende\nweiterhin das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF-Schreiben)\nvom 07.02.2007, Bundessteuerblatt Teil I (BStBl I) 2007, 262, Rz. 39 an, nach\ndem für das Arbeitszimmer ein anteiliger Veräußerungsgewinn bei Verkauf\ninnerhalb der Spekulationsfrist zu versteuern sei. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin legte gegen den\nEinkommensteuerbescheid 2017 Einspruch ein. Zur Begründung verwies sie auf das\nUrteil des Finanzgerichts Köln vom 20.03.2018 (Az. 8 K 1160/15). In diesem\nUrteil habe das Finanzgericht Köln entschieden, dass die Veräußerung des\nArbeitszimmers nicht § 23 EStG unterliege, da es in den privaten Wohnbereich\nintegriert sei und kein selbständiges Wirtschaftsgut darstelle. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Einspruchsentscheidung vom 15.01.2019 wies der Beklagte den Einspruch\nals unbegründet zurück. Er führte darin unter anderem aus, dass\nEigentumswohnungen, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung\nund Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der\nVeräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken\ngenutzt worden seien, von der Veräußerungsgewinnbesteuerung ausgenommen seien.\nAuf das BMF-Schreiben vom 05.10.2000 werde verwiesen. Des Weiteren sei diesem\nBMF-Schreiben unter der Textziffer 21 zu entnehmen, dass ein häusliches\nArbeitszimmer nicht Wohnzwecken diene, selbst wenn der Abzug der Aufwendungen\nals Betriebsausgaben oder Werbungskosten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst.\nb EStG bzw. § 9 Abs. 5 EStG ausgeschlossen oder eingeschränkt sei. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Anschaffung des streitgegenständlichen Objekts sei im Jahr 2012 erfolgt,\nso dass der zehnjährige Zeitraum im Streitjahr noch nicht abgelaufen gewesen\nsei. Da das Objekt eigengenutzt gewesen sei, sei der Anteil der Wohnung,\nwelcher nicht auf das häusliche Arbeitszimmer entfalle, von der Besteuerung\nausgenommen. Für die anteilige Fläche des häuslichen Arbeitszimmers sei\nhingegen der Tatbestand des § 23 EStG erfüllt, da die Klägerin hierfür\nWerbungskosten steuerlich geltend gemacht habe und dieses damit nicht zu\nWohnzwecken genutzt worden sei. Der Argumentation der Klägervertreterin sei\nentgegenzuhalten, dass das Urteil des Finanzgerichts Köln nicht über den\nEinzelfall hinaus anzuwenden sei. Außerdem läge bei dem dort entschiedenen\nFall ein nicht vergleichbarer Sachverhalt vor. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit der fristgerecht erhobenen Klage verweist die Klägervertreterin zur\nBegründung auf die Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 20.03.2018 (Az. 8\nK 1160/15) und hierbei insbesondere auf die Ausführungen in den Rz. 40 - 43\nder Entscheidung. Das Arbeitszimmer sei kein eigenständiges Wirtschaftsgut,\nweil es nicht unabhängig von den anderen Teilen der Wohnung veräußerbar sei.\nWie das Urteil ausführe, sei es unschädlich, wenn Teile der Wohnung\ntatsächlich nicht eigengenutzt, sondern zur Erledigung beruflicher Arbeiten\neingesetzt würden. Auch die geforderte weit überwiegende Eigennutzung der\nWohnung sei gegeben, da das Arbeitszimmer der Klägerin lediglich 10,41 % der\ngesamten Fläche ausmache. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klägerin beantragt, \nden Einkommensteuerbescheid 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom\n15.01.2019 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus privaten\nVeräußerungsgeschäften gemäß § 23 EStG aus der Veräußerung des Objekts\nA-Straße 1 in X mit null Euro angesetzt werden. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \ndie Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Er verweist hierzu auf seine Einspruchsentscheidung vom 15.01.2019, auf die\nwegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Im Übrigen wird auf den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid, den\nweiteren Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen\nVerhandlung vom 23.07.2019 sowie auf die dem Senat vorliegenden Akten des\nBeklagten (je ein Band Einkommensteuer- und Rechtsbehelfsakten) Bezug\ngenommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die Klage ist begründet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in\nihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung [FGO]). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| 1) Der Beklagte hat den auf das Arbeitszimmer entfallenden anteiligen\nVeräußerungsgewinn zu Unrecht als sonstige Einkünfte / Einkünfte aus privaten\nVeräußerungsgeschäften gem. § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1\nEStG erfasst und versteuert. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Gemäß § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte solche aus privaten\nVeräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1\nSatz 1 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte unter anderem\nVeräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen\nAnschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Gemäß § 23 Abs.\n1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sind Gebäude und Außenanlagen einzubeziehen, soweit\nsie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden;\ndies gilt entsprechend für Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche\nWirtschaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum\nstehende Räume. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Da die Klägerin ihre streitgegenständliche Eigentumswohnung in der A-Straße\n1 in X unstreitig innerhalb des Zehnjahreszeitraums des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr.\n1 Satz 1 EStG wieder veräußert hat, wäre der von der Klägerin erzielte\nVeräußerungsgewinn hiernach grundsätzlich steuerpflichtig. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt jedoch bei solchen\nWirtschaftsgütern kein privates Veräußerungsgeschäft vor, welche im Zeitraum\nzwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu\neigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden\nvorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Klägerin hat die streitgegenständliche Wohnung nach Ansicht des Senats\nim Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen\nWohnzwecken im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG genutzt. Die\nNutzung eines Zimmers dieser Wohnung als häusliches Arbeitszimmer für ihre\nberufliche Tätigkeit ändert an dieser Beurteilung nichts. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Über die Frage, wie das häusliche Arbeitszimmer im Rahmen der Besteuerung\ngemäß § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 EStG zu behandeln ist, werden sowohl\nin der Rechtsprechung, als auch in der Literatur unterschiedliche Auffassungen\nvertreten. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Beklagte vertritt die Ansicht der Finanzverwaltung, dass ein häusliches\nArbeitszimmer nicht Wohnzwecken diene, selbst wenn der Abzug der Aufwendungen\nals Betriebsausgaben oder Werbungskosten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG\nbzw. § 9 Abs. 5 EStG ausgeschlossen oder eingeschränkt sei (BMF-Schreiben vom\n05.10.2000 IV C 3-S 2256-263/00, BStBl I 2000, 1383, Tz 21). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Diese Meinung vertritt auch die wohl herrschende Auffassung in der\nLiteratur. So verweist Musil (in Herrmann/Heuer/Raupach, 292. Lieferung\n06.2019, § 23 EStG Rn. 130) darauf, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)\ndie typisierte Zuordnung eines häuslichen Arbeitszimmers zur privaten Sphäre\nals verfassungswidrig erachtet habe (BVerfG-Beschluss vom 06.07.2010 2 BvL\n13/09, BStBl II 2011, 318). Der Gesetzgeber sei daher gehalten, dem auch\nbetrieblichen oder beruflichen Charakter der entsprechenden Nutzung Rechnung\nzu tragen. Ebenso will Weber-Grellet (in Schmidt EStG, 38. Aufl., § 23 Rn. 18)\nden auf das Arbeitszimmer entfallenden Gewinn besteuern (so auch Hoheisel in\nLittmann/Bitz/Pust, 116. Lieferung 06.2016 § 23 Rn. 80, Lindberg in Frotscher,\n203. Lieferung 02.2018 § 23 Rn. 38, Schallmoser in „Die Immobilie im Zivil-\nund Steuerrecht“, 2. Aufl., Rn. 12.91 und 12.100, jeweils ohne nähere\nBegründung). Auch Kube (in Kirchhof EStG § 23 Rn. 6) vertritt die Auffassung,\ndass das häusliche Arbeitszimmer eines Arbeitnehmers im eigenen Haus nicht\nWohnzwecken diene. Die Begrenzung oder der Ausschluss von Werbungskosten nach\n§ 9 Abs. 5 EStG sei hierbei unerheblich. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Auch das Finanzgericht Münster hat in seinem Urteil vom 28.8.2003 (11 K\n6243/01 E, Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 2004, 45) im Ergebnis so\nentschieden. Die Befreiung nach Satz 3 des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sei\nnur für Wirtschaftsgüter angeordnet, die zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden\nseien. Ein als Arbeitszimmer genutzter Raum diene jedoch gerade nicht\nWohnzwecken. Selbst wenn es sich bei dem häuslichen Arbeitszimmer nicht um ein\neigenständiges Wirtschaftsgut handeln sollte, erscheine dies für die Erfüllung\ndes Besteuerungstatbestands nicht schädlich. Denn der Wortlaut des § 23 Abs. 1\nSatz 1 Nr. 1 EStG spreche lediglich von "Veräußerungsgeschäften bei\nGrundstücken". Ein solches Veräußerungsgeschäft umfasse den\nArbeitszimmerbereich mit. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Dagegen hat das Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 20. März 2018 (8 K\n1160/15, EFG 2018, 1256) entschieden, dass ein häusliches Arbeitszimmer der\neigenen Wohnnutzung generell nicht schade und somit der Veräußerungsgewinn\nauch steuerfrei bleibe, soweit er auf das nicht zu Wohnzwecken genutzte\nArbeitszimmer entfalle (ebenso Finanzgericht München im Beschluss vom\n14.01.2019 5 V 2627/18, juris). Diese Ansicht wird in der Literatur unter\nanderem auch von Ratschow (in Blümich, 147. Lieferung 05.2019, § 23 EStG Rn.\n55), Wernsmann (in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, 296. Lieferung 06.2019, § 23\nEStG Rn. B 53), Carlé (in Korn, 116. Lieferung, § 23 EStG Rn. 40) und Wichmann\n(„Der Anfang vom Ende der Atomisierung eines Gebäudes?“, Deutsches Steuerrecht\n[DStR] 2019, 92) vertreten. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Senat schließt sich der von den Finanzgerichten Köln und München\nvertretenen Meinung an. Er ist ebenfalls der Auffassung, dass der\nVeräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch dann\nsteuerfrei ist, soweit er auf ein häusliches Arbeitszimmer innerhalb einer\nselbst genutzten Wohnung entfällt. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Veräußerungsgegenstand im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG muss ein\nWirtschaftsgut sein. Dies ergibt sichaus der Formulierung\n„Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern“ im Auffangtatbestand des\n§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, 296.\nLieferung 06.2019, § 23 EStG Rn. B 5). Zudem müssen das veräußerte und das\nerworbene Wirtschaftsgut identisch sein (BFH-Urteil vom 29.03.1989 X R 4/84,\nBStBl II 1989, 652 m.w.N.). Bei einer Aufteilung des erworbenen\nWirtschaftsgutes (im Streitfall also Herauslösung des Arbeitszimmers aus der\nEigentumswohnung) bleibt die Identität des aufgeteilten Wirtschaftsguts in den\nTeilen erhalten, wenn die Teilung ohne aufwendige technische Maßnahmen\ndurchgeführt werden kann und sich die Marktgängigkeit des bisherigen\nWirtschaftsguts in den Teilen fortsetzt. Das ist allgemein für\nWirtschaftsgüter anzunehmen, die durch bloßen Rechtsakt, ggf. verbunden mit\neiner Vermessung, geteilt werden und weiterhin verkehrsfähig bleiben (BFH-\nUrteil vom 19.07.1983 VIII R 161/82, BStBl II 1984, 26). Es muss sich somit\nbei den aus der Aufteilung hervorgehenden Teilen wiederum um eigenständige\nWirtschaftsgüter handeln. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Im vorliegenden Fall ist somit nicht das Arbeitszimmer, sondern die gesamte\nEigentumswohnung das hier zu beurteilende Wirtschaftsgut im Sinne des § 23\nAbs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Zum einen fehlt es im konkreten Fall bereits an\neiner Aufteilung des von der Klägerin erworbenen und wieder veräußerten\nWirtschaftsguts „Eigentumswohnung“ in das Arbeitszimmer und die restliche\nWohnung. Eine solche Teilung wäre wohl bereits rechtlich nicht möglich, das\nabgetrennte Arbeitszimmer wäre aber zumindest nicht marktgängig bzw.\nverkehrsfähig, denn das Arbeitszimmer kann nicht unabhängig von den anderen\nTeilen der Wohnung veräußert werden (so auch Wernsmann in\nKirchhof/Söhn/Mellinghoff, 296. Lieferung 06.2019, § 23 EStG Rn. B 53). Aber\nselbst wenn man die Einzelveräußerbarkeit für den Begriff des Wirtschaftsgutes\nnicht für erforderlich halten sollte, so verlangt der BFH bei den\nGewinneinkünften zumindest eine Übertragbarkeit zusammen mit dem Betrieb (BFH-\nUrteil vom 15.04.2004 IV R 51/02, BFH/NV 2004, 1393). Nun fehlt es bei den\nÜberschusseinkünften bereits an einem solchen Betrieb. Aber auch bei den\nGewinneinkünften wäre die Übertragung des betrieblich genutzten häuslichen\nArbeitszimmers zusammen mit dem Betrieb nicht möglich. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Für die Ausnahme von der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3\nEStG ist es nicht schädlich, dass ein (untergeordneter) Teil des erworbenen\nund wieder veräußerten Wirtschaftsguts „Eigentumswohnung“ nicht zu eigenen\nWohnzwecken, sondern ausschließlich zu beruflichen Zwecken von der Klägerin\ngenutzt worden ist. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Zwar sieht § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG in seiner 1. Alternative\neine ausschließliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Zeitraum zwischen\nAnschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung vor. Nach zutreffender\nAuffassung ist dieses Ausschließlichkeitskriterium indes nicht im Sinne von\n„räumlich ausschließlich“, sondern als „zeitlich ausschließlich“ zu verstehen.\nDies ergibt ein Vergleich mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG in seiner\n2. Alternative, der eine Ausschließlichkeit nicht vorsieht. Das ist nur\nverständlich, wenn die Ausschließlichkeit einen Gesamtzeitraum abdecken soll,\nder in der ersten Alternative kürzer als in der zweiten Alternative, aber auch\nlänger bemessen sein kann. In der zweiten Alternative ist hingegen der\nZeitraum genau bestimmt, so dass das Wort „ausschließlich“ hier entbehrlich\nwar (so bereits Finanzgericht Köln, Urteil vom 20.03.2018 8 K 1160/15, EFG\n2018, 1256; Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, 296. Lieferung 06.2019, §\n23 EStG Rn. B 50 f; Ratschow in Blümich, 147. Lieferung 05.2019, § 23 EStG Rn.\n55; T. Carlé in Korn, 116. Lieferung 07/2017, § 23 EStG Rn. 33). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Da § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG für die Steuerbefreiung somit keine\nräumlich ausschließliche Eigennutzung zu Wohnzwecken vorschreibt, ist es\nunschädlich, wenn die streitgegenständliche Eigentumswohnung vor ihrer\nVeräußerung mit einem unwesentlichen Teil (ca. 10 % der Wohnfläche) von der\nKlägerin zu ausschließlich beruflichen Zwecken genutzt worden ist. Der Senat\nteilt die vom Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 20.03.2018 (8 K 1160/15,\nEFG 2018, 1256) geäußerten Bedenken, dass andernfalls jedwede Verrichtung\nberuflicher Tätigkeiten auch in Räumlichkeiten, die nicht dem Typus des\nhäuslichen Arbeitszimmers entsprechen die Annahme einer Eigennutzung insoweit\nausschlösse und dass die Finanzverwaltung daher in jedem Fall der Eigennutzung\nprüfen müsste, ob in der Wohnung neben der Nutzung zu Wohnzwecken nicht auch\nnoch andere (schädliche) Tätigkeiten ausgeübt worden sind. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach alledem waren die Einkünfte der Klägerin aus privaten\nVeräußerungsgeschäften aus der Veräußerung des Objekts A-Straße 1 in X mit\nnull Euro anzusetzen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, dem Beklagten die Berechnung\nder neu festzusetzenden Steuer zu übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 und 3 FGO). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 3) Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO\ni.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| 4) Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen. Die\nRechtsfrage, ob der Gewinn aus dem Verkauf von selbstgenutztem Wohneigentum\nauch dann nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG in vollem Umfang\nsteuerfrei ist, wenn zuvor für ein häusliches Arbeitszimmer Werbungskosten\ngeltend gemacht worden sind, hat grundsätzliche Bedeutung. Zudem ist die\nEntscheidung des Bundesfinanzhofs zur Sicherung einer einheitlichen\nRechtsprechung erforderlich, da die vorliegende Entscheidung von der\nRechtsprechung des Finanzgerichts Münster (Urteil vom 28.8.2003 11 K 6243/01\nE, EFG 2004, 45) abweicht. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die Klage ist begründet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in\nihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung [FGO]). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| 1) Der Beklagte hat den auf das Arbeitszimmer entfallenden anteiligen\nVeräußerungsgewinn zu Unrecht als sonstige Einkünfte / Einkünfte aus privaten\nVeräußerungsgeschäften gem. § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1\nEStG erfasst und versteuert. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Gemäß § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte solche aus privaten\nVeräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1\nSatz 1 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte unter anderem\nVeräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen\nAnschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Gemäß § 23 Abs.\n1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sind Gebäude und Außenanlagen einzubeziehen, soweit\nsie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden;\ndies gilt entsprechend für Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche\nWirtschaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum\nstehende Räume. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Da die Klägerin ihre streitgegenständliche Eigentumswohnung in der A-Straße\n1 in X unstreitig innerhalb des Zehnjahreszeitraums des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr.\n1 Satz 1 EStG wieder veräußert hat, wäre der von der Klägerin erzielte\nVeräußerungsgewinn hiernach grundsätzlich steuerpflichtig. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt jedoch bei solchen\nWirtschaftsgütern kein privates Veräußerungsgeschäft vor, welche im Zeitraum\nzwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu\neigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden\nvorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Klägerin hat die streitgegenständliche Wohnung nach Ansicht des Senats\nim Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen\nWohnzwecken im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG genutzt. Die\nNutzung eines Zimmers dieser Wohnung als häusliches Arbeitszimmer für ihre\nberufliche Tätigkeit ändert an dieser Beurteilung nichts. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Über die Frage, wie das häusliche Arbeitszimmer im Rahmen der Besteuerung\ngemäß § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 EStG zu behandeln ist, werden sowohl\nin der Rechtsprechung, als auch in der Literatur unterschiedliche Auffassungen\nvertreten. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Beklagte vertritt die Ansicht der Finanzverwaltung, dass ein häusliches\nArbeitszimmer nicht Wohnzwecken diene, selbst wenn der Abzug der Aufwendungen\nals Betriebsausgaben oder Werbungskosten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG\nbzw. § 9 Abs. 5 EStG ausgeschlossen oder eingeschränkt sei (BMF-Schreiben vom\n05.10.2000 IV C 3-S 2256-263/00, BStBl I 2000, 1383, Tz 21). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Diese Meinung vertritt auch die wohl herrschende Auffassung in der\nLiteratur. So verweist Musil (in Herrmann/Heuer/Raupach, 292. Lieferung\n06.2019, § 23 EStG Rn. 130) darauf, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)\ndie typisierte Zuordnung eines häuslichen Arbeitszimmers zur privaten Sphäre\nals verfassungswidrig erachtet habe (BVerfG-Beschluss vom 06.07.2010 2 BvL\n13/09, BStBl II 2011, 318). Der Gesetzgeber sei daher gehalten, dem auch\nbetrieblichen oder beruflichen Charakter der entsprechenden Nutzung Rechnung\nzu tragen. Ebenso will Weber-Grellet (in Schmidt EStG, 38. Aufl., § 23 Rn. 18)\nden auf das Arbeitszimmer entfallenden Gewinn besteuern (so auch Hoheisel in\nLittmann/Bitz/Pust, 116. Lieferung 06.2016 § 23 Rn. 80, Lindberg in Frotscher,\n203. Lieferung 02.2018 § 23 Rn. 38, Schallmoser in „Die Immobilie im Zivil-\nund Steuerrecht“, 2. Aufl., Rn. 12.91 und 12.100, jeweils ohne nähere\nBegründung). Auch Kube (in Kirchhof EStG § 23 Rn. 6) vertritt die Auffassung,\ndass das häusliche Arbeitszimmer eines Arbeitnehmers im eigenen Haus nicht\nWohnzwecken diene. Die Begrenzung oder der Ausschluss von Werbungskosten nach\n§ 9 Abs. 5 EStG sei hierbei unerheblich. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Auch das Finanzgericht Münster hat in seinem Urteil vom 28.8.2003 (11 K\n6243/01 E, Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 2004, 45) im Ergebnis so\nentschieden. Die Befreiung nach Satz 3 des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sei\nnur für Wirtschaftsgüter angeordnet, die zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden\nseien. Ein als Arbeitszimmer genutzter Raum diene jedoch gerade nicht\nWohnzwecken. Selbst wenn es sich bei dem häuslichen Arbeitszimmer nicht um ein\neigenständiges Wirtschaftsgut handeln sollte, erscheine dies für die Erfüllung\ndes Besteuerungstatbestands nicht schädlich. Denn der Wortlaut des § 23 Abs. 1\nSatz 1 Nr. 1 EStG spreche lediglich von "Veräußerungsgeschäften bei\nGrundstücken". Ein solches Veräußerungsgeschäft umfasse den\nArbeitszimmerbereich mit. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Dagegen hat das Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 20. März 2018 (8 K\n1160/15, EFG 2018, 1256) entschieden, dass ein häusliches Arbeitszimmer der\neigenen Wohnnutzung generell nicht schade und somit der Veräußerungsgewinn\nauch steuerfrei bleibe, soweit er auf das nicht zu Wohnzwecken genutzte\nArbeitszimmer entfalle (ebenso Finanzgericht München im Beschluss vom\n14.01.2019 5 V 2627/18, juris). Diese Ansicht wird in der Literatur unter\nanderem auch von Ratschow (in Blümich, 147. Lieferung 05.2019, § 23 EStG Rn.\n55), Wernsmann (in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, 296. Lieferung 06.2019, § 23\nEStG Rn. B 53), Carlé (in Korn, 116. Lieferung, § 23 EStG Rn. 40) und Wichmann\n(„Der Anfang vom Ende der Atomisierung eines Gebäudes?“, Deutsches Steuerrecht\n[DStR] 2019, 92) vertreten. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Senat schließt sich der von den Finanzgerichten Köln und München\nvertretenen Meinung an. Er ist ebenfalls der Auffassung, dass der\nVeräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch dann\nsteuerfrei ist, soweit er auf ein häusliches Arbeitszimmer innerhalb einer\nselbst genutzten Wohnung entfällt. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Veräußerungsgegenstand im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG muss ein\nWirtschaftsgut sein. Dies ergibt sichaus der Formulierung\n„Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern“ im Auffangtatbestand des\n§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, 296.\nLieferung 06.2019, § 23 EStG Rn. B 5). Zudem müssen das veräußerte und das\nerworbene Wirtschaftsgut identisch sein (BFH-Urteil vom 29.03.1989 X R 4/84,\nBStBl II 1989, 652 m.w.N.). Bei einer Aufteilung des erworbenen\nWirtschaftsgutes (im Streitfall also Herauslösung des Arbeitszimmers aus der\nEigentumswohnung) bleibt die Identität des aufgeteilten Wirtschaftsguts in den\nTeilen erhalten, wenn die Teilung ohne aufwendige technische Maßnahmen\ndurchgeführt werden kann und sich die Marktgängigkeit des bisherigen\nWirtschaftsguts in den Teilen fortsetzt. Das ist allgemein für\nWirtschaftsgüter anzunehmen, die durch bloßen Rechtsakt, ggf. verbunden mit\neiner Vermessung, geteilt werden und weiterhin verkehrsfähig bleiben (BFH-\nUrteil vom 19.07.1983 VIII R 161/82, BStBl II 1984, 26). Es muss sich somit\nbei den aus der Aufteilung hervorgehenden Teilen wiederum um eigenständige\nWirtschaftsgüter handeln. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Im vorliegenden Fall ist somit nicht das Arbeitszimmer, sondern die gesamte\nEigentumswohnung das hier zu beurteilende Wirtschaftsgut im Sinne des § 23\nAbs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Zum einen fehlt es im konkreten Fall bereits an\neiner Aufteilung des von der Klägerin erworbenen und wieder veräußerten\nWirtschaftsguts „Eigentumswohnung“ in das Arbeitszimmer und die restliche\nWohnung. Eine solche Teilung wäre wohl bereits rechtlich nicht möglich, das\nabgetrennte Arbeitszimmer wäre aber zumindest nicht marktgängig bzw.\nverkehrsfähig, denn das Arbeitszimmer kann nicht unabhängig von den anderen\nTeilen der Wohnung veräußert werden (so auch Wernsmann in\nKirchhof/Söhn/Mellinghoff, 296. Lieferung 06.2019, § 23 EStG Rn. B 53). Aber\nselbst wenn man die Einzelveräußerbarkeit für den Begriff des Wirtschaftsgutes\nnicht für erforderlich halten sollte, so verlangt der BFH bei den\nGewinneinkünften zumindest eine Übertragbarkeit zusammen mit dem Betrieb (BFH-\nUrteil vom 15.04.2004 IV R 51/02, BFH/NV 2004, 1393). Nun fehlt es bei den\nÜberschusseinkünften bereits an einem solchen Betrieb. Aber auch bei den\nGewinneinkünften wäre die Übertragung des betrieblich genutzten häuslichen\nArbeitszimmers zusammen mit dem Betrieb nicht möglich. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Für die Ausnahme von der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3\nEStG ist es nicht schädlich, dass ein (untergeordneter) Teil des erworbenen\nund wieder veräußerten Wirtschaftsguts „Eigentumswohnung“ nicht zu eigenen\nWohnzwecken, sondern ausschließlich zu beruflichen Zwecken von der Klägerin\ngenutzt worden ist. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Zwar sieht § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG in seiner 1. Alternative\neine ausschließliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Zeitraum zwischen\nAnschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung vor. Nach zutreffender\nAuffassung ist dieses Ausschließlichkeitskriterium indes nicht im Sinne von\n„räumlich ausschließlich“, sondern als „zeitlich ausschließlich“ zu verstehen.\nDies ergibt ein Vergleich mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG in seiner\n2. Alternative, der eine Ausschließlichkeit nicht vorsieht. Das ist nur\nverständlich, wenn die Ausschließlichkeit einen Gesamtzeitraum abdecken soll,\nder in der ersten Alternative kürzer als in der zweiten Alternative, aber auch\nlänger bemessen sein kann. In der zweiten Alternative ist hingegen der\nZeitraum genau bestimmt, so dass das Wort „ausschließlich“ hier entbehrlich\nwar (so bereits Finanzgericht Köln, Urteil vom 20.03.2018 8 K 1160/15, EFG\n2018, 1256; Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, 296. Lieferung 06.2019, §\n23 EStG Rn. B 50 f; Ratschow in Blümich, 147. Lieferung 05.2019, § 23 EStG Rn.\n55; T. Carlé in Korn, 116. Lieferung 07/2017, § 23 EStG Rn. 33). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Da § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG für die Steuerbefreiung somit keine\nräumlich ausschließliche Eigennutzung zu Wohnzwecken vorschreibt, ist es\nunschädlich, wenn die streitgegenständliche Eigentumswohnung vor ihrer\nVeräußerung mit einem unwesentlichen Teil (ca. 10 % der Wohnfläche) von der\nKlägerin zu ausschließlich beruflichen Zwecken genutzt worden ist. Der Senat\nteilt die vom Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 20.03.2018 (8 K 1160/15,\nEFG 2018, 1256) geäußerten Bedenken, dass andernfalls jedwede Verrichtung\nberuflicher Tätigkeiten auch in Räumlichkeiten, die nicht dem Typus des\nhäuslichen Arbeitszimmers entsprechen die Annahme einer Eigennutzung insoweit\nausschlösse und dass die Finanzverwaltung daher in jedem Fall der Eigennutzung\nprüfen müsste, ob in der Wohnung neben der Nutzung zu Wohnzwecken nicht auch\nnoch andere (schädliche) Tätigkeiten ausgeübt worden sind. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach alledem waren die Einkünfte der Klägerin aus privaten\nVeräußerungsgeschäften aus der Veräußerung des Objekts A-Straße 1 in X mit\nnull Euro anzusetzen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, dem Beklagten die Berechnung\nder neu festzusetzenden Steuer zu übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 und 3 FGO). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 3) Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO\ni.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| 4) Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen. Die\nRechtsfrage, ob der Gewinn aus dem Verkauf von selbstgenutztem Wohneigentum\nauch dann nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG in vollem Umfang\nsteuerfrei ist, wenn zuvor für ein häusliches Arbeitszimmer Werbungskosten\ngeltend gemacht worden sind, hat grundsätzliche Bedeutung. Zudem ist die\nEntscheidung des Bundesfinanzhofs zur Sicherung einer einheitlichen\nRechtsprechung erforderlich, da die vorliegende Entscheidung von der\nRechtsprechung des Finanzgerichts Münster (Urteil vom 28.8.2003 11 K 6243/01\nE, EFG 2004, 45) abweicht. \n---\n\n
324,286
vghbw-2019-11-26-6-s-19919
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
6 S 199/19
2019-11-26
2019-12-07 11:01:27
2020-12-10 13:29:46
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird der\nBeschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 18. Dezember 2018 - 9 K\n4207/18 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Die Anträge der\nAntragstellerin werden insgesamt abgelehnt.\n\nDie Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen,\neinschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Verfahren vor\ndem Verwaltungsgerichtshof.\n\nDer Streitwert für das gesamte Beschwerdeverfahren wird auf 15.000 EUR\nfestgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| 1\\. Die zulässigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen\ngegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts haben jeweils Erfolg. Die von der\nAntragsgegnerin und der Beigeladenen in den Beschwerdebegründungen fristgemäß\n(§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat\ngrundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben dem Senat\nVeranlassung, den angefochtenen Beschluss zu ändern und die Anträge der\nAntragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu\nverpflichten, ihr für den Betrieb der Spielhalle „...“, ... ... bis zur\nrechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtung der Bescheide der\nAntragsgegnerin vom 26.06.2017 und 18.04.2018 eine vorläufige Erlaubnis nach §\n41 LGlüG zu erteilen, sowie die sofortige Vollziehung der gegenüber der\nBeigeladenen ergangenen Bescheide vom 26.06.2017 und 18.04.2018 zum Betrieb\nderen Spielhalle „...“, ... auszusetzen, insgesamt abzulehnen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, die Anträge seien überwiegend\nzulässig und teilweise begründet. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen\nAnordnung stehe nicht der im vorangegangenen Verfahren 9 K 8377/17 zwischen\nder Antragstellerin und der Antragsgegnerin ergangene rechtskräftige Beschluss\ndes Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 23.02.2018 entgegen, da es sich nicht\num den gleichen Streitgegenstand handele und jedenfalls veränderte Umstände\nvorlägen. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch auf vorläufige\nDuldung des Weiterbetriebs ihrer Spielhalle glaubhaft gemacht. Nach Auslaufen\nder Befristung der der Beigeladenen wegen Härtefalls unter Befreiung von den\nAnforderungen des § 42 Abs. 1 LGlüG erteilten Erlaubnis mit Ablauf des\n25.02.2018 bestehe für die Antragstellerin als konkurrierende\nSpielhallenbetreiberin ein Anspruch auf eine echte Auswahlentscheidung. Die im\nBescheid vom 18.04.2018 bereits getroffene Entscheidung, gegen die die\nAntragstellerin rechtzeitig Widerspruch eingelegt habe, sei bei summarischer\nPrüfung mangels Durchführung eines den gesetzlichen Anforderungen genügenden\nAuswahlverfahrens fehlerhaft. Im Umkreis von 500 m Luftlinie werde keine\nandere Spielhalle bestandskräftig erlaubt betrieben. Die Antragsgegnerin sei\ndaher verpflichtet, anhand bestimmter Kriterien eine neue Entscheidung über\ndie Erlaubniserteilung zu treffen. Dem Anordnungsanspruch stehe nicht von\nvornherein entgegen, dass die Spielhalle der Antragstellerin nicht nach § 42\nAbs. 3 LGlüG einen Mindestabstand von 500 m Luftlinie zum Jugendtreff ...\neinhalte, da diese Vorschrift gemäß § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG vorliegend nicht\ngelte. Die Antragstellerin habe sich auch nicht durch den vorläufigen\nFortbetrieb ihrer Spielhalle als unzuverlässig erwiesen. Auch einen\nAnordnungsgrund habe sie geltend gemacht. Ihrem Rechtsschutzbedürfnis sei\njedoch genüge getan, wenn der Betrieb der Spielhalle vorläufig geduldet werde,\nohne durch eine Erlaubnis formell abgesichert zu sein. Der weitere Antrag auf\nAussetzung der sofortigen Vollziehung sei im Hinblick auf den Bescheid vom\n26.06.2017 unzulässig, da sich dieser durch Zeitablauf erledigt habe. Soweit\njedoch die Aussetzung der Vollziehung des „Teilabhilfebescheids“ vom\n18.04.2018 begehrt werde, habe der Antrag Erfolg. Dieser Bescheid sei bei\nsummarischer Prüfung rechtswidrig, da eine Regelung ohne Berücksichtigung der\nKonkurrenten - insbesondere der Antragstellerin - und ohne Beachtung der\nGrundsätze für die Auswahlentscheidung getroffen worden sei. \n--- \n| 3 \n--- \n| Hiergegen wenden sich die Antragsgegnerin und die Beigeladene mit ihren\nerfolgreichen Beschwerden, wobei sich die Beschwerde der Beigeladenen von\nvorneherein lediglich gegen die Aussetzung der sofortigen Vollziehung des sie\nbegünstigenden Bescheids vom 18.04.2018 richtet. \n--- \n| 4 \n--- \n| 2\\. Der Auffassung der Antragsgegnerin, der Antrag der Antragstellerin nach\n§ 123 VwGO sei wegen entgegenstehender Rechtskraft des Beschlusses des\nVerwaltungsgerichts Sigmaringen vom 23.02.2018 - 9 K 8377/17 - bereits\nunzulässig, vermag sich der Senat indes nicht anzuschließen. Unabhängig von\nder Frage, ob die ursprünglich begehrte Duldung des Weiterbetriebs der\nSpielhalle der Antragstellerin und die nunmehr begehrte vorläufige Erlaubnis\nnach § 41 LGlüG unterschiedliche Streitgegenstände darstellen, geht der Senat\nmit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass der Antrag jedenfalls deshalb\nzulässig ist, weil sich die Antragstellerin auf veränderte Umstände beruft.\nHierbei kann dahinstehen, ob im Fall der vorherigen Ablehnung einer\neinstweiligen Anordnung § 80 Abs. 7 VwGO analoge Anwendung findet und es sich\nder Sache nach um einen Abänderungsantrag handelt, oder ob ein selbständiger\nneuerlicher Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegt, der mit\nBlick auf Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls dann als zulässig anzusehen ist, wenn\nsich relevante Umstände geändert haben (vgl. zum Ganzen: VGH Baden-\nWürttemberg, Beschluss vom 03.08.2006 - NC 9 S 9/06 -, juris Rn. 4 m.w.N.;\nBVerfG, Beschluss vom 23.10.2007 - 2 BvR 542/07 -, NVwZ 2008, 417; Happ in:\nEyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 123 Rn. 81; Puttler in: Sodan/Ziekow,\nVwGO, 5. Auflage 2018, § 123 Rn. 129). Nach beiden Auffassungen liegt ein\nzulässiger Antrag vor, wenn die Antragstellerin veränderte Umstände geltend\nmachen kann. Dies ist hier der Fall. Zum einen geht es der Antragstellerin,\nanders als noch im früheren vorläufigen Rechtsschutzverfahren vor dem\nVerwaltungsgericht (9 K 8377/17), vorliegend nicht mehr um den Weiterbetrieb\nvon zwei Spielhallen am selben Standort, so dass die Zulässigkeit des\nVorhabens mit Blick auf das jetzt wohl nicht mehr entgegenstehende\nVerbundverbot nach § 42 Abs. 2 LGlüG anders zu bewerten sein könnte. Zum\nanderen besteht insoweit eine geänderte Sachlage als die der Beigeladenen\nunter Härtefallgesichtspunkten unter Befreiung von den Anforderungen des § 42\nAbs. 1 LGlüG erteilte Erlaubnis zwischenzeitlich abgelaufen ist und sich daher\ndie Frage der Auswahl zwischen konkurrierenden Spielhallen neu stellen könnte.\nGegen das Vorliegen geänderter Umstände spricht, entgegen der Ansicht der\nAntragsgegnerin, nicht, dass der frühere und bestandskräftig vom\nVerwaltungsgericht abgelehnte Antrag der Antragstellerin nicht lediglich auf\neine Duldung bis zum Ablauf der Härtefallbefristung beschränkt gewesen sein\nmag. Auch eine etwaige Identität des Hauptsachebegehrens hindert die\nneuerliche Antragstellung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht. \n--- \n| 5 \n--- \n| Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts liegen jedoch die\nVoraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Sache\nnicht vor. \n--- \n| 6 \n--- \n| Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung\neines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis\nzulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen,\nnötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Hierzu hat der\nAntragsteller nach § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO das\nVorliegen sowohl eines Anordnungsanspruchs, also die Berechtigung seines\nBegehrens in der Sache, als auch eines Anordnungsgrundes, und damit die\nbesondere Dringlichkeit der Angelegenheit, glaubhaft zu machen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Antragstellerin hat keinen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung\nnach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft\ngemacht. Gemessen an den Erkenntnismöglichkeiten des gerichtlichen\nEilverfahrens hat die Antragstellerin keinen sicherungsfähigen Anspruch auf\nErteilung einer Erlaubnis zum Betrieb ihrer Spielhalle nach Maßgabe des § 41\nAbs. 1 Satz 1 LGlüG oder auch nur auf Durchführung und Teilnahme an einem den\ngesetzlichen Anforderungen genügenden Auswahlverfahren zwischen\nkonkurrierenden Spielhallen. Denn einem aus Art. 2 Abs. 1 LV in Verbindung mit\nArt. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG resultierenden Anspruch auf\nchancengleichen Zugang zu einer wie hier eng regulierten beruflichen\nTätigkeit, der sich nicht nur auf das Auswahlverfahren, sondern auch auf die\nAuswahlkriterien bezieht (vgl. zum Ganzen StGH [jetzt: VerfGH], Urteil vom\n17.06.2014 - 15/13 -, juris Rn. 256; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom\n16.04.2018 - 6 S 2250/17 -, juris Rn. 7), steht bereits die offensichtlich\nfehlende Erlaubnisfähigkeit des Spielhallenbetriebs der Antragstellerin\nentgegen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Der von der Antragstellerin begehrten Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb\nihrer Spielhalle „...“ nach § 41 Abs. 1 Satz 1 LGlüG steht im hier\nmaßgeblichen entscheidungsrelevanten Zeitpunkt jedenfalls der Versagungsgrund\ndes § 41 Abs. 2 Nr. 2 LGlüG in Verbindung mit § 42 Abs. 3 LGlüG (zu dessen\nVerfassungsmäßigkeit vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.05.2017 - 6 S\n306/16 -, juris Rn. 27 ff.; vgl. im Übrigen auch BVerfG, Beschluss vom\n07.03.2017 - 1 BvR 1314/12 -, juris Rn. 118 ff.; BVerwG, Urteil vom 16.12.2016\n- 8 C 4.16 -, juris Rn. 17 ff.) entgegen. Mangels grundlegender\nErlaubnisfähigkeit kommt der Antragstellerin daher auch kein mit der\neinstweiligen Anordnung sicherungsfähiger Anspruch auf Durchführung eines\nAuswahlverfahrens zwischen den im Hinblick auf das Abstandsgebot des § 42 Abs.\n1 LGlüG konkurrierenden Spielhallen zu. \n--- \n| 9 \n--- \n| Nach § 41 Abs. 2 Nr. 2 LGlüG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn die\nVoraussetzungen nach § 42 LGlüG nicht erfüllt sind. Dabei sieht § 42 Abs. 3\nLGlüG vor, dass zu einer bestehenden Einrichtung zum Aufenthalt von Kindern\nund Jugendlichen ein Mindestabstand von 500 m Luftlinie, gemessen von\nEingangstür zu Eingangstür, einzuhalten ist. \n--- \n| 10 \n--- \n| Dieser Vorgabe wird die Spielhalle der Antragstellerin nicht gerecht. Sie\nbefindet sich in der ... in ... und damit in einer Entfernung von nur ca. 125\nm Luftlinie zu dem in der ... in ... befindlichen „...“, der sich an Kinder\nund Jugendliche „ab der 5. Klasse“ wendet (vgl. https://www...., zuletzt\nabgerufen am 26.11.2019). \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Antragstellerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, das in § 42\nAbs. 3 LGlüG normierte Abstandsgebot zu Einrichtungen zum Aufenthalt von\nKindern und Jugendlichen könne ihr nach § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG nicht\nentgegengehalten werden. Nach § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG gilt § 42 Abs. 3 LGlüG\nnur für Spielhallen, für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des\nLandesglücksspielgesetzes am 29.11.2012 eine Erlaubnis nach § 33i GewO noch\nnicht erteilt worden ist. Die Norm berücksichtigt, dass zum Zeitpunkt des\nInkrafttretens des Landesglücksspielgesetzes bereits erteilte Erlaubnisse für\nSpielhallen die Abstandsregelung gegenüber Einrichtungen zum Aufenthalt von\nKindern und Jugendlichen im Sinne von § 42 Abs. 3 LGlüG nicht berücksichtigen\nkonnten. Aus diesem Grund wird die Regelung für solche Erlaubnisse nicht\nnachträglich angewandt (vgl. LT-Drs. 15/2431 S. 113). \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG werden von der Spielhalle\nder Antragstellerin nach der im gerichtlichen Eilverfahren vorzunehmenden\nsummarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage indes nicht erfüllt. Zwar war\ndie Antragstellerin unstreitig vor Inkrafttreten des Landesglücksspielgesetzes\nInhaberin einer mit Bescheiden vom 23.11.2007 und 25.04.2012 erteilten\nErlaubnis nach § 33i GewO für den Betrieb unter anderem der hier in Rede\nstehenden Spielhalle „...“ in der ... in .... Die Regelung des § 51 Abs. 5\nSatz 5 LGlüG dürfte ihr gleichwohl nicht zugutekommen. Es handelt sich nicht\n(mehr) um eine privilegierte Bestandsspielhalle. \n--- \n| 13 \n--- \n| Dabei kann dahinstehen, ob § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG ohnehin nur - zeitlich\nbeschränkt - bei der Erteilung von Erlaubnissen unter Befreiung von der\nEinhaltung der Anforderungen des § 42 Abs. 1 und 2 LGlüG nach Maßgabe des § 41\nAbs. 1 Satz 1 LGlüG in Verbindung mit § 51 Abs. 5 Satz 1 LGlüG (sog.\nHärtefallbefreiung) ergänzend zur Anwendung kommt (in diesem Sinne VG\nKarlsruhe, Urteil vom 01.03.2018 - 2 K 12108/17 -, n.v. S. 10 ff.), oder\nlosgelöst hiervon „Altspielhallen“ generell privilegieren soll (dahingehend VG\nKarlsruhe, Urteil vom 27.10.2015 - 1 K 2539/13 -, n.v. S. 5 ff.). \n--- \n| 14 \n--- \n| Denn selbst bei Zugrundelegung eines „erweiterten“ Anwendungsbereichs der\nRegelung ist der Weiterbetrieb der Spielhalle „...“ seit dem 01.07.2017 nicht\nmehr von einer Erlaubnis gedeckt und wird jedenfalls seit dem 01.11.2017\nbehördlicherseits auch nicht mehr geduldet. Hieraus folgt, dass § 51 Abs. 5\nSatz 5 LGlüG zugunsten der Antragstellerin keine Wirkung mehr entfaltet. Das\nLandesglücksspielgesetz privilegiert sog. Altspielhallen nicht um ihrer selbst\nwillen, sondern trägt dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes\nRechnung, sofern und soweit sich Inhaber von Spielhallenerlaubnissen nach §\n33i GewO hierauf berechtigterweise berufen können. Dies manifestiert sich in\nder Übergangsregelung des § 51 Abs. 3 bis 6 LGlüG, der - unterschiedliche\nAusprägungen von Vertrauensschutz berücksichtigend - in einem Stufenverhältnis\ndie Fortgeltung der Erlaubnisse nach § 33i GewO bis zum 30.06.2013 (§ 51 Abs.\n4 Satz 2 LGlüG) bzw. bis zum 30.06.2017 (§ 51 Abs. 4 Satz 1 LGlüG) erstreckt\nhat und darüber hinaus in Anknüpfung an § 51 Abs. 4 Satz 1 LGlüG zur\nVermeidung „unbilliger Härten“ die Erteilung einer glücksspielrechtlichen\nErlaubnis unter erleichterten Voraussetzungen für einen angemessenen Zeitraum\nvorsieht (§ 51 Abs. 5 Satz 1 LGlüG). \n--- \n| 15 \n--- \n| Begibt sich der Betreiber einer Spielhalle des ihm durch das\nLandesglücksspielgesetz vermittelten Vertrauensschutzes, entfallen auch die\nhiermit einhergehenden Privilegierungen. Daher gewährt der Gesetzgeber - dem\nentsprechenden gewerberechtlichen Grundsatz folgend - bei einem\nBetreiberwechsel keinen Vertrauensschutz, weil der Neubetreiber nie selbst im\nBesitz einer vertrauensbegründenden Erlaubnis nach § 33i GewO war und die\nErlaubnis des Vorbetreibers nicht übertragbar ist (vgl. LT-Drs. 15/2431 S. 112\nf.). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. VGH Baden-\nWürttemberg, Urteil vom 03.05.2017 - 6 S 306/16 -, juris Rn. 25, 27 ff.).\nDemzufolge kommt § 42 Abs. 3 LGlüG trotz der Regelung des § 51 Abs. 5 Satz 5\nLGlüG „ungeschmälert zur Anwendung“, wenn „ein solcher Betrieb (...) den\nInhaber wechselt und damit eine neue Erlaubnis erforderlich wird“ (vgl. LT-\nDrs. 15/2431 S. 113). Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber den Betreiberwechsel\nzur umfassenden Prüfung der Erlaubnisvoraussetzungen in den Blick genommen hat\n(vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.05.2017 - 6 S 306/16 -, juris Rn.\n23). \n--- \n| 16 \n--- \n| Eine solche Zäsur stellt in gleicher Weise der gesetzlich missbilligte, da\nohne die erforderliche Erlaubnis erfolgende Weiterbetrieb einer Spielhalle\nnach Ablauf der (fingierten) Gültigkeitsdauer einer ursprünglich nach § 33i\nGewO erteilten Erlaubnis dar. Ist die Legalisierung des Spielhallenbetriebs\nmittels einer Erlaubnis unterbrochen und liegt damit keine „nahtlose\nFortschreibung“ der Erlaubnis nach § 33i GewO vor, bedarf es für den\nWeiterbetrieb der zu Unrecht weiterbetriebenen oder den Wiederbetrieb der\nzwischenzeitlich eingestellten Spielhalle - wie im Falle des Betreiberwechsels\n- einer neuen Erlaubnis. Der von § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG vermittelte\nBestands- und Vertrauensschutz entfällt jedenfalls während erlaubnisfreier\nZeiten. Für den Senat ist nicht ersichtlich, dass der als Übergangsvorschrift\nvorgesehene § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG nach dem Willen des Gesetzgebers zeitlich\nquasi unbegrenzt auf jede Spielhalle Anwendung finden soll, die einst eine\nErlaubnis nach § 33i GewO innehatte. Vielmehr bedarf es - wie beim\nBetreiberwechsel - einer neuen Erlaubnis, in deren Rahmen § 42 Abs. 3 LGlüG\nungeschmälert zur Anwendung kommt. \n--- \n| 17 \n--- \n| Dieser Rechtsansicht kann auch § 49 Abs. 2 GewO nicht entgegengehalten\nwerden, wonach Erlaubnisse nach 33i GewO (erst) erlöschen, wenn der Inhaber\nden Betrieb während eines Zeitraumes von einem Jahr nicht mehr ausgeübt hat.\nAbgesehen davon, dass dieser Zeitraum bereits verstrichen ist, hat § 49 Abs. 2\nGewO die Unterbrechung einer durch Erlaubnis legalisierten gewerblichen\nTätigkeit vor Augen, nicht aber den hier vorliegenden Fall einer mangels\nErlaubnis unerlaubten gewerblichen Tätigkeit. \n--- \n| 18 \n--- \n| Aus alledem folgt, dass die Spielhalle der Antragstellerin schon allein\nwegen der Verletzung des Abstandsgebots nach § 42 Abs. 3 LGlüG offensichtlich\nnicht erlaubnisfähig sein dürfte und daher von vorneherein nicht an einem\nAuswahlverfahren zwischen den verschiedenen Spielhallen teilnehmen kann (vgl.\nBVerwG, Urteil vom 16.12.2016 - 8 C 6.15 -, juris Rn. 55; OVG NRW, Beschluss\nvom 26.09.2019 - 4 B 255/18 -, juris Rn. 33). Ein Anspruch der Antragstellerin\nauf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung eines solchen\nVerfahrens besteht vor diesem Hintergrund nicht. Der Beschluss des\nVerwaltungsgerichts ist daher auf die Beschwerde der Antragsgegnerin\nentsprechend abzuändern. \n--- \n| 19 \n--- \n| Ob und mit welchen Spielhallenbetreibern die Antragsgegnerin ein\nAuswahlverfahren mit sich hieran anschließender Auswahlentscheidung\ndurchführen musste bzw. ob das parallel zum gerichtlichen Eilverfahren\ndurchgeführte Auswahlverfahren rechtsstaatlichen Anforderungen genügt, bedarf\nnach alledem im vorliegenden Verfahren keiner Klärung. Denn jedenfalls die\nAntragstellerin zählt derzeit aus den vorgenannten Gründen nicht zu den bei\neinem solchen Verfahren zu berücksichtigenden Gewerbetreibenden. \n--- \n| 20 \n--- \n| 3\\. Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ist der\nBeschluss des Verwaltungsgerichts auch im Hinblick auf die Aussetzung der\nsofortigen Vollziehung des der Beigeladenen gegenüber ergangenen Bescheids vom\n18.04.2018, mit dem ihr der Betrieb der Spielhalle „...“ bis zum 25.02.2028\nerlaubt wurde, abzuändern. Denn in der vorstehend dargelegten Konstellation\nfehlt es der Antragstellerin für einen Antrag nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3\nSatz 1, Abs. 1 Nr. 2 VwGO bereits an der erforderlichen Antragsbefugnis im\nSinne des § 42 Abs. 2 VwGO analog. \n--- \n| 21 \n--- \n| Nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO ist - soweit wie hier gesetzlich nichts anderes\nbestimmt ist - die Klage und mithin in entsprechender Anwendung der Antrag auf\nGewährung einstweiligen Rechtsschutzes nur zulässig, wenn der Kläger bzw.\nAntragsteller geltend macht, durch den angegriffenen Verwaltungsakt in seinen\nRechten verletzt zu sein. Demnach muss nach dem substantiierten Vorbringen des\nKlägers bzw. Antragstellers eine Rechtswidrigkeit des jeweiligen Hoheitsaktes\ngerade mit Blick auf die (Grund-)Rechte des Klägers bzw. Antragstellers\nmöglich erscheinen.Dem geht die Frage voraus, ob die Rechtssphäre des Klägers\nbzw. Antragstellers überhaupt betroffen ist. Hierzu müssen Bestehen und\nReichweite seiner subjektiv-öffentlichen Rechte geklärt und festgestellt\nwerden, ob der im Streit stehende Hoheitsakt diese Rechte berührt oder aber\nunberührt lässt. Die Entstehung eines subjektiv-öffentlichen Rechts setzt\ndabei in personeller Hinsicht voraus, dass der Kläger bzw. Antragsteller\nTräger des normativ geschützten Interesses, also vom personellen Schutzzweck\nder Norm erfasst ist. Ein bloßer Rechtsreflex vermag indes ebenso wenig eine\nRechtsposition bzw. eine Antrags-/Klagebefugnis zu begründen wie eine rein\nfaktisch ermittelte „Betroffenheit“ (vgl. zum Ganzen und mit weiteren\nNachweisen: Beschluss des Senats vom 14.06.2018 - 6 S 304/18 -, juris Rn. 5\nff.). \n--- \n| 22 \n--- \n| Ausgehend hiervon ist eine Rechtsverletzung der Antragstellerin in\nsubjektiv-öffentlichen Rechten hier offensichtlich und eindeutig nach jeder\nBetrachtungsweise (vgl. zu diesem Maßstab VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom\n15.03.2018 - 12 S 1644/18 -, juris Rn. 72) ausgeschlossen. Da ihre Spielhalle,\nwie dargelegt, unabhängig von dem Abstandsgebot zu anderen Spielhallen nach §\n42 Abs. 1 LGlüG allein wegen des Abstandsgebots zu bestehenden Einrichtungen\nzum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen nach § 42 Abs. 3 LGlüG selbst\nnicht erlaubnisfähig ist, ist dem Senat nicht ersichtlich, welche subjektiv-\nöffentlichen Rechte durch die der Beigeladenen erteilte Erlaubnis betroffen\nsein könnten. Ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch besteht nicht (vgl.\nBVerfG, Beschluss vom 19.07.2018 - 2 BvR 943/18 -, juris; Beschluss des Senats\nvom 29.10.2019 - 6 S 587/19 -, n.v.). Die Aufhebung der der Beigeladenen\nerteilten Erlaubnis für die Spielhalle „...“ bzw. die Aussetzung deren\nVollziehung brächte der Antragstellerin keine Verbesserung ihrer eigenen\nRechtsposition, da dies nichts an der mangelnden Erlaubnisfähigkeit ihrer\nSpielhalle änderte und auch nicht dazu führen würde, dass sie an der Auswahl\nzwischen konkurrierenden Spielhallen teilnehmen könnte. \n--- \n| 23 \n--- \n| 4\\. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die\nBeigeladene im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht - anders als im\nBeschwerdeverfahren - keinen Antrag gestellt hat und dort somit ein\nKostenrisiko nicht eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der\nBilligkeit, dass sie insoweit ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt und\nlediglich ihre im Beschwerdeverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten\nerstattet werden. \n--- \n| 24 \n--- \n| 5\\. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1,\n53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 Satz\n1 Hs. 1, Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit\n2013. Hierbei folgt der Senat - auch unter Berücksichtigung des Vortrags der\nAntragsgegnerin - der Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht,\nwobei die Anträge der Antragstellerin nach § 123 VwGO und nach §§ 80 Abs. 5,\n80a Abs. 3 VwGO jeweils mit 7.500 EUR in Ansatz gebracht werden. In\nErmangelung von Erkenntnissen über den jeweiligen erzielten oder zu\nerwartenden Jahresgewinn ist der Mindeststreitwert der Hauptsachen von je\n15.000 EUR zugrunde zu legen. Weitergehende Aufklärungsmaßnahmen der Gerichte\nzur Höhe des Gewinns sind im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht\nangezeigt (so auch Nieders. OVG, Beschluss vom 18.02.2019 - 11 OA 645/18 -,\njuris Rn. 4 ff.). Die Beträge sind im Hinblick auf den vorläufigen Charakter\nder begehrten Entscheidungen über die vorläufige Fortführung des\nSpielhallenbetriebs der Antragstellerin im Verfahren nach § 123 VwGO sowie die\nVollziehung der der Beigeladenen erteilten Erlaubnis zum Betrieb deren\nSpielhalle nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO jeweils zu halbieren (so auch\nOVG NRW, Beschluss vom 26.09.2019 - 4 B 255/18 -, juris Rn. 92 ff.; ThürOVG,\nBeschluss vom 17.04.2018 - 3 EO 638/17 -, juris Rn. 40). \n--- \n| 25 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n
324,371
vg-minden-2019-12-10-10-l-33619a
845
Verwaltungsgericht Minden
vg-minden
Minden
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
10 L 336/19.A
2019-12-10
2019-12-12 11:00:59
2020-12-10 13:29:58
Beschluss
ECLI:DE:VGMI:2019:1210.10L336.19A.00
## Tenor\n\nDer Antrag wird abgelehnt. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, der fur die\nAbschiebung des Antragstellers zustandigen Auslanderbehorde mitzuteilen, dass\nder Antragsteller erst nach Ablauf einer Woche ab Bekanntgabe dieses\nBeschlusses abgeschoben werden darf.\n\nDie Kosten des Verfahrens, fur das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragt\nder Antragsteller.\n\n \n1\n\nGrunde:\n\n2\n\nI.\n\n3\n\nMit Bescheid vom 30. Marz 2016 lehnte das Bundesamt fur Migration und\nFluchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den am 21. Marz 2014 gestellten\nAsylantrag des Antragstellers in Bezug auf die Anerkennung als\nAsylberechtigter sowie die Zuerkennung der Fluchtlingseigenschaft als\noffensichtlich unbegrundet (Ziffern 1 und 2) und in Bezug auf die Zuerkennung\ndes subsidiaren Schutzstatus als einfach unbegrundet (Ziffer 3) ab. Daruber\nhinaus stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungsverbote gemaß § 60 Abs. 5\nund Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4), und drohte dem\nAntragsteller, fur den Fall, dass er die Bundesrepublik Deutschland nicht\ninnerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieses Bescheids verlasse, die\nAbschiebung nach Ghana an (Ziffer 5). Außerdem befristete das Bundesamt das\nEinreise- und Aufenthaltsverbot gemaß § 11 Abs. 7 AufenthG auf zehn Monate ab\ndem Tag der Ausreise (Ziffer 6) und das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemaß\n§ 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 7).\n\n4\n\nAm 1. Februar 2019 legte der Antragsteller beim Bundesamt einen ghanaischen\nReisepass vor und stellte einen Folgeantrag, zu dessen Begrundung er im\nWesentlichen vortrug, dass er einen Sohn in Deutschland habe und seine\nLebensgefahrtin wieder schwanger sei. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt mit\nBescheid vom 20. Februar 2019, dem Prozessbevollmachtigten des Antragstellers\nzugestellt am 8. Marz 2019, als unzulassig (Ziffer 1) ab. Außerdem lehnte das\nBundesamt es ab, den Bescheid vom 30. Marz 2016 bezuglich der Feststellung zu\n§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG abzuandern (Ziffer 2). Gegen diesen Bescheid\nhat der Antragsteller am 19. Marz 2019 Klage erhoben und zusatzlich einen\nAntrag auf Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes gestellt.\n\n5\n\nMit Beschluss vom 4. Dezember 2019 hat die Einzelrichterin den Rechtsstreit\nnach Anhorung der Beteiligten gemaß § 76 Abs. 4 Satz 2 AsylG wegen\ngrundsatzlicher Bedeutung auf die Kammer ubertragen.\n\n6\n\nII.\n\n7\n\n1\\. Der vom Antragsteller formulierte Antrag,\n\n8\n\ndie aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung der\nBeklagten vom 20. Februar 2019 anzuordnen,\n\n9\n\nist sachgerecht dahingehend auszulegen (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO), dass er\nbeantragt,\n\n10\n\ndie Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der\nfur die Abschiebung des Antragstellers zustandigen Auslanderbehorde\nmitzuteilen, dass der Antragsteller bis zur rechtskraftigen Entscheidung uber\nseine Klage im Verfahren 10 K 1010/19.A nicht aufgrund der im Bescheid des\nBundesamts fur Migration und Fluchtlinge vom 30. Marz 2016 enthaltenen\nAbschiebungsandrohung nach Ghana abgeschoben werden darf,\n\n11\n\nhilfsweise der Antragsgegnerin aufzugeben, der fur die Abschiebung des\nAntragstellers zustandigen Auslanderbehorde mitzuteilen, dass der\nAntragsteller erst nach Ablauf einer Woche ab Bekanntgabe dieses Beschlusses\nabgeschoben werden darf.\n\n12\n\nZwar ist die Ablehnung eines Folgeantrags als unzulassig (§§ 29 Abs. 1 Nr. 5\nAlt. 1, 71 AsylG) in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage anzugreifen.\n\n13\n\nVgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4.16 -, juris Rn. 16 ff.\n\n14\n\nJedoch ist ein dem eigentlich korrespondierender Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO\ndann, wenn - wie hier mit Bescheid vom 20. Februar 2019 - eine\nAbschiebungsandrohung nicht erneut erlassen wird, unzulassig, weil die mit\ndiesem Bescheid getroffenen Entscheidungen - die Ablehnung des Folgeantrags\nals unzulassig sowie die Ablehnung der Abanderung des Bescheids vom 30. Marz\n2016 bezuglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG - nicht\nvollziehbar sind und es somit an einer Entscheidung des Bundesamts fehlt,\nderen Vollziehung durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ausgesetzt\nwerden konnte.\n\n15\n\nVgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 13. September 2018- 3 B 1712/18.A -, juris\nRn. 3 ff.; VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 29. November 2018 - 12 S\n2504/18 -, juris Rn. 15; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. Januar 2019 -\n7 B 11544/18 -, juris Rn. 4; a.A. (Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes nach §\n80 Abs. 5 VwGO) z.B. VG Munchen, Beschluss vom 8. Mai 2017 - M 2 E 17.37375 -,\njuris Rn. 12 ff.; zum Meinungsstand s. Dickten, in: BeckOK Auslanderrecht,\nStand: 1. August 2019, § 71 AsylG Rn. 33 ff.; s.a. BT-Drs. 12/4450, S. 27,\nwonach vorlaufiger Rechtsschutz dann, wenn keine neue Abschiebungsandrohung\nergeht, nach § 123 VwGO gewahrt werden soll; BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996-\n2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94, 166 (juris Rn. 90), wonach Gegenstand des\nVerfahrens auf Erlass der aufschiebenden Wirkung nach §§ 36 Abs. 3 AsylG, 80\nAbs. 5 VwGO allein die aufenthaltsbeendende Maßnahme (im hiesigen Kontext: die\nAbschiebungsandrohung), beschrankt auf die Frage der sofortigen\nVollziehbarkeit, ist.\n\n16\n\nDass der Antragsteller anwaltlich vertreten ist, steht der Auslegung seines\nAntrags nicht entgegen.\n\n17\n\nVgl. BVerfG, Kammerbeschlusse vom 23. Oktober 2007- 2 BvR 542/07 -, NVwZ 2008,\n417 (juris Rn. 16 f.), sowie vom 29. Oktober 2015 - 2 BvR 1493/11 -, NVwZ\n2016, 238, Rn. 32 ff.\n\n18\n\n2\\. Der so verstandene Antrag ist zulassig, hat aber nur mit dem Hilfsantrag\nErfolg.\n\n19\n\na. Der Hauptantrag ist unbegrundet.\n\n20\n\n§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO bestimmt, dass das Gericht eine einstweilige\nAnordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen kann, wenn die Gefahr\nbesteht, dass durch die Veranderung des bestehenden Zustands die\nVerwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich\nerschwert werden konnte. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sieht erganzend vor, dass\neine solche Anordnung auch zur Regelung eines vorlaufigen Zustands in Bezug\nauf ein streitiges Rechtsverhaltnis zulassig ist, wenn diese Regelung, vor\nallem bei dauernden Rechtsverhaltnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden\noder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Grunden notwendig\nerscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt grundsatzlich ein\nBedurfnis fur die Inanspruchnahme vorlaufigen Rechtsschutzes aufgrund\nEilbedurftigkeit (Anordnungsgrund) sowie einen Anordnungsanspruch voraus.\nSowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch sind vom\nAntragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294\nZPO).\n\n21\n\nDanach liegen die Voraussetzungen fur den Erlass der mit dem Hauptantrag\nverfolgten einstweiligen Anordnung nicht vor. Der Antragsteller hat keinen\nAnordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein Anspruch, bis zum rechtskraftigen\nAbschluss seines Klageverfahrens nicht nach Ghana abgeschoben zu werden, steht\ndem Antragsteller nicht zu:\n\n22\n\nSowohl das hinter der Ablehnung eines Folgeantrags als unzulassig stehende\nRegelungskonzept des Gesetzgebers (aa.) als auch die verfahrensrechtliche\nAusgestaltung eines hiergegen gerichteten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens\nauf Erlass einer einstweiligen Anordnung (bb.), stehen mit Unionsrecht in\nEinklang. Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Asylantrag\ndes Antragstellers gemaß § 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 1 AsylG unzulassig ist (cc.)\nund hat auch zu Recht den Antrag auf Abanderung des Bescheids vom 30. Marz\n2016 bezuglich der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und\n7 AufenthG abgelehnt (dd.). Der Verstoß des Bundesamts gegen die ihm nach der\nRechtsprechung des Gerichtshofs der Europaischen Union obliegenden\nInformationspflichten fuhrt ebenfalls nicht zu einem Anordnungsanspruch (ee.).\n\n23\n\naa. Das hinter der Ablehnung eines Folgeantrags als unzulassig stehende\nRegelungskonzept des Gesetzgebers (1) steht mit Unionsrecht in Einklang (2).\n\n24\n\n(1) Gemaß § 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 1 AsylG ist ein Asylantrag unzulassig, wenn\nauf einen Folgeantrag nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht\ndurchzufuhren ist. § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG bestimmt, dass ein weiteres\nAsylverfahren dann, wenn ein Auslander nach Rucknahme oder - wie hier der\nAntragsteller - nach unanfechtbarer Ablehnung eines fruheren Asylantrags\nerneut einen Asylantrag stellt (Folgeantrag), nur dann durchzufuhren ist, wenn\ndie Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. § 51 Abs. 1 VwVfG\nsieht vor, dass auf Antrag des Betroffenen uber die Aufhebung oder Änderung\neines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden ist, wenn sich die dem\nVerwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachtraglich zugunsten\ndes Betroffenen geandert hat (Nr. 1), neue Beweismittel vorliegen, die eine\ndem Betroffenen gunstigere Entscheidung herbeigefuhrt haben wurden (Nr. 2),\noder Wiederaufnahmegrunde entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3).\n\n25\n\nDaruber hinaus sieht § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG vor, dass es zum Vollzug der\nAbschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung bedarf,\nwenn auf einen Folgeantrag kein weiteres Asylverfahren durchgefuhrt wird. Von\ndieser Moglichkeit hat das Bundesamt hier - wie sich aus den Ausfuhrungen\nunter I. ergibt - Gebrauch gemacht.\n\n26\n\nWird ein Folgeantrag - wie hier gemaß Ziffer 1 des Bescheids vom 20. Februar\n2019 \\- als unzulassig abgelehnt, ist das durch die Stellung eines Asylantrags\nfur die Dauer des Asylverfahrens begrundete Bleiberecht\n\n27\n\n\\- vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 2. Mai 1984 - 2 BvR 1413/83 -, BVerfGE 67,\n43 (juris Rn. 26 und 35); Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, vor II-3 (Rechtsprechung\ndes Bundesverfassungsgerichts) Rn. 16 ff. und 234 (Stand: August 2003) -\n\n28\n\nentsprechend dem Regelungskonzept des Gesetzgebers, Asylverfahren im Hinblick\nauf die mit einer großen Anzahl von Asylantragen verbundenen Belastungen zu\nbeschleunigen\n\n29\n\n\\- vgl. BT-Drucks. 12/2062, S. 25 f. und 40, sowie 12/4152, S. 4; BVerfG,\nUrteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94, 166 (juris Rn. 88, 93,\n98 und 141); Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, vor II-3 (Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts) Rn. 377 (Stand: August 2003) -,\n\n30\n\nmit der Folge eingeschrankt, dass eine Abschiebung des Asylsuchenden bereits\nvor dem rechtskraftigen Abschluss des Klageverfahrens zulassig ist. Dies folgt\naus §§ 75 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG. Diese Normen bestimmen, dass die Klage\ngegen Entscheidungen nach dem Asylgesetz nur in den - hier nicht vorliegenden\n- Fallen des §§ 73, 73b und 73c AsylG sowie dann aufschiebende Wirkung hat,\nwenn die dem Asylsuchenden zu setzende Ausreisefrist 30 Tage betragt (§ 38\nAbs. 1 AsylG). Letzteres ist dann, wenn ein Folgeantrag als unzulassig\nabgewiesen wird, unabhangig davon, ob das Bundesamt eine weitere\nAbschiebungsandrohung erlasst, nicht der Fall:\n\n31\n\nErlasst das Bundesamt eine weitere Abschiebungsandrohung, ist dem Auslander\neine Ausreisefrist von einer Woche zu setzen (§§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 1 AsylG),\nso dass einer hiergegen erhobenen Klage nach den vorstehenden Ausfuhrungen\nkeine aufschiebende Wirkung zukommt. Jedoch kann der Asylsuchende die\nRechtmaßigkeit der Abschiebungsandrohung gemaß §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG,\n80 Abs. 5 VwGO in einem Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung\ngerichtlich uberprufen lassen; ein entsprechender Antrag ist gemaß §§ 71 Abs.\n4, 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG binnen einer Woche ab Bekanntgabe der\nAbschiebungsandrohung zu stellen. §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG sehen\nerganzend vor, dass die Abschiebung bei rechtzeitiger Antragstellung vor der\ngerichtlichen Entscheidung uber den Asylantrag nicht zulassig ist.\n\n32\n\nErlasst das Bundesamt keine weitere Abschiebungsandrohung, wird auch keine\nneue Ausreisefrist gesetzt, so dass der Klage gemaß §§ 75 Abs. 1, 38 Abs. 1\nAsylG ebenfalls keine aufschiebende Wirkung zukommt. Auch in diesem Fall kann\nder Asylsuchende die Rechtmaßigkeit der Entscheidung des Bundesamts in einem\nVerfahren auf Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes gerichtlich uberprufen\nlassen. Der vorlaufige Rechtsschutz richtet sich in diesem Fall jedoch - wie\nbereits unter 2. dargelegt - nicht nach §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG, 80 Abs.\n5 VwGO, sondern nach § 123 Abs. 1 VwGO. Eine Antragsfrist oder eine §§ 71 Abs.\n4, 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG entsprechende Regelung sind fur das Verfahren nach §\n123 Abs. 1 VwGO gesetzlich nicht vorgesehen.\n\n33\n\n(2) Das vorstehend dargestellte Regelungskonzept steht mit Unionsrecht in\nEinklang.\n\n34\n\n(a) Dass § 71 Abs. 1 AsylG die Durchfuhrung eines weiteren Asylverfahrens an\ndas Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG knupft, steht mit der\nRichtlinie 2013/32/EU des Europaischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni\n2013 (ABl. L 180, S. 60, sog. Verfahrensrichtlinie, im Folgenden: RL\n2013/32/EU) im Einklang. Diese Richtlinie findet gemaß Art. 52 Unterabs. 1 RL\n2013/32/EU auf den vorliegenden Fall Anwendung, weil der streitgegenstandliche\nFolgeantrag am 1. Februar 2019 und damit nach dem dort bestimmten Stichtag\n(20. Juli 2015) gestellt wurde.\n\n35\n\n§ 51 Abs. 1 VwVfG verlangt - auf erster Stufe - einen schlussigen Sachvortrag,\nder nicht von vornherein ungeeignet sein darf, eine gunstigere Entscheidung\nfur den Asylsuchenden herbeizufuhren. Erst wenn diese Voraussetzungen erfullt\nsind, erfolgt - auf zweiter Stufe - eine erneute Prufung in der Sache. Diese\nzweistufige Prufung ist durch das Unionsrecht vorgegeben. Art. 40 Abs. 2 RL\n2013/32/EU bestimmt, dass ein Folgeantrag auf internationalen Schutz zunachst\ndaraufhin gepruft wird, ob neue Elemente oder Erkenntnisse betreffend die\nFrage, ob der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person\nmit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, zutage getreten oder\nvom Antragsteller vorgebracht worden sind (erste Stufe). Nur wenn die Prufung\nergibt, dass dies der Fall ist, wird auf einer zweiten Stufe der Antrag gemaß\nArt. 40 Abs. 3 RL 2013/32/EU nach den Bestimmungen des Kapitels II uber das\nAsylverfahren weiter gepruft.\n\n36\n\nVgl. VG Minden, Urteil vom 8. Mai 2019 - 10 K 1511/18.A -, Abdruck S. 7 f.; VG\nGelsenkirchen, Beschluss vom 29. Juni 2016 - 3a L 1518/16.A -, juris Rn. 31\nff.; Hailbronner, Auslanderrecht, § 71 AsylG Rn. 6 ff. (Stand: Oktober 2016).\n\n37\n\nAnderenfalls gestattet Art. 33 Abs. 2 lit. d) RL 2013/32/EU es, den\nFolgeantrag als unzulassig abzulehnen.\n\n38\n\n(b) Dass das Bundesamt gemaß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG vom erneuten Erlass\neiner Abschiebungsandrohung abgesehen hat, ist unionsrechtlich ebenfalls nicht\nzu beanstanden [(aa)]. Grundlage fur eine Abschiebung des Antragstellers ist\nweiterhin die im Bescheid vom 30. Marz 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung.\nDiese Abschiebungsandrohung hat sich zwischenzeitlich nicht erledigt [(bb)].\n\n39\n\n(aa) Das Absehen vom erneuten Erlass einer Abschiebungsandrohung steht mit\nUnionsrecht, namentlich der Richtlinie 2008/115/EG des Europaischen Parlaments\nund des Rates vom 16. Dezember 2008 (ABl. L 348, S. 98; sog.\nRuckfuhrungsrichtlinie, im Folgenden: RL 2008/115/EG) in Einklang. Im\nAnwendungsbereich dieser Richtlinie (Art. 2 und Art. 3 Nr. 3) ist die\nAbschiebungsandrohung die Ruckkehrentscheidung i.S.d. Art. 3 Nr. 4 RL\n2008/115/EG.\n\n40\n\nEine Norm, die bei der Ablehnung eines Folgeantrags als unzulassig den\nerneuten Erlass einer Ruckkehrentscheidung fordert, lasst sich der Richtlinie\n2008/115/EG nicht entnehmen. Vielmehr lasst sich aus dem Wortlaut des Art. 6\nAbs. 1 RL 2008/115/EG, wonach „die Mitgliedstaaten gegen alle illegal in ihrem\nHoheitsgebiet aufhaltigen Drittstaatsangehorigen **eine**\nRuckkehrentscheidung" (Hervorhebung durch das Gericht) erlassen, schließen,\ndass der EU-Gesetzgeber davon ausging, dass gegen jeden illegal aufhaltigen\nDrittstaatsangehorigen nur eine einzige Ruckkehrentscheidung ergeht. Zudem\nverlangt die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2008/115/EG, dass ein nach\ndieser Richtlinie eingeleitetes Verfahren, in dessen Rahmen eine\nRuckkehrentscheidung ergangen ist, in dem Stadium, in dem es wegen der\nStellung eines (weiteren) Antrags auf internationalen Schutz unterbrochen\nwurde, wieder aufgenommen werden kann, sobald dieser Antrag erstinstanzlich\n(Anmerkung des Gerichts: durch die zustandige Behorde) abgelehnt wurde.\nAnderenfalls ware die Erreichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels,\ndas darin besteht, eine wirksame Ruckkehr- und Ruckubernahmepolitik fur\nillegal aufhaltige Drittstaatsangehorige zu schaffen, beeintrachtigt.\n\n41\n\nVgl. EuGH, Urteil vom 15. Februar 2016 - C-601/15 PPU (J.N.) -, NVwZ 2016,\n1789, Rn. 75.\n\n42\n\nDies gilt auch, wenn die Ruckkehrentscheidung - wie hier - im Rahmen eines\nvorhergehenden Asylverfahrens ergangen ist.\n\n43\n\nVgl. EuGH, Urteil vom 15. Februar 2016 - C-601/15 PPU (J.N.) -, NVwZ 2016,\n1789, Rn. 21 bis 26, aus denen sich ergibt, dass die Ruckkehrentscheidung in\ndiesem Fall ebenfalls im Rahmen eines vorhergehenden Asylverfahrens ergangen\nist; a.A. wohl Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, § 71 Rn. 315.2 (Stand: Marz 2019).\n\n44\n\n(bb) Die mit Bescheid vom 30. Marz 2016 verfugte Abschiebungsandrohung hat\nsich zwischenzeitlich nicht aufgrund der Erteilung eines Aufenthaltstitels (§\n4 Abs. 1 AufenthG)\n\n45\n\n\\- vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 1999 - 9 C 12.99 -, BVerwGE 109, 305\n(juris Rn. 21) -\n\n46\n\ngemaß § 43 Abs. 2 Var. 5 VwVfG auf andere Weise erledigt; Anhaltspunkte dafur,\ndass dem Antragsteller zwischenzeitlich ein Aufenthaltstitel erteilt wurde,\nsind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Die Stellung eines\nasylrechtlichen Folgeantrags steht der Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht\ngleich. Dies folgt schon aus § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG, wonach bei Ablehnung\neines Folgeantrags als unzulassig vom erneuten Erlass einer\nAbschiebungsandrohung abgesehen werden kann. Dieser Regelung kame kein\neigenstandiger Anwendungsbereich zu, wenn sich die im Asylerstverfahren\nergangene Abschiebungsandrohung aufgrund der Stellung eines Folgeantrags\nerledigen wurde.\n\n47\n\nVgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 59 Rn. 231 (Stand: Dezember 2016)\n\n48\n\n(c) Dass ein Asylsuchender im Falle der Ablehnung seines Folgeantrags als\nunzulassig bereits vor dem rechtskraftigen Abschluss eines von ihm gegen diese\nEntscheidung eingeleiteten Klageverfahrens abgeschoben werden darf, steht mit\nUnionsrecht in Einklang. Einschlagig ist hier allein die Richtlinie 2013/32/EU\n[(aa)]; die Richtlinie 2008/115/EG findet hier, da der angefochtene Bescheid\nin Einklang mit dem Unionsrecht keine weitere Ruckkehrentscheidung enthalt,\nkeine Anwendung [(bb)].\n\n49\n\n(aa) Die Abschiebung eines Asylsuchenden, dessen Folgeantrag als unzulassig\nabgelehnt wurde, vor dem rechtskraftigen Abschluss eines von ihm gegen diese\nEntscheidung eingeleiteten Klageverfahrens verstoßt nicht gegen die Richtlinie\n2013/32/EU.\n\n50\n\n(aaa) Wird ein Folgeantrag gestutzt auf §§ 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 1, 71 Abs. 1\nAsylG und in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 lit. d) und Art. 40 Abs. 2 RL\n2013/32/EU als unzulassig abgelehnt, gestattet Art. 46 Abs. 6 lit. b) RL\n2013/32/EU es den Mitgliedstaaten, den Aufenthalt dieses Asylsuchenden auf\nihrem Hoheitsgebiet bereits vor der Entscheidung uber seinen Rechtsbehelf\n(Anmerkung des Gerichts: Klage) gegen diese Entscheidung zu beenden.\n\n51\n\nVoraussetzung dafur ist, dass dies - wie nach deutschem Recht gemaß §§ 75 Abs.\n1, 38 Abs. 1 AsylG - im Recht des betroffenen Mitgliedstaats ausdrucklich\nvorgesehen ist und der Asylsuchende vor einem Gericht beantragen kann, dass\nihm der Aufenthalt im Hoheitsgebiet bis zur Entscheidung uber seinen\nRechtsbehelf (Anmerkung des Gerichts: Klage) zu gestatten ist. Letztere\nVoraussetzung ist hier ebenfalls erfullt, da der Antragsteller die\nEntscheidung des Bundesamts, seinen Folgeantrag ohne erneuten Erlass einer\nAbschiebungsandrohung als unzulassig abzulehnen, gemaß § 123 Abs. 1 VwGO in\neinem gerichtlichen Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung\nuberprufen lassen kann und er im Falle des Erlasses der beantragten Anordnung\nbis zum rechtskraftigen Abschluss des Klageverfahrens in Deutschland\nverbleiben darf.\n\n52\n\nAllerdings verlangt Art. 46 Abs. 8 RL 2013/32/EU, dass die Mitgliedstaaten dem\nAntragsteller bis zur Entscheidung im Verfahren gemaß Art. 46 Abs. 6 RL\n2013/32/EU (Anmerkung des Gerichts: Verfahren auf Erlass einer einstweiligen\nAnordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO) gestatten, in ihrem Hoheitsgebiet zu\nverbleiben. Von dieser Vorgabe kann im vorliegenden Fall schon deshalb nicht\ngemaß Art. 41 Abs. 2 lit. c) RL 2013/32/EU abgewichen werden, weil hier weder\ndie Voraussetzungen des Art. 41 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a) noch die des Art.\n41 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b) RL 2013/32/EU vorliegen. Im Übrigen ist auch\nnicht ersichtlich, dass Art. 41 RL 2013/32/EU in nationales Recht umgesetzt\nwurde.\n\n53\n\nSo auch Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, § 71 Rn. 154.1 a.E. (Stand: Marz 2019)\n\n54\n\nDas durch Art. 46 Abs. 8 RL EU 2013/32/EU gewahrte beschrankte\n\n55\n\n\\- vgl. EuGH, Beschluss vom 5. Juli 2018 - C-269/18 PPU (C und J, S) -, juris\nRn. 53 („kein volles Bleiberecht") -\n\n56\n\nBleiberecht, steht dem Asylsuchenden nicht nur fur die Dauer des Verfahrens\nnach § 123 Abs. 1 VwGO zu. Vielmehr ist ihm auch eine angemessene Frist fur\ndie Stellung eines solchen Antrags einzuraumen. Aus Art. 46 Abs. 8 RL\n2013/32/EU sowie Art. 18, 19 Abs. 2 und 47 der Charta der Grundrechte der\nEuropaischen Union (GrCh) folgt namlich, dass dem Asylsuchenden gegen die\nAblehnung seines Folgeantrags als unzulassig ein wirksamer Rechtsbehelf zur\nVerfugung stehen muss. Dieser Rechtsbehelf muss gewahrleisten, dass die\nWirkungen der Ruckkehrentscheidung (hier: der Abschiebungsandrohung im\nBescheid vom 30. Marz 2016) fur die Dauer des beschrankten Bleiberechts und\ndamit wahrend der Frist fur die Einlegung des Rechtsbehelfs und, falls er\neingelegt wird, bis zur Entscheidung uber ihn, ausgesetzt werden.\n\n57\n\nVgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 (Gnandi) -, NVwZ 2018, 1625,\nRn. 61, fur einen als „einfach" unbegrundet abgelehnten Asylerstantrag, sowie\nBeschluss vom 5. Juli 2018- C-269/18 PPU (C und J, S) -, juris Rn. 50, fur\neinen als offensichtlich unbegrundet abgelehnten Asylerstantrag.\n\n58\n\nDiese Grundsatze gelten auch dann, wenn das Bundesamt wie im vorliegenden Fall\nund anders als in den vom Gerichtshof der Europaischen Union bisher\nentschiedenen Fallen in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht [s.o. (b)] vom\nErlass einer erneuten Abschiebungsandrohung absieht. Art. 18, 19 Abs. 2 und\nArt 47 GrCh gelten unabhangig vom Erlass einer (weiteren) Ruckkehrentscheidung\nfur samtliche Entscheidungen, die eine Aufenthaltsbeendigung eines\nAsylsuchenden (erneut) erlauben. Dies ist hier die Ablehnung des Folgeantrags\nals unzulassig, mit der das aus Art. 9 Abs. 1 RL 2013/32/EU folgende Recht des\nAntragstellers, sich fur die Dauer des Folgeverfahrens in Deutschland\naufzuhalten\n\n59\n\n\\- vgl. EuGH, Urteil vom 15. Februar 2016 - C-601/15 PPU (J.N.) -, NVwZ 2016,\n1789, Rn. 74; Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, § 71 Rn. 154.1 (Stand: Marz 2019) -,\n\n60\n\nbeendet wird.\n\n61\n\nZur Klarstellung sei darauf verwiesen, dass das Recht auf einen wirksamen\nRechtsbehelf sich in Verfahren, in denen ein Folgeantrag ohne erneuten Erlass\neiner Abschiebungsandrohung als unzulassig abgelehnt wird, ebenso wie bei der\nAblehnung eines Asylerstantrags als offensichtlich unbegrundet\n\n62\n\n\\- vgl. VG Minden, Beschluss vom 26. Marz 2019 - 10 L 1297/18.A -, juris Rn.\n28 ff. -\n\n63\n\noder der Ablehnung eines Zweitantrags (§ 71a AsylG)\n\n64\n\n\\- vgl. VG Minden, Beschluss vom 7. Juni 2019 - 10 L 8/19.A -, Abdruck S. 7\nunter Bezugnahme auf den vorstehend zitierten Beschluss vom 26. Marz 2019 - 10\nL 1297/18.A -, juris -\n\n65\n\nnicht auf die Klage, sondern allein auf den Eilantrag bezieht. Dies folgt\ndaraus, dass Art. 46 Abs. 6 lit. a) (fur die Ablehnung als offensichtlich\nunbegrundet) und b) (fur Folge- und Zweitantrage) RL 2013/32/EU das aus Art.\n46 Abs. 5 RL 2013/32/EU folgende Bleiberecht fur die Dauer des gerichtlichen\n(Klage-) Verfahrens - wie bereits dargelegt - einschranken, indem sie den\nMitgliedstaaten gestatten, den Aufenthalt von Asylsuchenden auf ihrem\nHoheitsgebiet bereits vor der Entscheidung uber ihren Rechtsbehelf (= Klage)\nzu beenden und das beschrankte Bleiberecht aus Art. 46 Abs. 8 RL 2013/32/EU\nauf die Dauer des Verfahrens gemaß Art. 46 Abs. 6 RL 2013/32/EU und damit auf\ndie Dauer des Verfahrens auf Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes zu\nbeschranken.\n\n66\n\n(bbb) Den vorstehend dargelegten unionsrechtlichen Vorgaben ist durch eine\nerweiternde Auslegung der §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG sowie eine\nanaloge Anwendung dieser Bestimmungen auf Antrage nach § 123 Abs. 1 VwGO\nRechnung zu tragen. Wie bereits dargelegt bestimmen §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3\nSatz 8 AsylG, dass die Abschiebung eines Asylsuchenden bei rechtzeitiger\nStellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach §§ 36\nAbs. 3 AsylG, 80 Abs. 5 VwGO bis zur gerichtlichen Entscheidung uber diesen\nAntrag unzulassig ist. Diese Normen sind unionsrechtskonform erweiternd\ndahingehend auszulegen, dass sie auch fur den Zeitraum zwischen der\nablehnenden Entscheidung des Bundesamts und dem Ablauf der Antragsfrist gemaß\n§ 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten, um zu verhindern, dass ein Asylsuchender,\ndessen Asylantrag abgelehnt wird und dessen Klage keine aufschiebende Wirkung\nzukommt, entgegen den unionsrechtlichen Vorgaben vor Stellung eines Antrags\nnach §§ 36 Abs. 3 AsylG, 80 VwGO abgeschoben werden kann.\n\n67\n\nVgl. VG Minden, Beschluss vom 26. Marz 2019 - 10 L 1297/18.A -, juris Rn. 52.\n\n68\n\nDa die vorstehend dargelegten unionsrechtlichen Vorgaben unabhangig davon\ngelten, ob einstweiliger Rechtschutz nach §§ 36 Abs. 3 AsylG, 80 Abs. 5 VwGO\noder nach § 123 Abs. 1 VwGO zu gewahren ist, sind §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 Satz\n8 AsylG, die nach ihrem Wortlaut nur fur Antrage nach §§ 36 Abs. 3 AsylG, 80\nAbs. 5 Satz 1 VwGO und nicht fur Antrage nach § 123 Abs. 1 VwGO gelten, auf\nletztere analog anzuwenden, um die Einhaltung der unionsrechtlichen Vorgaben,\nnamentlich des aus Art. 46 Abs. 8 RL 2013/32/EU folgenden beschrankten\nBleiberechts zu gewahrleisten.\n\n69\n\nDass fur Antrage nach § 123 Abs. 1 VwGO anders als fur Antrage nach §§ 36 Abs.\n3 AsylG, 80 Abs. 5 VwGO keine Antragsfrist gilt, steht einer analogen\nAnwendung der §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG auf derartige Antrage nicht\nentgegen. Mangels einer Antragsfrist ist die Einhaltung der unionsrechtlichen\nVorgaben zur verfahrensrechtlichen Absicherung des aus Art. 46 Abs. 8 RL\n3013/32/EU folgenden beschrankten Bleiberechts dadurch zu gewahrleisten, dass\ndas Bundesamt der fur die Abschiebung des Asylsuchenden zustandigen\nAuslanderbehorde erst nach Ablauf einer angemessenen Frist gemaß § 71 Abs. 5\nSatz 2 AsylG mitteilt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG\nnicht vorliegen.\n\n70\n\nVgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 12. Juni 2003 - 4 K 11624/03 -, InfAuslR\n2003, 359 (juris Rn. 5), Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, § 71 Rn. 152 (Stand: Marz\n2019), die dieses Ergebnis aus Art. 16a Abs. 1 und 19 Abs. 4 GG herleiten.\n\n71\n\nDiese Frist ist in Anlehnung an die in § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG bestimmte\nFrist fur die Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung\nmit einer Woche zu bemessen.\n\n72\n\nDem steht nicht entgegen, dass die Klagefrist in den hier\nstreitgegenstandlichen Fallen, in denen das Bundesamt bei Ablehnung eines\nFolgeantrags als unzulassig nicht erneut eine Abschiebungsandrohung erlasst,\ngemaß § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG mangels Vorliegens der Voraussetzungen des\n§ 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylG zwei Wochen betragt. Anders als einem Antrag nach\n§§ 36 Abs. 3 AsylG, 80 Abs. 5 VwGO bleibt einem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO\ngemaß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht schon deshalb der Erfolg versagt, weil\nnicht gleichzeitig mit diesem Antrag Klage erhoben wird.\n\n73\n\nIn diesem Zusammenhang ergeht folgender Hinweis: Stellt ein Asylsuchender wie\nim vorliegenden Fall der Antragsteller nach Ablauf der Wochenfrist noch einen\nAntrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, hat das Bundesamt dies der Auslanderbehorde\nmitzuteilen, um sicherzustellen, dass dieser nicht entgegen §§ 71 Abs. 4, 36\nAbs. 3 Satz 8 AsylG analog wahrend des anhangigen Verfahrens auf Gewahrung\nvorlaufigen Rechtsschutzes abgeschoben wird. Bei der vorstehend statuierten\nWochenfrist, handelt es sich nicht um eine Antragsfrist, nach deren Ablauf der\nAntrag nach § 123 Abs.1 VwGO unzulassig ist, sondern um eine Stillhaltefrist\nzur Ermoglichung effektiven Rechtsschutzes. Diese Ungleichbehandlung von gegen\ndie Ablehnung von Folgeantragen gerichteten Antragen nach § 80 Abs. 5 VwGO\n(bei erneutem Erlass einer Abschiebungsandrohung) und solchen nach § 123 Abs.\n1 VwGO (ohne erneuten Erlass einer Abschiebungsandrohung) kann, da nicht\nersichtlich ist, dass sie gegen Unionsrecht verstoßt, nur der Gesetzgeber\nkorrigieren.\n\n74\n\n(bb) Die Richtlinie 2008/115/EG findet bei Ablehnung eines Folgeantrags als\nunzulassig ohne (erneuten) Erlass einer Abschiebungsandrohung keine Anwendung.\nErlasst das Bundesamt keine Abschiebungsandrohung, enthalt der zu uberprufende\nBescheid keine Ruckkehrentscheidung und fehlt es fur die Anwendbarkeit der\nRichtlinie 2008/115/EG außer hinsichtlich der Frage, ob eine derartige\nVorgehensweise zulassig ist [s.o. (b) (aa)], an einem Anknupfungspunkt. Ein\nVerlust an Rechtsschutz ist mit der Unanwendbarkeit der Richtlinie 2008/115/EG\nnicht verbunden; Art. 18, 19 Abs. 2 und Art 47 GrCh gelten - wie bereits unter\naa) aaa) dargelegt - unabhangig vom Erlass einer Ruckkehrentscheidung fur\nsamtliche Entscheidungen, die eine Aufenthaltsbeendigung eines Asylsuchenden\n(erneut) erlauben.\n\n75\n\nbb. Die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens auf\nErlass einer einstweiligen Anordnung halt einer Überprufung am Maßstab des\nUnionsrechts ebenfalls stand.\n\n76\n\n(1) Die rechtlichen Vorgaben zur Prufungsdichte im Verfahren auf Erlass einer\neinstweiligen Anordnung verstoßen nicht gegen Unionsrecht. Insbesondere ist in\ndiesen Verfahren eine hinreichende inhaltliche Prufung durch die\nVerwaltungsgerichte gewahrleistet.\n\n77\n\nVgl. VG Berlin, Beschluss vom 30. November 2018 - 31 L 682.18.A -, juris Rn.\n24; a.A. Hruschka, Asylmagazin 2018, 290, 293; Muller, in: Hofmann,\nAuslanderrecht, 2. Auflage 2016, § 36 AsylG Rn. 3.\n\n78\n\nDer Antragsteller kann im vorliegenden Verfahren samtliche Einwande\ntatsachlicher und rechtlicher Art gegen den angefochtenen Bescheid geltend\nmachen. Dies schließt auch Einwande ein, die auf nach Erlass des angefochtenen\nBescheids eingetretenen Umstanden beruhen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2\nAsylG). Zudem beschranken weder die Verwaltungsgerichtsordnung noch das\nAsylgesetz die Verwaltungsgerichte im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen\nAnordnung auf eine summarische Überprufung der Sach- und Rechtslage. Vielmehr\nist anerkannt, dass die Verwaltungsgerichte die Sach- und Rechtslage dann,\nwenn sie ihre Entscheidung - wie im vorliegenden Fall (s.u. cc. und dd.) - auf\ndie Erfolgsaussichten in der Hauptsache stutzen, nicht nur summarisch, sondern\nabschließend und umfassend prufen mussen, wenn - wie in asylrechtlichen\nVerfahren ublicherweise geltend gemacht - ohne Gewahrung vorlaufigen\nRechtsschutzes schwere und unzumutbare Beeintrachtigungen drohen, die durch\ndas Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen waren.\n\n79\n\nVgl. BVerfG, Beschlusse vom 20. November 2018 - 2 BvR 80/18 -, juris Rn. 8,\nsowie vom 25. Februar 2019 - 2 BvR 1193/18 -, juris Rn. 21; Hailbronner,\nAuslanderrecht, § 36 AsylG Rn. 43 (Stand: Marz 2015).\n\n80\n\n(2) Dass die Entscheidung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen\nAnordnung im schriftlichen Verfahren ergehen kann, steht ebenfalls mit\nUnionsrecht in Einklang.\n\n81\n\n(a) Weder aus der Richtlinie 2013/32/EU\n\n82\n\n\\- vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-348/16 -, juris Rn. 24 ff. -\n\n83\n\nnoch aus dem Anspruch auf rechtliches Gehor nach Art. 47 GrCh\n\n84\n\n\\- vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-348/16 -, juris Rn. 30 ff. -\n\n85\n\nergibt sich eine Verpflichtung, in Asylsachen im Verfahren auf Erlass einer\neinstweiligen Anordnung eine mundliche Verhandlung durchzufuhren. Dem Gericht\nmuss jedoch die Moglichkeit offen stehen, eine personliche Anhorung\nanzuordnen, wenn es eine solche fur erforderlich halt.\n\n86\n\nVgl. EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-348/16 -, juris Rn. 48 und 49.\n\n87\n\nDiese fur das asylrechtliche Klageverfahren entwickelten Grundsatze gelten fur\nasylrechtliche Verfahren auf Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes erst recht.\n\n88\n\nDie Durchfuhrung einer mundlichen Verhandlung ist im Verfahren auf Erlass\neiner einstweiligen Anordnung weder durch eine analoge Anwendung der §§ 71\nAbs. 4, 36 Abs. 8 AsylG noch gemaß § 101 Abs. 3 VwGO ausgeschlossen. §§ 71\nAbs. 4, 36 Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 2 AsylG stehen der Durchfuhrung einer\nmundlichen Verhandlung im Verfahren auf Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes\nnicht per se entgegen, sondern schließen nur aus, dass in einer in einem\nsolchen Verfahren anberaumten mundlichen Verhandlung zugleich uber die Klage\nverhandelt wird. § 101 Abs. 3 VwGO bestimmt lediglich, dass uber den Antrag\nauf Erlass einer einstweiligen Anordnung, uber den gemaß § 123 Abs. 4 VwGO\ndurch Beschluss entschieden wird, ohne Durchfuhrung einer mundlichen\nVerhandlung entschieden werden kann; die Durchfuhrung einer mundlichen\nVerhandlung steht mithin im Ermessen des Gerichts.\n\n89\n\nVgl. Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 101 Rn. 50; Schubel-\nPfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 101 Rn. 12.\n\n90\n\nGrunde, die im vorliegenden Fall die Durchfuhrung einer mundlichen Verhandlung\nverlangen, sind weder dargelegt noch anderweitig ersichtlich.\n\n91\n\n(b) Der Umstand, dass das Bundesamt Asylsuchende, deren Folgeantrag als\nunzulassig abgewiesen wird, in der Regel nicht gemaß § 25 AsylG personlich\nanhort, fuhrt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar hat der Gerichtshof der\nEuropaischen Union betont, dass das Gericht einen Rechtsbehelf gegen die\nAblehnung eines Asylantrags ohne (erneute) Anhorung des Asylsuchenden\nzuruckweisen kann, wenn die tatsachlichen Umstande keinen Zweifel an der\nRechtmaßigkeit der angefochtenen Entscheidung lassen, sofern der Asylsuchende\nim erstinstanzlichen Verfahren (Anmerkung des Gerichts: im\nVerwaltungsverfahren) angehort wurde und die Niederschrift dieser Anhorung dem\nGericht vorlag.\n\n92\n\nVgl. EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-348/16 -, juris Rn. 44 und 49.\n\n93\n\nJedoch erlauben Art. 42 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a) und b) Richtlinie\n2013/32/EU es den Mitgliedstaaten, fur die Zulassigkeitsprufung gemaß Art. 40\nRL 2013/32/EU bzw. §§ 71 Abs. 1 AsylG, 51 Abs. 1 VwVfG auf eine Anhorung\ni.S.d. § 25 AsylG zu verzichten und den Betroffenen die Verpflichtung zum\nTatsachenvortrag und zur Vorlage von Beweismitteln aufzuerlegen. Von dieser\nunionsrechtlichen Ermachtigung hat der deutsche Gesetzgeber Gebrauch gemacht\n(§ 71 Abs. 3 Satz 3 AsylG). Ist eine Anhorung gemaß § 25 AsylG schon im\nVerwaltungsverfahren nicht zwingend erforderlich, kann das Absehen hiervon\ndurch das Bundesamt keine Verpflichtung zur Durchfuhrung einer Anhorung im\ngerichtlichen (Eil-) Verfahren nach sich ziehen.\n\n94\n\n(3) Die Ausgestaltung der Rechtsberatung und -vertretung im gerichtlichen\nVerfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung genugt ebenfalls den\nunionsrechtlichen Vorgaben.\n\n95\n\nA.A. Hruschka, Asylmagazin 2018, 290, 293.\n\n96\n\nGemaß Art. 20 Abs. 1 Satz 1 RL 2013/32/EU stellen die Mitgliedstaaten sicher,\ndass in Rechtsbehelfsverfahren gemaß Kapitel V dieser Richtlinie auf Antrag\nunentgelt-liche Rechtsberatung und -vertretung in dem in Art. 20 Abs. 1 Satz 2\nRL 2013/32/EU bestimmten Umfang gewahrt wird. Die unentgeltliche\nRechtsberatung und -vertretung kann jedoch gemaß Art. 20 Abs. 3 RL 2013/32/EU\ndavon abhangig gemacht werden, dass der Rechtsbehelf konkrete Aussicht auf\nErfolg hat. Dem entsprechen §§ 166 VwGO, 114 ff. ZPO, wonach\nProzesskostenhilfe nur dann zu gewahren ist, wenn die Rechtsverfolgung\nhinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daruber hinaus bleibt es\nAsylsuchenden auch nach nationalem Recht unbenommen, sich entsprechend den\nVorgaben des Art. 22 Abs. 1 RL 2013/32/EU auf eigene Kosten rechtsanwaltlich\nberaten zu lassen.\n\n97\n\n(4) Entgegen der Auffassung von Hruschka\n\n98\n\n\\- vgl. Asylmagazin 2018, 290, 293 -\n\n99\n\ngebietet das Unionsrecht nicht, Asylsuchenden fur die Durchfuhrung eines\ngerichtlichen Verfahrens unentgeltlich Übersetzungsdienstleistungen zur\nVerfugung zu stellen. Art. 46 Abs. 7 lit. a) RL 2013/32/EU, wonach dem\nAntragsteller die erforderliche Verdolmetschung zur Verfugung zu stellen ist,\ngilt ausweislich der Bezugnahme auf Art. 43 RL 2013/32/EU nur fur die\nDurchfuhrung von Asylverfahren an der Grenze oder in Transitzonen. Nicht\nanders auszuraumenden Verstandigungsschwierigkeiten zwischen Asylsuchendem und\nRechtsbeistand ist ggf. dadurch Rechnung zu tragen, dass eine mundliche\nVerhandlung oder ein Erorterungstermin mit einem Dolmetscher anberaumt wird.\nEinen entsprechenden Antrag hat der Antragsteller nicht gestellt.\n\n100\n\n(5) Der Ausschluss der Beschwerde gegen erstinstanzliche Entscheidungen in\nVerfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist\naus Sicht des Unionsrechts ebenfalls nicht zu beanstanden. Weder Art. 46 Abs.\n3 RL 2013/32/EU noch Art. 47 GrCh und auch nicht die Grundsatze der Äquivalenz\nund Effektivitat gebieten den Mitgliedstaaten, ein Rechtsmittel gegen eine\nerstinstanzliche gerichtliche Entscheidung in Asylsachen vorzusehen.\n\n101\n\nVgl. EuGH, Urteil vom 26. September 2018 - C-180/17 (X und Y/Staatssecretaris\nvan Veiligheid en Justitie) -, juris Rn. 23 ff., 30 ff. und 34 ff.; VGH Baden-\nWurttemberg, Beschluss vom 18. Dezember 2018 - 11 S 2125/18 -, juris Rn. 28.\n\n102\n\n(6) Schließlich verstoßt auch die Aufspaltung des gerichtlichen Rechtsschutzes\nin ein Verfahren zur Überprufung der Ruckkehrentscheidung gegen die\nBundesrepublik Deutschland und ein Verfahren zur Überprufung der Vollstreckung\nder Ruckkehrentscheidung gegen den Rechtstrager der die Abschiebung\ndurchfuhrenden (Auslan-der-) Behorde nicht gegen Unionsrecht. Diese\nAufspaltung erschwert den Rechtsschutz nicht in unzumutbarer Weise.\nInsbesondere wird den Betroffenen inhaltlicher Vortrag durch die Aufspaltung\ndes Rechtsschutzes nicht abgeschnitten; veranderte Umstande nach Abschluss des\nVerfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung konnen sie gegebenenfalls\nin einem Abanderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO geltend machen\n\n103\n\n\\- vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 18. Dezember 2018 - 11 S 2125/18\n-, juris Rn. 11 f. und 25 ff. -;\n\n104\n\ndiese Norm findet auf Beschlusse uber den Erlass einer einstweiligen Anordnung\nentsprechend Anwendung.\n\n105\n\nVgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 123 Rn. 77 ff.; Puttler,\nin: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 123 Rn. 129 f.\n\n106\n\ncc. Die Antragsgegnerin hat den Folgeantrag des Antragstellers zur Recht als\nunzulassig abgelehnt.\n\n107\n\n(1) Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG liegen nicht vor. Der\nAntragsteller hat mit seinem Folgeantrag lediglich vorgetragen, er sei Vater\neines Kindes mit deutscher Staatsburgerschaft, zudem sei seine deutsche\nLebensgefahrtin erneut schwanger. Dieser Vortrag knupft nicht ansatzweise an\ndie gesetzlichen Voraussetzungen fur die Anerkennung als Asylberechtigter, die\nZuerkennung der Fluchtlingseigenschaft sowie die Zuerkennung des subsidiaren\nSchutzstatus an. Angesichts dessen hat sich bezogen auf diese Anspruche weder\ndie Sach- oder Rechtslage nachtraglich i.S.d. §§ 71 Abs. 1 AsylG, 51 Abs. 1\nNr. 1 VwVfG zugunsten des Betroffenen geandert, noch liegen neue Beweismittel\ni.S.d. § 71 Abs. 1 AsylG, § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG oder Wiederaufnahmegrunde\ngemaß §§ 71 Abs. 1 AsylG, 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG, 580 ZPO vor.\n\n108\n\n(2) Entgegen der Auffassung des Antragstellers war das Bundesamt nicht\nverpflichtet, ihn vor der Entscheidung uber seinen Folgeantrag gemaß § 25\nAsylG anzuhoren.\n\n109\n\n§ 29 Abs. 2 Satz 2 AsylG sieht vor, dass das Bundesamt dem Auslander\nGelegenheit gibt, zu den Grunden fur die Stellung eines Folgeantrags Stellung\nzu nehmen. § 71 Abs. 3 Satz 1 AsylG bestimmt, dass der Auslander im\nFolgeantrag seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel anzugeben\nhat, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3\nVwVfG ergibt. Auf Verlangen hat der Auslander diese Angaben schriftlich zu\nmachen (§ 71 Abs. 3 Satz 2 AsylG); von einer Anhorung kann abgesehen werden (§\n71 Abs. 3 Satz 3 AsylG). Es liegt danach im Ermessen des Bundesamtes, ob es im\nkonkreten Einzelfall die Anhorung des Asylsuchenden gemaß § 25 AsylG fur\nnotwendig erachtet.\n\n110\n\nVgl. Dickten, BeckOK Auslanderrecht, Stand: August 2019, § 71 AsylG Rn. 11.\n\n111\n\nDiese Regelungen stehen - wie bereits unter bb. (2) (b) dargelegt - mit\nUnionsrecht in Einklang: Art. 42 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a) und b) Richtlinie\n2013/32/EU erlauben es den Mitgliedstaaten, fur die Zulassigkeitsprufung gemaß\nArt. 40 RL 2013/32/EU bzw. §§ 71 Abs. 1 AsylG, 51 Abs. 1 VwVfG auf eine\nAnhorung i.S.d. § 25 AsylG zu verzichten und den Betroffenen die Verpflichtung\nzum Tatsachenvortrag und zur Vorlage von Beweismitteln aufzuerlegen.\n\n112\n\nDanach hat das Bundesamt zu Recht von einer Anhorung des Antragstellers gemaß\n§ 25 AsylG abgesehen. Grunde, die angesichts des rechtlich fur die\nEntscheidung uber die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der\nFluchtlingseigenschaft sowie die Zuerkennung des subsidiaren Schutzstatus\nnicht erheblichen Sachvortrags des Antragstellers im Folgeverfahren fur die\nDurchfuhrung einer Anhorung gemaß § 25 AsylG sprechen, sind weder vorgetragen\nnoch anderweitig ersichtlich. Angesichts dessen durfte das Bundesamt den\nAntragsteller auffordern, die Grunde fur seinen Folgeantrag schriftlich\ndarzulegen. Dieser Aufforderung ist der Antragsteller am 1. Februar 2019\nnachgekommen (Bl. 11 Beiakte I).\n\n113\n\ndd. Den mit seinem Folgeantrag verbundenen Antrag des Antragstellers, den\nBescheid vom 30. Marz 2016 bezuglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs.\n7 AufenthG abzuandern, hat das Bundesamt ebenfalls zu Recht abgelehnt. Es ist\nnicht ersichtlich, dass dem Antragsteller in Ghana landesweit\n\n114\n\n\\- vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Marz 2012 - 1 C 3.11 -, BVerwGE 142, 179 (juris\nRn. 34), sowie Beschluss vom 15. September 2006 - 1 B 116.06 -, juris Rn. 4 -\n\n115\n\nEingriffe in die durch die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und\nGrundfreiheiten vom 4. November 1950 in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.\nOktober 2010 (BGBl. II S. 1198) geschutzten Rechte oder eine erhebliche\nkonkrete Gefahr fur Leib, Leben oder Freiheit i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1\nAufenthG drohen. Dabei unterstellt das Gericht, dass der Antragsteller allein\nnach Ghana zuruckkehren wird. Zwar lebt der Antragsteller derzeit mit seiner\nLebensgefahrtin und seinen minderjahrigen Kindern in einer familiaren Lebens-\nund Erziehungsgemeinschaft. Jedoch sind seine Lebensgefahrtin (Bl. 40 Beiakte\nI) und damit auch seine Kinder deutsche Staatsangehorige, so dass bei der\ngebotenen realitatsnahen Betrachtung der Ruckkehrsituation des Antragstellers\n\n116\n\n\\- vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 45.18 -, Asylmagazin 2019, 311,\nRn. 16 ff. -\n\n117\n\ndavon auszugehen ist, dass dieser im Falle seiner Abschiebung allein nach\nGhana zuruckkehren wird.\n\n118\n\n(1) Insbesondere hat das Gericht keine Zweifel daran, dass der Antragsteller\nbei einer Ruckkehr nach Ghana in der Lage sein wird, seine Existenz zu\nsichern. Erforderlich und ausreichend ist insoweit, dass er durch eigene,\nnotfalls auch wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende\nArbeit, die grundsatzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter\nSeite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem\nLebensunterhalt Notwendige erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten\ngehoren auch Tatigkeiten, die nicht uberkommenen Berufsbildern entsprechen,\netwa weil sie keinerlei besondere Fahigkeiten erfordern, und die nur\nzeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der\nLandwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeubt werden konnen.\n\n119\n\nVgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2007 - 1 C 24.06 -, NVwZ 2007, 590 (juris\nRn. 11); OVG NRW, Urteil vom 17. November 2008 - 11 A 4395/04.A -, juris Rn.\n47.\n\n120\n\nEs ist nicht feststellbar, dass der junge und gesunde Antragsteller, der nach\neigenen Angaben vor seiner Ausreise in Ghana auf dem Gebiet der traditionellen\nHeilkunde gearbeitet hat, eine diesen Anforderungen genugende (legale)\nMoglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, nicht vorfinden bzw. nicht\nnutzen konnen wird.\n\n121\n\nDaruber hinaus hat der Antragsteller es in der Hand, durch eine freiwillige\nRuckkehr nach Ghana eine Starthilfe von 1.000,00 € zu erlangen.\n\n122\n\nVgl. Informationsblatt REAG/GARP-Programm 2019, Projekt „Bundesweite\nfinanzielle Unterstutzung freiwilliger Ruckkehrer/Innen", Stand: Januar 2019,\nhttps://www. returningfromgermany.de/de/programmes/reag-garp#downloadloads\n(abgerufen am 21. Marz 2019).\n\n123\n\nDies entspricht etwa drei Viertel eines Jahresdurchschnittseinkommens in\nGhana.\n\n124\n\nVgl.https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/LaenderRegionen/Internationales/Thema/Tabellen/Basistabelle_BNE.html\n(abgerufen am 21. Marz 2019), wonach das Bruttonationaleinkommen in Ghana im\nJahr 2017 1.490,- US $, also ungefahr 1.300,‑ € betrug.\n\n125\n\n(2) Soweit sich der Antragsteller dagegen wendet, dass ihm im Falle seiner\nAbschiebung nach Ghana eine raumliche Trennung von seinen Kindern und seiner\nLebensgefahrtin droht, macht er kein zielstaatsbezogenes, sondern ein\ninlandsbezogenes Abschiebungshindernis geltend, das im Rahmen der Prufung, ob\nAbschiebungsverbote gemaß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen, nicht zu\nbeachten ist. Vielmehr sind inlandsbezogene Abschiebungshindernisse von der\nfur die Durchfuhrung der Abschiebung zustandigen Auslanderbehorde zu prufen.\n\n126\n\nVgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 1999 - 9 C 12.99 -, BVerwGE 109, 305\n(juris Rn. 14 ff.), sowie Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 10 B 39.12 -, juris\nRn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2018 - 13 A 1529/18.A -, juris Rn. 8\nff.\n\n127\n\nee. Dem Hauptantrag ist auch nicht deswegen stattzugeben, weil das Bundesamt\ngegen ihm nach der Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs obliegende\nInformationspflichten verstoßen hat.\n\n128\n\n(1) Nach den Ausfuhrungen des Gerichtshofs der Europaischen Union im Urteil\nvom 19. Juni 2018 obliegen dem Bundesamt Informationspflichten, wenn es die\nRuckkehrentscheidung mit der Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz\nverbindet. Danach sind die betroffenen Personen uber die Aussetzung aller\nWirkungen der Ruckkehrentscheidung bis zum Ablauf der Frist fur die Einlegung\ndes Rechtsbehelfs bzw. bei fristgerechter Einlegung bis zur Entscheidung uber\ndiesen und die hieraus resultierenden Folgen (keine Abschiebung, keine\nVerlassenspflicht, kein Anlauf der Ausreisefrist, keine Abschiebungshaft,\nFortgeltung der Rechte nach der Richtlinie 2013/33/EU, Zulassigkeit des\nVorbringens neuer Umstande im gerichtlichen Verfahren) zu informieren.\n\n129\n\nVgl. EuGH Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 (Gnandi) -, NVwZ 2018, 1625, Rn.\n65; Wittkopp, ZAR 2018, 325, 329.\n\n130\n\nDieser Informationspflicht ist das Bundesamt weder vor Erlass des Bescheids\nvom 30. Marz 2016 noch vor Erlass des Bescheids vom 20. Februar 2019\nnachgekommen. Den vom Bundesamt ubersandten Verwaltungsvorgangen lasst sich\nkein Hinweis darauf entnehmen, dass das Bundesamt den Antragsteller\nentsprechend informiert hat.\n\n131\n\n(2) Dieser Verstoß fuhrt jedoch unabhangig davon, ob diese Pflicht das\nBundesamt nur vor Erlass des Bescheids vom 30. Marz 2016 oder - ungeachtet\ndessen, dass der Bescheid vom 20. Februar 2019 keine Ruckkehrentscheidung\nenthalt - auch vor Erlass dieses Bescheids traf, nicht zur Stattgabe des\nHauptantrags. Ein Verstoß gegen unionsrechtliche Informationspflichten fuhrt\nnur dann zur Rechtswidrigkeit und Aufhebung einer Verwaltungsentscheidung,\nwenn aufgrund der speziellen tatsachlichen und rechtlichen Umstande des\nkonkreten Falls feststeht, dass der Verfahrensfehler demjenigen, der sich auf\nihn beruft, tatsachlich die Moglichkeit genommen hat, sich in solchem Maße\nbesser zu verteidigen, dass dieses Verwaltungsverfahren zu einem anderen\nErgebnis hatte fuhren konnen.\n\n132\n\nVgl. EuGH Urteil vom 10. September 2013 - C-383/13 PPU (M.G.) -, BayVBl. 2014,\n140, Rn. 39 bis 44 zur Verletzung des rechtlichen Gehors vor der Verlangerung\nvon Abschiebungshaft.\n\n133\n\nDiese Voraussetzungen liegen hier nicht vor: Mit dem angefochtenen Bescheid\nhat das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulassig abgelehnt\nund eine Abanderung des Bescheids vom 30. Marz 2016 bezuglich der Feststellung\nzu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG abgelehnt. Es ist weder dargelegt noch\nanderweitig ersichtlich, dass und inwieweit der Verstoß des Bundesamts gegen\ndie ihm obliegenden Informationspflichten dem im Folgeverfahren\nrechtsanwaltlich vertretenen Antragsteller die Moglichkeit genommen hat,\nweitere Argumente gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulassig und\ndie Ablehnung der Abanderung des Bescheids vom 30. Marz 2016 bezuglich der\nFeststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorzubringen, die das\nBundesamt dazu veranlasst hatten, eine andere Entscheidung zu treffen. Dies\ngilt insbesondere auch bezuglich des Vorbringens von nachtraglich\neingetretenen Umstanden. Das Gericht ist davon uberzeugt, dass die\nBeachtlichkeit derartiger Umstande, die sich ohne weiteres aus § 77 Abs. 1\nAsylG ergibt, seinem Prozessbevollmachtigten bekannt ist.\n\n134\n\nSoweit das Bundesamt es unterlassen hat, den Antragsteller darauf hinzuweisen,\ndass er nicht abgeschoben werden darf, bevor uber seinen Antrag auf Gewahrung\nvorlaufigen Rechtsschutzes entschieden worden ist, ist darauf zu verweisen,\ndass weder das Bundesamt noch die fur die Durchfuhrung der Abschiebung des\nAntragstellers zustandige Auslanderbehorde bisher einen Versuch unternommen\nhaben, ihn abzuschieben. Der Verstoß gegen Informationspflichten in puncto\nInhaftierung und Fortgeltung der Rechte nach der Richtlinie 2013/33/EU kann\nsich schon deshalb nicht auf die Verteidigungsmoglichkeiten des Antragstellers\nim vorliegenden Verfahren ausgewirkt haben, weil das Bundesamt weder uber\nseine Inhaftierung noch uber die Fortgeltung derartiger Rechte entschieden\nhat.\n\n135\n\nEines Hinweises im Bescheid vom 20. Februar 2019 darauf, dass die\nAusreisefrist nach Erlass einer Entscheidung im vorliegenden Verfahren auf\nGewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes erneut zu laufen beginnt, bedurfte es\nnach Auffassung des Gerichts - wie nachstehend unter b. dargelegt - nicht. Im\nÜbrigen hat das Gericht einem ggf. drohenden Verstoß gegen Unionsrecht von\nAmts wegen durch den Erlass der aus dem Tenor ersichtlichen Anordnung Rechnung\ngetragen.\n\n136\n\nb. Der Hilfsantrag ist begrundet. Die Antragsgegnerin hat der fur die\nAbschiebung des Antragstellers zustandigen Auslanderbehorde mitzuteilen, dass\nder Antragsteller erst nach Ablauf einer Woche ab Bekanntgabe dieses\nBeschlusses abgeschoben werden darf. Zwar ist das Gericht der Auffassung, dass\nes bei Ablehnung eines Folgeantrags als unzulassig ohne erneuten Erlass einer\nAbschiebungsandrohung keiner erneuten Setzung einer Ausreisefrist bedarf\n(aa.). Jedoch ist diese Auffassung nicht unbestritten, so dass das Gericht zur\nVermeidung eines nicht sicher auszuschließenden Verstoßes gegen Unionsrecht\ndie aus dem Tenor ersichtliche Anordnung erlasst (bb.).\n\n137\n\naa. Lehnt das Bundesamt einen Folgeantrag als unzulassig ab, ohne erneut eine\nAbschiebungsandrohung zu erlassen, bedarf es auch keiner erneuten\nAusreisefrist (§ 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG). Dies steht mit Unionsrecht in\nEinklang: Gemaß Art. 7 Abs. 1 RL 2008/115/EG sieht eine Ruckkehrentscheidung\neine angemessene Frist zwischen sieben und 30 Tagen fur die freiwillige\nAusreise vor. Eine Norm, die den erneuten Erlass einer Ausreisefrist verlangt,\nwenn die Ruckkehrentscheidung wie im Falle der Stellung eines Folgeantrags\nzwischenzeitlich nicht vollzogen werden darf, lasst sich der Richtlinie\n2008/115/EG nicht entnehmen. In diesem Zusammenhang ist zudem zu\nberucksichtigten, dass dem Antragsteller mit Bescheid vom 30. Marz 2016 eine\nAusreisefrist gesetzt wurde, die dieser nicht wahrgenommen hat. Auch in Bezug\nauf die Ausreisefrist gilt - wie bereits unter aa. (2) (b) (aa) dargelegt -,\ndass ein nach der Richtlinie eingeleitetes Verfahren, in dessen Rahmen eine\nRuckkehrentscheidung ergangen ist, aus Grunden der praktischen Wirksamkeit der\nRichtlinie 2008/115/EG in dem Stadium, in dem es wegen der Stellung eines\nAntrags auf internationalen Schutz unterbrochen wurde, wieder aufgenommen\nwerden kann, sobald dieser Antrag erstinstanzlich abgelehnt wurde.\n\n138\n\nEtwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Verpflichtung zur Gewahrung\neffektiven Rechtsschutzes.\n\n139\n\nA.A. Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, § 71 Rn. 315.3 (Stand: Marz 2019).\n\n140\n\nInsoweit hat der Gerichtshof der Europaischen Union geurteilt, dass das Recht\nauf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf impliziert, dass wahrend der\nFrist fur die Einlegung des Rechtsbehelfs und, falls er eingelegt wird, bis\nzur Entscheidung uber ihn alle Rechtswirkungen der Ruckkehrentscheidung\nauszusetzen sind, insbesondere die in Art. 7 RL 2008/115/EU vorgesehene Frist\nfur die freiwillige Ausreise nicht zu laufen beginnen darf.\n\n141\n\nVgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 (Gnandi) -, NVwZ 2018, 1625,\nRn. 61 f., sowie Beschluss vom 5. Juli 2018 - C-269/18 PPU (C und J, S) -,\njuris Rn. 50.\n\n142\n\nIm Unterschied zu den vom Gerichtshof der Europaischen Union entschiedenen\nFallen lief im vorliegenden Fall aber keine Ausreisefrist, weil das Bundesamt\nin Übereinstimmung mit dem Unionsrecht keine Abschiebungsandrohung erlassen\nhat. Eine Norm, die den erneuten Erlass einer Ausreisefrist verlangt, wenn die\nRuckkehrentscheidung wie im Falle der Stellung eines Folgeantrags\nzwischenzeitlich nicht vollzogen werden darf, lasst sich der Richtlinie\n2008/115/EG - wie bereits dargelegt - nicht entnehmen.\n\n143\n\nbb. Trotz der vorstehenden Ausfuhrungen erlasst das Gericht zur Vermeidung\neines nicht sicher auszuschließenden Verstoßes gegen Unionsrecht die aus dem\nTenor ersichtliche Anordnung. Die Auffassung des Gerichts wird durch einen\nnamhaften Asylrechtsexperten bestritten. Jedenfalls derzeit liegt insoweit\nweder ein acte claire noch ein acte eclaire vor, so dass die angesprochene\nFrage der weiteren Klarung im Hauptsacheverfahren bedarf.\n\n144\n\nDasselbe gilt fur die ebenfalls durch den vorliegenden Fall aufgeworfene\nFrage, ob die im Bescheid vom 30. Marz 2016 verfugte Ausreisefrist angesichts\ndes Umstands, dass sie im April 2016 ablief, durch die Einlegung des\nFolgeantrags gemaß § 59 Abs. 1 Satz 6 AufenthG mit der Folge unterbrochen\nwerden konnte, dass sie nach der Ablehnung des Folgeantrags durch das\nBundesamt bzw. der Ablehnung seines Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO durch die\nvorliegende Entscheidung erneut zu laufen beginnt.\n\n145\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, 83b AsylG.\n\n146\n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).\n\n
324,390
olgmuen-2019-12-04-7-u-246418
277
Oberlandesgericht München
olgmuen
Bayern
Oberlandesgericht
7 U 2464/18
2019-12-04
2019-12-12 11:01:21
2020-12-10 13:30:02
Endurteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München I\nvom 15.6.2018 (Az.: 5 HK O 1197/17) im Kostenpunkt und in Ziffern I. und II.\ndes Tenors aufgehoben.\n\n2\\. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien mit Dienstvertrag vom\n30.9.2014 mit Wirkung zum 1.10.2014 begründete Vorstandsdienstverhältnis durch\ndie Kündigung der Beklagten vom 16.9.2016 nicht beendet worden ist, sondern\nüber den 16.9.2016 bis zum 30.9.2017 bestand.\n\n3\\. Die Widerklage wird insgesamt abgewiesen.\n\n4\\. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.\n\n5\\. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die\nVollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie\nvollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der\nVollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden\nBetrages leistet.\n\n6\\. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\nA.\n\nDie Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung eines\nVorstandsdienstverhältnisses.\n\nDer Kläger war zum Vorstandsmitglied der Beklagten bestellt.\nVorstandsvorsitzender war im streitgegenständlichen Zeitraum der benannte\nZeuge M. Am 30.9. 2014 schlossen der Kläger und die Beklagte, diese vertreten\ndurch ihren Aufsichtsrat, den als Anlage K 1 vorgelegten, bis 30.9.2017\nbefristeten Vorstandsdienstvertrag. Der Kläger war ferner Vorstandsmitglied\nder m. D. AG, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Beklagten. Auch\ndort war Vorstandsvorsitzender der benannte Zeuge M.\n\nMit Schreiben vom 16.9.2016 (Anlage K 4), dem Kläger zugegangen am selben Tag,\nkündigte der (damalige) Vorsitzende des Aufsichtsrats der Beklagten F. namens\ndes Aufsichtsrats unter Beilage eines diesbezüglichen Beschlusses des\nAufsichtsrats (Anlage K 5) das Dienstverhältnis zwischen den Parteien\nfristlos.\n\nMit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der\nKündigung.\n\nDer Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien mit\nDienstvertrag vom 30.9.2014 mit Wirkung zum 1.10.2014 begründete\nVorstandsdienstverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 16.9.2016\nnicht beendet worden ist, sondern über den 16.9.2016 bis zum 30.9.2017\nbestand.\n\nDie Beklagte hat Klagabweisung beantragt.\n\nMit ihrer Widerklage begehrte die Beklagte die Erstattung von Leasingraten für\nden nach dem Vortrag der Beklagten verspätet zurückgegebenen Dienstwagen des\nKlägers, die Rückzahlung erstatteter Reisekosten sowie die Feststellung der\nSchadensersatzpflicht des Klägers wegen Wettbewerbsverstößen.\n\nDie Beklagte hat widerklagend beantragt,\n\nI. Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von\n7.431,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz\nseit dem 15.9.2016 aus 571,64 €, seit dem 1.10.2016, 1.11.2016, 1.1.2017,\n1.2.2017, 1.3.2017 aus je 1.143,27 € zu zahlen.\n\nII. Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von\n436,73 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2016 zu zahlen.\n\nIII. Es wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten\njeglichen Schaden zu ersetzen, der dieser bereits daraus entstanden ist und\nnoch entstehen wird, dass der Kläger durch seine Tätigkeit für die C. AG,\nZürich, Schweiz das bestehende Wettbewerbsverbot verletzt hat, insbesondere\nindem er während des Bestehens seines Dienstverhältnisses zur Beklagten und\nseiner Organstellung als deren Vorstand Investoren für die C. AG geworben hat.\n\nDer Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt.\n\nDas Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Widerklage hat es in Antrag I.\n(Leasingraten für den Dienstwagen) stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen.\nAuf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug\ngenommen. Die Beklagte nimmt die Teilabweisung der Widerklage hin. Mit seiner\nBerufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren hinsichtlich der\nKlage und der Widerklage weiter, soweit ihm nicht entsprochen wurde.\n\nDer Kläger beantragt,\n\ndas Urteil des Landgerichts München I vom 15.6.2018, Az.: 5 HK O 1197/17,\naufzuheben und wie folgt abzuändern:\n\n1\\. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien mit Dienstvertrag vom\n30.9.2014 mit Wirkung zum 1.10.2014 begründete Vorstandsanstellungsverhältnis\ndurch die Kündigung der Beklagten vom 16.9.2016 nicht beendet worden ist und\nüber den 16.9.2016 hinaus bis zum 30.9.2017 bestand.\n\n2\\. Die Widerklage wird auch insoweit abgewiesen, als der Kläger zur Zahlung\neines Betrages von 7.431,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über\ndem Basiszinssatz seit dem 15.9.2016 aus 571.64 €, seit dem 1.10.2016,\n1.11.2016. 1.12.2016, 1.1.2017, 1.2.2017, 1.3.2017 aus je € 1.143,37 an die\nBeklagte verurteilt wurde.\n\nDie Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.\n\nB.\n\nAuf die Berufung des Klägers war die begehrte Feststellung zu treffen.\n\nDahin stehen können in diesem Zusammenhang die (aus der Sicht des Senats\nzutreffenden) Ausführungen des Landgerichts zu den Formalien der\nKündigungserklärung sowie die Frage der Einhaltung der Kündigungsfrist des §\n626 Abs. 2 BGB (bei der die Ausführungen des Landgerichts die Problematik\njedenfalls nicht erschöpfen würden). Denn jedenfalls fehlt es an einem\nKündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB.\n\nI. Nach der genannten Vorschrift kann ein befristetes Dienstverhältnis dann\ngekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die es unter Abwägung der\nInteressen beider Parteien dem Kündigenden unzumutbar machen, das\nDienstverhältnis bis zum Eintritt des Befristungstermins fortzusetzen. Dieser\nObersatz entspricht einem allgemeinen Rechtsgedanken, wie er etwa auch in den\n§§ 314, 543 BGB, 89 a HGB zum Ausdruck kommt. Die Unzumutbarkeit der\nFortsetzung des Dienstverhältnisses kann sich dabei insbesondere dann ergeben,\nwenn das wechselseitige Vertrauen zwischen den Parteien durch einen vom\nKündigungsempfänger zu verantwortenden Umstand so weit zerstört ist, dass eine\nvertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich erscheint.\n\nVor diesem Hintergrund teilt der Senat die Einschätzung des Landgerichts, dass\nin Fällen wie dem vorliegenden, wo Dienstverhältnisse zu einer\nMuttergesellschaft und einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft bestehen,\nPflichtverletzungen des Klägers gegenüber der einen Gesellschaft auch\nKündigungsgründe für das Dienstverhältnis gegenüber der anderen darstellen\nkönnen. Denn insoweit ist vorstellbar, dass das Vertrauen des zuständigen\nOrgans (hier des jeweiligen Aufsichtsrats) der einen Gesellschaft in den\nDienstnehmer auch durch Pflichtverletzungen gegenüber der anderen erschüttert\nwird, zumal Mutter- und Tochtergesellschaft über ihre jeweiligen\nVermögensinteressen (nicht nur rechtlich, sondern auch) wirtschaftlich\nverbunden sind.\n\nII. Vor diesem Hintergrund trägt der vom Landgericht herangezogene\nKündigungsgrund die außerordentliche Kündigung des Klägers nicht.\n\n1\\. Dem diesbezüglichen Vorwurf gegen den Kläger liegt folgender Sachverhalt\nzugrunde. Die Tochtergesellschaft der Beklagten, die m. D. AG, ist an der Di.\nAG, einer Gesellschaft Schweizer Rechts mit Sitz in der Schweiz beteiligt. Der\nKläger soll nach dem Vortrag der Beklagten als Vertreter der m. D. AG im\nVerwaltungsrat der Di. AG letztere zum Abschluss eines Kooperationsvertrages\nmit der I. AG veranlasst haben, und zwar mit der unzutreffenden Behauptung auf\neiner Verwaltungsratssitzung der Di. AG am 11.12.2015, eine Beteiligung der m.\nD. AG an der In. AG stehe unmittelbar bevor, weshalb eine Kooperation der Di.\nAG mit der In. AG für die Di. AG risikolos sei. Unstreitig wurde am 18.12.2015\nein Kooperationsvertrag zwischen der Di. AG und der In. AG (Anlage B 7)\ngeschlossen, welcher eine (unbesicherte) Vorschusszahlung der Di. AG an die\nIn. AG in Höhe von 100.000,- sfr vorsah, die am 21.12.2015 auch erfolgte.\nHierwegen seien letztlich durch die Äußerungen des Klägers die\nVermögensinteressen der Di. AG und damit auch diejenigen der m. D. AG, die an\nder Di. AG beteiligt ist, gefährdet worden.\n\nTatsächlich stand die m. D.a AG in Verhandlungen mit der In. AG über eine\nBeteiligung an letzterer Gesellschaft. Ein entsprechender Aktienkaufvertrag\nwar am 8.12.2015 geschlossen worden, stand aber unter der Bedingung, dass die\nKapitalaufbringung gesichert werden konnte, und musste noch vom Aufsichtsrat\nder In. AG genehmigt werden. Das Projekt zerschlug sich schließlich Ende\nDezember 2015, nachdem die m. d. AG das erforderliche Kapital nicht aufbringen\nkonnte.\n\n2\\. Dieser Sachverhalt belegt schon keine Pflichtwidrigkeit des Klägers\ngegenüber der unmittelbar involvierten m. D. AG und damit (nach den obigen\nAusführungen) gegenüber der Beklagten.\n\na) Nachdem der Aktienkaufvertrag zwischen der m. D. AG und der In. AG am\n8.12.2015 - wenn auch bedingt - abgeschlossen war, erscheint die auf der\nVerwaltungsratssitzung der Di. AG drei Tage später geäußerte Einschätzung des\nKlägers, eine Beteiligung der M. d. AG an der In. AG stehe unmittelbar bevor,\naus kaufmännischer Sicht vertretbar und damit nicht pflichtwidrig. Dass der\nKläger naturgemäß wusste, dass noch Bedingungen zu erfüllen waren, steht\ndieser Annahme nicht entgegen. Anders läge es nur, wenn der Kläger am\n11.12.2015 gewusst hätte oder es sich ihm hätte aufdrängen müssen, dass der\nAktienkaufvertrag voraussichtlich an den genannten Bedingungen scheitern\nwerden würde. Dafür lassen sich aber dem Beklagtenvortrag keine hinreichenden\nAnhaltspunkte entnehmen.\n\nb) Dasselbe gilt letztlich für die auf der Verwaltungsratssitzung der Di. AG\ngeäußerte Einschätzung des Klägers, eine Kooperation der Di. AG mit der In. AG\nsei für erstere „risikolos“. Zum einen handelt es sich um eine wertende\nkaufmännische Beurteilung, die entsprechend den Ausführungen unter a) auf der\nBasis des Kenntnisstandes vom 11.12.2015 nicht unvertretbar erscheint. Und zum\nanderen entband diese Einschätzung des Klägers den Vorstand der Di. AG nicht\nvon der eigenverantwortlichen Prüfung, ob man sinnvollerweise mit der In. AG\nzusammenarbeiten und ihr gegenüber sogar in Vorleistung gehen sollte. Insoweit\nwar die wertende Einschätzung des Klägers nur ein Baustein unter vielen, die\nder Vorstand der Di. AG in seine Abwägung einzustellen hatte, so dass die wie\ngezeigt vertretbare Einschätzung des Klägers nicht unmittelbar zu einer\nVermögensgefährdung der Di. AG (und damit der m. D. AG) geführt hat.\n\nDem kann die Beklagte nicht entgegen halten, dass der Kläger - wie das\nLandgericht annimmt - bei den von ihm geäußerten Einschätzungen auf der\nVerwaltungsratssitzung besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen\nhabe. Das mag man bei einem Vertreter eines Anteilseigners so sehen; doch wenn\ndie Einschätzungen als solche vertretbar erscheinen, fehlt schon die Basis für\ndie Annahme eines Haftungstatbestandes aufgrund der Inanspruchnahme besonderen\npersönlichen Vertrauens.\n\nKeine andere Beurteilung rechtfertigt auch die erstmals in der\nBerufungsinstanz erhobene Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Di. AG\n„angewiesen“, den Kooperationsvertrag zu schließen und den Vorschuss zu\nleisten (so dass dahin stehen kann, ob dieser Vortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO\nzurückzuweisen wäre). Dass ein Mitglied des Aufsichts- bzw. Verwaltungsrats\neiner Aktiengesellschaft (oder gar der Vertreter eines Aktionärs) dem Vorstand\nWeisungen erteilen kann, sieht weder das deutsche noch das Schweizer\nAktienrecht vor. Damit ändert dieser Vortrag nichts daran, dass der Kläger der\nSache nach nur vertretbare wertende Einschätzungen abgegeben hat, die der\nVorstand der Di. AG in Eigenverantwortung in seine Abwägung des Ob und Wie der\nKooperation mit der In. AG einzustellen hatte.\n\nc) Unzutreffend ist die Behauptung der Beklagten, dass der Kläger für sein\nHandeln auf der Verwaltungsratssitzung der Di. AG einer Zustimmung des\nAufsichtsrats der M. d. AG bedurft hätte. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte\ninsoweit auf § 9 Abs. 1 lit. x) der Geschäftsordnung des Vorstandes der m. D.\nAG (Anlage B 20).\n\nNach der genannten Bestimmung der Geschäftsordnung bedarf ein\nVorstandsmitglied der Zustimmung des Aufsichtsrats der m. D. AG für die\nAusübung von Stimmrechten in Gesellschafterversammlungen von beherrschten\nUnternehmen über die Zustimmung oder Ablehnung der Vornahme von\nRechtsgeschäften und Maßnahmen, die unter § 9 Abs. 1 lit. a) bis w) fallen.\nDie Vorschrift ist schon nach ihrem Wortlaut nicht einschlägig, weil der\nKläger bei der Di. AG nicht auf einer Gesellschafterversammlung, sondern auf\neiner Verwaltungsratssitzung (entsprechend einer Aufsichtsratssitzung)\nagierte. Selbst wenn man dies mit Blick auf Sinn und Zweck des\nZustimmungsvorbehalts anders sähe, scheitert die Anwendung der Vorschrift\ndaran, dass kein Fall des lit. x) vorliegt. Der Abschluss einer\nKooperationsvereinbarung mit einer anderen Firma und eine Vorschussleistung\ngemäß dieser Kooperationsvereinbarung stellten sich aus der Sicht der Di. AG\n(also des von der m. D. AG beherrschten Unternehmens) vielmehr als normaler\nGeschäftsvorgang dar und fiel nicht unter die lit. a) - w).\n\nInsbesondere betrifft der Kooperationsvertrag nicht den Erwerb oder die\nVergabe von Softwarelizenten durch die Di. an den Vertragspartner (In.),\nsondern die Zusammenarbeit mit In. beim Vertrieb von Softwarelizenzen. Die\nKooperationsvereinbarung fällt daher nicht unter lit. d).\n\nNicht einschlägig ist auch lit. v). Dass durch den Kooperationsvertrag die\nRisikodisposition der Di. AG grundlegend verändert würde, ist nicht\nersichtlich.\n\nNicht einschlägig ist schließlich auch lit. w). Zwar mag man eine\nVorschussleistung der Di. AG auf die Kooperationsvereinbarung in Höhe von\n100.000,- sfr bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Einräumung eines\nKredits ansehen. Diese überstieg jedoch nicht 100.000,- €. Der Wechselkurs € -\nsfr betrug im Dezember 2015 etwa 1,08. 100.000,- sfr entsprachen daher\nlediglich rund 92.600,- €.\n\n3\\. Unabhängig von den obigen Ausführungen machten die dargestellten Vorgänge\neine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ende seines befristeten\nDienstverhältnisses für die Beklagte nicht unzumutbar. Selbst wenn man\nunterstellt, dass der Kläger hierdurch die Vermögensinteressen der Di. AG und\ndamit mittelbar diejenigen der m. D. AG gefährdet hat, wird aus dem Vortrag\nder Beklagten nicht klar, ob sich diese Gefährdung realisiert hat, d.h. ob die\nKooperation der Di. AG mit der In. AG sich unter dem Strich für die Di. AG\nnachteilig ausgewirkt hat. Hinzu kommt, dass es (wenn auch nicht zu dem\nintendierten Aktienkauf, so doch) zu irgendeiner Art von Kooperation zwischen\nder m. D. AG und der In. AG gekommen sein muss, wie die unten (III.1., 3.) zu\nerörternden Vorgänge um die Gewährung eines „Darlehens“ für die In. AG durch\ndie m. D. AG und die Dienstreise des Klägers nach Frankfurt zeigen, so dass\nsich die Äußerungen des Klägers auf der Verwaltungsratssitzung der Diso AG\nauch aus heutiger Sicht nicht als substanzlos begreifen lassen. Damit liegt\nselbst dann, wenn man den Ausführungen oben unter 2. nicht folgen würde,\nallenfalls ein geringfügiges Fehlverhalten des Klägers vor, welches die\nweitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien für den überschaubaren Zeitraum\nvom noch etwa einem Jahr ab der Kündigung nicht für die Beklagte unzumutbar\nerscheinen lässt.\n\nIII. Auch die übrigen erstinstanzlich geltend gemachten Kündigungsgründe\nvermögen die außerordentliche Kündigung des Klägers nicht zu rechtfertigen.\n\n1\\. Die Veranlassung der Zahlung eines Betrages von 49.706,28 € durch den\nKläger an die In. AG stellt keinen (jedenfalls aber keinen so schwerwiegenden)\nPflichtverstoß dar, der die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum\nordentlichen Ende seines Dienstvertrages für die Beklagte unzumutbar gemacht\nhätte.\n\na) Dem diesbezüglichen Vorwurf gegen den Kläger liegt der folgende Sachverhalt\nzugrunde. Der m. D. AG stand im Jahr 2016 ein erheblicher Anspruch auf\nDividendenzahlung gegen die Di. AG zu. Der Kläger wies die Di. AG mit Mail vom\n30.5.2016 (Anlage B 4) an, 55.000,- sfr davon direkt an die In. AG zu\nbezahlen. Nahezu zeitgleich, nämlich am 31.5.2016 schlossen der Kläger namens\nder m. D. AG und die In. AG einen Darlehensvertrag über 49.706,28 € (Anlage B\n5).\n\nNach der Version der Beklagten soll der Betrag von 55.000,- sfr der\nValutierung dieses Darlehens gedient haben. Der Kläger habe somit das Darlehen\nzu Lasten der m. D. AG ausbezahlt, wobei er den Darlehensvertrag ohne\nalleinige Vertretungsmacht und ohne jegliche Sicherheit geschlossen habe,\nobwohl er gewusst habe, dass sich die In. AG in Zahlungsschwierigkeiten\nbefunden habe.\n\nNach der Version des Klägers habe es sich nicht um ein Darlehen gehandelt,\nsondern um eine Anzahlung auf die Vergütung von Dienstleistungen der In. AG\nfür die di. GmbH, eine weitere Gesellschaft im Konzernverbund der m. D. AG.\nInsoweit habe sich die In. AG gegenüber der m. D. AG, vertreten durch den\nKläger, verpflichtet gehabt, gegen Vergütung die Management-Betreuung der di.\nGmbH zu übernehmen. Der Darlehensvertrag habe - so der Kläger - lediglich dazu\ndienen sollen, der m. D. AG gegebenenfalls schnell einen Titel verschaffen zu\nkönnen, falls die Zusammenarbeit mit der In. AG im Konzernverbund doch noch\nscheitern sollte.\n\nb) Insoweit trifft nach dem Ergebnis der landgerichtlichen Beweisaufnahme die\nklägerische Version der Ereignisse zu. Der vom Landgericht als Zeuge\neinvernommene Vorstand B. der In. AG hat bestätigt, dass die In. AG die\nManagementbetreuung der di. GmbH gegen Vergütung übernommen hatte und dass die\nüber die Di. AG vereinnahmte Zahlung kein Darlehen, sondern ein Vorschuss auf\ndie vereinbarte Vergütung sein sollte (vgl. Protokoll vom 27.4.2018, Bl. 179\nff. der Akten, dort S. 6 ff.). Diese Sicht der Dinge wird gestützt durch die\nvorgelegten Mails des Zeugen B. an den Kläger vom 17.12.2015 bzw. an den\nMitvorstand M. des Klägers vom 28.1.2016 (jeweils bei Anlage K 7).\n\nDamit kann dem Kläger nicht zum Vorwurf gemacht werden, ein unbesichertes\nDarlehen ausgereicht zu haben. Der schriftliche Darlehensvertrag entspricht\nalso nicht dem zwischen den Vertragsparteien (die m. D. AG insoweit vertreten\ndurch den Kläger) tatsächlich Gewollten. Damit liegt kein Darlehen, sondern\ndie Zahlung einer vereinbarten Vergütung vor (§ 117 Abs. 2 BGB).\n\nc) Damit verbleibt aber zu Lasten des Klägers der Befund, dass er namens der\nm. D. AG die Vereinbarung mit der In. AG über die Managementbetreuung bei der\ndi. GmbH geschlossen und Zahlungen hierauf erbracht hat, obwohl er unstreitig\nnur zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied der M. d. AG zur Vertretung\nberechtigt gewesen wäre. Dies rechtfertigt aber nach der Auffassung des Senats\ndie außerordentliche Kündigung gegen den Kläger nicht.\n\nDer Kläger verweist gegen den Vorwurf der Überschreitung seiner\nVertretungsmacht darauf hin, dass der Vorstandsvorsitzende M. in die\ndargestellten Geschehensabläufe ständig mit eingebunden gewesen sei. Dies\nscheint nach den vorgelegten Unterlagen zuzutreffen. Entsprechendes legt schon\ndie genannte Mail des Zeugen B. an den Vorstandsvorsitzenden M. vom 28.1.2016\nnahe, auch wenn dort von einer Zahlungspflicht der m. D. AG nicht die Rede\nist. In die selbe Richtung deutet eine Mail des Klägers an den\nVorstandsvorsitzenden Müller (Anlage BK 1) vom 3.6.2016, also kurz nach der\nAnweisung an die Di. AG, die Dividende direkt an die In. AG zu zahlen, wo der\nKläger ausführt, dass er nächste Woche Geld von der Di. für die m. D. AG\nbekomme, dass ihm das meiste davon aber gleich wieder von der di. und der In.\naus der Tasche gezogen werde. Schließlich hat auch der Zeuge B. (a.a.O.)\nbekundet, in dieser Angelegenheit ständig mit Herrn M. telefoniert zu haben.\n\nAufgrund dieser Befunde ist der Senat davon überzeugt, dass der\nVorstandsvorsitzende Müller die Vereinbarung zwischen m. D. AG und der In. s\nAG, wonach die In. AG Dienstleistungen für die di. GmbH erbringen und von der\nm. D. AG hierfür vergütet werden sollte, kannte und billigte. Damit liegt\njedenfalls eine nachträgliche Genehmigung (wenn schon keine vorgängige\nEinwilligung) des Mitvorstandes M. zu dem Geschäft vor, die den\nVertretungsmangel heilte. Daher hat der Kläger mit der Auszahlung der von der\nDi. AG zu erwartenden Dividende an die In. AG eine wirksame Verpflichtung der\nM. d. AG erfüllt, was sich nicht als pflichtwidrig darstellt.\n\nd) Selbst wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen insoweit eine\nPflichtwidrigkeit des Klägers annehmen wollte, weil er jedenfalls zunächst\nseine Vertretungsmacht überschritten hatte, wog diese nicht so schwer, dass\nsie der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum regulären Ende\nseiner Vertragslaufzeit unzumutbar gemacht hätte. Denn dann verbliebe der\nBefund, dass der Vorstandsvorsitzende Müller den Pflichtverstoß des Klägers\nkannte und nicht eingeschritten ist, sondern das Geschäft durch seine\nGenehmigung nachträglich sanktioniert hat.\n\nDen Mitvorstand M. hat die Beklagte wegen des gegenständlichen Vorfalls nach\ndem Vortrag des Klägers nicht gekündigt. Diesen Vortrag hat die Beklagte nicht\nhinreichend bestritten. Sie hat nur behauptet, dass Herr M. zwischenzeitlich\nnicht mehr für die Beklagte tätig sei, aber offensichtlich bewusst die\nBehauptung vermieden, Herrn M. sei wegen des gegenständlichen Vorfalls\ngekündigt worden. Die Beklagte hat daher die Weiterbeschäftigung des Herrn M.\nfür zumutbar erachtet, obwohl Herr M. den Vertrag mit der In. genehmigt und\ndadurch einen Rechtsgrund für diese Zahlung geschaffen hat. Dies zeigt nach\nAuffassung des Senats, dass der Beklagten auch eine Weiterbeschäftigung des\nKlägers bis zum Eintritt der Befristung seines Dienstverhältnisses (etwa ein\nJahr nach der gegenständlichen Kündigung) zumutbar gewesen wäre.\n\nDamit statuiert der Senat entgegen der Auffassung der Beklagten keinen\nAnspruch des Klägers auf Gleichbehandlung im Unrecht, sondern schließt aus der\nTatsache der Weiterbeschäftigung des Herrn Müller auf eine Zumutbarkeit auch\neiner Weiterbeschäftigung des Klägers.\n\n2\\. Dem Kläger liegen Wettbewerbsverstöße zu Lasten der Beklagten bzw. der m.\nD. AG nicht zur Last.\n\na) Gemäß § 5.1 S. 4 des Vorstandsdienstvertrages zwischen den Parteien (Anlage\nK 1) waren dem Kläger „die Tätigkeiten wie in Anlage 1 aufgelistet“\nausdrücklich gestattet. Soweit in erster Instanz umstritten war, ob diese\nAnlage 1 (die dem schließlich unterschriebenen Original des Dienstvertrages\nnicht beilag) Vertragsbestandteil geworden ist, hat das Landgericht hierzu den\nZeugen F. (damals Aufsichtsvorsitzender der Beklagten und Verhandlungsführer\nfür die Beklagte gegenüber dem Kläger) vernommen (vgl. Protokoll vom\n27.4.2018, Bl. 179 ff. der Akten, dort S. 2 ff.), der bekundet hat, dass die\nAnlage 1 dem ersten Vertragsentwurf beilag und danach nie mehr Gegenstand von\nVerhandlungen zwischen den Parteien war. Auf der Basis dieser Angaben, deren\nRichtigkeit von den Parteien weder erst- noch zweitinstanzlich bezweifelt\nwurde, ist die Anlage 1 (deren Inhalt aus Anlage K 6 = Dienstvertrag des\nKlägers mit der m. D. AG ersichtlich ist) Vertragsbestandteil geworden; wenn\ndie Parteien die Bezugnahme auf Anlage 1 in § 5.1 des Vertragstextes aufnahmen\nund die Anlage 1 im ersten Entwurf enthalten war und anschließend niemals\nverhandelt wurde, ging der übereinstimmende Willen der Parteien dahin, dass\ndie Regelung in Anlage 1 für die Parteien gelten sollte.\n\nHiernach waren dem Kläger Nebentätigkeiten „für die folgenden Investment-Fonds\nund Investmentgesellschaften … gestattet, insbesondere der Besuch von\nGesellschafterversammlungen und das Teilnehmen an Investitionsrunden… 2) C.\nAG“.\n\nb) Auf dieser Basis handelte der Kläger nicht pflichtwidrig, wenn er auf einer\n„Road Show“ in Singapur potentiellen Investoren das „Tr.-Projekt“ der C. AG\npräsentierte. Denn die Klausel in Anlage 1 zum Dienstvertrag zwischen den\nParteien, wonach ihm ausdrücklich die Teilnahme an Investionsrunden für die C.\nAG gestattet war, durfte der Kläger jedenfalls so verstehen, dass er\nInvestoren für die C. AG werben durfte.\n\nDas entband den Kläger zwar nicht von seiner Treuepflicht gegenüber der\nBeklagten, d.h. er durfte auch bei Ausübung der gestatteten Nebentätigkeit\nnicht gegen die Interessen der Beklagten handeln. Insoweit könnte der\nnunmehrige (unter Zeugenbeweis gestellte) Vortrag relevant sein, der Kläger\nhabe im Zusammenhang mit der „Road Show“ geäußert, an Geschäften für die\nBeklagte nicht besonders interessiert zu sein. Dieser Vortrag erfolgte jedoch\nerst in zweiter Instanz. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, warum dieser\nVortrag nicht schon in erster Instanz gehalten hätte werden können. Damit ist\ndieser Vortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.\n\nc) Keine andere Beurteilung rechtfertigt die Behauptung der Beklagten, der\nKläger habe sein Investorennetzwerk Geschäftspartnern zur Verfügung gestellt.\nDiese Behauptung ist zu allgemein gehalten und zu wenig greifbar, als dass man\nhieraus einen Verstoß des Klägers gegen das Wettbewerbsverbot oder seine\nTreuepflicht zur Beklagten herleiten könnte. Die Tatsache, dass der Kläger\nbehauptete Pflichtwidrigkeiten zu widerlegen hat, entbindet die Beklagte nicht\ndavon, zunächst eine mögliche Pflichtwidrigkeit des Klägers schlüssig\ndarzutun.\n\nd) Die vorstehenden Ausführungen gelten letztlich auch für die Behauptung, der\nKläger habe der Beklagten von einer Investition in eine Firma ne. abgeraten\nund dieses Investment der C. AG überlassen. Das Abraten von einem Investment\nist nicht per se pflichtwidrig; es kann viele, insbesondere auch gute\nkaufmännische Gründe haben. Mit der bloßen Behauptung, der Kläger habe von dem\ngenannten Investment abgeraten, hat die Beklagte eine mögliche\nPflichtwidrigkeit des Klägers damit noch nicht schlüssig dargetan;\ninsbesondere ist aus dieser Behauptung nicht ersichtlich, warum dieses Abraten\nden Interessen der Beklagten zuwider lief. Eine mögliche Pflichtwidrigkeit des\nKlägers wird auch nicht durch die Behauptung dargelegt, er habe das Geschäft\nder C. AG „überlassen“. Denn dies kann schon nach dem Wortlaut auch bedeuten,\ndass die C. AG das Investment ohne weiteres Zutun des Klägers tätigte, nachdem\ndie Beklagte insoweit (dem Rat des Klägers folgend) nicht eingestiegen war.\n\ne) Selbst wenn man die dem Kläger nach Anlage 1 zum Dienstvertrag zwischen den\nParteien gestattete Nebentätigkeit enger interpretieren und damit in gewissem\nUmfang Verstöße des Klägers gegen das Wettbewerbsverbot und / oder die\nTreuepflicht bejahen wollte, wiegen diese dann gegebenen Pflichtverletzungen\nnach Auffassung des Senats nicht so schwer, dass sie der Beklagten eine\nWeiterbeschäftigung des Klägers bis zum regulären Ende des Dienstvertrages\nunzumutbar machten. Dabei ist neben der verbleibenden Dauer des Dienstvertrags\nvon nurmehr etwa einem Jahr insbesondere zu berücksichtigen, dass dem Kläger\njedenfalls in gewissem Umfang Konkurrenztätigkeit gestattet war (so dass ihm\nallenfalls die Überschreitung der Grenzen der Gestattung vorgeworfen werden\nkönnte), dass die Beklagte seine Tätigkeit für andere Investmentgesellschaften\nschon bei Vertragsschluss kannte und dies, um den Kläger überhaupt gewinnen zu\nkönnen, ausdrücklich hinnahm (vgl. dazu insbesondere die Aussage des damaligen\nAufsichtsratsvorsitzenden F., a.a.O.) und dass sich schon aus dem Vortrag der\nBeklagten ein hierdurch der Beklagten entstandener greifbarer Schaden nicht\nergab (vgl. dazu die Ausführungen des Landgerichts LGU 31). Vor diesem\nHintergrund ist nicht ersichtlich, dass eventuelle Verstöße des Klägers das\nVertrauen zwischen den Parteien so weit zerrüttet hätten, dass es auch durch\neine Abmahnung nicht wieder hergestellt hätte werden können.\n\n3\\. Dem Kläger liegt eine unkorrekte Reisekostenabrechnung gegenüber der\nBeklagten nicht zur Last.\n\na) Der diesbezügliche Vorwurf der Beklagten geht dahin, dass der Kläger\ngegenüber der Beklagten Reisekosten in Höhe von insgesamt 436,73 € für eine\nReise nach Frankfurt am 28.1.2016 abgerechnet habe, obwohl die Reise der\nTeilnahme an der Hauptversammlung der C. AG gedient habe. Der Kläger\nbestreitet einen Besuch bei der C. AG an diesem Tag nicht, führt aber aus, die\nReise habe auch einer Besprechung mit dem Vorstand B. der In. AG, einer\nGeschäftspartnerin der Beklagten (zu dieser Geschäftsbeziehung vgl. oben Ii.\nund III.1.) gedient.\n\nb) Das Landgericht hat den Zeugen B. vernommen (Protokoll, a.a.O.) und\nhiernach die Überzeugung gewonnen, dass sich der Kläger an diesem Tag\ntatsächlich mit Herrn B. in Frankfurt zu Gesprächen über die Di. AG und die\nDim. AG (zu diesen Firmen vgl. bereits oben II. und III.1.) getroffen hat.\nDamit war die Reise für den Kläger dienstlich veranlasst und konnte von ihm\nabgerechnet werden.\n\nDer Kläger war nicht gehindert, am selben Tag in Frankfurt auch die C. AG\naufzusuchen. Hierdurch sind zusätzliche Kosten nicht entstanden, was daraus\nerhellt, dass der Kläger, wenn er an diesem Tag nur den Zeugen B .besucht\nhätte, denknotwendig und zweifellos berechtigterweise die selben Kosten\nabgerechnet hätte. Daher ist der Senat auch nicht der Auffassung, dass der\nKläger verpflichtet gewesen wäre, die Reisekosten für die Reise nach Frankfurt\nin einen dienstlich veranlassten und in einen privat veranlassten Teil\naufzuteilen.\n\nIV. Schließlich rechtfertigen auch die von Beklagtenseite in zweiter Instanz\nnachgeschobenen Kündigungsgründe die außerordentliche Kündigung nicht.\n\n1\\. Massive Bedenken bestehen im vorliegenden Fall schon aus grundsätzlichen\ndogmatischen Erwägungen gegen das Nachschieben von Kündigungsgründen, von\ndenen die Beklagte (bzw. ihr für die Rechtsbeziehungen zum Kläger zuständiger\nAufsichtsrat) erst Anfang 2019 erfahren haben will, also zu einer Zeit, als\ndas Dienstverhältnis zwischen den Parteien jedenfalls durch Fristablauf schon\nbeendet war.\n\na) Zwar ist anerkannt, dass Kündigungsgründe, die vor dem Kündigungszeitpunkt\n(hier: 16.8.2016) entstanden sind, aber erst nach dem Kündigungszeitpunkt\nbekannt werden, zur Begründung der Kündigung ohne Rücksicht auf die Frist des\n§ 626 Abs. 2 BGB nachgeschoben werden können (BAG, Urteil vom 18.6.2015 - 2\nAZR 256/14, Rz. 46). Dies gilt jedenfalls bei unbefristeten\nDienstverhältnissen unbeschränkt.\n\nVorliegend ist jedoch zu beachten, dass das Dienstverhältnis der Parteien auf\nden 30.9.2017 befristet war. Obersatz für die außerordentliche Kündigung ist,\ndass dem Kündigenden das Festhalten am Vertrag bis zur ordentlichen Beendigung\ndes Dienstverhältnisses nicht zuzumuten ist, insbesondere weil das nötige\nVertrauen in den Kündigungsgegner zerstört ist (vgl. oben I.). Dies\nrechtfertigt es, beim unbefristeten Dienstvertrag Kündigungsgründe, die im\nZeitpunkt der Kündigung unbekannt waren, nachzuschieben; denn auch bei\nnachträglicher Kenntniserlangung kann das Vertrauen des Kündigenden für die\nZukunft zerstört sein. Anders liegt es aber nach Auffassung des Senats beim\nbefristeten Dienstverhältnis, wenn die nachgeschobenen Kündigungsgründe dem\nKündigenden erst bekannt werden, nachdem die Frist für die reguläre Beendigung\ndes Vertrages eingetreten ist. Denn hier kann denknotwendig bei Bekanntwerden\nder Kündigungsgründe kein Vertrauen in die weitere Zusammenarbeit mehr\nzerstört werden.\n\nDie vom Schriftsatz der Beklagten vom 13.8.2019 herangezogenen Entscheidungen\nstehen der vorstehend skizzierten Rechtsauffassung nicht entgegen. Diese haben\nzwar überwiegend befristete Vorstands- bzw. Geschäftsführerdienstverträge zum\nGegenstand, befassen sich aber nicht explizit mit der Frage, welche Bedeutung\ndie Kenntniserlangung von einem potentiellen Kündigungsgrund erst nach\nordentlichem Vertragsende (= Eintritt der Befristung) für die Möglichkeit,\ndiesen Kündigungsgrund nachzuschieben, hat.\n\nb) Vorstehende Überlegungen gelten auch und erst Recht, soweit die in der\nBerufungsinstanz neu vorgebrachten Sachverhalte als Verdachtskündigungsgründe\nnachgeschoben werden.\n\nEine Verdachtskündigung ist unter bestimmten engen Voraussetzungen (starke\nVerdachtsmomente, objektive Anhaltspunkte, Zerstörung des\nVertrauensverhältnisses durch den Verdacht, große Wahrscheinlichkeit, dass\nVerdacht zutrifft) möglich (BAG, Urteil vom 23.5.2013 - 2 AZR 102/12, Rz. 19 -\n21). Unter diesen Voraussetzungen können Verdachtskündigungsgründe auch\nnachgeschoben werden (BAG vom 18.6.2015, a.a.O. Rz. 46).\n\nVorliegend hat die Beklagte ihren Verdacht nach ihrem eigenen Vortrag erst\nAnfang 2019, also zu einer Zeit, als der Dienstvertrag längst ordentlich\nbeendet war, gefasst. Die Verdachtskündigung rechtfertigt sich wie dargestellt\nvor allem daraus, dass auch ein begründeter Verdacht wegen des dadurch\nzerstörten Vertrauens die weitere Zusammenarbeit unzumutbar macht. Wird der\nVerdacht - wie vorliegend - aber erst nach regulärem Ende der Vertragslaufzeit\ngefasst, kann er denknotwendig das Vertrauen in die weitere Zusammenarbeit\nnicht mehr beeinträchtigen und stellt damit kein Kriterium für die\nUnzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers dar.\n\n2\\. Aber auch unabhängig von den Überlegungen unter 1. rechtfertigen die in\nder Berufungsinstanz nachgeschobenen Sachverhalte die außerordentliche\nKündigung nicht.\n\na) Der Vortrag zu den Falschbewertungen der Beteiligungen der Beklagten ist\nnach § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.\n\nDer Vorwurf geht dahin, dass im Jahresabschluss der Beklagten) für 2015 vom\n24.6.2016 diverse Beteiligungen (insbesondere auch an der GPS Op. GmbH und an\nder Pr. DA GmbH) zu Zwecken der Anlegertäuschung bewusst zu hoch bewertet\nworden seien.\n\nDieser Sachverhalt, über den, wenn es auf ihn ankäme, noch\nSachverständigenbeweis zu erheben wäre, könnte grundsätzlich einen Grund für\neine fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers darstellen. Denn\ndie bewusste Falschbewertung von Aktiva in der Bilanz stellt eine erhebliche\nPflichtverletzung des Vorstandes dar (allgemein zur Verletzung von\nBuchführungspflichten BGH, Urteil vom 12.1.2009 - II ZR 27/08, Rz. 6). Ob der\nKläger - entsprechend der bestrittenen Behauptung der Beklagten - intern für\ndie Bewertung von Beteiligungen verantwortlich war, kann dahinstehen.\nJedenfalls hat er den Jahresabschluss mit unterschrieben und daher aufgrund\nder Gesamtverantwortung des Vorstandes auch für ihn einzustehen. Dass der\nKläger von einer (unterstellten) Unrichtigkeit der Bewertungen wusste oder\ndies zumindest billigend in Kauf nahm, ergibt sich aus seiner Gesprächsnotiz\nvom 24.6.2016 (Anlage BB 8).\n\nEs ist aber unstreitig und ergibt sich auch aus der genannten Gesprächsnotiz\ndes Klägers, dass jedenfalls der (damalige) Aufsichtsratsvorsitzende F. der\nBeklagten Kenntnis davon hatte, dass die Beteiligungen nach Auffassung des\nKlägers bilanziell überbewertet waren. Es wäre daher die Pflicht des\nAufsichtsratsvorsitzenden Fischer gewesen, den Aufsichtsrat als Ganzes von der\ndamit im Raum stehenden und hier streitgegenständlichen möglichen\nPflichtverletzung zu informieren. Der (damalige) Aufsichtsrat als zuständiges\nmaterielles und prozessuales Vertretungsorgan gegenüber dem Kläger musste\ndaher bei regulärem Verlauf der Dinge den auf die dargestellte\nPflichtwidrigkeit des Klägers gestützten Kündigungsgrund kennen. Dieses\nKennenmüssen muss sich der heutige Aufsichtsrat der Beklagten zurechnen\nlassen. Von daher beruht es auf einer (aus deren Innenverhältnis herrührenden)\nNachlässigkeit der Beklagten, dass dieser Gesichtspunkt nicht schon in erster\nInstanz geltend gemacht wurde (§ 531 Abs. 2 ZPO).\n\nb) Die Rolle des Klägers bei den Pressemitteilungen des Vorstandsvorsitzenden\nMüller betreffend den „Pi.-Deal“ machten die Weiterbeschäftigung des Klägers\nbis zum Eintritt der regulären Beendigung des Dienstverhältnisses nicht\nunzumutbar.\n\nDem Vorwurf liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Die Sm. AG ist eine\nhundertprozentige Tochtergesellschaft der Beklagten. Vorstand der Sm. AG war\nim streitgegenständlichen Zeitraum ein Herr D., der später in den Vorstand der\nBeklagten berufen wurde. Die Sm. AG hielt Anteile an der Pi. GmbH, deren\nGeschäftsführer der Mitvorstand des Klägers bei der Beklagten M. war. Herr M.\nhabe drei Pressemitteilungen (Anlagen BB 15 - BB 17) der Beklagten\nherausgegeben, wonach die Pi. GmbH bzw. wesentliche Teile ihrer Assets an eine\nindische Gesellschaft zu sehr günstigen Konditionen veräußert werden sollten\nbzw. veräußert wurden. Diese Pressemitteilungen seien dem Kläger bekannt\ngewesen; er habe auch erkennen können und tatsächlich erkannt, dass der Deal\nplatzen würde, wie es dann tatsächlich geschah; deshalb habe er es\npflichtwidrig unterlassen, die Veröffentlichung der Pressemitteilungen zu\nverhindern oder deren Richtigstellung zu veranlassen.\n\nHierzu ist festzustellen, dass die Hauptverantwortung für die\nPressemitteilungen der Mitvorstand des Klägers und Geschäftsführer der Pi.\nGmbH M. trug. Herrn M. ist wegen dieses Vorfalles nach Vortrag des Klägers\nnicht gekündigt worden. Dies hat die Beklagte nicht hinreichend bestritten.\nSie hat nur behauptet, dass Herr M. zwischenzeitlich nicht mehr für die\nBeklagte tätig sei, ohne konkret zu behaupten, dass im wegen der\nPressemitteilungen außerordentlich gekündigt wurde. Die Beklagte hat daher die\nWeiterbeschäftigung des hauptverantwortlichen Müller trotz der\nPressemitteilungen für durchaus zumutbar erachtet. Den weiteren\nVerantwortlichen D., der als Vorstand der S. primär für die Überwachung der\nGeschäftstätigkeit der P. zuständig gewesen wäre, hat die Beklagte sogar in\nihren Vorstand befördert. Dies zeigt nach Auffassung des Senats, dass der\nBeklagten auch eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Eintritt der\nBefristung seines Dienstverhältnisses zumutbar gewesen wäre.\n\nDamit statuiert der Senat entgegen der Auffassung der Beklagten keinen\nAnspruch des Klägers auf Gleichbehandlung im Unrecht, sondern schließt aus der\nTatsache der Weiterbeschäftigung der Herren M. und D. auf eine Zumutbarkeit\nauch der Weiterbeschäftigung des Klägers.\n\nc) Der Vorwurf des Verrats von Geschäftsgeheimnissen der Beklagten an den\nbenannten Zeugen W. (Aufsichtsratsvorsitzender der neuen Dienstherrin des\nKlägers) durch die als Anlagen BB 22 und BB 23 vorgelegten Emails des Klägers\nvom 26.3.2017 und 14.9.2017 vermögen die gegenständliche Kündigung aus\nzeitlichen Gründen nicht zu rechtfertigen.\n\nDahin stehen kann in diesem Zusammenhang, ob gesetzliche oder vertragliche\nWettbewerbsverbote (bzw. die Treuepflicht) nach einer unterstellt\nunberechtigten außerordentlichen Kündigung fortbestehen (dazu BAG, Urteil vom\n25.4.1991 - 2 AZR 624/90; BGH, Urteil vom 12.3.2003 - VIII ZR 197/02). Denn\njedenfalls liegt ein eventueller Verstoß durch die genannten Emails zeitlich\nnach der streitgegenständlichen Kündigung vom 16.9.2016 und kann daher nicht\nzur Rechtfertigung dieser Kündigung nachgeschoben werden. Allenfalls hätte\ndieser Vorgang zum Anlass für eine erneute Kündigung genommen werden können;\neine solche hat die Beklagte allerdings nicht erklärt und kann sie nunmehr\nnach Ablauf der Frist für die ordentliche Beendigung des Dienstverhältnisses\nauch nicht mehr erklären.\n\nd) Vom Kläger zu verantwortende Defizite bei der Liquidationsplanung der\nBeklagten können die streitgegenständliche Kündigung aus mehreren Gründen\nnicht rechtfertigen.\n\nZum einen ist der entsprechende Vortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.\nDie Beklagte trägt selbst vor, dass die mangelnde Liquiditätsplanung vom\nAufsichtsrat der Beklagten ständig kritisiert wurde. Damit war dem\nAufsichtsrat als dem für das Dienstverhältnis zuständigen Organ der Beklagten\naber die mangelnde Liquidationsplanung schon zu Zeiten der Beschäftigung des\nKlägers und damit denknotwendig schon vor Beginn der ersten Instanz bekannt.\nVon daher ist weder ersichtlich noch wird von der Berufung dargelegt, warum\ndieser Vortrag nicht schon in erster Instanz gehalten werden konnte.\n\nZum anderen ist der Senat der Auffassung, dass die mangelnde\nLiquidationsplanung selbst bei Zulassung dieses Vortrages es der Beklagten\nnicht unzumutbar gemacht hätte, den Kläger bis zum regulären Ende seines\nDienstverhältnisses weiter zu beschäftigen. Hierfür ist nach Auffassung des\nSenats ausschlaggebend die Tatsache, dass dem Vorstandsvorsitzenden Müller,\nder - wie die Beklagte einräumt - trotz der Gesamtverantwortung des Vorstandes\nprimär für die Liquidationsplanung zuständig gewesen wäre, der Dienstvertrag\nnicht gekündigt wurde (vgl. oben). Hinzu kommt, dass nach dem Vortrag der\nBeklagten die fehlende Liquidationsplanung auch dem neuen Vorstand der\nBeklagten aufgrund fehlender Unterlagen nicht bekannt wurde. Damit räumt die\nBeklagte der Sache nach ein, dass sich auch der neue Vorstand nicht\nhinreichend um eine regelmäßige Prüfung der Liquidität gekümmert hat (weil ihm\nsonst das Fehlen diesbezüglicher Unterlagen aufgefallen wäre), ohne dass dies\noffenbar zum Anlass für Schritte gegenüber dem neuen Vorstand genommen wurde.\nDamit steht fest, dass die Liquidationsplanung der Beklagten schon nach ihrem\neigenen Vortrag schon seit Jahren und weit über die Beschäftigungszeit des\nKlägers hinaus im Argen lag, ohne dass der Aufsichtsrat hierwegen Schritte\ngegen Vorstandsmitglieder mit Ausnahme des Klägers ergriffen hätte. Vor diesem\nHintergrund wäre es nach Auffassung des Senats für die Beklagte zumutbar\ngewesen, auch beim Kläger das reguläre Ende seines Dienstverhältnisses\nabzuwarten.\n\nV. Auch die gebotene Gesamtschau der geltend gemachten Kündigungsgründe\n(soweit sie nicht aus Rechtsgründen, insbesondere wegen Präklusion irrelevant\nsind) rechtfertigt bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles nicht die\nAnnahme, dass es der Beklagten unzumutbar gewesen wäre, den Kläger bis zum\nordentlichen Ablauf des befristeten Dienstverhältnisses am 30.9.2019 weiter zu\nbeschäftigen. Dies gilt selbst dann, wenn man bei den oben erörterten\nKündigungsgründen, bei denen der Senat eine Pflichtwidrigkeit des Klägers\nverneint und die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung lediglich hilfsweise\nangeführt hat, entgegen der Rechtsauffassung des Senats eine Pflichtwidrigkeit\ndes Klägers bejaht.\n\nUnter der zuletzt genannten Prämisse spricht die Mehrzahl der dann\nanzunehmenden Pflichtwidrigkeiten eher gegen die Zumutbarkeit einer\nWeiterbeschäftigung des Klägers. Allerdings handelt es sich, wie oben im\neinzelnen dargestellt, jeweils um nicht besonders schwerwiegende\nPflichtwidrigkeiten (wirklich gravierend wäre nur die Mitwirkung des Klägers\nan der behaupteten Bilanzmanipulation, die aber aus Rechtsgründen - kein\nNachschieben möglich, hilfsweise Präklusion - als Kündigungsgrund\nausscheidet). Das muss auch bei der Gesamtwürdigung ins Gewicht fallen. Ferner\nist zu sehen, dass der Dienstvertrag in etwa einem Jahr nach der Kündigung\nohnehin geendet hätte. Ein wesentlicher Gesichtspunkt für den Senat ist aber\nauch, dass sich dem Senat aus dem gesamten Prozessstoff der Eindruck\naufdrängt, dass bei der Beklagten durchgängig ein Missmanagement durch alle\nOrganverantwortlichen herrschte, hierweg aber (nach dem Sach- und Streitstand)\nnur der Dienstvertrag des Klägers außerordentlich gekündigt wurde. Bei dieser\nHandhabung der Dinge wäre es der Beklagten zumutbar gewesen, auch beim Kläger\nden Eintritt der Befristung seines Dienstverhältnisses abzuwarten. Der neue\nSachvortrag im Schriftsatz vom 28.11.2019 ist nach § 531 ZPO nicht zu\nberücksichtigen.\n\nC.\n\nDie Berufung des Klägers hat auch hinsichtlich der Widerklage Erfolg. Da der\nDienstvertrag zwischen den Parteien über den 30.9.2016 hinaus fortbestand,\nhatte der Kläger weiterhin Anspruch auf die vertraglich vorgesehene Nutzung\nseines Dienstwagens. Die Nichtrückgabe des Dienstwagens vermag daher\nSchadensersatzansprüche des Beklagten nicht zu begründen.\n\nD.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.\n\nDie Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708\nNr. 10, 711 ZPO.\n\nDie Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO)\nnicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch\nerfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen\nRechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zu würdigen waren\nvielmehr die Umstände des Einzelfalles\n\n
325,706
olgkarl-2020-02-03-2-rb-35-ss-100419
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
2 Rb 35 Ss 1004/19
2020-02-03
2020-02-12 11:00:52
2020-12-10 13:30:50
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts\nFreiburg im Breisgau vom 02.10.2019 wird als unbegründet verworfen.\n\n2\\. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen\nRechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. §\n79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). \n--- \n| 2 \n--- \n| Zur Begründung wird auf die zutreffende Stellungnahme der\nGeneralstaatsanwaltschaft Karlsruhe in ihrer Antragsschrift vom 14.01.2020\nBezug genommen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Ergänzend bemerkt der Senat: \n--- \n \n> | 4 \n--- \n| 1\\. Soweit beanstandet wird, dass die verfahrensgegenständliche Messung mit\neinem nicht den Vorschriften des Gesetzes über das Inverkehrbringen und die\nBereitstellung von Messgeräten auf dem Markt, ihre Verwendung und Eichung\nsowie über Fertigpackungen (Mess- und Eichgesetz - MessEG) entsprechenden\nMessgerät durchgeführt worden sei, wird der Sache nach ein Verwertungsverbot\ngeltend gemacht, das mit einer den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG,\n344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensrüge geltend zu machen ist (BGHSt\n37, 245; StV 2016, 771). Dazu gehört, dass der verteidigte Betroffene der\nVerwertung in der Hauptverhandlung bis zu dem in § 257 StPO bezeichneten\nZeitpunkt widersprochen hat (BGHSt 38, 215; OLG Karlsruhe - Senat -, Beschluss\nvom 6.11.2019 - 2 Rb 35 Ss 808/19, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom\n21.10.2019 - IV-2 RBs 141/19, juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 2.1.2020 -\n(1Z) 53 Ss-OWi 676/19, juris). Insoweit wird zwar in der\nRechtsbeschwerdebegründung behauptet, dass der Verwertung widersprochen wurde.\nDabei bleibt aber offen, ob dies auch in der Hauptverhandlung und vor dem in\n§§ 71 Abs. 1 OWiG, 257 StPO bezeichneten Zeitpunkt geschehen ist, weshalb die\nRüge bereits unzulässig ist. \n--- \n \n> | 5 \n--- \n| Im Übrigen wäre die Rüge auch unbegründet, weil das verwendete Messgerät den\nAnforderungen des Mess- und Eichgesetzes genügte. Nach den im Urteil\ngetroffenen Feststellungen war die Eichung des Geräts bis zum 12.2.2019\ngültig. Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen endete die\nEichfrist auch nicht vorzeitig (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MessEG), was gemäß §§\n31 Abs. 1 Satz 1, 37 Abs. 1 MessEG der weiteren Verwendung entgegen gestanden\nhätte. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass das Messgerät - wovon sich das\nAmtsgericht auf der Grundlage der Aussage des die Messung durchführenden\nPolizeibeamten rechtsfehlerfrei überzeugt hat - nach einer Instandsetzung am\n6.2.2019 bis zur erneuten Eichung am 12.2.2019, und damit auch zum Zeitpunkt\nder verfahrensgegenständlichen Messung, anstelle der Eichmarke mit einem\nInstandsetzerkennzeichen versehen war. Zwar bestimmen § 37 Abs. 2 Nr. 2 und 4\nMessEG, dass die Eichfrist vorzeitig endet, wenn entweder ein Eingriff\nvorgenommen wird, der Einfluss auf die messtechnischen Eigenschaften des\nMessgeräts haben kann oder die Eichmarken unkenntlich, entwertet oder vom\nMessgerät entfernt werden. Allerdings gilt dies für instand gesetzte Geräte\ngemäß § 37 Abs. 5 MessEG unter den dort aufgestellten Voraussetzungen nicht.\nDazu gehört, dass die Instandsetzung durch ein Zeichen des Instandsetzers\nkenntlich gemacht ist (§ 37 Abs. 5 Nr. 3 MessEG). Hierzu ist in § 54 Abs. 1\nSatz 1 der Verordnung über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von\nMessgeräten auf dem Markt sowie über ihre Verwendung und Eichung (Mess- und\nEichverordnung - MessEV) geregelt, dass die (für die Eichung) zuständige\nBehörde Betrieben (Instandsetzer) auf Antrag die Befugnis erteilen darf,\ninstand gesetzte Messgeräte durch ein Zeichen kenntlich zu machen\n(Instandsetzerkennzeichen). Die Kennzeichnung mit dem Instandsetzerkennzeichen\nsetzt zudem nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MessEV u.a. voraus, dass die\nweiteren in § 37 Abs. 5 MessEG genannten Voraussetzungen, vor allem auch die\nAnforderungen an die Messgenauigkeit (§§ 6 Abs. 2, 37 Abs. 5 Nr. 1 MessEG),\nerfüllt sind. Das Amtsgericht durfte deshalb allein auf der Grundlage der\nKennzeichnung des Messgeräts mit einem Instandsetzerkennzeichen davon\nausgehen, dass das Gerät den Anforderungen des Mess- und Eichgesetzes\nentsprach. \n--- \n \n> | 6 \n--- \n| 2\\. Soweit im Rahmen der Aufklärungsrüge vom Betroffenen auch die Verletzung\ndes „Anspruch[s] auf Zurverfügungstellung der Messdaten“ behauptet wird, „die\nfür seine Verteidigung von Bedeutung sein können“ (RB S. 4), bleibt bereits\nunklar, auf welche für die Verteidigung relevanten Informationen im Einzelnen\nsich dieser Vortrag bezieht. Abgesehen davon ist die zur Geltendmachung der -\ndamit der Sache nach behaupteten - unzulässigen Beschränkung der Verteidigung\n(§ 338 Nr. 8 StPO) erforderliche Verfahrensrüge nicht in einer den\nAnforderungen der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden\nWeise ausgeführt (dazu KG DAR 2017, 593; Cierniak/Neuhaus DAR 2014, 1, 6 f.). \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs.\n1 OWiG. \n---\n\n
325,936
lagham-2020-01-14-7-tabv-6319
794
Landesarbeitsgericht Hamm
lagham
Nordrhein-Westfalen
Arbeitsgerichtsbarkeit
7 TaBV 63/19
2020-01-14
2020-02-20 11:01:00
2020-12-10 13:31:23
Beschluss
ECLI:DE:LAGHAM:2020:0114.7TABV63.19.00
## Tenor\n\n * 1\\. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 11.07.2019 – 1 BV 28/18 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:\n\nAuf den Hilfsantrag der Schwerbehindertenvertretung wird festgestellt, dass\ndie Arbeitgeberin die Schwerbehindertenvertretung vor schriftlicher Mitteilung\nund Erläuterung der ERA-Leistungsbeurteilung gegenüber den Schwerbehinderten\nund diesen Gleichgestellten zu unterrichten und anzuhören hat.\n\nIm Übrigen wird der Antrag der Schwerbehindertenvertretung abgewiesen.\n\n * 2\\. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.\n\n \n1\n\n**Gründe**\n\n2\n\n**A.**\n\n3\n\nDie Beteiligten streiten über die Verpflichtung der zu 2. beteiligten\nArbeitgeberin gegenüber der antragstellenden Schwerbehindertenvertretung,\ndiese vor Bekanntgabe einer tariflichen Leistungsbeurteilung gegenüber\nschwerbehinderten Menschen oder ihnen Gleichgestellten zu beteiligen.\n\n4\n\nDie Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Metallindustrie. Sie wendet kraft\nVerbandszugehörigkeit die Tarifverträge der nordrhein-westfälischen Metall-\nund Elektroindustrie an. Im Betrieb sind etwa 50 Schwerbehinderte oder ihnen\ngleichgestellte Menschen beschäftigt.\n\n5\n\nDie Arbeitgeberin führt auf der Grundlage des Entgeltrahmenabkommens in der\nMetall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: ERA-TV)\nLeistungsbeurteilungen durch, die Grundlage für die Zahlung einer tariflichen\nLeistungszulage für Beschäftigte im Zeitentgelt sind. In Ergänzung der\ntariflichen Regelungen, insbesondere § 10 ERA-TV, gilt eine\nBetriebsvereinbarung über die „Einführung einer tariflich basierten\nLeistungsbeurteilung für Mitarbeiter im Zeitentgelt“ vom 25.07.2013. Die\ntariflichen Regelungen sehen vor (§ 10 Ziffer 7 ERA-TV), dass das\nLeistungsverhalten aller Beschäftigten einmal im Kalenderjahr zu beurteilen\nist. Daneben regelt der Tarifvertrag ein Beanstandungsverfahren, wonach sowohl\nden Beschäftigten wie auch dem Betriebsrat die Möglichkeit der Beanstandung\neiner Leistungsbeurteilung zuerkannt wird, deren Behandlung in einer\nparitätischen Kommission zu erfolgen hat. In der vorstehend genannten\nBetriebsvereinbarung (im Folgenden: ERA-BV) wird in Ergänzung der tariflichen\nRegelungen beschrieben, dass die errechnete Leistungszulage „den Mitarbeiter\neinmal jährlich durch seinen disziplinarischen Fachvorgesetzten … schriftlich\nmitgeteilt und erläutert“ wird. Wegen der Einzelheiten der ERA-BV wird auf die\nKopie Bl. 15 d.A. Bezug genommen.\n\n6\n\nAnlässlich der Leistungsbeurteilung für den Zeitraum 2017/2018 entstand\nzwischen der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin ein Streit\ndarüber, ob die Schwerbehindertenvertretung vor Bekanntgabe der\nLeistungsbeurteilung an die Schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten\nBeschäftigten zu unterrichten und anzuhören ist. Soweit es individualrechtlich\nzu Beanstandungen der Leistungsbeurteilungen 2017/2018 gekommen ist, ist das\ntarifliche Beanstandungsverfahren bislang ausgesetzt worden.\n\n7\n\nIm Termin zur mündlichen Anhörung vor der Beschwerdekammer am 14.01.2020 haben\ndie Beteiligten übereinstimmend erläutert, dass aufgrund der tariflichen\nZeitvorgaben die Leistungsbeurteilungen 2019/2020 mittlerweile durchgeführt\nund abgeschlossen worden sind.\n\n8\n\nMit dem vorliegenden, beim Arbeitsgericht Hagen am 21.12.2018 eingegangenen\nAntrag auf Einleitung des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens hat die\nSchwerbehindertenvertretung letztendlich die Aussetzung der\nLeistungsbeurteilungen „aus dem Jahr 2018 betreffend Schwerbehinderte und\ndiesen Gleichgestellten“, hilfsweise die Feststellung begehrt, dass die\nArbeitgeberin die Schwerbehindertenvertretung bei einer Leistungsbeurteilung\nzu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören hat.\n\n9\n\nSie hat die Auffassung vertreten, bei der tariflichen Leistungsbeurteilung auf\nder Grundlage des ERA-TV handele es sich um eine Entscheidung der\nArbeitgeberin im Sinne der Regelungen über die Beteiligungsrechte der\nSchwerbehindertenvertretung. Die Gruppe der Schwerbehinderten und ihnen\ngleichgestellten Menschen seien von der Leistungsbeurteilung auch besonders\nbetroffen, da gerade die Beurteilung der Einzelheiten des Arbeits- und\nsonstigen Leistungsverhaltens wegen einer Behinderung berücksichtigt werden\nmüssten. Dies zeige auch der gesetzgeberische Auftrag an die Arbeitgeberin,\nSchwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Menschen so zu beschäftigen, dass\nsie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiter\nentwickeln könnten. Die Leistungsbeurteilungen, die im Jahre 2018\nabgeschlossen worden seien, könnten für die betroffene Personengruppe auch\nausgesetzt werden, um eine entsprechende Unterrichtung und Anhörung der\nSchwerbehindertenvertretung nachzuholen. Eine Leistungsbeurteilung finde quasi\njeden Tag statt und sei daher nicht mit Mitteilung der Leistungsbeurteilung an\nden betroffenen Beschäftigten erledigt. Hinzu komme der Umstand, dass\ninnerbetrieblich einige Beanstandungsverfahren ausgesetzt seien.\n\n10\n\nDie Schwerbehindertenvertretung hat zuletzt beantragt,\n\n11\n\n * 12\n\n1\\. die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2. wird verpflichtet, die Minderung\nder Leistungsbeurteilung im Rahmen der ERA-Leistungsbeurteilungsgespräche\nbetreffend Schwerbehinderte und Gleichgestellten in 2018 auszusetzen.\n\n * 13\n\n2\\. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziffer 1.\nfestzustellen, dass die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2. der Antragstellerin\nbei einer Leistungsbeurteilung betreffend Schwerbehinderte und diesen\nGleichgestellten bereits vor der Bekanntgabe an den jeweiligen Mitarbeiter\nunverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung\nanzuhören hat.\n\n14\n\nDie Arbeitgeberin hat beantragt,\n\n15\n\ndie Anträge zurückzuweisen.\n\n16\n\nSie hat die Auffassung vertreten, dass ein Beteiligungsrecht der\nSchwerbehindertenvertretung nicht bestehe, da sich die tarifliche\nLeistungsbeurteilung nicht spezifisch auf Schwerbehinderte bzw.\ngleichgestellte Menschen auswirke. Es handele sich um ein in sich\nabgeschlossenes Beurteilungssystem, bei dem die Beurteilungsmerkmale allgemein\ngehalten seien und damit einheitlich für sämtliche vom Tarifvertrag erfassten\nArbeitsplätze und Tätigkeiten in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-\nWestfalen gelten würden. Es ließen sich zahlreiche Beispiele finden, in denen\neine Schwerbehinderung keinerlei Einfluss auf die ausgeübte Tätigkeit habe.\nDie Leistungsbeurteilung dürfe daher nicht anders erfolgen, als die von nicht\nschwerbehinderten Beschäftigten. Schließlich sei der\nSchwerbehindertenvertretung im Leistungsbeurteilungsverfahren nach § 10 ERA-TV\nkein eigenes Beteiligungsrecht eingeräumt worden. Hinzu komme, dass die\nLeistungsbeurteilung als solche keine Entscheidung der Arbeitgeberin sei, die\nein Beteiligungsrecht der Schwerbehindertenvertretung auslöse. Abschließend\nhat die Arbeitgeberin gemeint, ein Aussetzen einer Maßnahme sei denknotwendig\nnicht mehr möglich, da die Leistungsbeurteilungen des Jahres 2017/2018 bereits\nvollzogen seien.\n\n17\n\nDurch Beschluss vom 11.07.2019, dem Vertreter der Arbeitgeberin am 02.08.2019\nzugestellt, hat das Arbeitsgericht dem Hauptantrag der\nSchwerbehindertenvertretung stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen\nausgeführt, bei der Leistungsbeurteilung auf der Grundlage des ERA-TV handele\nes sich um eine Entscheidung im Sinne der Vorschrift des § 178 Abs. 2 Satz 1\nSGB IX, die grundsätzlich das Beteiligungsrecht der\nSchwerbehindertenvertretung auslöse. Auch seien die schwerbehinderten\nArbeitnehmer durch die Leistungsbeurteilung in einem Maße betroffen, das den\nAnwendungsbereich des Beteiligungsrechts eröffne, da jedenfalls ein\nmittelbarer Zusammenhang mit einer Auswirkung und Ausstrahlung auf einen oder\nmehrere oder alle schwerbehinderten Arbeitnehmer ausreiche. Es sei originäre\nAufgabe der Schwerbehindertenvertretung darüber zu wachen, dass bei einer\nLeistungsbeurteilung die Belange der Schwerbehinderten oder ihnen\ngleichgestellten behinderte Arbeitnehmer hinreichend berücksichtigt würden.\nEine fehlende Regelung von Beteiligungsrechten der Schwerbehindertenvertretung\nin den tariflichen Bestimmungen zur Leistungsbeurteilung stehe nicht entgegen,\nda eben jenes Recht kraft Gesetzes der Schwerbehindertenvertretung zustehe.\nEine Aussetzung der Leistungsbeurteilung sei möglich, da eine endgültige\nErledigung etwa wie bei einer Kündigung oder Versetzung nicht eingetreten sei.\n\n18\n\nWegen der weiteren Einzelheiten der angegriffenen Entscheidung wird auf den\nBeschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 11.07.2019, Bl. 82 ff. d.A., Bezug\ngenommen.\n\n19\n\nHiergegen wendet sich die Arbeitgeberin mit der vorliegenden, beim\nLandesarbeitsgericht am 05.08.2019 eingegangenen und nach Verlängerung der\nBeschwerdebegründungsfrist bis zum 04.11.2019 mit Schriftsatz vom 25.10.2019,\nbeim Landesarbeitsgericht eingegangen am 28.10.2019, begründeten Beschwerde.\n\n20\n\nDie Arbeitgeberin trägt vor:\n\n21\n\nDas Arbeitsgericht habe die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht seiner\nEntscheidung vom 17.08.2010 zum Aktenzeichen 9 ABR 83/09 aufgestellt habe,\nnicht beachtet. Danach bestehe nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX kein\nUnterrichtungs- und kein Anhörungsrecht, wenn sich eine Angelegenheit in\ngleicher Weise auf alle Beschäftigten auswirke, und zwar unabhängig von einer\nSchwerbehinderung. Das Bundesarbeitsgericht verlange demnach, dass die Gruppe\nder Schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Menschen spezifisch berührt\nsei. Dies sei nicht der Fall, da die Beurteilungskriterien für alle\nBeschäftigten durch die tariflichen Regelungen identisch vorgegeben seien. Das\nwerde durch die Argumentation der angegriffenen Entscheidung, die tarifliche\nLeistungsbeurteilung eines Schwerbehinderten oder gleichgestellten\nBeschäftigten könne aufgrund von behinderungsbedingten Einschränkungen\nnegativer ausfallen, als diejenigen eines vergleichbaren nicht gehandicapten\nKollegen, nicht hinreichend berücksichtigt. Es sei für ein\nLeistungsbeurteilungsverfahren systemimmanent, dass behinderungsbedingte\nEinschränkungen tatsächlich im Einzelfall zu einer schlechteren\nLeistungsbeurteilung führen könnten. Ein wie auch immer gearteter Ausgleich\nwürde nicht die tatsächliche, sondern nur eine fiktive Leistung beurteilen.\nDies würde zu einer Besserstellung gehandicapter Beschäftigter führen. Eine\nBeteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Bekanntgabe der\nLeistungsbeurteilung sei auch nicht sachgerecht, da mögliche Hinweise der\nSchwerbehindertenvertretung von der Arbeitgeberin weder berücksichtigt werden\nkönnten noch dürften. Irgendwelche Ausgleiche sehe das tarifliche\nLeistungsbeurteilungssystem gerade nicht vor. Der Schutz der von der\nSchwerbehindertenvertretung vertretenen Beschäftigtengruppe sei durch\ngesetzliche Regelungen wie § 164 Abs. 4 SGB IX und die grundlegende Tarifnorm\ndes § 10 Nr. 2 Abs. 2 ERA-TV gewährleistet. Der Hauptantrag schließlich sei\nein unbegründeter Globalantrag, da er auch die Konstellation erfasse, dass es\neine Leistungsverschlechterung gebe, die nicht mit einer Behinderung im\nZusammenhang stehe. Schließlich verbleibe die Arbeitgeberin dabei, dass eine\nAussetzung derLeistungsbeurteilung 2017/2018 nicht mehr möglich sei, da diese\nvollzogen sei. Selbst im Falle einer Beanstandung im Sinne der tariflichen\nVorschriften komme es nicht zu einer Aussetzung, sondern zu einer\nvorübergehenden Zahlung der Leistungszulage auf Basis der neuen Beurteilung.\n\n22\n\nDie Arbeitgeberin beantragt,\n\n23\n\nden Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 11.07.2019, 1 BV 28/18, abzuändern\nund die Anträge zurückzuweisen.\n\n24\n\nDie Schwerbehindertenvertretung beantragt,\n\n25\n\ndie Beschwerde zurückzuweisen.\n\n26\n\nSie verteidigt die angegriffene Entscheidung vollumfänglich als zutreffend.\n\n27\n\nMit den Beteiligten wurde im Termin zur mündlichen Anhörung vor der\nBeschwerdekammer am 14.01.2020 insbesondere die Frage erörtert, ob aufgrund\nder mittlerweile für das Beurteilungsjahr 2019/2020 neu durchgeführten\nLeistungsbeurteilungen eine Aussetzung der Leistungsbeurteilungen 2017/2018\nnoch in Betracht komme.\n\n28\n\nWegen der Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird ergänzend auf die\nzur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle\nBezug genommen.\n\n29\n\n**B.**\n\n30\n\nI. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß\n§ 87 Abs. 1 ArbGG und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden\ngemäß § 87 Abs. 2 i.V.m. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 ZPO.\n\n31\n\nII. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist teilweise begründet.\n\n32\n\n1\\. Der Hauptantrag der Schwerbehindertenvertretung war abzuweisen, da ihr der\ngeltend gemachte Anspruch auf Aussetzung der Leistungsbeurteilung im Sinne des\n§ 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX schon deswegen nicht zusteht, weil sie mit\nDurchführung der Leistungsbeurteilungen 2019/2020 vollzogen ist.\n\n33\n\na) Der Antrag ist zulässig.\n\n34\n\naa) Die Schwerbehindertenvertretung verfolgt den geltend gemachten\nAussetzungsanspruch zu Recht im Wege des Beschlussverfahrens im Sinne der §§\n80 ff. ArbGG. Es handelt sich nämlich um eine Angelegenheit aus § 178 SGB IX\ngemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG. Dem steht nicht entgegen, dass im\nAktivrubrum der Name der Schwerbehindertenvertreterin vorangestellt ist. Denn\ndurch den Zusatz „in ihrer Eigenschaft als Vertrauensperson der\nschwerbehinderten Menschen“ ist hinreichend deutlich, dass es nicht um einen\nindividuellen Anspruch der Vertrauensperson der Schwerbehinderten geht,\nsondern um den der Schwerbehindertenvertretung als Organ kraft Gesetzes\nzugewiesenen Anspruch auf Aussetzung einer Entscheidung unter den genannten\ntatbestandlichen Voraussetzungen des § 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX.\n\n35\n\nbb) Im Übrigen bestehen gegen die Zulässigkeit des Antrages keine Bedenken,\ninsbesondere hat die Schwerbehindertenvertretung den Leistungsantrag so\nformuliert, wie ihn die Vorschrift des § 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX vorgibt.\n\n36\n\ncc) Soweit die Arbeitgeberin eingewandt hat, es handele sich um einen\nsogenannten „Globalantrag“, da er auch Fallgestaltungen erfasse, die im Rahmen\nder Leistungsbeurteilung keinerlei Bezug zu einer Schwerbehinderung hätten, so\nhandelt es sich hierbei nicht um eine Frage der Zulässigkeit des Antrages,\nsondern der Begründetheit.\n\n37\n\nb) Der Schwerbehindertenvertretung steht ein Anspruch auf Aussetzung der\nMinderung der Leistungsbeurteilung für den Zeitraum 2017/2018 betreffend\nschwerbehinderte Menschen oder ihnen Gleichgestellte gemäß § 178 Abs. 2 Satz 2\nSGB IX nicht zu.\n\n38\n\naa) Die Beschwerdekammer konnte an dieser Stelle offen lassen, ob eine\nBeteiligung der Schwerbehindertenvertretung – wie die Arbeitgeberin meint –\nschon deswegen ausscheidet, weil eine Leistungsbeurteilung auf Grundlage der\nBestimmungen des ERA-TV keine Entscheidung im Sinne des § 178 Abs. 2 Satz 1\nSGB IX darstellt und/oder es an einer spezifischen Betroffenheit der Gruppe\nder schwerbehinderten Menschen und ihnen Gleichgestellter fehlt.\n\n39\n\nbb) Denn jedenfalls kommt eine Aussetzung der Leistungsbeurteilung – gleich\nwelchen Inhalts oder Umfangs – nicht (mehr) in Betracht, da die\nLeistungsbeurteilung 2017/2018 bereits vollzogen ist.\n\n40\n\n1) Eine Aussetzung im Sinne des § 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX ist schon\nbegrifflich nur möglich, wenn eine Entscheidung gemäß § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB\nIX noch nicht vollzogen ist (Ludwig/Kemna, NZA 2019, 1547 (1549),\nArbeitsgericht Berlin, 16 BV 16895/15 Rdnr. 22). Zwischen den Beteiligten ist\nnämlich nicht im Streit, dass dieLeistungsbeurteilungen 2017/2018 Grundlage\nfür die Zahlung der tariflichenLeistungszulage für die Beschäftigten im\nZeitentgelt waren und dies nicht mehr sind, da – entsprechend den tariflichen\nZeitvorgaben – nunmehr die Beurteilungen 2019/2020 Grundlage der\nLeistungszulagen sind.\n\n41\n\n2) Die innerbetrieblich ausgesetzten Beanstandungsverfahren hindern nicht den\nabgeschlossenen Vollzug im oben genannten Sinne. Es handelt sich um\nBeanstandungen auf der Grundlage der tariflichen Verfahrensregelungen des ERA-\nTV und der auf dieser Grundlage abgeschlossenen ERA-BV, die losgelöst vom\nBeteiligungsrecht der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB\nzu sehen sind.\n\n42\n\nOb und gegebenenfalls welche Rechte den Beanstandungsführern zustehen, ist\nnicht Gegenstand des vorliegenden Beschlussverfahrens. Denn der\nSchwerbehindertenvertretung stehen keine materiell-rechtlichen Befugnisse\nhinsichtlich der Geltendmachung individueller Ansprüche zu. Aus der der\nSchwerbehindertenvertretung gemäß § 178 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 3\nzugewiesenen Aufgaben zur Überwachung der zugunsten der schwerbehinderten\nMenschen geltenden rechtlichen Regelungen und im Rahmen des Beschwerderechtes\nfolgt kein eigener Anspruch der Schwerbehindertenvertretung gegen den\nArbeitgeber auf Einhaltung und Durchführung einer Rechtsvorschrift (vgl. für\nden Betriebsrat: BAG, Beschluss vom 09.12.2003, 1 ABR 44/02 Rdnr. 30 ff.,\ninsbesondere Rdnr. 44 m.w.N.).\n\n43\n\n2\\. Der Hilfsantrag ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang\nbegründet, da die Schwerbehindertenvertretung vor Mitteilung und Erörterung\nderLeistungsbeurteilung gegenüber den schwerbehinderten Menschen und ihnen\nGleichgestellten im Sinne des § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zu beteiligen ist.\n\n44\n\na) Der Hilfsantrag ist zulässig.\n\n45\n\naa) Wegen der Zulässigkeit des Beschlussverfahrens als die richtige\nVerfahrensart wird auf die Ausführungen zu II.1. a)aa) Bezug genommen.\n\n46\n\nbb) Der Feststellungsantrag der Schwerbehindertenvertretung bedarf der\nAuslegung. Er formuliert nämlich missverständlich, dass die\nSchwerbehindertenvertretung bei einer Leistungsbeurteilung umfassend zu\nunterrichten sei „und vor einer Entscheidung anzuhören“ sei. Aus der\nBegründung des Antrages, die letztendlich dem Hauptantrag folgt, ergibt sich\njedoch mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Schwerbehindertenvertretung\ndavon ausgeht, dass die Leistungsbeurteilung als solche die Entscheidung im\nSinne des § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB darstellt. Dies deckt sich letztendlich auch\nmit dem Rechtsschutzziel, das die Schwerbehindertenvertretung verfolgt: Es\ngeht erkennbar darum, dass sie die Auffassung vertritt, vor einer Mitteilung\nder Leistungsbeurteilung und der sich daran anschließenden Ermittlung und\nZahlung der Leistungszulage sei eine Unterrichtung wie auch eine Anhörung der\nSchwerbehindertenvertretung vorzunehmen. Die Beschwerdekammer ist daher unter\nBeachtung des Rechtsschutzziels der Schwerbehindertenvertretung davon\nausgegangen, dass eine Beteiligung im Sinne des § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX\nerfolgen soll, bevor die auf der Grundlage der Leistungsbeurteilung errechnete\nLeistungszulage den betreffenden Mitarbeitern schriftlich mitgeteilt und\nerläutert wird, wie es Ziffer 3.5. der ERA-BV formuliert.\n\n47\n\ncc) Mit diesem Inhalt des hilfsweise formulierten Feststellungsantrages steht\nder Schwerbehindertenvertretung das erforderliche Feststellungsinteresse zur\nSeite. Die Beschwerdekammer geht mit der Rechtsprechung des\nBundesarbeitsgerichts davon aus, dass die Bestimmung des § 256 Abs. 1 ZPO,\nwonach einer Feststellungsklage ein besonderes Feststellungsinteresse zugrunde\nliegen muss, auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zur Anwendung\nkommt (vgl. nur BAG, Beschluss vom 18.02.2003, 1 ABR 17/02 zu B III 1 a der\nGründe m. weiteren N.). Danach kann die gerichtliche Feststellung des\nBestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn\nder Antragsteller an der alsbaldigen Feststellung ein rechtliches Interesse\nhat. Gegenstand eines Feststellungsantrages können somit nur\nRechtsverhältnisse oder Teile solcher Rechtsverhältnisse sein; bloße Vorfragen\neines Rechtsverhältnisses können nicht zum Gegenstand eines\nFeststellungsantrages gemacht werden (so ausdrücklich BAG, Beschluss vom\n03.05.2006, 1 ABR 63/04, NZA 2007, S. 285 m.w.N.).\n\n48\n\nAusgehend von diesen Kriterien ist der Hilfsantrag zulässig, da er geeignet\nist, das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeberin und\nSchwerbehindertenvertretung, nämlich das Bestehen eines Beteiligungsrechtes im\nRahmen der tariflichen Leistungsbeurteilung, zu klären. Zu bedenken ist auch,\ndass eine Entscheidung des Gerichts das betreffende Rechtsverhältnis zwischen\nder Arbeitgeberin und der Schwerbehindertenvertretung umfassend klärt und\nseinen Inhalt für die Zukunft hinreichend konkret feststellt (vgl. für\nKonflikte zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber BAG, Beschluss vom 28.05.2002,\n1 ABR 35/01 juris).\n\n49\n\nWeitere Bedenken gegen die Zulässigkeit des Hilfsantrages bestehen nicht.\n\n50\n\nb) Der Hilfsantrag ist begründet, da die Arbeitgeberin verpflichtet ist, die\nSchwerbehindertenvertretung vor Mitteilung der Leistungsbeurteilung an die\nschwerbehindertenoder ihnen gleichgestellte Menschen gemäß § 178 Abs. 2 Satz 1\nSGB IX zu unterrichten und anzuhören.\n\n51\n\naa) Bei der tariflichen Leistungsbeurteilung nach § 10 ERA-TV handelt es sich\num eine Entscheidung im Sinne des § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX mit der Folge,\ndass neben der Unterrichtungspflicht auch die Anhörungspflicht ausgelöst wird.\nNach der ständigen, zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts\n(Beschluss vom 14.03.2012, 7 ABR 67/10) handelt es sich bei der Entscheidung\nim Sinne der Norm um die sogenannten einseitigen Willensakte der Arbeitgeberin\nin Abgrenzung zu einvernehmlichen Regelungen, die mit den schwerbehinderten\nMenschen getroffen werden (BAG aaO., Rdnr. 24). Mit dieser Bestimmung der\n„Entscheidung“ des § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX soll sichergestellt werden, dass\ndie Schwerbehindertenvertretung die Möglichkeit hat, an der Willensbildung des\nArbeitgebers mitzuwirken. Sie soll Gelegenheit haben, aus ihrer Sicht auf\nmögliche, gegebenenfalls nicht bedachte Auswirkungen hinzuweisen (BAG aaO.\nRdnr. 21 m.w.N.). Da letztendlich auf der Grundlage der Bestimmungen des ERA-\nTV – auch unter Berücksichtigung des geregelten Beanstandungsverfahren und der\nim Tarifvertrag beschriebenen Rechte des Betriebsrates – die Arbeitgeberin\nüber die Leistungsbeurteilung entscheidet (vgl. auch § 315 BGB), handelt es\nsich genau um einen solchen Willensakt (LAG München 3 TaBV 95/16 Rdnr. 41).\n\n52\n\nbb) Die Leistungsbeurteilung ist im Sinne des § 178 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1\nSGB IX eine Angelegenheit, die jedenfalls einen einzelnen schwerbehinderten\nMenschen berührt. Maßgeblich ist insoweit die Betroffenheit des\nschwerbehinderten Menschen oder der Gruppe der schwerbehinderten Menschen\n(BAG, 9 ABR 83/09 Rdnr. 14). Grundsätzlich reicht bereits ein mittelbarer\nZusammenhang mit einer bloßen Auswirkung und Ausstrahlung auf einen\nschwerbehinderten Menschen oder die Gruppe der schwerbehinderten Menschen aus;\ndas Beteiligungsrecht ist umfassend zu verstehen und entfällt (BAG 9 ABR 83/09\nRdnr. 13 „ausnahmsweise“), wenn die Angelegenheit die Belange\nschwerbehinderter oder ihnen gleichgestellter behinderter Menschen in keiner\nanderen Weise berührt als nicht Schwerbehinderter (auch BAG 7 ABR 67/10).\n\n53\n\nMit diesem Verständnis berührt die Leistungsbeurteilung nach den Bestimmungen\ndes ERA-TV die Belange der schwerbehinderten Menschen und ihnen\nGleichgestellter.\n\n54\n\n1) Die Beschwerdekammer folgt zunächst hierzu den Ausführungen des\nArbeitsgerichts in der angegriffenen Entscheidung, soweit sie zur Prüfung des\nHauptantrages Ausführungen zur Betroffenheit der genannten Personengruppe\nenthält (Bl. 13 bis 15 der angegriffenen Entscheidung, Bl. 94 – 96 d.A.) und\nnimmt zur Vermeidung von Wiederholungen entsprechend § 69 Abs. 2 ArbGG hierauf\nBezug.\n\n55\n\n2) Soweit die Arbeitgeberin im Beschwerdeverfahren hierzu ausgeführt hat, dass\neine anders zu bewertende Betroffenheit der Gruppe der schwerbehinderten\nMenschenoder ihnen Gleichgestellter schon deswegen ausscheidet, weil die\nLeistungsbeurteilung aufgrund der tariflichen Kriterien für alle Beschäftigten\naufgrund der im Rahmen der Beurteilung festzustellenden Tatsachen identisch\nsei und das tarifliche Beurteilungssystem insbesondere eine „Korrektur“ einer\nLeistungsbeurteilung bei einem schwerbehinderten Menschen mit der Folge,\nnunmehr eine fiktive Bemessung vorzunehmen, verbiete, so berücksichtigt dies\nnicht, dass die Arbeitgeberin gegenüber den schwerbehinderten Menschen gemäß §\n164 Abs. 4 SGB IX besondere Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Erbringung\nder Arbeitsleistung treffen. Diese Verpflichtungen bestehen nach dem Willen\ndes Gesetzgebers gegenüber schwerbehinderten Menschen und ihnen\nGleichgestellten und treffen somit für diese Gruppe besondere Vorschriften,\ndie sowohl bei der Zuweisung der konkreten Arbeitsaufgabe, bei der Gestaltung\ndes Arbeitsplatzes etc. zu berücksichtigen sind (hierzu auch LAG München, aaO.\nRdnr. 38 m.w.N.).\n\n56\n\nIn der ERA-BV selbst haben die Betriebspartner unter 3.1 ausdrücklich\nfestgeschrieben, dass eine „Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes, der\nHerkunft oder aufgrund anderer nicht sachlich begründeter Merkmale\ngrundsätzlich auszuschließen“ ist. Diese Regelung ist so zu verstehen – davon\nist nach Auffassung der Beschwerdekammer auszugehen -, dass auch die\nEigenschaft als schwerbehinderter Mensch oder die Auswirkung einer\nSchwerbehinderteneigenschaft unter die Begrifflichkeit „nicht sachlich\nbegründete Merkmale“ in Ziffer 3.1 ERA-BV zu subsummieren ist. Auch dieser\nUmstand spricht dafür, dass es im genannten Sinne zumindest einen mittelbaren\nZusammenhang mit einer bloßen Auswirkung auf Schwerbehinderte oder ihnen\ngleichgestellte Arbeitnehmer gibt (vgl. Neumann/Pahlen/Majerski/Pahlen, SGB\nIX, 13. Aufl., § 178 Rdnr. 10 m. zahlreichen N.). Die Beschwerdekammer folgt\ndamit auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum\nBewerbungsverfahren, an dem schwerbehinderte Bewerber beteiligt sind (7 ABR\n71/12). In ähnlicher Weise, wie der schwerbehinderte Bewerber im\nBewerbungsverfahren durch die Schwerbehindertenvertretung zu unterstützen ist,\nhat die Schwerbehindertenvertretung gemäß § 178 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1 die\nÜberwachungsaufgabe hinsichtlich der Einhaltung sowohl von\nBetriebsvereinbarungen als auch insbesondere der gesetzlichen Bestimmungen des\n§ 164 SGB IX. Damit steht es ihr auch zu, diese Überwachungsaufgabe im Rahmen\ndes Unterrichtungs- und Anhörungsrechtes des § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX\nwahrzunehmen (wegen der Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch im\nBewerbungsverfahren BAG 7 ABR 71/12 aaO., Rdnr. 26 m.w.N.).\n\n57\n\ncc) Das Beteiligungsrecht der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 178 Abs. 2\nSGB IX ist nicht durch das tarifliche System der Leistungsbeurteilung im ERA-\nTV und der auf dieser Grundlage geschlossenen Betriebsvereinbarung\nausgeschlossen. Zwar weist die Arbeitgeberin zutreffend darauf hin, dass im\nRahmen des Systems derLeistungsbeurteilung tariflich der\nSchwerbehindertenvertretung keine Rolle zugewiesen ist. Allerdings bedarf es\nder Zuweisung von Rechten an die Schwerbehindertenvertretung auch nicht, da\ndas Unterrichtungs- und Anhörungsrecht des § 178 Abs. 2 SGB XI der\nSchwerbehindertenvertretung kraft Gesetzes zusteht, das im Übrigen auch nicht\nverzichtbar ist. Bereits vor dem Hintergrund, dass die gesetzliche Regelung\ndes § 178 SGB IX insoweit das höherrangige Recht gegenüber dem ERA-TV\ndarstellt, bleibt die Nichterwähnung der Schwerbehindertenvertretung im\ntariflichen Leistungsbeurteilungssystem ohne rechtliche Bedeutung. Dies kann\nverdeutlicht werden an einem Beispiel: Hätten die Tarifvertragspartner etwa\ngeregelt, dass Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung im\nBeurteilungsverfahren nicht bestehen, so hätte die Beschwerdekammer keine\nZweifel daran, dass eine solche Regelung wegen Verstoßes gegen § 178 Abs. 2\nSGB IX keine Rechtswirksamkeit entfalten könnte.\n\n58\n\nNach alledem hatte der Hilfsantrag der Schwerbehindertenvertretung in dem aus\ndem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.\n\n59\n\nIII. Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 72 Abs.\n2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.\n\n
325,979
lg-rostock-2019-11-26-6-hk-o-4618
480
Landgericht Rostock
lg-rostock
Rostock
Mecklenburg-Vorpommern
6 HK O 46/18
2019-11-26
2020-02-21 11:00:59
2020-12-10 13:31:29
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom zuständigen Gericht\nfür den Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu\n250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu zwei Jahren\nzu unterlassen,\n\n \n\nausdrückliche oder stillschweigende Absprachen mit Ärzten zu treffen, welche\ndie Sammlung von Verschreibungen in deren Arztpraxen (Rezeptsammelstelle) zum\nGegenstand haben.\n\n \n\n2\\. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 984,00 EUR zzgl. 187,07 EUR\nMehrwertsteuer nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz\nseit 13.04.2018 zu zahlen.\n\n \n\n3\\. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n \n\n4\\. Der Kläger wird verurteilt, es bei Meidung eines vom zuständigen Gericht\nfür den Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu\n250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu zwei Jahren\nzu unterlassen,\n\n \n\na) rezeptpflichtige Arzneimittel nach § 48 AMG ohne gültiges Rezept abzugeben,\nsoweit nicht eine Ausnahme nach § 4 AMVV vorliegt\n\n \n\nb) ausdrückliche oder stillschweigende Absprachen mit Ärzten zu treffen,\nwelche die Sammlung von Verschreibungen in deren Arztpraxen\n(Rezeptsammelstelle) zum Gegenstand haben.\n\n \n\n5\\. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.\n\n \n\n6\\. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien jeweils zu 1/2.\n\n \n\n7\\. Das Urteil ist hinsichtlich der Ziffern 1. und 4. lit. b) gegen\nSicherheitsleistung von jeweils 20.000,00 EUR, hinsichtlich der Ziffer 4. lit.\na) gegen Sicherheitsleistung von 10.000,00 EUR und im Übrigen ohne\nSicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Soweit das Urteil ohne\nSicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, kann die Vollstreckung durch\nSicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages\nabgewendet werden, soweit nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in\nHöhe von 110% des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages leistet.\n\n \n\n8\\. Der Streitwert beträgt 102.500,00 EUR.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten über die Verletzung apothekenrechtlicher Vorschriften.\n\n2\n\n \n\nDer Kläger ist Inhaber der D.-Apotheke in der Gemeinde F.. Die Beklagte\nbetreibt in der Gemeinde die L-Apotheke. Mit anwaltlichen Schreiben vom 9.\nAugust 2017 forderte der Kläger die Beklagte zur Unterlassung des Betriebs von\nRezeptsammelstellen und von Absprachen zur Zuweisung von Patienten bzw.\nVerordnungen auf. Die Beklagte lehnte die Abgabe einer entsprechenden\nUnterlassungserklärung jedoch ab.\n\n3\n\n \n\nDer Kläger behauptet, die Beklagte habe mit Ärzten und Pflegediensten\nunzulässiger Weise Absprachen über die Zuweisung von Verordnungen getroffen\nund unterhalte zudem Rezeptsammelstellen.\n\n4\n\n \n\nDass es entsprechende Absprachen mit der Beklagten über die Zuweisung von\nRezepten an die Beklagte gebe, ergebe sich u.a. daraus, dass in mehreren\nFällen Rezeptierungen von Arztpraxen an die Apotheke der Beklagten übermittelt\nworden seien, obwohl die Patienten gegenüber den Ärzten angegeben hätten, dass\ndie Verordnung zur Apotheke des Klägers übermittelt werden solle. Ein Beleg\ndafür sei auch, dass in der 25. Kalenderwoche 2017 ein Stapel von ca. 15-20\nArzneimittelverordnungen der Praxis K. in einer Folientasche in die Apotheke\ndes Klägers gelangte, der offenkundig für die Beklagte bestimmt gewesen sei.\nDer Zeugin K. sei auf Nachfrage in der Arztpraxis erklärt worden, dass die\nRezepte irrtümlich zu Apotheke des Klägers gelangt seien und eigentlich an\neine andere Apotheke übermittelt werden sollten. Dabei könne es sich nur um\ndie einzige andere Apotheke im Ort, also die der Beklagten handeln. Eine\nAbsprache zwischen der Beklagten und der Arztpraxis W. belege auch der Vorgang\nvom 4. Oktober 2017. Da habe eine beim Pflegedienst „D.“ tätige Schwester in\nder Apotheke des Klägers eine Medikation für einen Herrn R. nachgefragt. Eine\nentsprechende Verordnung sei in der Apotheke jedoch nicht bekannt gewesen. Bei\nspäterer Nachfrage der Zeugin K. in der Arztpraxis W. sei dieser erklärt\nworden, dass die Verordnung durch eine Mitarbeiterin der Apotheke der\nBeklagten abgeholt worden sei. Der Zeugin sei zudem ein Anforderungsbogen des\nPflegedienstes gezeigt worden, der von der Beklagten gestammt habe. Obwohl der\nPatient langjähriger Kunde der Apotheke des Klägers gewesen sei, sei die\nVerordnung zugunsten der Beklagten ausgestellt worden. Gegenüber der Zeugin K.\nsei erklärt worden, dass der Patient häufiger die Apotheke wechsele. Dies habe\njedoch nicht der Wahrheit entsprochen. Etwa im 3. Quartal 2017 sei der\nApothekenkunde H. in der Praxis R. gebeten worden, neben dem für ihn\nausgestellten Rezept auch Rezepte für andere Patienten in die Apotheke der\nBeklagten mitzunehmen und dort abzugeben. Auch habe der genannte Kunde\nmitbekommen, dass Pflegedienstmitarbeiter ausdrücklich nach Verordnungen für\ndie L.-Apotheke gefragt hätten.\n\n5\n\n \n\nDass es auch Absprachen mit Pflegediensten über die Zuweisung von Verordnungen\ngebe, ergebe sich u.a. aus dem Umstand, dass Patienten der Pflegedienste „D.“\nund der „Z. GbR“ entgegen der gegenüber den Pflegediensten ausgesprochenen\nWeisung durch die Beklagte mit Medikamenten und Hilfsmitteln beliefert werden\nwürden. Bei Patienten des Pflegedienstes der „Z. GbR“ sei eine\nEinverständniserklärung nach § 4a BDSG zurückgelassen worden, die das Logo der\nBeklagten und den Schriftzug „L.-Apotheke D.“ getragen habe. Diese Formulare\nseien bereits mit Angaben der Patienten vorbefüllt gewesen. Es sei\noffensichtlich, dass diese Formulare dazu hätten dienen sollen, die\nBelieferung der Patient des Pflegedienstes über die Beklagte zu etablieren.\nDer Pflegedienst werde durch die Beklagte als verlängerter Arm genutzt. Ein\nIndiz für das Zusammenwirken sei auch, dass die Beklagte offenbar über eigene\nSchlüssel für die Räumlichkeiten des vorgenannten Pflegedienstes verfüge,\nnachdem ein Mitarbeiter der Beklagten am 10. Januar 2018 bei der Lieferung von\nMedikamenten die Betriebsstätte mit einem eigenen Schlüssel betreten habe.\n\n6\n\n \n\nDie Beklagte habe auch selbst auf Patienten von Pflegediensten eingewirkt,\nsich von ihrer Apotheke versorgen zu lassen, wie im Falle der Mutter des\nZeugen H., die mehrfach von der Beklagten deshalb angerufen worden sei.\n\n7\n\n \n\nDer Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen,\n\n8\n\n \n\n1\\. es bei Meidung eines vom zuständigen Gericht für den Fall der\nZuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR,\nersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu zwei Jahren zu unterlassen,\nausdrückliche oder stillschweigende Absprachen mit Ärzten oder ambulanten\nPflegediensten zu treffen, welche die Zuführung von Patienten oder die\nZuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben, es sei denn,\n\n9\n\n \n\n\\- dies betrifft die etwaige Belieferung von Ärzten mit anwendungsfertigen\nZytostatikazubereitungen, die im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes\nhergestellt wurden oder\n\n10\n\n \n\n\\- es liegen im Einzelfall zwingende medizinische Gründe und eine\npatientenseitige Weisung zugunsten der Beklagten vor;\n\n11\n\n \n\n2\\. Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über die Anzahl der wie zu\nZiffer 1. an sie von den dort genannten Stellen vermittelten oder zugewiesenen\nRezepten und den zugehörigen Gesamtrezeptwert für den Zeitraum seit 1. August\n2017;\n\n12\n\n \n\n3\\. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen\nSchaden zu ersetzen, der ihm aus den zu Ziffer 1 beschriebenen Handlungen im\nunverjährten Zeitraum entstanden ist und noch entstehen wird;\n\n13\n\n \n\n4\\. an den Kläger 1.141,90 EUR zzgl. 216,96 EUR Mehrwertsteuer nebst Zinsen\ni.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu\nzahlen.\n\n14\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n15\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n16\n\n \n\nSie bestreitet Absprachen mit Ärzten oder Pflegediensten über die Zuweisung\nvon Verordnungen, sowie den Betrieb von Rezeptsammelstellen. Die\nGeltendmachung von Ansprüchen durch den Kläger sei bereits\nrechtsmissbräuchlich, da er überwiegend sachfremde, nicht schutzwürdige\nInteressen verfolge. Er verstoße seinerseits gegen apothekenrechtliche\nVorschriften und könne bereits deshalb keine Ansprüche gegen die Beklagte\ngeltend machen. So habe der Kläger mehrfach durch seine Mitarbeiterin K.\nRezepte aus der Praxis K. abholen lassen. Zudem hätten sich Kunden der\nBeklagten, die von Pflegediensten betreut würden, darüber beschwert, plötzlich\nvom Kläger mit Hilfsmitteln beliefert zu werden.\n\n17\n\n \n\nDie Beklagte trägt weiter vor, der Kläger gebe verschreibungspflichtige\nMedikamente ohne Vorlage einer ärztlichen Verordnung an Patienten ab. So habe\ndie Patientin P. am 18.08.2017 in der Apotheke der Beklagten vergeblich\nversucht, ein verschreibungspflichtiges Medikament ohne Vorlage eines Rezeptes\nzu erhalten. Sie sei zu einem späteren Zeitpunkt erneut in die Apotheke der\nBeklagten gekommen und habe dabei verkündet, das Medikament in der Apotheke\ndes Klägers ohne Rezept erhalten zu haben. Am 29. oder 30.09. habe eine\nMitarbeiterin des Pflegedienstes „D.“ für einen Herrn R. über die Apotheke des\nKlägers rezeptpflichtige Arzneimittel ohne Vorlage eines Rezeptes erhalten,\nobwohl die Medikamente in Absprache mit der behandelnden Ärztin W. bereits\nbeim Patienten gewesen seien.\n\n18\n\n \n\nSchließlich verzichte der Kläger gegenüber Patienten auf Zuzahlungen für nach\n§ 43c Abs. 1 S. 1 SGB V zuzahlungspflichtige Medikamente. So habe die\nPatientin Frau J. am 29.05.2018 in der Apotheke der Beklagten aufgrund der\nForderung einer Zuzahlung erklärt, in der Apotheke des Klägers eine solche für\nihre Medikamente nicht leisten zu müssen.\n\n19\n\n \n\nWiderklagend macht die Beklagte ihrerseits Ansprüche wegen des Verstoßes gegen\napothekenrechtliche Vorschriften geltend und beantragt,\n\n20\n\n \n\n1\\. den Kläger zu verurteilen, es bei Meidung eines vom zuständigen Gericht\nfür den Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu\n250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu zwei Jahren\nzu unterlassen,\n\n21\n\n \n\n\\- rezeptpflichtige Arzneimittel nach § 48 AMG ohne gültiges Rezept abzugeben,\nsoweit nicht eine Ausnahme nach § 4 AMVV vorliegt und\n\n22\n\n \n\n\\- gegenüber Patienten auf die Einziehung der gesetzlichen Zuzahlung gemäß §\n43c Abs. 1 SGB V zu verzichten.\n\n23\n\n \n\nhilfsweise für den Fall des Obsiegens des Klägers,\n\n24\n\n \n\n\\- ausdrückliche oder stillschweigende Absprachen mit Ärzten oder ambulanten\nPflegediensten zu treffen, welche die Zuführung von Patienten oder die\nZuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben, es sei denn,\n\n25\n\n \n\n\\- dies betrifft die etwaige Belieferung von Ärzten mit anwendungsfertigen\nZytostatikazubereitungen, die im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes\nhergestellt wurden oder\n\n26\n\n \n\n\\- es liegen im Einzelfall zwingende medizinische Gründe und eine\npatientenseitige Weisung zugunsten der Beklagten vor.\n\n27\n\n \n\n2\\. den Kläger zu verurteilen, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über\ndie Anzahl der unter den Voraussetzungen der Ziffer 1. abgegebenen Medikamente\nund den zugehörigen Gesamtrezeptwert für den Zeitraum seit 1. August 2017;\n\n28\n\n \n\n3\\. festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten allen\nSchaden zu ersetzen, der ihr aus den zu Ziffer 1. beschriebenen Handlungen im\nunverjährten Zeitraum entstanden ist und noch entstehen wird.\n\n29\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n30\n\n \n\ndie Widerklage abzuweisen.\n\n31\n\n \n\nEr trägt vor, bei den in der Praxis K. abgeholten Rezepten hätte es sich\nausschließlich um Rezeptierungen im Rahmen einer Heimversorgung i.S.d. § 12a\nApoG für Bewohner des Seniorenpflegeheimes „Haus T.“ gehandelt. Insoweit liege\neine Genehmigung vor. Bezüglich der anlasslosen Belieferung von Patienten mit\nHilfsmitteln erklärt sich der Kläger mit Nichtwissen. Das Verhalten der\nPflegedienste bei der Versorgung liege nicht in seiner Verantwortung. Der\nKläger bestreitet ferner eine Arzneimittelversorgung der Frau P. ohne Vorlage\neines Rezeptes. Soweit die Patientin verschreibungspflichtige Medikamente\nerhalten habe, hätten die Rezepte vorgelegen. Die übrigen Kaufbelege, die der\nPatientin zugeordnet werden können, beträfen keine verschreibungspflichtigen\nArzneimittel. Der Kläger trägt vor, die Mitarbeiterin des Pflegedienstes habe\nirrtümlich für den Patienten Herrn R. in seiner Apotheke die Medikamente\nabholen wollen. Tatsächlich habe eine Mitarbeiterin der Beklagten dann erst\nnachträglich von der Praxis W. das Rezept für die Versorgung geholt.\n\n32\n\n \n\nHinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Ausführungen der Parteien\nin den gewechselten Schriftsätzen Bezug genommen.\n\n33\n\n \n\nDas Gericht hat Beweis erhoben, über Behauptungen des Klägers und der\nBeklagten bezüglich der vorgetragenen Sachverhalte, die jeweils ein\nwettbewerbswidriges Verhalten der Gegenseite belegen sollen, durch Vernehmung\nder Zeugen …\n\n34\n\n \n\nHinsichtlich des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf den Beweisbeschluss der\nKammer vom 21.05.2019, hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf das\nProtokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2019 verwiesen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n \n\n \n\nI.\n\n35\n\n \n\nDie zulässige Klage ist hinsichtlich des Unterlassungsantrages und\nhinsichtlich Antrages auf Zahlung von Abmahnkosten im tenorierten Umfang\nbegründet, im Übrigen jedoch unbegründet.\n\n \n\n1.\n\n36\n\n \n\nDem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der\nUnterhaltung einer aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Absprache\nmit Ärzten in deren Arztpraxen betriebenen Rezeptsammelstelle gemäß §§ 8 Abs.\n1, 3, 3a UWG i.V.m. § 24 Abs. 2 ApBetrO zu.\n\n \n\na)\n\n37\n\n \n\nGemäß § 24 Abs. 1 ApBetrO dürfen Einrichtungen zum Sammeln von Verschreibungen\n(Rezeptsammelstellen) nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde unterhalten\nwerden. Ausnahmen sind nur in medizinisch begründeten Einzelfällen denkbar.\nDie Unterhaltung einer Rezeptsammelstelle bei Angehörigen der Heilberufe ist\ngemäß § 24 Abs. 2 ApBetrO aber generell verboten, d.h. auch nicht\ngenehmigungsfähig. Die Regelung stellt eine Marktverhaltensregel i.S.d. § 3a\nUWG dar.\n\n \n\nb)\n\n38\n\n \n\nDurch die Beklagte werden in den Arztpraxen der als Zeugen vernommenen Ärzte,\ndes Dipl.-med. K. und der Frau Dr. W., Rezeptsammelstellen i.S.d. § 24 Abs. 1\nund 2 ApBetrO unterhalten.\n\n39\n\n \n\n(1) \nDass vorliegend die Ärzte (auch) für die Beklagte ärztliche Verordnungen in\nihrer Praxis sammeln und an die Beklagte übergeben – sei es durch deren\nMitarbeiter, durch andere Patienten oder durch eigene Mitarbeiter – steht im\nErgebnis der Beweisaufnahme fest.\n\n40\n\n \n\nDie Zeugin K. erklärte dazu:\n\n41\n\n \n\n_„… Normalerweise ist es so, dass die Patienten mit ihrem Rezept vom Arzt zu\nuns kommen und wir dieses Rezept dann einlösen. Entweder das Rezept ist da\noder wir bestellen es. Es gibt aber auch Patienten die immobil sind. Da ist es\ndann so, dass die Patienten in der Arztpraxis anrufen und um die Ausstellung\neines Rezeptes bitten. Dann rufen die Patienten bei uns in der Apotheke an und\nbeauftragen uns mit der Abholung des Rezeptes in der Arztpraxis. Es gibt dann\nauch noch die Variante des Pflegeheims mit dem wir einen Versorgungsvertrag\nhaben. Dort ist es so, dass wir die Rezepte von dort abholen._\n\n42\n\n \n\n_…_\n\n43\n\n \n\n_Es kommt auch mal vor, dass Rezepte an uns geleitet werden, die wir dann auch\nbearbeiten und ausliefern. Wenn es sich allerdings um viele Rezepte mit\nfremden Namen handelt, geben wir diese an die Arztpraxis zurück. Das erfolgt\ndergestalt, dass diese von den Schwestern der Praxis abgeholt werden. Wenn\nunser Kurierfahrer unterwegs ist, bringt er sie aber auch in die Arztpraxis\nzurück, nachdem das angekündigt worden ist. …“_\n\n44\n\n \n\nDer Zeuge Dipl.-med. K. schilderte die Verfahrensweise in seiner Praxis wie\nfolgt:\n\n45\n\n \n\n_„… Wenn Patienten die Rezepte nicht selbst abholen können, ist es häufig so,\ndass Angehörige die Rezepte vom Tresen abholen. Wenn sie entsprechend\nautorisiert sind und wir die Angehörigen kennen, dann holen sie die Rezepte ab\nund diese werden ihnen ausgehändigt. Es gibt aber zunehmend auch Patienten,\ndie nicht die Möglichkeit haben, jemanden zu schicken. Die Wege sind bei uns\nweiter und die Möglichkeiten des öffentlichen Personennahverkehrs sind sehr\neingeschränkt. So kommt es auch vor, dass wir gebeten werden, ein Rezept\nauszustellen und dieses an eine bestimmte Apotheke zu schicken._\n\n46\n\n \n\n_…_\n\n47\n\n \n\n_Es ist so, dass die Mitarbeiter der verschiedenen Apotheken zu uns kommen und\nRezepte, die für diese Apotheke ausgestellt sind, durchaus auch mitnehmen._\n\n48\n\n \n\n_…_\n\n49\n\n \n\n_Dieses Prozedere, dass Mitarbeiter von Apotheken zu uns kommen und auch\nRezepte, die ohnehin für die Apotheke ausgestellt sind mitnehmen, gilt für\nalle Apotheken mit denen wir zusammenarbeiten, auch für die L.- und die\nD.-Apotheke. Es ist häufig auch so, dass, weil Medikamente nicht vorrätig\nsind, Rezepte noch geändert werden müssen. Das wird auch durch die Mitarbeiter\nder Apotheken bei uns veranlasst. Insofern ist es normal, dass in dem Moment\ndann eben auch die sonstigen Rezepte, die für die Apotheke ausgestellt sind,\nmitgegeben werden. Es erfolgt ohne jegliche Schädigung oder Benachteiligung\nvon irgendjemanden. Es ist inzwischen auch üblich, dass die Lieferfahrer, die\nohnehin unterwegs sind um Medikamente auszuliefern, auch die Arztpraxen\nanfahren und für die einzelnen Apotheken, die für diese ausgestellten Rezepte\nabholen._\n\n50\n\n \n\n_…_\n\n51\n\n \n\n_Welches Rezept für welche Apotheke ist, entscheidet der Patient. Die\nSchwestern müssen das entsprechend nachfragen und dementsprechend erfolgt dann\ndie Kennzeichnung der Rezepte. Nachdem ich die Rezepte unterschrieben habe,\nwerden die Rezepte in die entsprechenden Fächer bei uns gelegt. Die Schwester\nist, wie gesagt, dafür verantwortlich, immer nachzufragen. …_\n\n52\n\n \n\n_Bei unserem Tresen gibt es 4 oder 5 Fächer für die Apotheken und dann gibt es\nauch noch Fächer für die Sanitätshäuser. Das wird bei uns schon immer so\ngehandhabt. …“_\n\n53\n\n \n\nDie Zeugin Dr. W. erklärte zur Verfahrensweise in ihrer Arztpraxis:\n\n54\n\n \n\n_„… Bei immobilen Patienten, bei denen ich Hausbesuche mache, wird teilweise\nauch abgefragt, ob Medikamente benötigt werden. Dann werden diese rezeptiert.\nIn Notfällen rufen Patienten auch an und die Rezepte werden ausgestellt und\ndie Patienten sagen dann, in welcher Apotheke diese Rezepte eingelöst werden\nsollen. Wir haben halt das Problem des ländlichen Bereiches, dass es wenige\nMöglichkeiten gibt, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu uns zu kommen. …_\n\n55\n\n \n\nDiese Verfahrensweise betrifft nach den übereinstimmenden Aussagen zwar\nimmobile Patienten. Jedoch ist davon auszugehen, dass sich die Immobilität\nnicht ausschließlich und auch nicht in jedem Fall allein aus dem\nGesundheitszustand der Patienten ergibt, also nicht immer eine medizinische\nUrsache hat. Ursächlich sind zumindest auch die fehlenden\nTransportmöglichkeiten, sei es wegen der allgemein bekannten unzureichenden\nAnbindung der ländlichen Bereiche an den öffentlichen Personennahverkehr oder\nwegen des Fehlens von Angehörigen, die Patienten fahren können. Diese\nVerschreibungen, zumeist für Dauermedikationen, die nach Anruf durch die\nbehandelnden Ärzte ausgestellt werden, werden entsprechend der Vorgaben der\nPatienten der jeweiligen Apotheke zugeordnet und diesen zugeleitet oder auch\nvon diesen selbst abgeholt. Dies haben sowohl die die vernommenen Ärzte\nbekundet, als auch die Parteien im Nachgang zur Zeugenvernehmung bestätigt.\n\n56\n\n \n\n(2) \nDiese Praxis stellt ein Unterhalten einer Rezeptsammelstelle durch die\nBeklagte dar. Denn unter den Begriff „Rezeptsammelstelle“ fällt jedes\norganisierte Sammeln von Rezepten durch Ärzte, Apotheker, deren Personal oder\ndamit beauftragte Dritte, um sie der Apotheke zur Belieferung zuzuleiten. Es\nbedarf keiner ausdrücklichen Beauftragung durch den Apotheker. Ausreichend ist\nbereits, wenn die Sammlung mit (stillschweigender) Duldung des Apothekers\nerfolgt (vgl. BGH GRUR 1981, 282 – Apothekenbotin GRUR 1982, 313 –\nRezeptsammlung für Apotheker). Es ist also unerheblich, dass die Beklagte\ndiese Praxis nicht selbst initiiert, sondern – vermutlich – von ihrem\nVorgänger einfach übernommen hat. Es ist für die Bejahung des Unterhaltens\neiner Rezeptsammelstelle auch nicht erheblich, ob die Arztpraxen auch bei\nVerschreibungen für andere Apotheken so verfahren. Denn das Verbot ist\nunabhängig davon, ob das Sammeln und die Weitergabe der Verschreibungen einen\neinseitig begünstigenden Charakter für eine bestimmte Apotheke hat.\n\n57\n\n \n\n(3) \nDiese weder genehmigte, noch genehmigungsfähige Sammlung von Verordnungen und\nderen Weitergabe sind auch nicht ausnahmsweise gerechtfertigt. Die Kammer ist\ndavon überzeugt, dass es sich nicht ausschließlich um „Notfälle“ handelt, in\ndenen diese Verfahrensweise praktiziert wird. Der Zeuge Dipl.-med. K. hat\nkeine Einschränkung dergestalt bekundet, dass es sich ausschließlich um\nNotfälle handelt. Die Zeugin Dr. W. hat zwar erklärt, dass es in Notfällen\nvorkomme, dass die Verordnung und die Übermittlung an die jeweilige Apotheke\ntelefonisch erbeten werde. Der Aussage der Zeugin war aber gleichwohl zu\nentnehmen, dass es nicht ausschließlich medizinische Gründe im Sinne eines\nmedizinischen Notfalles sind, weshalb Patienten nicht persönlich in der\nArztpraxis erscheinen, um ihre Verordnungen abzuholen. In nicht wenigen Fällen\nhandelt es sich auch um andere Gründe, wie z.B. fehlende Angehörige oder\nschlechte Anbindungen des öffentlichen Personennahverkehrs. Jedenfalls ist für\ndie Kammer sicher auszuschließen, dass es sich stets um medizinische Notfälle\nhandelt. Auch ist nach den Angaben der Zeugen nicht davon auszugehen, dass\njeweils eine Prüfung des „Notfalles“ stattfindet, sondern die\nRezeptausstellung für bekannte Patienten auf telefonische Anfrage regelmäßiger\nÜbung entspricht.\n\n \n\nc)\n\n58\n\n \n\nDer Unterlassungsantrag des Klägers bezieht sich (auch) auf die hier zu\nbejahende Unterhaltung von Rezeptsammelstellen durch die Beklagte.\n\n59\n\n \n\n(1) \nNach seinem Wortlaut ist Gegenstand des Unterlassungsantrages (Ziffer 1.) die\nAbsprache der Beklagten mit Ärzten und Pflegediensten über die Zuführung von\nPatienten oder die Zuweisung von Verschreibungen, soweit diese nicht im\nEinzelfall als ausnahmsweise zulässig anzusehen sind. Diese Antragsfassung\nentspricht dem Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 1 S. 1 ApoG.\n\n60\n\n \n\n(2) \nAus der Klagebegründung ergibt sich jedoch, dass der Kläger diese Absprachen\nüber die Zuweisung von Verschreibungen nicht nur als Verstoß gegen § 11 Abs. 1\nS. 1 ApoG ansieht, sondern gleichzeitig auch als unzulässige Unterhaltung\neiner Rezeptsammelstelle gemäß § 24 Abs. 1 und 2 ApBetrO. Damit umfasst der\nUnterlassungsantrag auch das Verbot des Unterhaltens einer Rezeptsammelstelle.\nDenn der Streitgegenstand eines Verfahrens wird nicht allein durch den\nKlageantrag bestimmt, sondern auch durch den Lebenssachverhalt (§ 253 Abs. 2\nNr. 2 ZPO). Im Klageantrag konkretisiert sich die vom Kläger begehrte\nRechtsfolge, wie sie aus dem dazu vorgetragenen Lebenssachverhalt hergeleitet\nwird (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, 37. Aufl. 2019, UWG § 12 Rn.\n2.23a).\n\n61\n\n \n\nDeshalb ist der Antrag des Klägers zu Ziffer 1. dahin auszulegen, dass der\nKläger (auch) die Unterlassung der Absprachen zwischen der Beklagten auf der\neinen und Ärzten und Pflegediensten auf der anderen Seite über die Sammlung\nund Weitergabe von Verschreibungen bei letzteren, also die Unterhaltung von\nRezeptsammelstellen begehrt.\n\n \n\nd)\n\n62\n\n \n\nDer Verstoß gegen § 24 Abs. 1 und 2 ApBetrO ist ohne Weiteres geeignet, die\nInteressen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern\nspürbar zu beeinträchtigen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger und\ndie Beklagte vorliegend gleichbehandelt werden, beeinträchtigt die\nVerfahrensweise andere Apotheken. Auch wenn vor Ort keine weitere Apotheke\nvorhanden ist, beschränkt sich der Schutz nicht auf die Gemeinde Feldberger-\nSeenlandschaft. Zudem zeigen die von beiden Parteien geschilderten\n„Fehlläufer“, dass aus der Rezeptsammlung selbst Beeinträchtigungen der\njeweils anderen Apotheke resultieren.\n\n \n\ne)\n\n63\n\n \n\nDem Unterlassungsanspruch steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung\nnicht entgegen. Dieser ist wegen der mit § 24 Abs. 1 und 2 ApBetrO ebenfalls\ngeschützten Interessen der Allgemeinheit ausgeschlossen.\n\n64\n\n \n\nDer Rechtsmissbrauchseinwand (sog. Einwand der „unclean hands“), ist immer\ndann ausgeschlossen, wenn über die Interessen der Wettbewerber hinaus sonstige\nInteressen der Allgemeinheit, der Verbraucher oder Dritter betroffen sind\n(vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Kapitel 2. Rechtsfolgen Vorbemerkungen\nzu §§ 8 ff. Rn. 195). Die Rechtsdurchsetzung geht in diesen Fällen über das\nVerhältnis der Prozessparteien zueinander hinaus. Die Rechtsprechung lässt den\nEinwand von vornherein nicht zu, wenn durch den Verstoß zugleich die\nInteressen Dritter oder der Allgemeinheit berührt werden (vgl. BGH GRUR 1977,\n494 – DERMATEX; KG GRUR 2000, 93 – Zugabeverstoß; OLG Frankfurt GRUR-RR 2008,\n410; OLG Oldenburg GRUR-RR 2009, 67; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2015, 217; OLG\nCelle WRP 2015, 1238). Soweit im Schrifttum zum Teil eine weitergehende\nZulässigkeit des Einwands vertreten wird, ist dem nach Ansicht der Kammer\nnicht zu folgen. Schutzwürdige Interessen des Verletzten können durch Abwehr\ngewahrt werden oder durch Widerklage geltend gemacht werden (vgl. Köhler in\nKöhler/Bornkamm/Feddersen, 37. Aufl. 2019, UWG § 11 Rn. 2.39).\n\n \n\n2.\n\n65\n\n \n\nEin Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Unterlassung von Absprachen\nmit Ärzten und Pflegediensten über die Zuweisung von Verschreibungen im Sinne\ndes § 10 Abs. 1 S. 1 ApoG besteht allerdings nicht.\n\n \n\na)\n\n66\n\n \n\n§ 11 Abs. 1 S. 1 Apothekengesetz (ApoG) verbietet Apothekern bzw. dessen\nPersonal mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von\nKrankheiten befassen, Rechtsgeschäfte vorzunehmen oder Absprachen zu treffen,\ndie Zuführung von Patienten oder die Zuweisung von Verschreibungen zum\nGegenstand haben.\n\n67\n\n \n\n(1) \nDie Regelung schützen das Vertrauen der Verbraucher in die Unabhängigkeit der\nTätigkeit des Apothekers, so dass die Vorschrift sicherstellen soll, dass sich\nder Erlaubnisinhaber einer Apotheke bei seinem Kontakt zu anderen\nGesundheitsberufen nicht von sachfremden und vor allem nicht von finanziellen\nErwägungen leiten lässt (Spickhoff/Sieper, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, ApoG §\n11, Rn. 1 unter Hinweis auf: BGH WRP 2016, 193 - Zuweisung von\nVerschreibungen; OLG Köln MD 2017, 500).\n\n68\n\n \n\n(2) \nUntersagt sind somit alle Absprachen, die auf einen Leistungsaustausch des\nanderen mit dem Patienten bzw. Kunden gerichtet sind, d.h. konkret die\nZuweisung von Patienten an die Apotheke, insbesondere durch Zuweisung von\nVerordnungen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ärztliche Verordnungen dem\nPatienten nicht ausgehändigt, sondern direkt an die Apotheke weitergeleitet\nwerden (vgl. OVG NRW, NVwZ-RR 2000, 216). Die Absprache kann auch\nstillschweigend getroffen werden oder aus einer dauernden Übung heraus\nentstanden sein. Eine unzulässige Zuweisung liegt vor, wenn der mit der\nBehandlung von Krankheiten Befasste die ärztliche Verschreibung unter\nAusschuss anderer Apotheken unmittelbar einer einzelnen Apotheke zukommen\nlässt (vgl. Spickhoff/Sieper, a.a.O.).\n\n \n\nb)\n\n69\n\n \n\nDerartige Absprachen zur unzulässigen Zuweisung von Verordnungen i.S.d. § 11\nAbs. 1 ApoG liegen nach Ansicht der Kammer aber nicht vor.\n\n70\n\n \n\n(1) \nDiese würden voraussetzen, dass eine Zuweisung der Verordnung durch den Arzt\nbzw. dessen Personal zu einer Apotheke erfolgt. Dabei ist Zuweisung nicht im\nSinne einer Zuordnung der Verschreibung zu einer vorbestimmten Apotheke zu\nverstehen, sondern als Auswahl der Apotheke, die die Verschreibung erhalten\nsoll. Denn die Regelung will die mit einer solchen Auswahl einhergehende\nSteuerungsmöglichkeit verhindern.\n\n71\n\n \n\nNach dem vorstehend wiedergegebenen Beweisergebnis ist zwar davon auszugehen,\ndass es Absprachen zwischen Ärzten und Apothekern darüber gibt, dass ärztliche\nVerordnungen auch direkt, d.h. nicht durch die Patienten oder deren\nAngehörige, in die Apotheken gelangen. Jedenfalls existiert eine langjährige\nentsprechende Übung, die zweifelsfrei allen Beteiligten bekannt ist und von\nallen Beteiligten auch tatsächlich so praktiziert wird.\n\n72\n\n \n\nDas Vorliegen und die Nutzung einer derartigen Auswahl- bzw.\nSteuerungsmöglichkeit hat die Beweisaufnahme aber nicht ergeben. Vielmehr ist\ndurch die insoweit vernommenen Zeugen übereinstimmend bekundet worden, dass in\nden Arztpraxen durch das dortige Personal lediglich eine Zuordnung der\nVerschreibungen entsprechend der durch den Patienten bereits getroffenen\nAuswahlentscheidung erfolgt. Diese würden ausdrücklich nach der gewünschten\nApotheke befragt.\n\n73\n\n \n\n(2) \nSoweit der Kläger als Beleg für Absprachen zwischen den Ärzten und der\nBeklagten Vorfälle behauptet, bei denen Rezepte entgegen der Weisungen der\nPatienten an eine „falsche“ Apotheke gelangt sind, kann daraus ebenfalls nicht\nauf eine Absprache zur eigenmächtigen Zuweisung von Verordnungen geschlossen\nwerden. Ausgehend von der vorstehend geschilderten Praxis sind Fehler bei der\nZuordnung der Verordnungen nicht vollständig auszuschließen. Dass es sich bei\ndiesen Fällen nicht um Fehler im Einzelfall, sondern um Fälle innerhalb des\nnormalen Vorgehens aufgrund einer Absprache zwischen Ärzten und der Beklagten\nhandelt, ist nicht ersichtlich. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,\ndass die Fälle der fehlerhaften Zuordnung nicht nur einseitig die Beklagte\nbetreffen.\n\n74\n\n \n\n(3) \nSoweit der Kläger schließlich auf Fälle verweist, bei denen durch\nPflegedienste entgegen der Weisungen der Patienten die Medikamente bei der\nBeklagten bezogen worden seien, können solche – unabhängig von der Richtigkeit\ndieses Vorbringens – keinen Beleg für eine Absprache zwischen Ärzten und der\nBeklagten erbringen. Die Beweisaufnahme hat dazu ergeben, dass die\nbehandelnden Ärzte die Verordnungen bei einer entsprechenden Mitteilung der\nPflegedienste (Stichwort: „Anforderungsliste“) ausstellen. Die Zuordnung zu\neiner Apotheke erfolgt dabei nicht durch die Verordnung selbst, sondern\nentweder erst durch den Pflegedienst, soweit dieser die ausgestellten\nVerordnungen in der Arztpraxis selbst abholt oder durch die Mitarbeiter der\nÄrzte entsprechend der Mitteilung der Pflegedienste, aus welcher Apotheke der\nPatient die Medikamente beziehen will. Das haben sowohl die Zeugen Dipl.-med.\nK. und Dr. W. aus ärztlicher Sicht bestätigt, als auch die Zeugin I. aus Sicht\ndes Pflegedienstes. Damit erfolgt aus Sicht der behandelnden Ärzte die\nZuordnung ebenfalls aufgrund der Auswahlentscheidung des Patienten. Ob sich\nggf. ein Pflegedienst nicht an die Vorgaben der Patienten bei der Auswahl der\nApotheke hält, ist für den behandelnden Arzt nicht ersichtlich. Insofern kann\nallein aus dem – streitigen – Umstand, dass sich Pflegedienste nicht an die\nVorgaben der Patienten halten, nicht auf die Absprache zwischen Ärzten und\nBeklagter geschlossen werden.\n\n75\n\n \n\n(4) \nDaraus kann aber auch nicht auf eine Absprache zwischen Beklagter und\nPflegedienst geschlossen werden. Denn ein Pflegedienst hat unzweifelhaft ein\nerhebliches Eigeninteresse daran, nur mit einer Apotheke zusammenzuarbeiten.\nDies erspart dem Pflegedienst erhebliche Aufwände.\n\n76\n\n \n\nEtwas Anderes könnte nur dann gelten, wenn der Apotheker weiß oder sicher\ndavon ausgehen muss, dass der Pflegedienst systematisch und nicht nur im\nEinzelfall die Vorgaben der Patienten missachtet. Dann handelt er im\nBewusstsein, dass durch den Pflegedienst eine Zuweisung der Verschreibungen zu\nseinen Gunsten erfolgt, was die Annahme einer stillschweigenden Absprache\nrechtfertigen kann.\n\n77\n\n \n\nEine solche Annahme rechtfertigt das Vorbringen des Klägers jedoch nicht.\nAuch, soweit er sich auf die Verteilung von Einwilligungsformularen der\nBeklagten durch einen Pflegedienst beruft, reicht dieses für den Beleg einer\nAbsprache zur Zuweisung von Verschreibungen nicht aus.\n\n78\n\n \n\nDer dazu gehörte Zeuge S. hat erklärt, dass er für seine Mutter ein Formular\nmit dem Briefkopf der Beklagten erhalten habe, mit dem einem Bezug der\nMedikamente von der Beklagten zugestimmt werden sollte. Er habe sich als Kunde\nder D.-Apotheke gewundert, woher die Beklagte die Daten der Mutter habe.\n\n79\n\n \n\nDas Zurücklassen eines Einwilligungsformulars einer Apotheke zum Datenschutz\ndurch den Pflegedienst ist grundsätzlich unkritisch. Wie ausgeführt, übernimmt\nder Pflegedienst - zulässig - die Besorgung der Medikamente im Auftrag der\nPatienten. Soweit der Pflegedienst also die Versorgung über eine bestimmte\nApotheke realisiert und diese eine Einwilligung für die Datenverarbeitung\nbenötigt, ist es auch unproblematisch und lebensnah, wenn diese auch durch den\nPflegedienst beim Patienten für die jeweilige Apotheke eingeholt wird. Dass\nder Pflegedienst dazu die Standardformulare der jeweiligen Apotheke nutzt, ist\nebenfalls unkritisch. Und schließlich muss der Pflegedienst dann auch die\nentsprechenden Patientendaten eintragen.\n\n80\n\n \n\nDass der Pflegedienst vorliegend eine Versorgung der Mutter des Zeugen S.\ngegen den Willen über die Beklagte realisiert hat, ist noch nicht einmal\nbehauptet. Selbst wenn man das Zurücklassen des Formulars als Versuch des\nPflegedienstes ansieht, eine „Zustimmung“ zur Versorgung über die Beklaget zu\nerreichen, ist damit irgendeine Absprache mit der Beklagten, wie vorstehend\ndargelegt, nicht belegt.\n\n \n\n3.\n\n81\n\n \n\nDem Kläger steht auch kein Anspruch auf Unterlassung des Unterhaltens einer\nRezeptsammelstelle bei Pflegediensten zu. Die Beweisaufnahme hat insoweit\nkeine Praxis ergeben, die den Tatbestand des § 24 Abs. 1 ApBetrO erfüllt.\n\n82\n\n \n\nDie zur Praxis von Pflegediensten gehörte Zeugin L. erklärte, dass den\nArztpraxen die „Anforderungslisten“ zugesandt werden, die die notwendige\nMedikation für die vom Pflegedienst betreuten Pflegebedürftigen enthalten. Die\ndaraufhin ausgestellten Verordnungen würden, wenn sie nicht über die\nArztpraxen in der vorstehend geschilderten Weise zu den Apotheken gelangen,\ndurch die Pflegedienste abgeholt und dann im Auftrag der Patienten in den\njeweils durch diese bestimmten Apotheken abgeholt werden. Die rein\ntatsächliche Sammlung der Verordnungen bei den Pflegediensten und die Übergabe\nan die Apotheke stellt jedoch keine Rezeptsammelstelle dar, da der\nPflegedienst insoweit im Auftrag des Patienten die Verordnung für diesen in\nder Apotheke einlöst.\n\n \n\n4.\n\n83\n\n \n\nDem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Feststellung einer\nSchadenersatzpflicht gemäß § 9 S. 1 UWG zu. Insofern besteht auch kein sich\ndarauf beziehender Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB.\n\n \n\na)\n\n84\n\n \n\nGemäß § 9 Abs. 1 UWG ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig eine nach\n§ 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, dem Mitbewerber zum\nErsatz des daraus entstehenden Schadens verantwortlich.\n\n \n\nb)\n\n85\n\n \n\nEs ist weder durch den Kläger vorgetragen, noch sonst ersichtlich, dass dem\nKläger als Mitbewerber der Beklagten durch die Unterhaltung der\nRezeptsammelstelle bei den behandelnden Ärzten ein Schaden entstanden sein\nkönnte. Denn, wie ausgeführt, erfolgt durch die Rezeptsammelstelle „lediglich“\ndie Zuordnung, nicht die Zuweisung von Verordnungen entsprechend der\nPatientenwünsche. Diese Zuordnung erfolgt zudem nicht exklusiv für die\nBeklagte, sondern gerade auch für den Kläger. Es ist damit nicht so, dass\nwegen des Unterhaltens der Rezeptsammelstellen durch die Beklagte der Kläger\nweniger Verordnungen enthält, weil diese vorenthalten oder „umgeleitet“\nwerden.\n\n \n\nc)\n\n86\n\n \n\nMangels Feststellungsanspruch ist auch der Auskunftsanspruch, der allein der\nBezifferung des Schadenersatzanspruches dienen soll, unbegründet.\n\n \n\nd)\n\n87\n\n \n\nUngeachtet dessen wären diese Ansprüche auch nicht begründet, da deren\nGeltendmachung als unzulässige Rechtsausübung einzuordnen ist.\n\n88\n\n \n\nEin Ersatzanspruch gegen einen Mitbewerber ist regelmäßig ausgeschlossen, wenn\nbeide Parteien im Wesentlichen gleichzeitig, in gleicher Art und Weise und in\ngleichem Umfang wettbewerbswidrig gehandelt haben (vgl. BGH GRUR 1970, 563 –\nBeiderseitiger Rabattverstoß; GRUR 1971, 582 (584) – Kopplung im\nKaffeehandel). Insoweit handelt es sich um eine Art Schadenskompensation (vgl.\nKöhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 37. Aufl. 2019, UWG § 11 Rn.\n2.40).\n\n89\n\n \n\nInsoweit greift vorliegend der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gemäß §\n242 BGB durch, nachdem auch der Kläger unzulässige Rezeptsammelstellen bei\nÄrzten im Sinne des § 24 Abs. 1 und 2 ApBetrO betreibt. Auch für Patienten,\ndie ihre Medikamente beim Kläger beziehen, sammeln die Arztpraxen der Zeugen\nDipl.-med. K. und Dr. W. die Verschreibungen und leiten diese in der oben\nerläuterten Art und Weise an den Kläger weiter. Die rechtliche Einordnung ist\nidentisch. Dass sich der Umfang voneinander unterscheidet, ist nicht\nfeststellbar. Zwar mag es sein, dass eine größere Anzahl an Verordnungen der\nBeklagten zugeordnet wird, nachdem die von ihr übernommene Apotheke schon\nlänger im Ort betrieben wird. Darauf kommt es aber für die Frage des Umfanges\ndes Wettbewerbsverstoßes selbst nicht maßgeblich an. Vor diesem Hintergrund\nstellt es sich als treuwidrige dar, wenn der Kläger für die gleiche\nZuwiderhandlung der Beklagten einen Schadenersatzanspruch fordert.\n\n90\n\n \n\nInsoweit bestehen auch lediglich eigene Interessen des Klägers, die nicht\nschutzwürdig sind. Interessen der Allgemeinheit oder der Verbraucher sind\nhingegen nicht betroffen.\n\n \n\n5.\n\n91\n\n \n\nDer Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG einen Anspruch\nauf Erstattung der für die berechtigte Abmahnung angefallenen Kosten i.H.v.\n984,00 EUR zzgl. 187,07 EUR Mehrwertsteuer. Dabei geht die Kammer für den\nUnterlassungsantrag selbst von einem Streitwert i.H.v. 30.000,00 EUR aus. Der\nunbegründete Antragsteil ist dabei mit 10.000,00 EUR zu bewerten, so dass sich\ndie erstattungsfähigen Abmahnkosten aus einem Streitwert von 20.000,00 EUR\nberechnen. Der diesbezügliche Zinsanspruch folgt aus § 291 ZPO.\n\n \n\nII.\n\n92\n\n \n\nDie zulässige Widerklage ist teilweise begründet.\n\n \n\n1.\n\n93\n\n \n\nDer Beklagten steht gegen den Kläger ein Anspruch auf Unterlassung der Abgabe\nverschreibungspflichtiger Arzneimittel nach § 48 AMG ohne gültiges Rezept und\nohne Vorliegen einer Ausnahme nach § 4 Arzneimittelverschreibungsverordnung\n(AMVV) gemäß §§ 8 Abs. 1, 3, 3a UWG i.V.m. § 1 AMVV zu.\n\n \n\na)\n\n94\n\n \n\nGemäß § 1 Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) dürfen Arzneimittel\ngrundsätzlich nur bei Vorliegen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder\ntierärztlichen Verschreibung abgegeben werden (verschreibungspflichtige\nArzneimittel). Eine Ausnahme bestimmt § 4 Abs. 1 AMVV, wonach der Apotheker\ndurch die verschreibende Person in geeigneter Weise über die Verschreibung und\nderen Inhalt unterrichtet wird, wenn die Anwendung eines\nverschreibungspflichtigen Arzneimittels keinen Aufschub erlaubt. Falls auf\nandere Art und Weise eine erhebliche, akute Gesundheitsgefährdung des\nPatienten nicht abzuwenden ist, kann die Abgabe eines\nverschreibungspflichtigen Medikaments durch den Apotheker im Einzelfall in\nanaloger Anwendung von § 34 StGB in Betracht kommen, obwohl ihm weder ein\nRezept vorgelegt wird noch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AMVV erfüllt\nsind (vgl. BGH WRP 2015, 1095 – Abgabe ohne Rezept).\n\n \n\nb)\n\n95\n\n \n\nDer Kläger hat jedenfalls in einem Fall ein verschreibungspflichtiges\nMedikament ohne Vorliegen einer entsprechenden ärztlichen Verordnung\nherausgegeben.\n\n96\n\n \n\n(1) \nDie Medikation für den Patienten R. wurde an eine Mitarbeiterin des\nPflegedienstes „D.“ durch den Kläger übergeben. Das bestätigte die vom Kläger\nselbst benannte Zeugin K., die erklärte:\n\n97\n\n \n\n_„… Ich kann mich an den Vorgang erinnern. Das war an einem Vormittag. Vom\nPflegedienst kam eine Schwester A., die dort neu war und hat sich vorgestellt.\nSie wollte die Medikamente für einen Patienten abholen, der bei uns auch Kunde\nist. Uns lag allerdings kein Rezept vor. Eine Kontaktaufnahme mit der\nArztpraxis war nicht möglich, da zu diesem Zeitpunkt die Arztpraxis nicht\ngeöffnet hatte. Nachdem es sich um Medikamente für einen chronisch Kranken\nhandelte, haben wir die Medikamente ausgehändigt. Ich bin dann in die\nArztpraxis gefahren, um das Rezept, was ja für uns ausgestellt worden sein\nsollte, abzuholen._\n\n98\n\n \n\n_…_\n\n99\n\n \n\n_Dr. W. war zu diesem Zeitpunkt nicht telefonisch erreichbar, da sie im Urlaub\ngewesen ist._\n\n100\n\n \n\n_…_\n\n101\n\n \n\n_Ich selbst hatte nicht den Kontakt mit Schwester A.. Das war Herr K.. Ich bin\naber angewiesen worden, beim Arzt nachzufragen hinsichtlich der Medikamente.\nDer Anruf war wie gesagt nicht erfolgreich. …“_\n\n102\n\n \n\nDass bei Herausgabe keine ärztliche Verordnung vorlag, ergibt sich neben der\nAussage der Zeugin K. auch aus der Aussage der behandelnden Ärztin, der Zeugin\nDr. W.. Diese erklärte:\n\n103\n\n \n\n_„… An den Vorfall kann ich mich ganz genau erinnern. Das war der 29.09.. Das\nwar der letzte Tag im Quartal. Am letzten Tag im Quartal mache ich immer meine\nAbrechnung und schließe deshalb die Praxis. Es war so gewesen, dass ich mit\nder Abrechnung fertig war, als mich Frau W. angerufen hat. Das war gegen\nMittag. Sie sagte, dass der Patient R. dringend zwei Medikamente benötigen\nwürde, zum einen ein Herzmedikament und zum anderen ein Blutdruckmedikament.\nDiese Medikation war dringend, da ansonsten übers Wochenende keine Versorgung\nstattgefunden hätte. Ich habe dann gesagt, dass die Medikamente rausgegeben\nwerden können. Es handelte sich dabei um die Dauermedikation für Herrn R., das\nwar mir auch bekannt. Ich habe dann Frau W. auch noch gesagt, dass ich\nallerdings erst am 04.10. wieder in der Praxis sein werde und sie gebeten,\ndann das Rezept abzuholen. Das Rezept ist dann durch eine Mitarbeiterin\nabgeholt worden. Frau K. von der D.-Apotheke ist dann in die Praxis gekommen\nund hat ebenfalls dieses Rezept gefordert. Ich war bei der Arzthelferin, als\nFrau K. in die Praxis gekommen ist und habe deswegen das ganze Gespräch\nmitbekommen. Meine Arzthelferin hat ihr mitgeteilt, dass sich das ja bereits\nerledigt hätte. Frau K. hat erklärt, dass die Schwester A. vom Pflegedienst da\ngewesen sei und die Medikamente aus der D.-Apotheke geholt hätte. Sie hat\ndeswegen gefordert, ein Rezept dafür zu erhalten. Ich habe mich geweigert, da\nes ansonsten ja eine Doppelausstellung gewesen wäre. Ich habe erklärt, dass es\nkeine entsprechende Absprache mit mir zu der Medikamentenherausgabe gegeben\nhabe und ich deswegen das Rezept nicht ausstellen werde. Sie hat dann\ngeäußert, dass sie dann ganz schnell zum Pflegedienst müsse, um die\nMedikamente zurück zu holen. Dann hat sie die Praxis verlassen. …“_\n\n104\n\n \n\nZweifel an den – übereinstimmenden – Aussage der beiden Zeuginnen hat die\nKammer nicht.\n\n105\n\n \n\n(2) \nSoweit die Beklagte darüber hinaus einen weiteren Fall der Herausgabe\nverschreibungspflichtiger Arzneimittel an eine Frau P. behauptet hat, ist\ndieser jedoch nicht bewiesen.\n\n106\n\n \n\naa) Der insoweit gehörte Zeuge L., Mitarbeiter der Beklagten in der\nL.-Apotheke, hat dazu erklärt:\n\n107\n\n \n\n_„… Frau P. kam an einem Freitagnachmittag in die Apotheke. Sie hatte einen\nArztbrief dabei und einen bundeseinheitlichen Medikationsplan. Die Medikation\nwar für den Vater. Unter anderem ging es um ein Antibiotikum. Der Vater hatte\ndas Antibiotikum ausweislich des Arztbriefes bereits 7 Tage in der Klinik\nerhalten. Nach meiner Erfahrung wäre es notwendig gewesen, die hohe Dosis, die\n7 Tage gegeben wird, zu reduzieren. Das war jedenfalls meine Erfahrung aus\nmeiner Zeit in der Krankenhausapotheke in Bremen. Ich habe es deswegen für\nnotwendig erachtet, mit dem behandelnden Arzt Rücksprache zu halten. Der\nbehandelnde Arzt war aber nicht zu erreichen. Aus diesem Grunde habe ich die\nAbgabe des Medikaments grundsätzlich verweigert._\n\n108\n\n \n\n_…_\n\n109\n\n \n\n_Frau P. hat sich dann fürchterlich aufgeregt und rumgeschrien und hat dann\ndie Apotheke verlassen. Am folgenden Tag ist sie wiedergekommen, wobei sie nur\nin die Tür reingekommen ist, nicht in die Apotheke selber und hat dann\ngerufen, dass sie das Medikament von der D.-Apotheke erhalten habe._\n\n110\n\n \n\n_…_\n\n111\n\n \n\n_Bis auf den Zuruf und den nachträglichen Kontakt, wo ich sie nochmal\nangesprochen habe, habe ich keine Erkenntnisse darüber, dass sie das\nMedikament bekommen hat. Wenn sie nicht nochmal gekommen wäre, hätte ich davon\nja auch gar nichts erfahren. …“_\n\n112\n\n \n\nbb) Diese Bekundung reicht für die notwendige Überzeugung der Kammer, dass in\nder Apotheke des Klägers tatsächlich die Medikation herausgegeben wurde, nicht\naus. Zwar ist dieser Ablauf vorstellbar und auch möglich, dass die Kundin bei\nihrem Ruf in die Apotheke der Beklagten am nächsten Tag das tatsächliche\nGeschehen „mitgeteilt“ hat. Denkbar ist aber gleichermaßen, dass sie damit\nallein ihre anhaltende Verärgerung über die Ablehnung des Zeugen L. zum\nAusdruck bringen wollte. So beschrieb der Zeuge ja auch seinen Eindruck, die\nKundin habe die Ablehnung der Herausgabe der Medikamente „persönlich\ngenommen“.\n\n \n\nc)\n\n113\n\n \n\nEin Ausnahmefall gemäß § 4 AMVV lag bei der Herausgabe der Medikamente nicht\nvor, da es zwar nach den Angaben der Zeugin K. den Versuch gegeben hat,\nKontakt mit der Zeugin Dr. W. aufzunehmen. Dieser ist jedoch, wie auch die\nZeugin W. bestätigte, nicht zustande gekommen, so dass die Herausgabe des\nMedikaments nicht auf § 4 AMVV gestützt werden kann.\n\n \n\nd)\n\n114\n\n \n\nSchließlich ist auch kein Fall des Notstandes in analoger Anwendung des § 34\nStGB anzunehmen, nachdem der Kläger dazu nichts vorgetragen hat. Zwar erklärte\ndie Zeugin Dr. W. in Bezug auf die telefonische Genehmigung i.S.d. § 4 AMVV\ngegenüber der Beklagten, dass es sich um Medikamente gehandelt habe, die\ndringend für das anstehende Wochenende benötigt worden seien. Der Kläger hat\nsich aber weder dazu geäußert, noch sich die Zeugenaussage zu Eigen gemacht.\nEr hat sich vielmehr zur Herausgabe der Medikation nicht geäußert, sondern die\nBegebenheit allein zum Beleg dafür vorgetragen, dass der Beklagten eine\nVerordnung entgegen des Willens des Patienten zugeleitet worden sei (vgl.\nSchriftsatz vom 29.08.2018, S. 3 unten; Bl. 108 Bd. I d.A.).\n\n \n\ne)\n\n115\n\n \n\nDer Verstoß gegen § 1 AMVV - auch insoweit handelt es sich um eine\nMarktverhaltensregel i.S.d. § 3a UWG - ist u.a. geeignet, die Interessen der\nMitbewerber zu beeinträchtigen.\n\n \n\n2.\n\n116\n\n \n\nDer Beklagten steht – ebenso, wie dem Kläger – ein Anspruch auf Unterlassung\nder Unterhaltung einer aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender\nAbsprache mit Ärzten in deren Arztpraxen betriebenen Rezeptsammelstelle gemäß\n§§ 8 Abs. 1, 3, 3a UWG i.V.m. § 24 Abs. 2 ApBetrO zu.\n\n \n\na)\n\n117\n\n \n\nÜber den Hilfsantrag ist zu entscheiden, nachdem die Bedingung unter der er\ngestellt wurde, eingetreten ist. Die Beklagte hat diesen Unterlassungsanspruch\n„für den Fall des Obsiegens des Klägers“ geltend gemacht. Dabei bezieht sich\nder Antrag nach der Begründung offenkundig auf das Obsiegen des Klägers\nbezüglich seines Klageantrages zu Ziffer 1., nachdem dem Kläger durch die\nBeklagte ein identisches Verhalten vorgeworfen wird. Nachdem der Kläger\ninsoweit jedenfalls teilweise obsiegt, ist die Bedingung eingetreten.\n\n118\n\n \n\nDer Widerklageantrag ist allerdings nicht nur auf den begründeten Teil des\nKlageantrages zu 1. beschränkt, sondern insgesamt gestellt worden. Denn die\nBedingung betrifft nur das „ob“, nicht aber den Umfang der Widerklage, wie\nsich aus der Formulierung „für den Fall des Obsiegens“ ergibt.\n\n \n\nb)\n\n119\n\n \n\nDie Voraussetzungen des Unterlassungsanspruches bezüglich der Unterhaltung von\nRezeptsammelstellen i.S.d. § 24 Abs. 1 und 2 ApBetrO liegen vor. Die gängige\nVerfahrensweise der Sammlung und Weitergabe der Verschreibungen in den\nArztpraxen der Zeugen Dipl.-med. K. und Dr. W. erfolgt auch zugunsten des\nKlägers, wie beide Ärzte bekundeten. Auch für den Kläger stellt diese eine\nunzulässige Unterhaltung einer Rezeptsammelstelle dar. Auf die obigen\nAusführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.\n\n \n\nc)\n\n120\n\n \n\nEinen darüber hinausgehenden Unterlassungsanspruch wegen des Bestehens von\nAbsprachen über die Zuweisung von Verordnungen i.S.d. § 11 Abs. 1 S. 1 ApoG\nkann aber auch die Beklagte nicht geltend machen, da ein entsprechender\nSachverhalt nicht belegt ist. Insoweit ist die weitergehende Widerklage\ndeshalb abzuweisen.\n\n \n\n3.\n\n121\n\n \n\nEin Anspruch der Beklagten gegen den Kläger auf Unterlassung des Verzichts der\nEinziehung der gesetzlichen Zuzahlung gemäß § 43c Abs. 1 SGB V besteht nicht.\n\n122\n\n \n\nDie Beklagte hat zwar vorgetragen, eine Patientin habe am 29.05.2018\nzuzahlungspflichtige Medikamente in ihrer Apotheke abgeholt, sich verwundert\nüber die Zuzahlungspflicht gezeigt und erklärt, in der Apotheke des Klägers\nkeine Zuzahlung leisten zu müssen. Sie hat insoweit Beweis durch Vernehmung\neiner Mitarbeiterin, der Zeugin Weiske, angeboten.\n\n123\n\n \n\nDie Beweisaufnahme war jedoch nicht angezeigt, da allein die Bekundung einer\nsolchen Äußerung nicht ausreicht, um die Überzeugung zu gewinnen, dass die\nPatientin tatsächlich für zuzahlungspflichtige Medikamente in der Apotheke des\nKlägers keine Zuzahlung leisten musste. Eine Beweisführung wäre vielmehr nur\nüber die Patientin selbst denkbar. Eine solche ist jedoch trotz des Hinweises\nder Kammer zur fehlenden Eignung des Beweisangebotes nicht angeboten worden.\n\n \n\n4.\n\n124\n\n \n\nDer Beklagten stehen ebenfalls keine Ansprüche auf Feststellung der\nSchadenersatzpflicht des Klägers wegen der zu unterlassenen Handlungen gemäß §\n9 Abs. 1 UWG zu. Insofern besteht auch kein sich darauf beziehender\nAuskunftsanspruch gemäß § 242 BGB. Auf die Ausführungen hinsichtlich der\nentsprechenden Klageanträge wird verwiesen.\n\n125\n\n \n\nZwar steht der Beklagten ein weiterer Unterlassungsanspruch wegen der\nunzulässigen Abgabe eines verschreibungspflichtigen Medikamentes ohne\nVerordnung gegen den Kläger zu. Aber auch insoweit ist ein Schaden der\nBeklagten nicht erkennbar. Dass die Abgabe eines Medikamentes ohne Verordnung\nbei der Beklagten überhaupt zu einem Schaden führen könnte, geschweige denn zu\neinem Schaden geführt hat, hat die Beklagte nicht vorgetragen und ist auch\nsonst nicht ersichtlich.\n\n \n\nIII.\n\n126\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Danach haben beide Parteien\nnach dem Verhältnis von Obsiegen und Verlieren bei Klage und Widerklage die\nKosten jeweils zur Hälfte zu tragen.\n\n127\n\n \n\nDie Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO bzw. §§\n708 Nr. 11, 711 ZPO.\n\n \n\nIV.\n\n128\n\n \n\nDer Streitwert wird auf 102.500,00 EUR festgesetzt.\n\n129\n\n \n\nDieser war gemäß § 45 Abs. 1 GKG aus der Summe der Einzelwerte von Klage\n(39.000,00 EUR) und Widerklage (63.500,00 EUR) zu bestimmen. Die\nEinzelstreitwerte der Anträge bestimmen sich nach § 51 Abs. 2 GKG.\n\n130\n\n \n\nFür die Unterlassungsanträge der Klage und der Widerklage wegen Absprachen\nüber die Zuweisung von Verschreibungen sind die Streitwerte unter\nBerücksichtigung der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung für die Parteien\njeweils mit 30.000,00 EUR festzusetzen. Es handelt sich insoweit zwar um\nidentische Wettbewerbsverstöße, jedoch nicht um den gleichen Gegenstand i.S.d.\n§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG, so dass beide Streitwerte zu berücksichtigen sind. Die\nbeiden zusätzlichen Unterlassungsanträge der Widerklage sind angesichts der\nwirtschaftlich geringeren Reichweite mit jeweils 10.000,00 EUR zu bemessen.\n\n131\n\n \n\nDer Streitwert für den Klageantrag auf Feststellung der Schadenersatzpflicht\nwegen der Verletzung des § 10 Abs. 1 ApoG ist am Interesse an der\nverjährungshemmenden Feststellung zu bemessen (vgl. BGH GRUR 1986, 93 –\nPreisabstandsklausel). Dieses Interesse wird wiederum bestimmt vom\n(theoretischen) Schadenersatzanspruch, wobei vorliegend zu berücksichtigen\nist, dass Ansprüche seit dem 01.08.2017 geltend gemacht werden. Ausgehend von\neinem geschätzten Schadenersatzanspruch i.H.v. 10.000,00 EUR, ist der\nFeststellungsantrag mit 3/4, also mit 7.500,00 EUR zu bemessen. Hinsichtlich\ndes Streitwertes des Widerklageantrages auf Feststellung der\nSchadenersatzpflicht sind die weitergehenden Unterlassungsanträge und der\ndamit theoretisch größere Schaden zu berücksichtigen. Ausgehend von einem\ngeschätzten Schaden von 15.000,00 EUR, ist der Feststellungsantrag mit 3/4,\nalso mit 11.250,00 EUR zu bemessen.\n\n132\n\n \n\nDer Auskunftsanspruch dient lediglich der Berechnung des\nSchadenersatzanspruches und ist deshalb mit einem Bruchteil – nach der\nRechtsprechung der Kammer von 1/5 – des Feststellungsstreitwertes zu bemessen\n(vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, 37. Aufl. 2019, UWG § 12\nRn. 5.14). Der Streitwert für den Auskunftsantrag der Klage ist damit mit\n1.500,00 EUR, der des Auskunftsantrages der Widerklage mit 2.250,00 EUR zu\nbemessen.\n\n
326,183
bfh-2019-11-19-vii-r-1718
6
Bundesfinanzhof
bfh
Bundesrepublik Deutschland
Bundesgericht
VII R 17/18
2019-11-19
2020-02-28 11:00:08
2020-02-28 11:06:07
EuGH-Vorlage
ECLI:DE:BFH:2019:VE.191119.VIIR17.18.0
## Tenor\n\n \n\n1\\. Dem Gerichtshof der Europaischen Union wird folgende Frage zur\nVorabentscheidung vorgelegt:\n\n \n\n \n\nIst ein Anspruch auf Erstattung zu Unrecht festgesetzter Stromsteuer nach\nUnionsrecht zu verzinsen, wenn der niedrigeren Festsetzung der Stromsteuer die\nfakultative Steuerermaßigung nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie\n2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der\ngemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen\nund elektrischem Strom (RL 2003/96) zugrunde lag und die zu hohe\nSteuerfestsetzung ausschließlich auf einem Fehler bei der Anwendung der\nnationalen Vorschrift, die zur Umsetzung des Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL\n2003/96 erlassen wurde, auf den Streitfall beruhte?\n\n \n\n \n\n2\\. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europaischen\nUnion uber die Vorabentscheidungsfrage ausgesetzt.\n\n## Tatbestand\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDie Klagerin und Revisionsklagerin (Klagerin), ein Unternehmen des\nProduzierenden Gewerbes, bezog aus dem Versorgungsnetz unversteuerten\nWechselstrom und speiste diesen in Akkumulatoren ein. In ihrer\nStromsteueranmeldung fur das Jahr 2010 erklarte sie diese Strommenge als\nEigenverbrauch und wahlte den ermaßigten Steuersatz gemaß § 9 Abs. 3 des\nStromsteuergesetzes in der Fassung (i.d.F.) vom 19.12.2008 (--StromStG--,\nBundesgesetzblatt I 2008, 2794). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das\nHauptzollamt --HZA--) besteuerte diese Strommenge jedoch zum Regelsteuersatz\nund erließ einen von der Steueranmeldung abweichenden Stromsteuerbescheid.\nHiergegen legte die Klagerin Einspruch ein. Die Klagerin leistete auf die\nStromsteuer fur das Jahr 2010 monatliche Vorauszahlungen.\n\n \n\n2\n\n \n\nNachdem in einem Gerichtsverfahren betreffend das Jahr 2006 die Anwendbarkeit\ndes ermaßigten Steuersatzes gemaß § 9 Abs. 3 StromStG festgestellt worden war,\nanderte das HZA auch die Stromsteuerfestsetzung fur das Jahr 2010 und\nbesteuerte die im Jahr 2010 in die Akkumulatoren eingespeiste Strommenge nun\nebenfalls ermaßigt.\n\n \n\n3\n\n \n\nIm Dezember 2014 beantragte die Klagerin die Festsetzung von Zinsen im\nHinblick auf die erstattete Stromsteuer fur das Kalenderjahr 2010, was das HZA\nablehnte.\n\n \n\n4\n\n \n\nDas Finanzgericht urteilte, die Klagerin habe weder nach nationalem Recht noch\nnach Unionsrecht einen Anspruch auf die begehrte Verzinsung. Die erstattete\nStromsteuer sei nicht nach Unionsrecht zu verzinsen, weil der Verbrauch des\nStroms zum Laden der Akkumulatoren schon nicht in den Anwendungsbereich der\nRichtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der\ngemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen\nund elektrischem Strom --RL 2003/96-- (Amtsblatt der Europaischen Union\n--ABlEU-- Nr. L 283/51, i.d.F. nach der Richtlinie 2004/75/EG des Rates vom\n29.04.2004 zur Änderung der Richtlinie 2003/96/EG im Hinblick auf die\nMoglichkeit der Anwendung vorubergehender Steuerermaßigungen und\nSteuerbefreiungen auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom, ABlEU Nr. L\n157/100) falle. Abgesehen davon sei der Klagerin zu Unrecht eine\nSteuerermaßigung versagt worden, die nach Unionsrecht lediglich fakultativ sei\nund fur die das Unionsrecht keine zwingenden Vorgaben mache.\n\n \n\n5\n\n \n\nGegen dieses Urteil hat die Klagerin Revision eingelegt. Nach ihrer Auffassung\nsind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europaischen Union (EuGH)\nnicht nur unionsrechtswidrig erhobene Steuern zu erstatten, sondern auch\netwaige Zinsnachteile zu ersetzen, was auch bei der Anwendung fakultativer\nSteuerermaßigungen gelte. Abgesehen davon handele es sich bei dem Laden einer\nBatterie um einen reversiblen Vorgang, der nicht mit einem elektrolytischen\nHerstellungsprozess, wie er in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b dritter Anstrich RL\n2003/96 und § 9a Abs. 1 Nr. 1 StromStG vorausgesetzt werde, vergleichbar sei.\n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n \n\nII.\n\n6\n\n \n\nDer Senat setzt das bei ihm anhangige Revisionsverfahren aus (§ 121 Satz 1\ni.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt dem EuGH gemaß Art. 267 des\nVertrags uber die Arbeitsweise der Europaischen Union folgende Frage zur\nVorabentscheidung vor:\n\n \n\n7\n\n \n\nIst ein Anspruch auf Erstattung zu Unrecht festgesetzter Stromsteuer nach\nUnionsrecht zu verzinsen, wenn der niedrigeren Festsetzung der Stromsteuer die\nfakultative Steuerermaßigung nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 zugrunde\nlag und die zu hohe Steuerfestsetzung ausschließlich auf einem Fehler bei der\nAnwendung der nationalen Vorschrift, die zur Umsetzung des Art. 17 Abs. 1\nBuchst. a RL 2003/96 erlassen wurde, auf den Streitfall beruhte?\n\n \n\n \n\n \n\nIII.\n\n8\n\n \n\nNach Auffassung des Senats kommt es fur die Losung des Streitfalls auf\nVorschriften der RL 2003/96 an. Bei der Auslegung dieser Richtlinie bestehen\nZweifel, die fur den Streitfall entscheidungserheblich sind:\n\n \n\n9\n\n \n\n** Anzuwendendes Unionsrecht: **\n\n \n\nArt. 2 RL 2003/96:\n\n \n\n(1) (…)\n\n \n\n(2) Diese Richtlinie gilt ferner fur folgendes Erzeugnis:\n\n \n\nElektrischer Strom im Sinne des KN-Codes 2716.\n\n \n\n(3) (…)\n\n \n\n(4) Diese Richtlinie gilt nicht fur:\n\n \n\na) (…)\n\n \n\nb) fur folgende Verwendungen von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom:\n\n \n\n\\- (…)\n\n \n\n\\- (…)\n\n \n\n\\- fur elektrischen Strom, der hauptsachlich fur die Zwecke der chemischen\nReduktion, bei der Elektrolyse und bei Prozessen in der Metallindustrie\nverwendet wird;\n\n \n\n(…)\n\n \n\n10\n\n \n\nArt. 17 RL 2003/96:\n\n \n\n(1) Die Mitgliedstaaten konnen in den nachstehenden Fallen fur den Verbrauch\nvon Energieerzeugnissen, die zu Heizzwecken bzw. fur die Zwecke des Artikels 8\nAbsatz 2 Buchstaben b) und c) verwendet werden, und von elektrischem Strom\nSteuerermaßigungen anwenden, sofern die in dieser Richtlinie vorgeschriebenen\nMindeststeuerbetrage im Durchschnitt fur alle Betriebe eingehalten werden:\n\n \n\na) Fur energieintensive Betriebe. (…)\n\n \n\n(2) Unbeschadet des Artikels 4 Absatz 1 konnen die Mitgliedstaaten bei\nEnergieerzeugnissen und elektrischem Strom nach Artikel 2, die von\nenergieintensiven Betrieben im Sinne des Absatzes 1 dieses Artikels verwendet\nwerden, einen bis zu Null gehenden Steuerbetrag anwenden.\n\n \n\n(3) Unbeschadet des Artikels 4 Absatz 1 konnen die Mitgliedstaaten bei\nEnergieerzeugnissen und elektrischem Strom nach Artikel 2, die von\nBetriebseinheiten im Sinne des Artikels 11 verwendet werden, die keine\nenergieintensiven Betriebe im Sinne des Absatzes 1 des vorliegenden Artikels\nsind, einen niedrigeren Steuerbetrag anwenden, der bis zu 50 % unter den in\ndieser Richtlinie festgelegten Mindestbetragen liegt.\n\n \n\n11\n\n \n\nArt. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 uber das allgemeine\nVerbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG --RL\n2008/118-- (ABlEU Nr. L 9/12):\n\n \n\n(1) Diese Richtlinie legt ein allgemeines System fur die Verbrauchsteuern\nfest, die mittelbar oder unmittelbar auf den Verbrauch folgender Waren\n(nachstehend "verbrauchsteuerpflichtige Waren" genannt) erhoben werden:\n\n \n\na) Energieerzeugnisse und elektrischer Strom gemaß der Richtlinie 2003/96/EG;\n\n \n\n(…)\n\n \n\n12\n\n \n\n** Anzuwendendes nationales Recht: **\n\n \n\n§ 3 StromStG Steuertarif:\n\n \n\nDie Steuer betragt 20,50 Euro fur eine Megawattstunde.\n\n \n\n \n\n§ 9 StromStG Steuerbefreiungen, Steuerermaßigungen:\n\n \n\n(1) bis (2a) (…)\n\n \n\n(3) Strom unterliegt (…) einem ermaßigten Steuersatz von 12,30 Euro fur eine\nMegawattstunde, wenn er von Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder\nUnternehmen der Land- und Forstwirtschaft fur betriebliche Zwecke entnommen\nwird und nicht nach Absatz 1 von der Steuer befreit ist.\n\n \n\n(4) bis (8) (…)\n\n \n\n \n\nIV.\n\n13\n\n \n\nDie rechtliche Wurdigung des Streitfalls ist unionsrechtlich zweifelhaft. Es\nkommt darauf an, ob ein Anspruch auf Erstattung von Stromsteuer nach der EuGH-\nRechtsprechung zu verzinsen ist, wenn dieser von einem Mitgliedstaat auf die\nAnwendung einer fakultativen Steuerermaßigung gestutzt wird.\n\n \n\n14\n\n \n\n1\\. Im Streitfall (betreffend das Jahr 2010) ist die Stromsteuer mit der\nEntnahme des Wechselstroms aus dem Versorgungsnetz entstanden, weil der Strom\nin den Akkumulatoren in chemische Energie umgewandelt und somit verbraucht\nwurde. Dieser Stromverbrauch unterliegt einem ermaßigten Steuersatz von 12,30\n€ fur eine Megawattstunde nach § 9 Abs. 3 StromStG und nicht dem\nRegelsteuersatz von 20,50 € fur eine Megawattstunde nach § 3 StromStG. Denn es\nhandelt sich um eine Entnahme von Strom durch ein Unternehmen des\nProduzierenden Gewerbes fur betriebliche Zwecke. Dies wurde fur Stromentnahmen\nim Jahr 2006 rechtskraftig gerichtlich entschieden.\n\n \n\n15\n\n \n\nDer Anspruch auf Erstattung zu viel gezahlter Stromsteuer ergibt sich im\nStreitfall dadurch, dass das HZA zu Unrecht zunachst den Regelsteuersatz auf\ndie verbrauchte Strommenge angewandt und damit gegen die nationale Vorschrift\ndes § 9 Abs. 3 StromStG verstoßen hatte, die Unternehmen des Produzierenden\nGewerbes steuerlich begunstigt.\n\n \n\n16\n\n \n\n2\\. Allerdings beruht die Anwendung eines ermaßigten Steuersatzes nach § 9\nAbs. 3 StromStG fur Strom, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes fur\nbetriebliche Zwecke aus dem Versorgungsnetz entnommen hat, auch auf Art. 17\nAbs. 1 Buchst. a RL 2003/96. Denn diese Regelung gibt den Mitgliedstaaten erst\ndie Moglichkeit, energieintensiven Betrieben eine Steuerermaßigung zu\ngewahren. Daher fragt sich das vorlegende Gericht, ob das HZA dadurch, dass es\ngegenuber der Klagerin zunachst einen zu hohen Steuerbetrag festgesetzt hat,\nnicht nur gegen nationales Recht, sondern auch gegen Unionsrecht verstoßen\nhat. Dabei geht der Senat davon aus, dass es sich bei der Einspeisung von\nStrom in Akkumulatoren nicht um eine Elektrolyse i.S. des Art. 2 Abs. 4\nBuchst. b dritter Anstrich RL 2003/96 handelt, fur die der Anwendungsbereich\ndieser Richtlinie von vornherein nicht eroffnet ware. Dies wird durch den\nDurchfuhrungsbeschluss (EU) 2016/2266 des Rates vom 06.12.2016 zur\nErmachtigung der Niederlande, einen ermaßigten Steuersatz auf Strom\nanzuwenden, der an Ladestationen fur Elektrofahrzeuge geliefert wird (ABlEU\nNr. L 342/30), bestatigt. Dieses Beschlusses hatte es nicht bedurft, wenn das\nAufladen von Akkumulatoren als Elektrolyse anzusehen und damit ohnehin nicht\nvon der RL 2003/96 erfasst ware.\n\n \n\n17\n\n \n\nMit Urteil IRCCS - Fondazione Santa Lucia vom 18.01.2017 \\- C-189/15\n(EU:C:2017:17, Zeitschrift fur Zolle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2017, 123)\nhat der EuGH zur Reichweite des Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96\nentschieden, aus den Erwagungsgrunden 9 und 11 dieser Richtlinie ergebe sich,\ndass diese den Mitgliedstaaten einen gewissen Spielraum fur die Festlegung und\ndie Durchfuhrung von auf den jeweiligen nationalen Kontext abgestimmten\npolitischen Maßnahmen einraumen wolle und dass es Sache des einzelnen\nMitgliedstaats sei, zu entscheiden, durch welche Maßnahmen er diese Richtlinie\numsetzen wolle. Demnach stehe es den Mitgliedstaaten frei, die Gewahrung von\nSteuerermaßigungen fur energieintensive Betriebe auf die Betriebe eines oder\nmehrerer Industriesektoren zu beschranken.\n\n \n\n18\n\n \n\nNach Auffassung des vorlegenden Senats haben die Mitgliedstaaten bei der\nUmsetzung des Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 nicht nur hinsichtlich der\nDefinition des Kreises der begunstigten Unternehmen einen\nGestaltungsspielraum, sondern auch hinsichtlich der Hohe des Steuersatzes,\nsofern dieser etwaige unionsrechtlich festgelegte Untergrenzen nicht\nunterschreitet. Denn nur so konnen die in den oben genannten Erwagungsgrunden\ngenannten Motive des Richtliniengebers umgesetzt werden.\n\n \n\n19\n\n \n\nBei Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 handelt es sich demnach um eine\nfakultative Steuerermaßigung, die die Mitgliedstaaten den Steuerpflichtigen\ngewahren konnen. Eine Verpflichtung zur steuerlichen Begunstigung\nenergieintensiver Betriebe besteht demnach nicht. Insofern unterscheidet sich\nArt. 17 RL 2003/96 von den obligatorischen Steuerbefreiungen nach Art. 14 RL\n2003/96, die die Mitgliedstaaten zwingend zu gewahren haben und auf die sich\nein Steuerpflichtiger im Falle nicht rechtzeitiger Umsetzung in nationales\nRecht unmittelbar berufen kann (EuGH-Urteil Cristal Union vom 07.03.2018 \\-\nC-31/17, EU:C:2018:168, ZfZ 2018, 104, Rz 22 ff.,).\n\n \n\n20\n\n \n\n3\\. Daraus ergibt sich die Frage, ob ein Anspruch auf Erstattung von\nStromsteuer, dem eine (nur) fakultative Steuerermaßigung (im Streitfall Art.\n17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96) zugrunde liegt, genauso zu verzinsen ist, wie\nein Anspruch auf Erstattung von Stromsteuer aufgrund einer obligatorischen\nSteuerbefreiung oder Steuerermaßigung.\n\n \n\n21\n\n \n\na) Nach der Rechtsprechung des EuGH hat der Einzelne, wenn ein Mitgliedstaat\nunter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts Steuern erhoben hat,\neinen Anspruch auf Erstattung nicht nur der zu Unrecht erhobenen Steuer,\nsondern auch der Betrage, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Steuer\nan diesen Staat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind. Darunter\nfallen auch die Einbußen aufgrund der mangelnden Verfugbarkeit von\nGeldbetragen infolge der vorzeitigen Falligkeit der Steuer (EuGH-Urteile\nLittlewoods Retail u.a. vom 19.07.2012 \\- C-591/10, EU:C:2012:478, Rz 25,\nHochstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 1018; Zuckerfabrik\nJulich vom 27.09.2012 \\- C-113/10, C-147/10 und C-234/10, EU:C:2012, 591, Rz\n65, ZfZ 2013, 76; Irimie vom 18.04.2013 \\- C-565/11, EU:C:2013:250, Rz 21, HFR\n2013, 659; Nicula vom 15.10.2014 \\- C-331/13, EU:C:2014:2285, Rz 28, ABlEU\n2014 Nr. C 462, 7, und Wortmann vom 18.01.2017 \\- C-365/15, EU:C:2017:19, Rz\n37 ff., ZfZ 2017, 42; vgl. auch Senatsurteil vom 22.09.2015 \\- VII R 32/14,\nBFHE 251, 291, Bundessteuerblatt --BStBl-- II 2016, 323).\n\n \n\n22\n\n \n\nDemnach lasst sich aus dem Unionsrecht der Grundsatz ableiten, dass die\nMitgliedstaaten verpflichtet sind, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht\nerhobenen Abgaben zuzuglich Zinsen zu erstatten. Dabei kommt es in Ermangelung\neiner Regelung der Union der innerstaatlichen Rechtsordnung der\nMitgliedstaaten zu, die Bedingungen fur die Zahlung solcher Zinsen,\ninsbesondere den Zinssatz und die Berechnungsmethode fur die Zinsen,\nfestzulegen. Diese Bedingungen mussen den Grundsatzen der Äquivalenz und der\nEffektivitat entsprechen, das heißt sie durfen nicht ungunstiger sein als bei\nahnlichen Klagen, die auf Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts gestutzt\nsind, und sie durfen nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausubung der\nRechte, die die Unionsrechtsordnung einraumt, praktisch unmoglich machen\n(EuGH-Urteile Littlewoods Retail u.a., EU:C:2012:478, HFR 2012, 1018, Rz 26\nf.; Zuckerfabrik Julich, EU:C:2012, 591, Rz 61 und 66, ZfZ 2013, 1210; Irimie,\nEU:C:2013:250, Rz 22 f., HFR 2013, 659; Nicula, EU:C:2014:2285, Rz 28, ABlEU\n2014 Nr. C 462, 7, und Tarsia vom 06.10.2015 \\- C-69/14, EU:C:2015:662, Rz 25,\nEuropaische Zeitschrift fur Wirtschaftsrecht 2015, 917; vgl. auch Senatsurteil\nin BFHE 251, 291, BStBl II 2016, 323).\n\n \n\n23\n\n \n\nEiner Verzinsung der erstatteten Stromsteuer steht nicht schon die Tatsache\nentgegen, dass es sich bei der RL 2003/96 um einen Rechtsakt der Union\nhandelt, der erst der Umsetzung in nationales Recht bedurfte. Denn mit Urteil\nLittlewoods Retail u.a. (EU:C:2012:478, HFR 2012, 1018, Rz 26 f.) hat der EuGH\ndies gerade nicht als Ausschlussgrund fur einen Zinsanspruch angesehen (zum\nAnspruch auf Zahlung von Verzugszinsen hinsichtlich zu viel gezahlter\nMehrwertsteuer vgl. auch EuGH-Urteil Rafinăria Steaua Romană vom 24.10.2013 \\-\nC-431/12, EU:C:2013:686, HFR 2013, 1163).\n\n \n\n24\n\n \n\nb) Das vorlegende Gericht neigt zu der Auffassung, einen Verstoß gegen die\nVorschriften des Unionsrechts zu verneinen, wenn sich der\nSteuererstattungsanspruch aufgrund einer fehlerhaften Anwendung von nationalem\nRecht ergibt, das ein Mitgliedstaat unter Ausnutzung eines unionsrechtlichen\nGestaltungsspielraums und einer fakultativen unionsrechtlichen Vorgabe\nerlassen hat.\n\n \n\n25\n\n \n\nAus der Rechtsprechung des EuGH geht hervor, dass der Umfang des Spielraums,\nuber den die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung einer Ausnahme oder\nBeschrankung verfugen, im Einzelfall insbesondere nach Maßgabe des Wortlauts\ndieser Bestimmung zu beurteilen ist (vgl. EuGH-Urteil Spiegel Online vom\n29.07.2019 \\- C-516/17, EU:C:2019:625, Rz 25, Gewerblicher Rechtsschutz und\nUrheberrecht, 2019, 940).\n\n \n\n26\n\n \n\nArt. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 macht jedoch nur Vorgaben hinsichtlich der\nDefinition der energieintensiven Betriebe. Ob aber uberhaupt ein ermaßigter\nSteuersatz fur energieintensive Betriebe vorgesehen wird, ist den\nMitgliedstaaten uberlassen. Dazu kommt, dass es im Streitfall nicht um die\nFrage geht, ob Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 richtlinienkonform in\nnationales Recht umgesetzt wurde. Vielmehr setzte das HZA die Stromsteuer im\nStreitfall ursprunglich deshalb zu hoch fest, weil es die Voraussetzungen fur\ndie Gewahrung des ermaßigten Steuersatzes nach § 9 Abs. 3 StromStG zu Unrecht\nverneint hatte.\n\n \n\n27\n\n \n\nDaruber hinaus wird mit der Zulassung eines ermaßigten Steuersatzes nach Art.\n17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 fur energieintensive Betriebe eine Ausnahme von\nder Harmonisierung der Stromsteuer gemacht, indem es den Mitgliedstaaten\nuberlassen wird, ob und inwieweit sie eine solche Begunstigung in ihren\nnationalen Vorschriften zulassen wollen. Der Unionsgesetzgeber schatzt das\nreibungslose Funktionieren des Binnenmarktes, das unter anderem durch die\nEinfuhrung verbindlicher Mindeststeuerbetrage in der RL 2003/96 erreicht\nwerden soll (vgl. zum Beispiel EuGH-Urteil ROZ-SWIT vom 02.06.2016 \\-\nC-418/14, EU:C:2016:400, Rz 32, ZfZ 2017, 73, zur Festsetzung von\nMindeststeuerbetragen und unter Hinweis auf die Erwagungsgrunde 3 und 4 RL\n2003/96), in diesem Bereich also gerade als weniger gewichtig ein.\n\n \n\n28\n\n \n\nAbgesehen von diesen unionsrechtlichen Erwagungen beruhte die zu hohe\nSteuerfestsetzung im Streitfall nicht auf einer verspateten Umsetzung von\nUnionsrecht, sondern auf einer fehlerhaften Anwendung von nationalem Recht,\ndas unter Ausnutzung eines unionsrechtlich gewahrten Gestaltungsspielraums\nerlassen worden war.\n\n \n\n29\n\n \n\nc) Jedoch gibt es auch Argumente, die fur die Gewahrung eines Zinsanspruchs im\nStreitfall sprechen.\n\n \n\n30\n\n \n\nZunachst wurde der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten fur eine\nsteuerliche Begunstigung energieintensiver Betriebe durch Art. 17 Abs. 1\nBuchst. a RL 2003/96 eroffnet. Die Grundlage fur den ermaßigten\nStromsteuersatz liegt daher nicht nur in § 9 Abs. 3 StromStG, sondern\nletztlich auch im Unionsrecht.\n\n \n\n31\n\n \n\nWie sich weiterhin aus Art. 2 Abs. 2 RL 2003/96 und Art. 1 Abs. 1 Buchst. a\nder Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 uber das allgemeine\nVerbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (RL 2008/118)\nergibt, wurde die Besteuerung von Strom im Gebiet der Gemeinschaft i.S. des\nArt. 5 RL 2008/118 grundsatzlich harmonisiert. Wurden Erstattungsanspruche\naufgrund fakultativer Steuerermaßigungen im Gegensatz zu solchen aus\nobligatorischen Steuerermaßigungen oder -befreiungen nicht verzinst, lage eine\nungleiche Behandlung vor. Es stellt sich jedoch die Frage, ob unterschiedliche\nRechtsgrundlagen im Unionsrecht eine Ungleichbehandlung bei der Verzinsung von\nErstattungsanspruchen rechtfertigen, zumal dies fur den Steuerpflichtigen\nkeinen Unterschied macht. Denn in beiden Fallen kann er uber den zu viel\ngezahlten Steuerbetrag nicht verfugen.\n\n \n\n32\n\n \n\nZudem fuhrte die Verneinung eines unionsrechtlichen Zinsanspruchs fur\nErstattungsanspruche aufgrund fakultativer Steuerermaßigungen dazu, dass eine\nVerzinsung dann nur noch nach den unterschiedlichen nationalen Vorschriften\ngewahrt werden konnte.\n\n \n\n
326,266
ovgnrw-2020-02-05-13-a-1716
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
13 A 17/16
2020-02-05
2020-02-29 11:01:36
2020-12-10 13:32:09
Urteil
ECLI:DE:OVGNRW:2020:0205.13A17.16.00
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom\n11. November 2015 geändert und der Bescheid der Bundesnetzagentur vom 2. Juli\n2012 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 22. Dezember 2014\naufgehoben.\n\nDie Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.\n\nDas Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte\nkann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des\nvollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in\nHöhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n \n1\n\nTatbestand:\n\n2\n\nDie Beteiligten streiten um die Frage, ob es sich bei dem von der Klägerin\nbzw. ihrer irischen Tochtergesellschaft betriebenen E-Mail-Dienst „GMail“ um\neinen der gesetzlichen Meldepflicht aus § 6 Abs. 1 TKG unterliegenden\nöffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienst handelt.\n\n3\n\nDie Klägerin ist ein Unternehmen mit Sitz in den Vereinigten Staaten von\nAmerika und der breiten Öffentlichkeit primär durch die von ihr betriebene\nInternetsuchmaschine „Google“, aber auch durch andere IT-Dienste bekannt. Sie\nbetreibt zudem weltweit und auch in Deutschland eine eigene mit dem Internet\nim Übrigen verbundene Netzinfrastruktur, zu der insbesondere einige\nHochleistungsverbindungen zwischen Metropolregionen gehören. Seit dem Jahr\n2007 bietet die Klägerin den weltweit genutzten Dienst GMail an, der in\nDeutschland vorübergehend unter dem Namen „Google Mail“ betrieben wurde. Er\nwird seit dem 22. Januar 2019 nicht mehr unmittelbar durch die Klägerin,\nsondern durch deren einhundertprozentige Tochtergesellschaft Google Ireland\nLtd. mit Sitz in der Republik Irland erbracht.\n\n4\n\nBei Gmail handelt es sich um einen internetbasierten E-Mail-Dienst, der über\ndas offene Internet bereitgestellt wird, ohne den Nutzern dabei selbst einen\nInternetzugang zu vermitteln, weshalb die Klägerin Gmail auch als „Webmail-\nDienst“ und in einem weiteren Sinne als „Over-the-top-Dienst“ oder abkürzend\nals „OTT-Dienst“ bezeichnet. Wie andere internetbasierte E-Mail-Dienste ist\nGmail ein Dienst zum Versenden und Empfangen von Nachrichten und Dateien über\ndas Internet. Im Rahmen dieses Dienstes werden die Nachrichten und Dateien\ninhaltlich unverändert, aber in einzelne Datenpakete zerlegt, vom Absender zum\nEmpfänger mittels für den E-Mail-Dienst standardisierter Protokolle der\nInternetprotokollfamilie zugestellt. Der Nutzer erhält dabei nach der\nEröffnung eines sog. E-Mail-Kontos eine E-Mail-Adresse, die ihn ähnlich einer\nPostadresse als Absender und Empfänger von E-Mails ausweist. Darüber hinaus\nwerden dem Nutzer auf der Weboberfläche von Gmail weitere Funktionen\nangeboten, beispielsweise das Editieren, Speichern und Ordnen von E-Mails oder\ndas Verwalten von Kontaktdaten. Zur Nutzung des Dienstes ruft der Nutzer\nentweder über einen auf einem internetfähigen Endgerät installierten\nWebbrowser die durch den Dienstanbieter betriebene Webseite auf, wo ihm eine\nOberfläche zur Nutzung der verschiedenen Funktionen zur Verfügung steht, oder\ner bedient sich eines auf dem Endgerät installierten lokalen E-Mail-Programms,\neines sogenannten „E-Mail-Client“. Nach der Erstellung des Inhalts und der\nBestimmung einer oder mehrerer Ziel-E-Mail-Adressen erfolgt in beiden Fällen\ndie Übermittlung der E-Mail an den Betreiber durch ein gezieltes Absenden.\nHierdurch wird ein Leistungsfluss zur weiteren Bearbeitung des\nÜbermittlungsvorgangs durch den Dienstanbieter initiiert. Um die mit einer\nZieladresse versehene E-Mail nach Einleitung des Sendevorgangs durch den\nAbsender an die Empfängeradresse zustellen zu können, betreibt der\nDienstanbieter E-Mail-Server, die die E-Mail verwalten und gegebenenfalls\nzwischenspeichern. Im Rahmen eines informationstechnischen\nVerarbeitungsprozesses werden in automatisierter Form die vom Nutzer\nverwendeten Domainnamen mittels des „Domain Name System (DNS)“ der regelmäßig\ndynamischen IP-Adresse des physischen Anschlusses zugeordnet, um dem Ausgangs-\nServer die Identifikation des Ziel-Servers der Domain, die in der E-Mail-\nAdresse als Empfänger angegeben ist, zu ermöglichen. Zwecks Versands bringt\nder Dienstanbieter dann die in Datenpakete zerlegte E-Mail auf den Weg über\ndas offene Internet. Zum Einspeisen und Weiterleiten der E-Mail wird dabei auf\nverschiedene Protokolle der Internetprotokollfamilie zurückgegriffen. Auf dem\nWeg zum Ziel-Server muss der Datenverkehr verschiedene Teilnetze des Internets\npassieren, die von Dritten betrieben werden. Das Internetrouting ist dabei\ndynamisch und kann sich stetig verändern, ohne dass die Partei, deren\nDatenverkehr transportiert wird, davon Kenntnis hätte oder eine Kontrolle\nhierüber ausüben könnte. Nach dem Empfang der Daten beim Ziel-Server wird die\nE-Mail in der Regel dort gespeichert und für den Empfänger in einem\nelektronischen Postfach vorgehalten, auf das dieser dann mittels verschiedener\nTechniken zugreifen kann. Werden E-Mails zwischen Nutzern desselben\nDienstanbieters versendet, kann der Weg einer E-Mail auch kürzer sein oder die\nServer des Dienstanbieters gar nicht erst verlassen.\n\n5\n\nDie Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und\nEisenbahnen (Bundesnetzagentur) vertritt die Ansicht, dass es sich bei Gmail\num einen öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienst handelt, welcher der\nin § 6 Abs. 1 TKG geregelten Meldepflicht unterliegt. Nachdem die Klägerin\ndieser Meldepflicht nicht freiwillig nachkam, stellte die Bundesnetzagentur\nmit einem auf die in § 126 TKG geregelten Befugnisse gestützten Bescheid vom\n2. Juli 2012 fest, dass die Klägerin mit Gmail einen Telekommunikationsdienst\nbetreibt und gegen die gesetzliche Meldepflicht verstößt. Sie forderte sie\nunter Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 2.000 Euro dazu auf, der\nMeldepflicht binnen einer Frist von zwei Wochen ab Bekanntgabe des Bescheids\nzu entsprechen. Den hiergegen durch die Klägerin eingelegten und im Einzelnen\nnäher begründeten Widerspruch wies die Bundesnetzagentur mit\nWiderspruchsbescheid vom 22. Dezember 2014 zurück.\n\n6\n\nHiergegen hat die Klägerin am 23. Januar 2015 vor dem Verwaltungsgericht Klage\nerhoben. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, mit Gmail keinen\nTelekommunikationsdienst zu betreiben. Anders als von der maßgeblichen\nDefinition eines Telekommunikationsdiensts in § 3 Nr. 24 TKG vorausgesetzt,\nübertrage sie keine Signale. Der Begriff der Signalübertragung sei ein\ntechnischer Begriff, der, wie § 3 Nr. 22 TKG zeige, kumulativ das Aussenden,\nÜbermitteln und Empfangen von Signalen über Telekommunikationsnetze erfordere.\nAls reiner Webmail-Dienst setze Gmail zwar wie andere OTT-Dienste, etwa\nOnline-Banking, eine Signalübertragung in diesem Sinne voraus. Die\nSignalübertragung erfolge aber nicht durch die Klägerin selbst, sondern sowohl\nfür die Datenübermittlung zwischen den Nutzern von Gmail und den E-Mail-\nServern der Klägerin als auch für die Datenübermittlung zwischen den E-Mail-\nServern der Klägerin und den E-Mail-Servern anderer E-Mail-Dienstes durch die\nInternet bzw. Internet Access Provider. Anders als die Beklagte meine, sei\nderen Signalübertragungsleistung der Klägerin auch nicht zurechenbar, weil die\nSignalübertragung über das offene Internet nach dem „Best-Effort-Prinzip“\nerfolge und die Klägerin damit weder eine tatsächliche noch eine rechtliche\nKontrolle über den Übermittlungsvorgang ausüben könne. Darin unterscheide sich\nder von der Klägerin angebotene Webmail-Dienst von „E-Mail-\nÜbertragungsdiensten“ im herkömmlichen Sinne, die ihren Kunden zugleich auch\nden Internetzugang vermittelten. Die von der Beklagten vertretene Auslegung\nvon § 6 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 24 TKG stelle eine unzulässige Analogiebildung\ndar und weiche von der überwiegenden Rechtspraxis in anderen Mitgliedstaaten\nder Europäischen Union ab. Unabhängig hiervon stelle eine eigene oder ihr\nzurechenbare Signalübertragung jedenfalls nicht den Schwerpunkt der mit Gmail\nerbrachten Leistungen dar; vielmehr stünden inhaltliche Aspekte der\nKommunikation im Vordergrund. Zudem werde Gmail nicht – wie nach den\ngesetzlichen Voraussetzungen erforderlich – in der Regel gegen Entgelt\nerbracht, weil Gmail den Nutzern kostenlos zur Verfügung stehe und lediglich\nzu einem kleinen Teil durch auf der Webseite von Gmail geschaltete Werbung\nquerfinanziert werde.\n\n7\n\nDie Klägerin hat beantragt,\n\n8\n\nden Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 2012 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 22. Dezember 2014 aufzuheben.\n\n9\n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n10\n\ndie Klage abzuweisen.\n\n11\n\nSie hat geltend gemacht, dass GMail ebenso wie andere Webmail-Dienste als\nTelekommunikationsdienst anzusehen sei, weil der erbrachte Dienst in seiner\ntechnischen Funktionsweise überwiegend eine Signalübertragung zum Gegenstand\nhabe. Eine Übermittlung von E-Mails vom Absender zum Empfänger sei nur mittels\nSignalübertragung möglich. Darüber hinaus sei es nicht erforderlich, dass der\nErbringer des Dienstes selbst die Signalübertragung übernehme oder zumindest\neine Kontrolle über die durch Dritte übernommene Signalübertragung ausübe.\nEntscheidend sei allein, dass die Signalübertragung als technisches Element\nüberhaupt gegeben sei. Selbst wenn mit der Rechtsauffassung der Klägerin\njedenfalls eine Kontrolle über die durch Dritte vorgenommene Signalübertragung\nzu verlangen sei, sei diese aufgrund des Betriebs der eigenen E-Mail-Server\ngegeben. Die E-Mail-Server ordneten den E-Mail-Adressen die physischen IP-\nAdressen zu. Die Klägerin authentifiziere den Absender und ggf. auch den\nEmpfänger einer E-Mail mittels Passwort, E-Mail-Adresse oder Nutzerkennung und\nsteuere mittels der eingesetzten Internetprotokolle in einem für die Annahme\neiner Kontrolle hinreichenden Maße die Signalübertragung. Nach dem der\nBeschreibung von Kommunikationsvorgängen im Internet dienenden sog. OSI-\nSchichtenmodell („Open Systems Interconnection Reference Model“) seien die\ninformationstechnischen Verarbeitungsleistungen eines E-Mail-Dienstanbieters\nden transportorientierten und nicht den anwendungsorientierten Schichten\nzuzuordnen, weshalb sie nicht mehr dem Bereich der inhaltsbezogenen\nLeistungen, sondern schon dem Bereich der telekommunikationsrechtlichen\nSignalübertragungsleistung zuzurechnen seien. Für die Annahme der\nEntgeltlichkeit der Diensterbringung sei im Übrigen nicht die Erhebung einer\nGebühr erforderlich. Es genüge auch eine indirekte Finanzierung etwa durch\nWerbeeinnahmen.\n\n12\n\nDas Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. November 2015,\nzugestellt am 25. November 2015, abgewiesen und dabei die Auffassung der\nBeklagten im Ergebnis bestätigt. Die nach § 6 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 24 TKG\nmaßgeblichen Voraussetzungen eines Telekommunikationsdienstes seien im Fall\nvon GMail erfüllt. Die Klägerin ermögliche den Nutzern von GMail, über ein\nWeb-Interface oder mittels eines auf ihren internetfähigen Endgeräten\ninstallierten E-Mail-Client über das Internet per E-Mail zu kommunizieren. Der\nKlassifizierung von Gmail als Telekommunikationsdienst stehe dabei nicht\nentgegen, dass die Übertragung von Signalen im Wesentlichen über das offene\nInternet erfolge und damit nicht von der Klägerin selbst, sondern von den\nInternet (Access) Providern erbracht werde. Der Klägerin sei die\nSignalübertragungsleistung der Internet (Access) Provider zurechenbar, weil\nsie sich diese Signalübertragungsleistung für ihre Zwecke faktisch zu eigen\nmache und insbesondere mit ihren informationstechnischen\nVerarbeitungsleistungen selbst einen essentiellen Beitrag für das\nFunktionieren des Telekommunikationsvorgangs erbringe. Auf eine\nzivilrechtliche Verantwortlichkeit der Klägerin für die\nSignalübertragungsleistung durch die Internet (Access) Provider gegenüber den\nNutzern von Gmail komme es in diesem Zusammenhang nicht entscheidend an. Die\nSignalübertragungsleistung bilde zudem den Schwerpunkt von Gmail. Für die\nFrage, ob ein Dienst ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen\nbestehe, sei keine rein technische Betrachtung vorzunehmen. Bei einer\nwertenden Betrachtung stünden die raumüberwindende Kommunikation mit anderen\nNutzern und damit der Telekommunikationsvorgang selbst im Vordergrund, während\nandere inhaltsbezogene Komponenten des Dienstes keine eigenständige Bedeutung\nhätten. Bei GMail handle es sich im Übrigen auch um einen gewerblich und in\nder Regel gegen Entgelt erbrachten Dienst. Zwar würden E-Mail-Dienste\njedenfalls in einer Basisversion kostenlos angeboten, sie finanzierten sich\naber – wie auch GMail – üblicherweise durch Werbung oder andere indirekte\nEinnahmen.\n\n13\n\nDaraufhin hat die Klägerin GMail zur Vermeidung des angedrohten Zwangsgelds\nunter Vorbehalt als Telekommunikationsdienst angemeldet und am 22. Dezember\n2015 die durch das Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen dessen Urteil\neingelegt. Mit Beschluss vom 26. Februar 2018 hat der Senat das\nBerufungsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß\nArt. 267 AEUV mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, da es für die\nAuslegung des von § 6 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 24 TKG vorausgesetzten Begriffs\ndes Telekommunikationsdienstes maßgeblich auf das in der Rechtsprechung des\nGerichtshofs bislang nicht vollständig geklärte Verständnis des Begriffs des\nelektronischen Kommunikationsdienstes im Sinne des unionsrechtlichen\ngemeinsamen Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste\nankomme. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Vorlagebeschluss des\nSenats und das daraufhin ergangene Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juni 2019\nBezug genommen.\n\n14\n\nVgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2018 – 13 A 17/16 –, K&R; 2018, 348 =\nCR 2018, 402 = MMR 2018, 552 = ZUM-RD 2018, 596 = juris, sowie EuGH, Urteil\nvom 13. Juni 2019 – C-193/18 –, Google, NJW 2019, 2597 = NVwZ 2019, 1118 =\nEuZW 2019, 572 = K&R; 2019, 487 = CR 2019, 464 = MMR 2019, 514 = ZUM 2020, 53\n= juris.\n\n15\n\nDie Klägerin sieht sich durch das Urteil des Gerichtshofs bestätigt. Es stünde\nnunmehr fest, dass Webmail-Dienste wie GMail keine Telekommunikationsdienste\nseien. Ergänzend führt sie an, dass GMail auch nicht deshalb als\nTelekommunikationsdienst klassifiziert werden könne, weil sie als Teil des\nweltweiten Internets eine eigene Telekommunikationsnetzinfrastruktur betreibe\nund teils auch durch den Abschluss von Transitvereinbarungen Netzkapazitäten\nDritter für die Durchleitung eigenen Datenverkehrs in Anspruch nehme. Diese\nInfrastruktur sei maßgeblich für die Erbringung datenintensiver Dienste wie\n„Google-Suche“ und „YouTube“ aufgebaut worden; für den Betrieb von Gmail sei\ndiese Infrastruktur schon tatsächlich nicht erforderlich, auch wenn sie\nmitgenutzt werde. Auch der Gerichtshof habe in seinen Entscheidungserwägungen\nausgeführt, dass der Betrieb einer eigenen Netzinfrastruktur nicht dazu führen\nkönne, dass sämtliche Dienste, die die Klägerin im Internet erbringe, auch als\nelektronische Kommunikationsdienste einzuordnen wären, obwohl sie nicht ganz\noder überwiegend in der Übertragung von Signalen bestünden. Im Übrigen\nenthielten weder die zur Zusammenschaltung der eigenen Netzinfrastruktur mit\nden Telekommunikationsnetzen anderer Betreiber getroffenen mündlichen oder\nschriftlichen „Peering“-Vereinbarungen noch die durch die Klägerin\ngeschlossenen Transitverträge Regelungen, aufgrund derer angenommen werden\nkönnte, dass die Klägerin gegenüber den Nutzern von GMail die Verantwortung\nfür die Signalübertragung übernähme. Sie beträfen vielmehr dienstneutral den\nDatenaustausch auf IP-Ebene und im Hinblick auf die Kommunikation mit GMail\nauch nicht die gesamte Ende-zu-Ende-Verbindung.\n\n16\n\nDie Klägerin beantragt,\n\n17\n\ndas Urteil des Verwaltungsgerichts vom 11. November 2015 zu ändern und nach\ndem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.\n\n18\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n19\n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n20\n\nDie Beklagte hält auch nach der Entscheidung des Gerichtshofs an einer\nKlassifizierung von GMail als Telekommunikationsdienst im Sinne von § 6 Abs.\n1, § 3 Nr. 24 TKG fest. Zwar sei nach der Entscheidung des Gerichtshofs klar,\ndass Webmail-Dienste wie GMail grundsätzlich nicht als\nTelekommunikationsdienste anzusehen seien. Im Fall von GMail sei jedoch zu\nberücksichtigen, dass die Klägerin weltweit und auch in Deutschland eine\nTelekommunikationsnetzinfrastruktur betreibe, die auch für die\nSignalübertragung für GMail verwendet werde. Es sei nicht auszuschließen, dass\ndie Klägerin bei der Vernetzung ihrer eigenen\nTelekommunikationsnetzinfrastruktur mit dem weltweiten Internet aufgrund von\nPeering-Vereinbarungen und Transitverträgen Regelungen zur Signalübertragung\n(auch) für Gmail treffe, die im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs dazu\nführten, dass sie gegenüber den Nutzern eine Verantwortung für die\nDatenübertragung übernehme.\n\n21\n\nHinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den\nInhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug\ngenommen.\n\n22\n\nEntscheidungsgründe:\n\n23\n\nDie Berufung der Klägerin hat Erfolg.\n\n24\n\nSie führt zur Änderung des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts und\nzur Aufhebung des Bescheids der Bundesnetzagentur vom 2. Juli 2012 in der\nGestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 22. Dezember 2014. Dieser ist\nrechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1\nVwGO).\n\n25\n\nDie Klägerin ist nicht gemäß § 6 Abs. 1 TKG verpflichtet, den durch sie selbst\nbzw. nunmehr durch ihre einhundertprozentige Tochtergesellschaft Google\nIreland Ltd. in einer ihr als Unternehmerin gemäß § 3 Nr. 29 TKG zurechenbaren\nWeise,\n\n26\n\nvgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 6 C 24.12 –, Buchholz\n442.066 § 21 TKG Nr. 5 = juris, Rn. 19 ff.,\n\n27\n\nerbrachten E-Mail-Dienst GMail bei der Bundesnetzagentur als öffentlich\nzugänglichen Telekommunikationsdienst zu melden, weil es sich bei GMail nicht\num einen öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienst im Sinne dieser\nVorschrift handelt.\n\n28\n\n1\\. Gemäß § 6 Abs. 1 TKG muss, wer gewerblich öffentliche\nTelekommunikationsnetze betreibt oder gewerblich öffentlich zugängliche\nTelekommunikationsdienste erbringt, die Aufnahme, Änderung und Beendigung\nseiner Tätigkeit sowie Änderungen seiner Firma bei der Bundesnetzagentur\nunverzüglich und in schriftlicher Form melden. Die Meldepflicht dient dem\nZweck, der Bundesnetzagentur die Führung eines Verzeichnisses der Betreiber\nöffentlicher Telekommunikationsnetze und öffentlicher\nTelekommunikationsdienste zu ermöglichen, wobei die Meldepflicht auf\ndiejenigen Betreiber beschränkt ist, die gewerblich tätig sind. Sie dient\ndamit weiterhin dem Zweck, der Bundesnetzagentur die Überwachung dieser\nTätigkeiten auf dem Telekommunikationsmarkt zu ermöglichen und den Betreibern\nggf. weitere Pflichten nach diesem Gesetz aufzuerlegen, die an den Betrieb\neines öffentlichen Telekommunikationsnetzes oder eines öffentlichen\nKommunikationsdienstes anknüpfen.\n\n29\n\nVgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines\nTelekommunikationsgesetzes vom 9. Januar 2004, in: BT-Drs. 15/2316, S. 60.\n\n30\n\na) Der von § 6 Abs. 1 TKG vorausgesetzte und im vorliegenden Zusammenhang\nallein im Streit stehende Begriff des Telekommunikationsdienstes wird für den\nAnwendungsbereich des Telekommunikationsgesetzes einheitlich durch § 3 Nr. 24\nTKG definiert. Die Vorschrift bestimmt, dass Telekommunikationsdienste in der\nRegel gegen Entgelt erbrachte Dienste sind, die ganz oder überwiegend in der\nÜbertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, einschließlich\nÜbertragungsdienste in Rundfunknetzen. Der Begriff des\nTelekommunikationsnetzes bezeichnet in diesem Zusammenhang nach § 3 Nr. 27 TKG\ndie Gesamtheit von Übertragungssystemen und gegebenenfalls Vermittlungs- und\nLeitwegeinrichtungen sowie anderweitigen Ressourcen, einschließlich der nicht\naktiven Netzbestandteile, die die Übertragung von Signalen über Kabel, Funk,\noptische und andere elektromagnetische Einrichtungen ermöglichen,\neinschließlich Satellitennetzen, festen, leitungs- und paketvermittelten\nNetzen, einschließlich des Internets, und mobilen terrestrischen Netzen,\nStromleitungssystemen, soweit sie zur Signalübertragung genutzt werden, Netzen\nfür Hör- und Fernsehfunk sowie Kabelfernsehnetzen, unabhängig von der Art der\nübertragenen Information.\n\n31\n\nb) Für die Auslegung des Begriffs des Telekommunikationsdienstes im Sinne von\n§ 6 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 24 TKG ist wiederum der unionsrechtliche Begriff der\nelektronischen Kommunikationsdienste im Sinne von Art. 2 Buchst. c) der\nRichtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März\n2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze\nund -dienste – Rahmenrichtlinie – (ABl. L 108, S. 33), zuletzt geändert durch\ndie Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.\nNovember 2009 (ABl. L 337, S. 37), maßgeblich, weil die genannten Vorschriften\nder Umsetzung des unionsrechtlichen Rechtsrahmens für elektronische\nKommunikationsnetze- und -dienste dienen und dabei insbesondere mit dem\nnationalen Begriff des Telekommunikationsdienstes in inhaltlich identischer\nWeise an den unionsrechtlichen Begriff des elektronischen\nKommunikationsdienstes aus Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie anknüpfen.\nSo wird in der Gesetzesbegründung zu § 3 Nr. 24 TKG ausgeführt, dass die\ndortige Definition des Begriffs des Telekommunionsdienstes derjenigen in Art.\n2 Buchst. c) Satz 1 der Rahmenrichtlinie entspricht.\n\n32\n\nVgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines\nTelekommunikationsgesetzes vom 9. Januar 2004, in: BT-Drs. 15/2316, S. 58\n(dort noch als § 3 Nr. 25).\n\n33\n\nNichts anderes folgt im Übrigen aus der Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 1 TKG\nselbst. Diese Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie\n2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die\nGenehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste –\nGenehmigungsrichtlinie – (ABl. L 108, S. 21), wonach von Unternehmen, die\nelektronische Kommunikationsnetze oder elektronische Kommunikationsdienste\nbereitstellen, eine Meldung hierüber gefordert werden kann.\n\n34\n\nVgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines\nTelekommunikationsgesetzes vom 9. Januar 2004, in: BT-Drs. 15/2316, S. 59 f.\n\n35\n\nDer von Art. 3 Abs. 2 der Genehmigungsrichtlinie verwendete Begriff der\nelektronischen Kommunikationsdienste ist dabei gemäß Art. 2 Abs. 1 der\nGenehmigungsrichtlinie entsprechend der Begriffsbestimmung in Art. 2 Buchst.\nc) der Rahmenrichtlinie zu verstehen.\n\n36\n\nNoch nicht maßgeblich ist hingegen die um den Begriff der interpersonellen\nKommunikationsdienste erweiterte neue Definition elektronischer\nKommunikationsdienste aus Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2018/1972/EU des\nEuropäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den\neuropäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (ABl. L 321, S. 36).\nDiese Richtlinie, die den bisherigen unionsrechtlichen Rechtsrahmen für\nelektronische Kommunikationsnetze- und -dienste ablösen wird, ist bislang\nnicht in nationales Recht umgesetzt. Gemäß Art. 124 Abs. 1 dieser Richtlinie\nsind die zu ihrer Umsetzung erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften\nbis zum 21. Dezember 2020 in Kraft zu setzen und ab diesem Zeitpunkt\nanzuwenden.\n\n37\n\nc) Gemäß Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie sind elektronische\nKommunikationsdienste gewöhnlich gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz\noder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische\nKommunikationsnetze bestehen, einschließlich Telekommunikations- und\nÜbertragungsdienste in Rundfunknetzen, jedoch ausgenommen Dienste, die Inhalte\nüber elektronische Kommunikationsnetze und -dienste anbieten oder eine\nredaktionelle Kontrolle über sie ausüben; nicht dazu gehören die Dienste der\nInformationsgesellschaft im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie 98/34/EG, die\nnicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische\nKommunikationsnetze bestehen.\n\n38\n\nIn der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist anerkannt,\ndass die Rahmenrichtlinie mit dieser Definition elektronischer\nKommunikationsdienste – ebenso wie die weiteren Richtlinien, aus denen der für\nelektronische Kommunikationsnetze und -dienste geltende Rechtsrahmen besteht –\nklar zwischen der Produktion von Inhalten, die eine redaktionelle Kontrolle\nvoraussetzt, und der Weiterleitung von Inhalten ohne jede redaktionelle\nKontrolle unterscheidet, wobei die Inhalte und ihre Übertragung unter\ngetrennte Regelungen fallen, die jeweils eigene Ziele verfolgen.\n\n39\n\nVgl. EuGH, Urteile vom 13. Juni 2019 – C-193/18 –, Google, a.a.O., Rn. 31, vom\n5. Juni 2019 – C-142/18 –, Skype Communications, K&R; 2019, 484 = CR 2019, 466\n= MMR 2019, 517 = juris, Rn. 28, vom 30. April 2014 – C-475/12 –, UPC DTH, MMR\n2015, 339 = ZUM-RD 2014, 469 = juris, Rn. 36, und vom 7. November 2013 –\nC-518/11 –, UPC Nederland, ZUM-RD 2014, 69 = juris, Rn. 41.\n\n40\n\nZudem hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Dienst die Übertragung von\nSignalen umfassen muss, um unter den Begriff der elektronischen\nKommunikationsdienste im Sinne von Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie zu\nfallen. Er hat dabei aber auch klargestellt, dass der Umstand, dass die\nÜbertragung des Signals über eine Infrastruktur erfolgt, die nicht dem\nErbringer der Dienste gehört, für die Einordnung der Art der Dienstleistung\ngrundsätzlich unerheblich ist. Es kommt vielmehr darauf an, dass der Erbringer\ngegenüber den Endnutzern für die Übertragung des Signals, die diesen die\nBereitstellung des Dienstes, den sie abonniert haben, gewährleistet,\nverantwortlich ist.\n\n41\n\nVgl. EuGH, Urteile vom 13. Juni 2019 – C-193/18 –, Google, a.a.O., Rn. 32, vom\n5. Juni 2019 – C-142/18 –, Skype Communications, a.a.O., Rn. 29, und vom 30.\nApril 2014 – C-475/12 –, UPC DTH, a.a.O., Rn. 43.\n\n42\n\nFür das Kriterium der Verantwortlichkeit kommt es schließlich nicht\nentscheidend auf den Inhalt der zwischen dem Erbringer des Dienstes und den\nEndnutzern vereinbarten allgemeinen Vertragsbedingungen an. Insbesondere hat\nder Umstand, dass der Erbringer des Dienstes in seinen allgemeinen\nVertragsbedingungen angibt, die Verantwortung für die Übertragung des Signals\nnicht zu übernehmen, auf die Einstufung des Dienstes als elektronischer\nKommunikationsdienst keinen Einfluss. Andernfalls hätte es nämlich der\nErbringer eines Dienstes, der inhaltlich ein elektronischer\nKommunikationsdienst ist, selber in der Hand, sich dem Anwendungsbereich der\nRahmenrichtlinie zu entziehen. Dies würde das mit dem Rechtsrahmen für\nelektronische Kommunikationsnetze und -dienste verfolgte Ziel eines\nletztendlich nur durch das Wettbewerbsrecht geregelten Binnenmarktes für\nelektronische Kommunikation in unzulässiger Weise beeinträchtigen.\n\n43\n\nVgl. EuGH, Urteil vom 5. Juni 2019 – C-142/18 –, Skype Communications, a.a.O.,\nRn. 44 f. unter Verweis auf die Urteile vom 30. April 2014 – C-475/12 –, UPC\nDTH, a.a.O., Rn. 44, und vom 7. November 2013 – C-518/11 –, UPC Nederland,\na.a.O., Rn. 45.\n\n44\n\n2\\. Internetbasierte E-Mail-Dienste, die wie der von der Klägerin erbrachte\nDienst GMail keinen Internetzgang vermitteln (sog. Webmail-Dienste) sind in\nAnwendung dieser Voraussetzungen grundsätzlich nicht als elektronische\nKommunikationsdienste im Sinne von Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie\nanzusehen, weil sie nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von\nSignalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen. Dies hat der\nGerichtshof der Europäischen Union auf das Vorabentscheidungsersuchen des\nSenats vom 26. Februar 2018 mit Urteil vom 13. Juni 2019 für Recht erkannt und\ndamit bislang bestehende Zweifel an der richtigen Auslegung dieser Vorschrift\nbeseitigt. Webmail-Dienste sind damit auch keine Telekommunikationsdienste im\nSinne von § 3 Nr. 24 TKG und unterfallen insbesondere nicht der vorliegend im\nStreit stehenden Meldepflicht aus § 6 Abs. 1 TKG.\n\n45\n\nZwar nimmt auch der Erbringer eines solchen E-Mail-Dienstes im Sinne von Art.\n2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie eine Übertragung von Signalen vor, indem er\nbei der Versendung und dem Empfang von Nachrichten aktiv tätig wird, sei es,\nindem er den E-Mail-Adressen die IP-Adressen der entsprechenden Endgeräte\nzuordnet oder die Nachrichten in Datenpakete zerlegt und sie in das offene\nInternet einspeist oder aus dem offenen Internet empfängt. Dieser Umstand\ngenügt aber nach der Rechtsauffassung des Gerichtshofs für die Klassifizierung\neines solches E-Mail-Dienstes als „ganz oder überwiegend in der Übertragung\nvon Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen[d]“ nicht, weil\nes im Wesentlichen die Internetzugangsanbieter der Absender und der Empfänger\nvon E-Mails, der Internetzugangsanbieter des E-Mail-Dienstes sowie die\nBetreiber der verschiedenen Netze, aus denen das offene Internet besteht,\nsind, welche die Übertragung der für das Funktionieren eines internetbasierten\nE-Mail-Dienstes erforderlichen Signale sicherstellen und die hierfür im Sinne\nder Rechtsprechung des Gerichtshofs verantwortlich sind.\n\n46\n\nVgl. zu den Einzelheiten EuGH, Urteil vom 13. Juni 2019 – C-193/18 –, Google,\na.a.O., Rn. 34 – 38 sowie die dort in Bezug genommene Stellungnahme der\nEuropäischen Kommission vom 29. Juni 2018, Rn. 20.\n\n47\n\nMit dieser Klarstellung hat der Gerichtshof die durch das Verwaltungsgericht\nin erster Instanz bestätigte Rechtsauffassung der Beklagten zurückgewiesen,\nWebmail-Dienste stellten entweder schon aufgrund eigener Signalübertragung\ndurch das Versenden und Empfangen von E-Mails über das offene Internet oder\njedenfalls bei wertender bzw. funktionaler Betrachtung des gesamten\nKommunikationsvorgangs unter Zurechnung der Signalübertragung über das offene\nInternet durch die Internet bzw. Internet Access Provider elektronische\nKommunikationsdienste dar.\n\n48\n\n3\\. Anlass für eine hiervon abweichende Einstufung von GMail als\nelektronischer Kommunikationsdienst im Sinne von Art. 2 Buchst. c) der\nRahmenrichtlinie bzw. als Telekommunikationsdienst im Sinne von § 3 Nr. 24 TKG\nbesteht nicht. Sie ist insbesondere nicht deshalb geboten, weil die Klägerin\nzugleich eigene Telekommunikationsnetze betreibt bzw. in einigen Fällen auf\nder Grundlage sog. Transitvereinbarungen auf die Telekommunikationsnetze\nanderer Betreiber zur Durchleitung eigener Datenströme zurückgreift und die\nauf diese Weise in Anspruch genommenen Netzkapazitäten auch zur\nSignalübertragung für GMail nutzt.\n\n49\n\na) Schon der Gerichtshof hat im Zusammenhang mit der Beantwortung des\nVorabentscheidungsersuchen des Senats klargestellt, dass der Betrieb eigener\nKommunikationsnetze durch die Klägerin nichts daran ändert, dass der von ihr\nbetriebene E-Mail-Dienst GMail nach Maßgabe von Art. 2 Buchst. c) der\nRahmenrichtlinie nicht als elektronischer Kommunikationsdienst anzusehen ist.\nDer Umstand, dass die Klägerin als Betreiberin ihrer eigenen elektronischen\nKommunikationsnetze elektronische Kommunikationsdienste erbringt und als\nsolche einer Meldepflicht nach Art. 3 Abs. 2 und 3 der Genehmigungsrichtlinie\nund den zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechtsvorschriften – hier § 6\nAbs. 1 TKG – unterliegt, kann nicht dazu führen, dass sämtliche Dienste, die\nsie im Internet erbringt, auch selbst als elektronische Kommunikationsdienste\neinzuordnen wären, obwohl sie nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung\nvon Signalen bestehen.\n\n50\n\nVgl. zu den Einzelheiten EuGH, Urteil vom 13. Juni 2019 – C-193/18 –, Google,\na.a.O., Rn. 39 f.\n\n51\n\nFür die in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat\ngeäußerte Annahme der Beklagten, dem Gerichtshof seien Art, Umfang und\nBedeutung der durch die Klägerin betriebenen Kommunikationsnetzinfrastruktur\nmöglicherweise nicht gänzlich klar gewesen, fehlt in Anbetracht des\nVorlagebeschlusses des Senats und der eingehenden und auch schriftsätzlich\ndokumentierten Erörterung dieses Umstandes im Vorabentscheidungsverfahren vor\ndem Gerichtshof jede Grundlage.\n\n52\n\nb) Aber auch unabhängig hiervon sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich,\ndass die Klägerin mit dem Betrieb eigener Telekommunikationsnetze und deren\nEinbindung in das weltweite Internet bzw. durch den partiellen Abschluss von\nTransitvereinbarungen mit anderen Netzbetreibern gegenüber den Endnutzern von\nGMail im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Verantwortung für die\nfür das Funktionieren dieses Dienstes erforderliche Signalübertragung\nübernähme. Die Klägerin bietet den Endnutzern von GMail wie andere Betreiber\nvon Webmail-Diensten eine einfache und weltweit verfügbare Ende-zu-Ende-\nKommunikation per EMail an; insbesondere handelt es sich bei GMail nicht um\neinen qualitätsgesicherten Spezialdienst im Sinne von Art. 3 Abs. 5 der\nVerordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.\nNovember 2015 (ABl. L 310, S. 1). Für die damit für den Betrieb von GMail zu\ngewährleistende Signalübertragung sind der Betrieb eigener\nTelekommunikationsnetze und deren konkrete Einbindung in das weltweite\nInternet sowie der Abschluss von Transitvereinbarungen mit anderen\nNetzbetreibern weder technisch erforderlich,\n\n53\n\nvgl. zu diesem Kriterium EuGH, Urteil vom 5. Juni 2019 – C-142/18 –, Skype\nCommunications, a.a.O., Rn. 34 f.,\n\n54\n\nnoch – sofern es hierauf überhaupt noch ankommt – in einer sonstigen Weise\nderart prägend, dass von einem gleichsam „integrierten“ Dienst ausgegangen\nwerden könnte, der ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen\nbestünde.\n\n55\n\nDie Klägerin hat im Berufungsverfahren dargelegt, weltweit und auch in\nDeutschland eine eigene Telekommunikationsnetzinfrastruktur zu unterhalten, zu\nder insbesondere einige Hochleistungsverbindungen zwischen Metropolregionen\ngehören. Diese Infrastruktur ist maßgeblich für den Betrieb datenintensiver\nDienste wie Google-Suche oder YouTube aufgebaut worden und für den Betrieb des\nE-Mail-Dienstes GMail in technischer Hinsicht nicht erforderlich, auch wenn\nsie für die Signalübertragung für GMail mitgenutzt wird. Sie ist als autonomes\nSystem mit den autonomen Systemen anderer Netzbetreiber zusammengeschaltet und\nbildet gemeinsam mit diesen das weltweite Internet. Grundlage der\nZusammenschaltungen sind – wie international üblich – sog. Peering- und\nTransitvereinbarungen, die die Klägerin mit den Betreibern der anderen\nNetzwerke trifft. Weltweit unterhält die Klägerin mehrere tausend dieser\nPeering- und Transitbeziehungen, von denen mehr als 250 auch den Austausch von\nDatenverkehr mit IP-Adressen in Deutschland betreffen. Der Großteil der\nZusammenschaltungen, insbesondere diejenigen mit den großen deutschen\nMobilfunk- und Kabelnetzbetreibern, beruht dabei auf einfachen\nPeeringbeziehungen, bei denen entweder eine Direktverbindung zwischen den\nPartnern der betroffenen Telekommunikationsnetze (sog. Private Peering) oder\neine Zusammenschaltung mehrerer Telekommunikationsnetze an einem öffentlichen\n„Internet-Exchange“ (sog. Public Peering) erfolgt. In technischer Hinsicht\nbedarf es für eine Zusammenschaltung neben der physischen Verbindung der Netze\nsoftwareseitig einer entsprechenden Konfiguration der betroffenen Router. Die\nhierfür erforderlichen Informationen werden entweder zwischen den Betreibern\nder Netze ausgetauscht oder automatisch generiert. In den allermeisten Fällen\nbestehen keine schriftlichen Vereinbarungen, sondern schlichte „Handshake\nAgreements“, mit denen sich die Netzbetreiber mit einer Zusammenschaltung\neinverstanden erklären. Vertragliche Leistungspflichten gehen mit dem Peering\nin keinem Fall einher. Insbesondere werden keine Qualitätsanforderungen an die\nDatenübertragung vereinbart; es gilt das „Best-Effort“-Prinzip. Der\nDatenaustausch erfolgt zudem dienstneutral auf IP-Ebene, ohne einen\nspezifischen Zusammenhang zum Betrieb von GMail aufzuweisen. Zusätzlich hat\ndie Klägerin mit Relevanz für den Datenverkehr in Deutschland insgesamt drei\nglobale Transitvereinbarungen mit internationalen Transit-Providern\ngeschlossen, die ihr gegen Entgelt die Durchleitung eigener Datenströme durch\nderen Hochleistungsverbindungen maßgeblich zur Stützung der von ihr\nangebotenen datenintensiven Dienste ermöglichen. Sie enthalten zwar wie\ninternational üblich „Service Level Agreements“, in denen Erwartungen an\nbestimmte allgemeine Qualitätsparameter wie Verfügbarkeit, Latenz oder\nPaketverlustrate zum Ausdruck kommen. Auch diese Transitvereinbarungen\nbetreffen aber dienstneutral die Datendurchleitung auf IP-Ebene, und sie\ngelten auch nur für die Inanspruchnahme der jeweiligen Hochleistungsverbindung\nund nicht für die gesamte für den Betrieb von GMail erforderliche Ende-zu-\nEnde-Verbindung über das offene Internet. Für die Erbringung von GMail\nbesitzen sie damit keine beachtliche praktische Relevanz.\n\n56\n\n4\\. Hiernach kann offen bleiben, ob es sich bei GMail zudem um einen Dienst\nhandelt, der im Sinne von Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie auch\ngewöhnlich bzw. im Sinne von § 3 Nr. 24 TKG in der Regel gegen Entgelt\nerbracht wird, obwohl GMail ebenso wie andere vergleichbare E-Mail-Dienste\njedenfalls in der Basisversion ohne die Erhebung einer Gebühr gegenüber dem\nEndnutzer angeboten wird.\n\n57\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.\n\n58\n\nDie Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten folgt gemäß\n§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 708 Nr. 10,\n711 ZPO.\n\n59\n\nDie Revision ist nicht zuzulassen, weil die hierfür gemäß § 132 Abs. 2 VwGO\nerforderlichen Voraussetzungen nach der Klärung der im Streit stehenden\nRechtsfragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union nicht mehr gegeben\nsind.\n\n
326,364
vghbw-2020-02-12-5-s-107019
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
5 S 1070/19
2020-02-12
2020-03-05 11:01:03
2020-12-10 13:32:23
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg\nvom 20. Juli 2017 - 3 K 596/16 - wird zurückgewiesen.\n\nDie Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit\nAusnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst\nträgt.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten über die Ausübung eines Vorkaufsrechts nach dem\nLandeswaldgesetz (LWaldG) durch die Beklagte. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klägerin ist Eigentümerin des 55,53 Ar großen, mit Wald bestandenen\nGrundstücks Flst.-Nr. 764 auf Gemarkung G... der Beklagten. Das Grundstück\nliegt in dem Natura-2000-Gebiet „Wutachschlucht“ und im Geltungsbereich des\nNatur- und Landschaftsschutzgebietes „Wutachschlucht“. Im Osten grenzt es an\nden Staatsforst des Landes Baden-Württemberg, im Süden an das Grundstück\nFlst.-Nr. 133, welches im Eigentum der Beklagten steht und teils als\nWaldfläche, teils als Grün- und Ackerfläche genutzt wird. Im Westen des\nKlägergrundstücks grenzt der Stadtwald der Beklagten an, im Norden die\nGemarkung der Nachbargemeinde. \n--- \n| 3 \n--- \n| Bereits mit einem am 12. Januar 2004 bei der Beklagten eingegangenen\nSchreiben bot die Klägerin ihr Grundstück zu einem Preis von ca. 11.500 Euro\nzum Kauf an. Mit Schreiben vom 13. Januar 2004, unterzeichnet von Stadtförster\n..., teilte die Beklagte mit, dass sie das Kaufangebot ablehne und von ihrem\nVorkaufsrecht keinen Gebrauch machen werde. Ein Ankauf der Stadt bringe nur\ngeringe Arrondierungs- und keinerlei Erschließungsvorteile. Zudem führe die\nTopographie (Steilhanglage) des Grundstücks zu sehr hohen Holzerntekosten. Da\nder östliche Teil des Waldgrundstücks an den Wald der Landesforstverwaltung\nangrenze, werde zu einer Anfrage beim Staatlichen Forstamt B... geraten. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit notariellem Kaufvertrag vom 4. August 2015 (UR .../2015) verkaufte die\nKlägerin das Grundstück Flst.-Nr. 764 zum Preis von 9.000 Euro an die\nBeigeladene. In § 7 Nr. 3 des Vertrages beauftragten die beteiligten\nVertragspartner den Notar u.a., einfache Abschriften an die dort im Einzelnen\ngenannten Stellen, darunter die zuständige Stelle zur Erklärung über das\nVorkaufsrecht nach § 25 LWaldG, zu übersenden. Außerdem heißt es in § 7 Nr. 3: \n--- \n| 5 \n--- \n| „Anfechtbare Bescheide sind den Beteiligten selbst zuzustellen. Von ihnen\nwird eine Abschrift an den Notar erbeten. Alle Genehmigungen werden allseits\nwirksam mit ihrem Eingang beim Notar“. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit an die „Stadt B..., Vorkaufsrechtsstelle“ gerichtetem Schreiben, bei der\nBeklagten eingegangen am 19. August 2015, stellte der Notar den „Antrag auf\nEntscheidung über die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts nach § 25\nLandeswaldgesetz oder Erklärung über dessen Nichtbestehen oder Nichtausübung“.\nDer Antrag enthielt den Hinweis: „Wir bitten um Übersendung an den Notar“. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit an den Notar adressiertem und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenem\n„Positivbescheid“ vom 21. August 2015 erklärte die Beklagte - unter Bezugnahme\nauf den Kaufvertrag UR .../2015 vom 4. August 2015 - „nach § 464 BGB die\nAusübung des Vorkaufsrechts gemäß § 25 Landeswaldgesetz“. Zu Begründung wurde\nausgeführt, die Stadt B... grenze mit eigenen Flächen unmittelbar an das zu\nverkaufende Grundstück an. Durch den Arrondierungseffekt beim Ankauf durch die\nStadt trete eine unmittelbare Verbesserung der Waldstruktur ein, welche im\nöffentlichen Interesse liege. \n--- \n| 8 \n--- \n| Am 24. September 2015 erhob die Klägerin gegen den Positivbescheid\nWiderspruch, den das Landratsamt Waldshut mit Widerspruchsbescheid vom 8.\nFebruar 2016 zurückwies. \n--- \n| 9 \n--- \n| Am 1. März 2016 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage\nerhoben. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen: Es fehle an einer Erklärung\ndes Vorkaufsrechts ihr gegenüber innerhalb der vorgeschriebenen Frist. Der\nUmstand, dass der Notar mitgeteilt habe, er bitte um Übersendung der Erklärung\nan ihn, ändere nichts an der Rechtslage. Es treffe nicht zu, dass sie - die\nKlägerin - die Ausübung des Vorkaufsrechts anerkannt habe. Bereits in der\nWiderspruchsbegründung habe sie ausgeführt, dass ihr gegenüber das\nVorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt worden sei. Hierin könne nicht die\nErklärung liegen, dass sie das Vorkaufsrecht als ihr gegenüber ergangen ansehe\nund akzeptiere. Vielmehr habe sie nur im Wege des Widerspruchs den von der\nBeklagten gesetzten Rechtsschein beseitigen und eine Klärung der Rechtslage\nherbeiführen wollen. Der Bescheid sei allein an den Notar gerichtet, der unter\nkeinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt richtiger Adressat gewesen sei.\nEine diesbezügliche Vollmacht sei ihm nicht erteilt worden. Dem Bescheid lasse\nsich auch nicht entnehmen, dass er dem Notar als Vertreter der Klägerin hätte\nbekannt gegeben werden sollen. Der Kaufvertrag enthalte die eindeutige\nFormulierung, dass anfechtbare Bescheide den Beteiligten selbst zuzustellen\nseien. Der im Schreiben der Beklagten vom 13. Januar 2004 erklärte Verzicht\nauf die Ausübung des Vorkaufsrechts sei verbindlich und gelte zumindest für\nden auf den Verzicht folgenden Vorkaufsfall. Die Klägerin habe davon ausgehen\nkönnen, dass der Sachbearbeiter der Beklagten als Stadtförster befugt gewesen\nsei, eine Verzichtserklärung im Namen der Stadt abzugeben. Im Übrigen seien\ndie Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht heranzuziehen. Die\nUnterzeichnung durch einen Mitarbeiter mit entsprechendem Rang und Stellung -\nhier dem obersten Fortbediensteten der Stadt -, der sein internes\nZeichnungsrecht überschreite, führe nicht zur Unwirksamkeit der Zusicherung.\nDie Beklagte hätte zur Geltendmachung des Vorkaufsrechts ihre Zusicherung\nwiderrufen müssen. Im Übrigen habe sich an den im Schreiben vom 13. Januar\n2004 genannten Gründen für den Verzicht nichts geändert, so dass eine\nAbweichung von der damaligen Entscheidung nicht gerechtfertigt sei. Ob die\ndamalige Erklärung irrtümlich erfolgt sei, spiele keine Rolle. Die Beklagte\nhabe, obwohl sie von dem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht habe, auf den\nKaufpreis bislang keine Zahlungen erbracht. Dadurch werde deutlich, dass sie\nselbst nicht davon ausgehe, das Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt zu haben. Ihr\nErmessen habe die Beklagte nicht nur nicht ausgeübt, sondern sich von völlig\nsachfremden Erwägungen leiten lassen. Jedenfalls könnten die Ausführungen im\nWiderspruchsbescheid, wonach die Ausübung des Vorkaufsrechts nach Rücksprache\nmit der Naturschutzbehörde erfolgt sei, nur in diesem Sinne verstanden werden.\nNaturschutz- oder tierschutzrechtliche Gesichtspunkte gehörten nicht zum\nErmessensbereich der Beklagten. Das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht hätte\nvon der Naturschutzbehörde ausgeübt werden müssen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zusammengefasst\nausgeführt: Aus dem Schreiben des Försters vom 13. Januar 2004 könne die\nKlägerin keine Rechte herleiten. Dieser habe auf etwaige naturschutzrechtliche\nBelange und Interessen hingewiesen, weshalb sich die Klägerin mit dem\nstaatlichen Forstamt in Verbindung setzen möge. Für die Klägerin sei es\ndeshalb klar gewesen, dass beim Grundstücksverkauf naturschutzrechtliche\nBelange eine Rolle spielen könnten. Im Übrigen sei der Mitarbeiter nicht\nbefugt gewesen, eine dauerhafte wirksame Verzichtserklärung hinsichtlich der\nAusübung des Vorkaufsrechts abzugeben. Dies habe der anwaltlich beratenen\nKlägerin auch klar sein müssen. Der damals neu eingestellte Förster sei davon\nausgegangen, dass die unterhalb des betroffenen Waldgrundstücks liegende Wiese\n(Flst.-Nr. 133) dem Landwirt gehöre, der sie bewirtschafte. Tatsächlich habe\ndiese Wiese aber schon 2004 im Eigentum der Beklagten gestanden. Bei Kenntnis\ndieser Tatsache hätte er - wenn auch wegen fehlender Zuständigkeit\nrechtsunwirksam - schon damals von dem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht. Es\nbestehe ein Interesse der Beklagten an der Arrondierung ihrer Grundstücke zur\nbesseren Waldbewirtschaftung und auch aus Gründen des Natur- und Tierschutzes.\nIm Hinblick auf die Bitte des Notars um Übersendung habe die Sachbearbeiterin\nder Beklagten davon ausgehen dürfen, dass er als Vertreter der Verkäuferin zur\nEntgegennahme der entsprechenden Erklärung befugt gewesen sei. Die\nEntscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts habe die Beklagte an den\nNotar mit der Bitte übersandt, das Schriftstück an die Parteien des\nKaufvertrages weiterzuleiten. Es liege auch keine fehlerhafte\nErmessensausübung vor. Das Grundstück befinde sich in der Wutachschlucht,\neinem besonders schützenswerten Gebiet. Daher bestehe ein öffentliches\nInteresse daran, die Flächen in das Eigentum der anliegenden Gemeinden oder\nTräger öffentlicher Belange zu überführen. Natur- und tierschutzrechtliche\nBelange lägen auch im Interesse der Beklagten. Es werde Bezug genommen auf ein\nSchreiben des Regierungspräsidiums Freiburg, Abteilung Umwelt, worin bestätigt\nwerde, dass von dort das Vorkaufsrecht im Namen des Naturschutzes geltend\ngemacht worden wäre, wenn die Beklagte das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt hätte.\nDie Forstverwaltung habe nur deshalb das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt, weil\ndas Vorkaufsrecht der Beklagten vorgehe. \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit Urteil vom 20. Juli 2017 hat das Verwaltungsgericht die Klage\nabgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Zwar sei die\nerhobene Klage als Feststellungsklage zulässig, diese Klage sei aber nicht\nbegründet, weil der Positivbescheid vom 21. August 2015 der Klägerin gegenüber\nwirksam bekannt gegeben worden sei. Die Erklärung des Vorkaufsrechts nach § 25\nLWaldG erfolge in Form eines privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakts, dessen\nRechtmäßigkeit sich nach § 1 LVwVfG richte und der einem hinreichend\nbestimmten Adressaten gegenüber wirksam bekanntgegeben werden müsse. Nach dem\nhier maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont habe die Klägerin selbst und\nnicht der Notar Adressat des Bescheides vom 21. August 2015 sein sollen, denn\nes sei offensichtlich, dass der Notar, der selbst nicht Vertragspartei sei,\nnicht Adressat des Positivbescheides sein könne, in dem ausdrücklich auf den\nKaufvertrag Bezug genommen werde und in dem die Klägerin und die Beigeladene\nnamentlich genannt würden. Der Klägerin sei der Bescheid auch wirksam\nbekanntgegeben worden. Dabei sei unerheblich, ob der Notar Bekanntgabe- oder\nZustellungsbevollmächtigter der Klägerin gewesen sei, denn die Bekanntgabe sei\njedenfalls auch ihr gegenüber persönlich erfolgt. Hierfür spreche schon der\nVermerk der Beklagten, wonach eine Mehrfertigung des Bescheides auch an die\nKlägerin gesandt werden sollte. Selbst wenn ihr aber der Bescheid nur von dem\nNotar zugesandt worden sein sollte, liege der erforderliche Bekanntgabewille\nder Beklagten und damit eine wirksame Bekanntgabe vor, denn mit der\nÜbersendung des Bescheides an den Notar habe sie gegenüber der Klägerin das\nVorkaufsrecht ausüben wollen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage sei ebenfalls unbegründet, da die\nangefochtenen Bescheide rechtmäßig seien und die Klägerin nicht in ihren\nRechten verletzten. Der Ausübung des Vorkaufsrechts stehe nicht die Erklärung\ndes Forstbediensteten der Beklagten vom 13. Januar 2004 entgegen. Dabei könne\noffenbleiben, ob diese Erklärung als nach § 38 LVwVfG bindende Zusage\nauszulegen sei, keinen Verwaltungsakt über die Ausübung des Vorkaufsrechts\nhinsichtlich des Grundstücks Flst.-Nr. 764 zu erlassen. Denn die Erklärung\nkönne der Beklagten jedenfalls nicht zugerechnet werden. Nach der im Zeitpunkt\nder Abgabe der Erklärung geltenden Fassung von § 11 Abs. 2 Nr. 8 der\nHauptsatzung der Beklagten sei allein der Bürgermeister für die Abgabe einer\nsolchen Zusage zuständig gewesen. Aus dem Wortlaut des § 38 LVwVfG könne nicht\ngeschlossen werden, dass jeder Bedienstete im Außenverhältnis fähig sei, seine\nBehörde rechtlich zu binden. Nach den verwaltungsorganisationsrechtlichen\nGrundsätzen müsse sich die Behörde in der Regel nur eine Willenserklärung des\nBehördenleiters oder seines gesetzlichen Vertreters sowie solcher Bediensteten\nzurechnen lassen, die über eine entsprechende Zeichnungsbefugnis verfügten.\nDies sei hier nicht der Fall gewesen. Der Bürgermeister habe den\nForstbediensteten der Beklagten nicht i.S.v. § 53 GemO beauftragt, die\nErklärung vom 13. Januar 2004 abzugeben. Nach den Angaben des\nForstbediensteten in der mündlichen Verhandlung habe es keinen allgemeinen\nGeschäfts- oder Organisationsplan gegeben, in welchem sein Aufgabenbereich\nfestgelegt gewesen sei und sei vor Abgabe der Erklärung keine Rücksprache mit\ndem Bürgermeister erfolgt. Damit habe es weder eine generelle noch eine\nindividuelle Bevollmächtigung des Forstbediensteten zur Abgabe der Erklärung\nvom 13. Januar 2004 gegeben. Daran ändere nichts, dass der Forstbedienstete\naufgrund seiner Stellung bzw. seines Aufgabenbereichs zur Abgabe von\nErklärungen hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen\nfür die Ausübung des Vorkaufsrechts befugt gewesen sein möge. \n--- \n| 13 \n--- \n| Das Vorkaufsrecht sei fristgerecht innerhalb der Zweimonatsfrist des § 25\nAbs. 4 Satz 2, 3 LWaldG i.V.m. § 464 S. 1 BGB ausgeübt worden. Ferner lägen\ndie Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 Satz 1 LWaldG vor, da der Kauf unmittelbar\nder Verbesserung der Waldstruktur diene. Denn das Grundstück der Klägerin sei\nnur 0,56 ha groß und grenze in westlicher, südlicher und östlicher Richtung an\nGemeinde- und Staatswald an. Dadurch trete ein Arrondierungseffekt ein, der\ndie Waldbewirtschaftung erleichtere. Denn entlang der Nordgrenze verlaufe die\nWutach, weshalb eine Holzabfuhr in diese Richtung nicht in Betracht komme. Da\ndie Beklagte eine Holzabfuhr aus den angrenzenden Gemeindewaldflächen ohnehin\nüber das südlich gelegene Grundstück Flst.-Nr. 133 bzw. das westlich\nangrenzende Grundstück Flst.-Nr. 765 hin zu dem Fahrweg auf Flst.- Nr. 150\nvornehmen müsse und diese Grundstücke in ihrem Eigentum stünden, würden\nKonflikte bei der Holzabfuhr durch die Arrondierung vermieden. Dagegen habe\ndie Beigeladene keine Wegerechte auf den anliegenden Grundstücken. Der\nUmstand, dass der Forstbedienstete im Schreiben vom 13. Januar 2004 die\nAuffassung vertreten habe, der Ankauf des streitgegenständlichen Grundstücks\nbringe nur geringe Arrondierungs- und keinerlei Erschließungsvorteile, stelle\ndiese Einschätzung nicht in Frage. Denn er sei damals irrtümlich davon\nausgegangen, dass das Grundstück Flst.-Nr. 133 nicht im Eigentum der Beklagten\nstehe. Darüber hinaus spreche viel dafür, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts\nauch der Sicherung der Schutzfunktion des Waldes diene, weil das\nstreitgegenständliche Grundstück in einem FFH-Gebiet sowie im Natur- und\nLandschaftsschutzgebiet liege. Die von der Beklagten angeführten\nErmessenserwägungen seien nicht rechtsfehlerhaft. Insbesondere stelle die\nBegründung zumindest in Gestalt des Widerspruchsbescheides keine sachfremden\nErwägungen an. Da § 25 Abs. 2 LWaldG auf der Tatbestandsseite bereits strenge\nKriterien aufstelle, um das Vorkaufsrecht ausüben zu können, sei es\nausreichend, dass auf der Rechtsfolgenseite die Belange nur knapp dargestellt\nwürden. Denn die Widerspruchsbehörde begründe die Ausübung des Vorkaufsrechts\ndamit, dass entsprechende Schutzmaßnahmen, etwa Bewirtschaftungsvorschriften,\nin zumutbarer und geeigneter Weise eher im öffentlichen als im privaten Wald\ndurchführbar seien. Diese Erwägungen stimmten mit § 12 LWaldG überein. \n--- \n| 14 \n--- \n| Am 28. Mai 2019 hat die Klägerin die vom Verwaltungsgerichtshof wegen\nernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassene Berufung\nbegründet. Sie führt zusammengefasst aus: Die Erklärung, dass das\nVorkaufsrecht ausgeübt werde, bedürfe einer ausdrücklichen und eindeutigen\nErklärung, die nur dem Verkäufer gegenüber abgegeben werden dürfe. Die von der\nBeklagten abgegebene Erklärung richte sich aber ausdrücklich und\nausschließlich an den Notar, welcher nicht zur Entgegennahme einer solchen\nErklärung bevollmächtigt gewesen sei. Dass der an den Notar gerichtete\nBescheid informatorisch auch an die Vertragsparteien übersandt worden sei,\nändere daran nichts, weil der Adressat des Verwaltungsakts, dem gegenüber\nwirksam bekanntgegeben werden soll, als solcher erkennbar sein müsse. Dies sei\nnicht der Fall. Die Bekanntgabe an einen Dritten reiche nicht aus. Entgegen\nder Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts könne auf die allgemeinen Regeln\nfür die Bekanntgabe i.S.v. § 41 LVwVfG hier nicht zurückgegriffen werden, weil\nmit § 464 BGB eine speziellere Regelung zur Ausübung des Vorkaufsrechts\ngetroffen worden sei, wonach eine einseitige Erklärung gegenüber dem\nVerpflichteten zu erfolgen habe. Diese Regelung sei aus Gründen der\nRechtsklarheit auch sinnvoll. Selbst wenn man aber die Bekanntgaberegeln zu §\n41 LVwVfG für anwendbar halte, sei die Klägerin nicht als hinreichend\nbestimmte Adressatin der Erklärung anzusehen. Denn vor dem Hintergrund, dass\nder Notar um Übersendung an ihn gebeten habe, führe die Auslegung nach dem\nobjektiven Empfängerhorizont dazu, dass die Beklagte nur den Notar als\nErklärungsadressaten angesehen habe und nur ihm gegenüber das Vorkaufsrecht\nhabe ausüben wollen. Die Kenntnisnahme der Klägerin gem. § 41 LVwVfG heile den\nfehlenden Bekanntgabewillen der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagte habe mit Schreiben vom 13. Januar 2004 auf die Ausübung des\nVorkaufsrechts wirksam verzichtet. Als zuständiger Leiter des städtischen\nForstamts habe der Stadtförster die Verzichtserklärung - in Form der\nZusicherung - auch rechtswirksam nach außen abgeben dürfen. Denn es habe zu\nseinem Aufgabenbereich gehört, die Geltendmachung des Vorkaufsrechts zu prüfen\nund entsprechende Erklärungen abzugeben. Das Fehlen einer verwaltungsinternen\nZeichnungsberechtigung ändere an der Wirksamkeit der Zusicherung und der\nVerhaltenszurechnung an die Beklagte nichts, zumal die fehlende\nZeichnungsberechtigung für einen Dritten nicht erkennbar gewesen sei und der\nStadtförster unter dem Briefkopf der Beklagten aufgetreten sei. \n--- \n| 16 \n--- \n| Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts lägen die Voraussetzungen des §\n25 Abs. 2 LWaldG nicht vor. Zwar grenze die Stadt B... an das Grundstück der\nKläger an; im Süden handele es sich aber um ein Wiesen-grundstück, das im\nRahmen des § 25 LWaldG keine Rolle spiele. Auch sei die angrenzende\nzusammenhängende Waldfläche der Beklagten deutlich größer als 3,5 ha, weshalb\nnicht von einer Bewirtschaftungsverbesserung oder gar von einer Beseitigung\neiner Zersplitterung gesprochen werden könne. Unabhängig davon habe auch der\nStadtförster als Zeuge ausgeführt, dass keine Verbesserung der Bewirtschaftung\neintrete, weil das Holz infolge der Steillage nicht über andere\nWaldgrundstücke abtransportiert werden könne. Hierfür müsse die angrenzende\nWiese genutzt werden. Bei der Beurteilung des § 25 LWaldG dürften nur\nforstliche Belange berücksichtigt werden. Die Beklagte habe auch ihr Ermessen\nnicht bzw. nicht sachgerecht ausgeübt. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klägerin beantragt, \n--- \n| 18 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20. Juli 2017 - 3 K 596/16 -\nzu ändern und festzustellen, dass ein Vorkaufsrecht nach § 25 LWaldG durch\nBescheid der Beklagten vom 21. August 2015 nicht wirksam ausgeübt wurde,\nhilfsweise den Bescheid der Beklagten vom 21. August 2015 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheids des Landratsamts Waldshut vom 8. Februar 2016\naufzuheben. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 20 \n--- \n| die Berufung zurückzuweisen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Sie trägt zur Begründung vor: Zwar sei der Notar nicht Adressat des\nPositivbescheides vom 21. August 2015 gewesen, die Willenserklärung sei der\nKlägerin gegenüber aber gem. § 41 Abs. 1, § 43 Abs. 1 LVwVfG mit ihrer\nAushändigung durch den Notar wirksam geworden. Die Beklagte habe auch davon\nausgehen dürfen, dass ein Notar zur Entgegennahme der Erklärung befugt gewesen\nsei, zumal dieser ausdrücklich dazu aufgefordert habe, die Erklärung an ihn zu\nübersenden und die Klägerin die Beklagte nicht selbst über den Abschluss des\nKaufvertrages informiert habe, sondern sich hierfür von einem Notar habe\nvertreten lassen. Entsprechend § 7 Ziffer 3 a) des Kaufvertrages habe der\nNotar für die Klägerin gehandelt, an welche der Bescheid vom 21. August 2015\ndeshalb auch gerichtet gewesen sei. Die Beklagte habe auf die Ausübung des\nVorkaufsrechts auch nicht rechtswirksam verzichtet. Abgesehen davon, dass der\nStadtförster ... bei der Abgabe der Erklärung vom 13. Januar 2004 einem Irrtum\nüber die Erschließungssituation unterlegen habe, sei dieser Mitarbeiter zur\nAbgabe der Erklärung vom 13. Januar 2004 gar nicht befugt gewesen. Nach § 42\nAbs. 1 Satz 2 GemO komme die Vertretungsbefugnis nach außen nur dem\nBürgermeister oder einem von ihm beauftragten Vertreter zu. Zudem gehöre die\nAusübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts jedenfalls bei kleineren Gemeinden\nnicht zum Geschäft der laufenden Verwaltung. Stadtförster ... sei weder Leiter\ndes städtischen Forstamts - ein solches gebe es nicht - noch Amtswalter der\nBeklagten, sondern ein Angestellter im öffentlichen Dienst, welcher für die\nPflege und Verwaltung der städtischen Wälder verantwortlich sei. Er habe\nkeinerlei Kompetenzen, über Grundstücke zu verfügen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Selbst wenn man von einer wirksamen Zusicherung ausgehe, hätten sich die\nVerhältnisse inzwischen verändert. Die Klägerin sei im Jahre 2004 von einem\nKaufpreis von ca. 11.500 Euro ausgegangen, der mit der Beigeladenen\nabgeschlossene Kaufvertrag sehe jedoch einen Kaufpreis von 9.000 Euro vor.\nAuch die naturschutzrechtliche Ausgangslage habe sich verändert, weil die\nSchutzbedürftigkeit des Gebietes in der Wutachschlucht damals noch nicht so\nhoch angesiedelt gewesen sei wie heute. Zudem sei damals noch gar kein\nVorkaufsfall gegeben gewesen. Die Klägerin habe seinerzeit lediglich formlos\nbei der Beklagten angefragt, ob ein Kaufinteresse bestehe. Auch liege kein\nschutzwürdiges Vertrauen der Klägerin darauf vor, dass die Beklagte sich nach\nmehr als 11 Jahren noch an die damals abgegebene Erklärung gebunden fühle.\nEinen etwa anzunehmenden Verzicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes im\nJahre 2004 habe die Beklagte jedenfalls in konkludenter Form durch den\nstreitgegenständlichen Bescheid vom 21. August 2015 widerrufen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 LWaldG lägen vor. Da das streitbefangene\nGrundstück nur eine Größe von 0,56 ha habe, könne es nicht rentabel\nbewirtschaftet werden. Bei einem Verkauf an die Beigeladene wäre eine\nunerwünschte Zersplitterung eingetreten. Da die Beklagte Eigentümerin diverser\nNachbargrundstücke sei, trete durch den Vorkauf eine Arrondierung ein. Die von\nder Klägerin erwähnte Wiese spiele nur insofern eine Rolle, als diese auch im\nEigentum der Beklagten stehe und somit für den Holztransport kein Wegerecht\neingeräumt werden müsse. Aus den Schreiben des Regierungspräsidiums Freiburg\nvom 31. März 2016 und des Kreisforstamts Waldshut vom 31. März 2016 ergebe\nsich, dass auch aus naturschutzrechtlichen Gründen ein überragendes Interesse\nder Beklagten am Erwerb des Grundstücks bestehe. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten, die Widerspruchsakten des\nLandratsamts Waldshut und die Gerichtsakten erster Instanz haben dem Senat\nvorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird\nhierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \nI. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Berufung ist zulässig. § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO bestimmt, dass die\nBerufung, wenn sie - wie vorliegend - vom Verwaltungsgerichtshof zugelassen\nworden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses\nzu begründen. Dies ist geschehen. Auch die Anforderungen des § 124a Abs. 6\nSatz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO sind erfüllt. \n--- \nII. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die zulässige Berufung ist aber unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das\nVerwaltungsgericht sowohl die im Hauptantrag erhobene Feststellungsklage -\ngerichtet auf Feststellung, dass die Beklagte ihr Vorkaufsrecht nicht\nrechtswirksam ausgeübt hat - (dazu 1.), als auch die hilfsweise auf Aufhebung\nder Bescheide vom 21. August 2015 und vom 8. Februar 2016 gerichtete\nAnfechtungsklage (dazu 2.) abgewiesen. \n--- \n| 28 \n--- \n| 1\\. Die im Hauptantrag erhobene Feststellungsklage (§ 43 VwGO) ist zulässig.\nDies hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Der Senat nimmt hierauf\nBezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der\nEntscheidungsgründe ab (§ 130b Satz 2 VwGO), zumal die Beteiligten die\nZulässigkeit der Feststellungsklage im Berufungsverfahren nicht\nproblematisiert haben. \n--- \n| 29 \n--- \n| Jedoch hat die Klägerin in der Sache keinen Anspruch auf die begehrte\nFeststellung. Denn die Beklagte hat das ihr aus § 25 Abs. 1 LWaldG zustehende\nVorkaufsrecht an dem Grundstück Flst.-Nr. 764 der Gemarkung G... wirksam\nausgeübt. \n--- \n| 30 \n--- \n| a) Der Wirksamkeit steht hier nicht entgegen, dass der Positivbescheid der\nBeklagten vom 21. August 2015 an Notar ... und damit nicht an die Klägerin -\nals Verkäuferin des streitbefangenen Grundstücks - gerichtet ist. Das\nLandeswaldgesetz ermächtigt die Gemeinde in § 25 Abs. 1 als Trägerin\nöffentlicher Gewalt, im öffentlichen Interesse als Käuferin in einen\nGrundstückskaufvertrag einzutreten. Nach § 25 Abs. 4 Satz 1 LWaldG i.V.m. §\n464 Abs. 1 BGB erfolgt die Ausübung des Vorkaufsrechts zwar durch „Erklärung“\ngegenüber dem Verpflichteten, diese Erklärung hat jedoch einseitig\ngestaltenden (privatrechtsgestaltenden) Charakter und ist damit ein\nVerwaltungsakt, der vor den Verwaltungsgerichten angefochten werden kann (VGH\nBad.-Württ., Urteil vom 7.7.1982 - 5 S 2606/81 - VBlBW 1983, 77; Urteil vom\n12.9.1997 - 5 S 2498/95 -, juris Rn. 19). Als Verwaltungsakt unterliegt die\nAusübung des Vorkaufsrechts den Bestimmtheitsanforderungen des § 37 Abs. 1\nLVwVfG. Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot verlangt in Zusammenhang mit\ndem Adressaten eines Verwaltungsakts, dass erkennbar sein muss, wem gegenüber\netwas geregelt werden soll. Dadurch soll eine Verwechslung mit anderen\nPersonen ausgeschlossen und der inhaltlich von dem Verwaltungsakt Betroffene\nseine Adressatenstellung erkennen können. Diesem Gesichtspunkt kommt besondere\nBedeutung zu, wenn der Inhaltsadressat - also derjenige, an den sich der\nVerwaltungsakt nach seinem objektiven Erklärungswert richtet - nicht identisch\nist mit dem Bekanntgabeadressaten als demjenigen, dem der Verwaltungsakt\ni.S.v. § 41 LVwVfG bekanntgegeben wurde. Allerdings reicht es aus, dass sich\ndem Bescheid anhaftende Unklarheiten hinsichtlich des Inhaltsadressaten durch\nAuslegung beheben lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, wie sich die\nVerhältnisse für einen außenstehenden Dritten darstellen, sondern allein\ndarauf, wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den\nVerwaltungsakt unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste\n(BVerwG, Urteil vom 27.6.2012 - 9 C 7.11 - juris Rn. 11 m.w.N., VGH\nBad.-Württ., Urteil vom 28.4.2010 - 2 S 2312/09 - juris Rn. 26 f; OVG\nSaarland, Urteil vom 20.2.2017 - 2 A 34/16 - juris Rn. 25). \n--- \n| 31 \n--- \n| Unter Zugrundelegung der der Klägerin bekannten Umstände und Verhältnisse\nrichtet sich der Positivbescheid seinem Inhalt nach an die Klägerin selbst und\nnicht an den im Adressfeld des Bescheides aufgeführten Notar. Denn zum einen\nwar der Klägerin aufgrund des notariellen Kaufvertrages von vornherein\nbekannt, dass sie selbst und nicht der den Kaufvertrag lediglich beurkundende\nNotar Vertragspartei und damit taugliche Inhaltsadressatin einer\nVorkaufsrechtsausübungserklärung ist. Zum anderen nimmt der Positivbescheid\nausdrücklich Bezug auf den „Kaufvertrag UR .../2015 vom 4. August 2015\nzwischen ... ... und ...GbR“. Dies kann aus Sicht der Klägerin nur so\nverstanden werden, dass sie selbst als Verkäuferin und Vertragspartei - und\nnicht der diesen Vertrag lediglich beurkundende Notar - aus dem Bescheid vom\n21. August 2015 verpflichtet werden soll, zumal sie, wie ihrem\nWiderspruchsschreiben vom 6. November 2015 zu entnehmen ist, jedenfalls eine\nKopie des Bescheides erhalten hat. Daraus konnte sie unmittelbar erkennen,\ndass sie selbst von der Positiverklärung der Beklagten materiell betroffen\nist. \n--- \n| 32 \n--- \n| b) Der Bescheid vom 21. August 2015 wurde der Klägerin gegenüber auch\nwirksam bekanntgegeben (§ 41 Abs. 1 LVwVfG). \n--- \n| 33 \n--- \n| aa) Allerdings liegt eine wirksame Bekanntgabe noch nicht darin, dass der\nBescheid im August 2015 dem Notar zugegangen ist. Denn dieser war weder\nEmpfangsbevollmächtigter noch Empfangsbote der Klägerin. In der öffentlichen\nUrkunde vom 4. August 2015 (Kaufvertrag, dort § 7 Nr. 3) wurde der Notar von\nden Parteien - und damit der Klägerin - ausdrücklich nicht zur Entgegennahme\nder Vorkaufsausübungserklärung ermächtigt. Die Entgegennahme einer solchen\nErklärung hält sich im Übrigen auch nicht mehr im Rahmen dessen, was noch\nunter den Vollzug des Kaufvertrages zu fassen ist (NdsOVG, Urteil vom\n12.7.1995 - 1 L 5249/94 - juris Rn. 24). Zwar hat der Notar mit seinem Hinweis\nin dem an die Beklagte gerichteten Begleitschreiben, es werde um Übersendung\nder Erklärung über die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts an den Notar\ngebeten, möglicherweise den Eindruck erweckt, er handele insoweit im Auftrag\nder Klägerin. Diese muss sich einen vom Notar gesetzten Anschein jedoch\naufgrund der eindeutig formulierten Regelung in § 7 Nr. 3 des Kaufvertrages\nnicht zurechnen lassen. \n--- \n| 34 \n--- \n| bb) Eine wirksame Bekanntgabe lag aber jedenfalls darin, dass die Klägerin\neine Mehrfertigung des Bescheides vom 21. August 2015 direkt von der Beklagten\nerhalten hat. Die Klägerin hat dies in ihrem Widerspruchsschreiben vom 6.\nNovember 2015 selbst vorgetragen. Dieser Vortrag deckt sich mit der Verfügung\nder Beklagten vom 21. August 2015, die dem Originalbescheid der Beklagten in\nder Verwaltungsakte nachgeheftet ist. Danach erhält die Klägerin eine\nMehrfertigung des an den Notar adressierten Bescheides. Zusätzlich hat auch\nder Notar den Bescheid vom 21. August 2015 als Erklärungsbote der Beklagten an\ndie Klägerin zur Kenntnisnahme übersandt. Dies ist dem erstinstanzlichen\nVortrag der Klägerin (Klagebegründung vom 2. Mai 2016, Seite 1) zu entnehmen. \n--- \n| 35 \n--- \n| Sowohl die direkte Übersendung einer Mehrfertigung des Bescheides als auch\ndie über den Notar vermittelte Übersendung einer Kopie des Bescheides an die\nKlägerin sind von einem entsprechenden Bekanntgabewillen der Beklagten\ngetragen. Die direkte Übersendung wurde von der Beklagten selbst zielgerichtet\nveranlasst, um der Klägerin Kenntnis von der Ausübung des Vorkaufsrechts zu\nverschaffen. Aber auch die Verfahrensweise des Notars entspricht dem\nBekanntgabewillen der Beklagten. Denn diese hat ihren Positivbescheid vom 21.\nAugust 2015 - entsprechend der Aufforderung des Notars, die Erklärung an ihn\nzu übersenden - ersichtlich in der Erwartung übersandt, dass der Notar die von\nder Ausübung des Vorkaufsrechts materiell betroffene Klägerin hierüber\ninformieren werde. \n--- \n| 36 \n--- \n| c) Nach § 25 Abs. 4 Satz 2 LWaldG kann das Vorkaufsrecht nur innerhalb von\nzwei Monaten nach der Mitteilung des Kaufvertrages wirksam ausgeübt werden.\nDiese Wirksamkeitsvoraussetzung ist ebenfalls erfüllt. Der notarielle\nKaufvertrag wurde am 4. August 2015 geschlossen und ist am 19. August 2015\nbeim Bürgermeisteramt B... eingegangen. Bereits mit Bescheid vom 21. August\n2015 hat die Beklagte ihr Vorkaufsrecht ausgeübt. \n--- \n| 37 \n--- \n| d) Das aus § 25 Abs. 4 Satz 2 LWaldG i.V.m. § 464 Abs. 1 BGB abzuleitende\nErfordernis, das Vorkaufsrecht durch einfache, d.h. nicht der notariellen\nBeurkundung bedürftige (vgl. § 464 Satz 2 i.V.m. § 311b BGB) Erklärung\ngegenüber dem Verpflichteten auszuüben, ist hier nach den Ausführungen unter\na) eingehalten. \n--- \n| 38 \n--- \n| Damit liegen sämtliche Voraussetzungen dafür vor, dass die Beklagte ihr\nVorkaufsrecht gegenüber der Klägerin wirksam ausgeübt hat. Ihr im Hauptantrag\nverfolgtes Feststellungsbegehren bleibt daher erfolglos. \n--- \n| 39 \n--- \n| 2\\. Deshalb ist über den Hilfsantrag, gerichtet auf Aufhebung des Bescheides\nvom 21. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamts\nWaldshut vom 8. Februar 2016, zu entscheiden. \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere hat die Klägerin trotz ihres\nRechtsstandpunktes, das Vorkaufsrecht sei schon nicht wirksam ausgeübt worden,\ndas notwendige Widerspruchsverfahren durchgeführt. \n--- \n| 41 \n--- \n| Sie ist aber nicht begründet, weil die genannten Bescheide rechtmäßig sind\nund die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).\nHiervon ist das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. \n--- \n| 42 \n--- \n| a) Der Bescheid wurde von der zuständigen Gemeinde durch den zuständigen\nBürgermeister erlassen. Die fehlende Anhörung der Klägerin vor Erlass des\nBescheides vom 21. August 2015 wurde jedenfalls im Widerspruchsverfahren\ngeheilt. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Da die\nBeteiligten sich gegen diese Ausführungen im Berufungsverfahren nicht wenden,\nverweist der Senat insoweit auf das angefochtene Urteil (§ 130b Satz 2 VwGO). \n--- \n| 43 \n--- \n| b) Die Beklagte war an der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht durch die\nErklärung ihres Forstbediensteten vom 13. Januar 2004 gehindert. Darin wurde\nder Klägerin auf ihre am 12. Januar 2004 eingegangene Anfrage, ob die Beklagte\nInteresse habe, das Waldgrundstück Flst.-Nr. 764 zum Preis von ca. 11.500 Euro\nzu erwerben, mitgeteilt, die Stadt B... werde von dem unterbreiteten\nKaufangebot und ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machen. \n--- \n| 44 \n--- \n| aa) In dieser schriftlich abgegebenen Erklärung liegt ihrem Inhalt nach\nkeine Zusicherung i.S.v. § 38 LVwVfG. Zwar spricht die gewählte Formulierung\nin Satz 2 des Schreibens („von ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machen“)\nbei isolierter Betrachtung dafür, dass die Beklagte zugesagt hat, einen\nbestimmten Verwaltungsakt - nämlich die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 25\nAbs. 4 LWaldG i.V.m. § 464 BGB - zukünftig zu unterlassen. Jedoch steht diese\nFormulierung in Zusammenhang mit dem vorangehenden Satz („in ihrem Schreiben\nvom 12. Januar 2004 haben Sie der Stadt B... das Waldgrundstück (...) zum Kauf\nangeboten“ und dem letzten Satz des Schreibens, mit dem der Klägerin für ihr\nKaufangebot gedankt wird. Aus dem Gesamtzusammenhang ist ersichtlich, dass die\nBeklagte mit ihrem Schreiben vom 13. Januar 2004 nicht in einer\nVorkaufssituation (vgl. § 25 Abs. 4 Satz 1 LWaldG i.V.m. § 463 BGB) reagiert\nund demgemäß in der Sache auch nicht über die (Nicht-)Ausübung ihres\nVorkaufsrechts entschieden, sondern schlicht das ihr unterbreitete Kaufangebot\nabgelehnt hat. Zur Abgabe einer rechtsverbindlichen Zusicherung über die\nAusübung des Vorkaufsrechts hatte die Beklagte auch gar keine Veranlassung,\nweil die vorausgehende und am 12. Januar 2004 bei der Beklagten eingegangene\nAnfrage der Klägerin ebenfalls ein unmittelbares Kaufangebot an die Gemeinde\nenthält („Hiermit frage ich an, ob die Stadt B... Interesse hat, das Waldstück\nFlst.-Nr. 764 Gewann N... in G... zu erwerben“). Der Umstand, dass in der\nAnfrage auch auf das Vorkaufsrecht der Gemeinde hingewiesen wird, ändert\nhieran nichts. Denn die Klägerin brachte damit nicht zum Ausdruck, dass sie\nbereits jetzt eine verbindliche Auskunft darüber haben möchte, ob die Gemeinde\nihr gesetzliches Vorkaufsrecht in künftigen Verkaufsfällen ausüben wird oder\nnicht. \n--- \n| 45 \n--- \n| bb) Selbst wenn man das Schreiben vom 13. Januar 2004 seinem Inhalt nach als\nZusicherung i.S.v. § 38 LVwVfG qualifizierte, wäre sie jedenfalls nicht von\nder zuständigen Behörde i.S.v. § 38 Abs. 1 LVwVfG erteilt worden. \n--- \n| 46 \n--- \n| (1) Behörde ist nach § 1 Abs. 2 LVwVfG jede Stelle, die Aufgaben der\nöffentlichen Verwaltung wahrnimmt; zuständige Behörde i.S.v. § 38 LVwVfG ist\ngrundsätzlich die Behörde, welche den zugesicherten Verwaltungsakt erlassen\nmüsste (Stuhlfauth in Obermayer/Funke-Kaiser, 5. Auflage, § 38 Rn. 22;\nKopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage, § 38 Rn. 18 m.w.N.). Dies ist hier die\nStadt B..., welcher das Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 LWaldG zusteht, wobei\nder Gemeinderat die Entscheidung über die Vorkaufsrechtsausübung zu treffen\nhätte (§ 25 Abs. 1 Satz 2 GemO). Ein ohne Entscheidung des Gemeinderats\nausgeübtes Vorkaufsrecht ist nach der Rechtsprechung des Senats rechtswidrig\n(VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.9.1997 - 5 S 2498/95 - juris Rn. 2).\nAllerdings wurde dem Bürgermeister nach § 24 Abs. 1 Satz 2 GemO i.V.m. § 11\nAbs. 2 Nr. 8 der Hauptsatzung der Beklagten u.a. die Ausübung von\nVorkaufsrechten im Wert bis 15.000 Euro übertragen. Dies hat zur Folge, dass\nder Bürgermeister hier die Zusicherung hätte erteilen müssen. Dieser hat aber\nnicht gehandelt. Nach den Angaben des Stadtförsters ... in der mündlichen\nVerhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 20. Juni 2017 war der Bürgermeister\nmit der Beantwortung des am 12. Januar 2004 eingegangenen Schreibens auch in\nder Sache nicht befasst. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12.\nFebruar 2020 haben sich hierzu keine abweichenden Erkenntnisse ergeben. \n--- \n| 47 \n--- \n| (2) Die Erklärung ihres Stadtförsters vom 13. Januar 2004 muss sich die\nBeklagte nicht zurechnen lassen. Es ist streitig, ob die Wirksamkeit der\nZusicherung auch davon abhängt, dass innerhalb der Behörde die zuständige\nPerson gehandelt hat (Nachweise bei Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage, § 38\nRn. 18). Dagegen spricht schon der Wortlaut des § 38 Abs. 1 LVwVfG, welcher\nauf die Zuständigkeit „der Behörde“ und nicht der konkret handelnden Person\nabstellt. Soweit für die Maßgeblichkeit der behördeninternen Zuständigkeit der\nhandelnden Person ins Feld geführt wird, dies sei vor dem Inkrafttreten des\nVerwaltungsverfahrensgesetzes von der Rechtsprechung verlangt worden\n(Nachweise Kopp/Ramsauer a.a.O.), beruht dies auf einem Missverständnis. Denn\ndas Bundesverwaltungsgericht stand auch schon zur vor dem Inkrafttreten des\nVerwaltungsverfahrensgesetzes geltenden Rechtslage auf dem Standpunkt, dass es\nzwar auf die Befugnis des handelnden Bediensteten ankomme, dieser aber nach\nseiner Stellung in der Behörde zu derartigen Erklärungen befugt sein müsse.\nDaher sei es für eine Zurechnung ausreichend, dass der handelnde Beamte auf\neiner Rangstufe stehe, auf der solche Zuständigkeiten innerhalb der Behörde\nwahrgenommen würden (BVerwG, Urteil vom 19.1.1967 - VI C 73.64 - juris Rn. 35;\nUrteil vom 17.10.1975 - IV C 66.72 - juris Rn. 35). Da der Gesetzgeber bei der\nSchaffung des Verwaltungsverfahrensgesetzes in Bezug auf das\nZuständigkeitserfordernis an die bisherige Judikatur anknüpfen wollte (BT-Drs.\n7/910, S. 60) ist die interne Unzuständigkeit des handelnden Bediensteten der\nBehörde auch im Rahmen des § 38 Abs. 1 (L)VwVfG für die Wirksamkeit der\nZusicherung jedenfalls dann unschädlich, wenn er nach seiner Stellung zu\nEntscheidungen dieser Art nach außen handlungs- oder vertretungsbefugt ist\n(BVerwG, Beschluss vom 22.3.1995 - 1 WB 81.94 - juris Rn. 3; Kopp/Ramsauer\na.a.O.; Stuhlfauth in Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 5. Auflage, § 38 Rn. 22;\nUechtritz in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage, § 38 Rn. 96;\nStelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage, § 38 Rn. 65). \n--- \n| 48 \n--- \n| Eine solche Handlungs- und Vertretungsbefugnis stand dem Stadtförster der\nBeklagten im Zeitpunkt der Abgabe der Zusicherung nicht zur Seite. Er war\nnicht als Behördenleiter oder dessen Stellvertreter - und damit als geborener\nBehördenvertreter - zu einer Vertretung der Gemeinde nach außen befugt. Es\nbestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der für die Erteilung der\nZusicherung zuständige Bürgermeister der Beklagten den Stadtförster i.S.v. §\n53 Abs. 1 GemO beauftragt hätte, ihn bei der Abgabe von Erklärungen zur\nAusübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts generell oder jedenfalls bei der\nAbgabe der Erklärung vom 13. Januar 2004 zu vertreten. \n--- \n| 49 \n--- \n| Eine entsprechende Handlungs- und Vertretungsbefugnis folgt auch nicht aus\nder Stellung als Stadtförster der Beklagten. Die Beklagte hat hierzu\nunwidersprochen vorgetragen, Herr ... sei nicht Leiter des städtischen\nForstamts - ein solches gebe es nicht -, sondern Angestellter im öffentlichen\nDienst, welcher für die Pflege und Verwaltung der städtischen Wälder\nverantwortlich sei. In der mündlichen Verhandlung am 20. Juli 2017 hat Herrn\n... angegeben, im Januar 2004 habe kein allgemeiner Geschäftsverteilungs- oder\nOrganisationsplan existiert, in dem sein Aufgabenbereich festgelegt gewesen\nsei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12. Februar 2020 haben\nsich auch hierzu keine abweichenden Erkenntnisse ergeben. Vor diesem\nHintergrund wird man zwar annehmen können, dass der Stadtförster nach seiner -\nauch nach außen erkennbaren - Stellung als Verantwortlicher für die Verwaltung\nder städtischen Wälder befugt ist, Erklärungen zu spezifisch forstlichen\nFragen wie etwa dazu abzugeben, ob die waldwirtschaftlichen Voraussetzungen\ndes § 25 Abs. 2 Satz 1 LWaldG vorliegen oder nicht. Es ist aber - auch für\neinen Dritten wie die Klägerin - erkennbar, dass die Ausübung eines der\nGemeinde zustehenden Vorkaufsrechts bezüglich eines Waldgrundstücks schon\nwegen seiner fiskalischen Auswirkungen nicht zu den Entscheidungen gehört, die\nein Stadtförster aufgrund seiner Stellung ihrer Art nach mit Außenwirkung für\ndie Gemeinde treffen darf. \n--- \n| 50 \n--- \n| (3) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin muss der Stadtförster der\nBeklagten hier auch nicht unter Vertrauensgesichtspunkten als für die Abgabe\neiner Erklärung nach § 25 Abs. 4 LWaldG i.V.m. § 464 BGB handlungs- und\nvertretungsbefugt angesehen werden. \n--- \n| 51 \n--- \n| Zwar entspricht es allgemeiner Auffassung, dass die im bürgerlichen Recht\nentwickelten Grundsätze über die Rechtsscheinsvollmacht (Anscheins- und\nDuldungsvollmacht) auch im Verwaltungsrecht - und hier insbesondere im\nVerwaltungsverfahrensrecht - gelten (BVerwG, Urteil vom 18.4.1996 - 4 C 22.94\n- juris Rn. 18; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage, § 14 Rn. 22 m.w.N.). Der\nSenat hat allerdings Zweifel, ob diese Grundsätze auch im hier vorliegenden\nZusammenhang der Bestimmung der zuständigen Behörde i.S.v. § 38 LVwVfG\nAnwendung finden. Denn es wurde bereits ausgeführt, das die Handlungs- und\nVertretungsbefugnis - sofern nicht der Sonderfall einer speziellen\nHandlungsermächtigung nach § 56 GemO vorliegt - innerhalb der Behörde nach der\n(Rang)Stellung des Handelnden zu bestimmen ist. Die Anwendung der Grundsätze\nüber die Rechtsscheinvollmacht geriete hierzu in ein Spannungsverhältnis, weil\ninsoweit dann doch nicht mehr generalisierend und typisierend auf die\n(Rang)Stellung, sondern auf die konkreten Einzelfallumstände abgestellt würde. \n--- \n| 52 \n--- \n| Letztlich kann dies aber offenbleiben. Denn auch eine Anwendung der\nGrundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht führte hier nicht dazu, dass\ndie Beklagte sich die Erklärung vom 13. Januar 2004 zurechnen lassen müsste. \n--- \n| 53 \n--- \n| Eine Duldungsvollmacht ist anzunehmen, wenn der Vertretene es wissentlich\ngeschehen lässt, dass ein anderer für ihn als Vertreter auftritt und der\nErklärungsempfänger dieses Dulden dahin versteht und nach Treu und Glauben\nverstehen durfte, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (BGH,\nUrteil vom 20.4.2018 - V ZR 202/16 - juris Rn. 34). Diese Voraussetzungen sind\nhier schon deshalb nicht erfüllt, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen,\ndass der Bürgermeister der Beklagten, an den das am 12. Januar 2004\neingegangene Schreiben der Klägerin gerichtet war, bis zur Ausübung des\nVorkaufsrechts im August 2015 Kenntnis von dem Antwortschreiben vom 13. Januar\n2004 erlangt hat, welches von Stadtförster ... unter dem Briefkopf\n„Bürgermeisteramt der Stadt B... im S...“ unterzeichnet wurde. Nach den\nAngaben des Stadtförsters in der mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2017 hat\nder Bürgermeister erst in Zusammenhang mit der gerichtlichen\nAuseinandersetzung über das von der Beklagten ausgeübte Vorkaufsrecht „von\ndiesem Thema“ erfahren. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat die Beklagte\njedoch zugleich klargestellt, dass der Stadtförster mit der Unterzeichnung des\nSchreibens vom 13. Januar 2004 - sofern man es als Zusicherung ansieht, das\nVorkaufsrecht nicht auszuüben (s.o.) - seine Kompetenzen überschritten hat und\ndieses Verhalten nicht gebilligt wird. Es spricht auch nichts dafür, dass noch\nandere, vergleichbare Antwortschreiben des Stadtförsters an Dritte\nherausgegeben wurden und der Bürgermeister dies wissentlich hat geschehen\nlassen. \n--- \n| 54 \n--- \n| Eine Anscheinsvollmacht setzt voraus, dass der Vertretene das Handeln des\n(Schein-)Vertreters zwar nicht kennt, aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte\nerkennen und verhindern können, und der Erklärungsempfänger nach Treu und\nGlauben annehmen durfte, der Vertretene kenne und billige das Handeln des\nVertreters (BVerwG, Urteil vom 25.2.1994 - 8 C 2.92 - juris Rn. 10; BGH,\nUrteil vom 26.1.2016 - XI ZR 91/14 - juris Rn. 61). Diese Voraussetzungen sind\nebenfalls nicht erfüllt. Der Senat geht hier zugunsten der Klägerin davon aus,\ndass dem Bürgermeister das an ihn adressierte und laut Eingangsvermerk am 12.\nJanuar 2004 bei der Beklagten eingegangene Schreiben der Klägerin auch\ntatsächlich vorgelegt und sodann - entsprechend des Ausführungen des\nStadtförsters ... am 12. Juli 2017 beim Verwaltungsgericht -\nzuständigkeitshalber an ihn weitergeleitet wurde. Diese Weiterleitung\nentspricht einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang, denn als Stadtförster war Herr\n... für die Bearbeitung eines Kaufangebotes zuständig. Ihm oblag schon damals\ndie Prüfung von Arrondierungs- und Erschließungsvorteilen sowie der\nAngemessenheit des Kaufpreises. Der Bürgermeister musste bei dieser\nWeiterleitung aber nicht damit rechnen, dass der Stadtförster den Vorgang,\nsoweit er eine Entscheidung über das Kaufangebot oder gar zu Ausübung des\ngemeindlichen Vorkaufsrechts betrifft - abschließend bearbeiten und ohne\nRücksprache unter dem Briefkopf des Bürgermeisteramts für die Gemeinde\nrechtserhebliche Erklärungen gegenüber Dritten abgeben würde, die in den\nZuständigkeitsbereich des Bürgermeisters oder des Gemeinderats fallen. \n--- \n| 55 \n--- \n| c) Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts liegen\nvor. Nach § 25 Abs. 2 LWaldG darf dieses Recht nur ausgeübt werden, wenn der\nKauf der Verbesserung der Waldstruktur oder der Sicherung der Schutz- oder\nErholungsfunktionen des Waldes dient (Satz 1) und keines der in Satz 2 der\nVorschrift genannten Ausübungshindernisse vorliegt. \n--- \n| 56 \n--- \n| aa) Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass einer der in § 25 Abs. 2\nSatz 2 LWaldG genannten Fälle vorliegen könnte, in denen das Vorkaufsrecht\nnicht ausgeübt werden darf. \n--- \n| 57 \n--- \n| bb) Der Kauf des Grundstücks Flst.-Nr. 764 durch die Beklagte dient hier der\nVerbesserung der Waldstruktur. Dieses Tatbestandsmerkmal ist regelmäßig\nerfüllt, wenn durch den Kauf zersplitterte Besitzverhältnisse beseitigt und\ngrößere, räumlich zusammenhängende Waldflächen geschaffen werden. Denn\nhierdurch wird es dem Waldeigentümer („Waldbesitzer“) erleichtert, seinen\nwaldwirtschaftlichen Grundpflichten (§ 12 LWaldG) nachzukommen und den Wald im\nRahmen seiner Zweckbestimmung nach anerkannten forstlichen Grundsätzen\nnachhaltig, pfleglich, planmäßig und sachkundig zu bewirtschaften sowie die\nBelange der Umweltvorsorge zu berücksichtigen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom\n7.7.1982 - 5 S 2606/81 - VBlBW 1983, 77; Urteil vom 11.8.1989 - 5 S 1259/88 -,\nVBlBW 1990, 149). Dies kommt auch in der Regelung des § 24 Abs. 2 LWaldG zum\nAusdruck, wonach die Genehmigung einer Teilung von Waldgrundstücken versagt\nwerden darf, wenn ein Grundstück kleiner als dreieinhalb Hektar wird, es sei\ndenn, seine ordnungsgemäße Bewirtschaftung erscheint (trotzdem) gewährleistet. \n--- \n| 58 \n--- \n| Demnach dient die Einbeziehung des nur knapp 56 Ar großen Grundstücks\nFlst.-Nr. 764 hier schon im Hinblick auf seine geringe Größe der Verbesserung\nder Waldstruktur. Denn die Gemeinde muss ihren westlich angrenzenden und um\nein Vielfaches größeren Gemeindewald ohnehin bewirtschaften (zu diesen\nGesichtspunkten schon VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7.7.1982 - 5 S 2606/81 -\nVBlBW 1983, 77). Der Hinweis der Klägerin, die zusammenhängende Waldfläche der\nBeklagten sei deutlich größer als 3,5 ha, weshalb nicht davon die Rede sein\nkönne, dass die Bewirtschaftung verbessert oder zersplitterte\nBesitzverhältnisse beseitigt würden, missversteht die 3,5-ha-Grenze des § 24\nAbs. 2 LWaldG. Denn diese bezieht sich nicht auf die umgebende Waldfläche,\nsondern auf das Waldgrundstück der Klägerin und stellt klar, dass\nWaldgrundstücke mit einer Fläche von weniger als 3,5 ha in der Regel\nwaldwirtschaftlich problematisch sind. \n--- \n| 59 \n--- \n| Hinzu kommt, dass das Grundstück - nach den Angaben des Stadtförsters ... in\nder mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, aber auch nach dem\nBerufungsvortrag der Klägerin - nach Norden zum Wutachtal hin steil abfällt\nund diese topographische Besonderheit die Bewirtschaftung zusätzlich\nerschwert. An dem Umstand, dass die Bewirtschaftung durch den Kauf insgesamt\nleichter wird, ändert sich nichts dadurch, dass auch die Gemeinde das Holz\nnicht durch ihren westlich angrenzenden Wald (Flst.-Nr. 765), sondern nach\nSüden über den Weg Flst.-Nr. 150 abfahren müsste (vgl. die Angaben des\nStadtförsters ... in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2017). Denn die\nBeklagte kann für den Abtransport des Holzes ihr unmittelbar an das Flst.- Nr.\n764 angrenzendes Wiesengrundstück Flst.-Nr. 133 nutzen. Der Vortrag der\nKlägerin, dass das Grundstück Flst.-Nr. 764 „seit Jahrhunderten“ problemlos\nbewirtschaftet worden sei, führt hier nicht weiter. Denn eine Verbesserung der\nWaldstruktur i.S.v. § 25 Abs. 2 Satz 1 LWaldG ist nach der oben\nwiedergegebenen Rechtsprechung des Senats nicht erst dann anzunehmen, wenn\nbestehende Probleme beseitigt werden. Vielmehr reicht schon eine Erleichterung\nder bisherigen Waldbewirtschaftung aus. Daran ändert der Hinweis der Klägerin\nnichts, Stadtförster ... habe in seinem Schreiben vom 13. Januar 2004 erklärt,\nbei einem Kauf des Waldgrundstücks böten sich keine Erschließungsvorteile.\nDenn schon das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass\nder Stadtförster bei dieser Einschätzung irrtümlich davon ausging, das\nFlst.-Nr. 133 stehe nicht im Eigentum der Beklagten. Dies ergibt sich aus\nseinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2017. \n--- \n| 60 \n--- \n| cc) Daher kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob der Kauf\ndes Grundstücks Flst.-Nr. 764 auch der Sicherung der Schutz- oder\nErholungsfunktion des Waldes dient. \n--- \n| 61 \n--- \n| dd) Schließlich steht der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht entgegen, dass\nein vorrangiges Vorkaufsrecht nach § 66 BNatSchG i.V.m. § 53 NatSchG besteht.\nDenn aus der vorliegenden Stellungnahme des Regierungspräsidiums Freiburg vom\n31. März 2016 ergibt sich, dass das Land dieses Recht nicht ausgeübt hat oder\nausüben wird. \n--- \n| 62 \n--- \n| d) Die Ermessensentscheidung der Beklagten ist nicht zu beanstanden. \n--- \n| 63 \n--- \n| Die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 25 Abs. 4 LWaldG steht im\nEntschließungsermessen der Beklagten. Dies folgt zwar - entgegen der\nRechtsauffassung des Verwaltungsgerichts - nicht aus dem Wortlaut des § 25\nAbs. 2 Satz 1 und 2 LWaldG, wonach das Vorkaufsrecht nur bei Einhaltung der\ndort genannten Anforderungen ausgeübt werden „darf“. Denn diese Formulierung\nbezieht sich auf - positiv und negativ formulierte -\nTatbestandsvoraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, wenn die\nVorkaufsrechtsausübung rechtmäßig sein soll. Jedoch ergibt sich aus § 25 Abs.\n4 Satz 1 LWaldG („kann ausgeübt werden“), dass der Gemeinde ein\nEntschließungsermessen zusteht (dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.8.1989 - 5\nS 1259/88 -, VBlBW 1990, 149), zumal sie schon aus Gründen der\nverfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 71\nAbs. 1 LV) nicht gezwungen sein kann, ein bestimmtes Grundstück, hinsichtlich\ndessen die Tatbestandsvoraussetzungen für die Ausübung eines Vorkaufsrechts\nvorliegen, auch tatsächlich zu erwerben. \n--- \n| 64 \n--- \n| Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin lassen die angefochtenen\nBescheide noch erkennen, dass Ermessen ausgeübt wurde. Im Positivbescheid der\nBeklagten ist davon die Rede, dass die Verbesserung der Waldstruktur im\nöffentlichen Interesse liegt. Auch das Landratsamt hat im Widerspruchsbescheid\nnicht nur begründet, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 2\nLWaldG vorliegen, sondern zudem, dass die Stadt B... ihr Vorkaufsrecht im\nöffentlichen Interesse rechtmäßig ausgeübt habe. Der Hinweis auf das\nöffentliche Interesse kann nur so verstanden werden, dass die Beklagte ihr\nEntschließungsermessen erkannt hat und nicht davon ausgegangen ist, zur\nAusübung des Vorkaufsrechts verpflichtet zu sein. \n--- \n| 65 \n--- \n| Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ermessensfehlern bestehen nicht. Die\nKlägerin meint unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag, die\nBeklagte habe sich bei ihrer Entscheidung von völlig sachfremden Erwägungen\nleiten lassen, weil sie im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.\nJuli 2016 auch naturschutz- und tierschutzrechtliche Gesichtspunkte zur\nVerteidigung der angegriffenen Bescheide vorgetragen hat, welche nach ihrer\nAuffassung nicht zum Ermessensbereich der Beklagten gehören. Dem ist nicht zu\nfolgen. Denn die Beklagte hat das öffentliche Interesse an einem\nGrundstückskauf in ihrem Positivbescheid vom 21. August 2015 bereits\nermessensfehlerfrei mit dem Gesichtspunkt des Arrondierungseffektes begründet.\nDaher kommt es nicht mehr darauf an, ob sie zusätzlich fehlerfreie\nErmessenserwägungen in Bezug auf den Vorkaufsgrund der Sicherung der Schutz-\nund Erholungsfunktion des Waldes vorliegen. \n--- \n| 66 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Die\naußergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, denn\ndie Beigeladene hat keinen (Sach-)Antrag gestellt und damit kein Prozessrisiko\nübernommen (vgl. 154 Abs. 3 VwGO). Außerdem hat sie das Verfahren nicht durch\neigenen Rechts- oder Tatsachenvortrag gefördert. Die Kostenentscheidung des\nVerwaltungsgerichts war von Amts wegen entsprechend abzuändern. Die Befugnis\ndes Rechtsmittelgerichts, diese Kostenentscheidung - auch zum Nachteil des\nRechtsmittelführers - ohne dahingehenden Antrag eines Beteiligten zu ändern,\nfolgt aus § 161 Abs. 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.5.1962 - V C 62.61 -\njuris Rn. 20; OVG Berlin, Beschluss vom 27.6.1989 - 5 S 23.89 - juris Rn. 17;\nKopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage, § 161 Rn. 3 und § 158 Rn. 7). \n--- \n| 67 \n--- \n| Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der\nRevision liegen nicht vor. \n--- \n| 68 \n--- \n| **Beschluss vom 12. Februar 2020** \n--- \n| 69 \n--- \n| Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§§ 47\nAbs. 1, 52 Abs. 2 GKG). \n--- \n| 70 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \nI. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Berufung ist zulässig. § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO bestimmt, dass die\nBerufung, wenn sie - wie vorliegend - vom Verwaltungsgerichtshof zugelassen\nworden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses\nzu begründen. Dies ist geschehen. Auch die Anforderungen des § 124a Abs. 6\nSatz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO sind erfüllt. \n--- \nII. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die zulässige Berufung ist aber unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das\nVerwaltungsgericht sowohl die im Hauptantrag erhobene Feststellungsklage -\ngerichtet auf Feststellung, dass die Beklagte ihr Vorkaufsrecht nicht\nrechtswirksam ausgeübt hat - (dazu 1.), als auch die hilfsweise auf Aufhebung\nder Bescheide vom 21. August 2015 und vom 8. Februar 2016 gerichtete\nAnfechtungsklage (dazu 2.) abgewiesen. \n--- \n| 28 \n--- \n| 1\\. Die im Hauptantrag erhobene Feststellungsklage (§ 43 VwGO) ist zulässig.\nDies hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Der Senat nimmt hierauf\nBezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der\nEntscheidungsgründe ab (§ 130b Satz 2 VwGO), zumal die Beteiligten die\nZulässigkeit der Feststellungsklage im Berufungsverfahren nicht\nproblematisiert haben. \n--- \n| 29 \n--- \n| Jedoch hat die Klägerin in der Sache keinen Anspruch auf die begehrte\nFeststellung. Denn die Beklagte hat das ihr aus § 25 Abs. 1 LWaldG zustehende\nVorkaufsrecht an dem Grundstück Flst.-Nr. 764 der Gemarkung G... wirksam\nausgeübt. \n--- \n| 30 \n--- \n| a) Der Wirksamkeit steht hier nicht entgegen, dass der Positivbescheid der\nBeklagten vom 21. August 2015 an Notar ... und damit nicht an die Klägerin -\nals Verkäuferin des streitbefangenen Grundstücks - gerichtet ist. Das\nLandeswaldgesetz ermächtigt die Gemeinde in § 25 Abs. 1 als Trägerin\nöffentlicher Gewalt, im öffentlichen Interesse als Käuferin in einen\nGrundstückskaufvertrag einzutreten. Nach § 25 Abs. 4 Satz 1 LWaldG i.V.m. §\n464 Abs. 1 BGB erfolgt die Ausübung des Vorkaufsrechts zwar durch „Erklärung“\ngegenüber dem Verpflichteten, diese Erklärung hat jedoch einseitig\ngestaltenden (privatrechtsgestaltenden) Charakter und ist damit ein\nVerwaltungsakt, der vor den Verwaltungsgerichten angefochten werden kann (VGH\nBad.-Württ., Urteil vom 7.7.1982 - 5 S 2606/81 - VBlBW 1983, 77; Urteil vom\n12.9.1997 - 5 S 2498/95 -, juris Rn. 19). Als Verwaltungsakt unterliegt die\nAusübung des Vorkaufsrechts den Bestimmtheitsanforderungen des § 37 Abs. 1\nLVwVfG. Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot verlangt in Zusammenhang mit\ndem Adressaten eines Verwaltungsakts, dass erkennbar sein muss, wem gegenüber\netwas geregelt werden soll. Dadurch soll eine Verwechslung mit anderen\nPersonen ausgeschlossen und der inhaltlich von dem Verwaltungsakt Betroffene\nseine Adressatenstellung erkennen können. Diesem Gesichtspunkt kommt besondere\nBedeutung zu, wenn der Inhaltsadressat - also derjenige, an den sich der\nVerwaltungsakt nach seinem objektiven Erklärungswert richtet - nicht identisch\nist mit dem Bekanntgabeadressaten als demjenigen, dem der Verwaltungsakt\ni.S.v. § 41 LVwVfG bekanntgegeben wurde. Allerdings reicht es aus, dass sich\ndem Bescheid anhaftende Unklarheiten hinsichtlich des Inhaltsadressaten durch\nAuslegung beheben lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, wie sich die\nVerhältnisse für einen außenstehenden Dritten darstellen, sondern allein\ndarauf, wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den\nVerwaltungsakt unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste\n(BVerwG, Urteil vom 27.6.2012 - 9 C 7.11 - juris Rn. 11 m.w.N., VGH\nBad.-Württ., Urteil vom 28.4.2010 - 2 S 2312/09 - juris Rn. 26 f; OVG\nSaarland, Urteil vom 20.2.2017 - 2 A 34/16 - juris Rn. 25). \n--- \n| 31 \n--- \n| Unter Zugrundelegung der der Klägerin bekannten Umstände und Verhältnisse\nrichtet sich der Positivbescheid seinem Inhalt nach an die Klägerin selbst und\nnicht an den im Adressfeld des Bescheides aufgeführten Notar. Denn zum einen\nwar der Klägerin aufgrund des notariellen Kaufvertrages von vornherein\nbekannt, dass sie selbst und nicht der den Kaufvertrag lediglich beurkundende\nNotar Vertragspartei und damit taugliche Inhaltsadressatin einer\nVorkaufsrechtsausübungserklärung ist. Zum anderen nimmt der Positivbescheid\nausdrücklich Bezug auf den „Kaufvertrag UR .../2015 vom 4. August 2015\nzwischen ... ... und ...GbR“. Dies kann aus Sicht der Klägerin nur so\nverstanden werden, dass sie selbst als Verkäuferin und Vertragspartei - und\nnicht der diesen Vertrag lediglich beurkundende Notar - aus dem Bescheid vom\n21. August 2015 verpflichtet werden soll, zumal sie, wie ihrem\nWiderspruchsschreiben vom 6. November 2015 zu entnehmen ist, jedenfalls eine\nKopie des Bescheides erhalten hat. Daraus konnte sie unmittelbar erkennen,\ndass sie selbst von der Positiverklärung der Beklagten materiell betroffen\nist. \n--- \n| 32 \n--- \n| b) Der Bescheid vom 21. August 2015 wurde der Klägerin gegenüber auch\nwirksam bekanntgegeben (§ 41 Abs. 1 LVwVfG). \n--- \n| 33 \n--- \n| aa) Allerdings liegt eine wirksame Bekanntgabe noch nicht darin, dass der\nBescheid im August 2015 dem Notar zugegangen ist. Denn dieser war weder\nEmpfangsbevollmächtigter noch Empfangsbote der Klägerin. In der öffentlichen\nUrkunde vom 4. August 2015 (Kaufvertrag, dort § 7 Nr. 3) wurde der Notar von\nden Parteien - und damit der Klägerin - ausdrücklich nicht zur Entgegennahme\nder Vorkaufsausübungserklärung ermächtigt. Die Entgegennahme einer solchen\nErklärung hält sich im Übrigen auch nicht mehr im Rahmen dessen, was noch\nunter den Vollzug des Kaufvertrages zu fassen ist (NdsOVG, Urteil vom\n12.7.1995 - 1 L 5249/94 - juris Rn. 24). Zwar hat der Notar mit seinem Hinweis\nin dem an die Beklagte gerichteten Begleitschreiben, es werde um Übersendung\nder Erklärung über die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts an den Notar\ngebeten, möglicherweise den Eindruck erweckt, er handele insoweit im Auftrag\nder Klägerin. Diese muss sich einen vom Notar gesetzten Anschein jedoch\naufgrund der eindeutig formulierten Regelung in § 7 Nr. 3 des Kaufvertrages\nnicht zurechnen lassen. \n--- \n| 34 \n--- \n| bb) Eine wirksame Bekanntgabe lag aber jedenfalls darin, dass die Klägerin\neine Mehrfertigung des Bescheides vom 21. August 2015 direkt von der Beklagten\nerhalten hat. Die Klägerin hat dies in ihrem Widerspruchsschreiben vom 6.\nNovember 2015 selbst vorgetragen. Dieser Vortrag deckt sich mit der Verfügung\nder Beklagten vom 21. August 2015, die dem Originalbescheid der Beklagten in\nder Verwaltungsakte nachgeheftet ist. Danach erhält die Klägerin eine\nMehrfertigung des an den Notar adressierten Bescheides. Zusätzlich hat auch\nder Notar den Bescheid vom 21. August 2015 als Erklärungsbote der Beklagten an\ndie Klägerin zur Kenntnisnahme übersandt. Dies ist dem erstinstanzlichen\nVortrag der Klägerin (Klagebegründung vom 2. Mai 2016, Seite 1) zu entnehmen. \n--- \n| 35 \n--- \n| Sowohl die direkte Übersendung einer Mehrfertigung des Bescheides als auch\ndie über den Notar vermittelte Übersendung einer Kopie des Bescheides an die\nKlägerin sind von einem entsprechenden Bekanntgabewillen der Beklagten\ngetragen. Die direkte Übersendung wurde von der Beklagten selbst zielgerichtet\nveranlasst, um der Klägerin Kenntnis von der Ausübung des Vorkaufsrechts zu\nverschaffen. Aber auch die Verfahrensweise des Notars entspricht dem\nBekanntgabewillen der Beklagten. Denn diese hat ihren Positivbescheid vom 21.\nAugust 2015 - entsprechend der Aufforderung des Notars, die Erklärung an ihn\nzu übersenden - ersichtlich in der Erwartung übersandt, dass der Notar die von\nder Ausübung des Vorkaufsrechts materiell betroffene Klägerin hierüber\ninformieren werde. \n--- \n| 36 \n--- \n| c) Nach § 25 Abs. 4 Satz 2 LWaldG kann das Vorkaufsrecht nur innerhalb von\nzwei Monaten nach der Mitteilung des Kaufvertrages wirksam ausgeübt werden.\nDiese Wirksamkeitsvoraussetzung ist ebenfalls erfüllt. Der notarielle\nKaufvertrag wurde am 4. August 2015 geschlossen und ist am 19. August 2015\nbeim Bürgermeisteramt B... eingegangen. Bereits mit Bescheid vom 21. August\n2015 hat die Beklagte ihr Vorkaufsrecht ausgeübt. \n--- \n| 37 \n--- \n| d) Das aus § 25 Abs. 4 Satz 2 LWaldG i.V.m. § 464 Abs. 1 BGB abzuleitende\nErfordernis, das Vorkaufsrecht durch einfache, d.h. nicht der notariellen\nBeurkundung bedürftige (vgl. § 464 Satz 2 i.V.m. § 311b BGB) Erklärung\ngegenüber dem Verpflichteten auszuüben, ist hier nach den Ausführungen unter\na) eingehalten. \n--- \n| 38 \n--- \n| Damit liegen sämtliche Voraussetzungen dafür vor, dass die Beklagte ihr\nVorkaufsrecht gegenüber der Klägerin wirksam ausgeübt hat. Ihr im Hauptantrag\nverfolgtes Feststellungsbegehren bleibt daher erfolglos. \n--- \n| 39 \n--- \n| 2\\. Deshalb ist über den Hilfsantrag, gerichtet auf Aufhebung des Bescheides\nvom 21. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamts\nWaldshut vom 8. Februar 2016, zu entscheiden. \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere hat die Klägerin trotz ihres\nRechtsstandpunktes, das Vorkaufsrecht sei schon nicht wirksam ausgeübt worden,\ndas notwendige Widerspruchsverfahren durchgeführt. \n--- \n| 41 \n--- \n| Sie ist aber nicht begründet, weil die genannten Bescheide rechtmäßig sind\nund die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).\nHiervon ist das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen. \n--- \n| 42 \n--- \n| a) Der Bescheid wurde von der zuständigen Gemeinde durch den zuständigen\nBürgermeister erlassen. Die fehlende Anhörung der Klägerin vor Erlass des\nBescheides vom 21. August 2015 wurde jedenfalls im Widerspruchsverfahren\ngeheilt. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Da die\nBeteiligten sich gegen diese Ausführungen im Berufungsverfahren nicht wenden,\nverweist der Senat insoweit auf das angefochtene Urteil (§ 130b Satz 2 VwGO). \n--- \n| 43 \n--- \n| b) Die Beklagte war an der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht durch die\nErklärung ihres Forstbediensteten vom 13. Januar 2004 gehindert. Darin wurde\nder Klägerin auf ihre am 12. Januar 2004 eingegangene Anfrage, ob die Beklagte\nInteresse habe, das Waldgrundstück Flst.-Nr. 764 zum Preis von ca. 11.500 Euro\nzu erwerben, mitgeteilt, die Stadt B... werde von dem unterbreiteten\nKaufangebot und ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machen. \n--- \n| 44 \n--- \n| aa) In dieser schriftlich abgegebenen Erklärung liegt ihrem Inhalt nach\nkeine Zusicherung i.S.v. § 38 LVwVfG. Zwar spricht die gewählte Formulierung\nin Satz 2 des Schreibens („von ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machen“)\nbei isolierter Betrachtung dafür, dass die Beklagte zugesagt hat, einen\nbestimmten Verwaltungsakt - nämlich die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 25\nAbs. 4 LWaldG i.V.m. § 464 BGB - zukünftig zu unterlassen. Jedoch steht diese\nFormulierung in Zusammenhang mit dem vorangehenden Satz („in ihrem Schreiben\nvom 12. Januar 2004 haben Sie der Stadt B... das Waldgrundstück (...) zum Kauf\nangeboten“ und dem letzten Satz des Schreibens, mit dem der Klägerin für ihr\nKaufangebot gedankt wird. Aus dem Gesamtzusammenhang ist ersichtlich, dass die\nBeklagte mit ihrem Schreiben vom 13. Januar 2004 nicht in einer\nVorkaufssituation (vgl. § 25 Abs. 4 Satz 1 LWaldG i.V.m. § 463 BGB) reagiert\nund demgemäß in der Sache auch nicht über die (Nicht-)Ausübung ihres\nVorkaufsrechts entschieden, sondern schlicht das ihr unterbreitete Kaufangebot\nabgelehnt hat. Zur Abgabe einer rechtsverbindlichen Zusicherung über die\nAusübung des Vorkaufsrechts hatte die Beklagte auch gar keine Veranlassung,\nweil die vorausgehende und am 12. Januar 2004 bei der Beklagten eingegangene\nAnfrage der Klägerin ebenfalls ein unmittelbares Kaufangebot an die Gemeinde\nenthält („Hiermit frage ich an, ob die Stadt B... Interesse hat, das Waldstück\nFlst.-Nr. 764 Gewann N... in G... zu erwerben“). Der Umstand, dass in der\nAnfrage auch auf das Vorkaufsrecht der Gemeinde hingewiesen wird, ändert\nhieran nichts. Denn die Klägerin brachte damit nicht zum Ausdruck, dass sie\nbereits jetzt eine verbindliche Auskunft darüber haben möchte, ob die Gemeinde\nihr gesetzliches Vorkaufsrecht in künftigen Verkaufsfällen ausüben wird oder\nnicht. \n--- \n| 45 \n--- \n| bb) Selbst wenn man das Schreiben vom 13. Januar 2004 seinem Inhalt nach als\nZusicherung i.S.v. § 38 LVwVfG qualifizierte, wäre sie jedenfalls nicht von\nder zuständigen Behörde i.S.v. § 38 Abs. 1 LVwVfG erteilt worden. \n--- \n| 46 \n--- \n| (1) Behörde ist nach § 1 Abs. 2 LVwVfG jede Stelle, die Aufgaben der\nöffentlichen Verwaltung wahrnimmt; zuständige Behörde i.S.v. § 38 LVwVfG ist\ngrundsätzlich die Behörde, welche den zugesicherten Verwaltungsakt erlassen\nmüsste (Stuhlfauth in Obermayer/Funke-Kaiser, 5. Auflage, § 38 Rn. 22;\nKopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage, § 38 Rn. 18 m.w.N.). Dies ist hier die\nStadt B..., welcher das Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 LWaldG zusteht, wobei\nder Gemeinderat die Entscheidung über die Vorkaufsrechtsausübung zu treffen\nhätte (§ 25 Abs. 1 Satz 2 GemO). Ein ohne Entscheidung des Gemeinderats\nausgeübtes Vorkaufsrecht ist nach der Rechtsprechung des Senats rechtswidrig\n(VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.9.1997 - 5 S 2498/95 - juris Rn. 2).\nAllerdings wurde dem Bürgermeister nach § 24 Abs. 1 Satz 2 GemO i.V.m. § 11\nAbs. 2 Nr. 8 der Hauptsatzung der Beklagten u.a. die Ausübung von\nVorkaufsrechten im Wert bis 15.000 Euro übertragen. Dies hat zur Folge, dass\nder Bürgermeister hier die Zusicherung hätte erteilen müssen. Dieser hat aber\nnicht gehandelt. Nach den Angaben des Stadtförsters ... in der mündlichen\nVerhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 20. Juni 2017 war der Bürgermeister\nmit der Beantwortung des am 12. Januar 2004 eingegangenen Schreibens auch in\nder Sache nicht befasst. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12.\nFebruar 2020 haben sich hierzu keine abweichenden Erkenntnisse ergeben. \n--- \n| 47 \n--- \n| (2) Die Erklärung ihres Stadtförsters vom 13. Januar 2004 muss sich die\nBeklagte nicht zurechnen lassen. Es ist streitig, ob die Wirksamkeit der\nZusicherung auch davon abhängt, dass innerhalb der Behörde die zuständige\nPerson gehandelt hat (Nachweise bei Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage, § 38\nRn. 18). Dagegen spricht schon der Wortlaut des § 38 Abs. 1 LVwVfG, welcher\nauf die Zuständigkeit „der Behörde“ und nicht der konkret handelnden Person\nabstellt. Soweit für die Maßgeblichkeit der behördeninternen Zuständigkeit der\nhandelnden Person ins Feld geführt wird, dies sei vor dem Inkrafttreten des\nVerwaltungsverfahrensgesetzes von der Rechtsprechung verlangt worden\n(Nachweise Kopp/Ramsauer a.a.O.), beruht dies auf einem Missverständnis. Denn\ndas Bundesverwaltungsgericht stand auch schon zur vor dem Inkrafttreten des\nVerwaltungsverfahrensgesetzes geltenden Rechtslage auf dem Standpunkt, dass es\nzwar auf die Befugnis des handelnden Bediensteten ankomme, dieser aber nach\nseiner Stellung in der Behörde zu derartigen Erklärungen befugt sein müsse.\nDaher sei es für eine Zurechnung ausreichend, dass der handelnde Beamte auf\neiner Rangstufe stehe, auf der solche Zuständigkeiten innerhalb der Behörde\nwahrgenommen würden (BVerwG, Urteil vom 19.1.1967 - VI C 73.64 - juris Rn. 35;\nUrteil vom 17.10.1975 - IV C 66.72 - juris Rn. 35). Da der Gesetzgeber bei der\nSchaffung des Verwaltungsverfahrensgesetzes in Bezug auf das\nZuständigkeitserfordernis an die bisherige Judikatur anknüpfen wollte (BT-Drs.\n7/910, S. 60) ist die interne Unzuständigkeit des handelnden Bediensteten der\nBehörde auch im Rahmen des § 38 Abs. 1 (L)VwVfG für die Wirksamkeit der\nZusicherung jedenfalls dann unschädlich, wenn er nach seiner Stellung zu\nEntscheidungen dieser Art nach außen handlungs- oder vertretungsbefugt ist\n(BVerwG, Beschluss vom 22.3.1995 - 1 WB 81.94 - juris Rn. 3; Kopp/Ramsauer\na.a.O.; Stuhlfauth in Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 5. Auflage, § 38 Rn. 22;\nUechtritz in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage, § 38 Rn. 96;\nStelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage, § 38 Rn. 65). \n--- \n| 48 \n--- \n| Eine solche Handlungs- und Vertretungsbefugnis stand dem Stadtförster der\nBeklagten im Zeitpunkt der Abgabe der Zusicherung nicht zur Seite. Er war\nnicht als Behördenleiter oder dessen Stellvertreter - und damit als geborener\nBehördenvertreter - zu einer Vertretung der Gemeinde nach außen befugt. Es\nbestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der für die Erteilung der\nZusicherung zuständige Bürgermeister der Beklagten den Stadtförster i.S.v. §\n53 Abs. 1 GemO beauftragt hätte, ihn bei der Abgabe von Erklärungen zur\nAusübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts generell oder jedenfalls bei der\nAbgabe der Erklärung vom 13. Januar 2004 zu vertreten. \n--- \n| 49 \n--- \n| Eine entsprechende Handlungs- und Vertretungsbefugnis folgt auch nicht aus\nder Stellung als Stadtförster der Beklagten. Die Beklagte hat hierzu\nunwidersprochen vorgetragen, Herr ... sei nicht Leiter des städtischen\nForstamts - ein solches gebe es nicht -, sondern Angestellter im öffentlichen\nDienst, welcher für die Pflege und Verwaltung der städtischen Wälder\nverantwortlich sei. In der mündlichen Verhandlung am 20. Juli 2017 hat Herrn\n... angegeben, im Januar 2004 habe kein allgemeiner Geschäftsverteilungs- oder\nOrganisationsplan existiert, in dem sein Aufgabenbereich festgelegt gewesen\nsei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12. Februar 2020 haben\nsich auch hierzu keine abweichenden Erkenntnisse ergeben. Vor diesem\nHintergrund wird man zwar annehmen können, dass der Stadtförster nach seiner -\nauch nach außen erkennbaren - Stellung als Verantwortlicher für die Verwaltung\nder städtischen Wälder befugt ist, Erklärungen zu spezifisch forstlichen\nFragen wie etwa dazu abzugeben, ob die waldwirtschaftlichen Voraussetzungen\ndes § 25 Abs. 2 Satz 1 LWaldG vorliegen oder nicht. Es ist aber - auch für\neinen Dritten wie die Klägerin - erkennbar, dass die Ausübung eines der\nGemeinde zustehenden Vorkaufsrechts bezüglich eines Waldgrundstücks schon\nwegen seiner fiskalischen Auswirkungen nicht zu den Entscheidungen gehört, die\nein Stadtförster aufgrund seiner Stellung ihrer Art nach mit Außenwirkung für\ndie Gemeinde treffen darf. \n--- \n| 50 \n--- \n| (3) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin muss der Stadtförster der\nBeklagten hier auch nicht unter Vertrauensgesichtspunkten als für die Abgabe\neiner Erklärung nach § 25 Abs. 4 LWaldG i.V.m. § 464 BGB handlungs- und\nvertretungsbefugt angesehen werden. \n--- \n| 51 \n--- \n| Zwar entspricht es allgemeiner Auffassung, dass die im bürgerlichen Recht\nentwickelten Grundsätze über die Rechtsscheinsvollmacht (Anscheins- und\nDuldungsvollmacht) auch im Verwaltungsrecht - und hier insbesondere im\nVerwaltungsverfahrensrecht - gelten (BVerwG, Urteil vom 18.4.1996 - 4 C 22.94\n- juris Rn. 18; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage, § 14 Rn. 22 m.w.N.). Der\nSenat hat allerdings Zweifel, ob diese Grundsätze auch im hier vorliegenden\nZusammenhang der Bestimmung der zuständigen Behörde i.S.v. § 38 LVwVfG\nAnwendung finden. Denn es wurde bereits ausgeführt, das die Handlungs- und\nVertretungsbefugnis - sofern nicht der Sonderfall einer speziellen\nHandlungsermächtigung nach § 56 GemO vorliegt - innerhalb der Behörde nach der\n(Rang)Stellung des Handelnden zu bestimmen ist. Die Anwendung der Grundsätze\nüber die Rechtsscheinvollmacht geriete hierzu in ein Spannungsverhältnis, weil\ninsoweit dann doch nicht mehr generalisierend und typisierend auf die\n(Rang)Stellung, sondern auf die konkreten Einzelfallumstände abgestellt würde. \n--- \n| 52 \n--- \n| Letztlich kann dies aber offenbleiben. Denn auch eine Anwendung der\nGrundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht führte hier nicht dazu, dass\ndie Beklagte sich die Erklärung vom 13. Januar 2004 zurechnen lassen müsste. \n--- \n| 53 \n--- \n| Eine Duldungsvollmacht ist anzunehmen, wenn der Vertretene es wissentlich\ngeschehen lässt, dass ein anderer für ihn als Vertreter auftritt und der\nErklärungsempfänger dieses Dulden dahin versteht und nach Treu und Glauben\nverstehen durfte, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (BGH,\nUrteil vom 20.4.2018 - V ZR 202/16 - juris Rn. 34). Diese Voraussetzungen sind\nhier schon deshalb nicht erfüllt, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen,\ndass der Bürgermeister der Beklagten, an den das am 12. Januar 2004\neingegangene Schreiben der Klägerin gerichtet war, bis zur Ausübung des\nVorkaufsrechts im August 2015 Kenntnis von dem Antwortschreiben vom 13. Januar\n2004 erlangt hat, welches von Stadtförster ... unter dem Briefkopf\n„Bürgermeisteramt der Stadt B... im S...“ unterzeichnet wurde. Nach den\nAngaben des Stadtförsters in der mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2017 hat\nder Bürgermeister erst in Zusammenhang mit der gerichtlichen\nAuseinandersetzung über das von der Beklagten ausgeübte Vorkaufsrecht „von\ndiesem Thema“ erfahren. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat die Beklagte\njedoch zugleich klargestellt, dass der Stadtförster mit der Unterzeichnung des\nSchreibens vom 13. Januar 2004 - sofern man es als Zusicherung ansieht, das\nVorkaufsrecht nicht auszuüben (s.o.) - seine Kompetenzen überschritten hat und\ndieses Verhalten nicht gebilligt wird. Es spricht auch nichts dafür, dass noch\nandere, vergleichbare Antwortschreiben des Stadtförsters an Dritte\nherausgegeben wurden und der Bürgermeister dies wissentlich hat geschehen\nlassen. \n--- \n| 54 \n--- \n| Eine Anscheinsvollmacht setzt voraus, dass der Vertretene das Handeln des\n(Schein-)Vertreters zwar nicht kennt, aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte\nerkennen und verhindern können, und der Erklärungsempfänger nach Treu und\nGlauben annehmen durfte, der Vertretene kenne und billige das Handeln des\nVertreters (BVerwG, Urteil vom 25.2.1994 - 8 C 2.92 - juris Rn. 10; BGH,\nUrteil vom 26.1.2016 - XI ZR 91/14 - juris Rn. 61). Diese Voraussetzungen sind\nebenfalls nicht erfüllt. Der Senat geht hier zugunsten der Klägerin davon aus,\ndass dem Bürgermeister das an ihn adressierte und laut Eingangsvermerk am 12.\nJanuar 2004 bei der Beklagten eingegangene Schreiben der Klägerin auch\ntatsächlich vorgelegt und sodann - entsprechend des Ausführungen des\nStadtförsters ... am 12. Juli 2017 beim Verwaltungsgericht -\nzuständigkeitshalber an ihn weitergeleitet wurde. Diese Weiterleitung\nentspricht einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang, denn als Stadtförster war Herr\n... für die Bearbeitung eines Kaufangebotes zuständig. Ihm oblag schon damals\ndie Prüfung von Arrondierungs- und Erschließungsvorteilen sowie der\nAngemessenheit des Kaufpreises. Der Bürgermeister musste bei dieser\nWeiterleitung aber nicht damit rechnen, dass der Stadtförster den Vorgang,\nsoweit er eine Entscheidung über das Kaufangebot oder gar zu Ausübung des\ngemeindlichen Vorkaufsrechts betrifft - abschließend bearbeiten und ohne\nRücksprache unter dem Briefkopf des Bürgermeisteramts für die Gemeinde\nrechtserhebliche Erklärungen gegenüber Dritten abgeben würde, die in den\nZuständigkeitsbereich des Bürgermeisters oder des Gemeinderats fallen. \n--- \n| 55 \n--- \n| c) Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts liegen\nvor. Nach § 25 Abs. 2 LWaldG darf dieses Recht nur ausgeübt werden, wenn der\nKauf der Verbesserung der Waldstruktur oder der Sicherung der Schutz- oder\nErholungsfunktionen des Waldes dient (Satz 1) und keines der in Satz 2 der\nVorschrift genannten Ausübungshindernisse vorliegt. \n--- \n| 56 \n--- \n| aa) Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass einer der in § 25 Abs. 2\nSatz 2 LWaldG genannten Fälle vorliegen könnte, in denen das Vorkaufsrecht\nnicht ausgeübt werden darf. \n--- \n| 57 \n--- \n| bb) Der Kauf des Grundstücks Flst.-Nr. 764 durch die Beklagte dient hier der\nVerbesserung der Waldstruktur. Dieses Tatbestandsmerkmal ist regelmäßig\nerfüllt, wenn durch den Kauf zersplitterte Besitzverhältnisse beseitigt und\ngrößere, räumlich zusammenhängende Waldflächen geschaffen werden. Denn\nhierdurch wird es dem Waldeigentümer („Waldbesitzer“) erleichtert, seinen\nwaldwirtschaftlichen Grundpflichten (§ 12 LWaldG) nachzukommen und den Wald im\nRahmen seiner Zweckbestimmung nach anerkannten forstlichen Grundsätzen\nnachhaltig, pfleglich, planmäßig und sachkundig zu bewirtschaften sowie die\nBelange der Umweltvorsorge zu berücksichtigen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom\n7.7.1982 - 5 S 2606/81 - VBlBW 1983, 77; Urteil vom 11.8.1989 - 5 S 1259/88 -,\nVBlBW 1990, 149). Dies kommt auch in der Regelung des § 24 Abs. 2 LWaldG zum\nAusdruck, wonach die Genehmigung einer Teilung von Waldgrundstücken versagt\nwerden darf, wenn ein Grundstück kleiner als dreieinhalb Hektar wird, es sei\ndenn, seine ordnungsgemäße Bewirtschaftung erscheint (trotzdem) gewährleistet. \n--- \n| 58 \n--- \n| Demnach dient die Einbeziehung des nur knapp 56 Ar großen Grundstücks\nFlst.-Nr. 764 hier schon im Hinblick auf seine geringe Größe der Verbesserung\nder Waldstruktur. Denn die Gemeinde muss ihren westlich angrenzenden und um\nein Vielfaches größeren Gemeindewald ohnehin bewirtschaften (zu diesen\nGesichtspunkten schon VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7.7.1982 - 5 S 2606/81 -\nVBlBW 1983, 77). Der Hinweis der Klägerin, die zusammenhängende Waldfläche der\nBeklagten sei deutlich größer als 3,5 ha, weshalb nicht davon die Rede sein\nkönne, dass die Bewirtschaftung verbessert oder zersplitterte\nBesitzverhältnisse beseitigt würden, missversteht die 3,5-ha-Grenze des § 24\nAbs. 2 LWaldG. Denn diese bezieht sich nicht auf die umgebende Waldfläche,\nsondern auf das Waldgrundstück der Klägerin und stellt klar, dass\nWaldgrundstücke mit einer Fläche von weniger als 3,5 ha in der Regel\nwaldwirtschaftlich problematisch sind. \n--- \n| 59 \n--- \n| Hinzu kommt, dass das Grundstück - nach den Angaben des Stadtförsters ... in\nder mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, aber auch nach dem\nBerufungsvortrag der Klägerin - nach Norden zum Wutachtal hin steil abfällt\nund diese topographische Besonderheit die Bewirtschaftung zusätzlich\nerschwert. An dem Umstand, dass die Bewirtschaftung durch den Kauf insgesamt\nleichter wird, ändert sich nichts dadurch, dass auch die Gemeinde das Holz\nnicht durch ihren westlich angrenzenden Wald (Flst.-Nr. 765), sondern nach\nSüden über den Weg Flst.-Nr. 150 abfahren müsste (vgl. die Angaben des\nStadtförsters ... in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2017). Denn die\nBeklagte kann für den Abtransport des Holzes ihr unmittelbar an das Flst.- Nr.\n764 angrenzendes Wiesengrundstück Flst.-Nr. 133 nutzen. Der Vortrag der\nKlägerin, dass das Grundstück Flst.-Nr. 764 „seit Jahrhunderten“ problemlos\nbewirtschaftet worden sei, führt hier nicht weiter. Denn eine Verbesserung der\nWaldstruktur i.S.v. § 25 Abs. 2 Satz 1 LWaldG ist nach der oben\nwiedergegebenen Rechtsprechung des Senats nicht erst dann anzunehmen, wenn\nbestehende Probleme beseitigt werden. Vielmehr reicht schon eine Erleichterung\nder bisherigen Waldbewirtschaftung aus. Daran ändert der Hinweis der Klägerin\nnichts, Stadtförster ... habe in seinem Schreiben vom 13. Januar 2004 erklärt,\nbei einem Kauf des Waldgrundstücks böten sich keine Erschließungsvorteile.\nDenn schon das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass\nder Stadtförster bei dieser Einschätzung irrtümlich davon ausging, das\nFlst.-Nr. 133 stehe nicht im Eigentum der Beklagten. Dies ergibt sich aus\nseinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2017. \n--- \n| 60 \n--- \n| cc) Daher kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob der Kauf\ndes Grundstücks Flst.-Nr. 764 auch der Sicherung der Schutz- oder\nErholungsfunktion des Waldes dient. \n--- \n| 61 \n--- \n| dd) Schließlich steht der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht entgegen, dass\nein vorrangiges Vorkaufsrecht nach § 66 BNatSchG i.V.m. § 53 NatSchG besteht.\nDenn aus der vorliegenden Stellungnahme des Regierungspräsidiums Freiburg vom\n31. März 2016 ergibt sich, dass das Land dieses Recht nicht ausgeübt hat oder\nausüben wird. \n--- \n| 62 \n--- \n| d) Die Ermessensentscheidung der Beklagten ist nicht zu beanstanden. \n--- \n| 63 \n--- \n| Die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 25 Abs. 4 LWaldG steht im\nEntschließungsermessen der Beklagten. Dies folgt zwar - entgegen der\nRechtsauffassung des Verwaltungsgerichts - nicht aus dem Wortlaut des § 25\nAbs. 2 Satz 1 und 2 LWaldG, wonach das Vorkaufsrecht nur bei Einhaltung der\ndort genannten Anforderungen ausgeübt werden „darf“. Denn diese Formulierung\nbezieht sich auf - positiv und negativ formulierte -\nTatbestandsvoraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, wenn die\nVorkaufsrechtsausübung rechtmäßig sein soll. Jedoch ergibt sich aus § 25 Abs.\n4 Satz 1 LWaldG („kann ausgeübt werden“), dass der Gemeinde ein\nEntschließungsermessen zusteht (dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.8.1989 - 5\nS 1259/88 -, VBlBW 1990, 149), zumal sie schon aus Gründen der\nverfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 71\nAbs. 1 LV) nicht gezwungen sein kann, ein bestimmtes Grundstück, hinsichtlich\ndessen die Tatbestandsvoraussetzungen für die Ausübung eines Vorkaufsrechts\nvorliegen, auch tatsächlich zu erwerben. \n--- \n| 64 \n--- \n| Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin lassen die angefochtenen\nBescheide noch erkennen, dass Ermessen ausgeübt wurde. Im Positivbescheid der\nBeklagten ist davon die Rede, dass die Verbesserung der Waldstruktur im\nöffentlichen Interesse liegt. Auch das Landratsamt hat im Widerspruchsbescheid\nnicht nur begründet, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 2\nLWaldG vorliegen, sondern zudem, dass die Stadt B... ihr Vorkaufsrecht im\nöffentlichen Interesse rechtmäßig ausgeübt habe. Der Hinweis auf das\nöffentliche Interesse kann nur so verstanden werden, dass die Beklagte ihr\nEntschließungsermessen erkannt hat und nicht davon ausgegangen ist, zur\nAusübung des Vorkaufsrechts verpflichtet zu sein. \n--- \n| 65 \n--- \n| Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ermessensfehlern bestehen nicht. Die\nKlägerin meint unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag, die\nBeklagte habe sich bei ihrer Entscheidung von völlig sachfremden Erwägungen\nleiten lassen, weil sie im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.\nJuli 2016 auch naturschutz- und tierschutzrechtliche Gesichtspunkte zur\nVerteidigung der angegriffenen Bescheide vorgetragen hat, welche nach ihrer\nAuffassung nicht zum Ermessensbereich der Beklagten gehören. Dem ist nicht zu\nfolgen. Denn die Beklagte hat das öffentliche Interesse an einem\nGrundstückskauf in ihrem Positivbescheid vom 21. August 2015 bereits\nermessensfehlerfrei mit dem Gesichtspunkt des Arrondierungseffektes begründet.\nDaher kommt es nicht mehr darauf an, ob sie zusätzlich fehlerfreie\nErmessenserwägungen in Bezug auf den Vorkaufsgrund der Sicherung der Schutz-\nund Erholungsfunktion des Waldes vorliegen. \n--- \n| 66 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Die\naußergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, denn\ndie Beigeladene hat keinen (Sach-)Antrag gestellt und damit kein Prozessrisiko\nübernommen (vgl. 154 Abs. 3 VwGO). Außerdem hat sie das Verfahren nicht durch\neigenen Rechts- oder Tatsachenvortrag gefördert. Die Kostenentscheidung des\nVerwaltungsgerichts war von Amts wegen entsprechend abzuändern. Die Befugnis\ndes Rechtsmittelgerichts, diese Kostenentscheidung - auch zum Nachteil des\nRechtsmittelführers - ohne dahingehenden Antrag eines Beteiligten zu ändern,\nfolgt aus § 161 Abs. 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.5.1962 - V C 62.61 -\njuris Rn. 20; OVG Berlin, Beschluss vom 27.6.1989 - 5 S 23.89 - juris Rn. 17;\nKopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage, § 161 Rn. 3 und § 158 Rn. 7). \n--- \n| 67 \n--- \n| Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der\nRevision liegen nicht vor. \n--- \n| 68 \n--- \n| **Beschluss vom 12. Februar 2020** \n--- \n| 69 \n--- \n| Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§§ 47\nAbs. 1, 52 Abs. 2 GKG). \n--- \n| 70 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
326,582
olghh-2020-01-30-3-u-7918
380
Hanseatisches Oberlandesgericht
olghh
Hamburg
Oberlandesgericht
3 U 79/18
2020-01-30
2020-03-14 11:00:41
2020-12-10 13:32:55
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n \n\nAuf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg,\nZivilkammer 12, vom 3. April 2018, Az. 312 O 73/17, hinsichtlich des Tenors zu\nI. sowie hinsichtlich des Kostentenors zu IV. abgeändert:\n\n \n\nDie Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 983,95 zuzüglich Zinsen in\nHöhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. März 2017 zu\nzahlen. Der weitergehende Zahlungsantrag wird zurückgewiesen.\n\n \n\nVon den erstinstanzlichen Kosten fallen der Klägerin 5/6, der Beklagten 1/6\nzur Last.\n\n \n\nIm Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.\n\n \n\nVon den Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin 1/10, der Beklagten\n9/10 zur Last.\n\n \n\nDas Urteil ist vorläufig vollstreckbar.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Gründe\n\n \n\n \n\nA.\n\n1\n\n \n\nDie Klägerin hat die Beklagte im Hinblick auf belästigende E-Mail-Werbung\nwegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG auf Unterlassung, Auskunft,\nSchadensersatzfeststellung und Erstattung vorgerichtlicher Kosten in Anspruch\ngenommen.\n\n2\n\n \n\nMit Urteil vom 3. April 2018, Az. 312 O 73/17, hat das Landgericht Hamburg der\nKlage im Hinblick auf die Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von € 983,95 und\nhinsichtlich der Erstattung der Kosten eines Abschlussschreibens in Höhe von €\n678,45, jeweils nebst Rechtshängigkeitszinsen, sowie bezüglich des geltend\ngemachten Schadensersatzfeststellungsanspruchs stattgegeben. Der weitergehend\ngeltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung wurde zurückgewiesen. Im\nHinblick auf die zwischenzeitlich übereinstimmend für erledigt erklärten\nAnträge auf Unterlassung und Auskunftserteilung wurden der Klägerin die Kosten\ngemäß § 91 a ZPO, im Übrigen nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO auferlegt.\n\n3\n\n \n\nGegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die sie\nfrist- und formgerecht eingelegt und begründet hat.\n\n4\n\n \n\nDie Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.\n\n5\n\n \n\nSie führt erneut aus, dass die Wiederholungsgefahr mit der Übersendung der\nAbschlusserklärung vom 24. Januar 2017 (Anlagen JS 20 und JS 21) ausgeräumt\nworden sei. Daher sei das Abschlussschreiben vom 26. Januar 2017 (Anlage JS\n24) nicht mehr erforderlich gewesen, so dass eine Kostenerstattungspflicht\nnicht bestehe. Der geltend gemachte Schadensersatzfeststellungsantrag sei nach\nder zwischenzeitlich mit Schriftsatz vom 11. August 2017 erteilten Auskunft\njedenfalls mangels Feststellungsinteresse unzulässig, weil die Klägerin einen\netwaigen Schaden inzwischen beziffern könne und auch müsse.\n\n6\n\n \n\nIm Hinblick auf die bereits erstinstanzlich übereinstimmend für erledigt\nerklärten Anträge auf Unterlassung und Auskunft seien der Beklagten zu Unrecht\ndie Kosten auferlegt worden.\n\n7\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n8\n\n \n\ndas Urteil des Landgerichts Hamburg vom 3. April 2018 abzuändern und die Klage\n– unter voller Kostentragungspflicht der Klägerin für das gesamte Verfahren –\nabzuweisen.\n\n9\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n10\n\n \n\ndie Berufung der Beklagten zurückzuweisen,\n\n11\n\n \n\nSoweit das Landgericht die Beklagte verurteilt hat, verteidigt die Klägerin\ndas landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres\nerstinstanzlichen Vortrags.\n\n12\n\n \n\nSie führt erneut aus, dass die Abschlusserklärung der Beklagten vom 24. Januar\n2017 unzureichend gewesen sei, weil sich aus dem Anschreiben der Beklagten vom\n24. Januar 2017 ergeben habe, dass die Erklärung nur beschränkt abgegeben\nworden sei. Die Wiederholungsgefahr habe daher fortbestanden, so dass das\nAbschlussschreiben vom 26. Januar 2017 (Anlage JS 24) zu Recht erfolgt sei und\ndessen Kosten zu erstatten seien. Der geltend gemachte\nSchadensersatzfeststellungsantrag sei nach wie vor begründet. Insbesondere sei\ndas Feststellungsinteresse nicht durch die zwischenzeitlich erfolgte\nAuskunftserteilung entfallen.\n\n13\n\n \n\nDie Kostenentscheidung des Landgerichts sei auch im Hinblick auf die\nzwischenzeitlich für erledigt erklärten Klaganträge nicht zu beanstanden.\n\n14\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\nangefochtene Entscheidung sowie die von den Parteien zur Akte gereichten\nSchriftsätze nebst Anlagen sowie den Ladungshinweis des Senats vom 4. Dezember\n2019 und das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 19. Dezember 2019 Bezug\ngenommen.\n\n \n\nB.\n\n15\n\n \n\nDie Berufung der Beklagten ist zum überwiegenden Teil begründet, im Übrigen\nunbegründet.\n\n \n\nI.\n\n16\n\n \n\nZwischen den Parteien steht zu Recht nicht mehr im Streit, dass der Versand\nvon E-Mail-Werbung der vorliegenden Art (Anlagen JS 8, JS 10, JS 12 und JS 15)\nan Empfänger, die in den Erhalt solcher E-Mails zuvor nicht eingewilligt\nhaben, gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG verstößt.\n\n \n\n1.\n\n17\n\n \n\nDer ursprünglich geltend gemachte Unterlassungsantrag zu I. war jedoch bei\nKlagerhebung mangels Wiederholungsgefahr unbegründet.\n\n18\n\n \n\nEntgegen der Ansicht der Klägerin und des Landgerichts war die\nAbschlusserklärung der Beklagten vom 24. Januar 2017 (Anlage JS 21)\nausreichend, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Aus dem Schreiben vom\n24. Januar 2017, mit dem dieses Abschlussschreiben übersandt worden ist\n(Anlage JS 20), ergibt sich nicht, dass die Abschlusserklärung hinter der\nzuvor ergangenen einstweiligen Verfügung (Az. 312 O 561/16) zurückgeblieben\nwäre.\n\n19\n\n \n\nIn dem Schreiben heißt es:\n\n20\n\n \n\n„...versteht unsere Mandantin die einstweilige Verfügung des Landgerichts\nHamburg so, dass nicht jede Bestätigungsmail untersagt wird, sondern lediglich\neine Bestätigungsmail mit dem konkreten werblichen Inhalt, der den\nstreitgegenständlichen Mails zugrunde lag. Eine derartige einstweilige\nVerfügung wird von unserer Mandantin akzeptiert. Anbei erhalten Sie die\nAbschlusserklärung.“ (Anlage JS 20).\n\n21\n\n \n\nDieses Verständnis von der Reichweite der einstweiligen Verfügung, d.h. dem\nCharakteristischen der angegriffenen und verbotenen Verletzungshandlung, ist\nzutreffend. Insoweit verweist der Senat auf seinen in dem vorangegangenen\nVerfügungsverfahren, Aktenzeichen 312 O 561/16, ergangenen Beschluss vom 2.\nAugust 2017, Aktenzeichen 3 W 50/17. Dort heißt es:\n\n22\n\n \n\n„Zum Charakteristischen der Verletzungshandlung gehört nämlich einerseits der\nschon angeführte Umstand, dass die unverlangte Werbung über die auto-replay-\nFunktion generiert wird und nicht losgelöst von einem bereits vorhandenen\nKontakt verbreitet wird. Auch konkretisiert die Bezugnahme auf die konkreten\nVerletzungsformen gemäß den Anlagen JS 8, 10, 12 und 15 eine bestimmte\nwerbliche Maßnahme, die eine Testsiegerwerbung für die B.-Matratze der\nAntragsgegnerin zum Gegenstand hat. Diese erweist sich als das\nCharakteristische der angegriffenen Handlungen“.\n\n23\n\n \n\nMithin erweist sich die Abschlusserklärung der Beklagten vom 24. Januar 2017\n(Anlage JS 21) auch bei der gebotenen Berücksichtigung des\nÜbersendungsschreibens vom 24. Januar 2017 (Anlage JS 20), als geeignet und\nausreichend, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.\n\n24\n\n \n\nDie durch die erfolglose Geltendmachung des Unterlassungsantrags entstanden\nKosten sind daher nach der bereits erstinstanzlich erfolgten übereinstimmenden\nErledigungserklärung gemäß § 91 a ZPO der Klägerin aufzuerlegen. Die Berufung\nder Beklagten hat insoweit Erfolg, so dass die gemäß § 91 a ZPO erfolgte\nlandgerichtliche Kostenentscheidung entsprechend abzuändern ist.\n\n \n\n2.\n\n25\n\n \n\nDer geltend gemachte Schadensersatzfeststellungantrag zu III. ist gemäß §§ 7\nAbs. 2 Nr. 3, 9 UWG, 256 ZPO begründet. Insbesondere besteht das\nFeststellungsinteresse der Klägerin auch nach der bereits erstinstanzlich\nerteilten Auskunft fort. Auch insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen\nim landgerichtlichen Urteil. Der Ausspruch zur Schadenersatzfeststellung\nbleibt mithin aufrecht erhalten. Die hiergegen gerichtete Berufung der\nBeklagten ist erfolglos.\n\n \n\n3.\n\n26\n\n \n\nDer ursprünglich geltend gemachte Auskunftsantrag zu IV. war gemäß §§ 7 Abs. 2\nNr. 3, 9 UWG, 242 BGB begründet. Diesbezüglich verweist der Senat auf die\nzutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen\nUrteils. Im Hinblick auf die bereits erstinstanzlich erfolgte übereinstimmende\nErledigungserklärung sind die diesbezüglichen Kosten zu Recht gemäß § 91 a ZPO\nder Beklagten auferlegt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung der\nBeklagten bleibt ohne Erfolg.\n\n \n\n4.\n\n27\n\n \n\nDer mit dem Klagantrag zu II. geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von\nAbmahnkosten ist gemäß §§ 7 Abs. 2 Nr. 3, 12 Abs. 2 UWG in zuerkannter Höhe\nvon € 983,95 nebst Zinsen begründet. Insoweit verweist der Senat auf die\nzutreffenden Ausführungen und die zutreffende Berechnung in den\nEntscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils. Die hiergegen gerichtete\nBerufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.\n\n \n\n5.\n\n28\n\n \n\nDer ebenfalls mit dem Klagantrag zu II. geltend gemachte und zuerkannte\nAnspruch auf Erstattung der Kosten des Abschlussschreibens in Höhe von €\n678,45 nebst Zinsen ist hingegen unbegründet, denn zum Zeitpunkt des\nAbschlussschreibens am 26. Januar 2017 (Anlage JS 25) war die\nWiederholungsgefahr – wie vorstehend ausgeführt – bereits durch die\nAbschlusserklärung der Beklagten vom 24. Januar 2017 (Anlagen JS 20 und JS 21)\nausgeräumt worden. Das landgerichtliche Urteil ist daher auch insoweit\nabzuändern. Der in Höhe von € 678,45 nebst Zinsen zuerkannte Anspruch auf\nErstattung der Kosten des Abschlussschreibens ist zurückzuweisen. Insoweit hat\ndie Berufung der Beklagten Erfolg.\n\n \n\nII.\n\n29\n\n \n\nIm Hinblick auf das Obsiegen und Unterliegen der Parteien ist die\nlandgerichtliche Kostenentscheidung gemäß §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO\nabzuändern.\n\n30\n\n \n\nNach den vorstehenden Ausführungen obsiegt die Klägerin in I. Instanz\nhinsichtlich der Anträge auf Schadensersatzfeststellung sowie hinsichtlich der\nErstattung von Abmahnkosten in Höhe von € 983,95 nebst Zinsen sowie bzgl. der\nlandgerichtlichen Kostenentscheidung zum Auskunftsantrag. Sie unterliegt\njedoch hinsichtlich des geltend gemachten Antrags auf Erstattung der Kosten\ndes Abschlussschreibens, mit einer Zuvielforderung bzgl. der Erstattung der\nAbmahnkosten in Höhe von € 13,00 sowie hinsichtlich der Kostenentscheidung\nnach § 91 a ZPO bzgl. des Unterlassungsantrags.\n\n31\n\n \n\nBei Berücksichtigung der jeweiligen Streitwerte hat die Klägerin 5/6, die\nBeklagte 1/6 der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen.\n\n \n\nIII.\n\n32\n\n \n\nIm Hinblick auf das Obsiegen und Unterliegen der Parteien in II. Instanz\nfallen der Klägerin gemäß §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 ZPO 1/10, der Beklagten\n9/10 der Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.\n\n33\n\n \n\nIn der Berufungsinstanz stehen (nur) noch der zuerkannte\nSchadensersatzfeststellungsantrag, die Verurteilung zur Erstattung der Kosten\ndes Abmahnschreibens in zuerkannter Höhe von € 983,95 und zur Erstattung der\nzuerkannten Kosten des Abschlussschreibens in Höhe von € 678,45, jeweils nebst\nRechtshängigkeitszinsen, sowie die gemäß § 91 a ZPO erfolgte\nKostenentscheidung des Landgerichts bzgl. der übereinstimmend für erledigt\nerklärten Unterlassungs- und des Auskunftsanträge im Streit.\n\n34\n\n \n\nDie Klägerin obsiegt hinsichtlich des Antrags auf Schadensersatzfeststellung,\nder zuerkannten Abmahnkosten von € 983,95 und der Kostenentscheidung bzgl. des\nAuskunftsantrags. Sie unterliegt hinsichtlich der zuerkannten Kosten des\nAbschlussschreibens von € 678,45 und der Kostenentscheidung bzgl. des\nUnterlassungsantrags (§ 91 a ZPO).\n\n \n\nIV.\n\n35\n\n \n\nDie Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.\n10, 713 ZPO.\n\n \n\nIV.\n\n36\n\n \n\nDie Voraussetzungen der Revisionszulassung gemäß § 543 ZPO sind nicht gegeben.\nEs handelt sich nicht um eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung; sie\nerschöpft sich vielmehr in der Anwendung gesicherter Grundsätze der\nobergerichtlichen Rechtsprechung auf die vorliegende Einzelfallwerbung. Ebenso\nwenig erfordert die Fortbildung des Rechts und Wahrung der Rechtseinheit eine\nZulassung der Revision.\n\n
327,836
ovgnrw-2020-05-06-1-a-157119a
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 A 1571/19.A
2020-05-06
2020-05-08 10:01:12
2020-12-10 13:33:26
Beschluss
ECLI:DE:OVGNRW:2020:0506.1A1571.19A.00
## Tenor\n\nDer Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.\n\nDer Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; Gerichtskosten werden\nnicht erhoben.\n\n \n1\n\n**G r ü n d e**\n\n2\n\nDer Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.\n\n3\n\nDie Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung\nder Rechtssache gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zuzulassen.\n\n4\n\nEine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn\nsie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft,\nderen Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von\nBedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich\nsein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die\neinheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Für die\nDarlegung dieserVoraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder\nTatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die\nKlärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage\nsowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.\n\n5\n\nEine Grundsatzrüge, die sich auf tatsächliche Verhältnisse stützt, erfordert\nüberdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die\nEntscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende\ngegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer\nunterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des\nRechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten\nInformationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen\nzumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die\nFeststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts,\nsondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend\nsind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der\nDurchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.\n\n6\n\nDementsprechend ist nicht Aufgabe des Senats, die vom Verwaltungsgericht\nzugrunde gelegten Erkenntnismittel diesbezüglich ohne näheren Anhalt auf ihre\nValidität zu überprüfen oder weitere (neue) Erkenntnisse einzuholen, um die\nfür die Klägerin günstigen Gesichtspunkte zusammenzutragen.\n\n7\n\nVgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. August 2019 – 1 A 2616/19.A –, juris, Rn. 2\nff., m. w. N.\n\n8\n\nGemessen hieran rechtfertigen die von dem Kläger als grundsätzlich bedeutsam\nangesehenen vier Fragen nicht die begehrte Zulassung der Berufung.\n\n9\n\n1\\. Das gilt zunächst für die von dem Kläger für grundsätzlich bedeutsam\ngehaltene Frage,\n\n10\n\nwelche Personen bzw. Ereignisse durch die Amnestie, die das angolanische\nParlament am 20. Juli 2016 beschlossen hat und die durch das Amnestiegesetz\nvom 12. August 2016 in Kraft getreten ist, begünstigt sind.\n\n11\n\nDas diesbezügliche Zulassungsvorbringen verfehlt teilweise schon die\nAnforderungen an eine hinreichende Darlegung und zeigt im Übrigen nicht auf,\ndass diese Frage für die angefochtene Entscheidung erheblich gewesen ist.\n\n12\n\nDer Kläger macht insoweit zunächst geltend, sein Vortrag sei "deswegen als\nunglaubhaft gewürdigt" worden, weil er nichts von der im Jahre 2016 erfolgten\nAmnestie für die Teilnehmer der Demonstration des „Movimento de Jovens\nRevolucionário de Angola“ vom 7. März 2011 gewusst habe, woraus das\nVerwaltungsgericht auf eine fehlende oppositionelle Einstellung geschlossen\nhabe. Dass sich die Amnestie auf die Teilnehmer an der Demonstration vom 7.\nMärz 2011 bezogen habe, treffe aber nicht zu und ergebe sich auch nicht aus\nden Erkenntnisquellen.\n\n13\n\nDieses Vorbringen betrifft ersichtlich nicht die Würdigung der angeblich\nfluchtauslösenden Verfolgung im Jahre 2013 (Verhaftung, Inhaftierung und\nMisshandlung nach der Ausstellung regimekritischer Kunstwerke) als unglaubhaft\n(UA S. 6, drittletzter Absatz, bis S. 8, zweiter Absatz), weil das\nVerwaltungsgericht insoweit nicht mit der Amnestie argumentiert hat. Es\nbezieht sich vielmehr auf den Teil der Entscheidungsgründe, mit dem das\nVerwaltungsgericht dargelegt hat, dass und aus welchen Gründen es nicht\nüberzeugt ist, dass der Kläger wegen seiner angeblichen sonstigen, also nicht\ndie behaupteten Geschehnisse aus dem Jahr 2013 betreffenden politischen\nAktivitäten verfolgungsgefährdet ist (UA S. 8, dritter Absatz, bis S. 10\noben). Diese Annahme hat das Verwaltungsgericht auf zwei unabhängig\nvoneinander tragende Erwägungen gestützt: Es sei (erstens) schon nicht davon\nüberzeugt, dass der Kläger in Angola überhaupt politisch aktiv gewesen sei,\nund es könne unabhängig davon (zweitens) nicht davon ausgegangen werden, dass\ndem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Angola aktuell Verfolgung drohe.\n\n14\n\nDie zuerst angeführte Erwägung, die erkennbar die Frage einer Vorverfolgung\nwegen regimekritischer Betätigung betrifft, hat das Verwaltungsgericht nicht\nnur mit dem angegriffenen Argument mangelnder Kenntnis der Amnestie, sondern\nmit der weiteren, erkennbar selbständig tragenden und im Vordergrund stehenden\nErwägung begründet, die Behauptung des Klägers, an der Demonstration vom 7.\nMärz 2011 teilgenommen zu haben, erweise sich wegen seiner drastisch falschen\nAngaben zu der Anzahl der Demonstranten und der Dauer der Veranstaltung bis zu\nihrer gewaltsamen Auflösung als unglaubhaft. Diese Begründung hat der Kläger\nmit dem Zulassungsvortrag aber nicht in Zweifel gezogen.\n\n15\n\nFerner meint der Kläger insoweit, die Schlussfolgerung des\nVerwaltungsgerichts, unabhängig vom Fehlen einer Vorverfolgung wegen sonstiger\npolitischer Aktivitäten drohe ihm – dem Kläger – im Falle einer Rückkehr nach\nAngola "aufgrund der Amnestie" keine Verfolgung (mehr), sei unlogisch. Die\nAnnahme des Verwaltungsgerichts, selbst der Führer des „Movimento de Jovens\nRevolucionário de Angola“, Luaty Beirão, müsse infolge der Amnestie keine\nstrafrechtlichen Sanktionen (mehr) wegen seiner politischen Tätigkeit\nfürchten, verkenne nämlich, dass Luaty Beirão schon vor der Amnestie aus der\nHaft entlassen worden sei und die Amnestie nicht die Vorfälle des 7. März 2011\nbetreffe.\n\n16\n\nDie vom Kläger damit zunächst angegriffene Feststellung, ihm drohe aktuell\nkeine Verfolgungsgefahr, weil er unter die Amnestie falle, findet sich in dem\nUrteil des Verwaltungsgerichts nicht; dies ist im Übrigen auch folgerichtig,\nweil das Verwaltungsgericht dem Kläger die behauptete Vorverfolgung nicht\nabgenommen hat.\n\n17\n\nSoweit das Zulassungsvorbringen sich auf die Einschätzung des\nVerwaltungsgerichts bezieht, Luaty Beirão habe infolge der Amnestie keine\nVerfolgung mehr zu befürchten, fehlt es jedenfalls an einer hinreichenden\nDarlegung der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen\nRechtsfrage. Der Kläger benennt nämlich schon keinerlei bestimmte begründete\nInformationen, Auskünfte, Presseberichte oder sonstige Erkenntnisquellen, aus\ndenen sich zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür ergeben könnte,\ndass nicht diese Einschätzung des Verwaltungsgerichts, sondern die\ngegenteilige Bewertung in der Zulassungsschrift zutreffend ist. Der von ihm\nallein erwähnte Bericht der Deutschen Welle vom 17. Oktober 2015\n("Hungerstreik: Zustand von Luaty Beirão verschlechtert sich") belegt\nlediglich den Umstand, dass Luaty Beirão und weitere Aktivisten der\nangolanischen Jugendprotestbewegung im Juni 2015 wegen eines angeblichen\nPutschversuchs gegen den damaligen Präsidenten José Eduardo dos Santos\nverhaftet worden waren. Diesen Umstand hat das Verwaltungsgericht mit seiner\nEinschätzung, Luaty Beirão müsse infolge der Amnestie keine an seine\npolitische Tätigkeit anknüpfenden strafrechtlichen Sanktionen (mehr)\nbefürchten, nicht in Zweifel gezogen.\n\n18\n\nUngeachtet dessen trifft die Einschätzung des Verwaltungsgerichts ersichtlich\nzu. Das Amnestiegesetz, das die Nationalversammlung am 20. Juli 2016\nverabschiedet hat, hat sich nämlich auch auf die "Straftaten" der wegen\nGeschehnissen im Jahr 2015 verurteilten (und im Juni 2016 auf Entscheidung des\nObersten Gerichtshofs vorläufig wieder auf freien Fuß gesetzten) "Angola 17"\nbzw. "15+2 activists" bezogen, zu denen u. a. Luaty Beirão gehörte und denen\nder Oberste Gerichtshof in Anwendung dieses Gesetzes am 16. September 2016\neine Amnestie gewährt hat.\n\n19\n\nVgl. amnesty international, Report Angola vom 14. Mai 2017, Abschnitt\n"Gewaltlose politische Gefangene", und Urgent Action 143-2015-8, "Amnestie für\nAngola 17, Ergebnis dieser Urgent Action" vom 10. November 2016, AI Index: AFR\n12/5117/2016; siehe auch france24.com, "Angola: 17 opposants, dont le rappeur\nLuaty Beirao, sortent de prison sur ordre de la cour suprȇme" vom 29. Juni\n2016, und U.S. Department of State, "Angola 2016 Human Rights Report" vom 3.\nMärz 2017, S. 9 und 12 (zur Zugehörigkeit von Luaty Beirão zu den "15+2\nactivists").\n\n20\n\n2\\. Auch die als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,\n\n21\n\nob seit dem Wechsel vom Präsidenten Dos Santos zum Präsidenten Lourenço eine\nsignifikante Änderung des Verhältnisses zwischen Regierung und staatlichen\nBehörden im Hinblick auf die regierungsfeindliche/staatsfeindliche Opposition\n(z. B. Movimento de Jovens Revolucionário de Angola) eingetreten ist,\n\n22\n\nrechtfertigt nicht die begehrte Zulassung der Berufung. Sie ist für die\nEntscheidung des Verwaltungsgerichts nicht erheblich gewesen. Dessen eine\nRückkehrgefährdung verneinende Einschätzung, es sei nicht ersichtlich, weshalb\nder (2017 ins Amt gelangte) Präsident João Lourenço Verfolgungsmaßnahmen gegen\nden Kläger veranlassen sollte, obwohl dieser mit seiner behaupteten\nkünstlerischen Tätigkeit nur den Rückzug des früheren Präsidenten verlangt\nhabe, behauptet nämlich nicht eine (mit der Frage angesprochene) allgemeine\nVerbesserung der Menschenrechtslage unter dem neuen Präsidenten. Sie\nbeschränkt sich vielmehr auf die – ohne weiteres nachvollziehbare – Erwägung,\nes sei nicht erkennbar, weshalb die neue Regierung ein Interesse daran haben\nsollte, Menschen zu verfolgen, die lediglich die Ablösung des alten\nPräsidenten gefordert hatten. Daher ist auch das Zulassungsvorbringen\nirrelevant, das Verwaltungsgericht habe pflichtwidrig Ermittlungen zur\naktuellen allgemeinen Menschenrechtslage in Angola unterlassen und nicht\ngewürdigt, dass der neue Präsident wie sein Vorgänger aus der MPLA komme und\ndass sich das System nicht geändert habe.\n\n23\n\nLediglich ergänzend sei insoweit auf die Einschätzung der Bundesregierung\nverwiesen, dass sich in Bezug auf die Meinungs-, Presse und\nVersammlungsfreiheit in Angola seit dem Regierungswechsel 2017 Verbesserungen\nergeben haben.\n\n24\n\nAntwort der Bundesregierung vom 3. Dezember 2018, BT-Drs. 19/6244, auf die\nKleine Anfrage der Abgeordneten Ottmar von Holtz, Kai Gehring, Uwe Kekeritz,\nweiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache\n19/5281 –, insbesondere Antworten Nr. 6 bis 8; zu den Verbesserungen für\nRegimekritiker unter dem neuen Präsidenten vgl. auch Lemmenmeier, Angolas\nKampf gegen die Korruption: ernstes Ziel oder Hexenjagd, Schweizer Radio und\nFernsehen (SRF), 27. Januar 2020.\n\n25\n\nFür diese Einschätzung spricht auch, dass Präsident João Lourenço am 4.\nDezember 2018 mit mehreren Führungspersönlichkeiten zivilgesellschaftlicher\nOrganisationen, zu denen auch Luaty Beirão zählte, einen Dialog über die\nMenschenrechte in Angola geführt hat, den die Eingeladenen danach sehr positiv\nbewertet haben.\n\n26\n\nVgl. den Bericht der Deutschen Welle vom 4. Dezember 2018 mit dem Titel\n"Presidente angolano réune-se com ativistas, Rafael Marques será recebido\nquarta-feira" ("Angolanischer Präsident trifft sich mit Aktivisten, Rafael\nMarques wird Mittwoch empfangen werden").\n\n27\n\n3\\. Schließlich kann die Berufung auch nicht wegen der weiteren als\ngrundsätzlich bedeutsam bezeichneten Fragen zugelassen werden,\n\n28\n\nob einer regimefeindlichen Person, die diese Kritik öffentlich vertritt, die\nGefahr von Verhaftung und Bestrafung in Angola droht, und\n\n29\n\nob einem verhafteten Oppositionellen die Gefahr "menschenrechtsunwürdiger"\nBehandlung in Angola droht.\n\n30\n\nDiese Fragen sind in ihrer Allgemeinheit schon nicht klärungsfähig und darüber\nhinaus für die angefochtene Entscheidung ohne Bedeutung gewesen. Letzteres\nfolgt ohne weiteres aus der Erwägung, dass das Verwaltungsgericht eine\nkonkrete Vorverfolgung des Klägers und auch dessen Gefährdung als Rückkehrer\nverneint hat, ohne dass insoweit der geltend gemachte Zulassungsgrund\ndurchgreift (s. o.).\n\n31\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die\nGerichtskostenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 83b AsylG.\n\n32\n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Das Urteil des\nVerwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).\n\n
328,089
vghbw-2020-04-29-1-s-124620
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 S 1246/20
2020-04-29
2020-05-16 10:01:11
2020-12-10 13:34:06
Beschluss
## Tenor\n\nAuf Antrag des Präsidenten des Verwaltungsgerichts ... vom 24.04.2020 wird\nFrau ...**,**\n\n> ...\n\ngemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 VwGO in Verb. mit § 22 Nr. 3 VwGO von ihrem\nAmt als ehrenamtliche Richterin beim Verwaltungsgericht ... entbunden, da sie\nim öffentlichen Dienst beschäftigt ist.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Zum öffentlichen Dienst i.S.v. § 22 Nr. 3 VwGO gehören auch die öffentlich-\nrechtlichen Sparkassen (Ruthig, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl., § 22 Rn. 2,\nm.w.n.), mithin auch die Kreissparkasse ..., bei der Frau ... Angestellte ist.\nTrotz ihrer bis zum Oktober 2021 dauernden Elternzeit ist Frau ... i.S.v. § 22\nNr. 3 VwGO bei der Sparkasse beschäftigt. Zweck des § 22 Nr. 3 VwGO ist, das\nVerwaltungsgericht, vor dem typischerweise ein Bürger Rechtsschutz gegenüber\nstaatlichen oder kommunalen Institutionen begehrt, schon vor dem bloßen\nVerdacht einer personellen Nähe zur Verwaltung zu schützen. Es soll vermieden\nwerden, dass der Rechtssuchende auf ehrenamtliche Richter trifft, die\nihrerseits der Verwaltung als Beamte oder Angestellte angehören (Ruthig,\na.a.o.). Eine nur vorübergehende Freistellung oder Beurlaubung eines Beamten\noder Angestellten des öffentlichen Dienstes lässt den Hinderungsgrund des § 22\nNr. 3 VwGO daher nicht entfallen (ebenso HmbOVG, Beschl. v. 12.12.2018 - 3 AS\n14/18 - NVwZ-RR 2019, 440, m.w.N.). Denn die - wie hier - in absehbarer Zeit\nmögliche Rückkehr in eine aktive Tätigkeit im öffentlichen Dienst kann bereits\nden bloßen Verdacht einer Nähe zur Verwaltung begründen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
328,223
ovgnrw-2020-05-14-4-a-233817
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 A 2338/17
2020-05-14
2020-05-21 10:01:05
2020-12-10 13:34:27
Beschluss
ECLI:DE:OVGNRW:2020:0514.4A2338.17.00
## Tenor\n\nDer Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des\nVerwaltungsgerichts Köln vom 18.8.2017 wird abgelehnt.\n\nDie Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.\n\nDer Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 10.669,81 Euro\nfestgesetzt.\n\n \n1\n\nGründe:\n\n2\n\nDer Zulassungsantrag der Klägerin hat keinen Erfolg.\n\n3\n\nDie Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der\nerstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO\nzuzulassen. Zweifel in diesem Sinne sind anzunehmen, wenn ein einzelner\ntragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des\nVerwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden.\n\n4\n\nVgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 –, DVBl. 2000, 1458 =\njuris, Rn. 15.\n\n5\n\nDie auf die Gründe der angegriffenen Bescheide vom 14.10.2015 und 24.2.2016\ngestützte Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Rücknahme des\nZuwendungsbescheides vom 3.9.2010 und Rückforderung der Zuwendung in Höhe von\n10.669,81 Euro seien rechtlich nicht zu beanstanden, weil die Klägerin nicht\ndie Lizenz zur Durchführung gewerblichen Güterkraftverkehrs innegehabt habe,\nwird durch das Zulassungsvorbringen nicht schlüssig in Frage gestellt.\n\n6\n\nDer Einwand der Klägerin, ihr sei die auf den persönlich haftenden\nGesellschafter ausgestellte Lizenz zuzurechnen, greift nicht durch. Die\nKlägerin hatte schon deshalb keinen Anspruch auf die Gewährung der begehrten\n„De-minimis“-Beihilfe, weil sie nicht zum Kreis der Zuwendungsberechtigten im\nSinne von Nr. 3.1 der Richtlinie über die Förderung der Sicherheit und der\nUmwelt in Unternehmen des Güterkraftverkehrs mit schweren Nutzfahrzeugen vom\n19.10.2009 (BAnz Nr. 164/2009, S. 3743) in der Fassung der ersten Änderung vom\n19.5.2010 (BAnz Nr. 84/2010, S. 2062) – im Folgenden: Förderrichtlinie –\ngehörte.\n\n7\n\nGemäß Nr. 3.1 Satz 1 der Förderrichtlinie sind zuwendungsberechtigt\nUnternehmen, die Güterkraftverkehr im Sinne des § 1 GüKG durchführen und\nEigentümer oder Halter von in der Bundesrepublik Deutschland zum Verkehr auf\nöffentlichen Straßen zugelassenen schweren Nutzfahrzeugen sind. Nach Nr. 8.1.2\nder Förderrichtlinie sind antragsberechtigt die unter Nr. 3.1 genannten\nUnternehmen. Nach § 3 Abs. 1 GüKG ist der gewerbliche Güterkraftverkehr\nerlaubnispflichtig und im Falle der fehlenden Erlaubnis mit einer Geldbuße\nbewehrt (§ 19 Abs. 1 Nr. 1b GüKG). Da ein illegaler Betrieb nicht mit\nöffentlichen Mitteln gefördert werden kann, stand nach dem objektiven\nEmpfängerhorizont fest, dass nur ein Unternehmen Zuwendungen erhalten kann,\ndas selbst über die erforderliche güterkraftverkehrsrechtliche Erlaubnis\nverfügt.\n\n8\n\nVgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.5.2018 ‒ 4 A 1370/16 ‒, juris, Rn. 8.\n\n9\n\nDiese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Klägerin war im Förderzeitraum\nnicht im Besitz einer Erlaubnis für den gewerblichen Güterkraftverkehr. Die\nvon ihr vorgelegte Erlaubnis vom 14.6.2010 (Nr. D/-BY-0154-MSP) mit einer\nGültigkeitsdauer vom 30.6.2010 bis zum 29.6.2015 war nicht auf sie, sondern\nauf den persönlich haftenden Gesellschafter Herrn Q. T. ausgestellt.\n\n10\n\nDiese Erlaubnis war entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht ihr\nzuzurechnen. Die Klägerin benötigt für die rechtmäßige Ausübung des\nGüterkraftverkehrs gemäß § 3 Abs. 2 GüKG eine eigene Erlaubnis.\n\n11\n\nNach § 3 Abs. 2 Satz 1 GüKG in der seinerzeit geltenden Fassung wird die\nErlaubnis einem Unternehmer, dessen Unternehmen seinen Sitz im Inland hat, für\ndie Dauer von fünf Jahren erteilt. Ein Unternehmen in diesem Sinne wurde nach\nder seinerzeit geltenden Rechtslage europarechtlich definiert als jede\nnatürliche Person, jede juristische Person mit oder ohne Erwerbszweck, jede\nVereinigung oder jeder Zusammenschluss von Personen ohne Rechtspersönlichkeit\nund mit oder ohne Erwerbszweck sowie jedes staatliche Organ, unabhängig davon,\nob dieses über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt oder von einer Behörde\nmit Rechtspersönlichkeit abhängt.\n\n12\n\nVgl. Art. 1 Abs. 2 dritter Spiegelstrich der Richtlinie 96/26/EG des Rates vom\n29.4.1996 über den Zugang zum Beruf des Güter- und\nPersonenkraftverkehrsunternehmers im innerstaatlichen und\ngrenzüberschreitenden Verkehr sowie über die gegenseitige Anerkennung der\nDiplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise für die\nBeförderung von Gütern und die Beförderung von Personen im Straßenverkehr und\nüber Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Inanspruchnahme der\nNiederlassungsfreiheit der betreffenden Verkehrsunternehmer (ABl. Nr. L 124\nvom 23.5.1996, S. 1 ff.); sowie ähnlich nunmehr in Art. 2 Nr. 1 und 4 der\nVerordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom\n21.10.2009 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des\nKraftverkehrsunternehmers und zur Aufhebung der Richtlinie 96/26/EG des Rates\n(ABl. Nr. L 300 vom 14.11.2009, S. 51).\n\n13\n\nDaraus ist zu schließen, dass Gesellschaften mit und ohne eigene\nRechtspersönlichkeit jeweils Unternehmer sein können, also auch\nteilrechtsfähige Personengesellschaften wie die Offene Handelsgesellschaft.\n\n14\n\nVgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20.12.2018 ‒ 4 A 1517/16 ‒, juris, Rn. 8 ff., vom\n8.5.2018 ‒ 4 A 1370/16 ‒, juris, Rn. 10 f., m. w. N., und vom 12.9.2016 ‒ 4 A\n1613/15 ‒, juris, Rn. 4 ff.\n\n15\n\nDass zwischen diesen unterschiedlichen Gesellschaftsformen bei der\nErlaubniserteilung zu differenzieren ist, bestätigt Randnummer 8 der gemäß §\n23 Abs. 1 GüKG erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum\nGüterkraftverkehrsrecht vom 8.4.2009 (GüKVwV 2009, BAnz AT vom 22.4.2009, S.\n1476 ff.). Diese Vorschrift sieht dabei unter anderem vor, dass einzelne\nnatürliche Personen (Buchstabe a) und offene Handelsgesellschaften (Buchstabe\nd), die ein Güterkraftverkehrsgewerbe betreiben, Unternehmer im Sinne des\nGüterkraftverkehrsgesetzes sind. Auch Randnummern 16 und 17 GüKVwV 2009\nverdeutlichen die Personen- bzw. Unternehmensgebundenheit der Erlaubnis.\nDanach ist sowohl bei einer Rechtsformänderung ein neues Erteilungsverfahren\nals auch bei einer reinen Namensänderung eine Berichtigung der Erlaubnis\nerforderlich.\n\n16\n\nVgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.12.2018 – 4 A 1517/16 –, juris, Rn. 10.\n\n17\n\nDie im Gesellschaftsvertrag geregelte, wie auch sich aus dem Gesetz ergebende\nVerpflichtung des Gesellschafters, Herrn T. , den gemeinsamen\nGesellschaftszweck der Klägerin zu fördern, führt ebenso wenig wie der\nEinwand, im gesamten Wirtschaftsgefüge müsse der Lizenznehmer nicht\ngleichzeitig Inhaber des Betriebes sein, zu einer anderweitigen Einschätzung.\nDiese Einwände ändern nichts an dem gesetzlichen Erfordernis einer\nunternehmensbezogenen Erlaubnis zur Durchführung des gewerblichen\nGüterkraftverkehrs und an der durch die Förderrichtlinie und die\nZuwendungspraxis der Beklagten begründeten Voraussetzung, dass\nzuwendungsberechtigt bei gewerblichem Güterkraftverkehr nur solche Unternehmen\nsind, die als Inhaber einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 GüKG selbst\nGüterkraftverkehr im Sinne des § 1 GüKG durchführen.\n\n18\n\nDer weitere Einwand der Klägerin, sie habe zu keinem Zeitpunkt versucht, sich\neine Leistung zu erschleichen, weil sämtliche Unterlagen wahrheitsgemäß von\nihr an das Bundesamt für Güterverkehr gegeben worden seien, führt weder zur\nAnnahme eines Vertrauensschutzes im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung\nmit Abs. 2 VwVfG noch zu einer zu ihren Gunsten geänderten Abwägung der\nwiderstreitenden Interessen. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend\nausgeführt hat, kann sich die Klägerin auf Vertrauen nicht berufen, weil sie\nden Zuwendungsbescheid durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher\nBeziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG).\nSie hat in ihrem am 25.2.2010 gestellten Förderantrag ausdrücklich durch\nentsprechendes Ankreuzen angegeben, gewerblichen Güterkraftverkehr\ndurchzuführen, und die Erklärung abgegeben, dass sie als antragstellendes\nUnternehmen Güterkraftverkehr im Sinne des § 1 GüKG durchführe, obwohl ihr\nselbst die Berechtigung zur Durchführung gewerblichen Güterkraftverkehrs nach\n§§ 1, 3 GüKG fehlte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Erklärung der\nKlägerin auf der unzutreffenden Annahme beruhte, die dem persönlich haftenden\nGesellschafter erteilte Erlaubnis nach §§ 1, 3 GüKG berechtige auch sie als\nGesellschaft. Für die Anwendung des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG ist ein\nVerschulden nicht erforderlich.\n\n19\n\nVgl. auch OVG NRW, Beschlüsse vom 20.12.2018 ‒ 4 A 1517/16 ‒, juris, Rn. 15,\nund vom 8.5.2018 ‒ 4 A 1370/16 ‒, juris, Rn. 22.\n\n20\n\nDass die Beklagte erst bei der Antragstellung für die Förderperiode 2015 die\nfehlerhafte Angabe entdeckt hat, vermag ein Vertrauen der Klägerin in den\nBestand der vorangegangenen Förderungen oder aber eine für sie günstigere\nAbwägung nicht zu begründen. Der ausschließlich von der Klägerin zu\nverantwortende Fehler relativiert sich durch die späte Entdeckung nicht.\n\n21\n\nDie Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen\nBedeutung zuzulassen (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die\nsinngemäß aufgeworfene Frage,\n\n22\n\nob die personelle Trennung eines Gesellschafters der OHG von der OHG\nangesichts der gesellschaftlichen Verzahnung, aufgrund derer von einer\nIdentität auszugehen sei, unzulässig sei,\n\n23\n\nist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Sie ist sowohl durch § 124 Abs. 1\nHGB im Sinne der Selbständigkeit der Gesellschaft gegenüber den\nGesellschaftern als auch durch § 3 Abs. 2 GüKG in Verbindung mit dem\neinschlägigen Unionsrecht und der dies bestätigenden Randnummer 8 der\nAllgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Güterkraftverkehrsrecht für die Frage\nder Unternehmereigenschaft eindeutig im verneinenden Sinne beantwortet.\n\n24\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.\n\n25\n\nDie Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 3 GKG.\n\n26\n\nDieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. §\n66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.\n\n
328,636
ovgnrw-2020-06-02-11-a-435719
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
11 A 4357/19
2020-06-02
2020-06-06 10:01:06
2020-12-10 13:35:31
Beschluss
ECLI:DE:OVGNRW:2020:0602.11A4357.19.00
## Tenor\n\nDer Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.\n\nDie Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.\n\nDer Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro\nfestgesetzt.\n\n \n1\n\nG r ü n d e :\n\n2\n\nDer Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.\n\n3\n\nDas Zulassungsvorbringen führt nicht zu den allein geltend gemachten\nernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils i. S. v.\n§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. „Ernstliche Zweifel“ i. S. d. Gesetzes sind gegeben,\nwenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf,\nein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des\nZulassungsverfahrens mithin möglich ist.\n\n4\n\nVgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 ‑ 7 AV 1.02 ‑, Buchholz 310 § 124b\nVwGO Nr. 1 = juris, Rn. 7.\n\n5\n\nEs reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner\nRechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil\ngestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des\nErgebnisses begründen.\n\n6\n\nVgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004- 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO\nNr. 33, S. 9.\n\n7\n\nHiervon ausgehend legt die Klägerin mit ihrem Zulassungsantrag ernstliche\nZweifel nicht dar.\n\n8\n\nDas Verwaltungsgericht hat den Antrag der Klägerin, die Beklagte zu\nverpflichten, ihr im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens einen\nAufnahmebescheid zu erteilen, mit der Begründung abgelehnt, das\nAusgangsverfahren sei bestandskräftig abgeschlossen worden und die Klägerin\nkönne sich nicht mit Erfolg auf Wiederaufgreifensgründe berufen.\n\n9\n\nDas für die Prüfung maßgebliche Zulassungsvorbringen (§ 124a Abs. 4 Satz 4\nVwGO) der Klägerin stellt dies nicht in Frage.\n\n10\n\nI. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das\nAusgangsverfahren bestandskräftig abgeschlossen worden ist.\n\n11\n\n1\\. Der Bescheid vom 19. Januar 2004, mit dem das Bundesverwaltungsamt einen\nAufnahmeantrag der Klägerin abgelehnt hat (Az. IIIB2/SU-1348603/1), ist -\nanders als die Klägerin meint - nicht „ohnehin nichtig“.\n\n12\n\na) Die Klägerin hat im Jahr 2004 keinen Aufnahmeantrag gestellt. Zwar ist dem\nBundesverwaltungsamt der mit Angaben zur Klägerin ausgefüllte amtliche\nVordruck „Ergänzungsbogen S/Abkömmling“ am 19. September 2000 übersandt\nworden. Hieraus lässt sich indes nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit\neine Antragstellung entnehmen. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass im\nAntragsformular des Vaters der Klägerin in der Rubrik „Folgende\nFamilienangehörige haben gleichzeitig mit dem/der Aufnahmebewerber/in eigene\nAnträge auf Aufnahme gestellt“ die Klägerin keine Erwähnung findet und sie\nstattdessen in der Rubrik „weitere Familienangehörige des Spätaussiedlers (§ 8\nAbs. 2 BVFG)“ geführt wird. Die Angaben bezüglich der Klägerin ließen daher\nnicht eindeutig darauf schließen, dass beabsichtigt war, auch für die Klägerin\neinen eigenen Aufnahmeantrag zu stellen.\n\n13\n\nb) Die fehlende Antragstellung führt nicht zur Nichtigkeit des Bescheids vom\n19. Januar 2004.\n\n14\n\nGemäß § 44 Abs. 1 VwVfG, der einzig in Betracht zu ziehenden Norm, ist ein\nVerwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler\nleidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden\nUmstände offensichtlich ist.\n\n15\n\nEin fehlender Antrag bei einem mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt - wie\nhier - führt nicht zu dessen Nichtigkeit. Dies lässt sich der Regelung in § 45\nAbs. 1 Nr. 1 VwVfG entnehmen. Danach ist eine Verletzung von Verfahrens- oder\nFormvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 VwVfG nichtig macht,\nunbeachtlich, wenn der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche\nAntrag nachträglich gestellt wird. Andernfalls bliebe für die dort vorgesehene\nHeilung durch nachträgliche Antragstellung kein Anwendungsfall. Die\nHeilungsvorschrift des § 45 VwVfG bezieht sich auf rechtswidrige, nicht etwa\nauf nichtige Verwaltungsakte. Ein nichtiger Verwaltungsakt kann nicht geheilt\nwerden.\n\n16\n\nVgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Oktober 2019- 1 A 2413/17 -, juris, Rn. 17,\nund vom 29. Mai 2006- 19 A 1483/06.A -, juris, Rn. 11, sowie Urteil vom 13.\nAugust 2008 - 1 A 157/07 -, juris, Rn. 56 ff.; VGH München, Urteil vom 10.\nSeptember 1991- 19 BZ 90.30695 -, NVwZ-RR 1992, 328; Schemmer, in:\nBader/Ronellenfitsch, VwVfG, BeckOK, Stand: 1. April 2020, § 44 Rn. 31,\nMüller, in: Huck/Müller, VwVfG, Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 44 Rn. 11;\nLeisner-Egensperger, in: Mann/Senne-kamp/Uechtritz, VwVfG, Kommentar, 2. Aufl.\n2019, § 44 Rn. 16; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 20. Aufl.\n2019, § 44 Rn. 21; Ziekow, VwVfG, Kommentar, 4. Aufl. 2019, § 44 Rn. 8; Sachs,\nin: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 44 Rn. 107; in\ndiese Richtung auch OVG Koblenz, Urteil vom 24. Juni 1992- 11 A 10189/92 -,\njuris, Rn. 17; a. A. BSG, Urteil vom 15. Oktober 1981 - 5b/5 RJ 90/80 -,\njuris, Rn. 17, indes ohne Berücksichtigung von § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG bzw.\ndes am 1. Oktober 1981 in Kraft getretenen § 41 Abs. 1 Nr. 1 SGB X als der\nentsprechenden sozialgesetzlichen Verfahrensbestimmung.\n\n17\n\nVon diesem Grundsatz werden in der Rechtsprechung und Literatur teilweise\nAusnahmen gemacht. Es wird vertreten, ein mitwirkungsbedürftiger\nVerwaltungsakt, der auf den Erlass eines Statusakts gerichtet sei, sei ohne\nentsprechenden Antrag nichtig. Dies gelte für das Beamtenrecht und das\nStaatsangehörigkeitsrecht.\n\n18\n\nVgl. dazu: OVG Lüneburg, Beschluss vom 20. April 1994 - 2 M 130/94 -, juris,\nRn. 5 f. (Entlassung aus dem Beamtenverhältnis ohne entsprechenden Antrag);\nZiekow, VwVfG, Kommentar, 4. Aufl. 2019, § 44 Rn. 8, sowie Schemmer, in:\nBader/Ronellenfitsch, VwVfG, BeckOK, Stand: 1. April 2020, § 44 Rn. 31 mit\nVerweis auf Ziekow; Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 9. Aufl.\n2018, § 44 Rn. 108 nimmt Nichtigkeit ferner an, wenn eine\nimmissionsschutzrechtliche Genehmigung ohne Antrag erteilt wird; Nichtigkeit\nallein für Sachverhalte mit Bezug zu §§ 16, 23 StAG bejahend Ramsauer, in:\nKopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 20. Aufl. 2019, § 44 Rn. 21. Hingegen geht\ndie beamtenrechtliche Rechtsprechung des OVG NRW davon aus, bei Fehlen eines\nAntrags auf Entlassung sei der entsprechende Bescheid (lediglich)\nrechtswidrig, OVG NRW, Beschluss 28. Oktober 2019- 1 A 2413/17 -, juris, Rn.\n17.\n\n19\n\nFerner wird in der - vor Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes am 1.\nJanuar 1977 - ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die\nAuffassung vertreten, es stelle einen schweren Verfahrensverstoß dar, wenn bei\neinem zweiseitigen Verwaltungsakt der betroffene Private nicht beteiligt wurde\nund seine Mitwirkung als unerlässliche Voraussetzung für das Zustandekommen\ndes Verwaltungsakts, wie etwa beim Beamtenverhältnis, erscheine.\n\n20\n\nVgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1971- IV C 36.68 -, DÖV 1972, 173 (174) =\njuris, Rn. 16; (wohl) hierauf ohne nähere Begründung abzielend Leisner-\nEgensperger, in: Mann/Sennekamp/Uech-tritz, VwVfG, Kommentar, 2. Aufl. 2019, §\n44 Rn. 16; a. A. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 20. Aufl.\n2019, § 44 Rn. 21, der auch im Fall von „zweiseitigen“ Verwaltungsakten eine\nNichtigkeit ablehnt.\n\n21\n\nOb diesen Ansätzen zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn ein\nderartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die Erteilung eines\nAufnahmebescheids nach dem Bundesvertriebenengesetz stellt keinen Statusakt\ndar. Der Status als Spätaussiedler wird erst durch die Bescheinigung gemäß §\n15 Abs. 1 BVFG festgestellt. Demgegenüber wird der Aufnahmebescheid aufgrund\neiner vorläufigen Prüfung der Voraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft\nerteilt.\n\n22\n\nVgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 19. April 1994- 9 C 20.93 -, Buchholz 412.3 § 6\nBVFG Nr. 72, S. 8 = juris, Rn. 17.\n\n23\n\nAuch die weiteren Fallgruppen, für die unter Berücksichtigung des\neinschlägigen Rechtsgebiets (zum Teil) eine Ausnahme angenommen wird, sind\nnicht einschlägig.\n\n24\n\n2\\. Der Einwand im Zulassungsantrag, der Bescheid sei „der Klägerin nicht\nwirksam bekanntgegeben“ worden, es handele sich vielmehr um ein\n„Verwaltungsinternum“, greift nicht durch. Denn der Bescheid vom 19. Januar\n2004 (Az. IIIB2/SU-1348603/1) ist wirksam bekanntgegeben worden.\n\n25\n\nGemäß § 8 Abs. 1 VwZG i. d. F. vom 25. Juni 2001 (VwZG 2001) können\nZustellungen an den allgemein oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten\nVertreter gerichtet werden (Satz 1). Sie sind an ihn zu richten, wenn er\nschriftliche Vollmacht vorgelegt hat (Satz 2). Nach § 9 VwZG 2001 gilt ein\nSchriftstück als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es der\nEmpfangsberechtigte nachweislich erhalten hat, wenn sich die formgerechte\nZustellung eines Schriftstücks nicht nachweisen lässt oder das Schriftstück\nunter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist. Diese\nVoraussetzungen liegen hier vor.\n\n26\n\na) Das Verwaltungszustellungsgesetz i. d. F. vom 25. Juni 2001 ist anwendbar.\nAusweislich des Begleitschreibens ist der die Klägerin betreffende Bescheid\nvom 19. Januar 2004 (Az. IIIB2/SU-1348603/1) Frau B. T. per Einwurf-\nEinschreiben übersandt worden. Das Bundesverwaltungsamt beabsichtigte folglich\neine Zustellung.\n\n27\n\nb) Der Bescheid vom 19. Januar 2004 war an Frau B. T. zu richten. Diese war\ninsoweit wirksam bevollmächtigt und hatte eine schriftliche Vollmacht\nvorgelegt.\n\n28\n\nIm Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheids vom 19. Januar 2004 war die am 5.\nJanuar 1987 geborene Klägerin 17 Jahre alt und damit nicht handlungsfähig i.\nS. v. § 12 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG sind fähig zur\nVornahme von Verfahrenshandlungen natürliche Personen, die nach bürgerlichem\nRecht geschäftsfähig sind. Bei ausländischen natürlichen Personen bestimmt\nsich die Handlungsfähigkeit entsprechend Art. 7 Abs. 1 EGBGB nach dem Recht\ndes Staates, dem die Person angehört.\n\n29\n\nVgl. Sennekamp, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, Kommentar, 2. Aufl. 2019,\n§ 12 Rn. 13.\n\n30\n\nNach Art. 17 Abs. 1 des Kasachischen Zivilgesetzbuchs vom 27. Dezember 1994\nsind Personen, die das 18. Lebensjahr erreichen, geschäftsfähig.\n\n31\n\nVgl. Abdruck der Norm bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und\nKindschaftsrecht, Kommentar, 235. Egl. 2020, Kasachstan, S. 37.\n\n32\n\nDiese Voraussetzung erfüllte die Klägerin im Jahr 2004 nicht.\n\n33\n\nDie Klägerin war zu diesem Zeitpunkt auch nicht gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG\naufgrund besonderer Vorschriften des bürgerlichen Rechts oder des öffentlichen\nRechts handlungsfähig.\n\n34\n\nVielmehr war ihr Vater - ihre Mutter verstarb bereits im Jahr 1990 - als ihr\ngesetzlicher Vertreter befugt, Dritte zur Entgegennahme von - die Klägerin\nbetreffenden - Bescheiden zu bevollmächtigen.\n\n35\n\nVgl. zum gesetzlichen Vertretungsrecht der Eltern eines Kindes in Kasachstan\nBergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Kommentar, 122.\nEgl. 1995, Kasachstan, S. 43; zur aktuellen Rechtslage Bergmann/Ferid,\nInternationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Kommentar, 235. Egl. 2020,\nKasachstan, S. 62.\n\n36\n\nDem folgend heißt es in der vom Vater der Klägerin ausgefüllten\nVollmachtsurkunde, die im Jahr 2000 beim Bundesverwaltungsamt einging:\n\n37\n\n„Hiermit bevollmächtige ich ‚T. , B. , Wiesenstr. 87, 58642 Iserlohn‘ für mich\nund meine minderjährigen Kinder das Aussiedleraufnahmeverfahren nach den §§ 27\nund 28 BVFG durchzuführen. Die Vollmacht umfaßt auch die Durchführung eines\nmöglichen Widerspruchs- und Klageverfahrens sowie die Entgegennahme von\nBescheiden und sonstigen Schreiben.“\n\n38\n\nDamit war Frau B. T. im Jahr 2004 wirksam zum Empfang von die Klägerin\nbetreffenden Bescheiden des Bundesverwaltungsamts bevollmächtigt.\n\n39\n\nc) Der Bescheid vom 19. Januar 2004 (Az. IIIB2/SU-1348603/1) ist Frau B. T.\nzwar in Form eines Einwurf-Einschreibens und damit unter Verletzung zwingender\nZustellungsvorschriften zugegangen. Denn in der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts war geklärt, dass das Einwurf-Einschreiben nicht den\nAnforderungen, die § 2 Abs. 1 VwZG in der Fassung vom 14. Dezember 1976,\ngültig bis 31. Januar 2006, an die Zustellung eines Schriftstücks stellte,\ngenügte.\n\n40\n\nVgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2000- 9 C 7.00 -, NJW 2001, 458 = juris,\nRn. 8.\n\n41\n\nDieser Fehler ist jedoch gemäß § 9 VwZG 2001 geheilt worden. Der Bescheid ist\nFrau B. T. nachweislich zugegangen. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass\ndie Kanzlei X. & I. mit Schreiben vom 24. Februar 2004 gegen den Bescheid vom\n19. Januar 2004 (Az. IIIB2/SU-1348603/1) Widerspruch eingelegt hat.\n\n42\n\n3\\. Der Bescheid vom 19. Januar 2004 (Az. IIIB2/SU-1348603/1) ist\nbestandskräftig geworden.\n\n43\n\na) Wenn man mit dem Zulassungsantrag annimmt, der Vater der Klägerin habe die\nVollmacht der Kanzlei X. & I. für die damals noch minderjährige Klägerin am\n24. Februar 2004 als deren gesetzlicher Vertreter unterschrieben, so wären die\nRechtsanwälte wirksam bevollmächtigt worden und hätten dementsprechend wirksam\nWiderspruch eingelegt. Der Widerspruchsbescheid vom 24. August 2004 wäre ihnen\nzugestellt worden und - in der Gestalt des Ausgangsbescheids vom 19. Januar\n2004 - bestandskräftig geworden.\n\n44\n\nb) Wenn man der Ansicht der Beklagten folgte, die Klägerin habe die\nVollmachtsurkunde selbst unterschrieben - wofür nach Vergleich der\nUnterschriften unter den eingereichten Vollmachten einiges spricht -, hätte\ndie Kanzlei X. & I. als vollmachtloser Vertreter gehandelt. Denn die Klägerin\nwar aufgrund ihrer Minderjährigkeit zum damaligen Zeitpunkt nicht\nhandlungsfähig und damit auch verfahrensrechtlich nicht fähig, wirksam einen\nBevollmächtigten zu bestellen.\n\n45\n\nDer Widerspruch eines vollmachtlosen Vertreters ist indes unwirksam.\n\n46\n\nVgl. für den Fall einer durch einen vollmachtlosen Vertreter eingelegten\nBerufung: OVG NRW, Beschluss vom 12. Januar 1993 - 22 A 1122/92 -, NJW 1993,\n3155 = juris, Rn. 1.\n\n47\n\nDass das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch dennoch inhaltlich geprüft und\nbeschieden hat, ändert daran nichts. Auch in diesem Falle wäre das\nAusgangsverfahren bestandskräftig abgeschlossen.\n\n48\n\nc) Unterstellt, eine dritte Person hätte die die Klägerin betreffende\nVollmacht der Kanzlei X. & I. unterschrieben, läge wiederum ein Fall eines\nvollmachtlosen Vertreters vor, mit der Folge, dass auch insoweit das\nAusgangsverfahren bestandskräftig abgeschlossen wäre.\n\n49\n\nII. Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus zu Recht den geltend gemachten\nAnspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens auf der Grundlage von § 51 Abs. 5\nVwVfG i. V. m. den §§ 48, 49 VwVfG verneint. Es kann offenbleiben, ob die\nVoraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG vorliegen. Eine Aufhebung kommt,\nselbst wenn diese Voraussetzungen als erfüllt anzusehen wären und der einen\nAntrag der Klägerin auf Erteilung eines Aufnahmebescheids ablehnende Bescheid\nvom 19. Januar 2004 (ggfls. in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.\nAugust 2004) rechtswidrig gewesen sein sollte, nicht in Betracht.\n\n50\n\nNach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht mit Blick auf\ndas Gebot der materiellen Gerechtigkeit ausnahmsweise dann ein Anspruch auf\nRücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen\nAufrechterhaltung „schlechthin unerträglich“ ist, was von den Umständen des\nEinzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt.\nAllein die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründet keinen Anspruch auf\nRücknahme, da der Rechtsverstoß lediglich die Voraussetzung einer\nErmessensentscheidung der Behörde ist. Das Festhalten an dem Verwaltungsakt\nist insbesondere dann „schlechthin unerträglich“, wenn die Behörde durch\nunterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich\ngelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn\nUmstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit\nals einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen\nlassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen\nRücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine\nAufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich.\n\n51\n\nVgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2018- 1 C 26.17 -, Buchholz 412.3 § 27\nBVFG Nr. 25 = juris, Rn. 31.\n\n52\n\nEine offensichtliche Rechtswidrigkeit in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn an\ndem Verstoß der streitigen Maßnahme gegen formelles oder materielles Recht\nvernünftigerweise kein Zweifel besteht und sich deshalb die Rechtswidrigkeit\naufdrängt. Anders als bei der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts nach § 44 Abs.\n1 VwVfG NRW ist es nicht erforderlich, dass der Verwaltungsakt an einem\nbesonders schwerwiegenden Fehler leidet. Maßgeblicher Zeitpunkt für die\nBeurteilung, ob sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig\nerweist, ist in der Regel der Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts. Die\ndie Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts möglicherweise gebietende\nOffensichtlichkeit fehlt damit, wenn die Evidenz des Rechtsfehlers erst später\nersichtlich wird.\n\n53\n\nVgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007- 6 C 32.06 -, NVwZ 2007, 709 (710) =\njuris, Rn. 15.\n\n54\n\nAusgehend von diesen Grundsätzen ist die Aufrechterhaltung der\nbestandskräftigen Ablehnung des damaligen Antrags auf Erteilung eines\nAufnahmebescheids nicht „schlechthin unerträglich“.\n\n55\n\nDas Zulassungsvorbringen zeigt eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des\nBescheids vom 19. Januar 2004 (ggfls. in der Gestalt des Widerspruchsbescheids\nvom 24. August 2004, Az. IIIB2/SU-1348603/1) aufgrund einer fehlenden\nAntragstellung nicht auf. Der Verstoß gegen formelles Recht ist nicht als\nevident anzusehen. Die Angaben im damaligen Verwaltungsverfahren waren\naufgrund der für eine Antragstellung sprechenden - und vom Vater der Klägerin\nveranlassten - Zusendung des „Ergänzungsbogens S/Abkömmling“ einerseits und\nder Eintragungen im Antragsformular des Vaters der Klägerin andererseits\njedenfalls mehrdeutig. Der Zulassungsantrag irrt in diesem Zusammenhang, wenn\ner meint, in der Übersendung des „Ergänzungsbogens/Abkömmling S“ könne von\nvornherein keine Antragstellung gesehen werden. Denn im Antragsformular für\neinen Aufnahmebescheid wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein\nAbkömmling, der als Spätaussiedler anerkannt werden will, dies durch\nÜbersendung des „Ergänzungsbogens/Abkömmling S“ beantragen muss. Daher liegen\ndie Voraussetzungen einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit nicht vor. Die\nAufrechterhaltung ist mit Blick darauf auch deshalb nicht „schlechthin\nunerträglich“, weil die Mehrdeutigkeit allein Folge der unterschiedlichen\nAngaben des Vaters der Klägerin als ihrem gesetzlichen Vertreter ist.\n\n56\n\nEs werden auch keine sonstigen Umstände dargelegt, die für einen wegen\nunterschiedlicher Ausübung der Rücknahmebefugnis verursachten Verstoß gegen\ndas Gleichheitsgebot sprechen oder die ein Festhalten an der bestandskräftigen\nAblehnung als einen Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Die\nbloße Behauptung im Zulassungsantrag, es sei seitens der Beklagten „grob\ntreuwidrig“, sich auf die Bestandskraft zu berufen, genügt insofern nicht.\n\n57\n\nDie Beklagte hat ihr Ermessen über das Wiederaufgreifen des Verfahrens\nfehlerfrei zulasten der Klägerin ausgeübt. Ist die Aufrechterhaltung eines\nbestandskräftigen Verwaltungsakts nicht „schlechthin unerträglich" und das\nWiederaufgreifensermessen damit nicht auf Null reduziert, ist es in aller\nRegel und so auch hier ermessensfehlerfrei, wenn die Behörde dem Aspekt der\nRechtssicherheit den Vorzug gibt. Ins Einzelne gehender Ermessenserwägungen\nbedarf es insoweit nicht.\n\n58\n\nVgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20. November 2018- 1 C 23.17 -, Buchholz 316 §\n51 VwVfG Nr. 63 = juris, Rn. 30.\n\n59\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.\n\n60\n\nDas Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5\nSatz 4 VwGO).\n\n61\n\nDie Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.\n\n62\n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V.\nm. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).\n\n